Stenographisches Protokoll

161. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 25., und Freitag, 26. Februar 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

161. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Donnerstag, 25., und Freitag, 26. Februar 1999

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 25. Februar 1999: 10.34 – 24.00 Uhr

 Freitag, 26. Februar 1999: 0.00 –   1.14 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Abs. 2 GOG zu aktuellen kurdischen Aktivitäten in Österreich

2. Punkt: Sicherheitsbericht 1997

3. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 965/A (E) der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend Fehlentwicklungen in der Fremdenpolitik

5. Punkt: Kooperationsübereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Italienischen Republik, dem Königreich Spanien, der Portugiesischen Republik, der Griechischen Republik, der Republik Österreich, dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen betreffend den Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Erklärungen und Anlage

6. Punkt: Protokoll zur Änderung der Artikel 40, 41 und 65 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, unterzeichnet am 19. Juni 1990 in Schengen

7. Punkt: Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Finnland zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage

8. Punkt: Übereinkommen über den Beitritt der Republik Finnland zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage

9. Punkt: Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Dänemark zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage

10. Punkt: Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage

11. Punkt: Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage

12. Punkt: Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage

13. Punkt: Übereinkommen über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens samt Anhang und Erklärung der Republik Österreich

14. Punkt: Strafprozeßnovelle 1999

15. Punkt: Bericht und Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Antrag 286/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (BGBl. 1988/599)

17. Punkt: Bericht über den Antrag 298/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG)

18. Punkt: Bericht über den Antrag 698/A der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und die Exekutionsordnung zur Verbesserung der Rechtsstellung von Opfern geändert werden

19. Punkt: Bericht über den Antrag 860/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie

20. Punkt: Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Leopoldstadt und die Änderung der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt (5. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien)

21. Punkt: Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreffend die Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze bei Konzernabschlüssen – Konzernabschlußgesetz (KonzaG)

22. Punkt: Gemeinsamer Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes, insbesondere über die Tätigkeit und Wahrnehmung der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen, die Verfahren vor der Kommission und die sonstige Tätigkeit der Kommission gemäß § 10a Gleichbehandlungsgesetz, 1997

23. Punkt: Erste Lesung des Antrages 979/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird

24. Punkt: Erste Lesung des Antrages 980/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1997 geändert wird

25. Punkt: Erste Lesung des Antrages 989/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 16

Ordnungsrufe 30, 58

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 4887/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 19

Durchführung einer Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 132

Redner:

Dr. Gabriela Moser 132

Dr. Josef Cap 134

Maria Rauch-Kallat 135

Mag. Karl Schweitzer 136

Mag. Thomas Barmüller 137

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 139

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 140

Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 1522 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 30. April 1999 zu setzen – Ablehnung 19, 235

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1022/A (E) betreffend Abschaffung der Pensions- und Abfertigungsprivilegien der Politiker gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 23. März 1999 zu setzen – Ablehnung 19, 235

Antrag der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 816/A betreffend Gewerbegesetz 1998 gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 19. Mai 1999 zu setzen – Ablehnung 19, 235

Redezeitbeschränkung gemäß § 57 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20

Unterbrechungen der Sitzung 132, 202

Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen, die Regierungsvorlage betreffend Strafprozeßnovelle 1999 (1581 d. B.), in der Fassung des Ausschußberichtes 1615 d. B., gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Justizausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 168, 201

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 201

Ersuchen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler, die namentliche Abstimmung mittels Stimmzetteln durchzuführen 202

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Martin Graf betreffend das Rederecht 234

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser in bezug auf die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Martin Graf 234

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend eine von der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé in der Debatte gemachte Äußerung 235

Fragestunde (34.)

Finanzen 16

Mag. Johann Maier (238/M); Dkfm. Holger Bauer, Dr. Volker Kier

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 16

Ausschüsse

Zuweisungen 18, 230, 232, 235

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Fehlstart für "NEW START": Debakel der großkoalitionären Beschäftigungspolitik aufgrund jahrelanger Verschleierung von Strukturmängeln im Arbeitsmarktservice (5823/J) 79

Begründung: Dr. Volker Kier 89

Bundesministerin Eleonora Hostasch 94

Debatte:

Mag. Helmut Peter 103

Josef Edler 105

Dr. Andreas Khol 108

Bundesministerin Eleonora Hostasch 109

Reinhart Gaugg 110

Karl Öllinger 111

Maria Schaffenrath 114

Heidrun Silhavy 116

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 118

Sigisbert Dolinschek 120

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 121

Annemarie Reitsamer 123

Dr. Gottfried Feurstein 125

Dr. Helene Partik-Pablé 127

Dr. Sonja Moser-Starrach (tatsächliche Berichtigung) 128

Anton Blünegger 129

Josef Meisinger 129

Dr. Volker Kier 130

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Abs. 2 GOG zu aktuellen kurdischen Aktivitäten in Österreich 20

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung (III-156 d. B.) über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1997) (1590 d. B.) 20

3. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz geändert wird (1591 d. B.) 20

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 965/A (E) der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend Fehlentwicklungen in der Fremdenpolitik (1601 d. B.) 20

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 20

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 19

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 25

Anton Leikam 28

Dr. Harald Ofner (tatsächliche Berichtigung) 30

Dr. Helene Partik-Pablé (tatsächliche Berichtigung) 30

Dr. Martina Gredler 31

Paul Kiss 32

Mag. Doris Kammerlander 37

Dr. Peter Kostelka (tatsächliche Berichtigung) 40

Peter Schieder 41

Wolfgang Jung 42

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 44

Karl Smolle 46

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 49

Dr. Johannes Jarolim 51

Mag. Terezija Stoisits 52

Karl Freund 55

Dr. Helene Partik-Pablé 56

Andreas Wabl (tatsächliche Berichtigung) 58

Emmerich Schwemlein 59

Hans Helmut Moser 60

Anton Gaál 63

Karl Öllinger 64

Matthias Achs 67

Herbert Scheibner 68

Helmut Dietachmayr 70

Dr. Volker Kier 71

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 72

Dr. Martin Graf 74

Andreas Wabl 75

Dkfm. Holger Bauer 78

Dr. Martina Gredler (tatsächliche Berichtigung) 142

Dr. Walter Schwimmer 142

Franz Lafer 144

Kenntnisnahme des Berichtes III-156 d. B. 146

Annahme des Gesetzentwurfes in 1591 d. B. 147

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1601 d. B. 147

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Nichtverhängung von Schubhaft an Jugendlichen – Ablehnung 71, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend internationale Friedenskonferenz zur Lösung der Kurdenfrage – Ablehnung 77, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Abschaffung der Todesstrafe – Zurückziehung 77

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schieder, Dr. Walter Schwimmer, Andreas Wabl, Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Abschaffung der Todesstrafe – Annahme (E 163) 143, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen betreffend restriktivere Maßnahmen zur Bekämpfung der Schlepperei – Ablehnung 145, 146

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1420 d. B.): Kooperationsübereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Italienischen Republik, dem Königreich Spanien, der Portugiesischen Republik, der Griechischen Republik, der Republik Österreich, dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen betreffend den Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Erklärungen und Anlage (1592 d. B.) 147

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1421 d. B.): Protokoll zur Änderung der Artikel 40, 41 und 65 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, unterzeichnet am 19. Juni 1990 in Schengen (1593 d. B.) 148

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1422 d. B.): Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Finnland zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1594 d. B.) 148

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1423 d. B.): Übereinkommen über den Beitritt der Republik Finnland zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1595 d. B.) 148

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1424 d. B.): Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Dänemark zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1596 d. B.) 148

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1425 d. B.): Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1597 d. B.) 148

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1426 d. B.): Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1598 d. B.) 148

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1427 d. B.): Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1599 d. B.) 148

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 149

Günter Kiermaier 150

Franz Lafer 151

Walter Murauer 152

Wolfgang Jung 154

Hans Helmut Moser 155

Ludmilla Parfuss 157

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 158

Genehmigung der Staatsverträge in 1592, 1593, 1594, 1595, 1596, 1597, 1598 und 1599 d. B. 159

Beschlußfassungen im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 159

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1433 d. B.): Übereinkommen über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens samt Anhang und Erklärung der Republik Österreich (1600 d. B.) 162

Redner:

Brigitte Tegischer 162

Karl Freund 163

Genehmigung des Staatsvertrages in 1600 d. B. 164

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 164

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 164

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1581 d. B.): Strafprozeßnovelle 1999 (1615 d. B.) 164

15. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1616 d. B.) 164

16. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 286/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (BGBl. 1988/599) (1617 d. B.) 165

17. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 298/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) (1618 d. B.) 165

18. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 698/A der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und die Exekutionsordnung zur Verbesserung der Rechtsstellung von Opfern geändert werden (1626 d. B.) 165

19. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 860/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie (1627 d. B.) 165

Redner:

Dr. Harald Ofner 165

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 168

Mag. Dr. Heide Schmidt 170

Dr. Johannes Jarolim 173

Dr. Harald Ofner (tatsächliche Berichtigung) 175

Mag. Terezija Stoisits 175

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 179, 192

Mag. Dr. Josef Trinkl 181

Dr. Michael Krüger 184

Dr. Elisabeth Hlavac 187

Theresia Haidlmayr 188

Mag. Helmut Kukacka 189

Dr. Martin Graf 190

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) 193

Anna Huber 193

Herbert Scheibner 195

Dr. Helga Konrad 196

Elfriede Madl 197

Mag. Gisela Wurm 199

Dr. Michael Krüger (tatsächliche Berichtigung) 201

Annahme der Gesetzentwürfe in 1615 (namentliche Abstimmung) und 1616 d. B. 202, 204

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1617, 1618, 1626 und 1627 d. B. 204

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend Unabhängigkeit der Rechtsprechung – Ablehnung 186, 204

20. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1478 d. B.): Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Leopoldstadt und die Änderung der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt (5. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien) (1628 d. B.) 205

Redner:

Doris Bures 205

Dr. Walter Schwimmer 206

Annahme des Gesetzentwurfes in 1628 d. B. 206

21. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1576 d. B.): Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreffend die Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze bei Konzernabschlüssen – Konzernabschlußgesetz (KonzaG) (1629 d. B.) 206

Redner:

Kurt Eder 207

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 207

Dr. Michael Krüger 208

Annahme des Gesetzentwurfes in 1629 d. B. 208

22. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes, insbe-sondere über die Tätigkeit und Wahrnehmung der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen, die Verfahren vor der Kommission und die sonstige Tätigkeit der Kommission gemäß § 10a Gleichbehandlungsgesetz, 1997, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz und von der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (III-168/1604 d. B.) 208

Redner:

Edith Haller 209

Dr. Elisabeth Hlavac 210

Maria Schaffenrath 211

Rosemarie Bauer 213

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 214

Brunhilde Fuchs 217

Maria Rauch-Kallat 218

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 218

Mag. Gisela Wurm 219

Ridi Steibl 221

Inge Jäger 221

Dr. Gertrude Brinek 222

Doris Bures 223

Heidrun Silhavy 224

Mag. Thomas Barmüller 225

Kenntnisnahme des Berichtes III-168 d. B. 227

Entschließungsantrag der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft – Ablehnung 210, 227

23. Punkt: Erste Lesung des Antrages 979/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird 227

Redner:

Mag. Thomas Barmüller 227

Dr. Elisabeth Hlavac 228

Rosemarie Bauer 229

Zuweisung des Antrages 979/A an den Gleichbehandlungsausschuß 230

24. Punkt: Erste Lesung des Antrages 980/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1997 geändert wird 230

Redner:

Dr. Volker Kier 230

Anna Huber 230

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 231

Mag. Reinhard Firlinger 231

Zuweisung des Antrages 980/A an den Finanzausschuß 232

25. Punkt: Erste Lesung des Antrages 989/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich 232

Redner:

Georg Oberhaidinger 232

Maria Rauch-Kallat 233

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 233

Zuweisung des Antrages 989/A an den Verfassungsausschuß 235

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 18

1625: Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen im Rahmen der 5. allgemeinen Kapitalerhöhung der Afrikanischen Entwicklungsbank

Anträge der Abgeordneten

Dr. Volker Kier, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/1995 idgF, geändert wird (1023/A)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend "Schutzgeldzahlungen" im Bereich der Wirtschaftskammer Österreich (1024/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines Behindertengleichstellungsgesetzes (1025/A) (E)

Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend Abfertigung neu (1026/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Bericht des Bundeskanzlers an den Nationalrat über die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich (Menschenrechtsbericht) (1027/A) (E)

Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend Abfertigung – sicher und gerecht (1028/A) (E)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Verbesserung der Sicherheit von Reisebussen (1029/A) (E)

Anton Blünegger und Genossen betreffend ÖBB-Seniorenermäßigung (1030/A) (E)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Rettung der Bahn in Österreich (1031/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Entwurf für ein Bundesgrundsatzgesetz in der Sozialhilfe (1032/A) (E)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend Abschaffung des "gelinderen Mittels" (1033/A) (E)

Franz Lafer und Genossen betreffend restriktivere Maßnahmen zur Bekämpfung der Schlepperei (1034/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Fehlstart für "NEW START": Debakel der großkoalitionären Beschäftigungspolitik aufgrund jahrelanger Verschleierung von Strukturmängeln im Arbeitsmarktservice (5823/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Empfänger von Förderungen laut Förderungsbericht 1995 (5824/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Empfänger von Förderungen laut Förderungsbericht 1994 (5825/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Empfänger von Förderungen laut Förderungsbericht 1996 (5826/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Empfänger von Förderungen laut Förderungsbericht 1997 (5827/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Empfänger von Förderungen laut Förderungsbericht 1995 (5828/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Lehrlinge ohne Ausbildungsplatz (5829/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Neuregelung der Lehrerüberstunden (5830/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Türkischunterricht an Volksschulen (5831/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Rezeptgebührenbefreiung (5832/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Gebührenbefreiung (5833/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend passives Wahlrecht (5834/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einsparungen der Krankenkasse auf Kosten aller PatientInnen (5835/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Organisation, Besetzung und inhaltliche Arbeit der Steuerreformkommission (5836/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Medienberichte über einen "Justizskandal in Salzburg" im Magazin "FORMAT" Nr. 8/99 (5837/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bombenblindgänger in der Landeshauptstadt Salzburg und anderen Orten (5838/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gerichtsgebühren bei Firmenbuchangelegenheiten (5839/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Rückführung österreichischer Kulturgüter aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion (5840/J)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Zukunftsperspektiven der ÖBB (5841/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Untersagung der Ausstellung polizeilichen Gerätes (5842/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Marktüberwachung und Verwendung des CE-Zeichens (5843/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Marktüberwachung und Verwendung des CE-Zeichens (5844/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Anrechnung von Kindererziehungszeiten (5845/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Jugendgefährdung durch Satanismus (5846/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Anfragebeantwortung zu Einsparungen der Bauernkrankenkasse (5847/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verfahren gegen Grünpolitiker (5848/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umsetzung der Ankündigungen aus der Regierungserklärung des Bundeskanzlers, dem Mangel an Eigenkapital österreichischer Unternehmen durch Reformen des Kapitalmarktes und Förderungen entgegenzuwirken (5849/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Umsetzung der Ankündigungen aus der Regierungserklärung bezüglich dem Mangel an Eigenkapital der österreichischen Unternehmen durch Reformen des Kapitalmarktes entgegenzuwirken (5850/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Umsetzung der Ankündigung aus der Regierungserklärung betreffend Aufbrechen überholter Strukturen, Abbau bürokratischer Hemmnisse sowie die Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben zu deren Überleben beziehungsweise zur Entwicklung neuer KMUs (5851/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Unterstützung von Südtirolern, welche von italienischen Gerichten entgegen den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt wurden (5852/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Ankündigung des Bundesministers für Inneres bezüglich Erteilung eines abschlägigen Bescheids über die Durchfuhr ungarischer Truppenübungsteilnehmer zu einer NATO-Übung in Norditalien (5853/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend einfache Tätigkeiten nach § 31 GewO (5854/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Kundmachung des Mineralrohstoffgesetzes (MinroG) (5855/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Kundmachung des Mineralrohstoffgesetzes (MinroG) (5856/J)

Elfriede Madl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend finanzielle Beteiligung des Bundes am Projekt Musiktheater-Neubau in Linz (5857/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Säumnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) hinsichtlich einer Bescheiderlassung (5858/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ankündigung eines abschlägigen Bescheids über die Durchfuhr ungarischer Truppenübungsteilnehmer zu einer NATO-Übung in Norditalien (5859/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Begutachtung der Studienpläne für Juristen (5860/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend steuerliche Abzugsfähigkeit für schwerbehinderte Familienangehörige (5861/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend nicht eingelöste Finanzierungszusagen im Zusammenhang mit den Rettungs- beziehungsweise Bergungskosten nach dem Unglück von Lassing (5862/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Liberalisierung der Medikamentenabgabe und Gefahren (5863/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Einführung des European Course Credit Transfer Systems (ECTS) zur Förderung der Mobilität der Studierenden (5864/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Einführung des European Course Credit Transfer Systems (ECTS) zur Förderung der Mobilität der Studierenden (5865/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend alkoholisierte LKW-Fahrer (5866/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend alkoholisierte LKW-Fahrer (5867/J)

Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Lärmschutzmaßnahmen auf der A 23 Südosttangente für die Hansson-Siedlung-Nord und -West und die Siedlung Wienerfeld-Ost (5868/J)

Mag. Gisela Wurm und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend offene Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem "ruhigen Besitz an Grabstellen" (5869/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend den mysteriösen Lauf des Aktes "Bundesminister für Inneres Karl Schlögl"; Verdacht des Verstoßes gegen § 3 Verbotsgesetz in der StA Wien (5870/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Säumigkeit seiner Behörde (5871/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den wahren Grund für die Auflösung des Vereines "Dichterstein Offenhausen" (5872/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die beginnende Enthüllung der Wahrheit im Falle der Auflösung des Vereines "Dichterstein Offenhausen" (5873/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend den Einfluß, den der gerichtsbekannte Intrigant Dr. Wolfgang Neugebauer im Justizbereich ausübt (5874/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend einige aufklärungswürdige Vorgänge in der Verhandlungsführung bestimmter Richter der Republik (5875/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belastungsübersicht (5876/J)

Georg Wurmitzer und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Strafanzeige von FP-Abgeordneten zum Nationalrat (5877/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Schaffung neuer Lehrstellen (5878/J)

Dr. Günther Leiner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "Studium der Pflegewissenschaften" (5879/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend EU-weite Ausschreibung gemäß Anfragebeantwortung 4768/AB (5880/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Einstellung des Verfahrens gegen Bürgermeister Ernst H. (5881/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zahlung von Strafmandaten mittels Kreditkarten (5882/J)

Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend generelle Doppelstaatsbürgerschaft für türkische Staatsbürger in Deutschland (5883/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Anforderung von NATO-Fluggeräten bei den Tiroler Lawinenkatastrophen (5884/J)

Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Nord-Autobahn-Bau (5885/J)

Kurt Wallner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend den Kasernenstandort St. Michael (5886/J)

*****

Helmut Haigermoser und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend unbefriedigende Antwort zur Anfrage 42/JPR (45/JPR)

Beginn der Sitzung: 10.34 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich eröffne die 161. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind folgende Abgeordnete: Aumayr, Böhacker, Mag. Haupt, Dr. Haider, Motter, Wenitsch, Kröll, Tichy-Schreder, Gatterer, Mag. Frieser, Platter, Gradwohl, Heinzl, Dr. Keppelmüller und Dr. Pumberger.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilungen gemacht: Herr Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem wird durch Herrn Bundesminister Rudolf Edlinger vertreten. Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel wird durch Herrn Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer vertreten.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen jetzt – um 10.35 Uhr – mit dem Aufruf der Fragen zur Fragestunde.

Ich mache aber darauf aufmerksam, daß es nicht eine Fragestunde werden wird, da nur eine einzige Anfrage aus der vorigen Fragestunde übriggeblieben ist. Im Anschluß daran – und das ist der Grund, warum die Glocken weiterläuten – wird dann abzustimmen sein über die Gestaltung der heutigen Sitzung: Redezeitbeschränkung, Zusammenfassungen et cetera, was an Anträgen vorliegt.

Bundesministerium für Finanzen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Anfrage, die noch zu stellen ist, ist eine Anfrage des Herrn Abgeordneten Johann Maier an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich bitte Herrn Abgeordneten Maier, seine Frage zu formulieren. Sie wird vom Herrn Staatssekretär beantwortet werden.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Staatssekretär! Produktpiraterie ist europaweit ein immer größeres Problem. Es werden Hunderttausende Arbeitspätze gefährdet. Den Staaten entgehen Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Meine Frage lautet:

238/M

Was unternehmen Sie gegen "Produktpiraterie", das heißt gegen die Einfuhr von Markenproduktfälschungen aus Drittländern zum Schaden der Konsumenten und der österreichischen Wirtschaft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Danke, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter! Es ist völlig richtig, daß durch die Produktpiraterie vielfacher Schaden entsteht: einerseits für den Konsumenten, der scheinbare Markenware offenbar zu teuer kauft, anderseits für die Firmen, die innovative Produkte eben nicht entsprechend verkaufen können. Es ist kein fairer Wettbewerb, und es entsteht dadurch letzten Endes auch Schaden für den Arbeitsmarkt.

Das Bundesministerium für Finanzen, insbesondere der Zoll innerhalb unseres Hauses, hat daher seine Anstrengungen im Kampf gegen diese Produktpiraterie in den letzten drei Jahren deutlichst verstärkt. Im Zentrum unserer Anstrengungen stehen dabei die bessere Schulung unserer Organe, insbesondere der Zollorgane, und gleichzeitig der Aufbau einer Informationszentrale über die Produktpiraterie für die Wirtschaft. Soweit betroffene Unternehmen bekannt sind, sobald wir wissen, welche Unternehmen davon betroffen sind, gehen ihnen Informationen zu, wie sie ihre Markenrechte besser schützen können. Wir bekommen aber auch Informationen von den Unternehmen.

Der Aufbau des Datennetzes ermöglicht es in der Zwischenzeit allen österreichischen Zollstellen, bei Verdachtsmomenten innerhalb weniger Sekunden zu den nötigen Informationen zu kommen, um solche Produktpiraterie aufdecken zu können. Diese Maßnahmen haben aber auch bereits zu merkbaren Erfolgen im Kampf gegen die Produktpiraterie geführt. Allein in den Monaten Oktober und November 1998 wurde in 33 Fällen die Einfuhr solcher gefälschter Artikel verhindert, und es wurden diese Artikel beschlagnahmt. Dabei reicht die Palette der Fälschungen von Bekleidung über Uhren und Schallträger, vor allem CDs, bis hin zu Ersatzteilen für Flugzeuge, woraus man sieht, daß auch für Leib und Leben von Menschen durch diese Produktpiraterie Gefahr entstehen kann.

Die Anstrengungen der Zollverwaltung haben letztlich dazu geführt, daß österreichische Zollorgane den größten in Europa bis dahin aufgedeckten Fall an Produktpiraterie entdeckt haben. Es konnten 120 000 Raubpressungen von CDs sichergestellt werden.

Wir arbeiten aber auch an der gesetzlichen Basis, an der Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen zur Bekämpfung der Produktpiraterie weiter und haben einen diesbezüglichen Gesetzentwurf für die Durchführung einer entsprechenden EU-Richtlinie erarbeitet. Diese wird in Kürze in Begutachtung gehen. Wir arbeiten auch europaweit an einem entsprechenden System zum Informationsaustausch weiter. Der Prototyp dieses Informationssystems ist bereits unter dem Titel "Multimedia System for Customs" fertiggestellt und befindet sich in der Testphase.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Staatssekretär. – Eine Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Staatssekretär! Mit welchen Konsequenzen müssen Konsumenten rechnen, die gutgläubig eine nachgeahmte Ware, ein gefälschtes Produkt erwerben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Diese Konsumenten müssen zollmäßig selbstverständlich mit keinen Konsequenzen rechnen. Sie haben bereits den Schaden, daß sie ein Produkt gekauft haben, das nicht echt ist, zu verkraften. Sie werden bestenfalls darauf aufmerksam gemacht. Aber sie haben keinen Schaden darüber hinaus zu befürchten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Herr Staatssekretär! Wer sind denn Ihrem Wissensstand nach die hauptsächlichen Empfänger oder Wiederverkäufer dieser Produktfälschungen, die nach Österreich importiert oder hereingeschmuggelt werden? Aber das werden Sie nicht wissen, wenn geschmuggelt wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Wir wissen, daß die meisten Fälschungsprodukte aus Oststaaten kommen, insbesondere aus Tschechien, Polen, Rußland, Rumänien, Bulgarien, wobei Rußland, wie aus internationalen Beobachtungen hervorgeht, durchaus einen Schwerpunkt darstellt. Es kommen aber auch sehr viele Waren dieser Art aus dem asiatischen Bereich. Das ist uns bekannt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kier, bitte. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das sind die Produzenten! Ich habe Sie hier nach den Wiederverkäufern gefragt, nicht nach den Produzenten! Das wissen wir ohnehin!)

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Staatssekretär! Wir haben gehört, welche Erfolge die österreichische Zollfahndung und so weiter hat. Das ist aber ein europaweites Problem, also ein EU-Problem. Gibt es Untersuchungen oder Schätzungen im gesamten EU-Raum hinsichtlich der mengenmäßigen Auswirkung der nachteiligen Folgen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Herr Abgeordneter! Was wir wissen, ist, daß weltweit aus der Produktfälschung eine Schadenssumme entsteht, die bei 180 Milliarden US-Dollar pro Jahr liegt, also bei 2 100 Milliarden Schilling, somit fast der Größe unseres Bruttonationalproduktes entspricht. Schätzungen im Hinblick auf den österreichischen oder auch – darauf bezog sich Ihre Frage – europäischen Markt liegen mir nicht vor.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Weitere Wünsche auf Zusatzfragen liegen mir nicht vor.

Damit beende ich die Fragestunde.

Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuß:

Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen im Rahmen der 5. allgemeinen Kapitalerhöhung der Afrikanischen Entwicklungsbank (1625 der Beilagen);

Verfassungsausschuß:

Staatsdruckereigesetz-Novelle 1999 (1630 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung dieser Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage 5823/J der Abgeordneten Dr. Kier, Schaffenrath und PartnerInnen an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Fehlstart für "NEW START"; Debakel der großkoalitionären Beschäftigungspolitik aufgrund jahrelanger Verschleierung von Strukturmängeln im Arbeitsmarktservice dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 4887/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß mir das Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 4887/AB der Anfrage 5205/J der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Initiativen gegen die Fertigstellung von Atomkraftwerken durch den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung, wie soeben bekanntgegeben, die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage in Aussicht genommen wurde, wird die Kurzdebatte nach Ende der Verhandlungen über die Dringliche Anfrage stattfinden.

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Dr. Krüger beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 1522 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kabel- und Satellitenrundfunkgesetz geändert wird, eine Frist bis zum 30. April 1999 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht.

Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Mag. Stadler beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag des Abgeordneten Mag. Stadler betreffend Abschaffung der Pensions- und Abfertigungsprivilegien der Politiker eine Frist bis zum 23. März 1999 zu setzen.

Auch dieser Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Schließlich teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Mag. Helmut Peter beantragt hat, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 816/A betreffend Novelle zur Gewerbeordnung eine Frist bis zum 19. Mai 1999 zu setzen.

Auch dieser Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Verlangen auf Durchführung einer Debatte über die Erklärung des Bundesministers für Inneres zu aktuellen kurdischen Aktivitäten in Österreich

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß ein Verlangen nach § 81 der Geschäftsordnung vorliegt, über die Erklärung des Herrn Bundesministers für Inneres zu aktuellen kurdischen Aktivitäten in Österreich eine Debatte durchzuführen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach Beratungen in der Präsidialkonferenz soll die Debatte über diese Erklärung des Herrn Bundesministers für Inneres gemeinsam mit der Debatte über die Punkte 2 bis 4 stattfinden.

Ferner ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 5 bis 12 sowie 14 bis 19 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Dr. Kier und Dr. Van der Bellen haben beantragt, für die Debatte zu allen Tagesordnungspunkten eine Tagesblockzeit von neun "Wiener Stunden" zu beschließen, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Für diese Beschlußfassung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Ich komme daher zur Abstimmung, weil ich annehme, daß es Einwendungen gegen diese Redezeitbeschränkung gibt.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Dr. Kier und Dr. Van der Bellen zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist bei Präsenz des Quorums mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

1. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Abs. 2 GOG zu aktuellen kurdischen Aktivitäten in Österreich

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung (III-156 der Beilagen) über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1997) (1590 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz geändert wird (1591 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 965/A (E) der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend Fehlentwicklungen in der Fremdenpolitik (1601 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf nun dem Herrn Bundesminister für Inneres das Wort zur Abgabe seiner Erklärung im Sinne der einschlägigen Vorschriften der Geschäftsordnung erteilen. – Bitte, Herr Bundesminister.

10.46

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! In den Abendstunden des 15. Februar 1999 wurde der Vorsitzende der kurdischen PKK, Abdullah Öcalan, in Kenia verhaftet und durch ein türkisches Sonderkommando in die Türkei gebracht. Das hat europaweit zu Aktivitäten, Kundgebungen, gewalttätigen Ausschreitungen und Besetzungsaktionen seitens Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und von PKK-Anhängern geführt. Auch Österreich ist von diesen Vorgängen betroffen.

Ich nehme diese Situation zum Anlaß, dem österreichischen Parlament und der Öffentlichkeit einen Überblick über die Geschehnisse und die Sicherheitsvorkehrungen der Exekutive zu geben sowie sie über gemeinsame Maßnahmen und Strategien der Europäischen Union zu informieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat im Verlauf der Geschichte der Zweiten Republik in Fragen der inneren Sicherheit stets eine Politik verfolgt, die das Gemeinsame vor das Trennende, die Mäßigung vor die Provokation, Deeskalation vor Eskalation und den Interessenausgleich vor den Interessengegensatz stellt. Die Suche nach gewaltfreien Konfliktbereinigungen hat unserem Land ein äußerst hohes Maß an Sicherheit und Stabilität beschert. Die österreichische Politik des Ausgleichs und die Vermittlerrolle Österreichs bei internationalen Konflikten haben das Ansehen und die Stellung unseres Landes in der internationalen Staatengemeinschaft gestärkt.

Österreich räumt unterdrückten Volksgruppen die Möglichkeit ein, in zivilisierter und gewaltfreier Form für friedliche Lösungen ihres Problems einzutreten. Dabei wird von der österreichischen Bundesregierung keinesfalls akzeptiert, daß bürgerkriegsähnliche Handlungen nach Österreich verlagert und auf unserem Staatsgebiet ausgetragen werden. Die österreichische Verfassung garantiert das Recht auf Versammlungsfreiheit, jedoch ist die Ausübung dieses Rechtes nur möglich, solange keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder strafrechtswidrige Handlungen zu befürchten sind.

Es muß allen handelnden Personen bewußt sein – und dies möchte ich mit allem Nachdruck feststellen –, daß ein demokratischer Rechtsstaat verpflichtet ist, Gewaltaktionen auf seinem Territorium zu unterbinden und die den Gesetzen zuwiderhandelnden Personen nach den Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung zu belangen und zu bestrafen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Von diesen Grundsätzen ist auch die österreichische Politik gegenüber der kurdischen Volksgruppe getragen. In Österreich leben derzeit rund 40 000 Menschen kurdischer Abstammung. Es existiert eine Reihe von kurdischen Vereinen. Die PKK und die ERNK, ein politischer Zweig der PKK, sind in Österreich weder als Vereine noch als Parteien registriert. Die Sicherheitsbehörden gehen jedoch davon aus, daß in Österreich etwa 400 Aktivisten und etwa 4 000 Sympathisanten der PKK zuzurechnen sind. Internationale Beispiele haben gezeigt, daß Teile der PKK immer wieder terroristische und gewalttätige Handlungen setzen. Deshalb wurden Aktivitäten und Initiativen, die der PKK zuzurechnen waren, in Österreich von den Sicherheitsbehörden beobachtet und ein Verlassen der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltfreiheit stets mit den gesetzlich zu Gebote stehenden Mitteln verfolgt und geahndet.

Bisher hat Österreich kein Verbot der Kurdischen Arbeiterpartei und ihres politischen Flügels ausgesprochen. Dies hat verschiedene Gründe. Ein generelles Verbot, wie beispielsweise in Deutschland, oder ein Verbot von Teilorganisationen, wie in Frankreich, würde nach Ansicht des österreichischen Staatsschutzes zu einer Abwanderung von PKK-Aktivisten in den Untergrund führen. Dadurch würde eine Beobachtung der Strukturen erschwert. Nach Schätzungen der Staatspolizei und aufgrund der internationalen Erfahrungen könnte eine Untersagung eine weitere Radikalisierung oder gewalttätige Kundgebungen mit sich bringen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß ein Verbot eine Umbenennung und Neugründung beziehungsweise ein Ausweichen auf neue Vereine oder Teilorganisationen bewirken würde. Ich bin deshalb überzeugt davon, daß der österreichische Weg der friedlichen politischen Auseinandersetzung unserem Land bisher ausufernde Gewaltakte erspart hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Strategie haben wir auch bei den Besetzungen und Kundgebungen in den letzten Tagen weitergeführt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um der österreichischen Exekutive meinen ausdrücklichen Dank für ihre Vorgangsweise auszusprechen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Jene Kolleginnen und Kollegen, die in diesen Tagen einer großen psychischen und physischen Belastung ausgesetzt gewesen sind, haben in vorbildlicher Weise und mit der notwendigen Sensibilität reagiert. Die Einsätze waren durch die hervorragende Zusammenarbeit und rasche Koordination aller Dienststellen beispielgebend für die Arbeit der Polizei und Gendarmerie. Feuerwehr und Rettung erwiesen sich in diesen Tagen wiederum als äußerst verläßliche Partner der Exekutive.

Hohes Haus! In den Morgenstunden des 16. Februar besetzten kurdische Aktivisten die griechische und etwas später die kenianische Botschaft in Wien. Diese Besetzungsaktionen waren Teil einer europaweit abgestimmten Proteststrategie der in den jeweiligen Staaten lebenden Angehörigen der kurdischen Volksgruppe. Zu diesem Zeitpunkt bestand keine ständige Überwachung der beiden Missionen, sondern nur eine regelmäßige Kontrolle der Objekte im Zuge von Streifendiensten. Nach dem damaligen Informationsstand der Sicherheitsbehörden war eine konkrete Gefährdung nicht zu erwarten, und auch die beiden Botschaften selbst verfügten über keinen eigenen permanenten Objekt- und Personenschutz.

Die Staaten der Europäischen Union wurden so wie Österreich von den Vorgängen rund um den PKK-Führer unvorbereitet getroffen, da den Sicherheitsbehörden weder dessen Aufenthaltsort noch die Lageentwicklung in Kenia bekannt war. Österreich und alle anderen europäischen Staaten erhielten im Vorfeld nicht die notwendigen Informationen, um geeignete Sicherheitsvorkehrungen treffen zu können. Der PKK allerdings gelang es aufgrund ihrer straffen Organisationsstruktur und ihrer guten Kommunikationswege, ihre Aktivisten über die Verbringung des PKK-Führers in die Türkei in relativ kurzer Zeit zu informieren und europaweit akkordierte Protestaktionen einzuleiten.

Nachdem 41 kurdische Aktivisten die griechische Botschaft, in der sich zu diesem Zeitpunkt fünf Personen aufhielten, unter anderem auch der Botschafter, besetzt hatten und 24 Personen gewaltsam in die kenianische Botschaft eingedrungen waren, habe ich umgehend eine erste Analyse der Gefährdungssituation durchführen lassen. Nach Befassung des Bundeskanzlers und des Außenministers wurde im Innenministerium zusätzlich ein Einsatzstab gebildet. Gleichzeitig stand ich in ständigem Kontakt mit dem Bundesminister für Justiz sowie mit dem deutschen Innenminister, der zurzeit den Vorsitz des Europäischen Rates für Justiz und Inneres innehat. Es war notwendig, rasche Informationen über die Besetzungen und Kundgebungen in anderen europäischen Ländern zu erhalten, um eine politische Einschätzung der Ereignisse treffen zu können. Die Justizbehörden wurden gleichzeitig von allen Schritten der Sicherheitsbehörden in Kenntnis gesetzt und in die Entscheidungen des Einsatzstabes eingebunden.

Aufgrund des Ergebnisses der Gefährdungsanalyse und des Ersuchens der griechischen Behörden, ein Betreten der Botschaftsräumlichkeiten zu vermeiden, hat der Einsatzstab eine Strategie zur gewaltfreien und friedlichen Beendigung der Botschaftsbesetzungen gewählt. Durch telefonische Verhandlungen und Verhandlungen vor Ort, geführt vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Michael Sika, gelang es schließlich, die Besetzer zur Aufgabe zu bewegen.

Mein Dank gilt dabei auch der Unterstützung durch den Mandatar der Grünen, Peter Pilz.

In jedem Stadium der Verhandlungen wurde den Aktivisten klargemacht, daß die eskalationsfreie Beendigung ihrer Aktionen nur mit einer Feststellung und Überprüfung ihrer Identität, ihres fremdenpolizeilichen Status und einer Befassung der Justiz einhergehen kann. Die Sicherheitsbehörden haben unverzüglich der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung übermittelt und nach Beendigung der Botschaftsbesetzung Anzeige wegen Verdachtes des Hausfriedensbruchs, der Sachbeschädigung und der Nötigung erstattet.

Nach Beginn der kurdischen Aktivitäten wurden umfangreiche Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen für zahlreiche Objekte und mögliche Aktionsziele für Protestaktionen und Anschläge aufgenommen beziehungsweise erweitert. Diese Schutzmaßnahmen werden ständig der aktuellen Bedrohungslage angepaßt, denn uns Behörden und allen Sicherheitsorganen in Österreich ist bewußt, daß eine Änderung der Lage aufgrund bestimmter Ereignisse im Ausland, aber auch aufgrund von Einzelaktionen nicht auszuschließen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Vergleich zur Situation in Deutschland, in den Niederlanden, in Großbritannien, in Griechenland und in anderen Staaten war Österreich in schwächerer Form von den kurdischen Protestmaßnahmen betroffen. Nach Beendigung der Botschaftsbesetzungen kam es jedoch zu weiteren unangemeldeten Protestaktionen, beispielsweise in Klagenfurt, in den Räumlichkeiten der Landesparteizentralen von ÖVP und SPÖ in Linz, im ORF-Landesstudio Linz, in der Zentrale der SPÖ in Wien, in der Landesgeschäftsstelle in Graz und auf dem Gelände der Vereinten Nationen in Wien.

Einigen öffentlichen Institutionen wurden darüber hinaus Protestresolutionen übergeben.

Fast alle Aktionen verliefen ohne Zwischenfälle und konnten friedlich beendet werden. Aus Sicherheitsgründen wurden entsprechend der Lage immer Sicherheitskräfte vor Ort zusammengezogen.

Bei der Protestkundgebung in der UNO-City wurden die Sicherheitskräfte der Vereinten Nationen durch Körperkraft der Demonstranten zur Seite gedrängt. Ein vor dem Gebäude anwesender Beamter der EBT erlitt durch die eindringenden Aktivisten Verletzungen, eine Gehirnerschütterung und Prellungen. Eine diesbezügliche entsprechende Anzeige erging an die Staatsanwaltschaft. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch dieser Woche wurde ein Brandanschlag auf das islamische Kulturzentrum in Graz verübt. Vier Verdächtige konnten von der Polizei unmittelbar nach dem Anschlag festgenommen werden. Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um türkische Staatsbürger, vermutlich kurdischer Abstammung. Die Behörden gehen von einem Zusammenhang mit den kurdischen Aktivitäten in den letzten Tagen aus.

Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl die Gewaltanwendung durch in Österreich demonstrierende Kurden und PKK-Anhänger bisher geringer war als in anderen europäischen Staaten, stelle ich nochmals klar und deutlich fest: Der Boden der Rechtsstaatlichkeit darf in Österreich nicht verlassen werden! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Alle Gesetzesbrüche müssen – und das werden sie auch – durch die zuständigen Behörden sanktioniert und geahndet werden. Österreich duldet keine gewalttätigen Auseinandersetzungen, unabhängig davon, von wem oder aus welchem Motiv heraus sie begangen werden. Ich appelliere deshalb an alle, den Weg der friedlichen Auseinandersetzung und Konfliktlösung nicht zu verlassen. Die Sicherheitsbehörden werden sich auch in Zukunft bemühen, Konflikte ohne unnötige Gewaltanwendung zu beenden, aber keinen Zweifel über rechtsstaatliche Sanktionen offenlassen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung hat im Laufe des 16. Februar alles unternommen, um das österreichische Vorgehen mit den EU- und Schengen-Partnern abzustimmen. Sowohl der Bundeskanzler als auch der Vizekanzler führten eine Vielzahl von Gesprächen mit europäischen Regierungen. Darüber hinaus wurde vor allem ab den späten Nachmittagsstunden desselben Tages auf hoher Beamtenebene mit den zuständigen Spitzenbeamten anderer EU-Staaten Verbindung aufgenommen. Mit Interpol gab es laufend einen Informationsaustausch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muß aber auch offen eingestanden werden, daß die bewährten und oft zu Recht vielgelobten europäischen Polizeisysteme gegenüber dem Netzwerk der PKK anfangs versagt haben. Sie waren zu Beginn der Aktionen zu schwerfällig und zuwenig effizient. Daraus sind europaweit, aber auch in Österreich Konsequenzen zu ziehen.

Es hat sich jedenfalls gezeigt, daß ein institutionell-operatives Netz fehlt, das bei solchen Aktionen und Ereignissen sofort aktiviert werden und in einer permanenten Verbindung ständig Informationen austauschen kann. Ich glaube, daß sich EUROPOL als solches Instrument des ständiges Kontaktes und der Verbindung der Polizeiorganisationen für die Zukunft anbietet.

Besonders kritisch, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist im Lichte der EU-Zusammenarbeit aber die Position und Vorgangsweise Griechenlands zu beurteilen. Griechenland hat es über 14 Tage hinweg unterlassen, die Schengen- und EU-Partner von der Anwesenheit Öcalans in Griechenland beziehungsweise in seiner Botschaft in Kenia zu informieren. Mögen hierfür anfangs noch Sicherheitsüberlegungen ausschlaggebend gewesen sein, so ist nicht nachvollziehbar, weshalb Griechenland seine Partner nicht unmittelbar nach der Festnahme Öcalans durch türkische Vertreter in Kenia informiert hat. Wäre diese Information von griechischer Seite am späten Abend des 15. Februar an alle Partner übermittelt worden, hätten diese rechtzeitig und besser reagieren können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die PKK-Führung fordert derzeit ihre Anhänger zum Gewaltverzicht außerhalb der Türkei auf. Eine langfristige Prognose über ihr weiteres Verhalten ist daraus aber nicht zu schließen. Ich habe mich deshalb Ende der letzten Woche mit dem deutschen Innenminister Schily darauf verständigt, ein kurzfristiges Treffen der Innenminister jener Staaten, die von Ausschreitungen und Gewaltakten betroffen waren, einzuberufen.

Ziel dieses Treffens, das am Dienstag in Bonn stattfand, waren der Meinungsaustausch über die aktuelle Gefährdungslage in den einzelnen Staaten, ein Austausch der Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden und die Abstimmung kommender polizeilicher Maßnahmen sowie die Intensivierung des Informationsaustausches.

Es ist wichtig, daß Gewalttäter damit rechnen müssen, daß die europäischen Staaten abgestimmte Polizeioperationen gegen sie jederzeit vornehmen. Alle anwesenden Ministerkollegen waren sich bei diesem wichtigen Gespräch einig, daß trotz der vorläufigen Beruhigung der Situation auch weiterhin mit europaweiten Protestaktionen zu rechnen ist. Ich hoffe, daß dieses Treffen dazu beigetragen hat, daß künftigen Aktionen durch raschere politische und behördliche Kontaktnahme begegnet werden kann.

Hohes Haus! Unsere Verantwortung für Österreich und Europa beinhaltet aber auch den Aufruf zur Mäßigung, zum Gewaltverzicht und zur Einhaltung der Menschenrechte durch alle Konfliktparteien. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Wir müssen deshalb an die Verantwortlichen in der Türkei appellieren, Abdullah Öcalan einen fairen, den europäischen rechtsstaatlichen Normen entsprechenden Prozeß vor einem unabhängigen Gericht zu garantieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die türkischen Behörden wurden und werden aufgefordert, internationale Beobachter zu diesem Prozeß zuzulassen. Weiters erwartet die Europäische Union, daß Abdullah Öcalan von den türkischen Behörden korrekt behandelt und seine physische Unversehrtheit garantiert wird. Darüber hinaus müssen wir fordern, daß die Türkei generell die Todesstrafe abschafft. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang gebe ich auch zu bedenken, daß die mediale Inszenierung durch die Türkei rund um die Verhaftung und die Vorbereitung der Gerichtsverhandlung gegen Öcalan nicht zur Beruhigung der Lage beiträgt, sondern von den Kurden als Provokation empfunden wird und den Nährboden für weitere Gewalttaten legen kann. Deshalb muß man die Türkei im Dialog davon überzeugen, daß eine offenere Haltung zur politischen Lösung der Kurdenfrage die Respektierung der territorialen Integrität sowie die Verurteilung des Terrorismus nicht in Frage stellt. Die Bestrebungen der Kurden in der Türkei, ihre kulturelle Identität frei zu artikulieren, ihre Sprache vor Gerichten und Verwaltungsbehörden zu verwenden und in ihrer Sprache Schulunterricht abzuhalten, erscheinen mir absolut richtig und legitim. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Als Innenminister habe ich die Aufgabe, die Sicherheit in Österreich bestmöglich zu garantieren. Der Umgang meiner Behörden mit den Ereignissen der letzten Woche hat gezeigt, daß wir die Aufrechterhaltung der Sicherheit in Österreich bisher durchgehend erfolgreich gewährleistet haben. Ich bekenne mich bei der Vorgangsweise der Sicherheitsbehörden mit den in Österreich agierenden Kurden zu einem Weg der Mitte. Ich bin mir jedoch auch bewußt, daß dieser Weg Risiko in sich bergen kann. Es wird sich erst mittelfristig weisen, ob dieser bisher erfolgreiche Zugang auch in Zukunft fortgesetzt werden kann.

Es muß uns aber auch bewußt sein, daß die Entwicklung der Auseinandersetzung in Österreich direkt von internationalen Zusammenhängen abhängig ist. Die Konflikte in den Staaten der Welt haben direkte Auswirkungen auf Österreich, sei es nun durch Flüchtlinge, die um Asyl ansuchen, sei es durch Gruppierungen, die den politischen Konflikt in ihren Herkunftsländern in Europa austragen wollen. Es ist nachvollziehbar, daß ausländische Mitbürger weiterhin ihre Meinung zu den politischen Vorgängen in ihrer ehemaligen Heimat vertreten, weiterhin Kontakt zu ihren Freunden und Familien in der alten Heimat haben. Wir lehnen aber mit allem Nachdruck das Hereintragen von Konflikten nach Österreich ab! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Politische Forderungen sind friedlich und entsprechend den Spielregeln der westlichen Demokratien zu artikulieren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Alle parlamentarischen und gesellschaftlichen relevanten Kräfte innerhalb der Europäischen Union sollten sich heute mehr denn je bemühen, auf die jeweiligen Staaten im Nahen Osten, in denen Kurden leben, stärker als bisher einzuwirken, um sie zu einer friedlichen politischen Lösung der Kurdenfrage zu bewegen. Die Verletzung der Menschenrechte ist keine innere Angelegenheit eines Staates, sondern verpflichtet auch die internationale Völkergemeinschaft, auf die Einhaltung der Rechte und der Würde von Menschen zu drängen. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gewalt und Terror dürfen im ausgehenden 20. Jahrhundert kein Mittel sein, um Konflikte zu lösen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Erklärung.

Zu den Punkten 2 bis 4 ist keine mündliche Berichterstattung verlangt worden, sodaß wir sofort mit der Debatte beginnen können, die zu den Punkten 1 bis 4 unter einem durchgeführt wird.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Mag. Stadler das Wort mit einer freiwillig gewünschten Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. – Bitte.

11.10

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Der Vorsitz hat ja zwischenzeitlich gottlob gewechselt. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Schieder: Das ist arg!) Was heißt, das ist arg? Schauen Sie, diese parteiische Vorsitzführung werden wir nicht zur Kenntnis nehmen! (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Wir werden uns wehren, Herr Kollege Schieder. Glauben Sie mir das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Glauben Sie mir das! Das werden wir nicht akzeptieren. (Abg. Leikam: Das ist menschenverachtend!) Wir lassen uns hier nicht wie nasse Fetzen behandeln. Wir lassen es nicht zu, daß Abstimmungen mißbraucht werden. Wir lassen nicht zu, daß Herr Khol Präsidenten bedroht, so wie er es gestern in der Wortmeldung zur Geschäftsordnung getan hat, meine Damen und Herren.

"Denken Sie an Haupt!", hat er ihm gedroht. – Das lassen wir nicht zu, Herr Kollege Schieder. (Abg. Smolle: Zur Sache!) Das geht nicht. Wir werden die Demokratie von hier aus verteidigen, so lange wir können und so lange man uns das Wort nicht wegnehmen kann. Wenn man uns das Wort nimmt, werden wir es uns trotzdem nehmen können, und zwar an anderer Stelle. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden die Bevölkerung über die Dinge, die sich hier abspielen, informieren. Das Parlament werden Sie, Ihre Fraktion, nicht abschaffen! Sie nicht, Sie sind Parlamentarier! (Abg. Dr. Kostelka: Sie werden es nicht abschaffen, auch wenn Sie sich noch so bemühen!) – Na, Sie schaffen es ab mit Abstimmungsmanipulationen, Redezeitbeschränkung, Wortentzug und Drohungen, so wie der Herr Khol. Das sind Ihre Methoden, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun aber zur Sache. Herr Bundesminister! Sie haben es nicht zu vertreten, was Ihr Vorgänger alles an Politik vertreten hat. Ich bedauere nur, daß Sie diese Politik in einem Punkt fortsetzen. Wir haben damals, als die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1993 die PKK und all ihre Teilorganisationen als terroristische Organisationen – wie mittlerweile auch Gerichte in Österreich judiziert haben – verboten hat, ... (Abg. Wabl: Meinen Sie die Justiz oder die freiheitliche Justiz?) – Ich meine die rechtsstaatliche Justiz. Damals hat eine demokratische Regierung in der Bundesrepublik Deutschland die PKK und ihre Teilorganisationen verboten, wie übrigens auch Frankreich, das ebenfalls eine alte Demokratie ist. Wir haben damals das Verbot der PKK und ihrer Teilorganisationen auch für Österreich gefordert. (Abg. Mag. Barmüller: Wenn du von Demokratie sprichst, ...!) – Der "Obergscheite", der für Demokratie zuständig ist, mit einem Mandat, das er geklaut hat, womit er eine neue Partei mit Unterstützung des Abgeordneten Fischer gegründet hat (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), regt sich über Demokratie auf, macht aber einer Partei, die gestern Wahlschwindel begangen hat, die Mauer. Das ist doch kein wirklich glaubhafter Zeuge. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Smolle: Zur Sache!)

Herr Bundesminister! Wir haben damals das Verbot der PKK auch für Österreich gefordert, und zwar nicht deswegen, weil wir geglaubt haben, daß damit der Terrorismus der PKK in Österreich auf Dauer verhindert werden kann, sondern weil damals die politische Führung der PKK die Bundesrepublik Deutschland zum Kriegsgegner Nummer zwei hinter der Türkei erklärt hat, meine Damen und Herren. Ein Verbot der PKK wäre ein Akt der internationalen Solidarität in einem Sicherheitseuropa, von dem auch Sie, Herr Bundesminister, gesprochen haben, gewesen. Deswegen vertreten wir heute noch die Meinung, daß es richtig gewesen wäre, wenn der Rechtsstaat von allem Anfang an terroristischen Organisationen erklärt hätte: Bei uns nicht!

Statt dessen haben wir dann festgestellt, daß die PKK und ihre Teilorganisationen ihre gesamte Infrastruktur und Logistik von Deutschland nach Österreich verlagert haben. Das ist kein sehr beruhigender Zustand, Herr Bundesminister. Ich bin nicht glücklich darüber, daß die ERNK, der politische Arm der PKK, ihr Zentralbüro in Wien hat. Darüber bin ich nicht glücklich, und, Herr Bundesminister, ich wäre an Ihrer Stelle auch nicht glücklich darüber, daß der internationale Sekretär der SPÖ, Dr. Karl Schramek, an dieser Büroeröffnung teilgenommen hat. Ich wäre als Sozialdemokrat nicht glücklich darüber, daß in manchen Landesgeschäftsstellen der SPÖ die ERNK oder die PKK Büros unterhalten darf und daß es enge Verflechtungen zwischen der Sozialistischen Jugend und der PKK gibt, meine Damen und Herren.

Herr Bundesminister! Ist Ihnen nie aufgefallen, daß am 1. Mai bei den Erste-Mai-Kundgebungen in Wien (Abg. Smolle: Wie zwischen Haider und Gaddafi!) die PKK permanent mit Öcalan-Portraits und mit Fahnen der PKK mitmarschiert und die Genossen von der Bühne des Rathauses aus jeweils auch der PKK zuwinken? – Darüber wäre ich nicht glücklich. Ich glaube, daß diese engen Verflechtungen der Sozialdemokraten, der Sozialisten mit der PKK ein zumindest hinterfragungswürdiger Umstand sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wissen Sie warum? – Man könnte sagen: Jawohl, man knüpft bei der alten Kreisky-Politik im Zusammenhang mit der PLO an. Das ist ein Standpunkt, der immer wieder in der SPÖ vertreten wird. Aber, meine Damen und Herren, Herr Bundesminister, die PKK vertritt nur ein winziges Segment – das wissen Sie ganz genau – des kurdischen Volkes. Das kurdische Volk legt keinen Wert darauf, einen Alleinvertretungsanspruch durch die PKK zu haben, sondern es gibt zahlreiche andere demokratische Kurdenorganisationen, die mit dem Terror der PKK nichts zu tun haben wollen.

Da frage ich mich, wieso die SPÖ aber nur mit der PKK, mit einer altstalinistischen, marxistischen Organisation, Kontakt hält. Das ist nicht vernünftig, sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Damen und Herren. Es wäre vernünftiger, jene Kräfte zu suchen und zu fördern, die demokratische Mittel bevorzugen, von vornherein Gewaltverzicht üben und einen demokratischen Nachbarstaat wie Deutschland, zu dem wir beste Beziehungen haben, nicht zum Kriegsgegner Nummer zwei erklärt haben, meine Damen und Herren. Das sind, so glaube ich, die Hintergründe, vor denen man die aktuelle Regierungspolitik gegenüber der PKK untersuchen müßte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch Ihre Landeschefs wie der mittlerweile zurückgetretene Herr Hochmair wurden immer wieder gemeinsam mit PKK-Demonstranten gesehen. Ich habe Fotos davon, die haben mir die Leute zugeschickt. Die Leute schicken mir ja derartige Dinge zu, weil sie erstaunt sind, wenn sie sehen, daß ihre eigenen Repräsentanten, von denen man glaubt, daß sie in demokratischer Gesinnung Umgang mit ausländischen Organisationen pflegen, plötzlich wie der Herr Hochmair mit der PKK gemeinsam bei Demonstrationen in Linz auftauchen. Ich sage es noch einmal: Bei den Erste-Mai-Kundgebungen der Sozialdemokraten in Wien sind immer PKK-Leute dabei, immer mit Öcalan-Bildern und immer mit PKK-Fahnen. Daher ist Ihre Politik, Herr Bundesminister, etwas unglaubwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darf ich Ihre Konferenz kurz stören, oder wollen Sie zur Aufklärung beitragen? (Bundesminister Mag. Schlögl spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Schieder.) Dann können Sie es auch laut sagen. Sie haben jetzt die Gelegenheit dazu. (Abg. Schieder: Ich sage gar nichts!) – Sie sagen gar nichts dazu, bitte. Dann werden Sie verstehen, daß ich die Aufmerksamkeit des Herrn Bundesministers noch etwas in Anspruch nehmen möchte. (Abg. Dr. Kostelka: Ich habe gedacht, Sie reden zu uns!)

Herr Bundesminister! Was Sie erklärt haben, nämlich daß die Sicherheitsorgane – vielleicht unter Ihrer Führung – immer wieder die Aufsicht über die PKK ausgeübt haben, stimmt nicht. Ich habe einen Aktenvermerk, der zufällig meine Familie und mich betrifft, als wir wegen der PKK eine Zeitlang überwacht werden mußten. Da steht zu lesen, der Herr Bundesminister, damals Caspar Einem, habe die Weisung erteilt, daß wegen der ERNK keine Sicherheitskonsequenzen mehr zu ziehen seien. Sicherheitskonsequenzen seien erst dann notwendig, wenn es zu weiteren Anschlägen komme, die auf dieses Büro zurückgeführt werden können, meine Damen und Herren. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Das war sein Lieblingsumgang: die Terroristen von Ebergassing und die PKK. Die haben den besonderen Schutz des ehemaligen Innenministers Einem genossen.

Herr Bundesminister! Da wird auch Ihr Ministerkollege, Herr Justizminister Michalek, ein bißchen zuhören müssen. (Zwischenruf des Abg. Wabl.) Es blieb nicht bei Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Nötigung. Da war Geiselnahme im Spiel. Wir haben den Terroristen, die sich nicht an unsere Rechtsordnung halten, auch klar zu sagen, daß sie mit Ausweisung und Abschiebung konfrontiert sein werden, denn das ist das einzige, was diese Leute wirklich schreckt. Sonst schreckt sie nämlich unser Rechtsstaat, solange die Patronanz der Sozialdemokratie gegeben ist, überhaupt nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch die ÖVP hat ihr Quentchen mitzutragen. Die tut jetzt zwar so, als ob sie mit der PKK nichts zu tun hätte – das stimmt, sie hat nicht so viel damit zu tun wie die Sozialdemokraten –, aber mittlerweile bemüht sie sich schon in der Zeitung "Hürriyet" in der Türkei um die Türken, wenn sie dort etwa in einem Inserat, geschaltet von der ÖVP Wien, ausrichtet:

Liebe Landsleute! – ÖVP Wien! – Zum Ablauf des Ramadan wünschen wir alles Gute, Glück und Erfolg. Die ÖVP Wien. Sollten Sie irgendwelche Fragen haben, sozialrechtlicher, arbeitsrechtlicher Natur, melden Sie sich beim ÖVP-Bürgerservice.

So etwas gibt es für die Wiener nicht. Aber in der Zeitung "Hürriyet" wird inseriert. Da bemüht man sich auch ... (Abg. Haigermoser: Welche Partei?) – In der "Hürriyet" inseriert die ÖVP, jene ÖVP, die behauptet, sie hätte damit nichts zu tun. Sie faßt eine Entschließung, die sie zwar hier im Haus nicht einbringt, sondern nur gegen den eigenen Klub gelten läßt, und richtet der SPÖ in der Entschließung aus, sie solle trotz der engen, über Jahrzehnte reichenden Beziehungen von Teilen der SPÖ zu den kurdischen Organisationen und zur ERNK – gemeint ist die PKK – folgendes tun: ... gehen wir vom dem objektiven und strengen Gesetz und nur dem Gesetz verpflichteten Vorgehen des Innenministers aus. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das braucht man doch nicht in einer Parteientschließung festzuhalten, oder sind Sie schon so weit, daß Ihnen der ÖVP-Klub eine Entschließung ausrichten muß? – Ich glaube es nicht. So weit kenne ich Sie, daß Sie das nicht notwendig haben. Ich denke, daß das einfach nur die Mahnung an sich selbst ist, weil auch Teile der ÖVP mittlerweile glauben, salonfähig sein zu müssen, indem man zur PKK besonders nett und freundlich ist.

Die Regierungspolitik gegenüber den Kurden ist unschlüssig. Anstatt der Türkei klar zu sagen, daß die Minderheitenpolitik der Türkei nicht akzeptiert wird, bedient man sich einer Terrororganisation und diskreditiert damit sein eigenes Vorgehen in der Türkei. Das ist das Problem. Man kann der Türkei auf der einen Seite keine Ratschläge geben, wenn man auf der anderen Seite mit Terroristen beste Beziehungen pflegt. Wenn Sie sich von Terroristen distanzieren, dann können Sie der Türkei auch sagen, wie eine vernünftige Minderheitenpolitik auszusehen hätte, was betreffend Kurden notwendig wäre, weil dieses Volk nämlich seit Jahrzehnten aufgrund der willkürlichen Teilung des Landes durch die Siegermächte des Ersten Weltkrieges zu leiden hat. Das Selbstbestimmungsrecht der Kurden ist unzweifelhaft (Abg. Dr. Kostelka: Was ist mit der Redezeit?), aber bitte nicht mit Terroristen durchzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Leikam. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

11.20

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Zusammenfassung der Tagesordnungspunkte 2 bis 4, vor allen Dingen die Aktualität der Kurdenproteste in Österreich und die damit zusammenhängende Erklärung des Herrn Bundesministers für Inneres bringen diesen Teil der Sicherheitsdebatte ein wenig durcheinander. Es ist daher sicherlich nicht möglich, in der bisher üblichen, geordneten Form über einen sehr erfolgreichen Bericht, nämlich den Sicherheitsbericht, zu diskutieren, ohne nicht auch zu anderen Themen einige Bemerkungen machen zu müssen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen dem Herrn Bundesminister wirklich Respekt für den Bericht zollen, den er dem Parlament vorgelegt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich schließe in diesen Respekt und in diese Anerkennung auch die Arbeit der Exekutive mit ein, die in den letzten Tagen vor einer schwierigen Situation gestanden ist und bravourös das Problem der Besetzungen der Botschaften in Österreich gelöst hat, und zwar gewalt- und konfliktfrei gelöst hat. Dafür meine Anerkennung, Herr Bundesminister! Meine Anerkennung aber auch allen Beamten, die im Einsatz gestanden sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Khol und Kiss.)

Von unserer Fraktion wird Herr Kollege Peter Schieder noch sehr ausführlich zu der Materie der Kurdenprobleme, der PKK und dergleichen im internationalen Zusammenhang sprechen.

Aber, meine Damen und Herren, was mir während der Erklärung des Herrn Bundesministers auch aufgefallen ist und was mir zu denken gibt, war das Verhalten der freiheitlichen Fraktion. Als der Herr Bundesminister etwa die Passage vorgelesen hat, daß er wirklich froh darüber sei, daß diese Probleme konflikt- und gewaltfrei gelöst werden konnten, gab es Applaus von vier Fraktionen, jedoch keine Regung bei den Blauen. (Abg. Dr. Graf: Haben Sie den Brandanschlag vergessen? Das war doch nicht ...!) Keine Regung bei den Blauen!

Als der Herr Bundesminister davon gesprochen hat, daß die Lösung dieser Probleme nach dem rechtsstaatlichen Prinzip Österreichs erfolgen sollte, gab es Beifall bei vier Fraktionen, jedoch keine Regung bei den Freiheitlichen. (Abg. Dr. Ofner: Frag deine Genossen in Graz!) Meine Damen und Herren! Das gibt zu denken, und ich weiß auch, warum Sie hier keinen Beifall spenden.

Wenn nämlich eine Partei wie die Freiheitliche Partei zur Umsetzung ihrer politischen Ziele auch Gewalt anwendet (Abg. Dr. Ofner: Was? – Abg. Madl: Was?), wie sie es beim Volksbegehren "Österreich zuerst" getan hat – hier sitzt eine Kronzeugin –, gibt das zu denken. Auf die Bemerkung "Wenn wir das so durchführen, kommt es zweifellos zu gewalttätigen Auseinandersetzungen" hat Ihr Parteiobmann gesagt: Mit dem rechnen wir, aber da müssen wir durch. (Abg. Mag. Stadler: So ein Blödsinn! So ein Schwachsinn, was Sie verzapfen! Setzen Sie sich!) Wer solche Vorgangsweisen zur Umsetzung der politischen Ziele anstrebt, kann hier nicht davon sprechen, demokratisch vorzugehen. Der kann auch nicht Beifall spenden, wenn von gewaltfreiem Agieren in dieser Bundesregierung die Rede ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.)

Meine Damen und Herren! Sie haben in den letzten Stunden (Abg. Mag. Stadler: Setzen Sie sich! Fünf! Schwachsinn! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) wirklich Ihr wahres Gesicht gezeigt.

Wissen Sie, was ich bedauere? – Ich bedauere, daß die österreichische Bevölkerung nicht all das miterleben kann (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Melde dich krank!), was auf Ihrer Seite hier im Zusammenhang mit der Erklärung des Herrn Bundesministers stattgefunden hat. Die österreichische Öffentlichkeit müßte wirklich klar erkennen, wohin der Weg künftig in dieser Republik gehen muß: entweder Sachlichkeit, gewaltfreie und konfliktfreie Lösung oder jener Weg, den Sie gehen, nämlich mit Gewalt Ihr politisches Ziel erreichen zu wollen, meine Damen und Herren. Das lehnen wir ganz entschieden ab! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Frag deinen Genossen ... in Graz!)

Herr Kollege Dr. Ofner! Was betroffen macht, ist, daß gerade Sie (Abg. Dr. Ofner: Ja?!) als an und für sich sehr vernünftiger Abgeordneter in den Reihen der Freiheitlichen auch von "verrotteter Justiz" sprechen. Sie waren selbst einmal Justizminister. Verrottete Justiz! (Abg. Dr. Ofner: Was? Du träumst! – Abg. Mag. Stadler: Hast du Fieber, oder was?) Das ist jene Argumentation, die von den Freiheitlichen ständig in den letzten Tagen verwendet wurde.

Meine Damen und Herren! Bei den letzten Landtagswahlen in Kärnten gab es einen Landtagsabgeordneten der Freiheitlichen. Wissen Sie, was er gesagt hat? – An der Höhe Ihres Erfolges haben Sie den letzten Funken Anstand verloren. – Damit hat er Ihre Fraktion, Ihren Parteiobmann gemeint. Und er hat Ihre Partei verlassen. In diesen Tagen praktizieren Sie hier in diesem Hause wieder dieselbe Vorgangsweise. Sie haben keinen Anstand, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Ofner: Das geht so weiter: "Sie haben keinen Anstand"?!)

Meine Damen und Herren! Zurück zum Sicherheitsbericht und zur Sicherheitspolitik in unserem Land. Ich wende mich auch wieder ... (Abg. Mag. Stadler: Wahlschwindler würde ich sagen! Wahlschwindler Leikam!) – Na, der Wahlschwindel war das ... Da würde ich lieber nicht so laut schreien, denn wir erinnern uns alle noch sehr gut an die gezinkten Stimmzettel (Abg. Mag. Stadler: Wahlschwindler!) und an die Wahlwiederholung bei der Wahl des Rechnungshofpräsidenten in diesem Hause. Daran waren nicht wir beteiligt. Das haben schon Sie perfekt gemacht. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.) Sie sollten nicht mit Steinen werfen, wenn Sie im Glashaus sitzen, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger.)

Aber zurück zur Sicherheitspolitik: Ich wende mich wiederum an die freiheitliche Fraktion. In Ihren Reihen ist ein Generalsekretär tätig, der immerhin so "nette", "liebe" Worte für die österreichische Polizei übrig hat wie "Scherzkeks", "Idioten", "Vollkoffer", "Sie sind ein Trottel". – Freiheitliche Sicherheitspolitik! (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... zur Debatte sprechen!) Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß sich Ihre Sicherheitssprecherin, Frau Kollegin Partik-Pablé, die heute von Ihrem Herrn Klubobmann als Erstrednerin verdrängt worden ist, hier an das Rednerpult stellt und sich öffentlich bei den Polizisten und bei der Exekutive für die Äußerungen Ihres Generalsekretärs entschuldigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist doch ungeheuerlich! "Scherzkeks", "Idioten", "Vollkoffer", "Trottel" sind aus Sicht der Freiheitlichen jene Beamte, die in Österreich für die Sicherheit zu sorgen haben, meine Damen und Herren. Ich muß Ihnen sagen: Um all das auszuhalten, was Sie hier von sich geben, braucht man schon einen richtigen Saumagen, wie es bei uns in Kärnten heißt. Anders ist das ja wohl wirklich nicht mehr möglich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Du hast Fieber! Du gehörst ins Bett! Leikam im Delirium!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einmal mehr und mit Freude können wir feststellen, daß nun bereits seit dem Jahre 1993 die Sicherheitspolitik in unserem Lande sehr erfolgreich ist. Es gibt ständig sinkende Zahlen bei der Kriminalitätsentwicklung (Abg. Mag. Firlinger: Leikam, dir tut Kärnten nicht gut!) – erstmals weit unter 500 000 – und gleichzeitig ständig steigende Aufklärungsquoten. Die Exekutive leistet hervorragende Arbeit. Österreich ist auch, wie es im Sicherheitsbericht 1997 einmal mehr zum Ausdruck gebracht wird, ein sehr sicheres Land, eines der sichersten Länder der Welt. (Zwischenruf des Abg. Jung.)

Die österreichische Bevölkerung, meine Damen und Herren, hat ein Recht auf Sicherheit. Sie hat ein Recht auf Schutz vor Kriminalität, und sie hat ein Recht auf Schutz vor Gewalt. Es ist für uns ein zentrales Anliegen, daß wir diese Bedürfnisse der österreichischen Bevölkerung auch durch unsere Sicherheitspolitik erfüllen.

Meine Damen und Herren! Ich habe daher allen rund 33 000 Beamten für die Leistungen, die sie für die österreichische Sicherheit erbringen, zu danken. (Abg. Mag. Stadler: Ihr müßt Umfragen haben!) Das ist eine großartige Leistung. Das ist eine gute Arbeit der österreichischen Exekutive. Wir als politisch Verantwortliche in diesem Lande haben die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit unsere Exekutive gut arbeiten kann. Wir haben das kontinuierlich seit den neunziger Jahren getan, und wir wollen auch künftighin diese gute Arbeit fortsetzen, um unserer Exekutive jene Mittel in die Hand zu geben, die sie braucht, um die Sicherheit Österreichs auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu gewährleisten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wegen dem verlieren Sie auch Stimmen!)

11.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Stadler! Sie haben während der Rede des Abgeordneten Leikam mehrfach an seine Adresse den Begriff "Schwachsinn" verwendet. (Abg. Mag. Stadler: Das ist mehr als schwachsinnig gewesen! Ich wiederhole das!) – Jetzt wieder. Das bestätigt das. Ich erteile Ihnen für dieses Verhalten einen Ordnungsruf (Abg. Mag. Stadler: Ich danke! Das nehme ich gern entgegen!) – und bitte, sich nicht dafür zu bedanken.

Es liegen zwei Wortmeldungen für eine tatsächliche Berichtigung vor, eine von Herrn Abgeordnetem Dr. Ofner, die zweite von Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé. Ich rufe beide auf und bitte, jeweils mit dem Sachverhalt zu beginnen, den Sie berichtigen wollen. Zunächst Dr. Ofner. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe schon erkannt, daß man heute als Freiheitlicher sehr vorsichtig mit seinen Wortmeldungen umgehen muß, und werde daher sehr karg in meiner tatsächlichen Berichtigung sein.

Mein unmittelbarer Vorredner hat mir unterstellt, daß ich von "verrotteter Justiz" gesprochen hätte. – Das ist unrichtig. Ich habe ... (Abg. Leikam: Ihre Fraktion!) – Nein, du hast gesagt: Ich, der Ofner, der sonst ein vernünftiger Mensch ist, ... (Abg. Mag. Stadler: Jetzt weiß er nicht mehr, was er gesagt hat! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Darin sehe ich, daß du es absichtlich getan hast. Ich habe nicht den Begriff "verrottete Justiz" verwendet (Abg. Dr. Kostelka: Letzterer war ein Irrtum!), und ich verwahre mich gegen diese Unterstellung, über die sich Herr Abgeordneter Kostelka gar so freut. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Erklären Sie, daß es nicht stimmt!)

11.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste tatsächliche Berichtigung wird von Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé begehrt. – Bitte. (Abg. Dr. Ofner – in Richtung des Abg. Leikam –: Du hast gesagt, ich habe das gesagt! – Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

11.30

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Leikam hat gesagt: eine Partei wie die Freiheitlichen (anhaltende Zwischenrufe – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), die mit Gewalt ihre politischen Ziele verfolgt. – Das ist falsch! Die Freiheitlichen haben noch nie auch nur erwogen, ihre Politik mit Gewalt durchzusetzen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Vielmehr ist anzunehmen, daß Herr Leikam diese Äußerung deshalb gemacht hat, weil ihm in Kärnten die Felle davonschwimmen, und überdies vermute ich, daß er betrunken sein dürfte, weil sonst könnte er nie zu einer solchen Äußerung kommen. (Abg. Mag. Stadler: Jawohl! – Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Karlsson: Der Stadler hat gesagt, ...! – Abg. Mag. Stadler: Ich nehme den "Schwachsinn" zurück angesichts dieser Äußerung!)

11.31

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, ich sage zu Ihnen "Herr Außenminister", weil ich glaube, daß Sie heute im falschen Körper erschienen sind. Das Kurdenproblem und die Türkei sind grundsätzlich eine außenpolitische Materie, daher hätten wir uns gewünscht, daß der Herr Außenminister vor dem Hohen Haus eine Stellungnahme abgibt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es ist wohl wahr, daß es manche Vorkommnisse in Österreich gegeben hat, aber das Problem können wir nur lösen, indem wir international tätig sind – und zwar nicht nur auf Ebene der Innenminister, sondern insbesondere auf Ebene der Außenminister, der Regierungsverantwortlichen und der Justizminister. Daher glaube ich, daß für die Abgabe einer Erklärung die Wahl deswegen auf Sie, Herr Minister Schlögl, gefallen ist, weil gestern ein schwarzer Minister eine Ministererklärung abgegeben hat, und deshalb war es nicht möglich, heute noch einen schwarzen Minister zu bitten, eine Erklärung abzugeben – es mußte ein roter sein! Aber ich frage mich, ob Sie damit der Seriosität dieser Angelegenheit gerecht werden.

Es ist ungeheuerlich, daß wir bis heute mit dem Herrn Außenminister nicht über dieses Problem sprechen konnten. Ich bedauere es zutiefst, daß man keine Koordinierung mit dem Parlament sucht, denn wir sind alle bestrebt und daran interessiert, daß das Problem der Kurden in der Türkei gelöst wird.

Dazu gehören eine Einstellung aller militärischen Operationen in kurdischen Gebieten, die Ermöglichung der Rückkehr der vertriebenen Menschen in ihre Dörfer – es ist dies ein grundsätzliches Anliegen, für das wir kämpfen sollten –, eine Diskussion über die Gewährung der Autonomie für die kurdischen Gebiete unter Wahrung der türkischen Grenzen, die Gewährung der demokratischen Rechte nicht nur für Türkinnen und Türken, sondern auch für Kurdinnen und Kurden, die offizielle Anerkennung der kurdischen Minderheit, ihrer Sprache und ihrer Kultur sowie – natürlich – die Einführung von Religionsfreiheit und Pluralismus. Das sollten wir im Hohen Haus politisch unterstützen, und das mit dem notwendigen Nachdruck zu bearbeiten sind Sie, Herr Innenminister – mit Verlaub –, mit Ihrem Ressort nicht in der Lage.

Österreich sollte unserer Meinung nach international tätig werden, und zwar nicht nur mit der Forderung, daß ein fairer Prozeß garantiert werden sollte. Weiters sollte von allen europäischen Ländern verlangt werden, daß der Prozeß des Herrn Öcalan – selbstverständlich! – unter internationaler Beobachtung zu stehen hat, denn immerhin haben wir alle mit allfälligen Konsequenzen zu rechnen, und es sollte außerdem selbstverständlich sein, daß jene in der Türkei akkreditierten Rechtsanwälte, die von Herrn Öcalan oder von seiner Familie bestimmt werden, freien Zugang zu ihm haben, sodaß Einvernahmen ohne Beistand eines Rechtsanwaltes, wie das in der türkischen Praxis möglich ist, und zwar nicht nur fünf Tage, sondern eventuell bis zu drei Wochen, verhindert werden.

Wir wissen bereits, daß Herr Öcalan unter anderem nach Artikel 125 angeklagt wird – das geschah auch einer parlamentarischen Kollegin von uns allen: Leyla Zana. Ich habe Leyla Zana in Ankara im Gefängnis besucht, weil ich der Meinung bin, daß es intolerabel ist, daß Abgeordnetenkollegen wegen fadenscheiniger Argumente über sieben Jahre lang eingesperrt werden. Ich hätte mir gewünscht, daß es eine ordentliche Solidarität mit ihr gibt. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir hätten es meiner Überzeugung nach in der Hand gehabt, einen Ad-hoc-Gerichtshof zu installieren – wie das für Jugoslawien geschehen ist –, durch den das Problem einfach von den betroffenen Gebieten auf eine internationale Ebene gezogen hätte werden können. Und dann wäre, so glaube ich, eher Fairneß gewahrt worden. Das haben wir jedoch versäumt: Das zu ermöglichen hat Italien versäumt, das hat Deutschland versäumt, und das hat auch die EU-Präsidentschaft, die Österreich damals innehatte, versäumt! (Beifall beim Liberalen Forum.) Das war für jene Kurdinnen und Kurden, die nicht terroristisch aktiv sind, sondern einfach nur ihre Rechte einfordern, ein großes Versäumnis während der österreichischen Präsidentschaft, das nicht zu verzeihen ist.

Wir sollten meiner Ansicht nach auch Gespräche auf internationaler Ebene führen, um zu sondieren, ob nicht auf längere Sicht eine Friedenskonferenz zustande gebracht werden könnte. Im Moment werden sich die betroffenen Gruppierungen natürlich nicht an einen Tisch setzen, aber ich glaube – und das wäre wieder eine Aufgabe des Außenministers –, daß solche Sondierungsgespräche geführt werden sollten, um eine Friedenskonferenz in die Wege zu leiten, die Frieden in dieser Region ermöglichen würde.

Es war mir unverständlich, warum der Europäische Rat erst zwölf Stunden nach den ersten Botschaftsbesetzungen in Europa zu einer gemeinsamen Sprachregelung gefunden hat. Für die immer wieder beschworene Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist es ein Armutszeugnis, daß es erst nach zwölf Stunden möglich war, darauf zu reagieren. Ich glaube, daß diesbezüglich viel nachzubessern ist und außerdem in solch einem Moment der Herr Außenminister gefragt ist und nicht Sie, Herr Innenminister. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Bedanken möchte ich mich jedoch bei den Beamten der Exekutive und bei der Feuerwehr, sie waren ruhige und besonnene Partner in der Diskussion und im Dialog mit den Botschaftsbesetzern. Es ist gelungen, eine Eskalation in Österreich zu verhindern. Über die Anmaßung aber, daß der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit oder gar Herr Kollege Pilz die Besetzungen in Österreich von sich aus beendet haben, muß ich mich wundern, denn das würde bedeuten, daß Herr Sika so viel Macht und Kompetenz hat, daß er die Botschaftsbesetzungen innerhalb von einer Viertelstunde in fast ganz Europa zu Ende bringen konnte, und diese Kompetenz traue ich ihm – mit Verlaub – nicht zu. Die Aktionen waren international koordiniert, denn ihre Beendigung ist innerhalb von einer Viertelstunde über die Bühne gegangen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Man kann also nicht wirklich behaupten, daß wir die Weisheit gepachtet haben, sondern die Besonnenheit von jenen Leuten, die plötzlich gemerkt haben, daß die Operationen, die sie in Europa eingeleitet haben, ihrem Anliegen eigentlich schaden und sich ihre Verbündeten dadurch alle gegen sie wenden, hat dazu geführt, daß die Aktionen abgebrochen wurden.

Geiselnahmen und Besetzungen sind Mittel, die nicht dazu geeignet sind, einem Volk wirklich zu seinen Rechten zu verhelfen. Wir brauchen andere Methoden! Jugendliche zu radikalisieren, damit sie sich selbst anzünden und dann als Helden gefeiert werden, ist auch nicht die richtige Methode, die angewendet werden sollte, sondern – im Gegenteil! – eine ungemein gefährliche Methode.

Wir wollen die demokratisch Gesinnten innerhalb der kurdischen Bevölkerung als Verbündete, mit diesen können wir jene Ziele erreichen, die sie gefordert haben, nämlich daß die Kurden innerhalb der Türkei in Frieden und Freiheit leben und ihre Sprache frei verwenden können. Mit diesen demokratischen Kräften suchen wir eine Allianz. Und wir in diesem Haus sollten danach trachten, daß der Herr Außenminister dafür zur Verfügung steht und nicht nur Sie, Herr Innenminister. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

11.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Kiss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 13 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler: Die lieben Landsleute!)

11.40

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In Absprache mit meinen ÖVP-Kollegen im Innenausschuß, die diese umfangreiche Thematik heute hier erörtern wollen, werde ich über zwei Themenbereiche referieren: zunächst über die Erklärung des Herrn Bundesministers zur Kurdenproblematik sowie zu den Aktionen der Kurden in Österreich und danach als zweites – natürlich, wie könnte es anders sein – zu Angelegenheiten der inneren Sicherheit: Staatspolizei, Sicherheitspolizeigesetz.

Bezüglich der Kurdenproblematik bin ich anderer Auffassung als Frau Kollegin Gredler vom Liberalen Forum. Ich bin der Meinung, daß es, da es sich um Vorfälle in Österreich handelt, die Verpflichtung des Innenministers ist, vor dem Parlament eine Erklärung abzugeben. (Abg. Mag. Barmüller: Auch!) Ja, es ist eine Verpflichtung des Ministers! Und ich bin davon überzeugt, Frau Kollegin Gredler, daß er, hätte er diese Erklärung nicht abgegeben, von Ihrer Seite kritisiert worden wäre, weil es der Herr Minister nicht der Mühe wert findet, das österreichische Parlament über diese Vorfälle zu informieren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Hans Helmut Moser: ... beide Minister! – Abg. Dr. Schmidt: Sie haben nicht zugehört!)

Namens der Österreichischen Volkspartei sage ich klar und deutlich: Den Kurden steht, wie allen anderen Völkern auf dieser Welt auch, selbstverständlich das Recht auf Selbstbestimmung im Rahmen der völkerrechtlichen Bestimmungen und Voraussetzungen zu! (Beifall bei der ÖVP.) Dazu stehen wir, das war unsere Position, das ist unsere Position, das wird unsere Position bleiben! Daß dieses Recht auf Selbstbestimmung mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden muß, wird, glaube ich, in diesem Zusammenhang ebenfalls von allen Parteien dieses Hauses nicht bestritten. (Beifall bei der ÖVP.)

Daß friedliche Mittel der einzige Weg sind, um eine problematische Situation zu deeskalieren, versteht sich von selbst. Daß aber die Aktivisten der kommunistischen, terroristischen PKK oder der ERNK oder der ARGK, wie soeben vom Herrn Minister referiert wurde, andere Maßnahmen in Österreich ergriffen haben, ist nicht zu tolerieren. Das verurteilt die ÖVP auf das schärfste (Beifall bei der ÖVP), das verurteilen, nehme ich an, auch alle anderen vernünftigen demokratischen Kräfte in diesem Land.

Denn wir stellen fest, daß Österreich für viele Kurden Heimat, aber auch Gastland geworden ist. Wir erwarten uns – und ich glaube, wir befinden uns in diesem Zusammenhang in Übereinstimmung mit der gesamten österreichischen Bevölkerung –, daß all jene, die bei uns Heimat oder Gastrecht haben, sich wie eben alle Österreicher, die in diesem Land leben, an die österreichische Rechtsordnung halten und damit automatisch der Justiz, der Exekutive und den Bestimmungen, die der Gesetzgeber vorgibt, verpflichtet sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Die Position der ÖVP ist klar und wurde von einer Reihe von Rednern in der Vergangenheit immer wieder dargelegt: Österreich darf nicht der Boden für jene sein, die ihre internen Kämpfe, ihre Probleme, ihre zwar berechtigten Sorgen, aber damit natürlich auch ihre terroristischen Aktivitäten auf brutale Art und Weise inszenieren! Das alles darf nicht in Österreich, in unserer Heimat, in unserem Land, über die Bühne gehen! Österreich darf nicht jener Schauplatz sein, wo Kurden und Türken aufeinander losgehen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Das Problem, Kollege Wabl, hat – und ich nehme damit Bezug auf die Forderung der Frau Kollegin Gredler nach außenpolitischen Schritten – im Heimatland der Kurden gelöst zu werden, nämlich in der Türkei, im Irak, im Iran und wo auch immer! Es kann nicht hier in Österreich oder in Deutschland gelöst werden. Das würde unsere Bevölkerung nicht verstehen – und übrigens auch wir nicht, die wir politische Verantwortung tragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich erinnere jene Kolleginnen und Kollegen, die damals im Hohen Haus vertreten waren, daran, daß die ÖVP im Jahre 1995 warnend ihre Stimme erhoben hat. Wir haben an den damaligen Innenminister, den Vorgänger von Karl Schlögl, Caspar Einem ... – Franz Löschnak schmunzelt! Er weiß schon, was kommt. (Abg. Wabl: Er hat überhaupt nicht geschmunzelt!) Doch, er hat es getan! (Abg. Wabl: Jetzt schmunzelt er!) – Wir haben damals nachdrücklich an Innenminister Caspar Einem appelliert (Abg. Wabl: Er kann gar nicht schmunzeln!), das Thema PKK –Kurden – Terror nicht in verniedlichender Art und Weise zu behandeln.

Warum haben wir das damals getan? – Es gibt ein Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 18. Oktober 1994, in dem festgestellt wird, daß es sich bei der Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK, und deren Unterorganisationen gemäß § 278a Abs. 1 des Strafgesetzbuches um eine kriminelle Organisation handelt.

Einem hat, wie Kollege Stadler richtig zitiert hat, damals intern die Weisung erteilt, daß diese Organisation vorerst nicht zu beobachten sei, sondern erst dann, wenn es zu weiteren Anschlägen kommt, die auf dieses Büro zurückgeführt werden können.

Es hat jetzt aber einen Anschlag gegeben: Vorgestern wurde eine türkische Einrichtung in Graz mit einem Anschlag ... (Abg. Wabl: Von wem denn? – Abg. Mag. Stadler: Der Minister hat es schon gesagt!) Kollege Wabl, haben Sie nicht gehört, was der Herr Minister in seiner Erklärung gesagt hat? (Abg. Wabl: Hat er von rechtskräftig Verurteilten gesprochen?) Er hat gesagt, daß es vier Personen gewesen sind – Herr Minister, ich bitte, mich zu korrigieren, aber ich habe genau zugehört: vier Personen –, und zwar Türken, einer davon war Kurde. (Abg. Wabl: Das ist die Untergrabung des Rechtsstaates, was Sie hier machen!) – Nein! (Abg. Wabl: Natürlich!) Er hat gesagt, daß es mutmaßlich vier Türken waren, darunter ein Kurde, die diesen Anschlag auf die türkische Einrichtung verübt haben.

Dies ist also jener Anschlag, von dem Einem anno dazumal gesagt hat, daß erst in diesem Fall seine Weisung nicht gelten würde. Darum lautet meine erste Forderung an Sie: Herr Bundesminister Karl Schlögl! Machen Sie diese Weisung, die Caspar Einem im Jahre 1995 erlassen hat, rückgängig! – Ich glaube, Sie würden gut daran tun, dies zu machen, denn es wäre im Sinne des Rechtsstaates und der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP.)

Es darf nicht sein, daß Terroristen einen Freibrief für ihre Aktionen auf österreichischem Boden haben. (Abg. Wabl: Das haben wir bei den Kurden-Morden auch gesagt!) Es muß im Gegenteil so sein, daß Terroristen spüren, daß der starke Arm der österreichischen Bundesregierung gemäß dem Gesetz bei einer Übertretung der österreichischen Gesetze eingreift. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Warum haben Sie dann keinen Untersuchungsausschuß über die Kurden-Morde zugelassen? Damals hat es einen Freibrief für Terroristen gegeben!)

In diesem Zusammenhang kann ich der SPÖ den Vorwurf nicht ersparen, daß ihre Nähe zur PKK, zur ERNK, zur ARGK evident ist. Ich habe das schon damals getan und tue es heute wieder. Dieser Umstand ist nicht nur dokumentiert, in Bildern dargestellt, sondern auch zu einem Problem der österreichischen Innenpolitik geworden. Das sage ich als Sicherheitssprecher der Österreichischen Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! In Ihrer heutigen Erklärung steht der folgende Satz – ich zitiere Seite 4 –: "Die PKK und die ERNK, ein politischer Zweig der PKK, sind in Österreich weder als Vereine noch als Parteien registriert." – Zitatende.

Wie erklären Sie sich dann, Herr Bundesminister, daß immerhin auf Einladung des Führers Ihrer Fraktion im Europäischen Parlament, Hannes Swoboda, morgen ein Ad hoc-Gespräch mit der Presse stattfinden wird? (Der Redner hält ein Blatt Papier in die Höhe.) Ich zitiere aus dieser Einladung: Dr. Hannes Swoboda – Einladung. (Abg. Smolle: Sehr vernünftig!) – Karel Smolle, bitte höre zu! (Abg. Dr. Khol: Zeig’ es her!) Ich muß es zuerst vorlesen und dann zeige ich es wieder her:

"Ad-hoc-Gespräch über die Lage der Kurden und die weitere Vorgangsweise der EU am Freitag, den 26. Februar 1999 um 11.30 Uhr" im "Europabüro der SPÖ, Schenkenstraße 8/5.Stock, Besprechungszimmer, 1010 Wien." "Das Gespräch" von Hannes Swoboda "wird gemeinsam mit Erol Polat, Vertreter der ERNK Österreich, und Ender Karadas, Sprecher der ERNK-Vertretung Österreich, stattfinden." (Abg. Dr. Khol: Herr Bundesminister! Vertreter von etwas, das es nicht gibt? Wie geht das?)

Herr Bundesminister, ich bitte nachdrücklich um Aufklärung, wie das mit diesem Satz ist ... (Abg. Smolle: Sehr vernünftig, daß sich jemand dieses Problems annimmt!) – Karel Smolle, hör bitte zu, es geht um ein anderes Problem. – Wie ist die Erklärung des Herrn Bundesministers, daß die PKK und die ERNK keinen Status als Verein oder als Partei haben, also auf einem rechtlosen Boden agieren, zu verstehen, wenn morgen Hannes Swoboda und Repräsentanten dieser beiden Organisationen in einem SPÖ-Büro in Wien eine internationale Pressekonferenz geben? (Abg. Dr. Khol: Im Parlament ist das! Das ist ein Parlamentsgebäude!) "SPÖ, Schenkenstraße" ist noch dazu ein Parlamentsgebäude. Ich danke unserem Herrn Klubobmann für diese Korrektur! In einem Gebäude des Parlaments! Wie ist das möglich?

Herr Bundesminister! Wenn es also so ist, daß PKK und ERNK keine Parteien und keine Vereine sind – Sie sagen das –, wenn aber im selben Moment Swoboda sagt: Ich lade zu einer internationalen Pressekonferenz ein, und zwar Erol Polat, Vertreter der ERNK Österreich, und Ender Karadas, Sprecher der ERNK-Vertretung Österreich, in einem SPÖ-Zimmer – dann, Herr Bundesminister, ist das starker Tobak! (Abg. Jung: In einem Parlamentsgebäude!)

Es unterstreicht nur, was ich immer wieder sage: Es gibt eine Nähe vieler Sozialisten – nicht aller – zu diesen Organisationen, von denen wir wissen – der Oberste Gerichtshof hat das festgestellt –, daß es kriminelle Organisationen sind. PKK und ERNK dürfen wir nach diesem Erkenntnis zu jeder Zeit so beurteilen.

Herr Bundesminister, ich frage Sie also: Wie stehen Sie als Innenminister zu diesem Problem, von dem ich weiß, daß es Ihnen gewaltige Probleme macht? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Die Zugehörigkeit ist bereits strafbar! Das ist Gesetz!) – Das weiß ich, darauf habe ich auch insistiert. Denn automatisch leite ich daraus ab, daß die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation strafbar ist; selbstverständlich!

Aber darf man dann frohen Mutes auf österreichischem Boden, in einem SPÖ-Zimmer eines Parlamentsgebäudes, ein Gespräch mit Leuten führen, von denen wir wissen, daß sie einer kriminellen Organisation angehören? – Herr Bundesminister! Ich bitte Sie nachdrücklich, dieses Problem heute hier in Ihrer Beantwortung aufzuklären!

Zum nächsten: Ich hätte mir erwartet, daß in der gesamten Angelegenheit der Kurden auch von demjenigen ein klares Wort gesprochen wird, der das Parlament als Nationalratspräsident repräsentiert – Heinz Fischer. (Abg. Schieder: Na geh!) Doch! Ich stehe nicht an, zu sagen – und habe es oft gesagt –: Wenn er vor Angriffen der FPÖ zu schützen war, habe ich mich vor ihn gestellt. (Heiterkeit des Abg. Scheibner.) Aber ich habe heute hier den Auszug seines Interviews im "Report" von vergangenem Dienstag. (Abg. Scheibner: Jetzt weißt auch, warum er gegen die FPÖ ist! Dieselbe Geisteshaltung!) Gisela Hopfmüller hat in insistierender Art und Weise gefragt: Herr Nationalratspräsident – und natürlich auch SPÖ-Bundesparteivorsitzender-Stellvertreter –, sagen Sie einmal: Wie schaut das aus? Wie ist denn Ihre Nähe zur PKK, zur ERNK? Gibt es eine Verurteilung dieser terroristischen, kommunistischen, kryptomarxistischen Organisation, ja oder nein?

Fischer hat kein Wort der Entschuldigung gefunden, er hat kein Wort der Lossagung gesagt! Fischer hat sich in einer Schlangenlinie bewegt, die mir persönlich unangenehm war. Das kritisiere ich. Ich hätte mir ein klares Wort vom Präsidenten des Nationalrates erwartet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Karlsson und Parfuss.)

Das Problem, das wir in diesem Zusammenhang haben, führt mich sofort haargenau zum Sicherheitspolizeigesetz. Diese kurdischen Organisationen, von denen wir wissen, daß sie kriminelle Organisationen sind und daß sie "PKK" und "ERNK" heißen, diese extremistischen Organisationen will Innenminister Karl Schlögl – und er hat dafür die Unterstützung der ÖVP – im Rahmen eines Sicherheitspolizeigesetzes mit einer erweiterten Gefahrenerforschung bekämpfen. Er hat unsere Unterstützung, und es gibt einen fertigen Entwurf.

Aber, Herr Bundesminister – ich bitte Sie auch in diesem Zusammenhang um Aufklärung –, warum ist dieser Entwurf bis dato nicht im Ministerrat? Wer ist es, Herr Bundesminister, der diesen Entwurf zum Sicherheitspolizeigesetz, in dem es um die erweiterte Gefahrenerforschung geht, blockiert? Ist es, Herr Bundesminister, möglicherweise der Klubobmann der SPÖ, Kostelka? (Abg. Dr. Khol: Nein, das kann nicht sein! Das gibt es nicht! Er ist ein Freund von Recht und Ordnung!)

Ich könnte mir aber vorstellen, daß er es sehr wohl ist. Denn ich glaube, Kostelka treibt in diesem Zusammenhang genau dasselbe Spiel, das er betreffend Rechtsschutzbeauftragten in Sachen militärischer Nachrichtendienste und der Staatspolizei spielt. (Abg. Schieder: Ein schöner Koalitionspartner!) Herr Klubobmann Kostelka! (Abg. Dr. Kostelka: Sie wollen eine schwarze Staatspolizei!) – Nein.

Herr Klubobmann Kostelka! Eines ist evident: Ich zitiere aus der heutigen Ausgabe der "Presse", aus einem Kommentar von Hans Werner Scheidl über "Lassing in den Alpen" (Abg. Wabl: Herr Kiss ist ein Sektenspezialist! Aber bei politischen Organisationen sind Sie relativ schlecht informiert!): "Der Ruf nach dem Bundesheer ertönt immer dann, wenn die Not am größten ist. Wenn Katastrophen nicht mehr zu bewältigen sind, wird auf das Militär gesetzt, das man in friedlicheren Tagen am liebsten abschaffen will."

Herr Klubobmann Kostelka! Sie haben in den vergangenen Jahren eine evident bundesheerfeindliche Haltung an den Tag gelegt. (Abg. Dr. Kostelka: Das stimmt nicht! – Abg. Mag. Stadler: O ja! – Weitere Zwischenrufe.) Ich möchte es Ihnen jetzt auch beweisen, schwarz auf weiß, damit Sie es endlich einmal hören. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich sage es Ihnen: Sie haben dort eine Blockadepolitik betrieben, wo es um das Militärbefugnisgesetz geht, und zwar seit zwei Jahren. (Abg. Wabl: Wenn man die Korruptionsfälle innerhalb der ÖVP kritisiert, ist man ein Bundesheerfeind! So einfach ist das!)

Herr Klubobmann! Seit zwei Jahren ist der Entwurf von Werner Fasslabend im SPÖ-Büro, im SPÖ-Klub. Seit damals hat es neun vereinbarte Verhandlungsrunden gegeben. Sie haben vier Termine abgesagt, Herr Klubobmann. (Abg. Dr. Kostelka: Das stimmt ja gar nicht!) Übrigens – Sie wissen – das letzte Mal am 17. Februar, weil Sie auf Skiurlaub gewesen sind. (Abg. Dr. Kostelka: Sie sagen wissentlich die Unwahrheit!) Aber gehen Sie, beweisen Sie mir etwas anderes!

Am 13. Jänner haben Sie die Forderung aufgestellt, daß es einen Rechtsschutzbeauftragten geben muß. Ich bin der Meinung, das ist in Ordnung. Ich bin der Vorsitzende des für die Staatspolizei zuständigen Ausschusses. Immer wieder sagen wir alle miteinander: Wir brauchen mehr Kontrolle im staatspolizeilichen Apparat. Wir brauchen selbstverständlich auch mehr Kontrolle im Bereich der Heeresnachrichtendienste. Darum ist der Vorschlag von Werner Fasslabend, einen Rechtsschutzbeauftragten einzuführen, richtig und gut. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kostelka: ... damit er sich selber kontrollieren kann! – Weitere Zwischenrufe.) – Nein.

Ich verstehe übrigens Andreas Wabl und Kollegin Petrovic überhaupt nicht, wenn sie gegen diesen Rechtsschutzbeauftragten agitieren. Denn dieser ist genau das, was sie immer gefordert haben. Und Sie, Herr Klubobmann Kostelka, haben also ... (Abg. Schieder: Der Selbstschutzbeauftragte! Selbstschutz!) Aber nein, das ist nicht wahr! Der Rechtsschutzbeauftragte soll weisungsungebunden und damit unabhängig agieren. (Abg. Dr. Kostelka: Nein!) Sie wissen das genausogut wie ich, Kollege Schieder, und das weiß auch Klubobmann Kostelka.

Der Rechtsschutzbeauftragte wird vom Verteidigungsminister nach Anhörung des Nationalratspräsidenten sowie der Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes bestimmt. Vor allem erhält er Einsicht in alle Unterlagen und Akten der militärischen Geheimdienste (Abg. Dr. Kostelka: Sofern es dem Minister paßt!) und berichtet dann den für die Heeresnachrichtendienste zuständigen Unterausschüssen. Also frage ich Sie: Was wollen Sie denn noch? – Am 13. Jänner haben Sie es gewollt, jetzt wollen Sie es nicht mehr. Was wollen Sie denn überhaupt?

Herr Klubobmann Kostelka! Ich mache Sie dafür verantwortlich, daß im Bereich der inneren Sicherheit – Sicherheitspolizeigesetz, erweiterte Gefahrenerforschung – nichts weitergeht. (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und ÖVP.) Ich sage auch: Sie sind derjenige, der das Bummerl hat, wenn es darum geht, daß wir das Militärbefugnisgesetz nicht in diesem Maße zusammenbringen. Lassen Sie sich das ins Stammbuch schreiben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Die beste Rede seit langem von der ÖVP!)

Zum Schluß kommend: Ich habe eine leise Hoffnung, Herr Klubobmann Kostelka. Ich habe eine Hoffnung in jener Art und Weise, daß es, wenn man öffentlich etwas ausspricht, beim anderen zur Einkehr, zur Einsicht kommen kann und mit der Einsicht möglicherweise zu einem Wechsel der Gesinnung. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr.) Ich habe die Hoffnung, Herr Klubobmann Kostelka, daß Sie vielleicht nach dem heutigen Tag, vor allem nach der Erklärung des Herrn Bundesministers in der Angelegenheit Kurden, eine andere Haltung als die bisherige Blockadehaltung einnehmen werden. Das wäre mein Wunsch an Sie, und das ist die Position der ÖVP. Geben Sie Ihre Haltung auf, Herr Klubobmann! (Beifall bei der ÖVP.)

11.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

11.57

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich hat Frau Kollegin Gredler darin recht, daß das nicht nur eine Debatte sein kann, die sich hier mit dem Innenminister abspielt und Bezug auf die innenpolitischen Relevanzen nimmt, sondern daß das natürlich auch – zumindest in gleichem Maße – eine außenpolitische Debatte ist.

Denn was ist denn dieser Situation in Österreich vorausgegangen? Was ist dem vorausgegangen, daß vorige Woche hier viele Menschen demonstriert haben? Daß sie bedauerlicherweise auch zu Mitteln gegriffen haben, die wir ebenfalls ablehnen, von Botschaftsbesetzungen bis hin zu Androhungen, sich selbst zu verbrennen – was ist dem vorausgegangen? – Ein außenpolitisches Versagen, nicht nur Österreichs, sondern der Europäischen Union!

Es ist müßig, das alles heute hier noch einmal darzustellen und zu sagen, daß der Außenminister nicht da ist. Aber über weite Strecken – auch wenn ich meinen Vorrednern zugehört habe – sind das selbstverständlich Beiträge, die in erster Linie die Außenpolitik betreffen, auch die Überlegungen darüber, was jetzt noch getan werden kann und wo noch versucht werden kann, irgendwie eine gemeinsame, auch auf die europäische Ebene bezogene Regelung zu finden.

Aber ich denke, es ist durchaus auch gerechtfertigt und richtig, heute einen Bericht über die innenpolitische Situation zu hören, sozusagen über die Handhabung nach den Demonstrationen und Besetzungen, und auch über die Wege, die dazu vorgeschlagen werden, wie es weitergehen soll.

Gleich vorweg: Ich bin sehr froh darüber – das möchte ich auch namens meiner Fraktion zum Ausdruck bringen –, daß wir in Österreich, im Gegensatz zu Deutschland, einen eigenen Weg gewählt haben, einen eigenen Weg in der Frage, welche Vereine verboten oder zugelassen werden sollen, daß wir uns nicht auf eine Diskussion wie in Deutschland eingelassen haben, sondern einen Weg gewählt haben, der immer von dem Bemühen gekennzeichnet war, einen Dialog mit den kurdischen Vertretern und Vertreterinnen in Österreich zu führen.

Ich denke, daß dieser österreichische Weg, den der Innenminister skizziert hat und den schon seine Vorgänger praktiziert haben, der richtige war, daß er der richtige ist und dazu geführt hat, daß in Österreich die Demonstrationen, vor allem aber die Besetzungen glimpflich abgelaufen sind. Dazu vorweg so etwas wie ein Appell und eine Ermunterung, jedenfalls diesen österreichischen Weg weiter fortzusetzen! (Beifall bei den Grünen.)

Selbstverständlich ist es richtig, was ich da höre und was auch mein Vorredner gesagt hat: Österreich darf nicht der Boden sein, auf dem es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Terrorakten kommt. Das ist alles richtig. Aber die Frage – und es ist schwierig, dies in einer solchen Debatte hier im Plenum durchzuführen – ist immer die der Feinabstimmung.

Bevor ich dann am Schluß auch etwas polemisch – denn dazu fordert das heraus, was Sie gesagt haben (Abg. Kiss: Das gebe ich zu! – Abg. Dr. Khol: Das ist ja nicht verboten! Polemik ist nicht verboten!) – darauf eingehe, zunächst einmal eines, was ich in Ihrem Debattenbeitrag überhaupt nicht verstanden habe: Sie haben uns hier eine Einladung des Abgeordneten Swoboda zu einem Gespräch, das morgen mit einem Vertreter des ERNK-Büros stattfinden wird, entgegengehalten – was stört Sie daran, Herr Kollege? (Abg. Dr. Khol: Verteidigen Sie Ihren zukünftigen Koalitionspartner?) Stört Sie daran, daß es ein Gespräch mit der ERNK gibt? (Abg. Dr. Khol: Verteidigen Sie hier Ihren zukünftigen Koalitionspartner?) Stört es Sie, daß es das Gespräch gibt? (Abg. Dr. Khol: Gibt es eine Bereichskoalition Rot-Grün?) Oder stört es Sie, daß der Bundesminister gesagt hat, die ERNK ist nicht als Verein zugelassen (Abg. Kiss: Und auch nicht als Partei! Das ist rechtswidrig, Frau Kollegin!), und hier wird sie quasi so erwähnt, als ob sie ein Verein wäre? Was stört Sie daran?

Wenn wir uns darüber einig sind, daß es einen eigenen österreichischen Weg gibt, wenn wir uns darüber einig sind, daß nur der Dialog, das Gespräch zu einer Lösung führen kann, dann kann Sie daran eigentlich überhaupt nichts stören, Herr Kollege Kiss! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kiss: Wenn das eine kriminelle Organisation ist, wie der Oberste Gerichtshof sagt!)

Denn sehen Sie – um mit einem Schwenk noch einmal auf die Außenpolitik einzugehen, und ich habe Ihnen das schon vorige Woche gesagt –: Haben Sie sich jemals überlegt, wo wir in der Außenpolitik, in der internationalen Politik heute wären, wenn es mit der PLO vor 30 Jahren keine Gespräche gegeben hätte? Was war denn die PLO vor 30 Jahren? Was war denn Arafat vor 30 Jahren? – Abgesehen davon, daß es einen Präsidenten des Staates Israel gegeben hat, der ein international gesuchter Terrorist war, später aber ein anerkannter Präsident dieses Landes und dieses Staates wurde. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Was heißt das?)

Was glauben Sie, wo wir in der internationalen Politik heute wären, wenn es keine Gespräche mit dem politischen Flügel der IRA gegeben hätte? – Es gibt dort sehr kluge Menschen auf beiden Seiten, die sich solche Gesprächsebenen überlegt haben, da es neben einer Terrororganisation in Form der IRA auch einen politischen Flügel gibt. Es ist klar: Bei aller Unschärfe, die eine solche Trennung zwangsläufig mit sich bringt, wenn es sich um zwei Organisationen mit demselben Anliegen und demselben Vertretungsanspruch handelt, ist das ein kluges Vorgehen, denn es ermöglicht gewählten Staatsleuten – wie eben in Großbritannien –, Gespräche mit einem politischen Flügel zu führen, um zu Friedensabkommen zu gelangen.

Glauben Sie, wir hätten heute ein Friedensabkommen über Palästina und Israel? Glauben Sie, wir hätten heute ein Friedensabkommen in Nordirland, wenn wir so vorgegangen wären, wie Sie es hier an diesem Rednerpult skizziert haben? – Bei weitem nicht. (Abg. Kiss: Es ist doch evident, daß es eine kriminelle Organisation ist! Das sage nicht ich, das sagt der Oberste Gerichtshof!) Wie stellen Sie sich denn vor, daß wir das Problem lösen können, das die Türkei hat und das wir in Europa haben? (Abg. Kiss: Der Minister sagt: kein Verein, keine Partei!) Wie stellen Sie sich denn vor, daß das Problem der Kurden in fünf Ländern gelöst werden kann, wenn nicht auch entsprechender Druck auf ein Land wie die Türkei ausgeübt wird, um zu Gesprächen zu kommen? Wie stellen Sie sich das vor?

Sie wissen es, denke ich mir, denn Sie haben ja auch Abgeordnete in Ihren Reihen, die in dieser Hinsicht im Europarat sehr aktiv sind und im Europarat die Überprüfung der Mitgliedschaft der Türkei mitgetragen haben. Im Jänner ist der Bericht des Europarates – im übrigen mitgetragen von Ihrem Kollegen Schwimmer – über diese Überprüfung der Mitgliedschaft herausgekommen. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Bericht kennen. Darin wird aufgezeigt, daß die Mitgliedschaftsverpflichtungen der Türkei im Europarat gröbstens verletzt werden, daß Folter an der Tagesordnung ist, daß es Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit gibt, daß Ausnahmezustand in den Gebieten, die von Kurden bewohnt werden, herrscht, daß es keinen Gebrauch der kurdischen Sprache gibt, und, und, und. Man könnte diese Liste fortsetzen. Ich denke, Sie kennen sie alle, und Sie wissen, daß das nicht der einzige Bericht ist.

Vorigen Dienstag hat das Folterkomitee des Europarates seinen Bericht veröffentlicht. Es ist alarmierend und beschämend für Europa, was darin steht, und die Liste läßt sich noch und noch fortsetzen, bis hin zu NGOs wie Amnesty International, aber auch, wie gesagt, genau jenen Einrichtungen, von denen ich denke, daß Sie sie mittragen. Es gibt eine Menschenrechts-Charta, deren Mitunterzeichnerin die Türkei ist und deren Vereinbarungen sie verletzt. Es gibt im übrigen eine internationale Menschenrechtskonvention, die ganz genau vorschreibt und vorsieht, was da zu tun ist und wie zu handeln ist. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Es kommt noch erschwerend das Problem beziehungsweise die Sachlage hinzu, daß die Türkei NATO-Mitgliedsland ist. Das ist nämlich der Unterschied zwischen Serbien und der Türkei, nämlich daß wir es in dem einen Fall mit einem NATO-Mitgliedsland zu tun haben. Die Vereinigten Staaten haben immenses Interesse an der geopolitischen Lage dieses Landes, weil sie von dort aus – genauer gesagt von den Stationierungsorten, die es dort gibt – einen freien Blick nach Asien haben, hinein in den Nahen Osten, und weil sie dadurch entsprechend agieren können. Daher legen sie kein Veto ein, wenn es um die Überfälle in den Nordirak geht. Wie also wollen Sie da agieren, und wie wollen Sie reagieren?

Eine Möglichkeit – diese ist heute noch nicht genannt worden, und ich halte sie für eine kluge Möglichkeit – besteht darin, in Österreich mit Friedensgesprächen zu beginnen, um zu deeskalieren. Es böte sich die Möglichkeit von Friedensgesprächen mit türkischen und kurdischen Vertretern in Österreich, in den Städten die Bürgermeister aufzufordern, runde Tische einzurichten, indem sie Vertreter der jeweiligen Gruppierungen einladen, um mit Parteienvertretern zu überlegen, wie Situationen in Städten deeskaliert werden können, damit es nicht zu solchen Anschlägen wie gestern in Graz kommt.

Herr Kollege Kiss, wir haben gestern in Graz die Staatspolizei angerufen. Es hat mich interessiert, wie der Stand der Erhebungen ist. Ich habe folgende Auskunft von der Staatspolizei bekommen: Sie haben keine Ahnung, von wem der Anschlag verübt worden ist. (Abg. Kiss: Also bitte, der Minister hat etwas völlig anderes gesagt!) Sie haben vier Verdächtige festgenommen. Sie geben zu, daß es Verdächtige sind, daß es keinen Beweis und keine Grundlage dafür gibt, zu sagen, daß das ein Anschlag von Kurden auf ein türkisches Zentrum war (Abg. Kiss: Ich beziehe mich auf die Erklärung des Herrn Bundesministers, nichts anderes!) – abgesehen davon, daß es kein türkisches Zentrum, sondern ein islamisches Gebetszentrum ist –, daß es nur Mutmaßungen und Vorverurteilungen gibt, die zu genau jener Situation führen, die wir nicht wollen. (Abg. Kiss: Ich habe mich auf die Erklärung des Bundesministers bezogen, nichts anderes! Er hat es hier verlesen!)

Es führt zu einer Eskalierung der Situation, wenn Sie hier am Rednerpult so reden, Emotionen schüren und Stimmungen erzeugen, und dann gleichzeitig versuchen, mit Engelszungen zu reden.

Herr Kollege Kiss! Wenn Sie (in Richtung des Abg. Wabl) sagen ... – Wollen Sie mir zuhören? (Abg. Kiss: Ich rede mit dem Andreas, Ihrem Parteigenossen!) Wenn Sie sagen, daß Österreich nicht der Boden werden soll, der einen Freibrief für Terroristen hergibt: Warum verweigern Sie dann einen Untersuchungsausschuß über die Kurdenmorde? Was war denn im Jahre 1989 der Unterschied? Was gab es denn da für einen Freibrief für Terroristen? (Abg. Wabl: Staatsterrorismus war das!)

Noch viel schlimmer: Offizielle österreichische Behörden haben die Terroristen zum Flughafen begleitet und ihnen wahrscheinlich auch noch alles Gute für den Flug zurück nach Hause gewünscht! (Abg. Wabl: ... daß es Morde an kurdischen Bürgern gegeben hat! Oder war das eine militärische Aktion?)

Wenn Sie das ernst nehmen, was Sie hier an diesem Rednerpult gesagt haben, dann müßten Sie noch heute einem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, den wir gerne einbringen können, zustimmen! (Abg. Wabl: Dann werden wir sehen, ob er zustimmt, ob er gegen Staatsterrorismus ist!) Denn nur dann können Sie darin ernst genommen werden, daß hier kein Freibrief für Terroristen herrscht. Das ist genau das, was ich Ihnen auch vorige Woche gesagt habe. Aber solange Sie immer mit gespaltener Zunge reden und sich nicht entscheiden können, wen und was Sie eigentlich meinen, werden Sie immer unglaubwürdig sein, auch dann, wenn Sie davon reden, daß wir einen Dialog brauchen und daß wir das Gespräch brauchen, um zu einer Lösung zu kommen.

Was ich mir wünschen würde und was in Österreich möglich sein sollte, ist, daß gewählte Volksvertreter und -vertreterinnen hier einen Appell beschließen, damit in die Öffentlichkeit gehen und sagen: Es kann nicht sein, daß in der Türkei gewählte Abgeordnete im Kerker sitzen, es kann nicht sein, daß Parteien verboten werden, daß Parteienvertreter und Parteiengründer im Gefängnis sitzen.

Es sollte möglich sein, daß wir einen Appell richten, daß eine Kontaktgruppe eingerichtet werden und eine Friedenskonferenz stattfinden soll, die diese Gespräche und diesen Dialog tragen soll, ähnlich wie jetzt im Fall Kosovo.

Es soll einen Appell geben, der auch die Frage vorsieht: Wie können überhaupt auch nur halbwegs den Menschenrechten entsprechende Bedingungen bei einem Prozeß in der Türkei herrschen? – Machen Sie sich mit Ihrem Appell um einen fairen Prozeß in der Türkei nichts vor! Die Türkei ist ein Land, in dem es eine Militär-Strafgerichtsbarkeit gibt. (Abg. Dr. Khol: Aber Öcalan ist vor einem ordentlichen Gericht, das wissen Sie!) Die Türkei ist ein Land, in dem das Militär einen Staat im Staat darstellt. (Abg. Dr. Khol: Ich erinnere an einige Prozesse, die ordentlich geführt wurden!) Dort um einen fairen Prozeß zu appellieren, wo bis heute noch nicht einmal die Anwälte vorgelassen worden sind, das ist Heuchelei, Herr Kollege Khol! (Beifall bei den Grünen.)

Initiieren Sie solch einen Appell! Initiieren Sie, daß wir wieder eine Parlamentarierdelegation in die Türkei entsenden! Initiieren Sie, daß wir wieder unsere Kollegen, unsere gewählten Kollegen in Ankara besuchen können! Setzen wir damit ein Zeichen der Solidarität, ein Zeichen dafür, was wir unter Demokratie und Verfassungsrechtlichkeit verstehen! Initiieren Sie über Ihre Bürgermeister in Ihren Städten solche runden Tische, um zu deeskalieren! Beziehen Sie jene Kurdenvertreter ein, die friedlich zu Lösungen kommen wollen! Es gibt sie. Das Büro der ERNK hat sich von dem gestrigen Anschlag in Graz distanziert. Beziehen Sie diese Vertreter in Ihre Gespräche, in Ihre Beratungen mit ein, denn nur dann wird es möglich sein, in Österreich zu einem Dialog zu kommen, ein Signal zu setzen und als Vorbild zu wirken!

Wir haben heute leider keine außenpolitischen Debatte, aber es wäre angebracht, dringend angebracht, über geeignete Möglichkeiten zu diskutieren und sie auf europäischer Ebene zu initiieren, damit ähnliche Prozesse gegen die Türkei in die Wege geleitet werden können, wie das bei Serbien und Kosovo der Fall war. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Kostelka hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. (Abg. Dr. Khol: Gibt es ein Büro?)

12.11

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kiss hat hier in seiner Rede behauptet, daß ich eine – wie er wörtlich gesagt hat – permanente Blockadepolitik im Zusammenhang mit dem Militärbefugnisgesetz betrieben hätte. Dies ist dezidiert und evident unrichtig.

Artikel 18 unserer Bundesverfassung besagt, daß die gesamte staatliche Verwaltung aufgrund von Gesetzen zu erfolgen hat. Der letzte Bereich, in dem dies nicht der Fall ist, ist das Militärbefugnisgesetz. Ich habe daher am Beginn dieser Legislaturperiode nachhaltig ein solches Militärbefugnisgesetz verlangt. (Abg. Dr. Ofner: Was ist das für eine tatsächliche Berichtigung, Herr Präsident?) Ein solches Militärbefugnisgesetz ist in einer Form vorgelegt worden, die nicht Artikel 18 entspricht, weil es eine ganze Latte von formalgesetzlichen Delegationen und Ermächtigungen enthält, die nicht der Rechtsstaatlichkeit entsprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kiss! Wir wollen ein Militärbefugnisgesetz, aber kein Militärbefugnisgesetz mit rivalisierenden Geheimdiensten. (Abg. Kiss: Jetzt haben Sie es gesagt! Jetzt haben Sie sich verraten!) Wir wollen kein Militärbefugnisgesetz mit einer selbsternannten Kontrolle und kein Militärbefugnisgesetz, laut dem letztendlich der kleine Lauschangriff ohne richterliche Kontrolle möglich wäre. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kiss: Das ist der Hintergrund! Nicht die Bundesverfassung, sondern rivalisierende Geheimdienste!)

12.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Wir sind zwar in diesem Haus daran gewöhnt, die Bestimmungen um die tatsächliche Berichtigung großzügig auszulegen, aber allzu großzügig sollte man bei dieser Sache nicht sein.

Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Kostelka: Das, was ihr wollt, ist ein Geheimdienst ohne Kontrolle! – Abg. Kiss: Das ist doch nicht wahr!)

12.13

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Bitte hört auf, es ist meine Redezeit! – Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Abg. Mag. Peter: Herr Schieder! Wir sind ganz bei Ihnen!) Bevor ich zur Sache komme, Herr Präsident, möchte ich auf den Beitrag beziehungsweise auf die tatsächliche Berichtigung der Abgeordneten Partik-Pablé eingehen. Diese war nämlich gemäß der Geschäftsordnung nicht berichtigbar. Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat hier wörtlich gesagt: "... und überdies vermute ich, daß er" – das sagte sie zu Abgeordnetem Leikam – "betrunken sein dürfte, weil sonst könnte er nie zu einer solchen Äußerung kommen." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist meine Meinung!) – Sie bestätigen es jetzt und sagen, das sei Ihre Meinung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat nachher nicht einmal gewußt, was er gesagt hat!) Frau Abgeordnete! Das ist ein Benehmen und eine Unterstellung, die in diesem Haus nichts verloren haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich habe Abgeordneten Leikam heute in der Früh schon vor 8 Uhr selbst hier arbeitend erlebt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihr seid Abstimmungsschwindler!) Es ist daher doppelt nicht in Ordnung, so etwas zu sagen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum reden Sie nicht darüber, was er uns vorgeworfen hat?) – Frau Abgeordnete! Vielen sind in diesem Hause schon Entgleisungen passiert, aber nur ganz wenigen ist passiert, daß sie nachher nicht die Größe gehabt haben, sich zu entschuldigen. Bitte entschuldigen Sie sich, denn das gehört sich nicht, daß man so etwas hier in diesem Hause sagt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Unglaublich! Da seid ihr empfindlich! Ihr dürft alles sagen! Alles kann uns vorgeworfen werden! – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Ich würde mich, wenn ich solche Worte verwenden würde, immer entschuldigen, Herr Abgeordneter! (Abg. Scheibner: Dann nimm nicht deine Leute in Schutz!) – Ich spreche jetzt nicht von anderen, ich spreche von mir und der Frau Abgeordneten Partik-Pablé. Ich erwarte, daß sie sich entschuldigt, denn das würde sich gehören. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie können es sich erwarten, aber ich tue es nicht!)

Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Bundesminister für Inneres für seine Erklärung sehr dankbar, und ich bin auch dankbar für die klare Haltung, die er hier eingenommen hat, eine Haltung, die geprägt ist von den Interessen der Menschen an einem sicheren, friedlichen Zusammenleben und an der Einhaltung der Rechtsvorschriften in unserem Land, die aber auch gleichermaßen geprägt ist von den Grundsätzen der unteilbaren Menschenrechte, die es von jedem Land und daher auch von der Türkei einzufordern gilt. Es gilt zu verlangen, daß die Standards, die wir in Europa geschaffen haben, besonders eingehalten werden.

Namens meiner Fraktion möchte ich mich dem Dank, den auch schon Herr Abgeordneter Leikam hier dargebracht hat und den der Herr Minister erwähnt hat, an die Exekutive und alle anderen, die dabei im Einsatz waren, anschließen. Trotz großer Belastung haben sie mit der nötigen Sensibilität reagiert. Österreich hat mit seiner Vorgangsweise und seinen Kontakten, Herr Minister, auch europäische Solidarität in bezug auf Information und Abstimmung gezeigt. Das finde ich besonders gut, da anderen Ländern, auch anderen EU-Ländern, in diesem Zusammenhang vorzuhalten ist, daß sie diese Solidarität in der Information nicht gezeigt haben.

Nächster Punkt: zur diskutierten und erwähnten ENRK. (Abg. Kiss: ERNK!) Abgesehen davon, welchen rechtlichen Status auch immer sie haben möchte oder hat, Herr Abgeordneter (Abg. Kiss: Leg nicht alles auf die Waagschale, was in einem Zwischenruf gesagt wird! – Abg. Dr. Niederwieser: Das steht im Protokoll!), abgesehen vom Status würde ich dafür plädieren, daß Österreich bei seiner Haltung bleibt. Wir sind in der Vergangenheit gut damit gefahren, und der Hinweis des Herrn Ministers auf Abdrängen in die Illegalität stimmt. Solange die derzeitigen Personen auf der bisherigen Linie tätig sind, ist es jedenfalls gescheit, bei dieser Haltung zu bleiben. Wenn es diesbezüglich Änderungen gibt, wird sie zu überprüfen sein. (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Schieder! Die Änderungen hat es gegeben mit der Botschaftsbesetzung, mit dem Hausfriedensbruch!) – Nein, nein! Betrachten Sie es genau!

Was die Veranstaltung des Abgeordneten Swoboda und Ihren diesbezüglichen Debattenbeitrag betrifft, so muß ich darauf hinweisen, daß diese Veranstaltung auch von seinem Bemühen geprägt ist, hier mitzuhelfen, damit diese Frage deeskaliert. (Abg. Dr. Khol: Würdet ihr auch mit den "grauen Wölfen" in der Türkei reden?)

Für Österreich wäre es wichtig, auch international zu agieren, also im Europarat und auf anderen Ebenen. Denn es kann auch österreichischen Abgeordneten nicht egal sein, wie sich ein Mitglied der Vereinten Nationen, des Europarates und der OSZE benimmt. Es kann nicht egal sein, in welcher Art und Weise die Türkei den angeklagten Öcalan an den Pranger gestellt hat, wie sie ihn zur Schau vorgeführt hat, welche Ankündigungen es diesbezüglich gibt und daß der Ankläger die Todesstrafe verlangt. (Abg. Kiss: Nach türkischem Recht!) All dies steht nicht im Einklang mit den europäischen Standards, es ist ein unwürdiges Schauspiel und läßt die Angst aufkommen, daß es zu keinem fairen Prozeß kommen wird.

Österreich muß wie ganz Europa alles unternehmen, damit diese Vorgänge beobachtet werden, damit Einfluß ausgeübt wird, und das wird die Aufgabe auch der Außenämter sein. Zum Beispiel hat es im Ministerkomitee des Europarates der türkische Vertreter dieser Tage schon abgelehnt, daß solch ein Punkt überhaupt auf die Tagesordnung kommt. Wir müssen Druck ausüben, und es darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Man kann nicht, nur weil es ein militärisches Interesse Amerikas an der Türkei gibt, gegenüber dem Vorgehen der Türkei gegen die Kurden blind sein. (Demonstrativer Beifall des Abg. Smolle.) Auch dieses Volk hat ein Recht auf Selbstbestimmung! Auch die Kurden haben ein Recht, ihre Kultur zu erhalten, und auch das muß ein Teil unseres Agierens sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Kiss: Jawohl, und dies mit friedlichen Mitteln!)

Wir müssen darauf schauen, daß es in unserem Land friedlich abläuft. Wir müssen aber auch darauf achten, daß nicht Menschen in einem Mitgliedsland des Europarates all jener Rechte beraubt werden, für die wir alle gemeinsam in Europa Jahrzehnte und Jahrhunderte gekämpft haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Kollege Schieder! Der Zweck heiligt nicht die Mittel! – Gegenruf des Abg. Schieder.)

12.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Jung mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.20

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Schieder! Ich teile durchaus in vielen Bereichen das, was Sie über die Situation der unglücklichen Kurden ausgeführt haben (Abg. Kiss: Natürlich! Völlig richtig!), und auch hinsichtlich der ambivalenten Situation der USA, die je nach Bedarf zwischen guten und bösen Kurden unterscheidet. Ich habe leider nicht so viel Zeit, auf den außenpolitischen Bereich einzugehen, außerdem führen wir auch eine innenpolitische Debatte. Aber, Herr Kollege Schieder, und damit wende ich mich auch an die anderen hier im Haus: Wir sind hier österreichische Abgeordnete und haben in erster Linie – das wird in dieser Debatte vergessen – die Interessen der Österreicher zu vertreten. In deren Interesse liegt es nicht, das Wilde Kurdistan auf die Mariahilfer Straße oder den Ballhausplatz zu verlegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe vor wenigen Minuten ein Gespräch mit einer Frau aus meinem Bezirk geführt. Es gibt einen Bereich in meinem Bezirk, in dem seit Monaten türkische, kurdische – niemand weiß es genau – Massenveranstaltungen unter geheimnisvollen Umständen – man kommt nicht hinein – stattfinden. Die Bürger sind beängstigt. Wir haben versucht, die Bezirksvertretung zu sensibilisieren. Der Bezirksvorsteher hat seit acht Wochen auf Anfragen nicht geantwortet, um es eben hinauszuzögern. Wir haben versucht, von der Polizei Informationen zu bekommen. Dort scheint noch die Einem-Weisung zu gelten, man hat gesagt: Wir wissen es ohnehin, aber man sagt uns von oben, wir müssen ruhig sein und uns ruhig verhalten. Das heißt, es werden nicht die Interessen der Österreicher vertreten, sondern jene der Kurden oder anderer – ich weiß nicht, welche –, und das ist sicherlich nicht in unserem Sinn, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Zeitschrift "Der Spiegel" titelte: "Kurdenkrieg in Deutschland" – nicht nur in Deutschland. Der Aufmacher ist zwar etwas dramatisch, aber halten Sie sich folgendes vor Augen: Vor zwei Jahren gab es 40 000, 50 000 demonstrierende Kurden in Europa. Es gab gesperrte Autobahnen, brennende Autos, gesperrte Grenzübergänge. – Das war erst der Anfang. Meine Damen und Herren! In der Vorwoche gab es in Berlin Tote. Gestern hat – unter welchen Umständen auch immer, aber Selbstentzündung war es kaum – ein islamisches Gebetshaus in Österreich gebrannt. Was wird im Zuge des Öcalan-Prozesses – die Türkei ist sicherlich nicht als Musterbild der Demokratie hinzustellen, da gehe ich völlig d’accord mit Ihnen, Herr Kollege – noch auf uns zukommen?

Was geschieht? – Der Innenminister und vor allem die SPÖ wiegeln ab. Das ist aber kein Wunder, hat sie doch gegenüber den Türken, vor allem gegenüber den Kurden ein höchst ambivalentes Verhältnis – ähnlich wie bei der Polisario, resultierend aus der gemeinsamen Marxismus-Nostalgie. Wie sonst wäre es zu erklären, daß am 1. Mai die roten Fahnen mit dem kommunistischen roten Stern beim SPÖ-Maiaufmarsch geschwungen werden dürfen und daß zur gleichen Zeit die Bilder des Terroristen – er ist ein Terrorist, egal, wie man ihn jetzt behandelt – Öcalan mitgeführt werden? Es kann doch nicht allein auf den Mitgliederschwund der Wiener SPÖ zurückzuführen sein, daß man die Leute mitmarschieren läßt, um die gelichteten Reihen zu füllen. Das zeigt alte Seilschaften und innere Verbundenheit. Da marschieren auch Kurden mit österreichischer Staatsbürgerschaft mit, so wie auch unter den Botschaftsbesetzern Kurden waren, die bereits die österreichische Staatsbürgerschaft haben.

Herr Kollege Kiss! Österreich, so haben Sie gesagt, ist jenen Heimat geworden. – Ich habe starke Zweifel daran, denn offenkundig liegt ihnen – ich kann das menschlich verstehen, aber ich kann das als Österreicher nicht dulden – ihr kurdisches Volk näher als die österreichische Heimat, die sie aufgenommen hat und deren Gesetze sie jetzt brechen und gegen die sie mit Gewalt vorgehen. Hier liegt eine grundsätzliche Problematik in der ganzen Ausländerfrage, meine Damen und Herren!

Sind diese Leute wirklich in der Lage, sich mehr zu Österreich zu bekennen als zu ihrem Herkunftsland? – Wir vererben unseren Kindern und Enkeln Konflikte in der Zukunft, und wir wissen gar nicht, was wir damit anrichten. Die Kriege, die Religionsunterschiede der Zukunft werden bei uns gewaltsam ausgetragen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Das ist eine Conditio sine qua non!)

Wenn die PKK ein Verein wäre, dann hätte man sie verbieten können, hat ein Angehöriger des Innenministeriums gesagt. – Herr Minister! Haben Ihre Leute wirklich eine Anmeldung der BBA gebraucht, um sie zu verfolgen? So kann es doch wohl nicht sein, daß man nur dann gegen jemanden vorgehen kann, wenn er angemeldet ist.

Herr Abgeordneter Fischer hat gemeint, man verfüge ohnehin über gute Informationen aus der Kurdenszene. – Ich habe diesbezüglich starke Zweifel, Zweifel über das Wissen der Stapo in diesem Bereich, denn sonst müßte klar sein, daß in Österreich Mitgliedsbeiträge, Schutzgelderpressungen de facto, eingehoben werden, daß gewaltsam gegen Leute vorgegangen wird, die nicht bezahlen. – Aber wir beschwichtigen!

Seit Kreisky ist alles gutgegangen? Was war denn der Nittel-Mord? Was war mit Schönau? Was war die Palmers-Entführung? Was waren die OPEC-Geschichten? War das alles friedlich, meine Damen und Herren? Haben Sie das vergessen? (Abg. Smolle: Jung! Wenn du das weißt, warum erstattest du nicht Anzeige?)

Herr Innenminister! Sie werden mit Beschwichtigung nichts erreichen. Das sind Fanatiker. Wer sich selbst verbrennt, ist auch bereit, gegen andere gewaltsam vorzugehen. Diese Geschichte mit dem SPÖ-Büro, das zur Verfügung gestellt wird, zeigt nichts anderes als die innere Gespaltenheit der Sozialisten. Abgeordneter Fischer kämpft mit dem linken Flügel – dort, wo das Herz schlägt – gegen den Realisten, den Innenminister. Wir werden sehen, wer stärker sein wird: ich oder ich.

Man versucht auch, die Österreicher zu beschwindeln. Für die Linken tut man etwas, und in Kärnten versucht der andere, für die Wahl für die Konservativen aufzutreten. So werden Sie aber auf Dauer die Österreicher nicht an der Nase herumführen können. Sie werden es unter anderem am 7. März sehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Hier ist Härte, nicht nur verbale Härte, gefragt. Ihr deutscher SPD-Kollege hat dies eindeutig erkannt. Hinaus mit den Terroristen und Angehörigen verbotener Organisationen aus Österreich! Wenn die bestehenden Gesetze nicht ausreichen, dann unternehmen Sie etwas, Herr Minister, um sie anzupassen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Smolle: Wohin, Herr Jung? Wohin? – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wo sie herkommen! – Abg. Smolle: Das würde ich dir wünschen, wenn du flüchtig bist, daß man dich auch so behandelt! Das möchte ich dir wünschen! – Abg. Scheibner: Das kann doch keine Rechtfertigung für Gewaltdelikte sein! – Abg. Smolle: Weil andere Unrechtsakte setzen, ...! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wenn du zu mir kommst und meine Hilfe brauchst, gebe ich sie dir! Wenn du mich aber dann bestiehlst und mein Haus anzündest, dann schmeiß ich dich hinaus!)

12.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Wenn Sie gestatten, darf ich Herrn Abgeordneten Dr. Puttinger das Wort erteilen, mit dem Wunsch, daß er auch Gehör findet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.27

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich wollte mich eigentlich mit den Tagesordnungspunkten 2 bis 4 beschäftigen und im wesentlichen auf den Sicherheitsbericht eingehen, aber es ist mir ein Bedürfnis, doch drei Vorbemerkungen zu machen.

Herr Kollege Jung! Ich möchte die Stellung der ÖVP klar fixieren: Jemand, der in Österreich Heimat gefunden hat, muß sich – das ist für uns eine Conditio sine qua non – auch zu Österreich bekennen und dafür mehr übrig haben als für sein früheres Heimatland. Österreich ist dann seine Heimat! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Deswegen hat Fasslabend an der nordischen Grenze die kroatischen Soldaten abgezogen!) – Ich sage es nur.

Zu den Äußerungen der Frau Kollegin Kammerlander darf ich folgendes feststellen: Warum gibt es nur runde Tische, durch die in Österreich die Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt werden sollte? – Meiner Meinung nach sollte jeder, der in Österreich wohnt, seinen Willen haben und die Rechtsordnung befolgen, und damit wird es keine terroristischen Umtriebe mehr in Österreich geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu Herrn Kollegen Schieder auch eine klare Aussage: Es mag schon richtig sein, daß der Weg, den die österreichische Regierung gegangen ist, den der Innenminister gegangen ist, richtig gewesen ist, aber es hat Änderungen im Verhalten gegeben. Der Zweck heiligt einfach nicht die Mittel! Daher haben wir diese Debatte zu führen und haben uns damit auseinanderzusetzen, wie wir dazu stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun aber doch zum Bericht, zum Sicherheitsbericht im Bereich der inneren Sicherheit auf Salzburg bezogen. Ich bin froh darüber, daß die Zahl aller gerichtlich strafbaren Handlungen um 1 126 Fälle reduziert werden konnte. Ich bin froh darüber, daß wir bei den Vergehen ein Minus von 5,7 Prozent zu verzeichnen haben. Ich bin froh darüber, daß sich die Häufigkeit vermindert hat. Ich bin froh darüber, daß die Aufklärungsquote von 49 auf 50,6 Prozent gestiegen ist. – Ich glaube, wir haben auch diesen Bericht zu diskutieren. Wir haben festzustellen, daß es in Österreich auch positive Seiten gibt. Herr Innenminister! Seien wir dankbar dafür, daß sich all das in Ihrem Ressort in positiver Weise entwickelt hat.

Besonders erfreulich ist aber auch die Tatsache, daß hinsichtlich der Delikte im Bereich des Waffengesetzes ein Rückgang von 28,6 Prozent zu verzeichnen ist. Dies zeigt – das möchte ich Ihnen, meinen sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ, schon klar sagen –, daß durch Registrierung und durch Kontrolle bessere Erfolge erzielt werden können als durch Entwaffnung. Das sollten Sie bei Ihren Forderungen im Hinblick auf das Waffengesetz letzten Endes auch immer wieder berücksichtigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte kommt die Justiz immer zu kurz. Daher gestatten Sie mir, ein bißchen auf den Justizbericht einzugehen. Positiv zu bewerten ist, daß die Neuanzeigen im Bereich der Staatsanwaltschaften um 2 Prozent zurückgegangen sind – das bedeutet über 3 000 Fälle. Bei den Fällen mit unbekannten Tätern ist ebenfalls ein Rückgang zu verzeichnen.

Die Zahl der rechtskräftig Verurteilten ist um 2,9 Prozent gesunken. Ebenso ist die Verurteilung von Personen wegen strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben um 4,9 Prozent gesunken. Aber es gibt auch die Kehrseite der Medaille. Bedauerlich ist die Tatsache, daß die Zahl der verurteilten Jugendlichen leicht gestiegen ist. Das soll uns darauf aufmerksam machen, diesem Problem mehr Augenmerk zu widmen. Besonders schlimm ist die Tatsache, daß sich in der Drogenkriminalität eine Entwicklung abzeichnet, die zwar einerseits positiv ist, weil es weniger Drogentote gibt, andererseits aber ist aufgrund des Suchtgift- und Suchtmittelgesetzes die Gesamtzahl der Anzeigen um 25,4 Prozent gestiegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister! Herr Justizminister! Damit haben wir uns auseinanderzusetzen. Nach diesem Ausflug in die Statistik gestatten Sie mir, noch auf zwei Themen grundsätzlicher Art einzugehen, einerseits auf die Gerichte selbst und anderseits auf die Untersuchungshaft, auf die Praxis bei der Untersuchungshaft.

Ich möchte mich beim Bundesminister für Justiz bedanken, daß er im Jahre 1998 eine neue empirische Studie für die regionale Anwendung der Untersuchungshaft erstellt hat. Ich habe das zwei Jahre lang gefordert. Seien wir froh, daß er es jetzt gemacht hat; es hat zwei oder drei Jahre gedauert, bis wir neue Zahlen dazu bekommen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe diese Studie gefordert, und ich habe sie mir nun wiederum angeschaut. Es hat aber leider nur eine Verlagerung stattgefunden, denn es bestehen noch immer große regionale Unterschiede. Es hat keine Veränderung stattgefunden, sondern es hat eine Verlagerung stattgefunden. Ich darf kurz drei oder vier Beispiele bringen:

Die durchschnittliche U-Haft-Dauer beträgt im Landesgericht Feldkirch nur vier Wochen, in den Landesgerichten Innsbruck oder Korneuburg acht bis neun Wochen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt im Landesgericht Ried im Innkreis vier Wochen, in Feldkirch und Klagenfurt dauern Verfahren doppelt so lange. Die Enthaftungsquote vor der Hauptverhandlung beträgt in Ried im Innkreis und in Feldkirch 50 Prozent, im Landesgericht Korneuburg nur 11 Prozent; dort ist sie also fünfmal so hoch. Die Haftrate ist in Graz, Feldkirch und Ried doppelt so hoch wie in Wels, Linz und Klagenfurt.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, der leider heute nicht hier ist! – Ich sehe, er ist doch da. Ich frage Sie: Wie können Sie diese gravierenden Unterschiede vertreten? – In Österreich gibt es offensichtlich zweierlei Maß von Rechtsprechung, und das haben wir zu verhindern, das ist zu ändern.

Wäre ich, Herr Bundesminister, ein cleverer Dieb – ich habe das letzte Mal ein ähnliches Beispiel gebracht, ich habe heute nur andere Orte zu nennen –, so würde ich nach dem Studium dieses Sicherheitsberichtes meine Aktivitäten nach Feldkirch beziehungsweise nach Vorarlberg verlegen. Denn beim Landesgericht Feldkirch ist die Haftrate gering, die durchschnittliche U-Haft-Dauer nur halb so lang oder äußerst kurz und die 50prozentige Wahrscheinlichkeit gegeben, daß ich sowieso vor der Hauptverhandlung enthaftet werde.

Es zeichnet den Rechtsstaat Österreich nicht aus, daß die Untersuchungshaft derart unterschiedlich behandelt wird. Ich glaube, es ist diesbezüglich Handlungsbedarf gegeben. Und das werden wir meiner Ansicht nach in Zukunft genauso schaffen, wie wir auch aktuelle Daten für diesen Bericht zusammengestellt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein zweites grundsätzliches Thema möchte ich noch anschneiden, nämlich die Gerichte. Wir hatten im Jahre 1997 140 159 Strafverfahren zu verzeichnen, davon entfielen 70,7 Prozent auf die Bezirksgerichte – in absoluter Zahl also mehr als 100 000. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Zahl dokumentiert wieder einmal eindeutig und eindrucksvoll, wie bedeutend diese Bezirksgerichte sind, wie notwendig es ist, diese Bezirksgerichte zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade für die ländliche Bevölkerung sind diese kleinen Einheiten der Gerichtsbarkeit unumgänglich notwendig, um die Nahversorgung der rechtssuchenden Bevölkerung zu gewährleisten. Ich wiederhole das, was ich schon letztes Mal bei der Behandlung dieses Berichtes gesagt habe: Nahversorgung im Bereiche der Justiz ist mehr, als nur Sprechtage abzuhalten. Nahversorgung im Bereiche der Justiz ist mehr, als nur einen Verhandlungstag pro Woche zu haben. Nahversorgung im Bereiche der Justiz ist mehr, als Grundbuchauszüge per Computer erstellen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Erhalten wir diese kleinen Mosaiksteine der Nahversorgung für die Infrastruktur unserer ländlichen Bevölkerung! Recht, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf keine Frage der Entfernung sein! (Beifall bei der ÖVP.)

12.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte.

12.36

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Gospod minister! Visoki Dom! Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Minister! Vielleicht zuerst ein Wort zur Initiative des Kollegen Swoboda. Ich begrüße es, wenn ein Europaabgeordneter durch intensive Kontaktaufnahme mit möglichst allen Kurdenvertretern diese Frage als auch europäische und damit auch als außenpolitische Frage begreift. Meine Damen und Herren! Es gebührt Herrn Europaabgeordneten Swoboda von meiner Seite in diesem Zusammenhang Lob. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Gerade bezüglich Volksgruppen ist so etwas immer eine Frage des Mutes, weil man natürlich sehr häufig auf sogenannte – unter Anführungszeichen – "falsche Vertreter" trifft. Aber ärger ist es, Herr Minister, das Problem als innenpolitisches Problem abzuhandeln. Dieses Ignorieren einer außenpolitischen europäischen Dimension und natürlich auch der Sicherheitsproblematik tut wirklich weh, meine Damen und Herren!

Ich möchte aber auch ein Lob in Richtung ÖVP aussprechen, die nur jetzt nicht zahlreich vorhanden ist, da nur sehr "wichtige" Abgeordnete anwesend sind, aber zum Beispiel nicht Kollege Kiss. Ich möchte mich sehr herzlich bedanken, denn die ÖVP hat genau dieselben Kontakte mit denselben Männern und führt dieselben Gespräche. Ich kenne die Abgeordneten der ÖVP, die das tun. Ich bitte nur, so freundlich zu sein, in Ihrem Klub einmal nachzufragen, wer das ist. Es ist nicht meine Aufgabe, Abgeordnete zu outen. Ich gehe davon aus, daß Kiss entweder wider besseres Wissen redet oder daß er nichts weiß. – Und beides soll er lieber unterlassen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Ich muß auch in Zusammenhang mit der grünen Fraktion einen Verdacht aussprechen, da mich wundert, daß Pilz plötzlich derart positiv in Richtung Innenminister argumentiert. Kollegin Kammerlander hat das hier gerade wiederholt. Vielleicht steckt doch der heimliche Wunsch dahinter, daß Pilz ähnlich wie Schily in Deutschland einmal Innenminister in einer grün-roten Koalition werden könnte. (Abg. Wabl: Erzähl das Haider in Kärnten! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe ein bißchen das Gefühl, daß das Vorbereitungserklärungen sind: Man war zwar seinerzeit bei den K-Gruppen, aber heute sind wir recht sympathisch, nehmt uns als Innenminister. – Ich sage, es ist in Ordnung, wenn man den Gärtner zum Bock macht. Ich glaube schon, daß das okay ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zu Herrn Jung möchte ich auch etwas anmerken. – Herr Jung! Sie wissen immer so viel, welche Straftaten in Österreich geschehen. Ich frage mich natürlich, warum Sie nicht Anzeige erstatten. Da haben Sie die Sicherheitsbehörden. Schreiben Sie das einmal zusammen, damit endlich alle Missetäter in unseren Gefängnissen schmachten werden. Aber hören Sie mit diesem allgemeinen Gerede auf: Es gibt dort eine Versammlung, da werden schreckliche Dinge geschehen, Verbrechen werden vorbereitet, und die Verbrecher laufen frei herum. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Nennen Sie die Verbrecher! Nennen Sie die Verbrechen, und zeigen Sie sie an! Dort auf der Bank sitzen die zuständigen Beamten.

Es tut mir leid, daß ich so viel Redezeit mit den Fraktionen vergeudet habe, aber jetzt zum Thema, meine Damen und Herren! (Abg. Wabl: Was ist das für ein Demokratieverständnis? Was ist das für ein Demokratieverständnis?)

Bei der Frage der Kurden stehen eine tiefe Enttäuschung und ein Betrug am kurdischen Volk im Vordergrund, meine Damen und Herren! (Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.) Im Jahre 1920 gab es den ersten Vertrag, der eine Autonomie für die Kurden brachte. Erlauben Sie mir, einen kurzen geschichtlichen Abriß zu geben; auch für dich, Abgeordneten Stadler, wird er vielleicht von Wichtigkeit sein, dann wirst du deine Meinung vielleicht doch ändern.

Es gab den englischen Einflußbereich, der sich zum Irak und Iran entwickelte, sowie den französischen Bereich mit Syrien und dem Libanon. Wir wissen, ein Volk, das auf vier oder fünf Länder aufgeteilt – so muß man heute sagen – lebt, ist in keiner einfachen Lage, auch wirtschaftlich nicht. Die Kemalisten sind mit der Zielsetzung angetreten, einen Staat beider Völker zu schaffen, der Kurden und der Türken. Das war die Basis dafür, daß es heute diese türkische Republik gibt, und es wäre vielleicht gut, das im Sinne historischer Aufklärung den Türken auch einmal klar auf den Tisch zu legen. Die Basis des heutigen säkularisierten türkischen Staates ist die gemeinsame Entscheidung beider Völker, der Kurden und der Türken, für einen gemeinsamen Staat. Dafür haben sie auch ihr Blut vergossen. Das ist die Basis. (Abg. Mag. Stadler: Nein! Das ist nicht wahr! Das ist nicht wahr!)

Dann kommen die Veränderungen: Im Jahr 1923 gab es den Friedensvertrag von Lausanne, mit dem den Kurden ihre Autonomie und ihre Sprachenrechte genommen wurden. Dann kamen die Kemalisten und sagten: Ein Staat – eine Nation! – Das war der Anfang der sogenannten Bergtürken, obwohl man genauso auch "Flachlandkurden" zu den Türken sagen könnte, wenn man sie diffamieren wollte, meine Damen und Herren!

Es gab dann den Aufstand unter der Führung von Mustafa Barzani, der zumindest im Irak eine Teilautonomie von 1961 bis 1970 brachte. Im Jahr 1979 wurde der große Kurdenaufstand im Iran blutig niedergeschlagen. 1984 begann der bewaffnete Widerstand, vor allem durch die PKK organisiert. Seit dem Jahre 1987, meine Damen und Herren auch von der FPÖ, herrschte der Ausnahmezustand. Mehr als 4 000 Dörfer wurden von türkischem Militär zerstört. Dabei gab es mehr als 30 000 Tote, Folter und Ermordungen.

Im Jahre 1988 fand der Giftgaseinsatz des Herrn Saddam Hussein gegen die Kurden unter anderem in Halabdscha statt, um nur einen Ort zu nennen, in dem 5 000 Tote zu verzeichnen waren. 1991 fanden nach der Niederlage des Irak schwere Kämpfe bei Kurdenaufständen im Nordirak statt. Im Jahre 1992 drang die Türkei mit Militär und Sicherheitskräften immer wieder in diese Schutzzone, also in den Irak, ein und bekämpfte dort die Kurden. 1993 fand die Gründung der HADEP-Partei einer prokurdischen Partei in der Türkei, statt. Wir wissen, wie viele Abgeordnete von dieser Partei mittlerweile schon das türkische Gefängnis von innen gesehen haben. Ihr einziges Verbrechen war es, Kurden zu sein, meine Damen und Herren!

Im Jahre 1995 wurde das kurdische Exilparlament mit verschiedenen Fraktionen gegründet. 1999 gibt es nun Wahlen in der Türkei.

Meine Damen und Herren! Nachdem ich Ihnen einen Kurzabriß der Geschichte eines Volkes aufgezeigt habe, frage ich Sie: Wohin sollen sich die Kurden angesichts solcher Greueltaten, die ein Volk erlebt hat, heute in Europa wenden?

Nennen Sie mir eine Institution, wo sie sich hinwenden und verlangen können, daß ihre Angelegenheit verhandelt wird. Das ist der Punkt. Das macht die außenpolitische Dimension aus. Deshalb ist es belanglos, von einer innenpolitischen Dimension zu sprechen. Denn diese innenpolitische Situation hat ihre Ursache in der nicht gelösten außenpolitischen Situation, in dem Augenzwinkern in Richtung Türkei: Menschenrechte sind nicht so wichtig. (Abg. Kiss: Darum ist dein Schluß falsch! Darum ist dein Schluß falsch!)

Dabei verheimliche ich nicht die Opfer, die durch die Kurden selbst verursacht wurden, auch jene in ihren eigenen Reihen, meine Damen und Herren! Aber so ist das eben, wenn man auch von staatlicher Seite einen Unrechtszustand zuläßt, dann hat nämlich dieses Augenzwinkern auch andere Folgen!

Wenn man nun behauptet, daß es in der Türkei nur gegen die Kurden gehe, meine Damen und Herren, dann ist auch das ein Grundfehler. Es liegt mir ein Bericht des Anti-Folter-Komitees des Europarates vor. In diesem Bericht – beim Europarat sind wir mit dabei – wird ganz klar von ständigen Folterungen durch das Gefängnispersonal, durch die Polizei, von Mißhandlungen gesprochen. Es sind einige "Schönungen" in diesem Bericht enthalten, damit man sozusagen den Widerstand, das Veto der Türkei umschiffen konnte, meine Damen und Herren!

Nun komme ich zur Abschiebung, Herr Kollege! Sie haben vorher sehr für die Abschiebung gesprochen. Ich darf vorlesen:

Hinzuweisen ist auf den Fall des Asylwerbers Akbas den man im vergangenen Jahr abgeschoben hat. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Warum hat man ihn abgeschoben?) Er war ein kurdischer Asylwerber. Er wurde nachweislich nach seiner Ankunft in der Türkei gefoltert. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Warum hat man ihn abgeschoben? Warum? Warum?)

Die Folter in der Türkei hat nichts mit der Frage seiner Ausweisung zu tun. Das kann verwaltungsrechtliche, strafrechtliche oder andere Gründe haben, meine Damen und Herren! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Warum? Warum?)

Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade dieser Bericht des Anti-Folter-Komitees des Europarates nicht nur von Untaten und Folterungen der türkischen Sicherheitsbehörden gegenüber Kurden spricht, sondern auch gegenüber – unter Anführungszeichen – "normalen Türken", meine Damen und Herren! Deshalb ist es natürlich eine fadenscheinige Ausrede, jetzt von der Türkei folgendes zu verlangen: Jetzt haben wir euch Öcalan geschickt, mach ihm doch einen fairen Prozeß! – Der faire Prozeß ist nicht zu erwarten.

Erlauben Sie mir, daß ich dies kurz abhandle. Herr Öcalan wird wegen § 125 Strafgesetzbuch angeklagt; das hat meine Kollegin Gredler schon ausgeführt. Darauf steht die Todesstrafe. Meine Damen und Herren! Sie werden ihm einige Morde – auch nach türkischem Recht – nachweisen. Sie werden ihn zum Tode verurteilen und dann begnadigen. Das wird das türkische Verfahren sein. Der Druck wird groß sein, ein faires Verfahren wird das nicht sein.

Aber trennen wir doch die strafrechtliche Seite des Herrn Öcalan und anderer von der Frage des kurdischen Volkes. Diese Vermengung von PKK, von Straftaten einzelner mit der gesamten Kurdenfrage ist genau dieses Durcheinander, das man braucht, um auf politischer Ebene nicht tätig zu werden.

Halten wir Menschenrechte, außenpolitische Fragen, sicherheitspolitische Fragen und innenpolitische Fragen ganz klar auseinander! Diese haben nämlich nur in der Ursache etwas gemeinsam, nämlich ein ungelöstes Problem, ein ungelöstes Volksgruppenproblem in der Türkei.

Meine Damen und Herren! Ich bleibe dabei, und ich sage das von hier aus noch einmal sehr klar: Wir müssen uns in Europa, vor allem im EU-Europa über die Frage der Prävention intensiv den Kopf zerbrechen. Müssen wir bei jedem Konflikt erst dann intervenieren, wenn er schon militärisch geführt wird? Müssen wir tatsächlich so lange warten? Sind wir nicht in der Lage, diese Steinzeit mangelnder Rechtsnormen zu beenden? Wenn es uns gelungen ist, im Bereich der Menschenrechte klare Grundlagen zu schaffen, eine Konvention zu verabschieden, warum sind wir dann nicht in der Lage, eine ähnliche Konvention auch für Volksgruppenrechte in Europa zu verabschieden, meine Damen und Herren?

Ich weiß schon, daß das für viele Staaten innenpolitisch beschwerlich ist, aber das müssen wir einfach tun. Auch Volksgruppenrechte gehören europaweit kodifiziert, um damit eine Basis für eine solide Lösung von Volksgruppenproblemen zu schaffen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

In diesem Sinne ist natürlich diese Bundesregierung zu kritisieren. Die Krise, zumindest in Europa, erreichte ihren Höhepunkt, als Österreich den EU-Vorsitz führte. Da war es für uns wieder am wichtigsten, die Augen zuzuhalten und zu hoffen, daß wir uns vielleicht bis Dezember drüberschwindeln könnten, denn dann bekämen die Deutschen dieses Problem geliefert. Damit muß einfach Schluß sein! Ich kann nur sagen: Ab jenem Augenblick, in dem wir mithelfen, die Kurdenfrage in der Türkei zu lösen, und zwar als Volksgruppen- und Menschenrechtsfrage, haben wir auch kein innenpolitisches kurdisches Problem mehr. Die Vorgangsweise müßte lauten: zuerst das zentrale Problem, die Ursache für Konflikte beseitigen und dann erst über innenpolitische Auswirkungen diskutieren.

In diesem Sinn richte ich meinen Appell an alle Fraktionen in diesem Haus, daß wir vielleicht in einem – sagen wir es einmal so – persönlichen Gespräch versuchen, uns den Kopf darüber zu zerbrechen, wie wir ein europäisches Volksgruppenrecht zunächst als durchsetzbares Recht innerhalb unserer Grenzen festlegen und dann auch als Europaprojekt weitertransportieren können. – In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Herr Bundesminister Schlögl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.49

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu ein paar Dingen, die in der bisherigen Debatte erwähnt worden sind, kurz Stellung nehmen.

Erstens: Sowohl von Herrn Abgeordneten Stadler als auch von den Abgeordneten Jung und Kiss wurde Kritik an der Weisung des damaligen Innenministers Caspar Einem im Zusammenhang mit der Gruppe ERNK geübt. Ich darf dazu festhalten und mitteilen, daß es tatsächlich einen Aktenvermerk des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit bezüglich einer solchen Weisung gibt. Dieser Aktenvermerk stammt vom 21. April 1995. Für mich haben dieser Aktenvermerk und diese Weisung aus dem Jahre 1995 aus zwei Gründen keine Gültigkeit mehr: erstens deswegen, weil ich schon bald nach meinem Amtsantritt als Innenminister meinen Kollegen und den Mitarbeitern gerade im Bereich der Staatspolizei, aber auch in anderen Sondereinheiten sehr klar gesagt habe, daß solch eine Weisung nicht zu exekutieren und nicht einzuhalten ist.

Darüber hinaus möchte ich mitteilen, daß meiner Meinung nach auch bereits in der Zeit der Tätigkeit des Herrn Bundesministers Caspar Einem als Innenminister diese Weisung nicht mehr aktuell war und nicht mehr eingehalten wurde, weil die ERNK und die damalige Führungsschicht im April 1996 nach monatelangen Erhebungen durch die EBT nach § 278 Strafgesetzbuch – dieser Paragraph regelt kriminelle organisierte Verbindungen – angezeigt wurden. Allein die Tatsache, daß die EBT aufgrund von Beobachtungen und von monatelangen Erhebungen die ERNK und die damalige Führungsschicht bei Gericht angezeigt hat, ist der beste Beweis dafür, daß diese Weisung nicht mehr existiert hat. (Abg. Dr. Khol: Hat es da ein Gerichtsverfahren gegeben?) – Ich weiß nicht, ob es ein Gerichtsverfahren gegeben hat, und ich kann Ihnen auch nichts über den Ausgang eines etwaigen Gerichtsverfahrens sagen, ich bin aber gerne bereit, mich darüber zu erkundigen. (Abg. Kiss: Und wer hat angezeigt?) – Die EBT, die Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus. (Abg. Kiss: Könnten wir darüber eine Information erhalten?) – Ja, ich bin gerne bereit, nähere Informationen darüber zu geben. (Abg. Kiss: Danke! – Abg. Leikam: Nicht alles aus der Hand geben!)

Darüber hinaus möchte ich klar sagen, daß natürlich sowohl Aktivisten der PKK als auch Aktivisten der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans von entsprechenden Beamtinnen und Beamten des österreichischen Innenministeriums beobachtet werden. Ich halte das aus Staatssicherheitsgründen für unbedingt notwendig und richtig. (Abg. Dr. Khol: Im Rahmen der allgemeinen Gefahrenanalyse?) – Ich glaube, daß in diesem Fall die Deckung durch das Sicherheitspolizeigesetz gegeben ist und es in diesem Fall nicht notwendig ist (Abg. Kiss: Und wegen der erweiterten Gefahrenerforschung!), eine zusätzliche Kompetenz durch die erweiterte Gefahrenerforschung zu bekommen, weil durch entsprechende Gerichtsurteile klargestellt ist, daß die österreichischen Sicherheitsbehörden die Aufgabe haben, die Tätigkeit von Aktivisten der PKK und der ERNK zu beobachten, zu kontrollieren und, wenn notwendig, auch Anzeigen zu erstatten.

Nächster Punkt: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Gredler hat mir vorgeworfen, daß mit der heutigen Erklärung ein Abtausch von Erklärungen stattfindet. Mag sein, daß hier im Parlament dieser Eindruck entsteht. Ich kann Ihnen nur sagen, in diesem Fall war es nicht so. Sowohl der Klub der SPÖ als auch der Klub der ÖVP haben an mich die dringende Bitte herangetragen, eine Erklärung zu diesem Thema abzugeben. Darüber hinaus hat mir nahezu zeitgleich auch die Sicherheitssprecherin der Freiheitlichen über Fernschreiber mitteilen lassen, daß sie eine Erklärung von mir dazu erwartet. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler.) Und wenn drei politische Parteien in diesem Haus von mir als Minister eine Erklärung zu diesem Thema erwarten, ist es für mich nahezu selbstverständlich, eine solche Erklärung auch abzugeben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Gredler: Nehmen Sie den Vizekanzler an der Hand!)

Mir ist bewußt, Frau Abgeordnete, daß die Kurdenproblematik, die Auseinandersetzungen, die wir vergangene Woche in Österreich gehabt haben, nur zum Teil sicherheitspolitische und sicherheitspolizeiliche Fragen sind. Ich habe mich deshalb auch bemüht, ein wenig darauf einzugehen und in meiner Erklärung deutlich zu dokumentieren, daß diese Probleme nicht durch die Arbeit und die Aktivitäten der Exekutive in Österreich allein gelöst werden können. Das ist nur ein kleiner Teil. Es ist notwendig, diese Frage international zu lösen und dazu die entsprechenden Initiativen zu setzen, und ich weiß, daß diese Initiativen vom Vizekanzler gesetzt werden. (Abg. Dr. Gredler: Nehmen Sie ihn mit!) – Meine Aufgabe ist es nicht, andere Ministerkollegen am Arm zu nehmen und zu begleiten. Jeder Ministerkollege ist erwachsen genug, um das selbst zu entscheiden.

Zur Frage der Frau Abgeordneten Kammerlander bezüglich der Ereignisse in Graz darf ich Ihnen mitteilen, daß der derzeitige Untersuchungsstand folgender ist: Unmittelbar nach den beiden Brandanschlägen, die zum Glück keine Menschenleben gekostet haben, auch keine Verletzungen bei Menschen und nur einen mittelmäßigen Sachschaden verursacht haben (Abg. Dr. Graf: Das weiß man ja vorher nicht!), wurden von der Grazer Polizei vier Verdächtige festgenommen. In der Zwischenzeit hat es entsprechende Untersuchungen des KTZ gegeben, und in einem Kleidungsstück und in einem Schal wurden Benzin, hochsiedende Aromate festgestellt. Ein Vergleich mit weiteren Tatortspuren steht noch aus. Die Staatsanwaltschaft hat aber entschieden, daß diese vier Verdächtigen nach Ablauf der Verwahrungshaft in das Landesgericht für Strafsachen eingewiesen werden. Das bedeutet, die Vermutung, daß sich unter diesen vier Verdächtigen zumindest der eine oder andere mutmaßliche Täter befindet, ist sehr hoch. Und ich bin überzeugt davon, daß es eine Tatbeteiligung dieser Personen in der einen oder anderen Form auf jeden Fall gibt. Es gibt allerdings noch keine rechtskräftige Verurteilung, das ist klar.

Wichtig ist für mich, meine sehr geehrten Damen und Herren – das möchte ich auch sehr klar feststellen –, daß wir diesen Weg des Gesprächs, des Dialogs in Österreich auch mit der kurdischen Volksgruppe fortsetzen. Wir haben in Österreich rund 40 000 Kurden, und nur ein Teil dieser Kurden sympathisiert mit den Zielen der PKK und der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans. Es gibt aber sehr viele andere Kurden, die in Österreich leben und großes Interesse an einer Lösung der Probleme ihres Volkes haben. Ich glaube, unsere Aufgabe muß es sein, gerade diese Kurden, die in sehr friedlicher Absicht hier ihre berechtigten Interessen vertreten, zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Herr Minister! Die Fragen zur ERNK, zu Ihren Äußerungen und Herrn Swoboda, sind offen! Müssen wir die Ihnen schriftlich stellen? – Abg. Mag. Posch: Melden Sie sich zu Wort! – Abg. Dr. Khol: Ihre Belehrungen brauche ich nicht, Herr Posch!)

12.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir setzen jetzt in der Debatte fort. Herr Abgeordneter Dr. Jarolim, Sie gelangen zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

12.57

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Ich kann mich nur den Worten des Herrn Innenministers anschließen, hinsichtlich der Darstellung der Problemlage in der Kurdenfrage auch den Ausführungen des Kollegen Smolle.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich verstehe schon, daß Sie Schwierigkeiten haben, die Zusammenhänge zwischen internationalen und nationalen Fragen zu verstehen. Wenn wir aber die Entwicklung in den letzten Jahren, in den letzten Jahrzehnten berücksichtigen, insbesondere auch jene der Palästinenser, dann dürfte es wohl keine Frage sein, daß die Art und Weise, wie Österreich internationale Probleme angepackt hat, internationale Probleme, die logischerweise auch Auswirkungen auf den nationalen Bereich haben – und das ist ja auch jetzt wieder bei der Frage des Umgangs mit diesem Problem der Fall –, richtig war, nämlich daß das Problem dort angepackt wurde, wo es tatsächlich bestand.

Die Kurdenfrage mit all ihren Aspekten – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß bei einem Giftgasangriff 5 000 Personen umgekommen sind; Kinder, Frauen und Männer – kann doch logischerweise nur dazu führen, daß eine internationale Bewegung entsteht, die sich gegen solche Vorgänge wehrt. Man muß innenpolitisch und außenpolitisch reagieren.

Ich darf Sie einladen, mit uns gemeinsam diesen Weg zu gehen, zu sagen: Dieses Thema ist im Europarat zu diskutieren! (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Die Türkei ist im Europarat, und sie hat daher Sorge zu tragen, daß dieses Thema von dort aus deeskaliert, wo es entsteht, meine Damen und Herren!

Daher gibt es wohl nichts anderes als das, was auch Kollege Schieder heute hier erwähnt hat, nämlich darauf zu dringen, daß dieses Verfahren, das jetzt gegen Öcalan geführt wird, in einem rechtsstaatlichen Rahmen stattfindet, so wie wir das in Europa kennen. Das ist aber derzeit nicht der Fall, und daher ist es notwendig, daß man darauf dringt. (Abg. Dr. Graf: Hätte halt Deutschland die Auslieferung verlangen müssen, dann wäre das gewährleistet!) In der Türkei gibt es die Todesstrafe – und ich gehe davon aus, daß wir alle meinen, daß dies nicht der Fall sein sollte –, als einzigem Land der EMRK, Europäischen Menschenrechtskonvention. Man hat die internationalen Beobachter nicht zugelassen. Es ist die Beiziehung von Anwälten der eigenen Wahl nicht gegeben, und es ist ein Militärrichter drinnen.

Meine Damen und Herren! Das ist doch kein Weg, den man beschreitet, wenn man wirklich daran interessiert ist, ein Problem zu deeskalieren.

Daß man in allen Ländern Europas die Konsequenzen dieses Problems spürt, ist auch klar, da es den in den jeweiligen Ländern Anwesenden ein Bedürfnis ist, dagegen zu demonstrieren.

Ich kann nur sagen: Die Art und Weise, wie man in Österreich damit umgeht, nämlich das grundsätzliche Zeigen von Verständnis bei gleichzeitiger Bekämpfung strafrechtlicher Ausschreitungen (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wo denn? Wann denn?), ist der einzige Weg, meine Damen und Herren!

Sie haben in der Erklärung des Herrn Ministers gehört, daß dort, wo es strafrechtliche Delikte gegeben hat – es sind ganz wenige Fälle, und daher ist jedes Aufbauschen völlig daneben –, reagiert wurde. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Was ist mit den Botschaftsbesetzern? Die sind heimgeschickt worden!) – Herr Bauer! Wollen Sie alle Botschaftsbesetzer einsperren? Das ist die Dimension einer Problemlösung, die Ihnen leider Gottes ureigen ist. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ich möchte sehen, was mit mir passiert, wenn ich eine Botschaft besetze?!) Und das ist in diesem Fall nicht nur gefährlich, sondern auch unmenschlich und aus staatspolitischen und auch aus innerstaatlichen Überlegungen absolut abzulehnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Ich möchte nur noch etwas zu den Ausführungen des Kollegen Puttinger sagen. Herr Kollege! Sie haben gesagt, daß es ein unterschiedliches Vorgehen in den Oberlandesgerichtssprengeln gibt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich möchte dem beitreten. Es ist einfach nicht optimal, daß wir in verschiedenen Sprengeln unterschiedliche Rechtssprechungen haben. Wie auch immer Sie es bewerten, ich meine, wir sollten uns zusammensetzen und gemeinsam mit der Richterschaft einmal darüber diskutieren. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Eines noch: Die Nahversorgung durch eine hohe Zahl von Bezirksgerichten ist, glaube ich, nicht wirklich optimal gelöst. Ich meine, sie wäre nur dann gelöst, wenn wir jeweils Fachrichter hätten, und zwar für Strafsachen und Zivilsachen, und diese haben Sie bei den einspännigen Gerichten nicht wirklich. Dort haben Sie nämlich einen Richter, der beides macht. Ich denke, es wäre gescheiter, zusammenzulegen und eine Vielzahl von Fachrichtern an einem Gericht zu haben, die in der Einzelsache, glaube ich, besser judizieren. (Abg. Dr. Puttinger: Aber er löst auch viele andere Probleme mit!) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

13.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.02

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Lassen Sie mich, bevor ich auf die aus Anlaß der Erklärung des Herrn Bundesministers heute aktuelle Debatte eingehe, zunächst ein paar Worte zum Sicherheitsbericht, der auch Thema der Diskussion ist, sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein sicheres Land – das ist die wesentlichste Erkenntnis dieses Sicherheitsberichtes –, und jede Panikmache, die jetzt insbesondere von Parteien erfolgt, die in Österreich am rechten Rand stehen, ist deshalb das Gegenteil dessen, was sie vorgeben, daß es sein soll. (Abg. Dr. Graf: Ein außergerichtlicher Tatausgleich ...!) Diese Panikmache dient dazu, zu versuchen, das subjektive Sicherheitsgefühl der österreichischen Bevölkerung massiv abzuwerten. Und das, meine Damen und Herren, haben wir auch schon in der Diskussion im Ausschuß erlebt.

Als jemand, der durchaus auch dafür bekannt ist, immer wieder kritische Anmerkungen zu machen, was die Arbeit der Sicherheitsexekutive insgesamt, aber auch die Arbeit des Herrn Bundesministers für Inneres Mag. Schlögl, angeht, sage ich: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Polizei in Österreich – und das ist meine Erkenntnis aus dem Sicherheitsbericht – hat im abgelaufenen Jahr gut gearbeitet! Und deshalb frage ich mich, wozu diese ständigen Hinweise dienen sollen, daß Österreich gefährdet sei. (Abg. Dr. Helene Partik-Pablé: Weil sie blau geworden ist, die Polizei!) Das ist nämlich genau jener Schluß, den man aus dem Sicherheitsbericht nicht ziehen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Jung.)

Jene, die sich die Mühe gemacht haben, im Sicherheitsbericht zu blättern und zu lesen oder die Ausführungen des Herrn Bundesministers im Ausschuß zu hören, können diesen Umkehrschluß nur als politische Kampfansage zur Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung sehen. Es ist für mich sehr wesentlich, das festzustellen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn eine viel wesentlichere Gefährdung der Sicherheit in Österreich geht vom ständigen Sozialabbau aus, den es in Österreich gibt, und von der ständigen Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren, in die Armut abzurutschen. Davon geht tatsächlich eine immer größer werdende Gefährdung der Sicherheit Österreichs aus. Die Kriminalitätszahlen und Aufklärungsquoten lassen diesen Schluß jedenfalls nicht zu!

Deshalb mein Dank an all jene, die uns diesen positiven Bericht bescheren – mehr Aufklärung, da stehen ja auch Leute dahinter. Auch Verbrechensprävention ist eine Aufgabe der Sicherheitskräfte, und diese rückt immer mehr ins Blickfeld – "in den Vordergrund" würde ich noch nicht sagen – des Ressorts und des jeweiligen Bundesministers und wird auch maßgeblich betrieben. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dafür mein Dank.

Nun richte ich noch ein Wort an Herrn Präsidenten Puttinger: Gleich zu Beginn seiner Ausführungen hat er auf das Ost-West-Gefälle, was die Verhängung von Untersuchungshaft und Haft in Österreich betrifft, hingewiesen. Ich dachte, er mache damit eine kritische Anmerkung aufgrund der großen Diskrepanz. Aber siehe da, sein Schluß war ein ganz anderer, nämlich: Hoppala, im Westen Österreichs wird zuwenig eingesperrt, wir brauchen doch die Zahlen, die im Osten gegeben sind.

Ich kann zu seiner Verteidigung und zu seiner Entschuldigung nur vorbringen, daß er sich wahrscheinlich nur ein einziges Mal im Jahr mit sicherheitspolitischen Fragen beschäftigt, und das ist dann, wenn er hier eine Rede darüber hält, und dafür ist die Vorbereitungszeit offensichtlich sehr kurz. Ich kann das nur so verstehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die U-Haft-Reform hat uns hinsichtlich der Zahl von Häftlingen in Österreich endlich in das europäische Mittelfeld geführt, weg von der Position des europäischen Schlußlichts. Wenn jetzt von einer Regierungspartei hier implizit Klage darüber geführt wird, daß diese Ergebnisse doch nicht gut seien, dann verstehe ich das nicht, da ja diese justizpolitischen Maßnahmen in den letzten Jahren sehr erfolgreich waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun aber noch einige Worte zur Problematik um Kurdistan und Kurden in Österreich. Alles, was in den letzten zweieinhalb Wochen in Österreich geschehen ist – das Agieren der österreichischen Sicherheitskräfte, das Agieren auch einiger politisch Verantwortlicher –, zeigt, daß es zur Lösung des Kurdenproblems – von unserer Seite aus betrachtet – nur eine Möglichkeit gibt: nämlich in einen Dialog einzutreten! Denn was sonst, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir als österreichische Politikerinnen und Politiker machen im Sinne der Sicherheit in Österreich und der Abwehr von Gefahren oder Gefährdung der österreichischen Bevölkerung? Und zur österreichischen Bevölkerung gehören die Inländer, aber auch die Kurden und Türken, die in Österreich leben, ob sie jetzt schon österreichische Staatsbürger sind oder nicht, ob sie als Gastarbeiter bei uns sind oder erst kürzlich gekommen sind. Die Gefahren und die Gefährdung sind, wenn es sie gibt, für alle gegeben.

Deshalb ist der Appell nach Deeskalierung und der Appell, wie ihn der Herr Bundesminister zuletzt auch in seinen Ausführungen gebracht hat, richtig, nämlich der Appell, in einen Dialog einzutreten mit den 40 000 in Österreich lebenden Kurden, das heißt, nicht mit jedem einzelnen, sondern mit den Gruppen, die die Interessen vertreten. Sie alle haben eines gemeinsam – ganz fern der PKK und auch ganz fern der direkten politischen Organisation –, nämlich das Interesse an der Lösung der Kurdistan-Frage und der Probleme der Kurden – speziell in der Türkei; aber nicht nur in der Türkei, auch im Iran und im Irak. Daher ist jede Initiative wie ein "runder Tisch", ein Friedensdialog oder eine Auseinandersetzung mit den interessierten Kurden in Österreich absolut zu begrüßen, zu fördern und endlich auch zu institutionalisieren.

Es darf nicht so sein, daß es einzelnen engagierten Personen im öffentlichen Leben überlassen bleibt, das zu tun, denn es ist ja eine Aufgabe der Politik und des Nationalrates, das in die Hand zu nehmen. Und das könnte das Ziel der heutigen Diskussion sein. Wir könnten heute zu dem Schluß kommen, was unser gemeinsames Anliegen ist; fern aller so extrem unterschiedlichen Positionen, die es in diesem Bereich gibt zwischen ÖVP und SPÖ – die Freiheitlichen erwähne ich in diesem Zusammenhang gar nicht, da sie sich noch in keinem Satz sozusagen konstruktiv dazu geäußert haben. Das ist also das, was herauskommen könnte, und das höre ich auch aus den Worten von Karl Schlögl heraus.

Nichts davon herausgehört habe ich aus den Worten des Sicherheitssprechers der ÖVP, Kiss, sondern er denunziert. Er denunziert genau das, was jetzt angebracht wäre: daß man nämlich das Gespräch sucht, daß man den Dialog sucht, daß man runde Tische initiiert. (Abg. Scheibner: Man will ja keinen Dialog mehr!) Das ist für mich wirklich vollkommen unverständlich, denn das, lieber Kollege Kiss, treibt ja die Spirale nach oben. Genau das ruft jene auf den Plan, die jetzt ebenfalls extremistisch und terroristisch agieren.

Das kann jetzt Ursachen verschiedenster Art haben: Das kann ein Blackout sein, das kann einfach auch aus einer tiefen Emotion kommen. Nichts davon ist von uns zu entschuldigen oder zu verteidigen. Strafrechtliche Delikte – deshalb leben wir in einem Rechtsstaat – werden verfolgt, sie werden sanktioniert, und zwar unabhängig davon, von wem sie begangen werden, ob das jetzt Kurden sind, ob das Türken sind oder ob das Österreicher sind. – Das ist doch hoffentlich Konsens hier!

Aber, lieber Kollege Kiss, ist es denn nicht verständlich, daß genau jene, die aus ihrem Land fliehen mußten, weil die Zustände und Verhältnisse so sind, wie sie sind – wie wir sie zum Beispiel aus der Türkei kennen –, daß genau jene hier in Österreich alles tun, um diese Zustände öffentlich zu machen, daß sie sich hier einsetzen, um zu erreichen, daß diese Zustände in ihrem Land abgestellt werden? (Abg. Dr. Graf: Notfalls durch Gewaltanwendung!) Das ist es, was die Menschen von dem verfassungsmäßig zustehenden Recht zu demonstrieren auch Gebrauch machen läßt.

Aus allen Debattenbeiträgen seitens der ÖVP – von den Freiheitlichen rede ich jetzt ja gar nicht, denn die sagen es sowieso offen (Abg. Dr. Graf: Sie reden pausenlos von uns!) – höre ich jedoch implizit diese Warnung: Ja, dürfen sie das eigentlich noch? Dürfen sie denn eigentlich überhaupt noch auf die Straße gehen, die Kurden in Österreich? (Abg. Dr. Graf: Die Kurden schon, aber die PKK nicht!) – Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn in diesem Zusammenhang auch etwa noch die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Demonstrationen in Frage gestellt wird? – Das, meine Damen und Herren, macht mir am meisten Sorge!

Darum ist mein Schluß daraus, daß der Nationalrat seine Initiativen darauf konzentrieren sollte, wo Sie, Herr Bundesminister, auch tatsächlich Erfolg haben. An dieser Stelle muß ich eine kritische Anmerkung zu Ihrer vorhin vorgelesenen Rede machen. Also ich bin direkt aufgeschreckt, als ich gehört habe, wie Sie Abdullah Öcalans Gefangennahme in Kenia interpretieren. Wörtlich haben Sie gesagt: Er wurde verhaftet und von türkischen Sicherheitskräften in die Türkei gebracht. – Ja, wenn das kein lupenreines Kidnapping war, was dann? Ich weiß nicht, welches Verständnis Sie haben, was das gewesen ist, Herr Bundesminister. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Es gab schon andere Dinge, da haben Sie sich nicht so aufgepudelt!)

Und das ist es, dieser Ton ist es, der die Musik macht! Genau diese Einschätzungen sind es! Deshalb werden Sie nie glaubwürdig sein in internationalen Gremien, wenn Sie verlangen: Macht doch Öcalan einen fairen Prozeß in der Türkei! Einen fairen Prozeß, bitte!, wenn Sie vorher sagen, er wurde verhaftet und von türkischen Sicherheitskräften in die Türkei gebracht. Das eine schließt das andere ja geradezu aus! (Abg. Murauer: Selbstverständlich ist ein fairer Prozeß zu fordern!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt einige Minimaldinge, die wir tun könnten. Wir könnten als Hohes Haus einen einstimmigen Appell an unsere Regierung und an unsere außenpolitisch, aber auch national aktiven Politiker richten, alles zu tun, um das Problem Todesstrafe und Türkei viel vehementer auf das internationale Tapet zu bringen. (Abg. Murauer: Sie sind das personifizierte Unschuldslamm!)

Peter Schieder hat das, was der Europarat getan hat, hier geschildert. Ich habe aber irgendwie den Eindruck, daß die Türkei – auf österreichisch gesagt – nicht einmal ein Ohrwaschel rührt. (Zwischenruf des Abg. Jung.) Solange sie aber die gesamte USA und die NATO sozusagen als Schutzschild hat, beeindruckt das niemanden. Aber es gibt nicht nur die Möglichkeit des Europarats, es gibt auch die OSZE, es gibt auch die UNO, und es gibt Möglichkeiten, auch was wirtschaftliche und andere politische Kontakte angeht, eine klare Sprache zu sprechen. – Und das könnte ein Ergebnis der heutigen Debatte sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß noch einmal auf diesen Stehsatz der Forderung nach einem fairen Verfahren für Öcalan zurückkommen. In einem Land, in dem die eigene Staatsanwaltschaft, nämlich die Staatsanwaltschaft Istanbul, in eineinhalb Jahren 70 Fälle von Foltervorwurf und 245 Fälle von Mißhandlung vor das Gericht gebracht hat, da kann man doch wirklich nicht meinen, daß es fair, anständig und der EMRK entsprechend zugeht. (Abg. Murauer: Nehmt ihn doch auf in eure Reihen! Mitsamt der PKK!)

Darum müssen jetzt aktive und konkrete Maßnahmen auf den Tisch und nicht nur Lippenbekenntnisse. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.15

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Herren Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der SPÖ-Justizsprecher Jarolim hat sich heute wieder dafür eingesetzt, daß es zu weiteren Zusammenlegungen von Bezirksgerichten kommt. (Abg. Murauer: Ach so?!) Ich bin – und das möchte ich hier ganz ausdrücklich sagen – dagegen, weil es zu einer weiteren Ausdünnung des ländlichen Raumes führen würde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Murauer: Bravo!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem Sicherheitsbericht beschäftigen, denn der Sicherheitsbericht ist ein umfassendes und objektives Spiegelbild auf dem Gebiet der inneren Sicherheit in Österreich. Die erhobenen Fakten bilden die Basis für die Richtung der künftigen österreichischen Sicherheitspolitik, und die Sicherheit ist der österreichischen Bevölkerung eben sehr wichtig.

Grundsätzlich läßt sich sagen, daß es erfreulich ist, daß die Gesamtkriminalität entsprechend dem Trend seit Anfang der neunziger Jahre weiter rückläufig ist und die Aufklärungsquote steigt. Im Gegensatz dazu aber gibt es Bereiche, die nicht so erfreulich sind, beispielsweise die Entwicklung auf dem Gebiet des Schlepperunwesens.

Es gibt zwei Aspekte, weshalb ich mich dieser Thematik besonders annehme. Erstens – objektiv – hat das Schlepperunwesen in den letzten Jahren stark zugenommen. Zweitens – subjektiv – bin ich als oberösterreichischer Abgeordneter besonders davon betroffen, weil einerseits die Grenzübertritte aus Tschechien zunehmen und andererseits die Zahlen im Sicherheitsbericht belegen, daß in dieser Region der Anteil der Fremdenkriminalität überdurchschnittlich hoch ist.

Im Jahre 1997 wurden von der Grenzgendarmerie, dem Bundesheer, dem Zoll sowie der Bundespolizei insgesamt 13 432 Personen aufgegriffen, im Jahre 1998 waren es knapp 20 000. – Ich bedanke mich bei der Grenzgendarmerie, bei der Zollwache und beim Bundesheer für die großartigen Leistungen und den Einsatz, der hier getätigt wurde und getätigt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Flüchtlinge stammen hauptsächlich aus der Jugoslawischen Föderation, aus Rumänien, dem Irak sowie aus dem Iran. Etwa die Hälfte aller illegalen Übertritte erfolgt über die Grenze zu Ungarn, der Rest kommt hauptsächlich über die Tschechei, über Slowenien und Italien nach Österreich.

Eine Entwicklung ist dabei besonders auffällig, nämlich die Zunahme der organisierten Schleppertrupps durch professionelle Schlepper. Waren es im Jahr 1997 noch ein Drittel aller Flüchtlinge, die mit Schleppern unterwegs waren, so herrschte 1998 mit der Hälfte aller Flüchtlinge bereits Hochkonjunktur für die Schlepper. Mittlerweile wird die deutliche Mehrheit der Illegalen – das sind fast 10 000 Geschleppte – von organisierten Schleppertrupps ins Land geschleust.

Die einzelnen Schleppertrupps werden immer professioneller, eine Tatsache, die bereits dem Sicherheitsbericht 1997 zu entnehmen ist. Und wie die Zahlen aus dem Jahr 1998 bestätigen, dürfte sich das in nächster Zeit noch verstärken.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bis zur Jahrtausendwende wird diese Entwicklung sicherlich einen Höhepunkt erleben. Aus der Schlepperei ist aber jetzt schon ein Milliardengeschäft geworden, wenn es nicht zum lukrativsten Geschäftszweig der organisierten Kriminalität überhaupt geworden ist. (Abg. Murauer: So ist es!)

Die geänderte Situation verlangt aber auch eine geänderte Strategie bei der Bekämpfung. Um das Problem der illegalen Einwanderung langfristig in den Griff zu bekommen, muß eben das Schlepperunwesen massiv bekämpft werden. Diese Forderung erhebt die ÖVP schon lange und immer wieder. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich ersuche Sie daher, sehr geehrter Herr Bundesminister, diese Entwicklung bei der Ausrichtung der künftigen Sicherheitspolitik schwerpunktmäßig zu berücksichtigen. Ein erster Schritt dazu wurde ja bereits gesetzt: Mit 1. April nimmt eine 30köpfige mobile Einsatztruppe, die sogenannte Task Force, im Landesgendarmeriekommando Niederösterreich ihren Dienst auf. Ziel dieser Spezialeinheit ist das Aufspüren und Verfolgen von Schlepperbanden.

Ich ersuche, darüber hinaus die rechtlichen und faktischen Möglichkeiten dafür zu schaffen, daß die Task Force bei Bedarf auch verstärkt im oberösterreichischen Raum eingesetzt werden kann.

Eine wirksame Bekämpfung der Schlepperringe kann nur durch eine erhöhte Flexibilität und eine verbesserte Zusammenarbeit bei der Exekutive gelingen. Es ist notwendig, daß der Bund ausreichend Personal zur Verfügung stellt und die technische Ausrüstung voll genützt wird, um weiterhin erfolgreich zu sein.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt im Rahmen dieser Sicherheitsdebatte ansprechen, und zwar bin ich erfreut darüber, geschätzter Herr Bundesminister, daß die Einführung des digitalen Funknetzes, des sogenannten Projektes Adonis, als Schwerpunktprogramm für das kommende Jahr genannt wird. Das derzeitige Funksystem entspricht längst nicht mehr den heutigen Anforderungen. Das neue Projekt Adonis ist das System der Zukunft.

Nach den derzeitigen Planungen im Innenministerium sieht es so aus, daß der Einsatz des Funksystems auf das Innenressort beschränkt ist, das heißt, lediglich für Bundespolizei oder Bundesgendarmerie gedacht. Ich glaube aber, geschätzter Herr Bundesminister, daß es aus Gründen der Effizienz und der Sicherheit sehr viel Sinn macht, wenn alle Einsatzgruppen – auch benachbarte wie etwa die bayrischen – in das neue Funksystem integriert werden, das heißt, auch die Justizwache, die Zollwache, das Bundesheer sowie die gesamten Blaulichtorganisationen wie Rettung und Feuerwehren sollten dazugehören.

Geschätzter Herr Bundesminister! Daher ersuche ich Sie, so rasch wie möglich mit den Verhandlungen über die Ausweitung des neuen Funksystems auf alle Einsatzgruppen zu beginnen. Die österreichweite und grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit und des Katastrophenschutzes würde von diesem Jahrhundertprojekt enorm profitieren. Wir sollten daher unsere Chancen nützen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.22

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schieder hat mich aufgefordert, mich bei Herrn Kollegen Leikam zu entschuldigen. Deshalb möchte ich einige Worte dazu sagen, obwohl es eigentlich nicht zum Thema paßt.

Ihnen von der SPÖ – Herr Schieder ist im Moment leider nicht anwesend – und vielleicht auch Ihnen zur Erklärung, Herr Leikam: Sie neigen wirklich dazu, immer nur die Reaktionen eines Handlungsablaufes zu sehen, nicht aber die Aktion. Wenn Sie einmal von dieser einseitigen Betrachtungsweise abgingen und sich auch mit der Aktion befaßten, dann würden Sie sehen, daß es eben wirklich ein ganz arger Vorwurf ist, der von Herrn Abgeordneten Leikam geäußert worden ist, nämlich daß die Freiheitlichen Gewalt zur Durchsetzung Ihrer politischen Ziele angestrebt und verwendet hätten. – Daß man sich das nicht gefallen lassen kann, ich glaube, das werden Sie auch einsehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich würde mir wirklich wünschen, daß diese Empfindlichkeit auch bei Ihnen einmal, was Ihre eigenen Äußerungen anlangt, zum Tragen käme und daß Sie nicht immer nur mit dem Finger auf andere zeigen würden. Ich glaube, es wäre Zeit, daß sich Herr Leikam entschuldigt (Abg. Dr. Karlsson: Nein!) und sagt, es war eine überschießende Reaktion. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber jetzt zum Tagesordnungspunkt, zu den Kurdendemonstrationen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der Abg. Dr. Karlsson.) Aber Sie waren doch gar nicht herinnen, Sie wissen doch gar nichts, Frau Abgeordnete Karlsson. (Abg. Dr. Karlsson: Natürlich war ich herinnen!) Okay, dann wissen Sie es ohnehin ganz genau. Dann reden Sie jetzt wider besseren Wissens, und das finde ich genauso traurig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern eine sehr heftige Debatte ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bitte quietschen Sie nicht weiter! Es ist dadurch unmöglich für mich, zu reden. (Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Dr. Karlsson.)

Wir haben gestern eine sehr heftige Debatte über die Justiz geführt, und der Herr Justizminister hat wirklich sehr schwere Vorwürfe einstecken müssen. Sie, Herr Minister, haben so getan, als ob diese Vorwürfe, nämlich daß die Justiz Entscheidungen auch im Blickpunkt der politischen Hintergründe trifft, völlig absurd wären. Das haben Sie vehement zurückgewiesen. Sie haben gesagt, man soll Ihnen nachweisen, wo politisch agiert worden ist. – Und jetzt werde ich Ihnen sagen, und zwar beiden Ministern, wie Sie im Falle der Kurdendemonstrationen politisch vorgegangen sind.

Herr Minister Michalek! Herr Minister Schlögl! Jeder, der ein ähnliches Verhalten gesetzt hätte wie jene Kurden, die die griechische Botschaft besetzt und dort Geiseln genommen haben, hätte den Verdacht der Geiselnahme nach § 102 Strafgesetzbuch mit einer Strafdrohung von zehn bis 20 Jahren zu verantworten. Da wäre von den Exekutivbehörden selbstverständlich ein Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft gestellt worden, überhaupt auch noch angesichts der Androhung, daß weitere Gewalttaten im Schilde geführt werden. Das ist der klassische Grund der Tatbegehungsgefahr oder Wiederholungsgefahr. Selbstverständlich hätte man seitens der Exekutive die Staatsanwaltschaft involviert, und es wäre hundertprozentig auch zu dem Antrag auf Untersuchungshaft gekommen.

In diesem Fall hat es keinen Haftantrag gegeben, ja nicht einmal die Personalien sind aufgenommen worden bei der UNO-Besetzung. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer.) Nicht einmal die Personalien! Herr Generaldirektor Sika hat freies Geleit ausgehandelt, damit den Demonstranten nur ja nichts passiert. (Abg. Dr. Graf: Den Geiselnehmern!)

Meine sehr geehrten Herren Minister! Bei den Briefbombenattentaten haben Sie aufgrund einer beschlagnahmten Abonnentenliste der "Aula" sofort den Antrag auf Hausdurchsuchung gestellt. Es sind Hausdurchsuchungen bei 90jährigen, bei halbblinden und halblahmen Personen durchgeführt worden! Da sind Sie rigoros vorgegangen. Aber in dem anderen Fall ist die Exekutive auf einem Auge blind gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit welchem Recht, Herr Innenminister Schlögl, sagen Sie, es sei jedes Mittel ergriffen worden, das in einem Rechtsstaat üblich ist und angewendet wird? Mit welchem Recht behaupten Sie, Österreich habe sich diese Gewaltaktionen nicht gefallen lassen? (Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und dem Liberalen Forum. – Abg. Haigermoser: Smolle! Setzen!) Ganz im Gegenteil! Ein hoher Beamter der Exekutive hat gesagt, das bei der UNO war kein Hausfriedensbruch, sondern das war nur ein Besuch.

Man hat die UNO besucht mit gewalttätigen Handlungen! Ein Polizist ist schwer verletzt worden, Herr Minister Schlögl. Erst nach ich weiß nicht wie vielen Tagen ist dann überhaupt die Anzeige erstattet worden. Dieser Polizist liegt jetzt noch mit einer schweren Gehirnerschütterung, mit schweren Verletzungen zu Hause. Aber da waren Sie ungeheuer zögerlich!

Überhaupt dem Faß den Boden ausgeschlagen hat die damalige Beiziehung des Grün-Abgeordneten Pilz und heute noch Ihr Lob für den Grün-Abgeordneten Pilz. Herr Pilz ist einmal, soviel ich weiß, wegen Wehrdienstverweigerung verurteilt worden (Bundesminister Mag. Schlögl: Aufruf zur Wehrdienstverweigerung!) – Aufruf zur Wehrdienstverweigerung –, er war der Anführer der Opernball-Demonstrierer, die dort mit beinharter Gewalt vorgegangen sind. Autos sind dabei angezündet worden! Und den ruft die Sicherheitsexekutive dazu, wenn es darum geht, eine gewalttätige Demonstration beizulegen! Das ist wirklich ein Armutszeugnis für die österreichische Sicherheitspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie noch einmal sagen: Das ist der österreichische Weg!, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Österreich! Denn wenn wir den Grün-Randalierer Pilz brauchen, um so vorzugehen, Herr Minister, dann können Sie meiner Meinung nach einpacken. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sorgen Sie lieber dafür, daß Ihre hohen Polizeioffiziere geschult werden, damit sie solche gewalttätige Demonstrationen ohne einen ehemaligen Kommunisten und Grün-Abgeordneten, Opernball-Anführer Pilz, lösen können!

Außerdem, Herr Minister, nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren sozialdemokratischen Kollegen Schily und Schröder in der Bundesrepublik. Diese haben gesagt, solchen Gewalttätern, die sich nicht an unsere Gesetze halten, soll man höflich, aber bestimmt die Grenzen zeigen und sagen: Bitte verlaßt unser Land! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herrn Abgeordneten Schwarzenberger wurde einmal wegen der Verwendung der NS-Funktionsbezeichnung "Führer" ein Ordnungsruf erteilt.

Ich erteile daher Ihnen, Frau Abgeordnete Karlsson, auch einen Ordnungsruf, weil Sie gerade vorhin in einem Zwischenruf von "ein Zitat Ihres Führers, ein Zitat von Jörg Haider" gesprochen haben.

Aus dem gleichen Grund erteile ich nach Einsicht in die Protokolle einen Ordnungsruf wegen eines gestrigen Vorfalles, bei dem Herr Abgeordneter Jarolim zweimal das Wort "großer Führer" verwendet hat. (Abg. Smolle: Kleiner Führer!)

Herr Abgeordneter Wabl wünscht eine tatsächliche Berichtigung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.30

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat in ihrer unglaublichen "Objektivität" und "Redlichkeit" als Richterin, die sie immer aufweist, hier festgehalten, daß es mehrere Delikte gibt, die man Herrn Peter Pilz, Abgeordneten der Grünen im Rathaus, vorwerfen kann.

Keines dieser Delikte wurde tatsächlich begangen, es gibt auch keinerlei Verurteilungen in diesem Zusammenhang, insbesondere der Vorwurf der Verurteilung wegen Wehrdienstverweigerung ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Aufruf zur Wehrdienstverweigerung!) Lesen Sie es nach im Protokoll! (Abg. Dr. Graf: Sie hat es dann ausgebessert!) Lesen Sie es nach! Peter Pilz hat meines Wissens den Zivildienst gemacht, und deshalb ist das überhaupt nicht möglich. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich kenne die Präzision Ihrer Beschuldigungen. Ich möchte niemals in die Hände einer Justiz geraten, wo Sie Richterin sind! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Das ist eine schwache Abschiedsrede! – Abg. Graf: Wenn Sie nichts Böses tun, dann kommen Sie nie vor den Strafrichter! Das wird Ihnen der Justizminister bestätigen!)

13.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.31

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es an der Zeit ist, ein paar Dinge auch in diesem Hohen Haus richtig- beziehungsweise klarzustellen. Es hat sich Kollege Stadler sehr lautstark darüber ausgelassen, wogegen alles sich die Freiheitlichen verwehren werden. Ich muß sagen: Wenn es eine Mißachtung dieses Hauses gibt, dann ist es jene, dem Haus als Abgeordneter anzugehören und permanent abwesend zu sein.

Dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel bringen: Während wir hier im Parlament sitzen und selbstverständlich unserer Verpflichtung als Abgeordnete nachkommen, tritt heute Herr Abgeordneter Haider – 25. Feber, Jörg kommt! – in Waidmannsdorf, in Viktring Benediktinermarkt, Wölfnitz, Fischl, St. Ruprecht und Völkermarkt auf, macht Wahlkampfveranstaltungen (anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), kassiert ein Gehalt als Abgeordneter und ist nicht einmal hier im Hohen Haus anwesend. Schämen soll er sich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Wann ist denn die Veranstaltung?) Alle Veranstaltungen beginnen um Mitternacht, Kollege Haigermoser, das ist doch völlig klar! (Abg. Haigermoser: Vielleicht gehst du auch zur Veranstaltung, damit du etwas lernst!)

Meine Damen und Herren! Zurückkommend zum zur Debatte stehenden Tagesordnungspunkt möchte ich folgendes vorweg klarstellen – das ist mir ganz wichtig –: Es ist uns gelungen, im Zuge der Diskussion um den Sicherheitsbericht einen Antrag mit einzubringen, und zwar geht es dabei um das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, wo wir sehr richtig, meine ich, erkannt haben, daß es dringend notwendig ist, all jenen Wachebediensteten, die bei der Ausbildung verunfallen, eine entsprechende finanzielle Hilfeleistung angedeihen zu lassen. Wir haben es geschafft, daß der ursprüngliche Betrag von 1 Million Schilling auf 1,5 Millionen Schilling aufgestockt wurde. Ich glaube, daß das mehr als gerecht und gut ist und daß es diesen Beamten sehr wohl zusteht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir aber damit rechnen müssen, daß noch im Laufe dieser Debatte ein Antrag des Abgeordneten Lafer hier eingebracht wird, in welchem drinsteht: Nein, nicht von 1 Million Schilling auf 1,5 Millionen Schilling soll der Betrag aufgestockt werden, sondern die 1,5 Millionen Schilling sind zu streichen, wir verlangen 3 Millionen Schilling, so muß ich dazu sagen: Das ist ein billiges Lizitieren, das ist Populismus, daß es ärger nicht mehr geht! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nun zum Sicherheitsbericht einige Bemerkungen. Ich finde es wirklich positiv, daß wir in Österreich eine sinkende Kriminalität verzeichnen können und eine steigende Aufklärungsquote haben. Ich wünsche mir aber, daß wir die Sicherheitsdebatte in Zukunft mit mehr Ernsthaftigkeit führen, denn wenn ich an die Ausschußverhandlungen denke, so erinnere ich mich an Argumente wie folgende: Würden sich mehr Waffen in den Haushalten befinden, gäbe es weniger Einbrüche! Dazu muß ich sagen: Das kann ich, aus dem Munde eines Abgeordneten kommend, einfach nicht ernst nehmen, das ist so seicht und vordergründig, daß es ärger nicht geht!

Zweiter Punkt: Es wird immer wieder mehr Kontrolle verlangt. Ich meine, daß der Überwachungsstaat nicht die Zukunft sein kann und der eigenverantwortliche Bürger doch im Vordergrund stehen muß.

Dritter und ganz wesentlicher Punkt – und das würde ich mir wünschen –: Wir sollten uns in Zukunft bei der Diskussion über Fragen der Sicherheit viel stärker mit den Ursachen auseinandersetzen. Ich darf Ihnen als Beispiel folgendes sagen: Es geht ja nicht nur darum, daß wir uns darüber unterhalten, wie hoch die Zahl der jeweiligen Delikte ist. Ich zitiere nun aus einer Untersuchung, die die Weltgesundheitsorganisation vorgenommen hat: In 20 Prozent der Fälle von Kindesmißhandlung, in 75 Prozent aller Gewaltverbrechen, in 50 Prozent der Arbeitsunfälle, in 30 Prozent der Selbstmorde und in 40 Prozent der Trennungen oder Scheidungen ist der Alkohol dafür verantwortlich.

Ich bin der Meinung, daß es wichtig ist, daß wir uns in Zukunft, wenn wir uns mit Fragen der Sicherheit auseinandersetzen, auch mit diesem Problem beschäftigen, denn die steigende Zahl der Fälle von Alkoholmißbrauch führt auch in Österreich zu einer steigenden Zahl von Delikten und Katastrophen innerhalb der Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

13.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Moser. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.36

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat gezeigt, daß wir zu den zur Debatte stehenden Tagesordnungspunkten (Zwischenruf des Abg. Haigermoser– es stimmt, du hast recht – eine breite Palette von Fakten zu diskutieren haben, beginnend bei den Aktivitäten der Kurden über den Sicherheitsbericht bis zu Fragen der Fremdenpolitik, und es wäre wirklich notwendig gewesen, wenn seitens der Präsidiale eine Aufsplitterung und keine Zusammenfassung dieser Tagesordnungspunkte durchgeführt worden wäre.

Mein Appell richtet sich vor allem an den Herrn Präsidenten, dies zu berücksichtigen beziehungsweise zu beachten und in der nächsten Präsidiale zu vereinbaren, daß wir in Zukunft zu den einzelnen Tagesordnungspunkten getrennt diskutieren können, weil sie es wert sind, daß wir darüber umfassend diskutieren.

Meine beiden Kollegen aus meiner Fraktion haben sich insbesondere mit der Erklärung des Herrn Innenministers beschäftigt. Es hätte tatsächlich Sinn gemacht, wenn wir heute nicht nur eine Erklärung des Herrn Innenministers dazu gehört hätten, sondern wenn auch der Außenminister hier zu dieser Frage Stellung genommen hätte. (Beifall beim Liberalen Forum), denn diese Frage ist eine zutiefst politische, außenpolitische und europäische Frage, und daher sollten wir auch von dieser Warte aus diese Diskussion führen.

Ich möchte vorweg nur ganz kurz aus meiner Sicht als Sicherheitssprecher die Kurdenproblematik beleuchten. Ich habe schon gesagt, daß die Kurdenfrage aus meiner Sicht eine zutiefst europäische Frage und politisch zu lösen ist. Sie ist deshalb politisch zu lösen, weil sie Auswirkungen auf die Sicherheit unseres Kontinents hat, sowohl die Sicherheit im Inneren als auch die Sicherheit im Äußeren. (Abg. Jung: Sie sind ein echter Europäer!)

Meine Damen und Herren! Eines ist klar: Wenn es Europa, wenn es der Europäischen Union nicht gelingt, diese Frage zu lösen, dann ist der Friede auf dem europäischen Kontinent gefährdet.

Ich habe gesagt, daß wir diese Frage politisch lösen müssen. Politisch lösen bedeutet, einen Dialog darüber zu führen. Dieser Dialog ist sowohl von der Türkei und mit der Türkei als auch mit den Kurdenvertretern zu führen.

Wenn der Dialog mit den Kurdenvertretern geführt wird, dann, meine ich, sollten wir jene Kräfte stärken – und das wäre im ureigensten Interesse von uns Europäern und der Staaten der Europäischen Union –, die sich auch zu unseren politischen, demokratischen Grundwerten bekennen, die sich zur Demokratie, zur Rechtsstaatlichkeit und zur Einhaltung der Menschenrechte bekennen. Diese Kräfte innerhalb der kurdischen Volksgruppe gilt es zu stärken, und ich hoffe, daß all diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die mit der PKK und mit der ERNK die Gespräche führen – und wir wissen, daß das eine terroristische Organisation mit einer kommunistischen ideologischen Ausrichtung ist –, auch mit jenen den Dialog führen und das Gespräch suchen, die sich zur Demokratie und zur Rechtsstaatlichkeit, zur territorialen Integrität der Türkei beispielsweise, bekennen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich komme nun auf den Sicherheitsbericht zu sprechen. Es stimmt – ich habe das schon im Rahmen der Ausschußberatungen gesagt, und es ist erfreulich –, daß wir in Österreich eine im Prinzip positive Entwicklung im Bereich der Kriminalität verzeichnen können, daß wir in Österreich seit Jahren eine sehr stabile Kriminalitätsrate haben und daß bei uns auch die Aufklärungsquote steigt. Das ist aber, wie ich meine, kein Grund, uns zurückzulehnen, und das ist kein Grund, zu sagen, daß ohnehin alles bestens ist und wir Reformschritte nicht unbedingt anzugehen brauchen.

Notwendige Reformschritte werden im großkoalitionären Bruderzwist gegenseitig blockiert, im Streit: Gibst du mir nicht – beispielsweise – meine STAPO-Reform, bekommst du nicht die Heeres-Nachrichtendienstreform! (Bundesminister Mag. Schlögl: Unterstützt du mich bei der STAPO-Reform?) Ich unterstütze dich bei der STAPO-Reform, Herr Bundesminister. Ich komme darauf noch zurück.

Also: Reformen sind notwendig, und ich appelliere, daß wir im Interesse der Sicherheit unseres Landes und auch im Interesse der Exekutive, die ihre Arbeit sehr ordentlich und sehr erfolgreich durchführt – ich stehe nicht an, den Exekutivbeamten für ihre tadellose Leistung, die sie erbringen, Lob und Anerkennung auszusprechen –, die notwendigen Reformschritte setzen.

Herr Bundesminister! Was steht alles an? – Wir brauchen eine Strukturreform im Bereich der österreichischen Exekutive. Da geht es wirklich darum, die vorhandenen Kräfte optimaler, besser einzusetzen, die Organisation besser zu strukturieren, beispielsweise Doppelgleisigkeiten abzubauen beziehungsweise zu vermeiden, die Zahl höherer Stäbe, höherer Dienststellen zugunsten einer Verstärkung der Exekutive vor Ort, zum Beispiel von Gendarmerieposten oder von Polizeiwachstuben, zu reduzieren und diese dann zu verstärken. Aber dazu bedarf es entsprechender Reformschritte, und ich stehe nicht an, zu sagen: Auch wenn beide Exekutivwachekörper, Polizei und Gendarmerie, historisch gewachsen sind, so sind in der Zwischenzeit doch viele Jahre vergangen, und es wäre daher durchaus sinnvoll, diese Wachekörper zusammenzulegen.

Ich stehe auch nicht an, Herr Bundesminister, zu sagen, daß die STAPO-Reform längst fällig ist. In einem Zwischenruf wurde sie vorhin genannt. Sie wurde von deinen Vorgängern, Herr Bundesminister, groß angekündigt, von Innenminister Löschnak, von Innenminister Einem, aber auch von dir, Herr Bundesminister. Ich bedauere es, daß sie noch nicht umgesetzt ist beziehungsweise durchgeführt wurde.

Die Strukturreform hat auch in Verbindung mit den notwendigen legistischen Grundlagen zu erfolgen. Denn eines ist klar: Am Beispiel der Bedrohung, mit der wir momentan im Zusammenhang mit der Kurdenfrage, mit dem kurdischen Terrorismus konfrontiert sind, zeigt sich, daß es sehr wohl notwendig ist, auch präventiv sicherheitsdienstliche und sicherheitspolizeiliche Maßnahmen vornehmen zu können. Wir erwarten, daß wir darüber auf parlamentarischer Ebene einen Dialog, entsprechende Diskussionen führen und auch Unterlagen darüber erhalten, und wir hoffen, daß diese Reform und auch die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz nicht, wie es derzeit leider ausschaut, wieder auf die Zeit der nächsten Legislaturperiode verschoben wird.

Auch im Bereich der Staatspolizei ist eine Strukturreform notwendig. Da geht es darum, die vorhandenen Einsatzgruppen, die vorhandenen Dienste entsprechend zu konzentrieren, zusammenzufassen. Ich höre bislang nur Aussagen wie: Ja, wir machen so etwas ähnliches wie ein Bundeskriminalamt! Aber bislang fehlt noch jede konkrete Präsentation der tatsächlichen Vorhaben.

Ich komme nun zu einem weiteren Bereich, bei dem es ebenfalls darum geht, die Arbeit unserer Exekutive effizienter zu gestalten, nämlich zur Frage der Grenzgendarmerie und zu der Situation, die wir derzeit an unseren Grenzen haben.

Auf der einen Seite ist es positiv, wenn illegale Grenzübertritte verhindert werden können, wenn es zu Aufgriffen kommt, und es ist auch erfreulich, daß die Schlepper, die in wirklich bösartiger Weise die Not und das Elend der Menschen ausnützen und aus dieser kriminellen "Hilfe" noch Profit schlagen, aufgegriffen werden, auf der anderen Seite zeigt sich aber, wie dringend notwendig der Ausbau unserer Grenzgendarmerie ist. Das ist nicht nur im Konnex mit dem Assistenzeinsatz des Bundesheeres zu sehen, sondern auch damit, daß die Exekutive auf sich allein gestellt in der Lage sein soll, diese sicherheitspolizeilichen Aufgaben wahrzunehmen. Sicherheitspolizeiliche Aufgaben sind Sache des Innenressorts, sind Sache der Exekutive, sind aber Sache des Bundesheeres höchstens in Form einer Hilfeleistung.

Meine Damen und Herren! Es kann doch nicht sein, daß eine Hilfeleistung nun schon über acht, neun Jahre geht. Das ist doch keine Hilfeleistung mehr, sondern das ist eine schleichende Änderung der Aufgaben des Bundesheeres in eine Tätigkeit, für die das Bundesheer von der Verfassung her wirklich nicht vorgesehen ist.

Herr Bundesminister! Ich erwarte mir, daß Sie alles daransetzen, daß es zu einer effizienten Grenzgendarmerie kommt, die für sich in der Lage ist, die Aufgaben der Grenzüberwachung entsprechend wahrzunehmen. (Abg. Scheibner: Wenn wir das Bundesheer abschaffen, dann müssen wir eine Grenzgendarmerie aufstellen!) Das Bundesheer soll wirklich nur dann eingesetzt und zur Assistenzleistung herangezogen werden, wenn die Notwendigkeit dazu besteht, wenn man beispielsweise in einer Beurteilung der Lage erkennt, daß sich die Schlepperrouten verändern. Wir kennen derzeit die Schlepperrouten über Ungarn, über die Slowakei und auch über Tschechien. Wie gesagt, wenn da eine Veränderung erkennbar wird, dann besteht die Möglichkeit, vom Bundesheer kurzfristig Verstärkung anzufordern.

Daher – Herr Bundesminister, ich weiß, daß du das nicht gerne hörst – wird es, da es nicht eigentlich Aufgabe das Heeres ist, notwendig sein, dem Bundesheer dafür auch einen entsprechenden Ersatz zu leisten. Da ist die Bundesregierung gefordert. Diese zusätzlichen Aufgaben des Bundesheeres beziehungsweise dieser zusätzliche Auftrag an das Bundesheer, der über die normale Aufgabenstellung des Bundesheeres in Friedenszeiten hinausgeht, ist durch eine Sonderbudgetierung entsprechend zu honorieren. Derzeit gehen die dafür notwendigen Mittel zu Lasten der notwendigen Ausbildung und daher zu Lasten der Effizienz des Bundesheeres. Sie gehen darüber hinaus zu Lasten einer modernen Ausrüstung und Ausstattung des Bundesheeres, und es ist damit zu rechnen, daß die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres dadurch herabgesetzt wird. Wie wichtig ein modern ausgerüstetes Bundesheer ist, zeigen ja die Anforderungen, die man im Rahmen der Katastrophenhilfe und im Rahmen sonstiger Assistenzleistungen an das Bundesheer stellt.

Meine Damen und Herren! Ein letzter Punkt, der mir besonders am Herzen liegt, betrifft die Frage der Ausbildung und die Frage der inneren Führung der Exekutive.

Herr Bundesminister! Aus dem Sicherheitsbericht gehen nach meinem Dafürhalten alarmierende Informationen hervor, vor allem in Zusammenhang mit Beschwerden gegen Exekutivbeamte. Wenn wir die diesbezüglichen Zahlen aus den Berichten der Jahre 1995 bis 1997 vergleichen, so können wir sehen, daß die Zahl der Beschwerden gegen Exekutivbeamte im Steigen begriffen ist, und zwar bedauerlicherweise auch jene der berechtigten Beschwerden. In der Größenordnung schaut das so aus, daß etwa mehr als 15 Prozent der Beschwerden gegen Exekutivbeamte berechtigt sind. Das ist meiner Meinung nach ein zu hoher Anteil, ein zu hoher Prozentsatz!

Was noch bedauerlich ist, ist der Umstand, daß es beispielsweise in einer einzigen Gruppe – das ist im Sicherheitsbericht nachzulesen –, nämlich im Bereich der Bundesgendarmerie, im Jahre 1995 92 berechtigte Beschwerden gegeben hat und sich diese Zahl im Jahre 1997 bereits verdoppelt hat, und zwar auf 190.

Herr Bundesminister! Da sind Maßnahmen im Bereich der inneren Führung zu setzen, und es wird notwendig sein, durch gezielte Aus- und Weiterbildung diesem Bereich verstärkt Augenmerk zuzuwenden. Ich hoffe, daß es bald zur Schaffung einer Sicherheitsakademie kommt, die dann diese Aufgabe übernehmen kann beziehungsweise muß. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Scheibner: Toni! Sag was zu den Kurden! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Jung.)

13.50

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren heute vorrangig den Sicherheitsbericht, und die Zahlen und Fakten zeigen eines ganz deutlich auf: Sie bestätigen uns eine rückläufige Kriminalitätsentwicklung. Nicht nur im Jahre 1997 hatten wir das zu verzeichnen, sondern schon in den Jahren davor gab es in Österreich einen kontinuierlichen Kriminalitätsrückgang. (Abg. Jung: Aber nicht in deinem Heimatbezirk!) – Das gilt auch für Favoriten! Das ist einer der sichersten Bezirke in der sehr sicheren Stadt Wien, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Dazu könnte man eine tatsächliche Berichtigung machen, Herr Kollege!)

Die Aufklärungsquote liegt österreichweit weit über 50 Prozent. Sie ist im Vergleich zum Jahr 1996 um 0,8 Prozent rückläufig. (Abg. Jung – eine bunte Graphik in die Höhe haltend –: Tiefrot!)

Wenn Sie die Statistik wortwörtlich nehmen, dann müssen Sie auch mit berücksichtigen, daß alle strafbaren Handlungen, die im Bereich der U 1 getätigt werden, letztlich am Reumannplatz bemerkt werden, und alle pilgern dann in das Kommissariat Favoriten. Im Bezirk selbst haben wir sehr gute Sicherheitsverhältnisse. Die Menschen leben sehr gerne in diesem Bezirk, er ist ein begehrter Wohnbezirk. Die Menschen fühlen sich wohl und sicher, und das ist auf die Sicherheitsverhältnisse zurückzuführen. Tiefrot – ich merke das immer wieder bei den Wahlen – ist ebenfalls richtig! Man fühlt sich also wohl in meinem Heimatbezirk, aber auch ganz allgemein in dieser Stadt.

Die Menschen fühlen sich österreichweit wohl und sicher, und das ist auf die ausgezeichnete Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Exekutive zurückzuführen. Die Beamten leisten eine hervorragende Arbeit! Das beweisen, wie schon gesagt, die Zahlen der Statistik, und zwar auch in bezug auf die Jugendkriminalität. – Herr Bundesminister! Dafür möchte ich schlicht und einfach diesen Damen und Herren meinen herzlichen Dank aussprechen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein.)

Meine Damen und Herren! Um diese erfolgreiche Arbeit fortsetzen zu können, bedarf es allerdings auch personeller und technischer Investitionen. Dabei ist unser vorrangiges Ziel natürlich, noch mehr Polizisten auf die Straße zu bringen.

Wir können, was Wien angeht, einen leichten Zuwachs an Personal verzeichnen. Auch wenn es nur geringe Zuwächse sind, ist es doch möglich, in einigen Wachzimmern in Wien Personalaufstockungen vorzunehmen. Sehr positiv zu bewerten sind auch die Modernisierungsvorhaben im EDV-Bereich der Bundespolizeidirektion Wien.

Damit wir diesen Weg gemeinsam weitergehen können, bedarf es auch hier im Nationalrat einer Unterstützung des Herrn Bundesministers, wenn es für sein Ressort etwa darum geht, neue Planstellen zugesprochen zu bekommen, wenn es darum geht, die finanziellen Gegebenheiten in diesem Bereich zu verbessern.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir im Sinne einer umfassenden Sicherheit auch noch, hier ganz kurz zwei Bereiche anzusprechen, nämlich den Zivilschutz und die Flugrettung. Im Bereich des Zivilschutzes als einem aktiven Bevölkerungsschutz sind wir dabei, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Inneres in den 1 600 Selbstschutz-Informationszentren die Bevölkerung, die interessierten Bürger, über richtiges Verhalten in Notsituationen zu informieren, zu schulen und gemeinsam mit den Einsatzorganisationen auszubilden, damit sie Notsituationen möglichst ohne Schaden überstehen können.

Von Bedeutung ist natürlich auch die Flugrettung. Das Innenressort leistet mit diesem Rettungsflugbetrieb einen wesentlichen Beitrag zur Hilfestellung für in Not geratene Menschen und gewinnt im Zusammenhang mit der Erschließung der Alpenregionen für den Tourismus und der ständigen Zunahme des Straßenverkehrs immer mehr an Bedeutung. Für den Betrieb der sieben Flugeinsatzstellen des Bundesministeriums für Inneres müssen zehn neue Rettungshubschrauber angeschafft werden. Der Herr Bundesminister bemüht sich, eine Finanzierung dafür zustande zu bringen. – Herr Bundesminister! Wir werden Sie dabei unterstützen.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle zu sparen, wäre das falsche Signal! Es geht dabei immerhin um die Rettung von Menschenleben, daher hat der Herr Bundesminister dafür unsere volle Unterstützung! Wir wollen diesen erfolgreichen Weg in der Sicherheitspolitik auch gemeinsam weitergehen, und um dieses gemeinsame Arbeiten, um dieses Miteinander auch in Zukunft möchte ich Sie ersuchen. In diesem Sinn hat natürlich der Sicherheitsbericht unsere vollste Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

13.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.55

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die Debatte einigermaßen aufmerksam verfolgt, und ich habe das noch näher zu bestimmende Gefühl, daß – am Beispiel dessen, was von vielen Redner zum Thema Kurden in Österreich vorgebracht wurde – von vielen das Problem nach wie vor bei den Kurden gesehen wird und nicht bei dem, was das eigentliche Problem ist, nämlich einem staatlichen Terrorismus gegenüber Bevölkerungsgruppen, der nicht nur in der Türkei, sondern in mehreren Ländern eine verhängnisvolle Tradition hat.

Dieser Terrorismus hat eine verhängnisvolle Tradition. Sie können sich vermutlich daran erinnern, daß zu Beginn dieses Jahrhunderts unter der stillschweigenden Duldung ganz Europas, das einfach zugesehen hat, die Türkei – auch in diesem Fall war es die Türkei! – eine Volksgruppe in ihrem Bereich eliminiert hat. Das waren damals nicht die Kurden, das waren die Armenier.

Europa hat zugeschaut, und vor allem Österreich hat sich dabei keineswegs durch eine rühmliche Politik ausgezeichnet. Es hat einen Schriftsteller gegeben, der genau diese Untätigkeit Österreichs und Europas angeprangert hat, weil er nicht mehr an sich halten konnte angesichts dieser Untätigkeit. Das war Franz Werfel, und er hat einen sehr berühmten Roman daraus gemacht.

Wenn ich diese Debatte verfolge, dann habe ich manchmal das Gefühl, daß sich alles wiederholt, nur auf einer anderen Ebene. Es wird nach wie vor so getan, als ob es wirklich unser dringlichstes Problem wäre, daß die Kurden, die hier in diesem Land leben, und die Kurden, die nicht in diesem Land leben, sondern in der Türkei sind, ruhig sein sollen. (Abg. Jung: Unser dringlichstes Problem ist die Sicherheit der Österreicher!)

Herr Kollege Jung! Ich glaube, daß überzeugend dargelegt wurde, daß wir ein europäisches Problem haben. (Abg. Jung: Auch!) Ob das die Armenier waren, ob das jetzt die Kurden sind, es ist ein europäisches Problem! Wir können nicht die Augen davor verschließen! Denn auch wenn wir sie verschließen, so wie wir das bisher getan haben, indem die österreichische Haltung in bezug auf die Außenpolitik gegenüber der Türkei oder in bezug auf das Kurdenproblem genauso lasch war wie die Politik der anderen europäischen Länder, haben wir trotzdem ein Problem.

Dann haben wir nämlich ein Problem von Flüchtenden, die natürlich versuchen werden, irgendwo unterzukommen. (Abg. Scheibner: Das sind Einwanderungen, keine Flüchtlinge!) Und das hat ja auch teilweise das Problem der Kurden in Österreich mit bestimmt: daß sie aus anderen Ländern, hauptsächlich aus der Türkei, flüchten mußten. Es war und ist daher völlig legitim für diese Personen, hier nicht nur Arbeit, sondern auch politisches Asyl zu suchen (Abg. Scheibner: Das sind keine Flüchtlinge!), wenn man über die näheren Umstände ihrer Verfolgung in der Türkei, aber auch im Irak, im Iran und in den anderen Ländern, in denen es noch kurdische Minderheiten gibt, Bescheid weiß.

Ich will aus dem Kurdenproblem nicht nur ein Problem der Türkei machen. Es ist vielschichtiger, das ist mir schon klar. Aber so zu tun, als ob wir hier tatsächlich nur für die Österreicher, die hier in diesem Land leben, Sicherheit zu schaffen hätten (Abg. Jung: Für die Österreicher zuerst!), als ob eine Trennung von Innenpolitik und Außenpolitik möglich wäre, das ist falsch!

Wir brauchen – und das ist das Problem, das wir haben – eine Koordination zwischen der Innen- und Außenpolitik. Und das, was wir eingefordert haben, war, daß auf diesen beiden Ebenen der Innen- und der Außenpolitik die Politik des Dialogs, der Öffnung und auch des Verständnisses für die Probleme dieser Gruppierungen, forciert wird, vor allem in der Außenpolitik ihre Fortsetzung findet! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Heute ist aber der Innenminister da, nicht der Außenminister!)

Was wir aber erleben, ist eher die umgekehrte Tendenz, und das ist meine leichte Kritik an der Position des Herrn Bundesministers: daß nämlich die Haltung der europäischen Außenpolitik, aber auch die Haltung einiger anderer europäischer Innenminister – und zwar die harte Politik gegenüber den Kurden, weil da auch wirtschaftliche Interessen von bestimmten Ländern im Spiel sind – auf Österreich überzuschwappen droht. Und davor möchte ich warnen.

Sie von den Freiheitlichen sind mit Ihrer scharfmacherischen Politik genau diejenigen, die den Herrn Innenminister in diese Ecke drängen wollen! (Abg. Jung: Wer ist der Scharfmacher?! – Abg. Scheibner: Schily! Was ist mit dem Schily?!) Wenn etwa Ihr Abgeordneter Holger Bauer meint – er hat es in einem Zwischenruf gesagt –, man solle die Kurden dorthin abschieben, wo sie hergekommen sind, dann ist das nicht nur zynisch, ungeheuerlich und menschenverachtend, sondern es widerspricht auch der Europäischen Menschenrechtskonvention. (Abg. Scheibner: Das sind nicht nur Flüchtlinge!)

Es widerspricht in jeder Hinsicht der Menschenrechtskonvention, daß man Personen, die in einem Land verfolgt werden und von Verfolgung bedroht sind, die in diesem Land teilweise mit der Todesstrafe bedroht sind, in genau dieses Land abschiebt! (Abg. Jung: Das sind nicht nur Verfolgte! – Abg. Scheibner: Das sind Zuwanderer, die schon jahrelang da sind!) Das sind Grundsätze, bei denen ich mir sicher bin, daß sie fast alle in diesem Land und in diesem Haus hier einen! Nur mit Ihnen von den Freiheitlichen haben wir diese Gemeinsamkeit nicht. Das ist das Problem, das wir in dieser Debatte mit Ihnen haben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Innenminister Schily, von dem stammt der Ausdruck! – Abg. Scheibner: War Schily nicht einmal ein Grüner?!)

Das ist ein grundlegendes Problem. Sie sollten sich – wenn Sie schon Schwierigkeiten haben, diese Menschenrechtskonventionen anzuerkennen – wenigstens einmal dazu durchringen, zu akzeptieren, daß diese Menschenrechtskonventionen trotzdem auch unseren Rechtsbestand bilden und daß wir sie zu erfüllen haben. Die meisten Menschen haben, unabhängig davon, wie ausländerfreundlich oder ausländerfeindlich sie sind, ein sehr gutes Gespür dafür, daß Menschen, die verfolgt sind, verfolgt werden, vom Tod bedroht sind – und das sind die Kurden in der Türkei –, hier in Österreich eine entsprechende Unterstützung finden müssen. (Abg. Jung: Hier sind Menschen mit dem Tod bedroht!)

Sie von den Freiheitlichen sollten auch akzeptieren, was ebenfalls eine Tatsache ist, daß wir nämlich in diesem Punkt auch insofern ein österreichisches "Problem" – Problem unter Anführungszeichen – haben, als nämlich viele dieser Kurden, Gott sei Dank, auch österreichische Staatsbürger sind. (Abg. Jung: Mit mangelnder Loyalität gegenüber Österreich!) Sie sind österreichische Staatsbürger. Wir haben daher auch die Verpflichtung – genauso, wie wir das bei den Südtirolern hatten –, hier bestimmte Interessen, die ihre Interessen und auch unsere sind, auf einer anderen Ebene gemeinsam zu vertreten.

Es geht um Menschenrechte, Herr Abgeordneter Jung, und diese sind unteilbar – ganz egal, ob es um Kurdistan geht oder um österreichische Menschenrechte! (Abg. Scheibner: Das höre ich von Ihnen zum ersten Mal! – Abg. Jung: Mir geht es vor allem um die Sicherheit der Österreicher!)

Herr Abgeordneter Jung! Wir debattieren über das Problem Kurden, das ein Problem des türkischen Staates ist, für das einerseits unser Außenminister ein faires Verfahren einfordert. Andererseits sind aber die Medien voll davon, daß nicht nur die Angehörigen der PKK von der türkischen Armee verfolgt werden, sondern daß auch die Mitglieder der gemäßigten kurdischen, prokurdischen Partei HADEP zu Hunderten und zu Tausenden in der Türkei verhaftet werden. Sie werden verhaftet und hinter Gitter gebracht!

Wenn man wenigstens noch sagen könnte, wir unterscheiden zwischen den sogenannten guten und den sogenannten bösen Kurden – die einen sind die PKK-Angehörigen, und die anderen sind sozusagen jene, die sich dem politischen Dialog verschrieben haben –, wenn man das noch so sagen könnte, dann wäre es gut. Es geht aber nicht mehr.

Es geht auch deswegen nicht, Herr Abgeordneter Jung, weil das Problem des kurdischen Volkes und der Kampf um seine Interessen nur – und darüber gibt es international völlige Übereinstimmung – durch die PKK zu einem öffentlich sichtbaren Problem in Europa gemacht wurde – ob uns das recht ist oder nicht.

Ich könnte Ihnen jetzt Zitate bringen aus der "Neuen Zürcher Zeitung". Da werden Sie vielleicht etwas mehr Verständnis haben, wenn die "Neue Zürcher Zeitung" darüber schreibt, als wenn es der Abgeordnete Öllinger sagt. Ich könnte Ihnen diese Zitate vorlesen, die in der "Neuen Zürcher Zeitung" etwa darüber stehen, daß es die PKK und sonst niemand war, die das Kurdenproblem mit Vehemenz an die Öffentlichkeit gebracht hat. (Abg. Jung: Stimmt! Aber deswegen brauche ich den Terror nicht in Österreich!)

Ich könnte Ihnen auch das Zitat aus der "Neuen Zürcher Zeitung" vorlesen, in dem über die PKK steht – ich zitiere –: "Eine ideologische ..." (Abg. Scheibner: Marxismus! Gewalt als mögliches Mittel zur Erreichung der Ziele!) – Danke! Marxismus! Ich lese Ihnen das Zitat vor. Sie haben mir das Stichwort gegeben.

Es heißt hier – ich zitiere –: "Eine ideologische Zuordnung der PKK läßt sich nur schwer vornehmen." – Sie haben sie offenbar, diese Zuordnung! – "Am ehesten kann man Öcalan heute als pragmatischen Sozialisten einordnen. Von dem ursprünglichen Ziel eines kurdischen Staates ist er weit abgerückt. Seit 1993 propagiert er eine föderalistische Lösung innerhalb der Staatsgrenzen der Türkei sowie die Notwendigkeit eines Waffenstillstandes. Bisher reagierte die türkische Regierung ablehnend mit der Begründung, mit einem Terroristen ließe sich nicht verhandeln." – Ende des Zitats. Das ist nachzulesen in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 22. Dezember.

In einer anderen Zeitung, in "Die Zeit", ist nachzulesen, Herr Abgeordneter Jung – und ich glaube gar nicht, daß Sie da sehr widersprechen werden –, was ein irakischer Kurde zum Problem der Kurden in der Türkei schreibt.

Herr Namo Aziz ist Schriftsteller und hat gesagt, sein Problem ist folgendes: Überall dort, wo er das Kurdenproblem zu einem öffentlichen Problem erklären und machen will – in Deutschland und in anderen europäischen Ländern –, wird ihm immer nur geantwortet: Aber die PKK! Sie müssen sich von der PKK distanzieren! – Er sagt dazu, er versteht dieses Problem nicht. Er versteht dieses Problem insofern nicht, als klar ist: Es war die PKK, die die Interessen der Kurden zu einem öffentlichen Problem gemacht hat! (Abg. Hans Helmut Moser: Mit Blut an den Händen!) Er versteht es auch insofern nicht, als die Tatsache, daß in der Türkei 30 000 Personen Opfer dieses Krieges geworden sind, nicht in erster Linie ein Problem der PKK ist, sondern eines des türkischen Staates. In zwölf Jahren wurden 30 000 Kurden ermordet. Das alles versucht man jetzt, Öcalan in die Schuhe zu schieben, obwohl klar ist: Die Tatsache, daß 3 000 Dörfer geräumt und dem Erdboden gleichgemacht wurden, fällt in die Verantwortung der türkischen Regierung. (Abg. Jung: Gestern haben Sie die türkische Regierung verteidigt, Herr Kollege!)

Namo Aziz fragt dann noch – ich zitiere –: "Wo sind die Europäer, die sich in den letzten Jahren stark gemacht haben für jene, die in diesem Konflikt allzu oft vergessen werden? Zu fragen bleibt nach den vielen Tausenden unliebsamen Journalisten und Intellektuellen, die in Gefängnisse gesteckt und gefoltert werden, nach den schwangeren Kurdinnen, deren Kinder durch Wasserdruck auf den Bauch öffentlich abgetrieben werden, oder nach den vielen Selbstmorden von gedemütigten Kurden, nachdem sie die Fäkalien der Sicherheitskräfte essen mußten. Die Liste der Beispiele ist, wie Menschenrechtsorganisationen bestätigen, lang, schrecklich lang!" – Zitatende.

Ich denke, das, was Herr Namo Aziz schreibt, sollte uns zu denken geben. So, wie es hoffentlich uns alle hier in diesem Haus empört, wenn Menschenrechtsverletzungen in Ex-Jugoslawien passieren, so, wie wir empört und betroffen sind und hier politische Schritte einfordern, die in diesem Land stattzufinden haben, damit die Menschenrechte wiederhergestellt werden, so müßte uns eigentlich auch das Anliegen einen, daß nicht nur in der Türkei, sondern auch in Österreich jenen Kurden, die sich für diese Menschenrechte in der Türkei, im Iran und Irak einsetzen, Gerechtigkeit widerfährt. (Abg. Jung: Aber nicht mit Benzinkanistern!)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Das, was ich in dieser Debatte von Ihrer Seite gehört habe, war immer nur: Die PKK ist das Problem. Ich wiederhole: Sie ist nicht die Ursache dieses Problems, sondern eine Konsequenz dessen, was in diesen Ländern stattgefunden hat. Sie ist eine Konsequenz dessen, daß mehrere Staaten dort seit Jahrzehnten Terrorismus betreiben. Sie müßte uns dazu veranlassen, eine Verbindung zwischen einer Innenpolitik und einer Außenpolitik zu schaffen, die mit viel Augenmaß, mit viel Geduld und auch mit etwas Sympathie – manchmal leider nur allzu versteckt spürbar, Herr Innenminister, denn diese Sätze, die Sie gesagt haben, in denen Sie Ihre Distanz zum Ausdruck bringen wollten, zum Beispiel: "Er ist verhaftet worden!", sind Sätze, die so nicht fallen dürften – betrieben wird.

Es müßte für uns alle klar sein: Für uns geht es um eine Sympathie, um eine Parteinahme für die Menschenrechte und insofern auch um ein österreichisches Problem, als es notwendig ist, daß die Menschenrechte nicht nur in der Türkei, sondern auch in Österreich respektiert werden (Beifall des Abg. Smolle), und zwar auch gegenüber jenen Kurden, die hier ihre Menschenrechte gegenüber der Türkei und anderen Ländern geltend machen wollen. Dazu braucht es auch die Parteinahme eines Innenministers und viel Unterstützung! (Beifall bei den Grünen.)

14.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Achs. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.09

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist heute schon wiederholt bestätigt worden, daß wir in Österreich in einem sehr sicheren Land leben. Das geht sehr eindeutig und klar aus dem Sicherheitsbericht 1997 hervor.

Nichtsdestotrotz gilt es, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um vor allem das international organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Menschenhandel und Schlepperunwesen müssen bereits an der österreichischen Grenze unterbunden werden, um den organisierten Banden Einhalt zu gebieten. Es geht uns darum, den Österreicherinnen und Österreichern Schutz und Sicherheit zu bieten.

Seit der Ostöffnung und dem Beitritt Österreichs zur EU hat sich die Situation wieder verändert. Wir als politisch Verantwortliche sind aufgerufen, negativen Entwicklungen entgegenzutreten und rechtzeitig für die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen.

Zeitgemäße Verbrechensbekämpfung kann nur durch eine länderübergreifende Zusammenarbeit und anhand des Einsatzes technischer Ermittlungsmethoden erfolgreich geschehen.

Die organisierte Kriminalität wird immer mehr zu einer Bedrohung der Gesellschaft. Eine Internationalisierung der Tätergruppierungen und staatsübergreifende kriminelle Aktivitäten erfordern auch ein verstärktes koordiniertes Vorgehen der Behörden. Besonders die durch die Öffnung der Ostgrenze verursachte Kriminalitätsmobilität erfordert eine länderübergreifende Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren! Österreich ist aufgrund seiner geographischen Lage und der damit verbundenen Schengen-Außengrenze von illegaler Migration besonders betroffen. Die EU-Ostgrenze macht in Österreich zwei Drittel aus, wobei vor allem das Burgenland mit 380 Kilometern Außengrenze betroffen ist. Gerade wir im Burgenland finden deshalb sehr schwierige Verhältnisse vor.

Meine Damen und Herren! Unsere Grenzsicherung ist im Bereich der illegalen Einwanderung äußerst erfolgreich. Auch das muß einmal gesagt werden. (Beifall bei der SPÖ.) Ich verstehe daher die Aussagen des GÖD-Vorsitzenden Fritz Neugebauer sowie des aus Niederösterreich kommenden Bundesratsvorsitzenden Schöls und die Aussagen des Vorsitzenden der Exekutive in Niederösterreich, Franz Haydter, nicht. Sie sprechen einerseits davon, daß nur 10 bis 20 Prozent der Illegalen aufgegriffen werden, andererseits gibt es Aussagen, daß die österreichischen Grenzen offen wie ein Scheunentor sind. Ich kann, meine Damen und Herren, diese Aussagen nicht verstehen (Abg. Jung: Ist aber die Realität!) und möchte sagen, daß man sich solche Aussagen von einem Koalitionspartner sicherlich nicht erwartet, weil die Wirklichkeit ganz anders aussieht. Es liegen ganz andere Fakten vor. (Abg. Jung: Als da wären?)

Meine Damen und Herren! Die Gendarmerie, das Bundesheer und die Zollwache leisten in Österreich gute Arbeit. Es ist nicht zuletzt dem Bemühen von Minister Schlögl zu verdanken, daß diese Zusammenarbeit mit all diesen Einsatzorganisationen so gut funktioniert. Als Beweis einer guten Zusammenarbeit möchte ich das Beispiel des Burgenlandes, die Zusammenarbeit des Herrn Innenministers mit dem burgenländischen Landeshauptmann, anführen. Letztendlich Gewinner dieser positiven und guten Zusammenarbeit, dieser guten Kooperation ist die burgenländische Bevölkerung. Meine Damen und Herren, so könnte es auch in Niederösterreich sein. (Beifall bei der SPÖ.)

14.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Wabl.)

14.14

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Wabl, ich weiß nicht, worauf Sie gespannt sind. (Abg. Wabl: Daß Sie auf den Staatsterrorismus eingehen!) Ich wäre darauf gespannt, Kollege Wabl, wann Sie endlich einmal ohne Scheuklappen ein klares Bekenntnis zur Gewaltfreiheit und zur Unterstützung von Demokratie und Freiheit und Menschenrechten überall dort, wo es Verletzungen in diesen Bereichen gibt, abgeben. Kollege Wabl, dann, wenn Ihnen solche Aktivisten ins politische Kalkül passen, wenn sie halt im extrem linken Spektrum angesiedelt sind – und das haben wir ja schon oft hier diskutiert –, dann ist alles erlaubt, dann wird alles beschönigt, dann wird verniedlicht, dann wird von Gewaltfreiheit gesprochen, dann ist alles nicht so schlimm. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber wehe, es passiert in einem Spektrum etwas, das Ihnen nicht so paßt. Dann brauchen wir nicht darüber nachzudenken, ob in Österreich für jeden Staatsbürger die Unschuldsvermutung gilt, ob ein unbescholtener Bürger nur deswegen, weil er Abonnent irgendeiner Zeitung ist, Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen muß. Da hört man keinen Aufschrei. Aber für den Herrn Öcalan und andere Herrschaften, die sich der Gewalt zur Durchsetzung durchaus berechtigter Ziele verschrieben haben, gibt es dann diese Erklärungen.

Und wenn dann eine Fraktion wie die unsere es nicht zur Kenntnis nehmen kann, daß hier von den Ministern der Einsatz bei den Botschaftsbesetzungen gelobt wird, wo es um Geiselnahme gegangen ist, wo es Sachbeschädigung gegeben hat, wo angedroht worden ist, Häuser in Brand zu setzen, und wenn wir nicht applaudieren, geht Herr Leikam heraus und sagt folgendes – es liegt nämlich das Protokoll vor; die Verärgerung der Frau Kollegin Partik-Pablé war nur allzu verständlich –: "... wenn nämlich eine Partei wie die Freiheitliche Partei zur Umsetzung ihrer politischen Ziele auch Gewalt anwendet." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist unerhört! – Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson.)

Selbst Sie, Frau Kollegin Karlsson, müßten zugeben, daß diese Aussage skandalös gewesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Kommen Sie runter und rechtfertigen Sie das!) "... wenn nämlich eine Partei wie die Freiheitliche Partei zur Umsetzung ihrer politischen Ziele auch Gewalt anwendet", hat Kollege Leikam gesagt. So etwas habe ich hier selbst von Vertretern Ihrer Fraktion von diesem Rednerpult aus noch nicht gehört. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson.) Da sollen sich nicht die Freiheitlichen entschuldigen – Herr Kollege Schieder wird hoffentlich dieses Protokoll auch nachlesen –, sondern da hat Herr Kollege Leikam einen sehr großen Handlungsbedarf.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich – und das soll hier auch einmal dazugesagt werden – ist das Problem der Kurden in der Türkei und in den angrenzenden Staaten auch ein europäisches Problem, denn es war Europa, es waren die Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg, die dieses Problem verursacht haben. Man hat damals durch eine willkürliche Grenzziehung (Abg. Mag. Kammerlander: Das stimmt ja nicht! Damals hat man den Kurden ein eigenes Gebiet zugesichert!) den Kurden den eigenen Staat verweigert, Frau Kollegin. Es gab kurze Zeit einen eigenen Kurden-Staat, dieser wurde aber sofort wieder von den Nachbarstaaten überrannt.

Selbstverständlich haben wir auch die Verantwortung, überall derartige Menschenrechtsverletzungen aufzuzeigen, wo es diese gibt, und auf die Türkei Einfluß zu nehmen, daß diese Menschenrechtsverletzungen eingestellt werden und der Vergangenheit angehören. Nur, wenn es dann solche Gelegenheiten gäbe – der Europarat wurde heute schon zitiert –, dann fragt man sich, wo diese klaren Aktivitäten sind, wo die eindeutige Sprache, auch der Sozialdemokraten, bleibt. Denn auch im Europarat stellt die sozialdemokratische Fraktion die größte Gruppe – Kollege Schieder ist Vorsitzender.

Es wurde heute nur die Resolution bezüglich der Türkei erwähnt, aber es gab auch eine Resolution des Europarates über das Kurdenproblem, die im Juni beschlossen wurde, also eine Resolution jener Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Menschenrechte in Europa zu verteidigen. Die PKK wird in einem Satz interessanterweise sehr stark als gewalt- und terrorismusbereite Organisation verurteilt. Über die Türkei steht in dieser Resolution eigentlich nur, daß die Versammlung die Aktivitäten von türkischen Organisationen und Parteien begrüßt, die bestrebt sind, die Menschenrechte in der Türkei zu sichern. Es sei aber klar, daß das ein innerstaatliches Problem ist, das auch innerstaatlich gelöst werden soll. Die Türkei wird eingeladen, die Minderheiten in ihrem eigenen Land zu schützen und dafür zu sorgen, daß die kurdische Bevölkerung in ihrem Gebiet geschützt wird und sich in Sicherheit befindet.

"Die Türkei wird eingeladen", meine Damen und Herren! – Das ist die einzige Reaktion der Staatengemeinschaft, weil man es sich mit der Türkei nicht verscherzen will. Man setzt sich hier im Parlament und bei anderen Gelegenheiten sehr für die Menschenrechte und für die Kurden ein, wenn es aber dann um die EU-Osterweiterung oder um Fragen der Zuwanderung geht, dann sind die Türken ganz wichtig, und da wollen wir es uns nicht mit ihnen verscherzen.

Bei all der Wichtigkeit, sich gegen diese Menschenrechtsverletzungen einzusetzen, muß eines ebenso klar sein: daß wir es nicht zulassen werden, daß derartige Konflikte mit Gewalt in Österreich oder in anderen europäischen Staaten ausgetragen werden. Da kann es kein Augenzwinkern geben, meine Herren Minister, da kann es nicht so sein, daß man diese Leute mit freiem Geleit entläßt und sie nicht der Strafrechtspflege zuführt, so wie das für jeden anderen Österreicher sein muß. (Zwischenruf des Abg. Wabl.) Es kann nicht angehen, meine Damen und Herren, daß eine Gruppe, egal wer auch immer, Kollege Wabl, von links oder rechts, hier in Österreich mit gewalttätigen Demonstrationen und Aktionen versucht, ihre Forderungen durchzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind Demokraten, und ich hoffe, auch Sie, Kollege Wabl. Da gibt es keine rechten oder linken Augenbinden, sondern da gibt es nur ein klares Verständnis für den Rechtsstaat, und da gibt es auch ein Verständnis für die Menschenrechte und für die Anliegen dieser Gruppen, aber auch ein klares Bekenntnis dazu, daß strafrechtliche Delikte verfolgt werden und daß Leute, die diese begehen, auch entsprechend verfolgt werden. Und wenn es sich um Ausländer handelt, dann sind sie nach der Strafrechtsordnung abzuschieben, und das gilt auch für diese Aktivisten.

Ich hoffe doch, daß endlich auch Sie sich darauf verständigen werden, daß diese Grundsätze, die für alle gelten, auch für diese Organisationen gelten müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dietachmayr. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.21

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Scheibner, Lafer und Kollegen eingehen. Dieser Entschließungsantrag der FPÖ ist wieder einmal der Beweis dafür, daß es dieser Partei nicht darum geht, Problembereiche, die es vielleicht dort und da geben mag, aufzuarbeiten, sondern generell Fremdenhaß zu schüren mit falschen Daten und den daraus resultierenden Rückschlüssen, das Klima eines friedlichen Miteinander zu vergiften. (Abg. Scheibner: Herr Präsident, er hat gesagt "Fremdenhaß schüren"! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich werde Ihnen gleich die angeführten Daten widerlegen, denn diese sind in diesem Antrag durchwegs falsch.

Nun, meine Damen und Herren, zu den einzelnen Daten, zum Anteil der Kinder mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Wenn die Zahl von 19 600 ausländischen Kindern in österreichischen Schulen stimmt, ergibt sich ein sehr geringer Anteil an der Zahl aller Schüler. (Abg. Scheibner: Aus welchem Bundesland sind denn Sie, Herr Obergescheit? Fragen Sie einmal den Gaál!) Bei etwa 650 000 Schülern in Volks- und Hauptschulen sowie über 300 000 Schülern in höheren Schulen bedeuten 19 600 ausländische Schüler einen Anteil von 2,1 Prozent. Daher kann es sich bestenfalls um ein Problem der Verteilung auf die einzelnen Schulen handeln. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir schicken alle von Wien aus in die anderen Bundesländer, damit sie auch welche haben!) Generell ist der Anteil der ausländischen Kinder an den Geburten seit Jahren stabil, er betrug 1997 13,1 Prozent. (Abg. Scheibner: Wieso schicken Sie dann Ihre Kinder in Privatschulen?) Ich kann nicht auf jeden Ihrer Zwischenrufe eingehen, ich werde Ihnen die einzelnen Punkte schon widerlegen.

Zur Notstandshilfe. 1997 wurden 484 Millionen Schilling an Nichtösterreicher ausbezahlt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kollege Gaál, geben Sie Ihrem Kollegen einmal ein bißchen Nachhilfeunterricht!) Das entspricht einem Anteil von 4,3 Prozent an den gesamten Ausgaben für Notstandshilfe. Von einer Bevorzugung, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, kann also überhaupt keine Rede sein, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß unter diesen ausländischen Notstandshilfebeziehern auch einige EU-Bürger sind. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Kollege Gaál soll Sie einmal in seinen Wahlkreis einladen!)

Zu den Einbürgerungen, meine Damen und Herren. In Österreich ist keine generelle Steigerung, sondern eine Senkung der Zahl der Einbürgerungen die Regel. Der Rechtsanspruch auf Herabsetzung von 30 auf 15 Jahren besteht nur dann, wenn eine nachhaltige Integration nachgewiesen werden kann. Österreich – und das wissen Sie auch – ist nach einer Studie des IHS Schlußlicht in der EU bei Integrations- und Einbürgerungsregelungen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Fragen Sie einmal Ihren Minister, der sagt Ihnen etwas anderes!)

Zum Arbeitsmarkt. Es gibt keine Neuzuwanderung. Es wäre gut, wenn Sie die gesetzlichen Bestimmungen studieren würden, Frau Abgeordnete Partik-Pablé. Sie wissen, daß wir bei den Neuzuwanderungen über die Familienzusammenführung sehr strenge Regelungen haben. Kinder über 14 Jahren zum Beispiel haben kaum mehr eine Chance, nach Österreich zu kommen.

Zu der in Ihrem Antrag angeführten Erhöhung der Zahl der Beschäftigungsbewilligungen von 4 500 auf 5 500 für 1999 ist zu sagen, daß es sich dabei um Ermächtigungen im Fremdengesetz und um Saisonbewilligungen handelt. Sie wissen, daß diese Saisonarbeiter überhaupt keine Ansprüche durch die Beschäftigung haben, und es wäre eigentlich auch uns recht, wenn Sie Ihre freiheitlichen Wirte und Bauern auffordern würden, keine Saisonarbeitskräfte mehr anzufordern.

Zur Fremdenkriminalität. Sie haben ja selbst in Ihrem eigenen Antrag geschrieben, daß die Zahl der ausländischen Tatverdächtigen keine Aussagekraft hat, weil es sich hierbei großteils um Delikte im Bereich des Kriminaltourismus und der organisierten Kriminalität handelt. Und es geht hier durchwegs um Personen, die nicht dauernd in Österreich leben.

Nun noch einige Sätze zu den geförderten Maßnahmen. Eine Aussetzung des Schengen-Abkommens, so wie Sie das fordern, wäre kontraproduktiv. Gerade das Schengen-Abkommen gewährleistet doch, daß die Außengrenzen zu den Schengen-Ländern streng kontrolliert und überwacht werden.

Die befristete Absenkung der Höchstzahlen der Ausländerbeschäftigung ist ebenfalls nicht notwendig – das ausländische Arbeitskräftepotential stagniert bereits seit längerer Zeit.

Die Abschaffung der Aufenthaltsverfestigung würde die Probleme, die in Ihrem Antrag skandalisiert wurden, vergrößern statt lösen.

Die effiziente Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist keine Frage der Staatsbürgerschaft, wie das in Ihrem Antrag suggeriert wird.

Meine Damen und Herren, ich habe leider nicht die Zeit, noch auf alle anderen Punkte einzugehen. Tatsache ist, daß Ihr Antrag in allen Punkten widerlegbar ist und daher nicht einmal das Papier wert ist, auf dem er steht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie haben ihm aber Ihre ganze Rede geopfert!)

14.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.27

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich in dieser Debatte, die ja dadurch gekennzeichnet ist, daß eine Vielfalt von nur über die Ressortzuständigkeit verklammerten Tagesordnungspunkten gemeinsam diskutiert wird, einem Teilaspekt zuwenden, der mir von großer Bedeutung erscheint und der gleichzeitig auch durch den Entschließungsantrag der Abgeordneten Partik-Pablé und Kollegen ausdrücklich noch einmal zusätzlich thematisiert wird. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kier, Mag. Stoisits, Hans Helmut Moser, Partnerinnen und Partner betreffend Nichtverhängung von Schubhaft an Jugendlichen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Schubhaft gemäß § 61 des Fremdengesetzes 1997 darf über Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr generell nicht verhängt werden. In jedem einzelnen Fall ist das ,Gelindere Mittel‘ gemäß § 66 Fremdengesetz anzuwenden.

In Zusammenwirken mit den Landesregierungen ist darüber hinaus sicherzustellen, daß jugendliche Asylwerberinnen und Asylwerber in einer ,Clearingstelle‘ aufgefangen werden, die sich um die Grundversorgung der Jugendlichen, also Unterkunft und Verpflegung, gesundheitliche und soziale Betreuung, Recherchen über eventuelle Verwandte und um rechtliche Vertretung kümmern soll. Ihnen soll weiters die Möglichkeit der psychologischen Betreuung geboten werden, wofür der jeweilige Jugendwohlfahrtsträger die Kosten übernehmen soll."

*****

Ich glaube, die Intention dieses Entschließungsantrages ist klar und eindeutig, und sie ist mehr als ein Kontrast zum Entschließungsantrag der freiheitlichen Fraktion, die nämlich der Auffassung ist, daß das "Gelindere Mittel" gemäß § 66 Fremdengesetz überhaupt abgeschafft werden soll. Mit anderen Worten: daß ohne Ansehen der Person, ohne Ansehen besserer, adäquaterer und auch billigerer Möglichkeiten der Grenzübertritt in das Gebiet der Republik Österreich, wenn es sich nicht um jemanden handelt, der Flüchtling ist, sondern eben um einen ungewöhnlichen Grenzübertritt, zwangsläufig mit Haft sanktioniert wird.

Ich meine, wer irgendwann in dieser Debatte heute im Zusammenhang mit der Kurdenfrage von Menschenrechten gesprochen hat – es wurden hier vielschichtigste Aspekte vorgetragen, und sie waren teilweise durchaus plausibel –, der sollte, wenn er sich selbst wirklich ernst nimmt und Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt, es für unvorstellbar halten, daß man das "Gelindere Mittel" einfach abschafft.

Weniger leicht wird in diesem Haus mit Mehrheit durchsetzbar sein, daß wir uns hier dazu bekennen, daß Minderjährige nicht automatisch, so wie das jetzt der Fall ist, in Haft genommen werden. Um den Herrn Bundesminister für Inneres im "Standard" vom 10. Februar 1999 zu zitieren: Wenn man sie zurückstellen will, dann gibt es nur eine Chance: wenn sie in Schubhaft bleiben, sonst sind sie weg.

Ich räume ein, jemand nicht hinter Gittern zu haben, ist immer ein gewisses Risiko, aber im Umgang mit Minderjährigen, mit Asylwerberinnen und Asylwerbern, die Kinder und Jugendliche sind, an nichts anderes zu denken als an die Haft, zu vergessen, daß wir Jugendwohlfahrtsträger haben, die, wenn wir sie ordentlich ausstatten würden, manches leisten könnten, und nicht einmal mehr die Phantasie zu haben, sich vorstellen zu können, daß es noch gar nicht so lange her ist – nicht mehr als zwei Generationen, wenn man es genau nimmt –, daß auch viele Kinder aus dem Gebiet der Republik Österreich auf der Flucht waren, dagegen müssen wir ankämpfen.

Ich würde sagen, wir sollten uns dazu entschließen, gemeinsam hier eine Mehrheit dafür zu finden, daß Kinder und Jugendliche, Minderjährige, künftig nicht automatisch in Schubhaft kommen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung, wobei vielleicht im Hinblick auf den nahezu novellenartigen Text festzuhalten ist, daß es sich eben um einen Entschließungsantrag handelt. (Abg. Dr. Kier: Ja, er ist sehr präzise!)

Herr Abgeordneter Kier! Ich halte ausdrücklich fest, daß es sich um einen Entschließungsantrag handelt, weil das fast wie die Novellierung zu einem Paragraphen klingt. Also: Es handelt sich um einen Entschließungsantrag, und er steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Justizminister Dr. Michalek. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.31

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Fülle der heute hier debattierten Themen möchte ich jene herausgreifen, die an die Ausführungen zum Sicherheitsbericht anschließen, insbesondere an jene, in denen zu Recht darauf hingewiesen wurde, daß sich aus diesem Bericht ergibt, daß die Kriminalitätsentwicklung in Österreich insgesamt und gerade auch in jenen Deliktsbereichen, die für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung maßgebend sind, eine bemerkenswerte Stabilität, zum Teil sogar rückläufige Tendenzen aufweist.

Meine Damen und Herren! Die Justiz wird sich deshalb nicht selbstzufrieden zurücklehnen, im Gegenteil, auch die Strafjustiz ist im Rahmen ihrer Zuständigkeit stets um die innere Sicherheit und deren Förderung bemüht, legislativ und operational, national und international. Schwerpunkte der Justizpolitik sind dabei der entschlossene Kampf gegen schwere und zunehmend grenzüberschreitende organisierte Kriminalität auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Schaffung möglichst sinnvoller täter- und opferorientierter Reaktionen im Bereich der massenhaft auftretenden Alltagskriminalität. Darüber wird heute nachmittag im Zusammenhang mit der Diversion debattiert werden.

Was die Bekämpfung der organisierten Kriminalität anlangt, kann diese – das hat schon Abgeordneter Achs zu Recht gesagt – effizient nur im internationalen Kontext stattfinden. Hiebei sind wir gerade auch während des österreichischen Vorsitzes in der EU ein gutes Stück weitergekommen, sowohl was die Umsetzung des Aktionsplans zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität von Amsterdam anlangt als auch was die internationale Zusammenarbeit der Justizbehörden anlangt – Stichworte justitielles Netz und Übereinkommen Rechtshilfe in Strafsachen –, aber auch was die schrittweise Annäherung der Strafrechtstatbestände in den EU-Staaten betrifft.

Meine Damen und Herren! Über möglichst effiziente Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung darf aber die notwendige Aufmerksamkeit für die vielfältigen und wichtigen Anliegen der Verbrechensvorbeugung nicht verlorengehen. Nur wenn Prävention und Repression ineinandergreifen, kann den Herausforderungen moderner Formen der Kriminalität erfolgreich begegnet werden. Nur so kann es auch gelingen, die nicht selten zu beobachtende Kluft zwischen dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und der objektiven Kriminalitätslage zu schließen und vor allem auch problematischen Entwicklungen in einzelnen Bereichen gerade auch der organisierten Kriminalität, aber etwa auch des Mißbrauchs von Suchtmitteln mit überlegten ganzheitlichen Strategien zu begegnen.

Meine Damen und Herren! Überall, wo es um die Wahl der Mittel zur Erreichung höherer Sicherheit geht, sind wir aufgerufen, diesem Ziel den Preis der Sicherheit gegenüberzustellen und abzuwägen, besonders wenn es um die Einschränkung von persönlichen Freiheitsrechten der Bürger geht. (Demonstrativer Beifall des Abg. Wabl.) Dieses Gebot setzt den Eingriffsmöglichkeiten in Individualrechte sowohl quantitative als auch qualitative Grenzen. Werden diese Grenzen nicht beachtet, dann läuft unsere Gesellschaft Gefahr, mehr an Freiheit einzubüßen als an Sicherheit zu gewinnen. (Beifall bei den Grünen.)

Unsere Aufgabe, meine Damen und Herren, muß es sein, beides, Freiheit und Sicherheit, zu gewährleisten und dort, wo es nun einmal unvermeidlich zu Zielkonflikten kommt, beide Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

Ich meine, meine Damen und Herren, daß uns dies im Zusammenhang mit der Beschlußfassung über die besonderen Ermittlungsmethoden zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität – Stichwort Lauschangriff und Rasterfahndung – nach intensiver und durchaus leidenschaftlich geführter Diskussion gelungen ist. Diese damals gefundenen Lösungen einschließlich der innovativen Rechtsschutzeinrichtung des Rechtsschutzbeauftragten haben – und das weiß ich aus vielen Gesprächen im Rahmen der Europäischen Union – auch international größte Beachtung gefunden. Ich gehe davon aus, daß es auch bei den weit fortgeschrittenen Gesprächen zur Schaffung des Militärbefugnisgesetzes und zur Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes gelingen kann und wird, jene ausgewogenen Regelungen und jene rechtsstaatlichen Absicherungen zu finden, die die Öffentlichkeit in so sensiblen Bereichen mit Recht vom Gesetzgeber erwartet. Die Justiz ist auch weiterhin bereit, ihren Sachverstand und ihr Grundrechtsverständnis in konstruktiver Weise in die Diskussion einzubringen und damit zum Gelingen dieser beiden wichtigen Gesetzesvorhaben des Verteidigungs- und des Innenministers beizutragen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Graf. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.37

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte trotz alledem noch einmal zurückkommen auf den ... (Das rote Licht am Rednerpult beginnt zu leuchten.) Es leuchtet schon das rote Licht, dies ist wirklich eine Mahnung, daß mir die Redezeit beschnitten wird, es dürfte wahrscheinlich wirklich so sein.

Ich möchte noch einmal zurückkommen auf diese gesamte Problematik und möchte folgendes vorausschicken auch in die Sitzreihen der sogenannten Linken oder der Ampelkoalition: Es ist richtig, ja, wir teilen auch die Ansicht, daß das Selbstbestimmungsrecht der Völker tatsächlich in diesem Jahrhundert von den Siegermächten mit Füßen getreten wurde, und zwar wiederholt und immer wieder, selbstverständlich auch außerhalb Europas, selbstverständlich auch für die Kurden. Interessant für mich ist nur, wenn ich die ganze Debatte über Ursache und Wirkung verfolge, daß man das Kurdenproblem von der vereinten Linken in diesem Haus erst dann als Anliegen in Österreich aufgenommen hat, als das Kommando von einer kleinen marxistischen, dann terroristischen Linken, nämlich der PKK, übernommen wurde. (Abg. Wabl: Das ist falsch!) Ich kann mich sehr genau erinnern: Auch noch vor 15, 20 Jahren, als die Felder noch nicht so besetzt waren, war das nicht besonders das Anliegen unserer Linken. (Abg. Ing. Langthaler: Woher wollen Sie denn das wissen?) Das weiß ich schon sehr wohl. Ich habe sehr aufmerksam die innenpolitische und außenpolitische Situation verfolgt.

Wenn man dann auch noch bedenkt, was denn die Ursache für die kürzlich passierte Misere auch innenpolitisch gewesen ist, dann muß man schon eines bekennen: daß nämlich der Rechtsstaat in Europa vor dieser Frage Öcalan in die Knie gegangen ist; das darf man nicht vergessen. (Abg. Edler: Hättet ihr geschossen auf ihn?) Herr Kollege Edler, hätte die Bundesrepublik Deutschland den Auslieferungsantrag gestellt, dann müßten wir uns heute nicht darüber unterhalten, ob Herr Öcalan ein faires Verfahren bekommt oder nicht, dann wäre dieses nämlich gewährleistet gewesen. Aber man hat eben – auch Sie – immer genau für das Gegenteil plädiert, und es war schon klar, daß früher oder später Herr Öcalan auf seiner Reise irgendwann einmal in die Hände der Türken fallen wird. Das mußte so kommen!

Das war zumindest mir klar. Mir war klar, daß das passieren wird, daß es irgendwann einmal einen Staat geben wird, der nicht mit unseren Wertmaßstäben zu messen ist. Und dann passiert das eben.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sind, wenn es um die Rechtsstaatlichkeit geht – und das wurde einige Male schon von meinen Kollegen auch gesagt –, auf dem linken Auge tatsächlich blind. Ich kann mich daran erinnern, wie Sie alle in diesem Hohen Haus das Auslieferungsbegehren unterstützt und eine Unterschriftenaktion hier im Hohen Haus betreffend Pinochet gemacht haben. Da war selbstverständlich, daß er ausgeliefert werden muß, und das ist zu unterstützen. Ja, machen Sie es ruhig! Ist in Ordnung. Terroristen, Verbrecher gehören ausgeliefert. Bei Öcalan habe ich diese rechtsstaatliche Einstellung von Ihnen, weil er ein Linker ist, sträflich vermißt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Langthaler: Aber geh, bitte!)

Aber das ist nicht das erste Mal in Europa. Das ist bei Honecker so gewesen, und das war auch bei anderen so. Noch nie hat irgend jemand die Auslieferung Fidel Castros verlangt. Es ist ja selbstverständlich, daß das nicht passiert, weil der noch Staatschef ist. Und daran ist es zu messen. Mit Ihrem Messen mit zweierlei Maß in dieser Frage entlarven Sie sich selbst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für mich verwunderlich – und jetzt ist der Herr Innenminister gekommen – ist tatsächlich, daß er den Randalierer Peter Pilz zu Hilfe ruft und dann hier im Hohen Haus auch noch lobt. (Abg. Wabl: Herr Präsident! Hören Sie das einmal: Randalierer Pilz!) Herr Minister! Jetzt frage ich ganz offen: Warum haben Sie eigentlich nicht Bürgermeister und Landeshauptmann Häupl zu Hilfe geholt, der die gleiche Ausbildung wie Pilz hat? Sie waren ja gemeinsam in Moskau. Der hätte Ihnen wahrscheinlich auch helfen können. Wie kommen Sie dazu, daß Sie gerade den Peter Pilz ... (Bundesminister Mag. Schlögl: Er hat sich angeboten! – Beifall bei den Freiheitlichen.) Er hat sich nicht angeboten. Seltsamerweise dürfte der Rechtsstaat nur mehr von den Grünen gehütet werden, aber nicht mehr von der SPÖ und ihren Vertretern. Also das ist für mich schon sehr verwunderlich. (Abg. Haigermoser: Der Bock wurde zum Gärtner gemacht!) Richtig: Der Bock wurde zum Gärtner gemacht. Dies wird der österreichischen Rechtsstaatlichkeit noch einmal auf den Kopf fallen.

Aber, Herr Innenminister und Herr Außenminister, das Problem der Kurden ist nichts Neues. Es ist sicherlich ein außenpolitisches Problem, aber auch ein massiv innenpolitisches Problem. Ich habe Anfragen an beide Minister gestellt. Ich habe sie damals noch an Ihren Vorgänger Einem gerichtet im März beziehungsweise im Mai 1996 und im Juli 1996 von beiden Herren die Antwort erhalten. Damals ist es gegangen um dieses sogenannte Newroz-Fest in der Kurhalle Oberlaa, auch unter der Patronanz von Öcalan und anderen, wo es zu massiven Aufrufen, zu hochverräterischen Aufrufen gegen Staatsgewalten im In- und Ausland gekommen ist, wo es zu massiven Aufrufen zur Gewalt gekommen ist. Ich habe eine entsprechende Anfrage dahin gehend gestellt, ob man nicht eine Verfolgung der Täter gemäß § 316 StGB in Verbindung mit § 318 StGB ins Auge faßt.

Damals, sehr geehrter Herr Innenminister, aber auch Herr Außenminister, haben Sie beide relativ unisono zur Antwort gegeben, daß diese Angelegenheit beim Landesgericht für Strafsachen anhängig ist, daß man die Sache prüft, daß in der Regierung, in der Ministerkonferenz, ein Zwischenbericht gelegt worden ist und daß ein Endbericht zum entsprechenden Zeitpunkt in Aussicht gestellt wird, ob man eine derartige Anklage gegen die Drahtzieher der PKK erheben wird. – Bis heute habe ich nicht gehört, wie der Endbericht letztendlich ausgeschaut hat, auch nichts über die ergänzende Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft, die Sie von der EBT am 19.4.1996 an das Landesgericht übermittelt haben, wo letztendlich auch der § 278a StGB, nämlich die kriminelle Organisation, untersucht werden sollte.

Sehr geehrte Herren Minister! Vielleicht sind Sie beide noch in der Lage, uns das Ergebnis der Ermittlungen von damals kundzutun, weil es natürlich in einem ursächlichen Zusammenhang mit der gesamten Problematik steht, die wir auch heute hier zu verhandeln haben.

Und ein Letztes noch in Richtung Grüne. Wenn immer wieder der Vorwurf gemacht wird, daß wir Freiheitliche nicht in den Dialog mit den Vertretern der ERNK treten, dann sage ich Ihnen, das stimmt nur zum Teil. Ich habe sehr viele Gespräche geführt und auch in den letzten Tagen sehr viele Gespräche geführt mit Vertretern der ERNK. Ich habe aber immer postuliert, in jedem Gespräch, daß erst dann ein ernsthafter Dialog geführt werden kann, wenn es eine Distanzierung von Gewalttaten hier im Inland, aber auch im europäischen Inland und in anderen Ländern kommt und dadurch auch zu einer Distanzierung von den terroristischen Akten der PKK. Ansonsten kann und darf es auch keinen Dialog geben, denn wenn man sogar mit Terroristen spricht, wird sich nie etwas ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für mich war nur eines symptomatisch. Unisono haben mir zwei führende Vertreter der ERNK jedesmal die gleiche Antwort gegeben. Sie können einen derartigen Verzicht auf Gewalt oder eine Distanzierung von Gewalt nicht vornehmen, und zwar aus dem Grund, weil Europa sie zu gewaltsamen Handlungen aufgrund der Problematik, die unerledigt ist, zwingt. Und das ist unrichtig. Wir hier in Österreich zwingen niemanden, in unserem Land oder in einem anderen Land gewalttätig zu sein. Und das möchte ich deponieren, und dazu stehe ich auch. Erst wenn dieser Gewaltverzicht geübt wird, dann gibt es auch einen Dialog mit uns Freiheitlichen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl, und zwar deswegen, weil er als Proredner gemeldet ist. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Graf: Proredner – wird ja immer besser!)

14.46

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzung über das Gewaltmonopol und über die Wahl der Mittel ist eine Auseinandersetzung, die schon so lange geführt wird, seit Staaten gegründet werden, sich Staatsgrenzen verändern, Freiheitsbewegungen entstehen und allzuoft in terroristischen Organisationen enden.

Meine Damen und Herren! Aber es muß – und das ist heute schon von vielen Vorrednern hier in diesem Hause erklärt worden – klar sein, daß ganz bestimmte Rechte, für die in Europa und weltweit gekämpft worden ist, unteilbar sind und daß die österreichischen Vertreter auf allen Ebenen dazu Stellung nehmen und dafür eintreten müssen.

Meine Damen und Herren! Die Frage der Gewaltfreiheit, Herr Graf, haben die Grünen bei ihrer Gründung ausführlich diskutiert anhand der Ungerechtigkeit in Südafrika, anhand des Apartheid-Regimes, anhand von Ungerechtigkeiten in südamerikanischen Ländern. Wir haben damals diese Problematik sehr ausführlich diskutiert, und unsere Partei hat als einzige Partei klar und deutlich den Grundsatz der Gewaltfreiheit zur Durchsetzung der politischen Mittel in ihrem Parteiprogramm verankert. (Abg. Scheibner: Öcalan ist ja selber nicht zimperlich gewesen!)

Meine Damen und Herren! Was Sie, Herr Graf, hier machen, ist eine sehr riskante und problematische Vorgangsweise. Auf der einen Seite geben Sie sozusagen ganz bestimmten Tönen auf der Straße recht. Ich habe das erlebt, als ich das letzte Mal nach Hause gefahren bin und zufällig in Graz nicht mit der Straßenbahn weiterfahren konnte, weil es eine Demonstration der Kurden gegeben hat. Da hat es auf den Bürgersteigen Meldungen gegeben, wo ich mir gedacht habe, das sind sicher Wähler der FPÖ – genau in der Diktion des Herrn Bauer –: Was haben die hier verloren auf der Straße? Sie sollen nach Hause gehen, und zwar dorthin, woher sie kommen, und man sollte sie sofort abschieben!

Herr Graf! Ich sage Ihnen folgendes: Herr Schwarzböck und freiheitliche Bauernvertreter hätten in Österreich demonstrieren können, hätten für ihre Anliegen hier in Österreich eintreten können und sie auch bei jeder Demonstration artikulieren können. Trotzdem fuhr er nach Brüssel. Und ich bin froh darüber, daß hier ein Innenminister sitzt, der die Demonstranten nicht a priori mit Wasserwerfern empfängt, so wie dies bei den Bauerndemonstranten in Brüssel passiert ist! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Es ist ein Unterschied zwischen Demonstrieren und Gewaltanwenden!)

Herr Graf! Es gibt niemanden in diesem Haus, der irgendeinen Zweifel daran läßt, daß es auf österreichischem Staatsgebiet außer Streit steht, daß mit Gewalt keine politischen Ziele durchgesetzt werden dürfen und daß die ganze Strenge des Gesetzes dafür anwendbar ist. Aber, Herr Graf, Sie machen hier Vorverurteilung. Selbstverständlich wurden die Namen, die Daten dieser Personen aufgenommen. Aber Sie wissen genausogut wie ich, daß gerade Sie und Ihr Parteiobmann in der Angelegenheit der Kurden-Morde tätig wurden, wobei damals die Mörder sogar von der österreichischen Polizei bis zum Flughafen eskortiert wurden.

Und was hat Ihr Parteiobmann gemacht, damit Sie einen parteipolitischen Vorteil bei der Präsidentschaftswahl haben? – Er besuchte den damals dafür Verantwortlichen im Außenministerium, nämlich den jetzigen Bundespräsidenten Klestil, und er hat gesagt: Ich habe die Sache untersucht; da ist alles in Ordnung. Und deshalb sind wir dagegen, daß es einen Untersuchungsausschuß in diesem Haus gibt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie sagen: "Kein freies Geleit für Terroristen!", dann meinen Sie hoffentlich auch: "auch für Staatsterroristen kein freies Geleit"!

Haben Sie schon einmal die Biographie von Nelson Mandela gelesen? – Da würden Sie nämlich folgendes feststellen: Nelson Mandela hat zeit seines Lebens zu jenen Freiheitskämpfern gehört, die Gewalt grundsätzlich abgelehnt haben. Aber jener Flügel, der aufgrund des Terrorregimes in Südafrika auf Gewalt gesetzt hat, hat doch irgendwie erreicht, daß man sich in Europa und in anderen zivilisierten Ländern dafür interessiert hat, was in Südafrika vor sich geht, und es wurde dann politischer Druck ausgeübt.

Und das ist genau das Problem, das international immer wieder festzustellen ist: Solange Menschen versuchen, friedlich – mit Demonstrationen, mit klaren Forderungen et cetera – die Politik, die Öffentlichkeit, die jeweiligen Regierungen zu erreichen, ist der Erfolg relativ gering. Sobald es aber zu Ausschreitungen kommt – seien es Bauerndemonstrationen in Frankreich, seien es Demonstrationen der Kurden in Europa, die durchaus gewalttätig waren –, erst dann hören alle zu und sagen: Jetzt müssen wir handeln!

Meine Damen und Herren! Von dieser Praxis der politischen "Sensibilität" müssen wir abgehen, und deshalb haben wir zwei Anträge vorbereitet, die ich Ihnen hiemit zur Kenntnis bringen möchte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander, Andreas Wabl, Freunde und Freundinnen betreffend internationale Friedenskonferenz zur Lösung der Kurdenfrage

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, angesichts der ernsten Situation und der Ergebnisse der letzten Tage zur gewaltfreien und politisch-demokratischen Lösung der Kurden-Frage unverzüglich eine Kontaktgruppe zu initiieren, die eine Friedenskonferenz der Konfliktparteien unter internationaler Beteiligung (OSZE) vorzubereiten hat. Als ersten Schritt soll die Kontaktgruppe eine internationale Prozeßbeobachtung im Fall Öcalan vorbereiten.

*****

Zum zweiten Antrag: Der Herr Bundesminister hat hier formuliert, daß es selbstverständlich eine Forderung nicht nur der österreichischen Bundesregierung, sondern auch eine Forderung der zivilisierten Staatengemeinschaft ist, daß die Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe vehement auch den Türken vorgetragen werden muß.

Unser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Wabl, Doris Pollet-Kammerlander, Freunde und Freundinnen betreffend Abschaffung der Todesstrafe

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, verstärkt in allen internationalen Gremien (EU, OSZE, UNO, Europarat, ...) dahin gehend aktiv zu werden, dass generell die Todesstrafe in allen Staaten abgeschafft und insbesondere sichergestellt wird, dass über Abdullah Öcalan keine Todesstrafe verhängt wird.

*****

Kollege Khol hat signalisiert, daß die ÖVP wahrscheinlich zustimmen wird; ich weiß aber nicht, was Ihre internen Beratungen ergeben haben. Ich habe das auch gehört von den Sozialdemokraten, und ich nehme an, seitens der Liberalen wird es gleichfalls Zustimmung zu diesem Antrag geben, und daß die Freiheitlichen da auch mitgehen können, halte ich für durchaus möglich.

Ich möchte nur noch folgendes zum Fall Öcalan sagen – Kollege Öllinger und auch Kollegin Stoisits haben das hier bereits angesprochen –: Herr Innenminister, Sie sollten sich eines anderen Sprachgebrauchs bedienen und im Zusammenhang mit Verschleppung und Kidnapping nicht von "Verhaftung" sprechen. Kein Land – weder Österreich noch Frankreich, noch Großbritannien, noch Deutschland, noch die USA – würde sich das gefallen lassen.

Wir haben im Augenblick eben das Problem, daß jede Unsensibilität in diesen Fragen zu einer weiteren Eskalierung führt, hingegen jedes offensive, offene Gespräch dazu beiträgt, diesen Konflikt nicht nur beizulegen, sondern ihn auch im Sinne unserer Ziele zu einer positiven Lösung zu bringen.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie werden diesen unseren Anträgen zustimmen. – Ich danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden soeben verlesenen Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Herr Kollege Wabl, Sie haben sich eigentlich als Proredner gemeldet. – Ich habe aber jetzt nachträglich gewisse Zweifel, ob diese Meldung richtig war. Ich werde mir dann das Stenographische Protokoll ansehen, und möglicherweise werden wir einmal in der Präsidiale darüber reden müssen, wie dies mit den Proreden ist. (Abg. Wabl: Ich kannte den Bericht noch gar nicht! Einigen Passagen kann ich zustimmen!)

Es soll das kein Vorwurf sein, aber es ist so, daß ich nicht wissen kann, wie Sie reden werden, Herr Abgeordneter Wabl. Daher ist auch das als Prowortmeldung angenommen worden. Nachträglich könnte man aber schon auch überlegen, in welcher Weise Sie diese Wortmeldung instrumentalisiert haben. (Abg. Wabl: Sie haben meine Wortmeldung gehört, Herr Präsident!)

Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.55

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Hohes Haus! Die Debatte über die Aktivitäten der Kurden neigt sich offensichtlich ihrem Ende zu. Der "Eiertanz", den die vereinigte Linke dieses Hauses – ich meine hiemit gewisse Herrschaften von der sozialistischen Fraktion, der Rot-Alternativen und des linken Forums – hier in dieser Frage aufgeführt hat, war bemerkenswert und auch – einmal mehr – sehr aufschlußreich und entlarvend.

Wir haben es ja gerade wieder gehört: Am Pranger in dieser Diskussion standen nicht die PKK und ihre terroristischen Aktivitäten, am Pranger stand nicht ihr Terroristenchef, Herr Öcalan, an dessen Händen hundertfach ... (Abg. Mag. Posch macht eine Handbewegung.) Herr Präsident! Können Sie Herrn Posch einen Ordnungsruf erteilen, denn ich lasse mir von diesem Herrn nicht den Vogel zeigen!

Am Pranger stand nicht der Terroristenchef Öcalan, an dessen Händen hundertfach Blut klebt – im übrigen auch jenes seiner eigenen Genossen –, nein, am Pranger stand natürlich die Türkei – zum Teil zu Recht –, und an den Pranger zu stellen versuchte man vor allem jene Rednerinnen und Redner des Hohen Hauses, die gesagt haben: PKK hin, Sympathie der SPÖ zu ihnen her – Recht muß Recht bleiben. Gewalt bleibt Gewalt (Beifall bei den Freiheitlichen), ganz egal, ob sie von linker oder rechter Seite ausgeübt wird! Gewalt wird abgelehnt, Gewalt ist kompromißlos zu verurteilen und zu bekämpfen!

Dieses Bekenntnis habe ich von keinem Redner, von keiner Rednerin der vereinigten Linken in diesem Haus heute gehört! Das sind Sie schuldig geblieben! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Bei Ihnen heiligt der Zweck die Mittel – wenn der Zweck nur ein linker ist!

Es war doch entlarvend, wie man sich hier um die Rechte des Herrn Öcalan gesorgt hat – ich sage noch einmal: Blut klebt hundertfach an seinen Händen – und wie relativierend, ja beinahe schon wie unabdingbar man die Anwendung der Gewalt in dieser Frage bei der Durchsetzung der Ziele der PKK darzustellen versucht hat.

Ich kann nicht glauben, daß Sie diese Ziele nicht kennen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der vereinigten Linken! Sie pflegen doch seit Jahren intensive Kontakte zu diesem Terrorumfeld: Sie marschieren jeden 1. Mai gemeinsam auf, Sie demonstrierten erst jüngst gemeinsam mit der PKK, zusammen mit der KPÖ und den Genossinnen und Genossen der Rot-Alternativen.

Aber ich sage Ihnen sicherheitshalber – und für eine breitere Öffentlichkeit gedacht –: Die Ziele der PKK – und ich zitiere, damit Sie mich nicht der Manipulation beschuldigen können, aus dem Staatssicherheitsbericht Österreichs aus dem Jahre 1997 – lauten wie folgt. – Merken Sie bitte auf, wenn Sie das nicht wissen sollten!

Ich zitiere also aus dem Sicherheitsbericht 1997: Die PKK versteht sich als eine revolutionäre kommunistische Befreiungsbewegung, in der der revolutionären Gewalt sowohl ideologisch als auch praktisch ein bedeutender Stellenwert zukommt. Diese revolutionäre Gewalt müsse sich auch im bewaffneten Kampf ausdrücken. – Zitatende.

Und dementsprechend schaut natürlich auch die Praxis der von Ihnen hier heute mit so viel Verständnis bedachten PKK aus: besetzte Botschaften, Geiselnahmen, Brandanschläge, Straßenblockaden, verwüstete Geschäfte und schwere Körperverletzung. (Abg. Mag. Stadler: Schwarzgelderpressung!) Natürlich!

Eine letzte Anmerkung hiezu: Ich glaube, es gibt keinen Rechtsstaat, in dem Botschaftsbesetzer und Geiselnehmer ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Wenn Sie bitte allmählich an das Ende denken!

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (fortsetzend): ... mit der Polizei lediglich Visitenkarten ausgetauscht und sich dann freundlich voneinander verabschiedet haben.

Ich glaube, das ist weniger eine Facette des österreichischen Operettenstaates als vielmehr Ausfluß Ihrer nicht akzeptablen Kumpanei mit dem terroristischen Umfeld. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.01

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Da dieser Diskussionsbeitrag offenbar zu Ende geführt wurde, unterbreche ich nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 1 bis 4 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Eine laut Computer verlangte tatsächliche Berichtigung seitens der Frau Abgeordneten Dr. Gredler kann ich daher erst nach Verhandlung der Dringlichen Anfrage aufrufen.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Volker Kier, Maria Schaffenrath und PartnerInnen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Fehlstart für "NEW START": Debakel der großkoalitionären Beschäftigungspolitik aufgrund jahrelanger Verschleierung von Strukturmängeln im Arbeitsmarktservice (5823/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 5823/J.

Da diese Anfrage inzwischen allen Damen und Herren Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Erst vor wenigen Tagen wurden in der Öffentlichkeit Existenz und Inhalt der ,BVS-Analyse‘ des AMS Arbeitsmarktservice Österreich bekannt. Die dafür beauftragte St. Gallener Consulting-Firma ,Focus‘ äußert in der fast 200 Seiten starken Studie schwere Kritik an der Organisationsstruktur, der Effizienz, aber auch der politischen Abhängigkeit des AMS und rät zu einer grundlegenden Reorganisation der Arbeitsmarktverwaltung. Damit legt die unabhängige Schweizer Consultinggruppe erstmals detailliert jene Schwächen bloß, die in den vergangenen Monaten zu heftigen, öffentlich geführten Auseinandersetzungen geführt hatten. Während die Schweizer Studie jedoch vor allem strukturelle Mängel offenlegt, haben die Regierungsparteien, allen voran Bundeskanzler, Sozialministerin, aber auch der Wiener Landeshauptmann, sich in erster Linie darauf beschränkt, eine Personaldebatte rund um den Landesgeschäftsführer des Wiener AMS, Klaus Werner, zu führen.

Die Tatsache, daß die Bundesregierung seit Monaten versucht, mittels beinahe allwöchentlicher Ankündigungen diverser Aktionsprogramme, der Glättung von Arbeitslosenstatistiken sowie einer von den Sachfragen ablenkenden Personaldiskussion ihre langjährigen Reformversäumnisse zu verschleiern, verdient eine eingehendere Betrachtung. Besonders signifikant schlägt sich dieses Versagen der Regierungspolitik in der mangelnden Aussagekraft der veröffentlichten statistischen Daten zur Arbeitslosigkeit nieder.

Versteckte Arbeitslosigkeit: Ziemlich unbemerkt ist der Bericht der EU-Kommission über ‚Unterbeschäftigung in der Europäischen Union 1997‘ geblieben. Dort kommt die Kommission zu dem Schluß, daß die Arbeitslosenrate in Österreich statt 7,1 Prozent mindestens 10,3 Prozent, wenn nicht gar 10,8 Prozent beträgt. Hierin sind jedoch nicht einfach die (1997) 206 000 Frühpensionisten enthalten, sondern (alle Zahlen aus 1997):

Lehrstellensuchende: 5 855, SchulungsteilnehmerInnen 22 211, Karenzgeldbezieherinnen ohne bestehendes Arbeitsverhältnis 36 236, Sondernotstandshilfe 9 292, Pensionsvorschuß 13 538, Sonderunterstützung 9 057, Vorzeitiger Ruhestand wegen Arbeitslosigkeit 21 014, Gesamt 117 248 = 10,3 Prozent

Rechnete man die sogenannten Entmutigten (19 533) hinzu, käme man auf eine Quote von 10,8 Prozent Wie gesagt, sind die Frühpensionisten aufgrund ausreichender Versicherungszeiten hier nicht zugezählt.

Ein weiterer Beleg ist darin zu erblicken, daß bisher die Fähigkeit zur Erreichung des Zieles ‚Arbeitslose in Arbeit zu bringen‘, ohne Differenzierung nach dem Kriterium einer Wiedereinstellungszusage anläßlich der Beendigung eines zuletzt innegehabten Arbeitsverhältnisses (Saisonbeschäftigte) oder einer fehlenden derartigen Zusage vorgenommen wurde. Dies hat zu nicht unwesentlichen Verzerrungen bei der Erfolgskontrolle sowie zu Fehlinterpretationen bei der strukturellen Qualitätsanalyse geführt, ein Faktum, das nicht zuletzt durch die ‚Focus‘-Studie aufgezeigt wurde. Verzichtet man bei der Messung der genannten Zielerreichung darauf, auch Saisonniers (mit Wiedereinstellungszusage) als durch AMS-Vermittlungstätigkeit Wiederbeschäftigte mitzurechnen, wird das Ranking der einzelnen Bundesländer und damit auch der Landesgeschäftstellen des AMS geradezu auf den Kopf gestellt. Es darf zweifelsfrei angenommen werden, daß dieses Faktum den BeamtInnen des BMAGS kraft eigener Expertise bekannt war und ist, daß

Schlußlichter die Bundesländer Tirol und Burgenland sind und

nur Vorarlberg und Wien über dem Bundesschnitt liegen.

Im Sommer 1998 wurden dem Liberalen Forum erstmals Pläne des AMS Wien bekannt, angeblich zur besseren Vermittlungstätigkeit Langzeitarbeitsloser Psychoscreenings an einem privaten Testinstitut durchführen zu lassen. Die daraufhin ausgelöste Protestwelle führte einerseits zur vorübergehenden Einstellung bereits laufender Psychotests durch das Rote Kreuz, andererseits zur ersten Ankündigung von Sozialministerin Lore Hostasch, angesichts der katastrophalen Entwicklung auf dem Wiener Arbeitsmarkt den Leiter des AMS Wien durch AMS-Bundesgeschäftsführer Herbert Buchinger zu ersetzen.

Die allseits geäußerte Kritik an der Wiener Arbeitsmarktsituation betraf in erster Linie die hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen, die weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. So haben in Wien die Aufwendungen für Notstandshilfe-BezieherInnen (= überwiegend Langzeitarbeitslose) bereits 1996 die Aufwendungen für Arbeitslosengeld-BezieherInnen (= Kurzzeitarbeitslose) deutlich überschritten.

Betrachtet man den Bundestrend, so zeigt sich eine ähnliche, wenngleich etwas verspätet eintretende Entwicklung: Hat die Zahl der Notstandshilfe-BezieherInnen bis 1994 weit weniger als die Hälfte ausgemacht (1990: 44 118 NH-BezieherInnen; 97 912 AL-Geld-BezieherInnen), so dürfte sich heuer deren Zahl beinahe angleichen: Die letzten verfügbaren Zahlen (Oktober 1998) zeigen, daß zu diesem Zeitpunkt 106 369 BezieherInnen von Arbeitslosengeld bereits 91 471 Notstandshilfe-BezieherInnen gegenüberstanden.

Es ist leider schon beinahe überflüssig festzustellen, daß von der negativen Entwicklung überwiegend Frauen betroffen sind: So lag der Zuwachs bei den Frauen-Arbeitslosenraten kontinuierlich zwischen 2 und 3 Prozent über dem der Männer; Frauen weisen außerdem eine um ein Drittel längere Arbeitslosigkeitsdauer auf. Verschlechtert werden die schwierigen Bedingungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt durch die rückwärtsgewandte Politik der ÖVP-Konservativen, die unter dem Deckmantel ‚Karenzgeld für alle‘ in Wirklichkeit Frauen aus dem Arbeitsmarkt möglichst eliminieren wollen – eine Politik, die in ihrer Unaufrichtigkeit nur noch von den sogenannten Beschäftigungsprogrammen des Bundeskanzlers und seiner Sozialministerin übertroffen wird.

Der rapide Anstieg der Langzeitarbeitslosen binnen weniger Jahre um mehr als 100 Prozent beweist vor allem, daß weder Regierung noch AMS imstande sind, das Phänomen steigender und bleibender (dauerhafter) Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Dabei manifestiert sich das Versäumnis der Regierung unter dem ‚Beschäftigungskanzler‘ Viktor Klima in zwei Schwerpunkten: im Versagen bei einer Reform des AMS sowie in jenen, nur mehr als virtuell zu bezeichnenden ‚beschäftigungspolitischen‘ Maßnahmen, wie sie zuletzt im Ausseer Punkteprogramm erneut vorgeführt wurden.

1. Untätigkeit bei der Reform des AMS:

Im Jahre 1994 wurde die damalige Arbeitsmarktverwaltung in Arbeitsmarktservice umbenannt und als solches aus der unmittelbaren Verwaltung des Arbeits- und Sozialministeriums ausgegliedert. An die Stelle der Ministerialbürokratie trat eine ausgeklügelt sozialpartnerschaftlich besetzte Verwaltungseinheit, in der sich heute der Proporz bis in die kleinsten regionalen Geschäftsstellen hinunterzieht. Die Kompetenz der zuständigen Bundesministerin Lore Hostasch beschränkt sich ausschließlich auf ihre Tätigkeit als Aufsichtsbehörde, was bedeutet, daß das AMS in den Händen von demokratisch nicht legitimierten Kammer- und Gewerkschaftsfunktionären ruht und weitgehend der parlamentarischen Kontrolle durch den Nationalrat entzogen ist.

Dies meint auch der Bericht der schweizerischen Consultinggruppe ‚Focus‘, wenn er lapidar feststellt, daß das AMS ‚nach wie vor stark dem politischen Einfluß unterliegt‘ (‚Management Summary (1)‘). Im folgenden werden in der Analyse grob die folgenden ‚nachhaltigen Schwächen‘ skizziert:

Ineffiziente Doppelgleisigkeiten zwischen AMS-Bundes- und -Landesebene.

Projekt- und Themenduplizität: Statt Konzentration auf das Beratungs- und Vermittlungsservice werden gleichartige Themen von unterschiedlichen Stellen gleichzeitig behandelt.

Überdimensionierung und Bindung der personellen Kapazität bei Steuerungsaufgaben.

Fehlende Koordination bei der Umsetzung der Projekte.

Auftretende Über- und Unterkapazitäten vor Ort aufgrund des Fehlens eines dynamischen Verteilungsschlüssels.

Geringer ‚Wertschöpfungsanteil‘: nur 47 Prozent der Arbeitszeit der Berater werden für den Kundenkontakt aufgewandt, überhaupt nur 10 Prozent der Arbeitszeit, und damit bloß 15 bis30 Minuten pro Fall, gehen in die direkte Beratung.

Die schlechte Organisationsstruktur bindet zusätzlich Zeit für Abstimmungsnotwendigkeiten, hinzu kommt eine mangelhaft ausgerüstete EDV.

Die BeraterInnen sind für die Anforderungen durch ihr Jobprofil nicht ausreichend qualifiziert, es gibt keine Qualitäts- und Betreuungsstandards für die unterschiedlichen Zielgruppen unter den Arbeitsuchenden.

‚Der größte Hebel liegt (...) in der Lösung der Schnittstellenprobleme‘ – damit meint die Studie das im AMS nicht gelöste aufbau- und ablauforganisatorische Problem der kaum vernetzten Sparten für Arbeitsuchende, für die Auszahlung der Versicherungsleistungen sowie für die Beratungsstelle von Unternehmen – Sparten, die überdies häufig disloziert an unterschiedlichen Orten bestehen.

Für Arbeitsuchende nimmt das AMS zwei unterschiedliche und nach Meinung der Liberalen unvereinbare Aufgaben wahr: die Stellenvermittlung einerseits sowie die Auszahlung der Versicherungsleistung andererseits, was AMS-Chef Herbert Buchinger einmal mit dem ‚Kampf‘ umschrieb, ‚auf der einen Seite die helfende und auf der anderen Seite die strafende Hand‘ zu sein (vgl. ‚Kurier‘, 5.9.1998). In seiner Vermittlungstätigkeit tritt das AMS jedoch quasi als Monopol auf, was mittlerweile sogar beim Generalsekretär der Wirtschaftskammer Stummvoll die Erkenntnis reifen ließ, die starren Strukturen und Barrieren für private Arbeitsvermittler seien aus dem Weg zu räumen (vgl. ‚SN‘ 11.2.1999). Eine überbürokratische und wettbewerbsverhindernde Gesetzeslage macht es derzeit nämlich unmöglich, daß private Arbeitsvermittler im größeren Rahmen ihre Dienste anbieten können.

Der Sonderfall AMS Wien

Die Partikularinteressen der einzelnen Fachgewerkschaften (Angestellte, Bau-Holz, Bekleidung, Lebensmittel u.a.) haben bisher verhindert, daß in Wien – im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern – die branchenspezifischen Facharbeitsämter in regionalisierte Geschäftsstellen umgewandelt worden wären. Dies führt dazu, daß Arbeitsuchende in Wien häufig aufgrund von Kompetenzunklarheiten sowie Zuordnungsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Facharbeitsämtern mehrmals hin und her geschickt werden.

Bemerkenswerterweise hatte der Wiener AMS-Chef Werner bereits 1996 eine ‚Langfristige Standort- und Organisationsplanung‘ für das AMS Wien vorgelegt, welche eine endgültige Auflösung der branchenspezifischen Arbeitsämter und deren Regionalisierung vorsieht: Für alle Geschäftsstellen ist in dem Papier ein ‚integriertes Leistungsangebot‘ vorgesehen, das heißt Arbeitsvermittlung, Auszahlung der Versicherungsleistung und Unternehmerservice an einer Stelle. Aufgrund massiver Proteste der Fachgewerkschaften, die um den drohenden Verlust ihres Einflusses wußten, verschwand dieses Konzept in den Schubladen. Zugleich erzeugte dieses Reformpapier einen Konflikt zwischen Landesgeschäftsführung Wien und den im entscheidenden Landesdirektorium sitzenden Gewerkschaftsfunktionären – eine Machtprobe, von der das oberste AMS-Gremium, der Verwaltungsrat, und selbstverständlich auch die Bundesministerin als oberstes Aufsichtsorgan Bescheid wissen mußten.

Während dem zuständigen Sozialressort die Fachgewerkschaften als blockierende Hauptakteure für eine Reorganisation des AMS Wien bekannt waren, äußerte die Sozialministerin im August 1998 öffentlich ihr Vorhaben, den Landesgeschäftsführer Klaus Werner durch den Bundesgeschäftsführer Herbert Buchinger zu ersetzen, ein Ansinnen, das nicht anders zu interpretieren ist, als den Fachgewerkschaften den Rücken zu stärken und die wahren strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu verschleiern und deren Heilung zu verhindern. Noch deutlicher äußerte sich zuletzt der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der noch nach der Bestätigung Werners in seinem Amt am 16.2.1999 auf dessen sofortige Absetzung drängte (APA, 18.2.1999). Abgesehen von den unsachlichen und fehlinformierten Äußerungen des ÖVP-Klubobmannes Andreas Khol erweisen sich die SozialdemokratInnen mit ihrem Kniefall vor den Gewerkschaften erneut als die eigentlichen Bremser für eine Reform der Arbeitsmarktpolitik.

Wie wenig die Gewerkschaftsfunktionäre tatsächlich bereit sind, eine Reorganisation des AMS Wien mitzutragen, zeigt sich in einem gemeinsamen internen Schreiben von ÖGB und Arbeiterkammer vom 29.1.1999, in welchem sich die Arbeitnehmervertreter im AMS Wien ausdrücklich vom Reformkonzept der Landesgeschäftsführung distanzieren und die Beibehaltung der Fachstruktur einfordern. Damit ist ernsthaft zu befürchten, daß es erst recht wieder zu keiner Strukturreform des AMS Wien kommen wird. Dies macht nach Ansicht der unterfertigten liberalen Abgeordneten den Erklärungsbedarf seitens der Sozialministerin dringlich.

2. Die virtuelle Beschäftigungspolitik der Bundesregierung

‚Ich will Beschäftigungskanzler sein‘. Mit diesen Worten charakterisierte sich Viktor Klima am 1. Mai 1998, dem Tag der Arbeit, vor dem Wiener Rathaus. Die darauffolgenden Monate waren jedoch vor allem durch bloße Beschäftigungs-Ankündigungen gekennzeichnet. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang

der fehlgeschlagene Aktionismus der Bundesregierung in der Europäischen Beschäftigungspolitik während der Zeit der österreichischen Ratspräsidentschaft,

die Kurzzeitmaßnahmen im Bereich Lehrlingsbeschäftigung sowie

die zuletzt angekündigten Programme im Gefolge der Regierungsklausur in Bad Aussee.

Der Nationale Aktionsplan und die EU-Ratspräsidentschaft

Vor Beginn der österreichischen Ratspräsidentschaft hatte der Bundeskanzler noch erklärt, das vordringlichste Ziel seines Vorsitzes wäre die Beschäftigungspolitik sowie die Evaluierung der NAPs der einzelnen Mitgliedsländer. Noch knapp vor Beginn des Wiener Gipfels hatte die Bundesregierung einen vergeblichen Versuch unternommen, einige wenige Impulse für die Beschäftigungs-Leitlinien 1999 zu setzen. Zur großen Verwunderung vieler, aber ohne das Scheitern einzugestehen, blieb das Ergebnis des Gipfels dann alles schuldig, was über ein halbes Jahr lang vom Bundeskanzler versprochen worden war:

Weder gibt es neue ‚Beschäftigungspolitische Leitlinien 1999‘ – sondern die alten von 1998 wurden verlängert –,

noch wurden die NAPs der Mitgliedsländer evaluiert. Die Behandlung des diesbezüglichen Berichtes der Kommission wurde vielmehr auf Herbst 1999 verschoben, vielleicht auch deshalb, weil die Kommission selbst Bedenken an der Aussagekraft des Berichtes geäußert hatte, da die darin enthaltenen Daten und Statistiken nicht harmonisiert waren und eine Aussagekraft daher kaum gegeben war.

Nichts hatte der vor einem Jahr erstellte österreichische NAP ausgesagt über den dafür notwendigen Weg, nichts über die Zielvorgaben oder die Kosten, außer der Ankündigung, 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze bis 2001 zu schaffen: Peinlicherweise aber hatte das Wifo zu Jahresanfang 1998 – Monate vor dem NAP – eine Studie mit dem Titel ‚Szenario für das Jahr 2001‘ verfaßt, in welcher die Autoren aufgrund der zu erwartenden Wirtschaftsentwicklung von 100 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen für denselben Zeitraum ausgegangen waren – ohne die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht definierten ‚Maßnahmen‘ des NAP berücksichtigen zu können.

Der NAP hat auch nichts an der Tatsache geändert, daß Österreich unter den EU- Ländern eines der Schlußlichter ist, was die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik betrifft: Nicht einmal 0,5 Prozent des BIP werden für diese Aufgabe aufgewandt, die außerdem nur knapp 10 Prozent aller Arbeitslosen überhaupt zugute kommt (Deutschland: 1,5 Prozent des BIP).

Keine konkreten Pläne finden sich im NAP für eine größere Flexibilität der Arbeitsorganisation, durch Entbürokratisierung gerade bei Klein- und Mittelbetrieben oder durch die Förderung von Investitionen mit privatem Kapital und Wettbewerb – alles Vorhaben, die sich andererseits in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 29. Jänner 1997 durchaus finden.

Der Anteil der Selbständigen bleibt mit nur 6,6 Prozent (EU-Durchschnitt 12,7 Prozent) der niedrigste in der EU,

die Frauenbeschäftigungsquote stagniert auf ihrem niedrigen Niveau (bei rund 61 Prozent),

die Arbeitslosenrate von Frauen ist wesentlich höher als jene der Männer und im Gegensatz zu diesen gestiegen (7,5 Prozent gegenüber 6,9 Prozent),

Frauen sind länger und in jüngeren Jahren von Arbeitslosigkeit betroffen.

Der fromme Wunsch der Bundesregierung im NAP, die Arbeitslosenrate (derzeit 4,5 Prozent beziehungsweise 7,2 Prozent) auf 3,5 Prozent bis 2001 zu senken, wurde von Experten wie Karl Pichelmann vom IHS ‚mit dem Ziel eines Achtjährigen verglichen, der sagt, er möchte Olympiasieger werden‘.

Lehrlingsbeschäftigung:

Im nachhinein machte die Regierung ‚zusätzliche‘ 1,8 Milliarden Schilling für die Lehrlings-Auffangnetze locker (Klima: ‚Nationale Kraftanstrengung‘), allerdings auf Kosten vieler Maßnahmen im Bereich arbeitsloser Frauen oder Langzeitarbeitsloser, deren Programme vielfach flächendeckend eingestellt wurden. Insgesamt hatte die ‚Nationale Kraftanstrengung Lehrlingsoffensive‘ zur Folge, daß dem AMS bereits im März des Vorjahres die Luft ausging. Nicht zuletzt wegen der zweckentfremdeten (bereits 7 Milliarden Schilling) Milliarden, die jährlich an die Pensionskassen überwiesen werden, aber auch wegen der für die Lehrlingsförderung ,abgezweigten‘ Mittel war in fast allen Bundesländern bereits das gesamte Budget vorzeitig erschöpft. Durch diese Maßnahmen (Lehrgänge und Lehrlingsstiftungen) konnte die Zahl der Lehrstellensuchenden zwar auf derzeit rund 2 600 Personen gedrückt werden. Keinerlei Überlegungen wurden aber seitens der Koalition angestellt, was nach Auslaufen dieser (Not-)Programme in zwei Jahren mit jenen Lehrlingen passiert, die aus den vorübergehend eingerichteten Lehrgängen ausscheiden, ohne inzwischen eine geeignete Lehrstelle gefunden zu haben, ganz zu schweigen von den Neuzugängen, die alljährlich den Lehrstellenmarkt betreten.

Bad Ausseer Regierungsklausur

Im Ausseer Papier finden sich unter den knapp hundert Vorhaben, deren Umsetzung die Regierung für die Zeit noch vor den Wahlen ankündigte, 20 Punkte unter dem Titel ‚Arbeitslosigkeit bekämpfen‘. Damit soll – nachdem 1998 den ‚Jungen‘ gegolten hatte – der Wunsch des Beschäftigungskanzlers erfüllt werden, nunmehr das Jahr 1999 den älteren Arbeitslosen zu widmen. Obwohl der Bundeskanzler nach eigenen Aussagen nicht ‚saldenfixiert, sondern auf Menschen fixiert‘ ist, seien zwei Prognose-Zahlen des Wifo für das Jahr 1999 vorausgeschickt:

BIP-Wachstumsrate: 2,3 Prozent (wurde bereits nach unten revidiert),

Arbeitslosenquote: 7,1 Prozent (wurde im Dezember nach oben revidiert).

Namhafte Experten wie Norbert Geldner vom Wifo werden daher nicht müde zu betonen, daß die Entscheidung über die Entwicklung des Arbeitsmarkts außerhalb des Gestaltungsbereichs der Arbeitsmarktpolitik fällt. Trotz der günstigen Entwicklung beim Beschäftigungszuwachs wird demnach die Arbeitslosigkeit auch 1999 nicht zurückgehen. Da der Trend zu unkonventionellen Dienstverhältnissen anhalten wird (Geldner), wird es zusätzlicher Flexibilisierung und einer grundlegenden Anpassung des Sozialsystems bedürfen, statt neuer Regulierungen, wie von der Regierung in Aussee beabsichtigt:

Come back – Das Ausmaß der Zahlung von Lohnsubventionen an Betriebe wird erhöht: Dieses Programm verbraucht enorm hohe Zuwendungen aus der ausschließlich lohnnebenkostenfinanzierten Arbeitslosenversicherung und überläßt die vorübergehend Beschäftigten nach Ablauf der Sonderaktion einer ungewissen Zukunft.

Ähnliches gilt für die ‚Neuerfindung‘ der alten Dallinger-‚Aktion 8000‘ (damals für die Integration 8 000 Beschäftigungsloser in den Arbeitsmarkt eingerichtet) durch Ministerin Hostasch – nimmt sich als ‚Aktion 800‘ allerdings wesentlich bescheidener aus, bekam dafür allerdings den klingenden Namen ‚NEW START‘ verpaßt.

‚Job-Coaching-Programm‘ für 40 000 ‚Kurzzeitarbeitslose‘, auch das ‚Klima-Zusatzprogramm‘ genannt:

Eine Variation des ‚Trick 17‘ des oberösterreichischen AMS-Landesgeschäftsführers Roman Obrovski, der damit zum Musterschüler bei der Senkung der Zahl der in der Statistik ausgewiesenen Langzeitarbeitslosen avancierte. Obrovski verkürzte die Mindestdauer der Schulungsmaßnahmen auf 29 Tage: Dadurch lassen sich einerseits mehr Beschäftigungslose in Maßnahmen unterbringen (statistische Schönung der Arbeitslosendaten), andererseits wird nach 29 Tagen ‚in einer Maßnahme‘ jeder Arbeitslose als Neuzugang gezählt, wodurch in Oberösterreich die Langzeitarbeitslosen-Rate ‚erfolgreich‘ gedrückt werden konnte.

Das ‚neue‘ Job-Coaching-Programm fügt sich nahtlos an die Klima-Ankündigung von der Verdoppelung der KursteilnehmerInnen an (siehe ‚Trick 17‘) und stellt zugleich den sozialdemokratischen Kotau vor der vom Bürgerblock rund um Andreas Khol und Jörg Haider stets beargwöhnten ‚Sozialen Hängematte‘ dar: Diese Schulungen (350 Millionen Schilling jährlich) werden verpflichtend sein – eine Ankündigung, die angesichts der unrealistischen Größe von 40 000 Personen (derzeit sind bundesweit pro Jahr 20 000 Menschen in Schulung) bei den Verantwortlichen im AMS bloß Kopfschütteln auslöst. Immerhin hat der Beschäftigungskanzler damit einen weiteren Nachweis erbracht, daß er nicht zahlenfixiert ist.

Frauen: Beihilfen zur Kinderbetreuung wurden angekündigt, um die Wiedereingliederung zu erleichtern. Derzeit stellt das AMS für die von der Sozialministerin so propagierte (aber kaum rezipierte) ‚Bildungskarenz‘ jedoch keinerlei Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung – einer der vielen Gründe, weshalb die Regierungsmaßnahmen zur freiwilligen Arbeitszeitreduzierung nicht gegriffen haben.

Andere Vorhaben wie der ‚Pakt für ältere Arbeitnehmer‘ (geförderte Teilzeitarbeit bei Aufrechterhaltung des vollen Abfertigungsanspruchs) oder der leichtere Zugang in die Gleitpension zeichnen sich rundweg dadurch aus, daß kein struktureller Reformgehalt zu erkennen ist. Vielmehr werden komplizierte und nutzlose Regelungen (Bonus-Malus-System, Bildungskarenz et cetera) weiter verkompliziert, wodurch neben den zusätzlichen Verwaltungskosten in Betrieben und Behörden ein verständliches Arbeits- und Sozialrecht ohnedies längst Schimäre geworden ist.

Anstatt sinnvolle Vorschläge aufzugreifen, wie Arbeitskräfte-Pools nach niederländischem Vorbild gerade für ältere Arbeitnehmer zu schaffen, werden weiterhin öffentliche Budgetmittel für nutzlose Aktionen ausgegeben. Der einzige Erfolg ist die Verschleierung der wahren Arbeitsmarkt-Verhältnisse (nach Berechnung der EU-Kommission 3,2 Prozent verdeckte Arbeitslosigkeit), womit sich die SPÖ-ÖVP-Koalition über die Wahlen retten will. Wie wäre es anders zu erklären, daß nicht nur die ‚nationale Kraftanstrengung Lehrlingsoffensive‘, sondern auch das ‚Sonderprogramm zur Absenkung der Arbeitslosigkeit in Wien‘ eine Laufzeit von Mai bis Oktober 1999 aufweist, mit dem Ziel, die Arbeitslosigkeit um 5 000 Personen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres abzusenken.

Der größte Hemmschuh neben dem aus gewerkschaftlichen Partikularinteressen heraus für Reformen blockierten AMS sind die Sozialversicherungsträger aufgrund der über Jahrzehnte fehlgelaufenen Sozialgesetzgebung durch die regierungsverantwortlichen Parteien SPÖ und ÖVP. Neben politischen Willkürakten wie beispielsweise der Schaffung von bereits fünf verschiedenen Werkvertragsreglungen innerhalb der vergangenen dreieinhalb Jahre sind es wiederum die entgegenlaufenden Machtinteressen in den ausschließlich proporzbesetzten Gremien des Sozialversicherungs-Verbandes, die für den Strukturkonservativismus verantwortlich zeichnen. In dieser Situation verblieb der Verfassungsgerichtshof in jüngster Zeit als einzige Instanz, um den panikartigen und unbedachten Gesetzeswerken der Koalitionsregierung einen Riegel vorzuschieben (Teilaufhebung der Werkvertragsregelung, Aufhebung der Notstandshilfe-Regelung für AusländerInnen – in beiden Fällen sind allerdings neuerliche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof wegen Gleichheits- und Verfassungswidrigkeit anhängig).

In diesem nach Ansicht der liberalen Abgeordneten demokratiepolitisch gefährlichen Spiel mit hohen Erwartungshaltungen in der Bevölkerung hat die Sozialministerin eine entscheidende Rolle gespielt. Im Gegensatz zu der bisher geschätzten Bemühung Frau Hostaschs, im schwierigen Spagat zwischen sozialpartnerschaftlichen Partikularinteressen und den von wenig sozialer und wirtschaftlicher Kompetenz getragenen Vorschlägen des kleinen Koalitionspartners ÖVP wenigstens einige sinnvolle Akzente zu setzen, hat die Bundesministerin in den vergangenen Monaten versagt, dem populistischen Aktionismus des Bundeskanzlers einen von Kompetenz und Augenmaß getragenen, fachgerechten Widerstand entgegenzusetzen.

Weiters und vielmehr zeigen die Vorgänge rund um die Reorganisation des AMS, insbesondere des Wiener AMS, daß die Bundesministerin im Machtstreit zwischen Strukturreform und gewerkschaftlichen Interessen ihre Funktion als oberstes Aufsichtsorgan nicht wahrgenommen hat, wenn nicht sogar der Blockade seitens der Fachgewerkschaften durch das Anheizen einer Personaldebatte Vorschub geleistet hat. In dieser Situation und angesichts der weiterhin besorgniserregenden Arbeitsmarktbefunde stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehende

Dringliche Anfrage

1. Wieweit sehen Sie sich noch imstande, Ihrer Position als oberstes Aufsichtsorgan des AMS gerecht zu werden, nachdem Sie im vergangenen November die Ablöse Klaus Werners durch Herbert Buchinger angekündigt hatten und diese Ankündigung wieder zurücknehmen mußten, nachdem der in Ihrem Ressort angesiedelte Verwaltungsrat ‚jetzt personellen Veränderungen nicht Vorrang‘ eingeräumt hatte, und welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

2. Wie beurteilen Sie die bisherige Arbeit des Landesgeschäftsführers des AMS Wien beziehungsweise halten Sie diese für geeignet, das zumindest auf dem Papier beschlossene Reorganisationsprogramm für das AMS Wien durchzuführen?

3. Welches Gewicht und welche Bedeutung hat es für Sie als oberstes Aufsichtsorgan des AMS, wenn der Wiener Landeshauptmann die ‚sofortige Ablösung‘ des Wiener AMS-Landesgeschäftsführers fordert – zwei Tage nach dessen Bestätigung durch den in Ihrem Ressort angesiedelten Verwaltungsrat?

4. Welches Gewicht und welche Bedeutung hat es für Sie als oberstes Aufsichtsorgan des AMS und als Regierungsmitglied, wenn ihr Regierungskollege Wolfgang Schüssel das AMS als ‚Altorganisation‘ bezeichnet, der Klubobmann Ihres Koalitionspartners Andreas Khol das AMS als ‚Spielball sozialistischer und gewerkschaftlicher Interessen‘ charakterisiert und Sie auffordert, ‚Ordnung zu schaffen‘? Teilen Sie die Ansicht Khols, daß im Wiener AMS arbeitsunfähige und -unwillige Langzeitarbeitslose‘ vorsätzlich im Versichertenkreis der Notstandshilfe-BezieherInnen gehalten würden?

5. Wie stehen Sie zu den oftmals geäußerten Überlegungen des Liberalen Forums nach einer Ausgliederung der Notstandshilfe aus der Arbeitslosenversicherung und deren Umwandlung in eine grundsicherungsförmige ‚Bundessozialhilfe‘ – durchaus ergänzt durch die bestehenden Landessozialhilfen?

6. Laut Beschlußantrag für die Reform des AMS Wien, eingebracht in der Landesdirektoriumssitzung am 26. Jänner 1999, stellt die Dezentralisierung des AMS nur einen ersten Schritt zur Kundenorientierung des AMS dar. Weshalb wurden derartige Maßnahmen nicht schon früher gesetzt, nachdem eine Reihe von Vorschlägen aus Ihrem Hause und dem AMS bereits vorgelegen sind?

7. Wie stehen Sie in diesem vorgenannten Zusammenhang (Frage 6) zum Konzept Klaus Werners ‚Langfristige Standort- und Organisationsplanung‘ vom August 1996 sowie zu dessen Analyse- und Konzeptbericht von 1998, welche sämtlich seitens Ihrer KollegInnen aus der Gewerkschaft abgelehnt worden waren?

8. Die Ergebnisse aus der Analyse von ‚Focus‘ decken sich mit der im März 1998 im AMS Wien präsentierten Schnittstellenanalyse sowie einem neuerlichen, im Mai 1998 vorgelegten Reorganisationskonzept. Vor zwei Tagen hatten Sie indes noch im ‚Kurier‘ geäußert, Sie hätten die Schweizer Studie noch nicht gelesen, obwohl der 186seitige Zwischenbericht das Datum 21. Dezember 1998 trägt. Ist Ihnen die ‚Focus‘-BVS-Analyse mittlerweile bekannt? Wenn ja, seit wann (Datum und Kalenderwoche) und wie beurteilen Sie diese und welche Schlußfolgerungen für Ihre politische Arbeit ziehen Sie daraus?

9. Sind Sie für eine Beibehaltung der ‚Positiven Elemente der Fachstruktur‘, also der Facharbeitsämter auch in einem ‚reformierten‘ AMS Wien, wie dies die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer verlangen? Wenn ja, warum – und weshalb benötigen die restlichen acht Landes-AMS eine derartige fachgewerkschaftliche Struktur bereits seit über 20 Jahren nicht mehr?

10. Teilen Sie die Meinung der Gewerkschaften und der Arbeiterkammer, daß Fachstrukturen erforderlich sind, weil ‚Wien eben anders‘ sei? Wie beurteilen Sie in dieser Hinsicht die Aussage der ‚Focus‘-Analyse: ‚Wien ist nicht anders, nur größer‘?

11. Was sind nach Ihrer Ansicht die Gründe für die jahrelange Verzögerung von Reformmaßnahmen im AMS Wien? Gibt es im Bereich der Bundesgeschäftsstelle ähnliche Vorarbeiten, wie sie bereits seit Jahren in der Landesgeschäftsführung Wien existieren?

12. Wie viele der neun Landesgeschäftsführer (plus dem Bundesgeschäftssführer) sind Mitglieder einer politischen Fraktion innerhalb der Gewerkschaft? Stellt es nach Ihrer Ansicht ein Hindernis für die Fortsetzung einer AMS-Geschäftsführertätigkeit dar, wenn ein Landesgeschäftsführer seine Fraktionsmitgliedschaft zurücklegt?

13. Wie stehen Sie zur Forderung jener ÖVP-nahen Arbeitgebervertreter im AMS, die den im kommenden Jahr frei werdenden Posten des Tiroler Landesgeschäftsführers explizit mit einem Christgewerkschafter beziehungsweise ÖVP-Mitglied besetzen wollen?

14. Der private Arbeitsvermittler ‚Social Act‘ gab erst dieser Tage öffentlich bekannt, daß er im Land Vorarlberg bereits seit eineinhalb Monaten einen Hilfsarbeiter suche (Vorarlberg: 8 288 Arbeitslose, Stand Jänner 1999). Bereits seit Jahren klagen private Vermittler, daß sie von Informationsflüssen abgeschirmt seien und es keine Kooperation seitens des AMS gebe. Gedenken Sie gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister die bürokratischen Hindernisse für diesen Berufsstand abzubauen (Exklusiv-Gewerbe, Prüfungen beim BMAGS für alle MitarbeiterInnen, Verbot des Arbeitsverleihs et cetera) sowie sich beim AMS für eine weitreichende Zusammenarbeit mit den privaten Anbietern einzusetzen?

15. Wie stehen Sie zu den einzelnen Maßnahmen, die der Bundeskanzler in den vergangenen Monaten angekündigt hat:

Job-Coaching-Programm (verpflichtende Sofortschulungen für 40 000 Arbeitslose),

Verdoppelung der Schulungsmaßnahmen,

Maßnahmen für ältere Arbeitslose,

und halten Sie diese Maßnahmen für realistisch und vom AMS beziehungsweise Ihrem Ressort leistbar?

16. Wie viele Arbeitslose befinden sich gegenwärtig jeweils nach Bundesland aufgegliedert in Schulungsmaßnahmen, und wie viele dieser Maßnahmen haben eine Laufzeit zwischen 29 und 45 Tagen?

17. In den vergangenen Monaten entstand zunehmend der Eindruck, daß Ankündigungen diverser Beschäftigungsaktionen durch den Bundeskanzler bisweilen unkoordiniert mit Ihrem Ressort und einseitig aus dem Bundeskanzleramt oder überhaupt gleich aus der Feder des Bundesgeschäftsführers der SPÖ Andreas Rudas stammen. Läuft die Informations-, Fakten- und Saldenbeschaffung für das Bundeskanzleramt nach wie vor über Ihr Ressort, oder erfolgt die Konzeption neuer Beschäftigungsprogramme im Bundeskanzleramt weitgehend unabhängig?

18. Bei medialen Auftritten stellen Sie immer wieder die Beschäftigung von Frauen in den Vordergrund. Die ‚Job-Offensive für Frauen‘ soll 16 000 Frauen einen Arbeitsplatz aufgrund von AMS-Qualifizierungsmaßnahmen bringen. Nach welchen Kriterien wird die Umsetzung erfolgen? Welche Zwischenschritte können Sie konkret nennen? In welchem Zeitraum ist mit der Erfüllung der Ankündigung zu rechnen?

19. Neben der Joboffensive für Frauen ist auch die Lehrlingsoffensive eines der Beispiele des Ankündigungspopulismus der Regierung. Insbesondere weibliche Lehrstellensuchende sind von fehlenden strukturellen Weichenstellungen betroffen. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um junge Frauen für nichttraditionelle Lehrberufe zu motivieren? Welche Unterstützungsmöglichkeiten planen Sie für Betriebe, um auch diese verstärkt nicht nur zu motivieren, sondern auch Schwierigkeiten während der Lehre für beide Beteiligte auszuräumen? – Der Gleichbehandlungsbericht listet auf, daß in 77 Betrieben interveniert werden mußte.

20. Welche Maßnahmen planen Sie, um dem von Wirtschaftsforschungsinstituten aufgezeigten Widerspruch zwischen den Maßnahmen für spezielle Zielgruppen – Lehrlinge, Frauen, ältere Arbeitskräfte – entgegenzuwirken?

21. Frauenprojekte, wie ‚Mira‘ oder ‚Kassandra‘, klagen über Mittelkürzungen und Streichungen aufgrund des Lehrlingsschwerpunktes der Regierung. Welche frauenpolitischen Gegenstrategien planen Sie in den künftigen Regierungssitzungen durchzusetzen?

22. Mangelnde Qualifikation und fehlende Kinderbetreuung sind die Hauptgründe für Beschäftigungslosigkeit von Frauen, insbesondere für Wiedereinsteigerinnen nach einer Betreuungspause. Die Möglichkeit der Bildungskarenz kann ebenfalls aufgrund fehlender Kinderbetreuungsangebote nicht genutzt werden. Welche Maßnahmen sind seitens Ihres Ressorts vorstellbar, um die Bildungskarenz auch für Frauen mit Betreuungspflichten zu ermöglichen?

23. Gemeinsam mit Ministerin Prammer haben Sie angekündigt, Frauen, die sich selbständig machen wollen, zu unterstützen. Sie haben weiters ein Gründerinnenprogramm des AMS vorgestellt – ein Programm, das jedoch ausschließlich registrierten Arbeitslosen offensteht. Weiters wurde die Einrichtung und der Ausbau von speziellen Gründerinnenberatungsstellen versprochen – statt zusätzliche Beratungsstellen zu schaffen, müssen tatsächlich jedoch die bestehenden um ihr Überleben kämpfen. Welche Schritte planen Sie, um Frauen den Weg in die Selbständigkeit zu ermöglichen?

24. Kurz vor dem Ausseer Gipfel hatte die SPÖ medial verkündet, Ministerien sollten nur noch Aufträge an Firmen vergeben, die frauenfreundlich und frauenfördernd sind. Nach der Klausur war davon nichts mehr zu hören. Wurde diese Forderung schubladisiert oder ist mit einer modifizierten Fassung zu rechnen?

25. Alle Punkte aus dem sogenannten ‚kleinen Familienpaket‘ – Flexibilisierung der Karenzzeit und der Meldefristen, eigenständiger Anspruch des Vaters, erhöhtes Karenzgeld für Alleinerzieherinnen auch ohne Angabe des Vaters, Teilzeitkarenz – sind bislang nicht verwirklicht. Bis zu welchem Zeitpunkt ist mit der Umsetzung zu rechnen? Werden Sie sich persönlich dafür einsetzen, diese – übrigens bereits von den Liberalen in Antragsform eingebrachten – Forderungen auch ohne Mitwirkung des Koalitionspartners noch in dieser Legislaturperiode einzubringen?

26. Wie stehen Sie heute zu Ihrem Vorschlag, berufstätigen Großmüttern und Großvätern die Möglichkeit zu geben, sich zur Betreuung ihrer Enkelkinder drei Monate karenzieren zu lassen? Halten Sie diesen Vorschlag nach wie vor für ein geeignetes Instrument? Für welche Maßnahmen werden Sie persönlich eintreten, damit die Betreuungssituation insbesondere in den Bundesländern durch ein verbessertes und flexibleres Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen entschärft wird?

27. Den MitarbeiterInnen des AMS wird von Betroffenen immer wieder vorgeworfen, in frauenspezifischen Anliegen nicht ausreichend geschult zu sein. Sehen Sie ebenfalls die dringende Notwendigkeit für eine Qualifikationssteigerung im Bereich Beratung für Arbeitsuchende durch BeraterInnen-Schulungen des AMS?

28. Die mit der Durchführung von psychologischen und fachlichen Tests beauftragte Firma Ratio GmbH hat trotz heftiger Proteste, die auch Gegenstand einer parlamentarischen Initiative des Liberalen Forums waren, am 1.1.1999 den Betrieb ihres Testinstituts aufgenommen. Laut Ihren eigenen Aussagen wurde der psychologische Teil jedoch bis zur Zustimmung der Datenschutzkommission sistiert.

a) Sind die psychologischen Testungen nach wie vor sistiert oder ist eine derartige Zustimmung mittlerweile erfolgt beziehungsweise hat die Datenschutzkommission hinsichtlich der Psychotests Bedenken geäußert – wenn ja, wie lauten diese?

b) Sie selbst haben derartige psychologische Testungen als nützlich bezeichnet (vgl. 4619/AB). Sollte eine Zustimmung der Datenschutzkommission noch nicht erfolgt sein, kann die Firma Ratio seit nunmehr zwei Monaten einen guten Teil der an sie gestellten Aufgaben nicht erfüllen.

i) Wie viele Testungen wurden seit dem 1.1.1999 von der Firma Ratio durchgeführt?

ii) Wie beurteilen Sie den Nutzen dieser Tests, sofern der psychologische Teil nach wie vor nicht durchgeführt werden sollte?

iii) Bleibt der finanzielle Gesamtaufwand an das Testinstitut unverändert mit 14 154 000 S (1 028 611 Euro) budgetiert?

29. Angesichts einer allgemein geforderten Transparenz der Arbeitsmarktdaten: Wie erklären Sie trotz der Möglichkeiten elektronischer Erfassung den Umstand, daß in den AMS-Arbeitsmarktdaten vom Jänner 1999 zwar eine aktuelle Zahl der gemeldeten Arbeitslosen vorliegt (300 612), allerdings im selben Bericht alle wesentlichen Daten über die Zahl der Leistungsbezieher vom Oktober des Vorjahres stammen (197 840)?

In formaler Hinsicht wird vor Eingang in die Tagesordnung die Durchführung der Debatte zum frühestmöglichen Zeitpunkt verlangt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Begründung der Dringlichen Anfrage gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kier zu Wort. Die Redezeit beträgt maximal 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Dringliche Anfrage des Liberalen Forums beschäftigt sich mit einem aus unserer Sicht leider von Tag zu Tag dringlicher werdenden Problem, nämlich der wachsenden Arbeitslosigkeit und der gleichzeitig wachsenden Ratlosigkeit der österreichischen Bundesregierung.

Diese wachsende Ratlosigkeit wäre normalerweise für eine Oppositionspartei etwas Erfreuliches, weil ratlose Regierungen eine bessere Wahlchance bedeuten, aber in diesem Fall ist die Wahlchance zu Lasten von arbeitslosen Menschen teuer erkauft, und ich meine, es wird Zeit, daß wir einen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik schaffen, daß wir Reformen schaffen, daß wir umdenken, daß wir uns den Menschen wirklich zuwenden und nicht nur Sprüche von uns geben, wie: Ich bin nicht saldenfixiert, sondern menschenfixiert.

Ich meine, wenn jemand das überhaupt sagen muß, dann weiß er, daß er in Wirklichkeit saldenfixiert ist. Sonst müßte er nicht darauf hinweisen, daß er menschenfixiert sein möchte. Ich will menschenfixiert sein. Es müßte selbstverständlich sein, daß die Politik den Menschen gilt und nicht den statistischen Zahlen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Frau Bundesministerin wurde heute von den Sozialpartnern der "Pakt für ältere Arbeitnehmer" überreicht, ein Papier, das wir unserer Dringlichen Anfrage noch gar nicht zugrunde legen konnten, aber wir haben den Medien, den Presseerklärungen und den Erklärungen der Frau Bundesministerin entnommen, was darin steht und was davon zu halten ist. Dazu muß ich sagen, dieser "Pakt für ältere Arbeitnehmer" setzt leider nahtlos alle Fehler der bisherigen Politik fort. Nahtlos!

Die Frau Bundesministerin hat gesagt, er baue auf dem Bestehenden auf, und man könne die Welt eben nicht jeden Tag neu erfinden. – Das ist eine Absage an kreative Lösungen. Natürlich muß man auf dem Bestehenden aufbauen. Ich kann nur sagen, das ist eine Leerformel. Niemand ist der Meinung, man kann Arbeitsmarktpolitik dadurch verbessern, daß man alles Bisherige einfach wegwirft und noch nicht einmal weiß, was man will. Man muß die Kurve nehmen, man muß eine Reform machen, die eine Entwicklung bedeutet, und das heißt immer: auf dem Bestehenden aufbauen. Aber in der Wortwahl der Sozialpartnerschaft bedeutet das eine gefährliche Drohung. Da heißt es nämlich: das Bisherige beibehalten. Das ist so, als ob man, wenn Schrauben wackeln, ein neues Gewinde hineinschneidet, und wenn dann die Schraube nicht mehr hineinpaßt, rundherum Silikon schmiert und so tut, als ob das jetzt eine feste Verbindung wäre. Das ist schlecht! In Wirklichkeit muß man manchmal ganze Teile auswechseln und auch etwas Neues machen statt des Alten. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.)

Wenn man die Welt nicht jeden Tag neu erfinden will, dann darf das nicht heißen, daß man Abschied nimmt von kreativen Möglichkeiten.

Frau Bundesministerin! Wenn Sie gesagt haben: Wir machen nicht erst seit gestern aktive Arbeitsmarktpolitik!, dann frage ich Sie: Wo ist der Erfolg der aktiven Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre geblieben? Wo ist der Erfolg geblieben? Sind die statistischen Zahlen tatsächlich so, daß wir damit zufrieden sein können?

Wenn jemand sagt, er will die Welt nicht jeden Tag neu erfinden, übersieht er dabei, daß sich die Welt jeden Tag weiterentwickelt, daß wir inzwischen neue Berufsbilder haben, daß Berufsbilder sich auflösen, und daß, wenn man an bestehenden, starren Strukturen weiterhin festhält, keine Besserung zu erwarten ist.

Wenn Sie für die älteren Arbeitnehmer nicht mehr machen wollen, als das bestehende Bonus-Malus-System auszubauen, dann frage ich Sie: Wie erfolgreich war denn das bisherige? Bemerken Sie nicht, daß mehr vom selben nicht bedeutet, daß es besser wird, sondern daß nur derselbe Fehler verstärkt wiederholt wird? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Oder: Wenn Sie meinen, Sie können durch Jungunternehmerförderung, die so gemeint ist, daß Sie Jungunternehmern die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer erleichtern, indem Sie das fördern, etwas bewirken, dann, muß ich sagen, sind Sie geradezu rührend naiv, denn wir haben das Problem, daß wir noch nicht genügend Unternehmensgründungen haben. Wir haben den Menschen Hindernisse für die Unternehmensgründung sonder Zahl aufgebaut, statt sie wegzuräumen. Die sind hinlänglich damit beschäftigt, überhaupt die Gründung zu schaffen. Glauben Sie, die Betreffenden haben in dieser Phase auch nur einen halben Kopf dafür frei, ob sie noch eine Förderung für einen älteren Mitarbeiter ergattern, wenn sie noch nicht einmal wissen, wie sie die Hindernisse überwinden sollen, damit sie überhaupt ein Unternehmen gründen können?

Oder: Wenn Sie meinen, Sie können das Abfertigungsproblem, ein echtes Problem, das wir seriös diskutieren sollten, dadurch erleichtern, daß Sie, statt die Abfertigungsansprüche sprungweise steigen zu lassen, diese linear steigen lassen, dann sage ich Ihnen: Das ist keine wirklich fundierte Reformidee. Es ist dasselbe Problem wie vorher. Es ist letztlich vorenthaltener Lohn, der, wenn Sie jemanden längere Zeit behalten, letztlich dazu führt, daß Sie möglicherweise die Abfertigung nicht mehr darstellen können. Sie haben damit nur eines vermieden: daß zu bestimmten Stichtagen häufiger gekündigt wird als zu anderen Stichtagen, nämlich unter Umständen knapp vor Erreichung eines höheren Anspruches. Aber vom Prinzip her haben Sie nichts geändert.

Und wenn Sie plötzlich die Kurzarbeitszeitbeihilfe für ältere Mitarbeiter entdeckten, dann frage ich Sie: Was ist das anderes als eine Lohnsubventionierung, die Sie ja im übrigen sonst zu Recht von sich weisen? Aber sich dem Gedanken einer Grundsicherung auch nur anzunähern, verweigern Sie, weil Sie der Meinung sind, das bestehende System würde ohnehin genügen.

Das zu dem, was heute aktuell auf den Tisch gekommen ist, nämlich dieser "Pakt für ältere Arbeitnehmer". Er trägt die Handschrift des Strukturkonservativismus. Er hat keine Phantasie in sich, er hat keine Lösungsansätze in sich, und das ist schade, denn wir haben ein ernsthaftes Problem mit älteren Arbeitslosen, seit wir aufgehört haben, sie im bisherigen Ausmaß in der Frühpension zu verstecken. Die bisherigen historischen Erfolge, auf die Sie sich vielfach berufen, beruhen ja hauptsächlich auch darauf, daß Sie – durchaus auch zur Entlastung der Arbeitsmärkte, das räume ich Ihnen schon ein – sehr stark zu Lasten der öffentlichen Kassen, sehr stark auch zu Lasten der Menschen, die noch gar nicht in Pension gehen wollten, die lieber noch gearbeitet hätten, und daher auch sehr stark zu Lasten der Steuerzahler viele, viele Arbeitslose versteckt haben, indem Sie sie zu Frühpensionisten gemacht haben.

Wenn man die Statistik bereinigt – wir haben auf Seite 2 eine entsprechende Tabelle angeführt –, kommt man drauf, daß wir nicht 7,1 Prozent, sondern in Wirklichkeit 10,3 Prozent Arbeitslosigkeit in diesem Land haben, weil 3,2 Prozent der Menschen in unterschiedliche Maßnahmen versteckt sind beziehungsweise einfach anders genannt werden als Arbeitslose, obwohl sie Arbeitslose sind.

Das bietet mir die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß uns hier ein schriftlicher Ausfertigungsfehler unterlaufen ist. Auf Seite 2 steht an einer Stelle: 10,3 Prozent, aber es müßt dort heißen: 10,2 Prozent. Ich erwähne das nur, damit das nicht zu Mißverständnissen führt.

Das ist der Befund. Vor diesem Hintergrund haben wir seit Jahr und Tag Kritik geübt. Wir haben Strukturkritik geübt am AMS. Wir haben kritisiert, daß die Ausgliederung nicht gelungen ist, daß der Ausgliederungsschritt, der ein Schritt der Entpolitisierung hätte sein können und sollen und müssen, ein Schritt der vollkommenen Verpolitisierung des AMS war, nämlich der Verpolitisierung durch sozialpartnerschaftliche Gremien, die außerdem noch den Nachteil haben, daß sie sich der parlamentarischen Kontrolle entziehen. Ich meine, so hilfreich das Gespräch unter Sozialpartnern ist, so gefährlich ist es, wenn Sie Sozialpartnern in Organen paritätische Mandate geben, die dazu führen, daß zwangsläufig eigentlich nur mehr einstimmige Beschlüsse möglich sind, denn wenn sich zwei gleich Starke gegenüberstehen, können sie sich nur mehr auf einstimmige Beschlüsse einigen, und das führt zwangsläufig zum Paktieren. Es ist nicht die Bosheit der Menschen, die zum Paktieren führt, sondern die Zwangsläufigkeit der Mechanismen, die Sie eingebaut haben.

Diese Kritik haben Sie von uns seit Jahr und Tag gehört, und wenn Sie dann in der Studie aus St. Gallen lesen müssen, daß die Verpolitisierung des AMS-Bereiches eines der zentralen Probleme ist, Sie aber gleichzeitig immer wieder betonen, Frau Bundesministerin, daß Sie jetzt keinen wirklichen politischen Einfluß mehr haben, dann sage ich Ihnen, das ist halb die Wahrheit und halb nicht. Natürlich haben Sie den politischen Einfluß als Bundesministerin verloren, weil das ausgegliederte AMS jetzt von seinen Gremien selbst gesteuert wird. Sie sind nur mehr oberste Aufsichtsbehörde und haben keinen Durchgriff, das ist richtig.

Frau Bundesministerin! Sie sind aber außerdem Gewerkschafterin und kommen aus der Arbeiterkammer – und dieser politische Einfluß ist dort bedeutend. Daß er Ihnen vielleicht unmittelbar nicht direkt hilft, das mag ja sein, aber das sind innere Strukturfragen Ihrer Organisation, die gehen mich hier nichts an. Ich habe nur zu messen: Was ist der außenliegende Erfolg?, und ich sage Ihnen, der außenliegende Erfolg ist bedauerlich, weil die Lähmungseffekte bedeutend sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Auf Punkt und Beistrich hat diese Studie das aufgezeigt, was die liberale Fraktion seit Jahr und Tag kritisiert, zum Beispiel, daß Sie die Schnittstellenproblematik nicht gelöst haben. – Ich verwende jetzt die Formulierung aus der Studie. Wir haben Ihnen gesagt: Trennen Sie die Funktionen innerhalb des AMS! Machen Sie das, was ausgliederungfähig und auch privatisierungsfähig ist, nämlich Vermittlungstätigkeit, Schulung, Coaching, Promotion, Beratung, zu einem privatwirtschaftlich organisierten, wettbewerbsfähigen Teil und behandeln Sie die Versicherungsleistungen als das, was sie sind, nämlich als öffentliche Aufgabe, die das Arbeitslosengeld nach Punkt und Beistrich der Gesetze zu administrieren hat und sonst nichts.

Überlegen Sie unser ceterum censeo, daß wir endlich ein Bundessozialhilfegesetz brauchen, das das Ganze überdacht, und daß wir die Notstandshilfe als das bezeichnen müssen, was sie ist: nicht als Versicherungsleistung, die unbefristet gewährt werden kann (Zwischenruf des Abg. Edler), denn dann ist sie das nämlich nicht mehr, sondern als einen originären Anspruch, Herr Kollege, des Menschen auf existentielle Absicherung. Das ist die Frage. (Beifall beim Liberalen Forum.) Tun Sie nicht so, als ob diese Notstandshilfe derzeit so großartig hoch wäre, daß die Menschen in Saus und Braus davon leben können! Tun Sie nicht so!

Setzen Sie sich mit den Bundesländern zusammen! Wir hatten gestern auch eine Diskussion zu diesem Thema, wobei die Bundesländer sich aus der Verantwortung zu schleichen versuchten, nämlich in der Jugendwohlfahrt, aber es ist ja da genau dasselbe. Setzen Sie sich mit den Bundesländern zusammen, die die Sozialhilfekompetenz haben! Listen Sie auf, was dort geschieht! Vereinheitlichen Sie die Standards! Und wenn die Bundesländer nicht genügend Mittel haben, was mir plausibel ist, dann machen Sie doch den konsequenten Schritt: Bauen Sie darüber das Dach einer Bundessozialhilfe, aber einer auskömmlichen und einer rechtsansprüchlichen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dann könnten Sie nämlich andere Finanzierungsquellen als ausschließlich immer nur die Lohnnebenkosten in Form von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen für das Element der unbefristeten Zahlungen heranziehen. Nicht für das Element der kurzen Phase der Arbeitslosigkeit, aber der Rest ist meist Langzeitarbeitslosigkeit, sprich Notstandshilfephase – mit zitterndem Glück, denn die Konservativen scharren schon und sinnen, wie sie es erreichen könnten, da eine Art Zwangsverpflichtung zur Arbeit einzubauen.

Auch wir sind der Meinung, daß man sich viel mehr einfallen lassen muß, um die Leute in Arbeit zu bringen, zum Beispiel in gemeinnützigen Organisationen. Das gebe ich zu, aber das ist eine Gratwanderung zwischen Zwang und Schub. Schub ist etwas anderes als Zwang. Schub bedeutet, Anreize zu setzen, und dazu müßten Sie zum Beispiel im Bereich der Fort- und Weiterbildung, des lebensbegleitenden Lernens endlich etwas tun, was im Arbeitsmarkt wirkt, und nicht 29-Tage-Kurse erfinden, wie der Herr Obrovski, die nur dazu dienen, daß die Statistik keine Langzeitarbeitslosen aufweist. Bevor der Betreffende nämlich Langzeitarbeitsloser wird, geht er 29 Tage "in eine Maßnahme". Kommt er aus der "Maßnahme" wieder zurück, zählt er wieder als neuer Arbeitsloser – und schon kann Oberösterreich Statistiken mit ganz wenig Langzeitarbeitlosen vorzeigen. Ich meine, das ist eigentlich schon mehr als unverschämt! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das ist Irreführung. Das ist noch nicht einmal gutes Marketing. Das trägt für mich die Punze des Bundesgeschäftsführers der SPÖ, des Herrn Rudas. Das ist Öffentlichkeitsarbeit zu Lasten von Arbeitslosen, und das ist schäbig, sage ich, auch auf die Gefahr hin, daß ich kritisiert werde, wenn ich dieses Wort verwende. (Abg. Silhavy: Das ist genau das, was Sie uns jetzt vorexerzieren, Herr Kollege Kier!) Das ist nicht angemessen, den Leuten anhand einer Statistik vorzugaukeln, daß sie nicht langzeitarbeitslos sind. Der Langzeitsarbeitslose weiß, daß er langzeitarbeitslos ist, nur glaubt er, daß er einer Minderheit angehört, wenn er die Statistik liest. Wenn er sich im Bekanntenkreis etwas umhört, stellt er fest, daß er offenbar lauter Angehörige dieser Minderheit kennt und kaum noch einen anderen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Das, finde ich, ist nicht gut, Frau Kollegin Silhavy. Ich verstehe, daß Sie sich kränken – obwohl ich es nicht darauf anlege, Sie zu kränken –, weil Sie wissen, daß ich recht habe. Nur mit Argumenten, die stimmen, emotionalisiert man sehr stark, und diese Argumente, die die Liberalen seit Jahren vorbringen, stimmen auf Punkt und Beistrich. Wir hätten die Studie von St. Gallen nicht gebraucht, uns hätten die internen Papiere des Arbeitsmarktservice Wien, die schon drei Jahre alt sind, genügt. Da steht nämlich dasselbe drin. Und was stellt sich dann heraus? – Einer derjenigen, nämlich der Leiter des AMS-Wien, der diese Papiere geschrieben hat, ist auf einmal über Nacht Persona non grata. Auf einmal ist er nicht mehr gefällig!

Frau Bundesministerin! Sie haben gesagt, er hat sich keine dienstrechtlichen Verfehlungen zuschulden kommen lassen, die arbeitsrechtliche Schritte erfordern würden. Ich frage Sie: Welche Verfehlungen hat er sich dann zuschulden kommen lassen, wenn seine Ablöse Ihrerseits erwünscht ist? (Abg. Mag. Peter: Der war nicht parteikonform!) Sie sagen, nur die Arbeitgebervertreter in den Gremien haben es verhindert und haben unbillige Junktimierungen dran geknüpft. Über die Frage der Junktimierungen habe ich mich schon geäußert, es mag wohl auch stimmen, aber glücklicherweise haben Sie das so ausgesprochen, daß ich es als Beweis verwenden kann.

Nur: Welche Verfehlungen waren es dann? Etwa die Verfehlung, daß der Vermittlungserfolg in Wien wesentlich höher ist, als er allgemein dargestellt wird, bereinigt um Saisonarbeitskräfte und solche, die eine Wiedereinstellungszusage haben, wenn sie arbeitslos werden? Ist das ein Vermittlungserfolg von irgend jemanden, wenn einer gekündigt wird, weil er Saisonnier ist und die Wiedereinstellungszusage für nachher in der Tasche hat, und dann bekommt er diesen Job nachher? Wer hat denn den vermittelt? Das AMS? – Also das ist kein Vermittlungserfolg. Es ist ein Erfolg des Arbeitsmarktes, daß es so etwas gibt. Daß flexible Möglichkeiten vorhanden sind, ist ein Erfolg der Unternehmen und der Mitarbeiter. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bin der Meinung, wenn es Wiedereinstellungszusagen gibt, dann ist es okay, aber dann ist das kein Vermittlungserfolg von irgend jemandem, sondern der Betreffende hat eben die Rückfahrkarte in der Tasche. Es ist immer noch die Frage, ob es nicht besser wäre, Jahreszeitdurchrechnungen zu machen. (Abg. Edler: Warum wird er überhaupt in die Arbeitslosigkeit geschickt?) Da braucht er nicht einmal die Rücknahmezusage haben, sondern er ist durchgängig beschäftigt, durchgängig versichert, aber er hat eben floatende Arbeitszeiten. Das heißt nämlich Flexibilisierung. Das heißt nicht, den Menschen die Sozialrechte wegzunehmen, sondern die sozialen Rechte der Leute über das ganze Jahr drüberzuspannen. Das heißt Flexibilisierung! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Silhavy: Und wer zahlt das?)

Frau Kollegin Silhavy! Wenn der einzige Einwurf ist: Wer zahlt das?, dann muß ich Ihnen sagen, man wird sicherlich gemeinsam darüber nachdenken müssen, und auch die Arbeitgeberseite, auch die Wirtschaft wird bereit sein, Beiträge zu leisten – glauben Sie mir das! –, wenn sie sinnvoll sind. Aber wenn man zunehmend das Gefühl hat, es wird nur mehr kassiert, mit ungewissem Erfolg, für unwirksame Maßnahmen, dann ist man verdrossen, dann zahlt man nicht gerne. Und wenn es noch dazu zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit geht, weil es ausschließlich auf den Löhnen "draufsitzt", dann ist man verdrossen.

Aber vom Nichtzahlen war nicht die Rede. Es wäre absolut naiv anzunehmen, daß es ein Sozialsystem gibt, das sich selber rechnet. Das wäre ein Irrtum, dann bräuchte man es nämlich nicht. Wenn die Leute sich das alles selber leisten könnten, bräuchten Sie kein Sozialsystem. Also passen Sie bitte auf, weil der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft ist sehr wichtig, und der kostet Geld – das ist richtig –, aber er ist erst dann sein Geld wert, wenn er gut organisiert ist. Und das halten wir für wichtig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Waren Sie vielleicht der Meinung, daß dieser Vermittlungserfolg des AMS-Wien der Grund war, also eine nicht dienstrechtliche, sondern anderweitige Verfehlung? Es hat nämlich erst die St. Gallener Studie aufgedeckt, daß die bisherigen statistischen Zahlen bezüglich der Vermittlungserfolge immer mit Saisonniers waren, und ruck-zuck-zack ist zum Beispiel das Land Tirol – es tut mir leid, das hier erwähnen zu müssen vor dem Hintergrund der traurigen Ereignisse – auf den vorletzten Platz abgerutscht bei den Vermittlungserfolgen. Das ist doppelt traurig vor dem Hintergrund dessen, was jetzt dort passiert ist.

Oder war es vielleicht der Wunsch des Leiters des AMS-Wien, die Fachstrukturen, also die Facharbeitsämter, die Arbeitsmarktservicestellen, auf ihre Zeitgemäßheit zu hinterfragen? War das vielleicht der Grund?

Ich frage Sie daher: Hat es vielleicht der Herr Bundeskanzler deswegen für notwendig gehalten, sich zum Beschäftigungskanzler auszurufen, weil die Arbeitsmarktpolitik des Sozialministeriums nicht wirklich erfolgreich war? – Sie sind dafür zuständig, nicht der Herr Bundeskanzler. Und waren die Bad Ausseer Erklärungen nicht vielleicht schon eine Absage an Ihre Kompetenzen?

Um zum Schluß meiner Ausführungen und zum Titel unserer Anfrage "Fehlstart für ,NEW START‘" zu kommen: Wenn man das "NEW START"-Programm betrachtet, stellt man fest, daß es eine "Aktion 800" ist. Sie ist der "Aktion 8000" des ehemaligen Sozialministers Dallinger nachgebildet, hat dieselben Mechanismen, zielt aber nicht auf 8 000 Menschen ab, sondern nur auf 800 und hat einen neuen Namen bekommen, nämlich "NEW START".

Wenn Sie unter "auf Bestehendem aufbauen" und "die Welt nicht jeden Tag neu erfinden" verstehen, Aktionen des Herrn Dallinger frisch herauszuziehen, hinten eine Null wegzustreichen, also durch zehn zu dividieren, dem Ganzen einen englischen Namen zu geben und das moderne Arbeitsmarktpolitik zu nennen – dann sehe ich schwarz für diese Republik. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Hostasch zu Wort. – Bitte, Frau Bundesministerin.

15.21

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Damen und Herren des Liberalen Forums, insbesondere der Anfragesteller, haben eine sehr lange Einleitung in schriftlicher Form verfaßt, und Herr Abgeordneter Kier hat auch jetzt in seinem Debattenbeitrag betreffend die konkreten dringlichen Anfragen lange gesprochen. Ich bitte daher um Ihr Verständnis, wenn ich vielleicht – bevor ich noch zur Beantwortung der einzelnen Fragen komme – doch auch etwas ausführlicher auf diese Einleitung in grundsätzlicher Form Bezug nehme.

Ich möchte zunächst festhalten, daß es natürlich in einer politischen Auseinandersetzung unterschiedliche Zugänge dazu gibt, beschäftigungspolitische Fragen zu diskutieren. Selbstverständlich bleibt es einer Oppositionspartei unbenommen, ausschließlich die negativen Gesichtspunkte herauszugreifen und aus dem Zusammenhang zu stellen. (Abg. Mag. Peter: Frau Minister! Das hat der Herr Kier nicht gemacht!) Demgegenüber möchte ich einmal mehr feststellen, sehr geschätzte Damen und Herren, daß die österreichische Bundesregierung eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik verfolgt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Wo? Wo ist die erfolgreiche Politik der Bundesregierung? Das gibt es wohl nicht!) Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich würde Sie bitten, sich an Fakten zu halten und nicht an Ihre Stimmung oder an Ihre Hoffnung, der zufolge Sie eben der Bundesregierung keine Erfolge zutrauen wollen. (Abg. Gaugg: Wo denn? Sagen sie uns, wo!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Die Beschäftigungspolitik Österreichs orientiert sich am integrierten Ansatz über alle beschäftigungsrelevanten Politikfelder: dem Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik, der besonderen Berücksichtigung von Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt, der umfassenden Unterstützung von Frauen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, aber selbstverständlich auch der Integration von Behinderten in die Arbeitswelt. (Abg. Gaugg: Wo sind Ihre meßbaren Erfolge?)

Die Sichtweise der Anfragesteller, sehr geschätzte Damen und Herren, möchte ich aber doch an einem einfachen Beispiel demonstrieren. Sie schreiben in der Anfrage von einem "Fehlstart für ,NEW START‘". – Mag schön klingen im Sinne einer Schlagzeile. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Sehr geschätzte Damen und Herren! Bis zum Ende der Einreichfrist des Programms "NEW START" – das war der 31. Jänner dieses Jahres – sind erstens 150 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt worden, zweitens sind fast 800 Anfragen für dieses Programm eingetroffen, und in weiterer Folge haben etwa 500 Betriebe, Institutionen und Einrichtungen Anträge auf Förderung gestellt, wobei der beantragte Gesamtumfang ein Fördervolumen von 546 Millionen Schilling für zusätzlich 2 700 neue Arbeitsplätze umfaßt.

Diese aufgrund des Ergebnisses wirklich erfreuliche Reaktion hat mich dazu veranlaßt, mit dem Herrn Bundesminister für Finanzen zu vereinbaren, daß dieses Programm um weitere 150 Millionen Schilling aufgestockt wird, um noch mehr Arbeitsuchenden eine Chance zu geben.

Sehr geschätzter Herr Abgeordneter Kier! Wenn Sie hier das Projekt "NEW START" mit der "Aktion 8000" gleichsetzen, so bitte ich Sie, doch auf die Richtlinien von "NEW START" Rücksicht zu nehmen, sich diese noch einmal anzuschauen. "NEW START" ist etwas ganz anderes als die "Aktion 8000". Die "Aktion 8000" war und ist ein Projekt zur Förderung von Transitarbeitsplätzen, "NEW START" ist ein Projekt zur Etablierung nachhaltig funktionierender eigenständiger Beschäftigungen (Abg. Dr. Kier: Wer zahlt das?), eigenständige Beschäftigungen insbesondere in einem Bereich, in dem sogenannte nichtmarktfähige Arbeit gegeben ist. Ich bin überzeugt davon, daß diese neue Initiative, diese Innovation in der aktiven Arbeitsmarktpolitik ein Erfolg sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Aber auch zu anderen Behauptungen in der Einleitung Ihrer Dringlichen Anfrage sind meiner Überzeugung nach einige Richtigstellungen erforderlich. Einen Bericht der Europäischen Kommission über "Unterbeschäftigung" gibt es nicht. Was es jedoch gibt, ist ein von der Kommission gefördertes unabhängiges Korrespondenznetz, namens "System", welches im Sommer 1998 einen Bericht zu dieser Frage geschrieben hat. Das nennt sich "Europäisches Beschäftigungsobservatorium", erschienen in "Trends", Ausgabe Nummer 30 vom Sommer 1998 . Alle Beiträge, so auch jener über Österreich, geben die Meinung von Autoren wieder und decken sich nicht notwendigerweise mit der Sichtweise der Kommission. Dies steht auch groß und deutlich jeweils auf den entsprechenden Seiten, konkret auf Seite 3 der genannten Ausgabe dieser Zeitschrift. Ich würde Sie bitten, das zu berücksichtigen, wenn Sie in Zukunft auf diese Berichte Bezug nehmen.

Die Kommission kommt nämlich keineswegs zu dem Schluß, daß die Arbeitslosenrate in Österreich über 10 Prozent liegt. Zur Ermittlung der Arbeitslosenquote gibt es bekanntlich – und ich weiß, daß auch Sie das wissen – ein international abgestimmtes und vergleichbares Verfahren, das auf ILO-Kriterien beruht. Die Arbeitslosenquote Österreichs belief sich im Jahre 1997 auf 4,4 Prozent und wird im Jahre 1998 voraussichtlich auf diesem Wert verharren. Diese Zahlen werden von EUROSTAT auf Grundlage einer repräsentativen Befragung in allen EU-Mitgliedstaaten publiziert und sind daher vergleichbar. Ich glaube, darum geht es ja auch, daß wir miteinander auf gleichen und vergleichbaren Daten aufbauen.

Die Autoren dieser Studie haben im genannten Artikel versucht, eine Art Arbeitsplatzlücke beziehungsweise ein Unterbeschäftigungsausmaß zu errechnen. In der als "arbeitsuchend" oder "unterbeschäftigt" qualifizierten Gruppe sind Personen inkludiert, die weder dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung stehen noch aktiv Arbeit suchen oder auch aktiv Arbeit suchen können. Es sind dies zum Beispiel SchulungsteilnehmerInnen, KarenzgeldbezieherInnen ohne bestehendes Arbeitsverhältnis, SondernotstandshilfebezieherInnen und andere.

Wollen Sie wirklich behaupten, daß diese Personen als "arbeitslos" und "arbeitsuchend" bezeichnet werden können und damit gleichwertig mit unmittelbar verfügbaren Arbeitsuchenden und stellensuchenden Personen gesehen werden können? – Ich sehe es aus sozialpolitischer Sicht in keiner Weise so, daß zum Beispiel Pensionisten, wenn sie bereits einen Pensionsanspruch haben, obwohl sie vielleicht nicht das Anfallsalter für die Alterspension erreicht haben, das in unseren Gesetzen vorgesehen ist, mit Arbeitslosen gleichzusetzen sein sollen und daher auch in der Arbeitslosenstatistik erfaßt werden sollen.

Ich glaube, daß ein gut Teil dieser Pensionistinnen und Pensionisten – ich meine hier insbesondere die Frühpensionisten – nicht das geringste Bedürfnis verspüren, wieder in das Erwerbsleben einzutreten. Genau das ist jedoch das Kriterium für Beschäftigungsmaßnahmen, Beschäftigungspolitik, aber dementsprechend auch für Erfassungsmodalitäten im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik.

Die Erfassungsmodalitäten, insbesondere die Definition von Arbeitslosigkeit – ich habe es schon erwähnt, das erfolgt gemäß ILO –, sind in allen EU-Staaten gleich, das heißt, daß auch in anderen Staaten Pensionsvorschußbezieher, Schulungsteilnehmer und -teilnehmerinnen und KarenzgeldbezieherInnen nicht in der Arbeitslosenstatistik aufscheinen. Bezöge man Pensionisten mit ein, müßte dies zur internationalen Vergleichbarkeit auch in anderen EU-Ländern erfolgen. Wir haben natürlich einmal versucht, auch dies zu errechnen. Das würde zum Beispiel bedeuten, daß die Niederlande eine Arbeitslosenquote von weit über 20 Prozent hätten; noch ausgeprägter wären die Werte in Belgien oder in Frankreich.

Ich bitte daher, sehr geschätzte Damen und Herren, in Ihrer Kritik und Ihrer Bewertung der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik in Österreich doch auch mit einer gewissen Fairneß und Korrektheit an die politische Bewertung heranzugehen. Ich möchte darüber hinaus nicht die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt beschönigen; aber dennoch wird in Ihrer Anfrage versucht, die Entwicklung der Arbeitsmarktdaten auf eine Weise darzustellen, die Österreich als internationales Schlußlicht im Zusammenhang mit den beschäftigungspolitischen Anstrengungen und Erfolgen erscheinen läßt.

Tatsache ist, daß sowohl die österreichische Arbeitslosenquote mit – wie gesagt – 4,4 Prozent im Dezember 1998 als auch die Beschäftigungsquote im internationalen Vergleich im absoluten Spitzenfeld liegen. Ebenso liegt die Frauenerwerbsquote beträchtlich über dem europäischen Durchschnitt, und sie ist entgegen den Feststellungen der Anfragesteller bereits 1997 und auch 1998 weiter angestiegen. Ich möchte behaupten, das geschieht nicht von allein, sondern ist auch Ergebnis unserer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters, sehr geschätzte Damen und Herren, lag im Jahre 1998 die Vormerkdauer der beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Frauen um 18 Tage unter jener der Männer. Darüber hinaus ging sie in den beiden vergangenen Jahren um insgesamt 11 Tage beziehungsweise beinahe 5 Prozent zurück.

Das Thema Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Problem, mit dem sich die Bundesregierung bereits in der Vergangenheit intensiv auseinandergesetzt hat. Diesem werden wir uns auch weiter intensiv widmen sowie widmen müssen. In diesem Zusammenhang ist feststellbar, daß der Anteil jener Menschen, die länger als ein Jahr Arbeit suchen, an allen Arbeitslosen nicht nur beinahe um 50 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt liegt, sondern auch im Vorjahr leicht rückläufig war. Aber trotzdem – ich beschönige hier nichts –: Da ist ein ganz wichtiges Problem für die Betroffenen zu lösen.

Nach der in Ihrer Anfrage zitierten Arbeitsmarktprognose des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes wird die Jahresdurchschnittszahl der unselbständig Beschäftigten auch heuer wieder um mehr als 20 000 ansteigen. Das heißt, daß per saldo seit 1997 rund 43 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Ebenso geht das Wirtschaftsforschungsinstitut für das Jahr 1999 von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit und damit auch der Arbeitslosenquote aus. Dabei ist zu erwarten – das ist nicht zuletzt aufgrund der arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Anstrengungen der Regierung so –, daß die prognostizierte Entwicklung im heurigen Jahr vielleicht sogar noch etwas positiver verlaufen kann und auch – so ich hoffe – wird.

Darüber hinaus, sehr geschätzte Damen und Herren, muß man aber immer wieder dazu sagen: Wir leben nicht auf einer Insel, sondern sind umgeben von einer globalisierten Wirtschaft in einer globalisierten Welt. Daher können wir nicht isoliert unsere Politik machen und die entsprechenden Ergebnisse für uns in Anspruch nehmen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Auch die Art und Weise, wie Sie vom Liberalen Forum – ich verstehe natürlich die Absicht – aus den Zwischenergebnissen der Firma "Focus" zitieren, ist als konstruktive Auseinandersetzung mit den für mich als Aufsichtsrat äußerst interessanten und relevanten Ergebnissen doch sehr schwierig.

Die Studie wurde vom Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich am 28. Februar vergangenen Jahres ausgeschrieben, wobei die Firma "Focus Management" den Zuschlag erhalten hat. Gestartet wurden die Untersuchungen Ende September 1998. Ein erster Bericht wurde dem Projektteam, das im Arbeitsmarktservice eingerichtet wurde, am 21. Dezember vergangenen Jahres zur Kenntnis gebracht. Dem Verwaltungsrat des Arbeitsmarktservices wurden die Ergebnisse am 16. Februar 1999, also vor wenigen Tagen, vorgelegt.

Die von Ihnen geforderte – ich möchte hier auf eine konkrete Überlegung von Ihnen eingehen, die Sie in der Einleitung der Anfrage formuliert haben – Trennung zwischen Vermittlung und Leistungsgewährung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz halte ich nicht für zweckmäßig, sehr geschätzte Damen und Herren. Ich befinde mich dabei auch im Einklang mit einer Reihe von Reformansätzen in anderen europäischen Ländern.

Ich denke, wir haben immer zu überlegen, worum es primär geht. Primär geht es darum, Arbeitslose zu aktivieren, ihnen Möglichkeiten des Wiedereinstieges in den Arbeitsmarkt anzubieten und erst in zweiter Linie passive Existenzsicherung zu gewähren. Ich möchte den Anspruch der Aktivierung vor passiver Leistungsgewährung nicht aufgeben, sondern – im Gegenteil! – weiterentwickeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusätzlich, sehr geschätzte Damen und Herren, ist natürlich die Frage der Administration zu stellen. Welche Verwaltung soll die Leistungsgewährung übernehmen und dabei gleichzeitig die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt als wesentliche, individuelle Anspruchsvoraussetzung überprüfen? – Das kann nur in der Form geschehen, daß konkrete Arbeitsplätze oder Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration vom Arbeitsmarktservice angeboten werden. Nicht mitbedacht bei Trennungskonzepten ist auch die Frage zusätzlicher Schnittstellen – eine ganz wichtige Frage, die sich daraus immer wieder ergibt –, aber auch der Synergieverlust durch sich dadurch ergebende mehrfache Datenerfassung und auch Datenaufbereitung.

Ich möchte weiters sehr klar sagen, daß Ihre Einschätzung zur Situation im Arbeitsmarktservice Wien nicht richtig ist. Mit Beschluß des Landesdirektoriums vom 26. Jänner dieses Jahres, der einstimmig erfolgte – und ich betone dies: einstimmig –, wurde die Grundlage gelegt, umgehend Reformen in Angriff zu nehmen. Daß es daneben auch andere fachliche Sichtweisen geben kann, ist ein wesentliches Element einer demokratischen Diskussion. Das ändert aber nichts an der einstimmigen Beschlußlage, die im entsprechenden Gremium gefaßt wurde.

Erlauben Sie mir aber auch zu Ihren Ausführungen betreffend beschäftigungspolitische Leitlinien und Nationaler Aktionsplan ein paar Bemerkungen, weil – verzeihen Sie diese direkte Bemerkung! – Annahmen, die Sie formuliert haben, doch falsch sind.

Es wurden die Beschäftigungspolitischen Leitlinien 1999 während unserer EU-Ratspräsidentschaft erarbeitet. Sie wurden im Europäischen Rat durch die Regierungschefs zur Kenntnis genommen und werden formal noch beschlossen. Es sind jedoch praktisch bereits geltende neue Richtlinien für das Jahr 1999. Ich bin dabei, den Nationalen Aktionsplan auf diese neuen Richtlinien hin zu adaptieren, wobei ich der Überzeugung bin, daß es richtig ist, nicht zu glauben, daß ununterbrochen von Jahr zu Jahr – ich verwende jetzt auch jene Formulierung, die Sie etwas kritisch verwendet haben – "die Welt neu erfunden werden muß", sondern es geht darum, eine längerfristige und auch konsistente Struktur und Politik zu verfolgen, damit eine entsprechend nachhaltige Wirkung sichergestellt ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Gesamtevaluierung im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung über sämtliche Maßnahmen, für sämtliche Säulen, wie wir sie bezeichnen, würde sich aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und der unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen der Mitgliedstaaten als tatsächlich sehr schwierig – Sie haben schon darauf verwiesen – gestalten. Dies wäre aber notwendig, um der jeweils spezifischen Situation in den Mitgliedstaaten gerecht zu werden.

Für das Jahr 1998 wurde daher nach einer sehr langen Diskussion eine aus meiner Sicht sehr übersichtliche Form gewählt: Mittels sogenannter Diamonds wird die Situation in den Mitgliedsländern anhand wichtiger Arbeitsmarktindikatoren wie Beschäftigungsquote, Jugendarbeitslosigkeitsquote, Langzeitarbeitslosigkeitsquote, dem sogenannten Agenda Gap und anderen Kriterien dargestellt, um so Verbesserungen und auch Verschlechterungen der Beschäftigungssituation nach der Implementierung der Nationalen Aktionspläne für Beschäftigung feststellen zu können.

Ich glaube, es war wichtig – ich hatte noch nicht die Gelegenheit, dem Hohen Haus über dieses Instrument der Evaluierung zu berichten –, Ihnen diese Information im Zuge der Beantwortung der Dringlichen Anfrage des Liberalen Forums zur Kenntnis zu bringen.

Noch eine Information hinsichtlich der quantitativen Zielsetzungen: Bezüglich der Leitlinien 1 bis 3 erfolgt eine genaue Überprüfung der Angaben durch die Kommission. Ein direkter Vergleich der Ergebnisse ist allerdings bislang aufgrund der unterschiedlichen statistischen Erfassungssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr schwierig, weshalb eine diesbezügliche Studie von EUROSTAT geplant ist. Parallel dazu soll eine Angleichung der nationalen statistischen Erfassungs- und Auswertungssysteme erfolgen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es wäre noch sehr viel zur Einleitung der Dringlichen Anfrage zu sagen. Ich erlaube mir aber, nun – in komprimierter Form – zur Beantwortung Ihrer konkreten Fragen zu kommen.

Zu den Fragen 1 bis 3:

Wie ich bereits in meinen einleitenden Bemerkungen zum Ausdruck gebracht habe, ist aufgrund der Ausgliederung des Arbeitsmarktservices im Jahre 1994 deutlich zwischen der politischen Funktion und der Durchführungskompetenz auf Ebene der Organe des Arbeitsmarktservices zu unterscheiden. Ich habe auch schon wiederholt öffentlich festgestellt, daß gemäß den eindeutigen Bestimmungen des Arbeitsmarktservicegesetzes der Verwaltungsrat die wesentlichen Personalentscheidungen trifft. Auf Grundlage der klaren und einstimmigen Entscheidung des Landesdirektoriums im Jänner 1999 gehe ich davon aus, daß die dort vereinbarten Reformen im Rahmen der aktuellen personellen Besetzungen unverzüglich angegangen und umgesetzt werden.

Ich halte ausdrücklich fest, daß für mich das Entscheidende ist, daß die Umsetzung des Reformkonzeptes im Arbeitsmarktservice konsequent und sehr kurzfristig in Angriff genommen wird. Denn es geht dabei um die Situation am Arbeitsmarkt, um die Arbeitsuchenden, aber auch um eine Intensivierung des Kontaktes zu den Betrieben, damit eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage in Wien erzielt werden kann.

Zur Frage 4:

Die Reform des Arbeitsmarktservices wurde im Jahre 1994 in Abstimmung mit den Sozialpartnern, vor allem aber auch in Übereinstimmung mit dem Regierungspartner, der ÖVP, vorgenommen und hat ihren Niederschlag im Arbeitsmarktservicegesetz gefunden. Ich kann nicht nachvollziehen, sehr geschätzte Damen und Herren, daß das Arbeitsmarktservice als Spielball sozialistischer oder gewerkschaftlicher Interessen bezeichnet werden kann (Abg. Meisinger: Genau so ist es! ... Spielwiese ...!), da auf allen Ebenen der Organisation des Arbeitsmarktservices Vertreter der Wirtschaft aktiv eingebunden sind und bisher in kooperativer Abstimmung in den verschiedenen Organen zu konsensualen Beschlüssen gefunden wurde. (Abg. Gaugg: Warum attackiert dann der Häupl den Herrn Werner? – Zwischenruf des Abg. Edler.) Ich gehe davon aus, daß mich sowohl die Wirtschaft als auch der Koalitionspartner bei den Reformmaßnahmen insbesondere im Bereich des Arbeitsmarktservices Wien unterstützen werden. (Abg. Koppler – in Richtung der Freiheitlichen –: Gibt es den Flohzirkus noch?)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich habe keine Hinweise darauf, daß hinsichtlich der Leistungsansprüche von Langzeitarbeitslosen die gesetzlichen Bestimmungen vom Arbeitsmarktservice nicht eingehalten werden. (Zwischenruf des Abg. Blünegger. – Abg. Gaugg – in Richtung des Abg. Koppler –: Wirst sehen, wie der Floh dich noch beißen wird!) Die eindeutige Regelung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes besagt, daß arbeitsunfähige LeistungsbezieherInnen aus dem Bezug ausscheiden beziehungsweise leistungsunwillige LeistungsbezieherInnen den Leistungsanspruch verlieren.

Ich erlaube mir, auch auf die Diskussion von heute morgen und meine Antworten in dieser Fragestunde hinzuweisen, in der dieses Problem ebenfalls Gegenstand Ihres Interesses gewesen ist. (Abg. Gaugg – in Richtung SPÖ –: Jetzt ist schon wieder eine in Pension gegangen! Schmidtleithner heißt sie! Der geht es schon so schlecht, daß sie gehen muß!)

Zur Frage 5:

Schon derzeit kann ein Leistungsbezug nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, sofern er die materielle Mindestleistung nach den Sozialhilfe-Landesrichtsätzen unterschreitet, durch Sozialhilfebezug aufgestockt werden. Ergänzend, sehr geschätzter Herr Abgeordneter Kier, möchte ich auch in dieser Frage auf die Diskussion heute in der Früh verweisen.

Zu den Fragen 6 und 7:

In einer breiten Diskussion wurden die Stärken und Schwächen der Wiener Arbeitsmarktserviceorganisation analysiert und auch bewertet. Der Beschluß des Landesdirektoriums Wien ist die logische Konsequenz zum Abschluß der Diskussionsphase und damit eine ausgezeichnete Ausgangsposition dafür, die notwendigen Reformmaßnahmen unverzüglich in Angriff zu nehmen. Die von der Landesgeschäftsführung sowie den Arbeitgebern und Arbeitnehmern eingebrachten Konzepte sind Bestandteil des von mir vorhin angesprochenen Reformprozesses.

Zur Frage 8:

Der Zwischenbericht wurde am 16. Februar 1999 dem Verwaltungsrat übergeben. Mir wurde am 23. Februar, also vor wenigen Tagen, eine Zusammenfassung dieses Zwischenberichtes zur Kenntnis gebracht.

Zu den Fragen 9 und 10:

Es ist die einstimmige Meinung aller Mitglieder des Landesdirektoriums und nicht nur jene der Gewerkschaftsvertreter, daß positive Elemente der fachlichen Strukturen beizubehalten sind. Ich teile diese Auffassung. Wesentliche Elemente der berufsfachlichen Bewertungen sowie in der Arbeitsmarktstruktur sind beispielsweise für die Gestaltung perspektivischer Qualifizierungsmaßnahmen zur Arbeitsmarktintegration unverzichtbar. Die Größe des Wiener Arbeitsmarktes – ich habe schon mehrmals begründet, warum die Situation einer Großstadt wie Wien anders ist als die anderer Regionen – sowie die differenzierte Tiefengliederung der Berufsstrukturen machen es sinnvoll, berufsfachliche Orientierungen zur raschen und systematischen Identifizierung von Veränderungen in den Qualifikations- und Ausbildungserfordernissen und Anforderungen an spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten sowie ihre Umsetzung durch auf Arbeitgeber- wie Arbeitnehmeranforderungen ausgerichtete arbeitsmarktpolitische Maßnahmen beizubehalten.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Unabdingbar ist aber – und ich möchte das besonders herausstreichen –, daß keine Doppelgleisigkeiten bestehen und daß die Vermittlung sowie die Kontakte zu den Betrieben in bestmöglicher Weise erfolgen. Worauf sich die Reformmaßnahmen konzentrieren und was die Hauptzielsetzungen dieses Konzeptes sein müssen, ist: Doppelgleisigkeiten zu verhindern, die Vermittelbarkeit zu verbessern, das Service zu verbessern und damit auch den Kontakt zu den Betrieben zu intensivieren.

Zur Frage 11:

Die weitreichenden Strukturänderungen auf dem Wiener Arbeitsmarkt erfordern eine systematische wie differenzierte Analyse und Bewertung der Beschäftigungsperspektiven. Nunmehr werden auf Ebene des Arbeitsmarktservices Wien die entscheidenden Reformmaßnahmen eingeleitet. Auf der Bundesebene des Arbeitsmarktservices hat der Verwaltungsrat einen Ausschuß eingerichtet, der sich im Rahmen der Erstellung eines längerfristigen Plans für das Arbeitsmarktservices mit den mittelfristigen Entwicklungsperspektiven befassen wird. Darüber hinaus werden dort mittel- und längerfristige Strukturfragen in der Umsetzung der Arbeitsmarktpolitik sowie die Entwicklung des Dienstleistungsangebotes des Arbeitsmarktservices behandelt. In diese Arbeiten werden die Ergebnisse der "Focus"-Analyse einfließen. Dies war ja mit ein Grund dafür, daß diese Studie in Auftrag gegeben wurde.

Zu den Fragen 12 und 13:

Für mich ist die Frage der politischen wie gewerkschaftlichen Zugehörigkeit von Funktionsträgern des Arbeitsmarktservices nicht entscheidend. Wesentlich ist vielmehr ihre Qualifikation zur Wahrnehmung der vielfach äußerst anspruchsvollen Aufgaben und Herausforderungen. (Abg. Meisinger: Das müssen Sie alles herunterlesen?) Aus diesem Grunde sind auch Fragen nach der Fraktionszugehörigkeit für die Bestellung eines Funktionsträgers irrelevant, und die Bestellungsvoraussetzungen sowie die Bestellungsvorgänge sind im Arbeitsmarktservicegesetz, das in diesem Haus beschlossen wurde, genau geregelt.

Zur Frage 14:

Wie mir vom Arbeitsmarktservice Vorarlberg mitgeteilt wurde, hat "Social Act" mit dem Arbeitsmarktservice Vorarlberg seit einem halben Jahr keine Kontakte bezüglich Stellenaufnahmen gehabt. Nach Einschätzung meines Ressorts, sehr geschätzte Damen und Herren, behindern die derzeit bestehenden gesetzlichen Regelungen die Ausübung privater Arbeitsvermittlung nicht. Gemäß der jedenfalls im Interesse der Arbeitsuchenden gelegenen gesetzlichen Vorgabe sollen alle mit der Durchführung der Vermittlung befaßten Personen ihre fachliche Eignung nachweisen müssen. Es geht hier um Menschen, die vermittelt werden sollen, und dementsprechend muß auch die Qualität gesichert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Unternehmer einer Arbeitsvermittlungsfirma hat für das gebundene, nicht bewilligungspflichtige Gewerbe des Arbeitsvermittlers einen Befähigungsnachweis gemäß den Bestimmungen der Gewerbeordnung beziehungsweise der hierzu ergangenen Befähigungsnachweisverordnung zu erbringen. Es ist durchaus in meinem Interesse, daß zum Wohle der Arbeitsuchenden und der Betriebe die bereits existierende – ich möchte das unterstreichen – Zusammenarbeit mit privaten Arbeitsvermittlern vertieft wird. Eine gesetzliche Änderung ist jedoch von mir nicht beabsichtigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 15:

Die von Ihnen angeführten Maßnahmen sind Bestandteil des Ausbaues der Arbeitsmarktpolitik, sie wurden mit dem Arbeitsmarktservice abgestimmt, versprechen realistische Erfolge und sind auch von mir in Abstimmung mit dem Herrn Finanzminister budgetär abgesichert. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß im Jahre 1999 für aktive Arbeitsmarktpolitik mit insgesamt mehr als 11,1 Milliarden Schilling ein Rekordbudget zur Verfügung steht, und ich bin sehr froh darüber, daß ich dies erreichen konnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 16:

Sehr geschätzte Damen und Herren! Mir ist Ihre Dringliche Anfrage heute um zirka 10 Uhr bekanntgeworden. Diese Frage ist doch sehr aufwendig in der Recherche und kurzfristig nicht zu beantworten. Eine entsprechende Auswertung werde ich nachreichen.

Zur Frage 17:

Ihr Eindruck ist nicht richtig!

Zur Frage 18:

Im Zuge der Jahresplanung 1999 des Arbeitsmarktservices wurde die von mir gesetzte arbeitsmarktpolitische Zielvorgabe, Frauen im besonderen Maße zu berücksichtigen, aufgegriffen. Das Arbeitsmarktservice hat entsprechende Zielindikatoren vereinbart und im Verwaltungsrat beschlossen. Im übrigen verweise ich auch auf die jeweiligen Berichte über die Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes, in denen auf diese Fragen im Detail eingegangen wird.

Zur Frage 19:

Das Arbeitsmarktservice setzt regelmäßig gezielte Maßnahmen zur Überprüfung und Weiterentwicklung der mädchenspezifischen Förderungen. Dieser Maßnahmenkatalog umfaßt auch verstärkte Aktivitäten hinsichtlich der Information über nichttraditionelle Berufe sowie der Motivierung von Mädchen, auch eine Ausbildung in solchen Berufen anzustreben. Mädchen, die in solchen Berufen ausgebildet werden, sind eine Zielgruppe der Lehrstellenförderungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservices, sodaß allein dadurch bereits Anreize für potentielle Ausbildungsbetriebe geschaffen wurden.

Generell ist der Anteil weiblicher Lehrstellensuchender an Berufsorientierungs- und Berufsvorbereitungsveranstaltungen ansteigend. In den Maßnahmen des Jugendausbildungssicherungsgesetzes liegt der Mädchenanteil – ein, wie ich glaube, wichtiger Indikator – österreichweit derzeit bei rund 60 Prozent. Das ist doch beträchtlich! (Abg. Schaffenrath: Sechzig?) 60 Prozent! Die in der Anfrage aufgestellte Behauptung, bei den Initiativen zur Förderung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt oder bei den Initiativen zur Lehrlingsbeschäftigung handle es sich um einen Ankündigungspopulismus der Bundesregierung, möchte ich mit aller Deutlichkeit zurückweisen, sehr geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Daß es sich dabei um zentrale Anliegen der Bundesregierung handelt, bei denen sie auch erfolgreich ist, beweist die Tatsache, daß Österreich im Bereich der Jugendbeschäftigung allen Untersuchungen zufolge innerhalb der Europäischen Union an die Spitze gekommen ist und die geringste Jugendarbeitslosigkeit hat. Sehr geehrte Damen und Herren, freuen Sie sich über dieses Ergebnis und beklagen Sie es nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 20:

Ich kann keinen Widerspruch zwischen den Maßnahmen für die verschiedenen Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik erkennen. Das Arbeitsmarktservice hat in Umsetzung der arbeitsmarktpolitischen Vorgaben eine Operationalisierung für das Jahr 1999 in Form der arbeitsmarktpolitischen Jahreszielsetzung vorgelegt. Diese Planung wurde vom Verwaltungsrat auch genehmigt. Damit ist die Verteilung der finanziellen Ressourcen auf die verschiedenen Maßnahmen und nach Arbeitsmarktregionen vereinbart, die im Bundesfinanzgesetz 1999 Deckung findet und deren Umsetzung durch das selbstverständlich funktionierende begleitende Budgetcontrolling sowie die relevanten Zielerreichungsindikatoren beobachtet wird.

Zu den Fragen 21 und 22:

Sehr geschätzte Damen und Herren! Die Diskussion über Einzelprojekte, wie sie in der Anfrage genannt werden, ist für die Beurteilung der gesamten Arbeitsmarktpolitik für Frauen in keiner Weise repräsentativ. Man kann nicht von Einzelprojekten Rückschlüsse auf das Gesamtkonzept ziehen. Ich gehe davon aus, daß nicht nur die verschiedenen Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik für Frauen, wie für das Jahr 1999 geplant, umgesetzt werden, beispielsweise das Wiedereinsteigerinnen-Programm, spezifische Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen oder die Förderung der Wiederaufnahme der Arbeit durch die Kinderbetreuungsbeihilfe.

Vor allem ist aber auch entscheidend, daß in ausreichendem Umfang Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen, die bedarfsgerechte, also berufsgerechte Öffnungszeiten haben. Die primäre Zuständigkeit in dieser Frage, sehr geschätzte Damen und Herren, liegt, wie Sie wissen, bei den Ländern. Aber ungeachtet dessen hat auch die Bundesregierung mit der Kindergartenmilliarde – ich erwähne nur den Titel, obwohl es von den Mitteln her mehr geworden ist – eine entscheidende Initiative gesetzt.

Zur Frage 23:

Ich möchte dazu zwei Beispiele erwähnen. In Wien wurde mit Erfolg das Projekt "Now Anticipated" durchgeführt, im Bereich der Landesgeschäftsstelle Niederösterreich wurde, ebenfalls erfolgreich, das Pilotprojekt "Minerva" umgesetzt, in dessen Rahmen arbeitsuchende Frauen auf eine selbstständige Erwerbstätigeit vorbereitet und bei der Aufnahme dieser Tätigkeit gefördert werden und wurden. Ich beabsichtige in Abstimmung mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und dem Arbeitsmarktservice, dieses Pilotprojekt österreichweit auszuweiten.

Zur Frage 24:

Ich gehe davon aus, daß meine Ministerkollegin, Mag. Prammer, einen entsprechenden Regelungsentwurf in diese Diskussion und auch in der Regierung einbringen wird.

Zu den Fragen 25 und 26:

Ich werde jene Punkte, die im Rahmen der Regierungsklausur im Bad Aussee politisch vereinbart wurden, in Kürze als Gesetzentwurf zur Begutachtung aussenden.

Zur Frage 27:

Wie mir das Arbeitsmarktservice mitteilt, sind derartige Ausbildungsmaßnahmen vorgesehen beziehungsweise in Vorbereitung. Sollte sich das als unzureichend erweisen, gehe ich davon aus, daß das Arbeitsmarktservice entsprechende Schritte zur Mitarbeiterqualifizierung und Personalentwicklung im Arbeitsmarktservice setzen wird.

Zur Frage 28:

Punkt a: Die Durchführung der psychologischen Tests ist noch sistiert. Eine Äußerung der Datenschutzkommission liegt noch nicht vor.

Zu Punkt b: Ja.

Zu b/i: Insgesamt wurden 24 Personen getestet.

Zu b/ii: Derzeit erfolgt noch keine Evaluierung.

Zu b/iii: Ja.

Weiters darf ich bei dieser Gelegenheit noch einmal auf meine diversen Anfragebeantwortungen sowohl im Ausschuß als auch im Plenum verweisen.

Zur Frage 29:

Um ein hohes Ausmaß an Transparenz und Qualität der Arbeitsmarktdaten zu gewährleisten werden die Daten von Leistungsbeziehern mit einem Zeitverzug von drei Monaten rückwirkend erstellt. Diese rückwirkende Ermittlung hat jenen Zweck, Zeitverzögerungen bei der Rückgabe und Bearbeitung von Leistungsanträgen und offener Klärung von Ansprüchen zu berücksichtigen, damit eine vollständige sowie möglichst repräsentative und korrekte Erfassung der Leistungsbezieher gewährleistet werden kann. Nur durch dieses Vorgehen sind echte valide Daten gesichert.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich mit dieser Beantwortung und diesen Klarstellungen Ihre Fragen ausreichend beantworten konnte. Ich möchte noch darauf verweisen – Herr Abgeordneter Kier hat es bereits erwähnt –, daß die Sozialpartner dem Herrn Bundeskanzler, dem Herrn Bundesminister Fasslabend und mir heute vormittag die gemeinsamen Vorstellungen der Sozialpartner zur Bewältigung der Arbeitsmarktprobleme älterer Kolleginnen und Kollegen – sowohl arbeitsuchender, aber auch in Beschäftigung stehender – vorgelegt haben. Es wird meine Aufgabe und die meines Ressorts sein, die Überlegungen, die in diesem Konzept enthalten sind, auch zügig in die Praxis umzusetzen.

Ich bitte auch bei diesem wichtigen Projekt um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke Frau Bundesministerin Hostasch.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Die einzelnen Redezeiten dürfen 10 Minuten nicht übersteigen.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Helmut Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.00

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Bundesminister! Ich halte Ihnen zugute – wie ich es auch Ihrer ganzen Fraktion, der ganzen Bundesregierung und den anderen Abgeordneten hier im Hohen Hause zugute halte –, daß die Arbeitslosigkeit und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt von Ihnen als ein drückendes Problem erkannt wurden.

Frau Bundesminister! Sie haben diese Focus-Studie in Auftrag gegeben, und durch diese Focus-Studie wurden die Strukturen des Arbeitsmarktservice im wahrsten Sinne des Wortes viviseziert. Ihr Koalitionspartner hat Sie darauf angesprochen: Schüssel hat gemeint, es handle sich beim AMS um eine Altorganisation, und Khol, der bald zu Wort kommt, hat gemeint, daß es ein Spielball sozialistischer und gewerkschaftlicher Interessen sei – er hätte sagen sollen: sozialpartnerschaftlicher Interessen –, und hat Sie aufgefordert, Ordnung zu schaffen. Und Khol legt noch eins drauf und sagt: Arbeitsunfähige und -unwillige Langzeitarbeitslose werden im AMS Wien geparkt.

Frau Bundesminister! Etwas ist mir nicht erklärlich: Wie können Sie mit einer unvorstellbaren Selbstsicherheit alles als selbstverständlich und gut betrachten, wenn die Befunde, die von außen kommen, ganz anders lauten und wenn das Ergebnis Ihrer Arbeit offensichtlich anders lautet? – Die Liberalen unterstellen jetzt Ihnen oder den Sozialdemokraten oder einer anderen Fraktion im Hohen Haus nicht, daß Sie die Arbeitslosigkeit nicht als ein wirklich dringendes Problem verstanden hätten. Vielmehr geht es darum, daß wir Ihnen vorwerfen, daß Sie nur mehr vom selben machen und mehr von den überholten Strukturen und Mitteln einsetzen, statt wirklich die Arbeitslosigkeit an der Wurzel zu bekämpfen, dort, wo sie bekämpft werden kann, nämlich im Verständnis einer neuen Arbeitswelt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie setzen eine Maßnahme ... (Zwischenruf des Abg. Edler.) Ich bin dabei, Herr Kollege Edler! Sie setzen die Maßnahme "NEW START" und erklären, daß Sie jetzt 800 Anfragen für 500 Betriebe haben und dafür 150 Millionen Schilling einsetzen werden. – Das heißt doch ganz konkret, daß eine Beschäftigung in dieser Aktion für ein Jahr lang nicht ganz 200 000 S kostet! Und was kommt dann, gnädige Frau? Was kommt nach dem einen Jahr? 200 000 S für einen Arbeitsplatz! Das ist genau dasselbe wie bei der Lehrlingsaktion! Ich habe Ihnen mehrfach sagen dürfen, daß ich Ihnen dazu gratuliere, daß Sie das Problem der Jugendarbeitslosigkeit verstanden haben, und Sie haben auch gesehen, daß ich Ihnen applaudiert habe, Frau Bundesministerin, als Sie über Jugendarbeitslosigkeit gesprochen haben, weil in diesem Zusammenhang kurzfristig gute Arbeit geleistet wurde. Aber um welchen Preis! Sie haben keine Reform in der Lehrlingsausbildung gemacht. Sie haben da und dort Reförmchen angesetzt, aber Sie haben die Lehre noch immer nicht zur gleichberechtigten Ausbildung in der sekundären Bildungsstufe gemacht. Sie diskriminieren nach wie vor Lehrlinge und schütten diesen Bereich mit Geld zu! Und genauso gehen Sie in bezug auf die Arbeitslosigkeit vor! Sie bekämpfen die Arbeitslosigkeit nicht an den Wurzeln, dort, wo sie wirklich entsteht, sondern – das konzediere ich Ihnen – Sie entwickeln zwar sehr bemüht Budgets und bringen Geld auf, um die schlimmsten Auswirkungen dieser Arbeitslosigkeit letztlich abzufedern, aber immer nur auf ganz kurze Zeit. Sie schieben einen Berg vor sich her – ich unterstelle Ihnen jetzt gar nicht, daß Sie diesen bis zur nächsten Wahl vor sich herschieben, das wäre mir zu billig – und wissen ganz genau, daß das Problem nach einem Jahr größer und nicht kleiner ist.

Frau Bundesminister! Sie haben die tatsächliche Arbeitslosigkeit in Österreich in Frage gestellt. – Ich will mich jetzt mit Ihnen nicht über ILO-Statistiken streiten. Ich will Ihnen nur folgendes sagen: Sie müssen doch soviel Fähigkeit zur Selbstkritik haben, daß Ihnen klar ist, daß die Zahl von über 200 000 Frühpensionisten in Österreich – wir haben in Österreich das niedrigste Pensionsantrittsalter aller EU-Staaten! – nichts anderes bedeutet als ein Verschieben der Arbeitslosigkeit auf die Pensionsversicherung. Wenn dem nicht so wäre, dann würden Sie ja nicht bereits im Jahr 1998/99 7 Milliarden Schilling an Arbeitslosenversicherungsbeiträgen an die Pensionsversicherung überweisen! Das ist doch der schlagende Beweis dafür! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wissen Sie denn nicht – aber Sie wissen es natürlich! –, daß Sie damit nur Statistiken des Jahres 1999 schönen, Menschen, die keine Arbeit mehr finden, in der Pensionsversicherung parken und damit die Pensionsversicherung nachhaltig der Unfinanzierbarkeit aussetzen? Sie kennen doch die demographischen Zahlen! – Ich weiß nicht, warum Sie so wenig Kraft zur Selbstkritik haben, sich selbst zu hinterfragen und die – wie ich meine – von Herrn Kier sehr wohlmeinend und sehr fundiert vorgebrachten Kritikelemente auch zu würdigen!

Es wird in Zukunft nicht genügen, das Arbeitsmarktservice auszugliedern, meine Damen und Herren! Wenn Sie etwas ausgliedern und keinen neuen Markt schaffen, dann schaffen Sie einen neuen Monopolisten. Diesen Monopolisten entziehen Sie durch die Ausgliederung der Kontrolle des Parlaments. Sie entziehen diesen Monopolisten Arbeitsmarktservice weitgehend Ihrer Kontrolle und übergeben ihn der Kontrolle der Sozialpartner, die dort nebeneinander sitzen: ein Schwarzer, ein Roter, ein Schwarzer, ein Roter. Und wenn Sie die Stirn haben, uns zu sagen: Bei der Besetzung geht es nur um Qualifikation, dann haben Sie auch die Stirn und sagen uns: Die Qualifikation, um Geschäftsführer im AMS in einem Land zu werden, heißt Mitgliedschaft a) bei der Gewerkschaft und b) bei Rot oder Schwarz! Frau Bundesminister! Warum sagen Sie das nicht? Sagen Sie es doch ganz klar heraus, daß das die Qualifikation ist, die Sie meinen!

Es wird kein anderer außer ein Roter oder ein Schwarzer. Es wird kein anderer, der nicht Mitglied bei der Gewerkschaft ist, Geschäftsführer! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nicht blablabla sagen, Herr Kollege! Denn jetzt treffe ich Sie nämlich genau an dem Punkt, wo Sie nämlich pharisäerisch immer das Gegenteil von dem behaupten, was Sie tun! Das ist der Punkt! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter, bitte! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Peter! Sei froh, daß du nicht mehr bei uns bist! Sonst hättest du jetzt schon einen Ordnungsruf! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (fortsetzend): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Beschäftigung und zur Vermittlungstätigkeit. Frau Bundesminister! Ich kann Sie nur an ganz konkreten Zahlen messen und feststellen, daß Sie in Ihrer Vermittlungstätigkeit im Arbeitsmarktservice schlicht und ergreifend versagen! Wie soll ich es anders sagen? – Sie nehmen den Bereich des Tourismus sehr gern in den Mund, sprechen von Trittbrettfahrern und fügen die Bauwirtschaft noch hinzu. Nehmen wir die Zahlen zur Hand: Im Jahr 1992 gab es im August 12 888 arbeitslose Menschen im Tourismus. Das sind 12 888 zuviel, zu einer Zeit, in der ein riesengroßer Arbeitskräftemangel in dieser Branche geherrscht hat. Sie haben in einer Zeit, in der es die größte Beschäftigungsdichte gibt, knapp 13 000 Menschen in der Sockelarbeitslosigkeit gehabt. Im August 1998 waren es 19 000 Menschen! Dieser Sockel ist also um 50 Prozent gestiegen. Im August 1998, also in einer Zeit, in der Betriebe von Vorarlberg bis Burgenland Mitarbeiter suchen, haben Sie bei sich im Arbeitsmarktservice – beziehungsweise ist es jetzt nicht mehr Ihres; denn es ist ja jetzt ausgegliedert, es ist jetzt in rot-schwarzer Sozialpartnerschaft! – 19 000 Menschen in der Arbeitslosigkeit gehalten und es nicht geschafft, sie zu vermitteln! Im Jahr 1998 gab es im Durchschnitt 29 000 Arbeitslose in dieser Branche. Aber in der Spitzenzeit, wenn die meisten Mitarbeiter beschäftigt und nachgefragt werden, ist es Ihnen nicht gelungen, 19 000 Mitarbeiter zu beschäftigen!

Da frage ich Sie: Warum führen Sie diese in der Arbeitslosenstatistik? Da geht es doch in Wirklichkeit um Langzeitarbeitslose, die durch Schulungsmaßnahmen und durch eine weitere Öffnung des Arbeitsmarktes wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden sollen. In Wirklichkeit gibt es also im Bereich des Tourismus nicht 29 000 oder 30 000 Arbeitslose, sondern nur 10 000, denn Sie können doch nicht den Sockel von 19 014 aus dem Jahr 1998 dazurechnen!

Ich glaube, Sie müssen eine ganz andere Politik betreiben, nämlich eine Politik, die sich auf diese moderne Arbeitswelt einstellt und die versteht, daß eine Wissens- und Informationsgesellschaft andere Parameter der Arbeitswelt und der Beschäftigung braucht. Wir dürfen in Anbetracht des technologischen Fortschritts, der dramatischen Geschwindigkeit der Veränderung, der sinkenden Halbwertszeit des Wissens und der Verlust nationaler Autonomie, den Sie ja selbst angesprochen haben, nicht immer nur die alten Instrumente – aber von diesen immer noch mehr – einsetzen, die leider nicht wirken und nur viel Geld kosten und somit eine Überforderung des Sozialsystems darstellen.

Die Grundsicherung als Basis neuer Arbeit, für die Sie eine Arbeitsgruppe in Ihrem Ministerium eingesetzt haben, ist meiner Ansicht nach die Antwort darauf. Herr Edler hat gefragt, wie wir den neuen Herausforderungen einer fragmentierten Arbeitswelt entgegenkommen können und wie wir durch eine umfassende Flexibilisierung der Arbeitswelt, die selbstverständlich die Rechte auf Überstundenentgelte beinhaltet, neue Arbeit schaffen können. – Arbeitsrecht heißt, daß Menschen dann arbeiten müssen, wann es Arbeit gibt. Aufgrund der hohen Arbeitskosten und aufgrund der Produktivität können wir uns Stehzeiten letztlich nicht mehr leisten. Die hohen Arbeitskosten sind es, durch welche ein solcher Druck auf die Mitarbeiter entsteht, weil so hohe Arbeitskosten in einer Stunde in Produktivität umgemünzt werden müssen.

Warum haben Sie nicht den Mut, wirklich Modelle der Jahresarbeitszeit zu entwickeln und zu sagen: Die Normalarbeitszeit im Jahr, wie immer Sie diese festlegen, soll 1 700 Stunden betragen, und alle Stunden darüber sind Überstunden? Die Wochenarbeitszeit können Sie dann für eine gewisse Zeit auf 50 oder 60 Stunden festlegen, um Spitzen abzufedern, und alles, was darüber hinausgeht, muß als Überstunden bezahlt werden. Die Tagesarbeitszeit könnte zehn oder im Extremfall zwölf Stunden betragen, und die Zeit, die darüber hinaus gearbeitet wird, muß automatisch als Überstunden bezahlt werden, wenn sie nicht schon als Überstunden im Rahmen der Jahresarbeitszeit gerechnet wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (fortsetzend): Danke!

Das ist ein neuer Weg, wie Sie die Arbeitslosigkeit, die uns drückt und die Sie drückt, bekämpfen können, jedoch nicht mit einem Mehr an alten Maßnahmen, die viel Geld kosten und letztlich leider nicht wirken! (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Edler. Gleiche Redezeit. – Bitte.

16.10

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Anfrage zur Beschäftigung und Arbeitsmarktsituation, die heute vom Liberalen Forum eingebracht wurde, ist sicherlich legitim, überhaupt keine Frage. Aber beide Redner, Kollege Kier und Kollege Peter, waren nicht in der Lage, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, wie wir wirklich wirksame Beschäftigungspolitik umsetzen können, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Kier: Lesen Sie doch den Antrag!) Und Sie können uns nicht unterstellen, daß die Bundesregierung und insbesondere die Sozialdemokratie nicht permanent bemüht sind, alles zu unternehmen, um wirklich Beschäftigung zu schaffen, um die Geißel Arbeitslosigkeit hintanzuhalten. Das können Sie uns nicht unterstellen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen eine Politik, und zwar gemeinsam mit dem AMS, überhaupt keine Frage, mit der wir Beschäftigung gestalten und nicht Arbeitslosigkeit verwalten. Das muß unsere strategische Überlegung sein!

Meine Damen und Herren! Die Frau Bundesministerin ist ausführlich auf das eingegangen, was seitens der Bundesregierung umgesetzt wurde und was vorbereitet wird, aber auch darauf, was innerhalb der EU von uns positiv beeinflußt wurde. (Abg. Gaugg: Was denn?) Die österreichische Wirtschaft bietet ein sehr gutes Gesamtbild, auf welches wir stolz sein können, meine Damen und Herren, auch aus der Sicht der Arbeitnehmervertretung. Die Kolleginnen und Kollegen in der Arbeitswelt sind ein Teil der Wirtschaft. Es geht um die Qualität unserer Leistung, und wenn heute mehr exportiert wird, können wir sicherlich gemeinsam darauf stolz sein!

Aber wenn wir, besonders von Konservativen, immer wieder Slogans hören, daß nur der Markt die Arbeitsplatzsituation regelt, meine Damen und Herren, dann muß ich sagen: Als Sozialdemokrat und Gewerkschafter kann ich mich mit dieser Position nicht unbedingt anfreunden! Vielmehr muß unsere Kernaussage sein: Die Politik hat hier positive Rahmenbedingungen vorzugeben. Sie hat, wenn es notwendig ist, meine Damen und Herren, auch einzugreifen, insbesondere etwa bei Investitionen in die Infrastruktur. Wir haben gemeinsam aufgrund von Vorschlägen der Bundesregierung in den letzten Monaten und Jahren viele Finanzierungsmöglichkeiten beschlossen. Ich erinnere nur an das Schieneninfrastruktur-Finanzierungsgesetz, wobei wir leider zur Kenntnis nehmen müssen, daß in diesem Zusammenhang jetzt einige Milliarden Schilling brachliegen, weil diese fertigen Projekte aufgrund von Bürokratie und aufgrund von Beeinspruchungen nicht umgesetzt werden können. Dort ist der Hebel anzusetzen! Da gäbe es Tausende Arbeitsplätze, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Blünegger.)

Ich bin kein Vertreter der Industrie, ich habe aber Verständnis für die gestrige Meldung, in der aufgezeigt wurde, daß wir in den letzten Jahren aufgrund der UVP-Gesetzgebung in Österreich nur sechs große Vorhaben umsetzen konnten. In anderen Staaten, insbesondere in anderen EU-Mitgliedstaaten, ist die Handhabung im Behördenverfahren wesentlich flexibler als bei uns. Ich möchte deutlich sagen: Ich möchte jetzt nicht einer Politik das Wort reden, gemäß welcher wir Ökologie und Naturschutz komplett außer acht lassen und wegschieben. Das möchte ich nicht, meine Damen und Herren, es muß aber möglich sein, gemeinsam die notwendigen Projekte umzusetzen. (Zwischenruf des Abg. Ing. Nußbaumer.)

Wenn von seiten des Liberalen Forums die österreichische Gewerkschaftsbewegung und die Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang besonders kritisch angesprochen wurden und in vielen Bereichen davon gesprochen wird, daß es nicht legitim ist, dort eine Vertretung durchzuführen, dann möchte ich sagen: Meine Damen und Herren! Kritik kann berechtigt sein, okay. Es kommt immer darauf an, von welcher Seite man das betrachtet. Aber ich verweise darauf, daß wir auf dem österreichischen Weg gerade mit unserer Sozialpartnerschaft – und darauf sind wir stolz! – viele Probleme in Österreich am Verhandlungstisch gelöst und die Straße nicht gebraucht haben. Und das ist ein guter österreichischer Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir haben in diesem Zusammenhang aber auch die Wirtschaft zu fordern, und ich freue mich, Frau Bundesministerin, daß es heute gemeinsam mit den Sozialpartnern gelungen ist, das Paket betreffend die älteren Kolleginnen und Kollegen in der Arbeitswelt zu schnüren. Ich hoffe, daß die Modelle wirksam umgesetzt werden können! Kollege Peter und auch Kollege Kier haben den Wiedereinstieg angesprochen. Ich meine, wir müssen diesbezüglich schon auch die Wirtschaft fordern. Es kann doch nicht der richtige Weg sein, daß man bei ersten Schwankungen sofort den Weg der Kündigung mit der Zusage der Wiedereinstellung wählt! Warum versuchen wir nicht über Jahresarbeitszeitmodelle, daß die Kolleginnen und Kollegen nicht aus den Unternehmungen hinausgedrängt werden? Oder will man in gewissen Bereichen – nicht in vielen, aber doch in einigen – die Möglichkeiten des Sozialstaates und der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen und Mitarbeiter einige Wochen oder Monate in die Arbeitslosigkeit schicken? – Das kann von uns nicht goutiert werden, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Peter: Es kann aber auch sein, daß die Mitarbeiter das wollen!)

Ich kritisiere das als Sozialdemokrat auch bei einigen sozialdemokratischen Managern. Auch diese spreche ich nicht frei! Daß über Sozialpläne Probleme gelöst werden, bei denen grundsätzlich Gewinnmaximierungen möglich sind, aber Kolleginnen und Kollegen in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden, kann von uns nicht positiv bewertet werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte darauf hinweisen, weil diesbezüglich von wenig Flexibilität der Gewerkschaftsbewegung gesprochen wurde, daß gerade die Arbeitnehmervertretung und alle Fachgewerkschaften in den letzten Jahren insbesondere im Hinblick auf Flexibilisierung bereit waren, mitzuwirken. Es gibt viele Verträge über die Kollektivverträge. Wir waren bereit, über die Öffnungszeiten zu verhandeln, und das ist nicht sehr leicht! (Zwischenruf des Abg. Gaugg.) Du hast nie persönliche Verantwortung im Betrieb getragen, Kollege Gaugg! Du mußt einmal im Betrieb stehen und das Problem sehen, zum Beispiel die Arbeitsmarktsituation, und dann mußt du bereit sein, die Verantwortung für unsere Gewerkschaftsbewegung, für unsere Personalvertreter und Betriebsräte mitzutragen! Davon hast du keine Ahnung! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich war x-mal zwangsläufig in der Situation, und es ist nicht angenehm, Reformen mit Personalreduzierungen mitzutragen!

Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die Gewerkschaftsbewegung in solidarischer Absicht auch bereit war, in vielen Bereichen, wenn wir durch einen Solidarpakt den Kolleginnen und Kollegen die Beschäftigung erhalten haben und sie im Betrieb verbleiben konnten, über Lohnkürzungen zu verhandeln. Und das ist für Betriebsräte, Personalvertreter und die vielen Gewerkschaftsbewegungen nicht angenehm! Aber auch in diesem Bereich muß es eine Solidarität geben! (Zwischenruf des Abg. Gaugg.)

Meine Damen und Herren! Ich komme jetzt zur Grundsicherung, die von Ihnen angesprochen wurde. Wollen Sie das wirklich, Kollegin Schmidt? Überlegen Sie einmal, was Ihre beiden Kollegen hier angesprochen haben! Sie wollen das Sozialhilfegesetz bundesweit noch verstärken. Kollegen Khol, der nachher sprechen und wahrscheinlich Wien ansprechen wird, muß ich gleich sagen: Herr Klubvorsitzender! Die Wiener bringen rund 10 Milliarden Schilling zusätzlich für Sozialleistungen auf. Das möchte ich einmal deutlich positiv erwähnen. Aber die Grundsicherung nur als Almosenunterstützung zu sehen, meine Damen und Herren, das kann für uns keine Politik sein!

Abschließend zum AMS Wien: Ich weise strikt zurück, daß die Gewerkschaftsbewegung oder die Interessenvertretung Arbeiterkammer irgendwie als Bremser agiert hat. Die sozialdemokratische Gewerkschaftsfraktion in Wien war die erste, die in Wien 1992 – das ist in den Medien nachlesbar – das Bewußtsein für Regionalisierung gestärkt und mehr Betreuung vor Ort beantragt und zur Verhandlung gestellt hat. (Abg. Meisinger: Das wurde zu Papier gebracht, aber nicht umgesetzt!) Das war ein langwieriger Prozeß. Der Leiter des AMS Wien hat sich darum bemüht, ist aber dann in der Struktur steckengeblieben. Dennoch möchte ich die Leistung der Kolleginnen und Kollegen beim AMS besonders erwähnen, die sich bemüht haben. Wir haben einige Jobcenter in Wien – das kann auch die Wirtschaft bestätigen –, bei denen wir beste Erfolge haben. Und die Frau Bundesministerin hat es schon angesprochen: Die Arbeitnehmervertretung und die Arbeitgebervertretung haben einhellig im Direktorium ein Reformkonzept angenommen, nach welchem mehr Kundenverbindlichkeit und auch eine branchenübergreifende Betreuung unserer Kolleginnen und Kollegen auf dem Wiener Arbeitsmarkt gefordert werden.

Da hier ein paarmal der Wiener Bürgermeister angesprochen wurde, möchte ich sagen: Es ist seine Pflicht als Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann, aufzuzeigen, wenn es in Wien eine schlechtere Vermittlungstätigkeit als in den anderen Bundesländern gibt, und zu verlangen, daß das AMS Wien effizienter arbeitet. Davon lassen wir uns nicht abbringen.

Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren: Für uns Sozialdemokraten ist es zuwenig, über Arbeitslosigkeit und Beschäftigung hier schöne Reden zu halten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte nicht zum Schluß kommen, sondern wirklich Schluß machen!

Abgeordneter Josef Edler (fortsetzend): Für uns ist es wichtig, daß die Menschen von der Geißel Arbeitslosigkeit wirklich befreit werden! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Die Uhr ist auf 9 Minuten gestellt. – Bitte.

16.21

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Arbeit schaffen, nicht Arbeitslosigkeit verwalten! – Das ist für uns die Zielsetzung des AMS! (Beifall bei der ÖVP.)

Als Österreichische Volkspartei unterstützen wir daher alles, was Frau Bundesminister Hostasch zu einer sinnvollen Reform des Arbeitsmarktservice, vor allem in Wien, unternimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das Arbeitsmarktservice hat österreichweit insgesamt 106 Dienststellen. Viele davon leisten ausgezeichnete Arbeit. Und ich möchte ganz bewußt an den Beginn meiner Ausführungen stellen, daß man das Arbeitsmarktservice Wien oder das Arbeitsmarktservice Burgenland nicht mit dem Arbeitsmarktservice Niederösterreich oder mit dem Arbeitsmarktservice Tirol vergleichen kann. (Abg. Gaugg: Das kann man nicht vergleichen! Denn bei letzteren sitzen schwarze Direktoren!)

Diese wichtige Aufgabe wird mit Ernst wahrgenommen. Die Aufgabe heißt: Arbeit vermitteln, nicht Arbeitslosigkeit verwalten. – Und ich glaube, Frau Bundesministerin, wir sollten bei der Reform des Arbeitsmarktservice auch die vielen bürokratischen Behinderungen, die wir der privaten Arbeitsmarktvermittlung in den Weg gelegt haben, beseitigen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Peter.)

Ich habe gesagt, daß das AMS nur zum Teil kritisch zu sehen ist. Besonders kritisch zu sehen ist nach einer internen Studie des Arbeitsmarktservice Österreich das Arbeitsmarktservice Wien. Sie sehen auf dieser Tafel die Zielverfehlungen des Arbeitsmarktservice Wien. (Der Redner stellt ein Diagramm mit der Aufschrift "AMS Zielverfehlung" aufs Rednerpult.) Wien verfehlt vor allem folgende Ziele: beim Übertritt in die Langzeitarbeitslosigkeit die Arbeitsaufnahme von Langzeitarbeitslosen, die bundesländerüberschreitende Vermittlung im Fremdenverkehr – Herr Kollege Peter, ich gebe Ihnen recht, genau das ist es! –, und es weist Rückstände in der Leistung auf, das heißt, das AMS Wien kommt mit seinem Geld nicht aus. – Sie sehen hier den roten Balken. Der rote Balken veranschaulicht das Versagen des Arbeitsmarktservice Wien in der Beurteilung des österreichischen Arbeitsmarktservice. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dolinschek: Das ist der politische Einfluß!)

Wo versagt das Arbeitsmarktservice Wien im Detail? – Schauen Sie sich diese Schautafel an! (Der Redner stellt ein Diagramm mit der Aufschrift "Versagen des AMS Wien" aufs Rednerpult.) Sie sehen Oberösterreich mit 17,7 Prozent Bevölkerung blau und daneben Wien mit 19 Prozent Bevölkerung rot eingezeichnet. Sehen Sie sich die Arbeitslosengeldbezieher an: 13 Prozent in Oberösterreich, 27 Prozent – also doppelt soviel – in Wien. Und dann schauen Sie sich die Notstandshilfeempfänger an: 10 Prozent in Oberösterreich, 40 Prozent – also die vierfache Zahl! – in Wien. Und schauen Sie sich daneben auch die Sanktionen an – daher, Frau Bundesministerin, ist Ihre Erklärung, warum das so ist, ganz einfach unvollständig –: In Oberösterreich wurden über 22 Prozent Sanktionen verhängt, daher also weniger Arbeitsunwillige, die Notstandshilfe bekommen, in Wien wurden nur über 12 Prozent Sanktionen verhängt. Das hohe rote Balkengut bei Notstandshilfeempfängern korrespondiert eindeutig mit den nicht verhängten Sanktionen. Daher ist in diesem Punkt die Aufsichtsbehörde – und das sind Sie, Frau Bundesministerin! – gefordert. (Beifall bei der ÖVP.)

Hiebei handelt es sich nicht um kleine, sondern um große Beträge. Denn wenn Sie sich dieses letzte Taferl anschauen, dann sehen Sie die Kosten der Notstandshilfe im Vergleich zwischen Wien und Oberösterreich. (Der Redner stellt ein Diagramm mit der Aufschrift "Notstandshilfe-Kosten" aufs Rednerpult.) In Oberösterreich betrugen die Kosten für Notstandshilfe 780 Millionen, in Wien 3,3 Milliarden Schilling bei annähernd gleicher Bevölkerungszahl. Und wenn man sich das Einsparpotential anschaut, dann kann ich mir, Frau Bundesministerin, Ihre beschaulichen und langatmigen Erklärungen von heute nicht erklären. Denn würden Sie die gleichen Kriterien, die durchschnittlich in allen Bundesländern bei der Gewährung von Notstandshilfe angewendet werden, auch in Wien anwenden, dann hätten Sie ein Einsparpotential – das ist hier gelb gezeichnet – von 1,6 Milliarden Schilling! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Edler.)

Ich erinnere nur daran: Die Forderung "Karenzgeld für alle" kostet unter 800 Millionen Schilling. Wir könnten also allein aus den Ersparnissen, die bei einer sachgerechten Verwaltung des Arbeitsmarktservice in Wien erzielt werden, eine ganze Reihe anderer Aufgaben wahrnehmen, und wir könnten auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Ministerin Hostasch! Ich habe das in einer Pressekonferenz und in einer Regierungsklausur bereits angesprochen: Ich möchte, daß Sie mir den Verdacht entkräften, daß Geld der Arbeitslosenversicherung nur deswegen in Wien großzügig ausgegeben wird, damit die von den Sozialdemokraten verwaltete Bundeshauptstadt Wien mehr Geld zur Verfügung hat und nicht für die Sozialhilfe diese 1,6 Milliarden Schilling ausgeben muß. Denn wer aus dem Notstand herausfällt, fällt in die Sozialhilfe, und die Sozialhilfe haben die Länder zu bezahlen. Hier entsteht also der Verdacht, daß eine rote Hand die andere wäscht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

Frau Bundesministerin! Weil ich schon bei den roten Händen bin, möchte ich Ihnen sagen, daß es in Österreich einmal das Bonmot gegeben hat: Österreich ist das einzige Land, in dem sich eine Gewerkschaft eine Eisenbahn hält. – Und Österreich ist auch das einzige Land, in dem sich Gewerkschaft und Sozialdemokratie von den 106 Leitungsposten im Arbeitsmarktservice 106 Posten reservieren. Hier, meine Damen und Herren, wäre mehr Pluralismus angebracht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Nußbaumer: Sie haben das mitgetragen!)

Denn es kann ja nicht wirklich sein, daß von den 106 Dienststellen des Arbeitsmarktservice 106 Sozialdemokraten die Leitungsfunktionen haben! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Meine Damen und Herren! Eines möchte ich auch noch sagen: Das Arbeitsmarktservice selbst hat zwei Studien in Auftrag gegeben: eine interne Studie und eine Focus-Studie. Und ich bin den Liberalen dankbar für diese Anfrage. Denn diese Focus-Studie unterstreicht genau, was wir immer vertreten: Man sollte den Leiter des Arbeitsmarktservice nicht nach dem Motto "Ein Sündenbock ist gefunden" ablösen. Was not tut, Frau Bundesministerin, ist vielmehr eine Totalreform. Wir werden Ihnen dabei helfen! (Beifall bei der ÖVP.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte.

16.29

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Herr Klubobmann Dr. Khol hat die Vermutung geäußert, daß durch die Handhabung der Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und des Arbeitsmarktservicegesetzes durch das Arbeitsmarktservice eine Begünstigung – lassen Sie es mich so formulieren – der Budgetsituation des Landes Wien erfolgt.

Ich halte mit aller Deutlichkeit fest: Es handelt sich bei beiden Gesetzen um Bundesgesetze, die bundeseinheitlich gleich wahrgenommen werden. Daher erfolgt sicherlich keine Begünstigung irgendeines Bundeslandes. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Wie erklären Sie dann die Zahlen?)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte.

16.30

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und ÖVP.) Szenen einer Ehe – einer Ehe, die kurz vor der Auflösung steht – durften wir in den letzten Minuten miterleben. Denn es ist wirklich erstaunlich, wie sich gerade der Klubobmann der ÖVP, Dr. Khol, hier am Rednerpult verhält. (Abg. Koppler: Der Khol ist jetzt fremdgegangen!) Er sitzt seit Jahren auf dem Schoß des Kanzlers und tut doch so, als würde ihn die gesamte Sozialpolitik bis heute wenig bis gar nichts angehen. Wenn es allerdings die ÖVP einmal schaffen würde, in die Regierung zu kommen, dann würde alles anders werden. – So war hier und heute sein Debattenbeitrag zu verstehen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist mißverstanden!)

Da er hier den Vorwurf erhoben hat, daß der Österreichische Gewerkschaftsbund sage und schreibe alle 106 Funktionen für sich selbst in Anspruch nimmt, möchte ich ihm den Vorschlag mit auf die Reise geben, daß alle ÖAAB-Gewerkschafter sofort ihre Funktionen zur Verfügung stellen. Das wäre ein gutes Beispiel und wäre außerdem eine Meßgröße dafür, wie seine Worte auch dem Wahrheitsgehalt standhalten würden. Denn so ist es ja einfach: hier herauszugehen, den Sozialpartner beziehungsweise Koalitionspartner anzuschütten, sich dann zurückzuziehen und zu lachen – und wie schon bei der Eisenbahn zu schauen, daß man vielleicht doch ein Vorstandsmitglied mehr bekommt, damit man der unsinnigen Eisenbahnregelung zustimmen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Pröll-Sekretäre!)

Das war der einzige Grund. "Pharisäerhaft" darf man ja nicht sagen, aber das würde fast schon in die Nähe kommen, was Sie hier aufführen. Denn überall die Vorstandsposten mitkassieren (Abg. Mag. Stadler: Pröll-Sekretäre!), überall die Positionen sozialpartnerschaftlich mit besetzen, aber hier das Unschuldslamm spielen wollen – das, Herr Klubobmann Khol, wird mit Sicherheit nicht hineingehen.

Und genauso Freund Edler! (Abg. Edler: Na, was hast denn?) Das ist ja abenteuerlich: Wir müssen die Geißel der Arbeitslosigkeit bekämpfen, hat er gesagt. (Abg. Edler: Ja! Machst du was?) Warum sind denn 300 000 Menschen – offiziell – arbeitslos, und das seit Jahren, mit steigender Tendenz? (Abg. Edler: Und was ist international?)

Frau Bundesminister Hostasch hat heute exakt 40 Minuten für die Nichtbeantwortung einer Dringlichen Anfrage gebraucht. Mit keinem Wort ist sie auf das Ergebnis der Studie der St. Gallener Firma Focus eingegangen, von der massive Vorwürfe erhoben werden: Doppelgleisigkeiten, Ineffizienz, schlechte Ausbildung der Mitarbeiter – wofür die Mitarbeiter nichts können, sondern das ist eine Frage der Zurverfügungstellung von Mitteln, der Möglichkeit der Aus- und Weiterbildung und von ähnlichem mehr.

Weiters beantworten Sie die Frage nach den Projekten MIRA und KASSANDRA interessanterweise damit, daß man nicht auf Einzelprojekte zurückgreifen darf, sondern die Gesamtmaßnahmen sehen muß. Jetzt sage ich Ihnen, Frau Bundesminister: Ihre Gesamtmaßnahmen schauen so aus, daß Ihr Herr Bundeskanzler angekündigt hat, alle Lehrlinge werden einen Arbeitsplatz erhalten. Wir haben derzeit 6 000 Lehrlinge ohne Beschäftigung, und wir haben 22 000 Lehrlinge in den Schulen geparkt. Das heißt, diese Ankündigung ist voll danebengegangen!

Auch alle anderen Ankündigungen aus dem nationalen Beschäftigungsplan sind bis dato nicht erfüllt worden. Ich kann Ihnen sagen: Sie werden in diesem Parlament als "Ankündigungslore" in Pension gehen. Das wird Ihr Beiname sein, weil all das, was Sie ankündigen, nicht eintritt. Jetzt, bei NEW START, sagen Sie: 800 Anfragen von 500 Betrieben, es wird ein Erfolg werden. Sie sagen uns nach jeder Ihrer Wortmeldungen, daß alle Maßnahmen, die Sie treffen, Erfolge sind. Nur sind sie nicht meßbar!

Warum haben wir eine steigende Anzahl von Frühpensionisten? Warum haben wir eine steigende Anzahl von Arbeitslosen, von Unterbeschäftigten? Warum lassen Sie es zu, daß Arbeitnehmer in Österreich zu immer menschenunwürdigeren Bedingungen Arbeit verrichten müssen? – Das ist unter Ihrer Verantwortung geschehen, davon können Sie sich nicht lossprechen!

Sie haben über die Lehrlinge mit rund 1,8 Milliarden Schilling das Füllhorn ausgeschüttet. Sie werden nunmehr für diese 500 oder 800 Anfragen – wir werden ja dann von Ihnen erfahren, wie viele tatsächlich in den Arbeitsmarkt integriert worden sind – in Summe 300 Millionen Schilling aufwenden. 150 Millionen hatten Sie schon, der Herr Finanzminister gibt Ihnen dazu noch einmal 150 Millionen Schilling. Wieder ein Faß ohne Boden, ohne Nachvollziehbarkeit der Effizienz dieser Maßnahmen!

Beim Arbeitsmarktservice selbst wäre es einfach, Lösungen zu finden, die im Interesse der österreichischen Bevölkerung sind: nämlich nicht Einzementieren und Einmauern der alten Ideen und der alten Strukturen, sondern Zulassen des Wettbewerbs. Zulassen des Wettbewerbs heißt auch, daß Positionen innerhalb des Arbeitsmarktservice nach Qualifikation und nicht nach Parteibuch besetzt werden. Denn das sind Ihre größten Probleme. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch Ihr Problem, Frau Minister – da habe ich Verständnis dafür, daß Sie nicht so können, wie Sie wollen –, daß Sie viele Nieten mitschleppen müssen, die kraft ihrer Tätigkeit in irgendeiner Sektion Ihrer Partei einfach eine leitende Position in irgendeinem Sozialkörper brauchen. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen nur noch eines: Was letztlich als Ergebnis der Focus-Studie herausgekommen ist, sagen Ihnen wohlmeinende Oppositionskräfte und wohlmeinende Fachleute für den Arbeitsmarkt seit Jahren. Ich bin überzeugt davon, daß bedauerlicherweise wahrscheinlich auch bei Ihnen, in Ihrem Sozialministerium, die Firma Focus zu dem gleichen traurigen Ergebnis wie beim AMS kommen würde, nämlich daß die Ineffizienz groß ist.

Ich würde mir eine effiziente Verwaltung wünschen. Dann würden die Arbeitslosenzahlen in Österreich endlich wieder einmal sinken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

16.37

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Dringlichen Anfrage der Liberalen möchte ich nur ganz allgemein in Richtung der Liberalen anmerken, daß ich mit Ihrer Anfrage ein Problem habe: Es ist so viel darin verpackt, was es wert wäre, es in einzelne Teile zu zerlegen und es in drei oder vier verschiedene Dringliche Anfragen aufzugliedern. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist wahr! Aber so viele haben wir nicht!) Es geht um die Beschäftigungspolitik. Im Prinzip wäre es allein eine Dringliche Anfrage wert, hier die Situation oder die Perspektiven, die Einstellungen zum Arbeitsmarktservice Wien zu diskutieren. Stoff für Stunden wäre allein das!

Man braucht nicht so lange, um Herrn Abgeordneten Khol zu widerlegen. Denn das, was er hier gemacht hat, war nichts anderes als eine Verdrehung der Tatsachen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Edler: Wien anschütten!) Ich werde Ihnen das noch erklären. Ich habe es heute früh schon versucht, aber Sie haben wieder nicht gut aufgepaßt, Herr Abgeordneter Khol.

Dann haben wir natürlich noch das Faktum oder den Umstand, daß ein Teil der Kritik der Liberalen völlig berechtigt dort anschließt, wo die Kritik von unserer Seite schon vor Jahren begonnen hat, als es darum gegangen ist, die Ausgliederung aus der Bundesverwaltung darzustellen und zu kritisieren. Wir haben damals schon gesagt: Die Sozialpartner werden, wenn sie ihren ureigensten Interessen – ich will nicht von "Trieben" sprechen – folgen wollen, selbstverständlich versuchen, ihre Klientel zu bedienen. Aber dabei bleiben bestimmte Gruppen auf der Strecke. Genau das hat sich herausgestellt: Die ganze Förderpolitik ist auf die Kerngruppen, auf die Institutionen der Sozialpartnerschaft und ihre Vereine, von BFI bis WIFI, abgestellt. – Das ist der eine Punkt.

Das zweite: Im Rahmen der Sozialpartner haben Frauen nicht viel zu melden. Das merkt man auch in der Förderpolitik. Das merkt man auch dort, wo es darum ginge, mit speziellen Hilfen und Programmen den Wiedereinstieg von Frauen – da ist überall abgebaut worden – in den Arbeitsmarkt zu fördern und zu begünstigen.

Das dritte, was wir an Kritik vorgebracht haben, ist: Es wird eine neue Hierarchieebene eingezogen, nämlich das Bundes-AMS, das es in dieser Form vorher nicht gegeben hat. Das kostet allein schon deshalb mehr Geld, weil alle anderen Hierarchieebenen bestehen bleiben.

Es gibt eine neue Ebene, das Bundes-AMS, und es hat sich herausgestellt, daß das Bundes-AMS, obwohl formell ganz oben, zwischen den verschiedenen Institutionen hängenbleibt. Da gibt es auf der einen Seite die Landesgeschäftsstellen, die Landes-AMS, die als operationelle Einheiten sehr viel Geld zu verwalten haben und – Herr Abgeordneter Khol, kleine Seitenbemerkung, Gedankenstrich Anfang: wie man nicht am Beispiel Wien, sondern an den Beispielen Niederösterreich und Oberösterreich sieht – nicht einmal zu einem Controlling ihre Kosten betreffend fähig sind. Denn das waren die zwei wahlkampfführenden Bundesländer, in denen die Millionen nur so hinausgeworfen wurden. (Abg. Dr. Khol: Die Zahlen sind anders!) Es war nicht Wien – Wien hat ein relativ gutes Controlling, obwohl die Struktur für Wien nicht günstig ist –, sondern es waren Oberösterreich und Niederösterreich.

Es waren diese beiden Bundesländer, weil dort Wahlkampf geführt wurde, Herr Abgeordneter Khol. Da ist nicht zufällig in beiden Bundesländern natürlich auch die Österreichische Volkspartei entsprechend bedient worden, durch die Förderprogramme, durch die Maßnahmen, die gesetzt worden sind.

Da ging es darum, daß man sich vor Wahlen günstig darstellen wollte, und da mußte natürlich das AMS Oberösterreich genauso wie das AMS Niederösterreich relativ großzügig mit den Förderungen umgehen. Erst zu spät ist man draufgekommen, daß das eigentlich Hunderte Millionen gekostet hat, die jetzt abbezahlt werden müssen. Es ist Ihre Partei, es sind Ihre Vertreter im AMS, die das zu verantworten haben. Wo bleibt Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren? – Gedankenstrich Ende, Anmerkung zum Thema: Wo ist die politische Verantwortung im Bereich AMS angesiedelt?

Sie, Herr Abgeordneter Khol, kritisieren irgendeinen Geschäftsführer in Wien, auch die Tatsache, daß es so viele Notstandshilfebezieher gibt – und Sie kehren nicht einmal vor der eigenen Tür!

Abschluß: Wir haben die Ausgliederung in der Form, in der sie geschehen ist, immer wieder kritisiert, weil sie keine Klarstellungen bringt, weil sie Verantwortungen und Kontrollmöglichkeiten verringert. Das ist eines der Probleme.

Jetzt komme ich aber trotzdem noch im speziellen zu Wien, Herr Abgeordneter Khol. Sie können hier noch so viele Taferln aufstellen. (Abg. Dr. Khol: Schöne Taferln!) Es sind schöne Farben auf den Taferln, das konnte ich von dort oben erkennen. Es waren verschiedene Farben. (Abg. Dr. Khol: Grün war nicht darauf!) Aber das allein sagt noch nichts aus, daß Sie mit verschiedenen Farben operieren können und auch verschiedene Farben auf einer Graphik darstellen können. Das allein ist mir zuwenig, Herr Abgeordneter Khol.

Das Problem, das Sie bei Ihrer Graphik übersehen haben, ist die Struktur. Die Beschäftigungsstruktur, die Wirtschaftsstruktur und die Arbeitsmarktstruktur in Wien sind komplett anders als in Oberösterreich. Trotzdem können Sie hier mit Ihren Taferln mit den schönen Farben versuchen (Abg. Dr. Petrovic: Nicht schön, kein Grün!), so zu tun, als ob die Probleme identisch wären.

Sie wissen genausogut wie ich – und das ist Verdrehung von Fakten, Herr Abgeordneter Khol, wenn Sie das wider besseres Wissen machen (Abg. Koppler: Das ist ein christlicher Politiker!) –, Sie wissen genausogut wie ich, Herr Abgeordneter Khol, daß mindestens ein Drittel der Beschäftigten innerhalb der Wirtschaftsstruktur in Wien auf den öffentlichen Dienst entfällt. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Dr. Khol und Koppler.) Sie wissen genausogut wie ich, daß es in Wien – im Unterschied zu einem Bundesland wie Oberösterreich – für Beschäftigte oder Arbeitslose keine Möglichkeiten mehr gibt, in den öffentlichen Dienst zu wechseln, weil es dort einen Aufnahmestopp gibt.

Das heißt, wir haben zwar formell die Möglichkeit für, sagen wir, 1 Million Menschen in Wien, die beschäftigt sind, wieder in das Arbeitsleben zu wechseln. Aber ein Drittel davon ist öffentlicher Dienst, und wer dort herausfällt, der kann nicht wieder dorthin zurückkehren. Es fällt daher mindestens ein Drittel der möglichen Beschäftigungsplätze in Wien aus, weil es in diesem Bereich eine Sperre gibt. Das ist nicht wenig, Herr Abgeordneter Khol, mindestens ein Drittel!

Punkt zwei: Sie gehen einmal mehr her – und das zeigt nur, daß Sie nicht gern zuhören, Herr Abgeordneter Khol (Abg. Dr. Khol: Ich sitze ja die ganze Zeit hier! Ich höre Ihnen sogar sehr gern zu!) –, nehmen die hohe Zahl von NotstandshilfebezieherInnen in Wien her und fordern: Raus mit ihnen, rein in die Sozialhilfe! (Abg. Edler: 200 000 Einpendler mußt du erwähnen!) Was Sie fordern, Herr Abgeordneter Khol – ich habe heute versucht, Ihnen das zu sagen –, das wäre ungesetzlich. (Abg. Dr. Maitz: Warum können es denn die anderen auch?) Denn auch dann, wenn unter diesen Notstandshilfebezieherinnen und -beziehern eine relativ große Anzahl wäre, die arbeitsunwillig wäre, kann ich sie nicht aus dem Bezug bringen, sondern ich kann nur den Bezug befristet sperren. Befristet! (Abg. Dr. Khol: Und dann kommen sie doch in die Sozialhilfe!)

Nein, da kommen sie nicht in die Sozialhilfe, Herr Abgeordneter Khol! Sie haben das System offensichtlich überhaupt nicht verstanden. (Abg. Dr. Khol: Das stimmt ja nicht!) Es ist tragisch, daß Sie als Klubvorsitzender das nicht verstehen. – Sie können nicht in die Sozialhilfe kommen, weil sie zu Recht einen Anspruch auf Notstandshilfe haben. Der kann befristet gesperrt werden, aber dann bekommen Sie ihn Gott sei Dank wieder.

Herr Abgeordneter Khol! Was Sie hier fordern, ist noch brutaler! Sie wissen genau, daß die Leute in der Sozialhilfe nicht ankommen. Sie wollen die Leute auch noch um ihr weniges Einkommen überhaupt bringen, und das ist Brutalität pur. Wenn Sie das so machen wollen, wenn Sie das so meinen, Herr Abgeordneter Khol, dann müssen wir eine Debatte über das christliche Menschenbild der ÖVP führen! (Abg. Edler: Khol will keine Hängematte!) Dann ist es aber dringend – und das wäre wirklich einer Dringlichen Anfrage an die Adresse Ihrer Partei wert –, zu sehen, wie Ihr christliches Welt- und Menschenbild noch beschaffen ist.

Ich möchte die Bundesregierung und die Frau Bundesministerin trotz ihrer langen Ausführungen nicht aus der Verantwortung entlassen. (Abg. Koppler: Keine Zeit mehr!) Frau Bundesministerin! Sie haben sehr lange gesprochen (Abg. Meisinger: Und nichts gesagt!), und es ist Ihnen in der sehr langen Zeit Ihrer Rede nicht gelungen, die Einwände, die Kritik zu entkräften. Denn eine Trendwende bei den Arbeitslosenzahlen gibt es nicht, Frau Bundesministerin! Sie wissen das genausogut wie ich. Sie haben Zahlen über die Entwicklung der Arbeitslosen im Jänner genannt – und das ist in der Anfrage der Liberalen sehr vorsichtig angedeutet –, wonach die Arbeitslosigkeit rückläufig ist, und zwar laut Bericht vom Jänner im Ausmaß von ungefähr 800 Arbeitslosen. Sie haben gesagt, daß Sie daher eine Trendwende sehen.

Sie kennen so gut wie ich die vorläufige Vorstandsrichtlinie "Verpflichtende Eintragungen in der AMS-EDV", in der seit Dezember aufgetragen ist, daß jene Personen, von denen Herr Khol immer redet – die eine Sanktion wegen sogenannter Arbeitsunwilligkeit erhalten haben, die also beim Arbeitgeber nicht aufgetaucht sind –, für die Zeit ihrer Sanktion aus der Statistik herauszunehmen sind. Das ist auch ein Argument gegen Herrn Khol, aber er versteht das Problem in diesem Punkt sowieso nicht, weil er etwas anderes verstehen will: weil er nämlich politischen Druck auf Arbeitslose erzeugen will.

Aber das heißt nichts anderes als folgendes: Der Rückgang der Arbeitslosenzahl um 800 Personen ist, da allein im Monat Jänner 800 Personen bundesweit neu gesperrt worden sind, tatsächlich kein Rückgang, sondern wir haben eine Zunahme der Zahl der Arbeitslosen. Wir haben eine Zunahme der Arbeitslosenzahl, die aber in der neuen Statistik kaschiert ist.

So wird Politik rund um Arbeitslosigkeit in Österreich gemacht. Es ist Ankündigungspolitik. Es ist keine Politik, die Strukturmaßnahmen herbeiführt, keine Politik, die nachhaltige Maßnahmen erzielt, und vor allem keine Politik, die weit über die Arbeitsmarktpolitik hinausgehen und Beschäftigungs- sowie Arbeitszeitpolitik integrieren müßte. (Abg. Silhavy: Redezeit! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihr wichtigstes Anliegen, die Redezeit! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Es wäre notwendig gewesen, das auch in Ihren Ausführungen zu betonen, Frau Bundesministerin! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Maria Schaffenrath. – Bitte.

16.48

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Öllinger hat natürlich recht damit, daß man allein über die Problematik der Frauenbeschäftigung eine eigene Dringliche Anfrage machen könnte. So viele Dringliche Anfragen hat die Opposition leider nicht zur Verfügung. Daher mußten wir sie in dieses Gesamtkonzept einbinden.

Frau Ministerin! Sie haben so sehr die erfolgreiche Beschäftigungspolitik der Regierung gelobt. Sie haben hier versucht, diese erfolgreiche Beschäftigungspolitik an Beispielen festzumachen. Ich möchte Sie jetzt nur in bezug auf den Bereich der Frauenbeschäftigung noch einmal fragen, worin Sie denn da Erfolge sehen.

Selbstverständlich weiß ich, daß es Programme dafür gibt, Mädchen in nichttraditionellen Bereichen unterzubringen. Wie erfolgreich sind Ihre Programme? Wie viele Mädchen haben wir bisher in nichttraditionellen Berufen untergebracht? (Bundesministerin Hostasch spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Dr. Kostelka.) – Nein, die Frau Ministerin paßt nicht auf, aber sie wird es im Protokoll nachlesen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wie viele Mädchen haben wir bisher in nichttraditionellen Berufen untergebracht, in jenen Berufen, in denen nicht nur höhere Verdienstchancen aufgrund der sehr unfairen Bewertung von männlicher und weiblicher Arbeit erzielbar sind, sondern auch in Zukunft bessere Chancen für die Beschäftigbarkeit insgesamt bestehen?

Frau Ministerin! Wie erfolgreich waren Sie in der Frauenbeschäftigung, wenn die Arbeitslosenquoten von Männern und Frauen auseinanderdriften, wenn die Frauenarbeitslosigkeit seit 1996 ganz einfach kontinuierlich steigt, während sie bei Männern – vielleicht in vielen Bereichen kaschiert, aber zumindest laut Ihrer Statistik – stagniert?

Wie erfolgreich waren Sie, wenn sich die Zahl der Notstandshilfebezieher und -bezieherinnen – da haben wir den größten Anteil an Frauen – seit 1990 verdoppelt hat? Wie erfolgreich waren Sie in Fragen der Frauenbeschäftigung, wenn die Verweildauer der Frauen in der Arbeitslosigkeit genau um ein Drittel länger ist als jene der Männer? Wie erfolgreich waren Sie, muß ich Sie fragen, wenn ich mir das sprunghafte Ansteigen von geringfügigen Beschäftigungen ansehe, bei denen wiederum Frauen überproportional vertreten sind?

Jetzt spreche ich noch nicht von jenen, die aufgrund der fehlenden Möglichkeiten, aufgrund der fehlenden Beratung und aufgrund der notwendigen Bildungsmaßnahmen einfach den Mut verloren haben und nicht einmal mehr in Ihrer Statistik erfaßt sind. Viele Frauen versucht man jetzt mit dem Kinderbetreuungsscheck zu beruhigen beziehungsweise mit Karenz-Diskussionen – so sage ich einmal – ruhigerzustellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich betrachte das nicht als Erfolg, Frau Ministerin! Wenn hier heute schon so viele strukturelle Mängel des AMS angesprochen wurden, dann möchte ich noch einen hinzufügen. Die Sozialpartnerschaft ist männlich dominiert, und das AMS ist männlich dominiert, und von den Leitungsstellen sind ein Viertel mit Frauen besetzt. Sie verlassen sich darauf, daß das AMS die notwendigen Schulungen der dort Beschäftigten durchführen wird, um so auch mehr Sensibilität für geschlechtsspezifische Beratung zu erreichen.

Frau Ministerin! Ich verlasse mich darauf nicht, weil ich Ihnen jetzt sofort Beispiele dafür nennen kann, wo Mädchen, die sich für einen nichttraditionellen Beruf entschieden haben, beim AMS vorgesprochen haben und Beratung und Unterstützung wollten, dort abgewiesen wurden. Sie wurden nicht nur nicht unterstützt, sondern man hat ihnen dort abgeraten, das zu tun. Ich verlasse mich nicht auf diese Schulung durch das AMS, vor allem wenn man sich ansieht, wie wenig sensibel die dort Beschäftigten zum Beispiel mit Antragstellerinnen für Frauenprojekte umgehen. Die Frauen werden dort abgewimmelt, bevor sie überhaupt ein Projekt einreichen können. Und so geht man insgesamt mit Frauenprojekten um.

Frau Ministerin! Sie sagen, man sollte diese beschäftigungspolitischen Maßnahmen nicht anhand von Einzelprojekten im Bereich der Frauenprojekte beurteilen. Sie haben sich hier vor einer Antwort – ich sage jetzt einmal – gedrückt. Wenn Sie gleichzeitig auf Ihre eigenen zwei Einzelprojekte verweisen, dann glaube ich nicht, daß das der richtige Zugang ist. Frau Ministerin! Diese Frauenprojekte werden systematisch ausgehungert, diese Frauenprojekte sind der Lehrlingsoffensive zum Opfer gefallen, diese Frauenprojekte sollen kontinuierlich von den Bildungseinrichtungen der Sozialpartnerschaft übernommen werden.

Die Bildungseinrichtungen der Sozialpartnerschaft wollen sogar nach dem gleichen Programm der Frauenprojekte arbeiten, und diese Frauenprojekte arbeiten gut. Sie haben eine hohe Vermittlungsquote, sie gehen individuell auf Frauen ein, und sie bieten noch etwas an, was wir im Bildungsbereich sehr vermissen, sie bieten nämlich auch noch zusätzlich Kinderbetreuungseinrichtungen an. Das ist vielfach die Voraussetzung dafür, daß sich Frauen überhaupt in den Bildungsbereich begeben können. In diesem Bereich tut das AMS nichts, und da liegt meiner Meinung nach auch Ihre Verantwortung genauso wie die Verantwortung der Frauenministerin. Wir brauchen mehr Transparenz und mehr Informationen, wenn es um Mittel geht, die für die Förderung, für die Kofinanzierung von EU-Projekten zur Verfügung stehen. Wir brauchen aber auch eine andere Finanzierungsform.

Frau Ministerin! Ich finde es beschämend, daß engagierte Frauen, allen Widrigkeiten zum Trotz, dem Informationsmangel zum Trotz, ein Projekt genehmigt bekommen und dann monatelang –auch über die Frist hinaus – auf die Finanzierung dieses Projektes warten müssen. Es geht nicht an, daß sie nur im nachhinein finanziert werden, daß das Risiko und die Zinsbelastung zu ihren Lasten gehen, daß sie monatelang persönliche Vorleistungen erbringen müssen und sich selbst über diese einkommenslose Zeit hinüberretten müssen. Da bräuchten wir wohl tatsächlich ein anderes Finanzierungssystem, da brauchen wir zentrale und serviceorientierte Beratungsstellen in den AMS und nicht, daß das ausgehungert und auf die Bildungseinrichtungen der Sozialpartner geschoben wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Ministerin! Noch ein Punkt, der mir ganz wichtig ist, betrifft die Möglichkeit, über Bildungskarenz die im Rahmen der Sparpakete gekürzte, de facto auf eineinhalb Jahre gekürzte Karenzzeit auszudehnen. Ich habe schon Verständnis dafür, daß man den Frauen wieder – ich sage einmal, durch ein Hintertürchen – zu den zwei Jahren Karenzzeit verhelfen möchte, ich habe für die Frauen Verständnis! Aber, Frau Ministerin, ich habe auch Anspruch auf Qualität, und das AMS kontrolliert nicht, welches Bildungsangebot von diesen Frauen in Anspruch genommen wird.

Qualität ist wichtig, sonst investieren wir in Bildung, die den Frauen beim Wiedereinstieg nicht hilft, die den Frauen nicht hilft, besser beschäftigbar zu werden. Ich möchte nicht polemisch sein, aber der Töpferkurs an der Volkshochschule hilft den Frauen nicht. Wir brauchen regional abgestimmte Bildungsprogramme. Ich bin sehr dafür, daß diese Frauen die Möglichkeit der Bildungskarenz haben, aber den Qualitätsanspruch, Frau Ministerin, in Bildungsfragen möchte ich nicht aufgeben.

Frau Ministerin! Da wir gerade von Qualität sprechen, möchte ich folgendes sagen: Wenn man weiß, daß jede zweite arbeitslose Frau nur einen Pflichtschulabschluß hat, dann bitte ich Sie zu überdenken, daß 29tägige Bildungsmaßnahmen, die auch noch zum Schönen der Statistik der Langzeitarbeitslosen dienen – Frauen sind die primär davon Betroffenen –, den Frauen keine qualitativ hochwertige Bildung vermitteln können. Damit werden diese Frauen mit einem Pflichtschulabschluß nicht wieder beschäftigbar gemacht und auch ihre Chancen als Wiedereinsteigerinnen – vielleicht sind sie schon mehrere Jahre aus dem Berufsleben ausgestiegen – nicht verbessert.

Frau Ministerin! Die Diskussion dreht sich in diesem Hohen Haus und in der Öffentlichkeit um Karenz, Karenz, Karenz. Ich hoffe, Sie haben Ihre Großmütter- und Großväter-Karenz nicht ernst gemeint, Sie haben heute nicht darauf reagiert. Aber gesellschaftspolitisch und beschäftigungspolitisch wäre es viel wichtiger, über folgendes nachzudenken: Wie bringen wir mehr Väter in Karenz? Wie schaffen wir es, daß Frauen aus dem Arbeitsleben nicht aussteigen müssen, daß sie nicht zu 99 Prozent nach dem derzeitigen Stand das Risiko für eine Karriereunterbrechung und für Einschränkungen in ihrer Berufslaufbahn tragen müssen? – Wenn wir das lösen, dann, Frau Ministerin, wären wir in Fragen der Frauenbeschäftigung ein gutes Stück weiter. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

16.58

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es wäre jetzt verlockend, auf die Ausführungen der Kollegin Schaffenrath näher einzugehen. Allerdings ist das angesichts der 17 Seiten umfassenden Anfrage, die uns das LIF heute beschert hat, nur ein Detail, und ich denke, es wird sich bei einer Ausschußberatung vielleicht die Möglichkeit ergeben, darüber eingehender zu sprechen. Unsere Einstellung zur Karenzgelddiskussion ist ohnedies, so nehme ich an, allen hier geläufig.

Beschert hat uns das LIF deswegen eine Anfrage, die mir ein wenig wie ein Scherzpaket vorkommt, dem man sozusagen eine Mogelpackung verpaßt, um damit die Möglichkeit zu haben, Organisationen, Zielsetzungen und Maßnahmen auf eine Art und Weise, wie ich es eigentlich von dieser Partei nicht gewohnt bin, mieszumachen.

Es ist auch sehr interessant, daß Sie in Ihrer Anfrage Kammerfunktionäre und Gewerkschaftsfunktionäre als "demokratisch nicht legitimiert" betiteln, obwohl diese sich meistens mehr als einer Wahl stellen müssen. Das fängt im Betrieb an und geht bis zu den Kammerwahlen hin. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kier.) Lieber Kollege Kier! Ich muß sagen, das gibt mir schon zu denken, vor allem wenn ich weiß, welchen Ursprung Ihre Partei gehabt hat und woraus sie sich entwickelt hat. Vielleicht sollten Sie darüber auch einmal nachdenken, das sage ich Ihnen ganz offen und ehrlich! (Abg. Schaffenrath: Das ist eine schwache Ansage!) – Es ist aber so. Denken Sie einmal darüber nach, Kollegin Schaffenrath!

Auch die Formulierung Ihrer Frage 12 ist sehr durchsichtig. Wollen Sie Menschen, die beim AMS beschäftigt sind, die Mitgliedschaft beim ÖGB verwehren? Finden Sie das demokratiepolitisch richtig? Was wollen Sie mit dieser Anfrage? (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Sie reden von privaten Arbeitsvermittlern und reden diesen das Wort. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, rede ich nicht, wenn Ihr Erstredner sich dadurch ausgezeichnet hat, daß er buchstabiert. Was er buchstabierte, brauche ich Ihnen, so glaube ich, nicht zu erzählen. Er betitelt sich zwar als Gewerkschaftsgründer, begründet aber, warum er hier in diesem Hohen Haus die Unternehmer vertritt. Also solch eine Gewerkschaft und solch eine Partei sind für mich eigentlich kein Diskussionspartner, der ernst zu nehmen ist – auch nicht hier in diesem Haus. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie kritisieren sozusagen, daß es zuwenig private Arbeitsvermittler gibt beziehungsweise zu viele Barrieren für private Arbeitsvermittler bestehen und quasi eine Monopolstellung des AMS vorliegt. Aber Sie wissen ganz genau, daß es gerade das AMS ist, welches Arbeitslose auf Arbeitsplätze vermittelt und nicht einen qualifizierten Arbeitnehmer von einem Betrieb abwirbt und an einen anderen Betrieb vermittelt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Synthesis-Studie. Ich nehme an, daß sie Ihnen allen bekannt ist. Sie zeigt die Dynamik am österreichischen Arbeitsmarkt auf. In Wahrheit wird jeder zweite Arbeitsplatz besetzt, und zwar zu einem Drittel mit Arbeitslosen, zu einem Drittel von anderwärtig Beschäftigten und zu einem Drittel mit Menschen, die in Karenz oder nicht berufstätig waren.

Das sind die Fakten, die Sie meines Erachtens wider besseres Wissen verschwiegen haben, denn es würde Kollegen Kier nicht entsprechen, wenn er diese Fakten nicht kennen würde.

Besonders interessant finde ich aber, daß man, wenn man Ihre Anfrage liest, den Eindruck bekommt, Sie wissen nicht einmal, wie sich das AMS zusammensetzt, nämlich daß die Leistungsgremien alle paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt sind. Das kommt in Ihrer Anfrage nicht zum Ausdruck. Und wenn man Kollegen Khol zugehört hat, dann kommt man zu der Ansicht, er weiß überhaupt von nichts. Er ist mir vorgekommen wie das Rumpelstilzchen, so nach dem Motto "Ach, wie gut, daß niemand weiß ...!"

Herr Kollege Khol! Aber es ist vielleicht für uns ganz gut, wenn Sie zur Beschäftigungspolitik und Frauenpolitik reden, denn das kann uns eigentlich nur Wählerstimmen bringen und Ihnen welche kosten, und insofern müßten wir Ihnen vielleicht dankbar sein dafür. (Abg. Dr. Khol: Sie werden sich wundern!) – Das glaube ich nicht.

Ich frage aber auch nach den Positionen des Liberalen Forums. Gibt es zum Beispiel eine Forderung vom Liberalen Forum, daß die Unternehmer die offenen Stellen endlich einmal beim Arbeitsmarktservice melden müßten? Gibt es eine Forderung, daß die Betriebe Qualifikationen im vorhinein bekanntgeben sollten? – Wenn man in den Betrieben nachfragt, welche Qualifikationen sie im nächsten Jahr brauchen, können sie einem das oft nicht einmal sagen. Oder: Wie denken Sie darüber, daß sich die Unternehmer immer mehr von der Lehrlingsausbildung zurückziehen und alles nur mehr von der öffentlichen Hand finanzieren lassen? – Überall Deregulierung, kennen wir schon.

Warum hört man eigentlich nichts vom Liberalen Forum, wenn ein steirischer Wirtschaftskämmerer von der sozialen Hängematte, die Herr Kollege Khol heute wahrscheinlich auch mit den damit verbundenen Sanktionen angesprochen hat, spricht? – Wo bleiben da Ihre Argumente, wo bleiben Ihre Positionen? (Abg. Dr. Petrovic: Wer hat das AMS ausgegliedert? – Die Opposition? Wer hat denn die arbeitgeberseitigen Interessenvertretungen eingebunden?) – Ich habe nicht bekrittelt, daß sie eingebunden sind. Die Wirtschaft soll auch nicht aus der Verantwortung entlassen werden, Frau Kollegin Petrovic! Offensichtlich haben Sie diesbezüglich eine ganz eigene Einstellung, weil Sie glauben, daß man das von der Wirtschaft abgehoben machen kann. Das wird nicht durchführbar sein. (Abg. Dr. Kier: Die Kammer ist nicht die Wirtschaft!)

Aber es ist sehr interessant, daß Sie Kollegen Geldner zitieren und ihn dazu benutzen, um mit der Politik des Stärkeren – was offensichtlich Ihre Politik ist – zu argumentieren und Schutz- und Sozialmaßnahmen wegzubringen. Es ist mir schon bewußt, daß Sie gewisse Personengruppen als Zielsetzung haben, und das ist auch Ihr gutes Recht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt.) – Aber dann sagen Sie es und hängen Sie sich nicht das Deckmäntelchen der Nächstenliebe um!

Was wollen Sie tatsächlich mit Ihrer Grundeinkommensdiskussion? – Sie wollen, daß Menschen, die arbeiten müssen, weil sie von dieser Arbeit leben, der Wirtschaft als billige und billigste Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist eine unseriöse Unterstellung!) Sie wollen staatliche Förderung für jeden einzelnen und für die Beschäftigung (Abg. Gaugg: Sie lassen billige Arbeitskräfte zu!), Arbeitsplätzchen und "Mc Jobs". Das ist Ihre Zielsetzung. Ich denke, das sollte man wirklich auf den Punkt bringen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Gaugg.) – Sie verstehen keine zusammenhängenden Sätze, weil Sie nur buchstabieren. Das ist mir schon bekannt. (Abg. Gaugg: Doppelt- und Dreifachkassierer!)

Aber wir erkennen die Situation der Menschen, wir erkennen soziale Zusammenhänge, und für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Maßstab ist für uns der Mensch dort, wo er steht. (Abg. Gaugg: Multifunktionär, Multikassierer!) Der Mensch ist dort zu begleiten, wo er Hilfe und Unterstützung braucht. Man sollte nicht große Töne spucken wie andere Leute und nicht Gewerkschaften gründen, die hier im Haus Unternehmerinteressen vertreten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Multifunktionär, Multikassierer!)

17.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.05

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage eine Reformdiskussion über das Arbeitsmarktservice führen, dann, glaube ich, sollten wir zunächst einmal festhalten, daß die Erwartungshaltung an das Arbeitsmarktservice nicht lautet, Arbeit zu schaffen – das können letztlich nur erfolgreiche Unternehmer –, sondern Arbeit zu vermitteln und Rahmenbedingungen mitzugestalten, daß erfolgreiche Unternehmer eine Chance haben, über das Arbeitsmarktservice auch jene Kräfte zu bekommen, die sie dringend brauchen. Das ist die Aufgabe des Arbeitsmarktservice.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir über das Arbeitsmarktservice diskutieren, dann müssen wir in der Tat – wie das Klubobmann Khol gemacht hat – auch sehr differenziert diskutieren. Meine Damen und Herren! Es kann kein Zufall sein, daß etwa in Niederösterreich Herr Landeshauptmann Pröll das Arbeitsmarktservice Niederösterreich sehr lobt und in Wien Herr Landeshauptmann und Bürgermeister Häupl das Arbeitsmarktservice Wien sehr kritisiert. Das ist kein Zufall, meine Damen und Herren, und widerspricht auch jener Theorie, daß alles nur an der anderen Wirtschaftsstruktur in Wien liegt.

Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich jetzt nicht auf das Focus-Gutachten, sondern auf eine Unterlage des Arbeitsmarktservice Wien, Landesdirektorium, vom 26. Jänner. Ich zitiere nur zwei Sätze daraus:

"In verschiedenen Aufgabenbereichen kommt es zu Zuständigkeits- und Kompetenzproblemen. Nach wie vor werden Kunden, sowohl Arbeitssuchende als auch Unternehmer, zwischen den Organisationseinheiten hin- und hergeschickt." – Das ist "Effizienz" der Arbeitsvermittlung im Arbeitsmarktservice Wien.

Das hat mit der Wirtschaftsstruktur überhaupt nichts zu tun. Das ist eine echte Schwachstelle im Arbeitsmarktservice Wien, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Bundesminister! Ihr Kopfnicken zeigt, Sie haben die Probleme erkannt, und Sie wissen auch, daß das Problem allein mit Köpferollen nicht zu lösen ist. Es müssen strukturelle Änderungen in Wien durchgeführt werden, um das Problem zu lösen. Wenn wir hier kritische Äußerungen machen, dann im Sinne einer konstruktiven Kritik und eines Angebots, gemeinsam die Weichen anders zu stellen. Deshalb haben wir, Gottfried Feurstein, unser Sozialsprecher, und ich, vor etwa drei Wochen ein Zehn-Punkte-Programm zur Reform des Arbeitsmarktservice öffentlich vorgelegt. – Ich darf daraus ganz kurz zusammenfassen.

Erster Punkt: Wir hätten eine sprungartige Kapazitätserweiterung des Arbeitsmarktservice ohne einen Mann Personal zusätzlich, wenn wir hier im Parlament einmal bereit wären, die Praktiker, die täglich in den regionalen Servicestellen an der Front stehen, zu fragen, welche Bestimmungen des Gesetzes administrativ so zeitraubend sind, daß dafür zwei, drei Leute beschäftigt werden müssen, die man viel effizienter für die Arbeitsvermittlung einsetzen könnte, und dann entsprechend zu handeln. (Abg. Öllinger: Das haben Sie beschlossen!) Das wäre ein Appell auch an Sie, Herr Kollege Öllinger!

Sie kommen nur her und kritisieren. Das ist kein konkreter Vorschlag! Es geht nicht darum, daß man sollte, daß man müßte, sondern wir als Parlament könnten das tun. Die Frau Minister wird aufgefordert, dem Parlament entsprechende Vorschläge vorzulegen. (Abg. Dr. Petrovic: Mit Verlaub, wir sind die Opposition! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Es gäbe eine wesentliche Kapazitätserweiterung für das Arbeitsmarktservice, wenn wir jene Barrieren beseitigen würden, die heute der privaten Arbeitsvermittlung entgegenstehen. Und diese bestehen nicht im Bereich der Gewerbeordnung. (Abg. Öllinger: Das ist gemacht! – Beifall der Abg. Schaffenrath.) Ich halte es für anachronistisch in einer Zeit, in der wir jedem Arbeitsplatz nachlaufen, jenen Prügel vor die Füße zu werfen, die bereit sind, private Arbeitsvermittlung zu betreiben. (Abg. Dr. Petrovic: Wer tut denn das?) – Das wird getan. Lesen Sie die Bestimmungen des Arbeitsmarktförderungsgesetzes! Lesen Sie die Prüfungsverordnung des Sozialministeriums, dann sehen Sie, was da alles zu erfüllen ist, damit jemand überhaupt private Arbeitsvermittlung betreiben kann. (Abg. Wabl: Wer hat die Bestimmung gemacht? Waren Sie das? – Abg. Schaffenrath: Wer hat das gemacht?)

Ich weiß nicht, warum Sie so aufgeregt sind, Frau Kollegin? Warum sind Sie so aufgeregt? (Abg. Wabl: Wer hat das beschlossen?) – Wahrscheinlich haben Sie das meiste mit beschlossen. (Abg. Dr. Petrovic: Ich bin nicht aufgeregt! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Grünen und dem Liberalen Forum.)

Dritter Punkt: Wir haben in einzelnen Bundesländern hervorragende Best-practice-Modelle. Was hindert die anderen Bundesländer daran, diese Modelle zu übernehmen? – Ich erwähne nur das Beispiel Niederösterreich. Dort wird seit längerem unser Slogan umgesetzt, der lautet: Nicht Arbeitslosigkeit finanzieren, sondern Arbeit fördern! Das heißt, nicht dem Arbeitslosen das Geld geben, sondern dem Betrieb, wenn er den Arbeitslosen dafür einstellt. Herr Kollege Peter! Das kostet etwas, das weiß ich schon. (Zwischenruf des Abg. Edler.) Aber ich halte es für wesentlich günstiger, den Arbeitslosen einzustellen und dem Betrieb das Geld zu geben, als dem Arbeitslosen das Geld zu geben und zu sagen, dein Problem ist gelöst, da hast du dein Arbeitslosengeld und sei zufrieden, auch wenn du keinen Job hast. (Beifall bei der ÖVP.)

Vierter Punkt: Meine Damen und Herren! Ich möchte hier ausdrücklich festhalten, daß ich sehr viele engagierte, junge tüchtige Mitarbeiter in den regionalen Arbeitsmarktservicestellen kenne. Ich glaube, wir sollten auch – jedes Personalberatungsbüro ist in der Lage dazu – Vorschläge dazu machen, wie eine leistungsorientierte Honorierung dieser Mitarbeiter erfolgen soll. Dies soll nicht nach Schema F erfolgen, sondern es sollte die Leistungsgesinnung der jungen Mitarbeiter auch im Gehaltssystem entsprechend berücksichtigt werden.

Der fünfte Punkt unserer Vorschläge betrifft die Internetvermittlung. Im Bundesdurchschnitt haben wir derzeit 11,8 Prozent Internetvermittlung, in der Steiermark allein 32 Prozent.

Wo liegen die großen Unterschiede? Warum kann man dieses Best-practice-Modell nicht auch auf andere Länder übertragen? – Das ist nicht eine Aufgabe für das Parlament, sondern für den operativen Teil des Arbeitsmarktservice und der einzelnen Landesgeschäftsstellen.

Der sechste Punkt unserer Vorschläge: Wir bekennen uns dazu, daß mit jedem Arbeitslosen verpflichtend ein Beratungsgespräch zu führen ist. (Zwischenruf des Abg. Wabl.) Das Problem ist nicht gelöst, wenn ich dem Arbeitslosen ein Arbeitslosengeld überweise. Darin liegt vielleicht der Irrtum, daß wir jahrelang geglaubt haben, das Problem sei gelöst: Er bekommt ohnehin eine Sozialleistung, er soll zufrieden sein, weil er das Arbeitslosengeld bekommt. – Daher ein verpflichtendes Beratungsgespräch mit jedem Arbeitslosen!

Ich nenne als siebenten Punkt – ich weiß, daß das vielleicht gar nicht so populär ist –: Für Langzeitarbeitslose soll es, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, eine Verpflichtung für Sozialdienste oder für den Einsatz im Umweltbereich geben. (Abg. Koppler: Das hat es schon einmal gegeben!) Ich glaube, diesbezüglich haben wir eine Aufgabenstellung in unserer Gesellschaft, wodurch für beide ein Nutzen besteht, sowohl für den Arbeitslosen als auch für den Umweltbereich oder den Sozialbereich.

Achter Punkt – ganz wichtig im Zusammenhang mit der ganzen Diskussion betreffend "Karenzurlaub" –: Wir brauchen massive Qualifikationsprogramme, um den Wiedereinstieg der Frauen nach dem Karenzurlaub entsprechend zu fördern. Wir haben immer wieder die Barriere, daß, wenn die Mütter zwei, drei Jahre vom Betrieb weg sind, der Betrieb inzwischen total umorganisiert und die Qualifikation nicht mehr gegeben ist. Ich glaube, die Wiedereinstiegshilfen für Frauen, für Mütter nach dem Karenzurlaub zu fördern, wäre gut investiertes Geld.

Neunter Punkt, er betrifft speziell ältere Arbeitskräfte – wir haben erst heute dem Herrn Bundeskanzler einen Katalog überreicht –: Erhöhung des Bonus für die Einstellung älterer Arbeitskräfte. Ein Bonus in der Höhe von durchschnittlich 6 300 S pro Jahr ist als Anreiz zuwenig, wenn gleichzeitig der Malus pro Jahr etwa 25 000 S ausmacht.

Meine Damen und Herren! Letzter und zehnter Punkt unseres Programms – das ist wahrscheinlich überhaupt die große Herausforderung für die nächsten Jahre –: massiver Einsatz von Arbeitsmarktförderungsmitteln für die Qualifikation von Arbeitskräften. Wir haben immer das Problem, daß an sich zwar Arbeitskräfte vorhanden sind, die aber nicht jene Qualifikation haben, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt wird.

Diese zehn Punkte der Volkspartei, meine Damen und Herren, sind alle mit der Zielsetzung aufgestellt worden, nicht einfach zu kritisieren, sondern Vorschläge zu machen, wie man es besser machen kann. In diesem Sinn, meine Damen und Herren, Frau Bundesminister, haben Sie unsere volle Unterstützung als Regierungspartner, wenn Sie darangehen, dieses Zehn-Punkte-Programm mit uns gemeinsam und nicht nur mit dem ÖGB umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dolinschek hat jetzt das Wort. Gewünschte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Grünen.)

17.13

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es gibt unterschiedliche Betrachtungsweisen dieser Situation. Frau Bundesminister! Sie haben zu Beginn Ihrer Stellungnahme gesagt, es sei ein legitimes Recht der Opposition, die negativen Punkte herauszuklauben. Ich sehe das auch so. Sie sitzen in der Regierung. Sie haben die Möglichkeit, gewisse Dinge umzusetzen. Sie haben gesagt, die Bundesregierung betreibe eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik. – Na ja, die Zahlen beweisen eigentlich etwas anderes. Sie rücken das eine in das Licht, die Opposition rückt das andere in das Licht. Aber betroffen sind die Österreicherinnen und Österreicher.

115 Millionen Schilling werden für "NEW START" zur Verfügung gestellt. Sie sagen, 800 Personen und 500 Betriebe haben sich gemeldet; das sind 200 000 S pro Person und Jahr. Es ist ein legitimes Recht, gewisse Förderungen zur Verfügung zu stellen. Nur mit Förderungen allein schafft man im Prinzip aber keine Beschäftigung, allerdings sind sie natürlich ein Mittel dazu. Herr Stummvoll hat vorher gemeint, Probleme werden nicht gelöst, indem man Arbeitslosengeld auszahlt, sondern man muß die Leute auch vermitteln. Darin gebe ich ihm völlig recht. Aber Probleme werden auch nicht gelöst, wenn man Förderungen ausschüttet und die Unternehmer dann nur noch Leute einstellen, wenn sie eine Förderung dafür bekommen. Da müssen eben die Rahmenbedingungen geändert werden, und die Ursache ist bei den Wurzeln zu packen, Frau Bundesminister!

Im Jahre 1994 hat man die Arbeitsmarktverwaltung in Arbeitsmarktservice umgetauft und gemeint, die Vermittlung solle im Vordergrund stehen, und die Verwaltung sollte in den Hintergrund rücken. Jetzt hat uns die Schweizer Firma Focus eines anderen belehrt. Mich wundert es nicht, denn im AMS sind dieselben Leute wie vorher tätig, und die Rahmenbedingungen haben sich nicht geändert. Es gibt genauso wie vorher ein ständiges Hineindirigieren aus parteipolitischer Sicht. Jetzt sind es eben mehr die Sozialpartner. Früher ist das vom Sozialministerium ausgegangen, aber Sie haben nach wie vor die Aufsichtspflicht.

Im nationalen Beschäftigungsplan wurde angekündigt, 20 000 bis 30 000 Jobs durch die aktive Arbeitsmarktverwaltung zu schaffen. Wie soll man das schaffen? – Die Studie beweist, daß Österreich in Europa hinterherhinkt, weil wir nur 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die aktive Arbeitsplatzvermittlung zur Verfügung stellen. Wir bieten heute Umschulungen an, und die Nutznießer dieser Umschulungen sind das Wifi und das BFI, die sich damit ein Körberlgeld verdienen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Was nützt es heute jemandem, der über 50 Jahre alt ist, wenn er zur Umschulung geschickt und dort die Zeit totgeschlagen wird? – Denn eingestellt wird unter diesen Rahmenbedingungen, wie wir sie heute haben, ohnehin kein über 50jähriger.

Der Bundeskanzler hat voriges Jahr am 1. Mai gesagt, er wolle ein Beschäftigungskanzler sein. Als Beschäftigungskanzler wird er sicher nicht in die Geschichte eingehen, wenn man sich die Zahlen zu Gemüte führt. Von der Regierung wird immer wieder behauptet, daß die Gesamtbeschäftigung seit dem Jahr 1997 zugenommen hat, und zwar im Jahr 1997 um 8 000 Beschäftigungsverhältnisse und im Jahr 1998 um 22 000 auf insgesamt zirka 3 Millionen Beschäftigungsverhältnisse. Diesen Steigerungen steht aber der Umstand gegenüber, daß die Zahl der erwerbstätigen älteren Personen wesentlich stärker gestiegen ist als die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse, woraus abzuleiten ist, daß in diesen Jahren ein Rückgang der Erwerbsquote in Österreich zu verzeichnen ist.

Wenn man sich die Zahlen in den Altersgruppen ansieht, so stellt man fest, es ist bei den über 55jährigen eine Arbeitslosenrate von 10,5 Prozent zu verzeichnen, aber auch bei der Altersgruppe zwischen 15 und 18 Jahren liegt sie bei 3,3 Prozent. Der Grund, warum sie in diesem Bereich so niedrig ist, liegt darin, daß die Jugendlichen noch nicht statistisch erfaßt werden, sondern in Lehrgänge geschickt und dadurch die Zahlen künstlich nach unten gedrückt werden.

Diese offizielle Arbeitslosenstatistik – das ist heute schon des öfteren gesagt worden – ist mehr als geschönt. Denn wenn man die verdeckten Arbeitslosen, die wir in Österreich haben – dazu zählen natürlich auch die Frühpensionisten, die arbeitslosen Karenzurlauber, die Bezieher von Notstandshilfe, die Bezieher von Sonderunterstützung und die Bezieher von Pensionsvorschüssen –, dazurechnet, dann kommt man auf einen ganz anderen Schnitt, auf einen Wert, der im europäischen Durchschnitt, wenn nicht darüber liegt. Aber bei uns wird die Statistik eben geschönt.

Ich darf noch ganz kurz etwas zu den Frauen sagen: Frau Bundesminister! Sie selbst sind eine Frau, ich spreche Ihnen das Engagement nicht ab, daß Sie sich einsetzen, auch daß Sie sich auf dem Arbeitsmarkt für Frauen einsetzen. Aber Sie müssen auch die Rahmenbedingungen dazu ändern. Die Arbeitslosigkeit trifft vor allem Frauen. Der neue "Rekord" der Arbeitslosenquote bei den Frauen betrug im Jahresdurchschnitt 7,5 Prozent. Jene der Männer ist nach dieser geschönten Statistik etwas niedriger.

Die Probleme der Frauen liegen aber oft in fehlender und zu geringer Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das heißt, es fehlen beziehungsweise es gibt überhaupt keine bedarfsorientierten Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich. Da würde unser Kinderbetreuungsscheck eine Abhilfe schaffen, und das würde Arbeitsplätze für Tagesmütter schaffen und wäre sofort umzusetzen. Setzen Sie sich auch dafür ein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.19

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Bei der heutigen Debatte fällt mir in Abwandlung der vielzitierten Redensweise: Wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr!, ein: Wenn man einen solchen Koalitionspartner hat, braucht man fast keine Opposition mehr. (Abg. Dr. Stummvoll: Zahnlose Opposition heißt das, oder?)

Herr Abgeordneter Stummvoll! Bei Ihnen ist es ja keine echte Opposition, deswegen sagte ich "fast keine Opposition". (Abg. Dr. Stummvoll: Sie müssen sich andienen an die grün-rote Opposition!) Es ist bei Ihnen eher Oppositionsrhetorik, die Sie uns präsentieren. (Abg. Dr. Kostelka: Wahlkampfrhetorik!) Ich fürchte, es ist keine echte Wahlkampfoppositionsrhetorik. Das haben beide Regierungsparteien – Regierungspartner sind es ja nicht, es sind eher Regierungsgegner – an sich, daß sie in Vorwahlzeiten immer zu einer ganz intensiven Oppositionsrhetorik neigen.

Herr Abgeordneter Stummvoll! Manchmal ist es ganz lohnend, sich die alten Protokolle herauszuholen. Am 7. April 1994 (Abg. Wabl: Nicht am 1. April!) – nicht am 1. April –, als das AMS ausgegliedert wurde, wie das so schön heißt, haben Sie das Wort ergriffen und unter anderem gesagt: "Und ich sage gerne auch, daß wir wissen, welche Verpflichtung und welche Verantwortung wir dadurch, daß wir als Interessenvertretung, als Wirtschaftskammer in den Organen sitzen – bis hinunter in die Bezirksebene –, übernehmen. Ich gebe auch gerne zu: Wir werden in Zukunft nicht mehr so leicht sagen können, das oder jenes funktioniert nicht, weil die anonyme Arbeitsmarktverwaltung versagt, sondern wir werden in Zukunft selber drinsitzen, mitgestalten, aber auch mitverantworten müssen." (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Stummvoll: Trotzdem kann ich etwas besser machen!)

Herr Abgeordneter Stummvoll! Es besteht grundsätzlich nie ein Einwand dagegen, daß jemand zu der Erkenntnis kommt, man könne etwas noch besser machen. Nur haben damals beide Regierungsparteien, auch die heutige Sozialministerin, damals Abgeordnete, gemeint: Das wird alles viel effizienter, jetzt wird nicht mehr die Arbeitslosigkeit verwaltet, jetzt wird ganz effizient vermittelt, jetzt kann man endlich die Probleme des Arbeitsmarktes lösen. – Sie haben damals in Ihrer Rede noch die Regionalisierung als Positivum erwähnt – Stummvoll wörtlich –: "Die Gewerkschaft in Zwettl oder die Handelskammer in Zwettl weiß viel besser, wie die Arbeitsmarktprobleme dort ausschauen, wie sie zu lösen sind, als irgendeiner in Wien, der glaubt, er könne diese Probleme zentral lösen." (Abg. Dr. Stummvoll: Das habe ich heute betont!)

Sie sitzen nach eigener Diktion in allen Gremien, bis hinunter in die Bezirksebene (Abg. Dr. Stummvoll: Als Minderheit!), aber für das, was dort passiert, war schon wieder nur die Sozialdemokratie verantwortlich. Also ganz so kann es nicht sein.

Herr Abgeordneter Stummvoll! Sie sagen, man könne nicht primär fördern. Da tönt immer wieder dieses üble Wort von der Hängematte mit. So lustig ist es nicht, von 7 000 S im Monat zu leben. Ich halte es überhaupt für unmöglich, wahrscheinlich können wir alle, die wir hier in diesem Raum sitzen, uns kaum vorstellen, wie frau von 7 000 S im Monat lebt. Aber, Herr Abgeordneter Stummvoll, ich vermisse diese Förderungszurückhaltung, wenn es um wirtschaftsbezogene Förderungen geht. Gerade aus dem Sozialministerium – ich hatte die Freude, das Vergnügen und die Ehre, diesen Bereich persönlich kennenzulernen – sind viele Milliarden an die Wirtschaft geflossen, ganz steuerfrei, als reine Förderungsmaßnahmen, teilweise mit geringen Erfolgen. Ich weiß, daß es auch teilweise von ÖVP-Seite – sagen wir einmal – ein heftiges Bemühen um die Gewährung dieser Förderungen gab.

Oder ich vergleiche es mit einem anderen Bereich, in dem Sie sich traditionellerweise sehr stark machen: 8,5 Milliarden Schilling für die Landwirtschaft. Die Grünen tragen das mit. Wir sind für die Erhaltung einer klein- und mittelbäuerlichen Landwirtschaft. Aber 8,5 Milliarden für die Landwirtschaft auszuschütten und trotzdem täglich 10 bis 18 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu verlieren – das heißt ein dramatischer Arbeitsplatzverlust trotz viel höherer Milliardenförderungen, als die Summe aller Arbeitslosen bezieht –, das ist keine positive Leistungsbilanz, Herr Abgeordneter Stummvoll! Sie sollten einmal in sich gehen, wie diesbezüglich Ihre Wertungen ausschauen. Ich habe den Eindruck, daß Ihr kritisches Potential erstens einmal in Vorwahlzeiten steigt, zweitens einmal dann steigt, wenn es auf Kosten des Koalitionsgegners geht, und drittens einmal nicht so ausgeprägt ist, wenn es um Förderungen geht, die tendenziell einem konservativ-schwarzen Bereich zuzurechnen sind. Das erlaube ich mir, in aller Form hier anzumerken.

Ich erlaube mir auch anzumerken, daß ich schon damals vor genau diesen Effekten, die Sie heute richtigerweise kritisiert haben, gewarnt habe, daß ich damals gewarnt habe (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll) – ja, unter anderem vor Ihnen – vor der völligen Versozialpartnerschaftlichung. Ich habe gesagt: Es wird nicht transparenter werden, es wird nicht effizienter werden, die Kosten werden nicht sinken, die Arbeitslosigkeit – das habe ich damals schon befürchtet – wird so nicht signifikant sinken. – All das ist eingetreten. Hinsichtlich der Frauenförderungen und der geschlechtsspezifischen Diskriminierungen des AMS kann ich mich nur Kollegin Schaffenrath anschließen. Da hat sie leider völlig recht.

Frau Bundesministerin! Das ist auch meine Hauptkritik: Es kann nicht angehen, daß in einer Einrichtung, die den Arbeitsmarktproblemen aller Österreicherinnen und Österreicher zu dienen hat, von den beiden Vorständen zwei Männer und von den 18 Landesgeschäftsführern beziehungsweise Stellvertretern 17 Männer und eine stellvertretende Frau in Wien sind. Das heißt, von 20 Spitzenpositionen ist eine mit einer Frau in einer stellvertretenden Funktion besetzt. Deswegen ist es kein Wunder, daß die Lebensperspektive, wie sie für viele Frauen typisch ist, im Arbeitsmarktservice zu gering ausgeprägt ist. Die Bundeswirtschaftskammer hat sich auch nicht sehr stark gemacht, daß sie Frauen in die Gremien entsendet. So ist das zu einem viel stärker männlich dominierten Verein geworden, als die alte AMV es je war.

Ich komme auch noch kurz auf die Zahlen zu sprechen: 1,6 Milliarden Schilling hat Klubobmann Khol an Notstandshilfeeinsparpotential in Wien vorgerechnet. Mein Kollege Karl Öllinger hat dazu sachlich schon gesagt, warum dieser Vergleich extrem hinkt. Ich mache Sie auch auf die Haushaltsstrukturen aufmerksam. Wenn da wieder das ÖVP-Modell zum Tragen kommt, Frauen in Abhängigkeit von Partnern zu bringen, Frauen nur dann sozialpolitisch wahrzunehmen, wenn sie in der klassischen Kleinfamilie leben, dann gibt es aus unserer Sicht eine klare Absage. Sie wissen, daß die Notstandshilfe daran gekoppelt ist, daß kein Partner oder keine Partnerin vorhanden ist, der oder die im Vollverdienst steht. Wenn Sie jetzt in einer Großstadt wie Wien einen höheren Anteil an Single-Haushalten haben, was wollen Sie dann tun, Herr Abgeordneter Stummvoll? Einen Ehezwang verordnen?

Elfriede Hammerl hat es an einem Frauentag einmal halbironisch vermerkt: Wir müssen schon fast froh sein, wenn von konservativer Seite noch nicht die Forderung nach Wiedereinführung der Witwenverbrennung ertönt. – Also solche Konzepte sind nicht tragbar. Schauen Sie sich die Haushaltsformen an! Ich denke, die Frauen, die von der Notstandshilfe leben – das kann man eigentlich gar nicht sagen, sondern die damit irgendwie auskommen müssen –, haben sich zu ihrer mißlichen Situation wirklich nicht auch noch den politischen Spott verdient! (Beifall bei den Grünen.)

Ein Allerletztes: Ich sprach von den beiden männlichen Vorständen. Wir hören jetzt, daß Ihr stärkeres Ringen um mehr Einfluß im AMS dazu führt, daß auch der eine Vorstand, der tendenziell der Ihrigen Seite zuzurechnen ist, Herr Böhm, offenbar Herrn Buchinger beerben möchte. Das ist schon bezeichnend, und angesichts der Größenordnungen, über die wir reden – Landwirtschaft, Wirtschaft, Arbeitslose, NotstandshilfebezieherInnen –, sollte man doch vielleicht auch einmal mit Herrn Böhm darüber reden, daß seine erste Forderung, wenn er dort installiert würde, ein Dienstwagen war. Wenn das die arbeitgeberseitige Art der Interessenvertretung ist, dann bitte ich doch noch einmal die Wirtschaftsvertreter, etwas mehr in sich zu gehen. (Beifall bei den Grünen.)

17.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Reitsamer mit einer gewünschten Redezeit von 7 Minuten. – Bitte.

17.30

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Daß in die Anfrage der Liberalen, das ist schon gesagt worden, sehr viel hineinverpackt wurde, ist natürlich legitim, weil jede Fraktion nur eine bestimmte Anzahl von Dringlichen Anfragen einbringen kann. Der Titel lautet: Fehlstart für "NEW START", aber man setzt sich in erster Linie mit den Strukturmängeln im Arbeitsmarktservice auseinander.

In der Anfrage ist die Studie von "Focus" zitiert. Dazu muß ich folgendes sagen: Weil die große Reform des AMS nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, hat das AMS selbst diese Studie in Auftrag gegeben. Ich würde mir wünschen, daß auch andere Organisationen eine derart selbstkritische Haltung an den Tag legten, damit wäre uns nämlich schon sehr geholfen.

Ich möchte mich aber auch mit den Aussagen von Herrn Dr. Khol auseinandersetzen. Wäre Herr Klubobmann Kostelka heute hier herausgegangen und hätte einen ÖVP-Minister auf diese Art und Weise attackiert, dann wäre Herr Dr. Khol wie von einer Tarantel gestochen hochgeschossen und hätte den Koalitionsbruch heraufbeschworen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen; aber es sind schon die Oppositionsparteien darauf eingegangen. Wer solche Freunde hat, braucht wirklich keine Feinde mehr! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Dafür war Herr Dr. Khol etwas weniger informiert. Er hat von 106 Geschäftsstellen gesprochen, er weiß nicht, daß es 114 sind.

Herr Dr. Khol hat die Frau Bundesminister wegen ihrer Aufsicht beim AMS Wien attackiert. Herr Kollege Öllinger hat sehr genau die Unterschiede zwischen dem angesprochenen Oberösterreich und Wien aufgezeigt, ich kann mir das aus Zeitgründen daher ersparen. Aber eines sage ich schon: Wofür glaubt die ÖVP in der Bundesgeschäftsstelle eine Vertretung zu haben? – Böhm sei Dank, man hätte sich längst an ihn wenden können, meine ich.

Noch etwas: Herr Dr. Khol hat sich natürlich unmittelbar nach seinen Attacken das Lob von seiten der "F" geholt. Er mußte schnell zur "F" hinüber, um sich ein bißchen loben zu lassen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wabl.)

Ich möchte jetzt wieder zum Thema zurückkommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir können nichts dafür, daß sich Herr Khol bei uns das Lob geholt hat! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Nicht aufregen! Es ist schade um die Energien, die hier verpuffen. Ich höre Ihnen sowieso nicht zu, denn mit dem niedrigen Niveau Ihrer Attacken können Sie mich nicht beleidigen. Das können Sie mir glauben. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das war keine Attacke gegen Sie!)

Es wurde von einem Bericht der EU-Kommission gesprochen; die Frau Ministerin hat das bereits widerlegt. Sie hat auch die Kriterien für eine gleiche Bemessung der Arbeitslosigkeit hier ganz genau angesprochen. Sie haben nur eines nicht auseinandergehalten: Sie differenzieren nicht zwischen Erwerbslosigkeit und Arbeitslosigkeit. Erwerbslosigkeit hat noch in keiner Arbeitslosenstatistik der Welt ihren Niederschlag gefunden.

Ich erkenne in Ihrer Anfrage auch ein intensives Lobbying für private Vermittler. Es gibt kein Konkurrenzdenken seitens des AMS, im Gegenteil, man ist bereit, noch wesentlich stärker zu kooperieren. Und diesbezüglich wird es bis Ende März zusätzliche Vorschläge geben. Aber man darf nicht vergessen, daß die private Vermittlung entgeltlich ist und daß man sich nicht vom Arbeitsmarktservice die Materialien gratis und franko liefern lassen kann.

Lassen Sie mich ein paar Zahlen gegenüberstellen: Das AMS besetzt 180 000 offene Stellen per anno und vermittelt 405 000 Arbeitslose in die Beschäftigung. Bei den privaten Vermittlern liegt die Zahl der Besetzung der offenen Stellen unter 2 000, und die praktische Vermittlung von Arbeitslosen ist gleich null.

Sie haben uns unterstellt, daß die Lehrlingsoffensive nicht funktioniert hätte. Ich erinnere an die Novelle und daran, warum wir diese Novelle machen konnten. Wir konnten auf vorhergehende Jahrgänge zurückgehen, sodaß auch diese noch in den Genuß dieser Lehrlingsoffensive kommen konnten.

Frau Abgeordnete Schaffenrath hat sich mit der Frauenförderung auseinandergesetzt, nur ein paar Zahlen dazu: Der Frauenanteil an der Arbeitslosigkeit ist mit 44,9 Prozent bedauerlicherweise sehr hoch, aber der Frauenanteil an den Förderungen des AMS beträgt immerhin 48 Prozent. Frauen sind überdurchschnittlich länger in Fördermaßnahmen des AMS und insbesondere bei der Eingliederungsbeihilfe und den Berufsausbildungsmaßnahmen überrepräsentiert. Daß Sie mich nicht mißverstehen: Ich begrüße das ausdrücklich.

Die Förderung von Mädchen in für Frauen nicht traditionellen Berufen ist von 1995 auf 1996 um 200 Prozent und von 1996 auf 1997 um weitere 100 Prozent gestiegen.

Ich möchte auch noch auf meine positiven Erfahrungen mit dem AMS Salzburg hinweisen.

Und wenn Sie heute hier sagen: "NEW START" – im Schnitt 200 000 S pro Arbeitnehmer im Jahr, muß ich Ihnen folgendes sagen: Wenn ich in jenen Vereinen, in denen ich Vorsitzende bin, 200 000 S Förderung für eine Arbeitskraft im ersten Jahr bekomme, dann kann ich das sehr wohl in der Weise nützen, daß ich auch in den folgenden Jahren diese Arbeitskraft bei mir beschäftigen kann. Da muß man halt auch ein bißchen kreativ sein.

Herr Kollege Peter hat sehr geklagt darüber, daß alles nur unter Rot und Schwarz aufgeteilt ist. Lieber Herr Kollege Peter! Ich glaube, Sie als Oberösterreicher kennen die Radiosendung "Linzer Torte". Der Chef des AMS hat sich in dieser ausdrücklich zu den Liberalen bekannt und gesagt, er hätte mit der Sozialdemokratie nichts am Hut. Und in der Steiermark gibt es, das weiß ich selbst, einen Geschäftsführer, der der "F" angehört. – Das zur Aufteilung unter Rot und Schwarz. Ganz so, wie Sie es hier behauptet haben, ist es Gott sei Dank, möchte ich sagen, nicht. Und damit können die ewigen Unterstellungen hier endlich aufhören! (Beifall bei der SPÖ.)

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Gewünschte Redezeit: 8 Minuten. Restredezeit für den Klub: 10 Minuten.

17.37

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme nicht umhin, einige Korrekturen anzubringen.

Erste Korrektur: Wesentliche Bereiche der Arbeitsmarktpolitik haben die Koalitionsparteien gemeinsam gestaltet. Wir haben die Ausgliederung des AMS gemeinsam durchgeführt. Wir haben den Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung vor wenigen Monaten hier gemeinsam beschlossen. Aber, meine Damen und Herren, wir verlangen eine differenzierte Beurteilung der Situation der Arbeitsmarktpolitik in Österreich. Und diese differenzierte Beurteilung haben Abgeordneter Khol und Abgeordneter Stummvoll sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir lassen es uns nicht verbieten, zu loben, wo man loben kann, aber auch zu kritisieren, wo man kritisieren muß. Und die Kritik, die am AMS Wien angebracht wurde, war berechtigt. Nicht von ungefähr hat auch der Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien das AMS Wien kritisiert. Meine Damen und Herren! Das ging so weit, daß auch aus Ihren Reihen die Ablöse des Leiters des Arbeitsmarktservice Wien verlangt wurde.

Heute noch hat die Frau Bundesministerin in einer Presseaussendung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es ihr lieber gewesen wäre, wenn der Leiter des Arbeitsmarktservice Wien abgelöst worden wäre. Ich frage Sie daher, meine Damen und Herren, Frau Abgeordnete Reitsamer: Was spricht denn dann dagegen, daß wir in unserer Kritik genauso differenziert vorgehen? (Abg. Reitsamer: Es kommt nur darauf an, wie die Kritik geäußert wird!)

Es ist auch das falsch, was die Grünen behaupten, nämlich Wien hätte eine ungünstigere Struktur. Herr Abgeordneter Öllinger! Ich würde mir wünschen, wir hätten in allen Städten so viele Arbeitsplätze, die von Gebietskörperschaften angeboten werden, so viele sichere Arbeitsplätze, die in den Zentralstellen von Banken und Versicherungen angeboten werden, wie in Wien. (Abg. Öllinger: Die nehmen auf?) Ich behaupte, die arbeitsmarktpolitische Struktur ist in Wien wesentlich günstiger als in vielen anderen Teilen Österreichs, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Seit wann nehmen Banken noch Leute auf?)

Diese Feststellungen, die Sie gemacht haben, sind dazu angetan, am Problem vorbeizudiskutieren. Und Sie haben am Problem vorbeidiskutiert! (Abg. Öllinger: Sie haben das Problem nicht einmal erkannt, Herr Abgeordneter Feurstein! – Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.)

Meine Damen und Herren! Es geht darum, daß wir dort, wo die Arbeitsmarktpolitik in eine Sackgasse geraten ist, neue Wege finden. Und die Arbeitsmarktpolitik ist in einzelnen Bereichen in eine Sackgasse geraten. Sie ist in eine Sackgasse geraten, was die Zumutbarkeit der Annahme eines Arbeitsplatzes betrifft.

Es hat der Nationalrat – darauf möchte ich einmal hinweisen – vor eineinhalb Jahren beschlossen, daß die mehr als 55 Jahre alten Frauen und die mehr als 60 Jahre alten Männer ab 1. Jänner 2000 einen geeigneten Arbeitsplatz annehmen müssen, und wenn er nicht angenommen wird und die Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension gegeben sind, muß die betreffende Person in die vorzeitige Alterspension übertreten. – Einen geeigneten Arbeitsplatz!

Ich bin der Meinung, daß wir diese Überlegung vom "geeigneten Arbeitsplatz" in der gesamten Arbeitsvermittlung stärker berücksichtigen müssen. Mit der heutigen Zumutbarkeitsbestimmung kommen wir nicht mehr durch. Wir brauchen neue Kriterien, und dieses Kriterium "geeigneter Arbeitsplatz" haben ja andere Staaten bereits übernommen. Ich denke dabei an Schweden, an gewisse Bereiche auch in Deutschland, wo man bereits gesagt hat: Wir brauchen geeignete Arbeitsplätze für die Leute!

Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! In diesem Sinne haben Sie auch einen Hilfeschrei von der Tourismuswirtschaft aus dem Arlberggebiet, aus dem Montafon, aus Vorarlberg bekommen. Wir haben Arbeitsplätze und brauchen Menschen, die bei uns arbeiten.

Abgeordneter Peter hat recht: Wenn es im Jänner 1999 im Tourismusbereich 23 000 Arbeitsuchende gegeben hat, kann es doch nicht sein, daß man in Vorarlberg keine Arbeitskräfte findet, die für diese Arbeitsplätze geeignet sind, daß man keine Arbeitskräfte auf diese Arbeitsplätze bringen kann, auf Arbeitsplätze, die bestens bezahlt werden, wo man alle Sozialleistungen erbringt, wo man Wohnungen beziehungsweise Unterbringungsmöglichkeiten anbietet. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist nur eine Frage der Vermittlung!) Es ist das nicht der Fehler des Arbeitsmarktservice Bludenz, das sich massiv anstrengt – ich weiß das –, sondern es liegt an der fehlenden Zusammenarbeit des Arbeitsmarktservice in Österreich. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Genau so ist es!) In diesem Bereich brauchen wir mehr Kooperation, darf es nicht so viel Eigenständigkeit geben, sondern mehr Zusammenarbeit und mehr Austausch von Informationen und Daten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.)

Ich habe mich auch mit der Bürokratie, die bereits angesprochen wurde, auseinandergesetzt. Ich habe zu verschiedenen, wirklich nicht aus meinem Kreis stammenden Fachleuten im Arbeitsmarktservice gesagt: Sagen Sie mir jetzt konkret, was wir verbessern könnten, um weniger Bürokratie zu haben! – Zwei Punkte stehen im Vordergrund.

Der erste Punkt: Einen immensen Aufwand bereitet die Berechnung des Familienzuschlages, des Kinderzuschlages zum Arbeitslosengeld. Warum können wir in diesem Zusammenhang nicht neue Kriterien festlegen? Verzichten wir auf das Partnereinkommen und beschließen wir andere Kriterien für die Festlegung des Familienzuschlages zum Arbeitslosengeld, zur Notstandshilfe. Die heutige Methode, bei der das Partnereinkommen ständig überprüft werden muß – bekommt er den Familienzuschlag, bekommt er ihn nicht? –, ist unwürdig und bereitet nur bürokratischen Aufwand. (Abg. Öllinger: Haben Sie mit beschlossen!) Eine andere Regelung kostet nicht mehr, ist kostenneutral.

Zweiter Punkt: Wir haben vor einiger Zeit die Bildungskarenz mit Bildungsgeld eingeführt. Dafür muß das AMS aufgrund eines Erlasses des Ministeriums umfangreiche Untersuchungen vornehmen dahin gehend, ob die betreffende Person auch wirklich die Kurse besucht. Meine Damen und Herren! Wenn ein Betrieb, ein Unternehmen sagt: Ich schicke meinen Mitarbeiter, meine Mitarbeiterin in Bildungskarenz, dann sollte das genügen. Man könnte stichprobenweise überprüfen, ob dieser Mitarbeiter auch wirklich an dem Kurs teilgenommen hat.

Zwei konkrete Beispiele dafür, wo und wie man einen immensen Bürokratieabbau vornehmen könnte, wodurch Kräfte für die Arbeitsvermittlung frei würden, Kräfte frei würden für das, was das Arbeitsmarktservice zu tun hat. Gehen wir solche Wege! Nehmen wir diese Vorschläge ernst, und schauen wir, daß das Arbeitsmarktservice aus der Sackgasse, in die es geraten ist, herauskommt. Frau Ministerin! Es ist unser gemeinsames Anliegen, dieses Thema wirklich zu bewältigen und zu lösen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

17.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Gewünschte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.45

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir vor ungefähr fünf Jahren die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung aus dem Bundesministerium für soziale Verwaltung beschlossen haben, ist das als die Änderung groß angekündigt worden, die eine effiziente, eine verbesserte Vermittlung bringen wird.

Jetzt, fünf Jahre später, haben wir mittlerweile einen Bundeskanzler, der gesagt hat, er wolle ein Beschäftigungskanzler sein, die Sozialisten hatten das Jahr 1998 zum "Jahr der Arbeit" erklärt, die Arbeitslosigkeit jedoch hat einen Rekordwert angenommen. (Abg. Parnigoni: Die Beschäftigten haben eine Rekordsumme angenommen!) Wir haben ein Arbeitsmarktservice, das weiterhin nicht funktioniert. Die Vermittlungstätigkeit ist nicht besser geworden, die Kosten aber sind höher. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, wir haben mehr Beschäftigte, dafür lassen Sie aber Jahr für Jahr 20 000 Ausländer herein, die diese neuen Stellen besetzen, die Sie schaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das, was Sie mit den neuen Posten, die Sie schaffen, machen, ist ja eine reine Augenauswischerei, denn, wie gesagt, auf der anderen Seite werden Ausländer hereingelassen, die dann diese Posten besetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daß diese Arbeitsmarktverwaltung nicht funktioniert, liegt jetzt schwarz auf weiß durch diese Studie des St. Gallener Institutes vor. Diese hat wieder eine Reorganisation beschlossen. Jetzt zahlen wir schon Jahr für Jahr 100 Millionen Schilling für das ausgegliederte, neue Arbeitsmarktservice und müssen nun auch noch die Kosten für eine Reorganisation aufbringen, weil alles mehr oder weniger für die Katz war. Und das ist Ihre Politik! Das ist Ihre Arbeitsmarktpolitik, Frau Minister!

Wie lange wollen Sie noch so weitermachen, mit einem Arbeitsmarktservice, das total verpolitisiert ist, das seinen Zweck nicht erfüllt und das die Arbeitslosigkeit nur verwaltet? Ich frage Sie: Wie lange wollen Sie noch solch eine Verschleierungspolitik wie bisher machen, eine Beschönigungspolitik? – Sie weisen immer Zahlen aus, mit denen in Wirklichkeit nur Politik gemacht wird.

Zum Beispiel gibt es eine Presseinformation zur Arbeitsmarktlage Ende Jänner 1999. In dieser schreiben Sie: Die Arbeitslosenquote in Österreich beträgt 4,4 Prozent. – Verschämt schreiben Sie dazu: "saisonbereinigte Werte". Der Durchschnittsbürger glaubt natürlich, wir hätten nur 4,4 Prozent Arbeitslosigkeit. Widerlegt werden aber sowohl diese Zahl, nämlich die 4,4 Prozent, als auch die auch wieder gespielte Zahl von 7,1 Prozent durch den Bericht der EU-Kommission über die Unterbeschäftigung in der EU 1997. Die Kommission kommt zu dem Schluß, daß in Österreich die Arbeitslosenquote nicht 7,1 Prozent beträgt, sondern 10,3 Prozent.

Also: All das, was Sie immer in Ihren Presseinformationen und sonstigen Informationen von sich geben, ist eigentlich nur dazu gedacht, die Österreicher in Sicherheit zu wiegen oder das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit zu beschönigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Minister! Solche Selbsttäuschungen können wirklich nicht dazu beitragen, daß sich etwas ändert. Denn jede Verbesserung einer Situation hat eine Aufnahme des Bestandes zur Voraussetzung, eine ehrliche, sachliche Aufnahme darüber, wie es ausschaut. Und diese ehrliche, offene Aufnahme des Bestandes vermissen wir. Sie drücken sich vor den unangenehmen Tatsachen, Sie drücken sich um die unangenehmen Zahlen herum. Sie schicken all jene, die gekündigt werden und arbeitslos sind, in die Frühpensionierung, in fragwürdige Umschulungen und gehen dann mit einem Prozentsatz der Arbeitslosigkeit an die Öffentlichkeit, der hinten und vorne nicht stimmt.

Natürlich: Wenn man sich auf solche Bundesgenossen wie die Frau Kollegin Silhavy stützt, die sagen: Es ist eh alles in Ordnung!, dann kann man sich ein bißchen beruhigen lassen. Aber das sollten Sie ja nicht tun, denn auf das Niveau der Frau Kollegin Silhavy wollen Sie sich ja nicht begeben, Frau Ministerin! Das hoffe ich zumindest.

Es nützen jedenfalls schöne Worte allein nichts, sondern es zählen die harten Fakten, wenn man etwas ändern will. Wie gesagt: Ehrlichkeit ist groß angesagt!

Nun zu Ihnen von der Österreichischen Volkspartei. Sie haben – Herr Kollege Stummvoll war es – das Projekt angeschnitten, daß diejenigen, die arbeitslos sind, unter Umständen gemeinnützige Tätigkeiten verrichten sollten. Wissen Sie was? – Vor zehn Jahren haben wir dieses Projekt als das Berliner Modell hier vorgeführt. Wir haben angeregt, das in Österreich zu machen, weil die Zahl der Notstandsbezieher ganz einfach zu hoch ist. Das ist von den Sozialisten abgelehnt worden. Es hieß, das wäre Zwangsarbeit, und Zwangsarbeit lehnen wir ab in Österreich. Jetzt schlägt das schon ein sozialistischer Landespolitiker vor, aber es wird noch immer nicht gemacht. Jetzt schlagen Sie es schon vor. Machen wir es gemeinsam, Herr Kollege Stummvoll! Wir könnten – ÖVP, FPÖ – da wirklich ein sehr gutes Projekt auf die Beine stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Das ist freiheitliche Beschäftigungspolitik! – Abg. Koppler: Das ist ein Programm! Blau-schwarz! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Wort noch zu einer Gruppe von Arbeitslosen, die heute nicht erwähnt worden ist und auch nicht in der Dringlichen Anfrage der Liberalen vorkommt, und zwar sind das die Behinderten.

Gerade in Wien hat die Arbeitslosigkeit unter den Behinderten enorm zugenommen, und unter den Gesamtarbeitslosen beträgt die Behindertenarbeitslosigkeit 16,06 Prozent. Ich glaube, Frau Minister, gerade da sollten Sie schauen, daß die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorausgeht. Das tut sie nämlich nicht, sondern ganz im Gegenteil: Die Ministerien sind säumig, und zwar ganz eklatant säumig. Ihr Parteikollege, Herr Minister Einem, schuldet den Behinderten 289 Stellen, Herr Minister Schlögl 634 offene Stellen, Herr Kollege Fasslabend 177 offene Stellen, die nicht von Behinderten besetzt werden. (Abg. Dr. Graf: Je sozialistischer das Ressort, umso weniger kümmert man sich um die Behinderten!) Da hätten Sie – und zwar von beiden Parteien – genügend Handlungsbedarf, um zumindest bei den Behinderten eine Besserstellung zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Moser-Starrach hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen dazu das Wort. 2 Minuten Redezeit. Sie kennen die Geschäftsordnung. (Abg. Dr. Graf: Wer wird berichtigt?)

17.52

Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach (ÖVP): Herr Präsident! Ich möchte zu den Ausführungen von Frau Kollegin Dr. Petrovic Stellung nehmen. Sie sagte, daß sich die Problematik des Arbeitsmarktservice auf einen sehr einfachen Nenner bringen ließe, nämlich: Vorstandsdirektor Mag. Böhm wolle Vorstandsdirektor Buchinger beerben, und als erste Amtshandlung fordere er einen Dienstwagen.

Richtig ist: Beide haben in ihrem Vertrag einen Dienstwagen und teilen sich einen Chauffeur, weil sie den zweiten Chauffeur als Servicemann im Unternehmensberatungsbereich in Wien eingesetzt haben. Sie fahren beide 15 000 bis 20 000 Kilometer pro Jahr in ihrem Privat-Pkw und verrechnen diese nicht. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Vielleicht will jetzt doch jeder einen!)

17.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Blünegger. Gewünschte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.53

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe mir die Debattenbeiträge zur Dringlichen Anfrage der Liberalen aufmerksam angehört und befürworte diese Dringliche Anfrage der Liberalen. Die Debattenbeiträge dieser Bundesregierung und ihrer Redner waren aber so, daß man sich fragen könnte: Warum gibt es denn diese Regierung noch? Löst endlich diese Regierung auf! Es gehört nämlich gemacht, muß man sagen, wenn man sich diese Reden angehört hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist ja wirklich lächerlich, daß die Sozialdemokraten der ÖVP etwas vorwerfen und umgekehrt.

Dazu kann man natürlich nur sagen: Es ist tatsächlich diese Regierung – das geht aus all diesen Debattenbeiträgen hervor –, die die Lage der Beschäftigten und der Arbeitnehmer überhaupt nicht ernst nimmt. Reine Floskeln werden hier gebracht, und es wird nur schöngeredet. Die offizielle Arbeitslosenstatistik, die uns diese Regierung vorlegt, ist nichts anderes als ein Märchenbuch, Frau Ministerin. Die Arbeitslosenstatistik wird verfälscht, weil in ihr verschiedene Arbeitslose nicht berücksichtigt werden, und zwar hauptsächlich im Bereich der Frauen. Wir wissen, Frauen, die in den Beruf wiedereinsteigen wollen, scheinen nicht auf, sie werden nicht einmal als Arbeitslose geführt, sie werden nicht als Beschäftigungssuchende geführt, sie werden in der Statistik nicht berücksichtigt. Das sind nur Schönfärbereien.

Aus dieser Sicht kann ich sagen: Die Bundesregierung soll endlich aufhören, denn wir haben schon genug gehört. Unser Bundeskanzler redet immer wieder davon, daß die Arbeitslosigkeit nicht so hoch ist, dabei sind es die schlechtesten Arbeitslosenzahlen, die die Zweite Republik aufzuweisen hat.

Ein Beweis dafür, daß er immer wieder nur schönredet und nichts bewirkt, ist, daß er bei der Klausurtagung der SPÖ in Salzburg gesagt hat, er wird heuer eine Trendwende schaffen. Diese Trendwende schaut so aus, daß er schon am 1. Mai 1998 gesagt hat, daß dieses Jahr zum "Jahr der Arbeit" erklärt wird. Aber ich sehe keine Ergebnisse.

Auf etwas, geschätzte Frau Ministerin, möchte ich Sie noch aufmerksam machen, das ist die Situation der Lehrlingsoffensive, die Sie immer so groß in den Vordergrund stellen. In der "Vorarlberger Tageszeitung" vom 4.2.1999 war ein Artikel mit dem Titel "Die Lehrlingsförderungsfalle". Da schreibt ein Unternehmer unter anderem folgendes: "Nachdem ich diese besagte Förderung für das zweite Lehrjahr beantragt hatte, wurde mir lapidar zur Antwort gegeben, daß die Förderung gestrichen wurde." – Ich möchte es bei dem einen Satz belassen und gar nicht mehr weiterlesen, weil einfach schade um die Zeit ist. Wenn es Aufgabe des Arbeitsmarktservice ist, Versprechungen zu machen, dann ist es um die Arbeitslosen schlecht bestellt. (Abg. Koppler: Der Meisinger will auch noch reden!)

Zum Abschluß, Frau Bundesminister, kann ich Ihnen eines sagen: Ihre Politik braucht einen Wechsel! (Abg. Koppler: Du, der Meisinger will auch noch reden! Du redest schon zu lange!) Das sagt auch Ihr eigener Parteigenosse, der ÖGB-Vorsitzende des Landes Tirol. Schauen Sie, daß diese Regierung endlich zurücktritt (Abg. Koppler: Denk an den Meisinger! Der will auch noch reden!), damit die Arbeitnehmer und die Arbeitslosen endlich wieder Vertrauen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Meisinger. (Abg. Koppler: Eine halbe Stunde Redezeit!) Herr Abgeordneter, für Sie verbleibt noch eine Redezeit von 2 Minuten. Das ist das Kontingent für Ihren Klub. – Bitte.

17.57

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es ist heute auf der einen Seite schon sehr viel Wahres gesagt worden, auf der anderen Seite aber von Ihnen und Ihrer Fraktion Schönfärberei betrieben und Unglaubliches zutage gebracht worden.

Tatsache ist, daß zum Beispiel in Oberösterreich ein Arbeitsloser zum Arbeitsamt gegangen ist und dort um Arbeitslosenunterstützung angesucht hat. Um seine Jobchancen zu erhöhen, hat er eine Meisterprüfung gemacht. Aber was passiert? Ihm wird die Arbeitslosenunterstützung deswegen gestrichen, weil er nicht verfügbar ist. Obwohl er Familienvater ist und er mit dem Meisterprüfungszeugnis auf Postensuche geht, wird ihm die weitere Arbeitslosenunterstützung gestrichen. Es wird ihm vorgeworfen, daß er seine Vermittlung dadurch verhindert hätte, daß er eben mit dem Meisterprüfungszeugnis zum Vorstellungsgespräch gegangen ist.

Bitte prüfen Sie den Fall, Frau Bundesministerin! Es ist eine Anfrage unterwegs. Es ist unzumutbar, daß Arbeitnehmer, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge einzahlen, durch die bürokratischen Hemmnisse dieses Staates zu Bittstellern und Bettlern gestempelt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es kann nicht sein, daß sich der Sozialismus über die arbeitswilligen Menschen hinwegsetzt, nur weil dem Gesetz Genüge getan wird. Sie müssen sich einmal hinausbegeben, um die Wirklichkeit zu sehen.

Ich darf Ihnen, Frau Bundesministerin, zum Schluß noch eines sagen: Solange es offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt gibt und solange es Österreicher gibt, die arbeitslos gemeldet sind, so lange darf es generell keine neuen Arbeitsbewilligungen für Ausländer geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt prozentuell (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) doppelt so viele arbeitslose Ausländer wie Inländer. Da wissen wir, wo die Wertigkeit dieser Bundesregierung liegt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt jetzt noch eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Dr. Kier vor. Herr Abgeordneter, die Redezeit Ihres Klubs in dieser Debatte beträgt noch 5 Minuten. – Bitte.

18.00

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Mir und meiner Fraktion ist diese Anfrage ein großes Anliegen, und ich wollte den Schluß dieser Debatte dazu benützen, auf das eine oder andere Argument, das hier gebracht worden ist, einzugehen, weil ich der Meinung bin, daß die Debatte teilweise mißverstanden und mißbraucht wurde. Es ist das gute Recht der Opposition und es ist notwendig, daß man bei Dringlichen Anfragen scharf angreift, aber es war nicht unsere Idee, einem Koalitionspartner, der Koalitionsregierung sozusagen eine Sprungschanze zu bauen für Angriffe, die alle noch dazu eigentlich Schüsse in die eigene Schläfe sind.

Stummvoll hat es ja schon angedeutet, Kollegin Petrovic hat dann aus den Protokollen zitiert, und ich habe es am Beginn meiner ersten Wortmeldung deutlich herausgearbeitet: Die paritätische Besetzung der Gremien – aller Gremien, Kollegin Silhavy, ich habe ja darauf hingewiesen – ist eine Konstruktion, die auf Einstimmigkeit hin tendiert und eben durchaus ihre Schwächen hat, weil keine Kollisionsnorm vorhanden ist für den Fall, daß Einstimmigkeit nicht erzielt werden kann, weil es keine Mehrheitsentscheidungen für den Krisenfall gibt. Und jedes Gremium, das im Krisenfall auf Einstimmigkeit angewiesen ist, ist vielleicht ein friedfertiges Gremium, aber kein effizientes.

Ein effizientes Arbeitsmarktservice braucht jedoch Entscheidungsorgane, die im Notfall auch mit knapper Mehrheit entscheiden können müssen, denn sonst entscheiden sie überhaupt nicht. Und genau das ist der Grund dafür, daß es in Wien bis heute keine wirkliche Strukturreform gegeben hat.

Verstehen Sie, warum wir darüber aufgebracht sind? – Weil das eine Konstruktion ist, deren Schwäche schon in der Stunde Null erkennbar war. Sie hätten nicht vier Jahre später diese "Focus"-Studie gebraucht. Es freut mich, wenn die Frau Bundesministerin meint, es sei verdienstvoll, wenn man sich selbst durch eine Studie evaluieren lasse. Nur: Angesichts dieser schweren Konstruktionsfehler hätte Ihnen jeder Unternehmensberater ums Eck schon bei der Gründung sagen können, daß es so nicht geht.

Wenn Sie ausgliedern wollen, müssen Sie Organe haben, in denen notfalls auch eine Mehrheitsentscheidung fallen kann. Und wenn Sie alles nur 1 : 1 besetzen, dann lähmen Sie sich selbst. Ich bin der Meinung, daß es gut ist, wenn in solchen Gremien oft einstimmige Entscheidungen fallen, aber es müssen freiwillige Einstimmigkeiten sein, nicht erzwungene, da sonst überhaupt keine Entscheidung möglich ist.

Der Konstruktionsfehler heißt in diesem Fall im Klartext Proporz. (Beifall beim Liberalen Forum.) Er ist nicht schlecht, weil er unfair ist, sondern deswegen, weil er zur Lähmung führt. Ihr Koalitionspartner führt Ihnen ja jeden Tag vor, daß es eine Lähmung ist, wenn Sie zwanghaft nur 1 : 1 abstimmen können.

Fällt Ihnen nicht auf, daß dieser Konstruktionsfehler nicht nur in einer Koalitionsregierung dieser Art schlecht ist, sondern auch innerhalb des AMS als Konstruktionsmerkmal? Sie können noch so gute Leute hinsetzen, die kreativsten Geschäftsführer dieser Welt können Sie hinsetzen, wenn sie über paritätische Gremien gesteuert werden, lähmen Sie diese Leute zwangsläufig.

Dieser Fehler, so meine ich, ist das eigentliche Problem, und dazu hätte ich mir auch Stellungnahmen erwartet, aber nicht solch eine Angstmacherei, wie sie zum Beispiel von Klubobmann Khol gekommen ist.

Wir hatten Frau Bundesministerin Hostasch in den Mittelpunkt gestellt – logischerweise, weil zuständig –, wenn dann aber Klubobmann Khol hier Zahlen zueinander in Beziehung setzt, die – für jeden Fachmann und für jede Fachfrau mit freiem Auge erkennbar – so nicht zueinander in Beziehung gesetzt werden können – nämlich die Wiener Zahlen und die anderen Zahlen –, und wenn er dies nur tut, um Angst zu machen, um den Eindruck zu erwecken, daß in Wien die Tachinierer sozusagen nur so herumwimmeln, obwohl er weiß, daß die Strukturfrage im Brennglas einer Ballungseinheit wie Wien natürlich doch stärker auf dem Tisch liegt – öffentlicher Dienst; Kollege Öllinger hat das schon genannt –, dann ist das einfach unfair. Es ist unfair, so etwas zu tun und Angstmache zu betreiben, konservative, um nicht zu sagen: reaktionäre Angstmache. Und diese, meine ich, war zurückzuweisen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daneben nehmen sich ja der rührende Versuch des Kollegen Meisinger und der rührende Versuch der Kollegin Partik-Pablé, wieder einmal die Ausländer zum Sündenbock für den Arbeitsmarkt zu machen, bescheiden aus; bescheiden deshalb, weil man schon daran gewöhnt ist, daß dieser Reflex kommt. Seit Jahren gibt es den Reflex: Ausländer raus – Arbeitslose weg! Jeder weiß, das kann nur jemand sagen, der von den Strukturen keine Ahnung hat, der also annimmt, daß all diese Arbeiten so leicht zu vergeben sind.

Kollegin Silhavy! Ein paar Bemerkungen zu Ihren Ausführungen. Wenn man tatsächlich alle offenen Stellen dem AMS meldet, dann hat man unter Umständen das Problem, daß einem ständig Leute geschickt werden, die man gar nicht will. Auch wenn man die Qualifikation mitliefert, heißt das beim AMS noch gar nichts. Wenn Sie sagen, Englisch ist Voraussetzung, kriegen Sie Leute, die nicht Englisch können und so weiter. – Daher ist das alles, was Sie sagen, etwas doppelbödig.

Daß ÖGB und AK blockieren, können Sie den Unterlagen gerne entnehmen. Da gibt es einen Brief mit gemeinsamem Briefkopf von ÖGB und AK. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Ich sage es nur. Und diese Organisationen sind nicht demokratisch legitimiert. Ich bin seit 20 Jahren ÖGB-Mitglied und habe noch nie an einer einzigen Wahl innerhalb des ÖGB teilnehmen dürfen, weil sie gar nicht ausgeschrieben wurde. – Das war mein Schlußsatz. Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Diese Debatte ist geschlossen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 4887/AB

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung mit der Ordnungszahl 4887/AB. Es handelt sich dabei um die Beantwortung einer Anfrage, die die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen gestellt haben.

Die schriftliche Beantwortung dieser Anfrage ist im Saal verteilt worden. Die Verlesung erübrigt sich daher.

Ich rufe die Bestimmungen über die Redeordnung in Erinnerung: Die Erstrednerin hat zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten, alle anderen Abgeordneten haben 5 Minuten. Die Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre sollen sich nach Möglichkeit auch an einer Rededauer von 10 Minuten orientieren.

Ich erteile nunmehr Frau Abgeordneter Dr. Gabriela Moser das Wort zur Begründung. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

18.07

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin, anscheinend verlassen Sie den Saal. Ich dachte, Sie vertreten den Herrn Außenminister.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten ist schon im Hause. Soll ich unterbrechen, bis er hier auf der Regierungsbank erscheint?

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Ich ersuche darum. (Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Gut. Sind Sie einverstanden damit, daß bis zum Erscheinen des Herrn Außenministers die Frau Bundesministerin Hostasch hier sitzt? – Bitte, Sie sind am Wort.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Die Anfrage richtete sich an den Herrn Außenminister, und ich meine, daß die Problematik Temelin so gravierend ist, daß es sehr wohl wichtig wäre, daß der Repräsentant Österreichs auf EU-Ebene, der Repräsentant Österreichs im internationalen Bereich, der Repräsentant Österreichs gegenüber unserem Nachbarstaat Tschechien bei diesem wesentlichen Thema höchstpersönlich hier anwesend ist. Ich ersuche daher um Unterbrechung, bis der Herr Außenminister auf der Regierungsbank Platz genommen hat.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Gut. Ich unterbreche die Sitzung und halte fest, daß Ihre bisherige Redezeit 1 Minute und 8 Sekunden betragen hat.

(Die Sitzung wird um 18.08 Uhr unterbrochen und um 18.09 Uhr wiederaufgenommen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, Sie haben jetzt noch eine Redezeit von 9 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Es gibt im Prinzip einen breiten Konsens zwischen allen fünf Parlamentsparteien, was die klare und strikte Antiatomlinie Österreichs anlangt. Diesen Konsens gibt es.

Es gibt gleichzeitig aber eine große Kluft, eine große Diskrepanz, einen großen Sprung, was die Umsetzung dieses Willens von fünf Parteien hier in diesem Hohen Haus anlangt, die Umsetzung in Aktivitäten, in einzelne Aktionen, in einzelne Vorstöße in der österreichischen Antiatompolitik.

Herr Außenminister! Meine Anfrage, die ich an Sie richtete, ging dahin, was Sie hinsichtlich des AKW Temelin, was Sie im Zusammenhang mit dem Atomkraftwerk K2/R4 zu unternehmen gedenken und welche Art von diplomatischem Brief Sie in dieser Angelegenheit abzuschicken gedenken.

Ihre Antwort darauf ist bezeichnend und unterstreicht die Diskrepanz zwischen dem, was wir, alle fünf im Hohen Hause vertretenen Parteien, hier beschlossen haben, und dem, was Sie nach außen tragen, und der Art und Weise, wie Sie nach außen agieren.

Am 10. Juli 1997 bestand hier Konsens darüber, daß es gegenüber dem AKW Temelin Aktivitäten und internationale Kooperationen im Hinblick auf das Anbieten von Alternativprojekten geben muß. Am 10. Juli 1997 hat es auch darüber Konsens gegeben, daß es auf EU-Ebene zu Finanzierungsinstrumenten kommen soll, um den beitrittswilligen Staaten eine nichtatomare Alternative zu ermöglichen. – So lautete der Konsens am 10. Juli 1997.

Es gab weiters einen Fünfparteienkonsens am 27. Mai 1998, der wieder lautete: Baustopp des AKW Temelin, Alternativprojekte, EU-Finanzierung.

Am 7. Oktober 1998, ein halbes Jahr später, gab es im Zuge der Behandlung des Atom-Volksbegehrens hier wieder einen Fünfparteienbeschluß, der in dieselbe Richtung vorstieß und in dem vor allem und konkret Sie, Herr Außenminister, aufgefordert wurden, die Interessen aller Österreicherinnen und Österreicher, die Interessen aller Parlamentarier offensiv in Richtung Baustopp – ich unterstreiche: in Richtung Baustopp! – in Ihrem Brief an die tschechische Regierung zu deklarieren, zu formulieren und auf den Punkt zu bringen.

In Ihrer Anfragebeantwortung führen Sie aus, daß einerseits Parlamentarierbeschlüsse existieren und daß andererseits Minister Bartenstein und Ministerin Prammer bereits in Prag vorstellig wurden, daß Sie schließlich auch mit Herrn Minister Fischer Kontakt pflegen und daß Sie – und jetzt wird es interessant, und das ist der Hintergrund der Diskrepanz zwischen dem Fünfparteienkonsens und Ihrer Haltung – darauf dringen, daß es gilt, vorrangig internationale beziehungsweise europäische Sicherheitsstandards einzuhalten. Sie arbeiten in Ihren außenpolitischen Vorstößen darauf hin, daß Sicherheitsstandards das wesentliche Kriterium sind und nicht das, was hier beschlossen wurde, nämlich der Baustopp, und nicht das, was im oberösterreichischen Landtag beschlossen wurde, nämlich der Baustopp, und nicht das, was heute wieder in einer Resolution des oberösterreichischen Landtages klar und deutlich gefordert wird, nämlich Initiativen der Bundesregierung in Richtung Alternativprojekt und Finanzierung auf EU-Ebene.

Ihr Kollege, Landeshauptmann Pühringer, ist in Sachen AKW Temelin sicher ein offensiv agierender Politiker. Sie, Herr Minister Schüssel, sind – nach dem, was Sie in Ihrer Anfragebeantwortung laut werden ließen – ein sehr defensiver außenpolitischer Vertreter der Sicherheitsinteressen Österreichs.

An dieser Stelle lege ich jetzt meinen Finger in Ihre Wunde: Sie geben an – häufig, wiederholt, immer wieder gesagt, und zwar in verschiedenen Bereichen –, daß es in erster Linie Ihr Auftrag sei, die Sicherheit Österreichs zu gewährleisten. Ich frage Sie: Wie wollen Sie die Sicherheit Österreichs gewährleisten, wenn Sie nicht für einen Baustopp des AKW Temelin eintreten, wenn Sie in Prag nicht offensiver vorstellig werden, wenn Sie sich mit diplomatischen Formulierungen, mit eleganten Formulierungen mehr oder weniger aus der Affäre ziehen?

Ich darf in diesem Zusammenhang einen Satz zitieren: "... fühlt sich Österreich berechtigt und verpflichtet, mit Nachdruck für seine Interessen einzutreten." – Das ist wortwörtlich Ihre Anti-Temelin-Position in der Note, die Sie Prag überlieferten beziehungsweise zustellen ließen.

Wieso ist hier und jetzt dieses Thema so wichtig? – Sie wissen genau, daß innerhalb der nächsten drei, vier Wochen die endgültige Entscheidung darüber fallen wird, unter welchen Gesichtspunkten das AKW Temelin nicht fertiggestellt oder fertiggestellt wird. Bei keinem anderen Ost-AKW stehen und standen die Chancen so günstig, daß es zu einem Baustopp kommt und daß Alternativprojekte vorangetrieben werden. Jetzt gibt es bereits Vor-Expertenberichte über die Wirtschaftlichkeit. Diese Wirtschaftlichkeitsstudie wird gewisse Belange offenhalten, und es ist sehr initiativen und sehr couragierten österreichischen Experten zu verdanken, daß in diese Wirtschaftlichkeitsstudie auch kritische Elemente Eingang finden. Langfristig rechnet sich nämlich das AKW Temelin nicht.

Auf der anderen Seite beruht die Entscheidung der Prager Regierung auf einem Bericht über die außenpolitischen Auswirkungen der Inbetriebnahme des AKW Temelins, und dazu leisteten Sie mit Ihrer sehr zurückhaltend und diplomatisch formulierten Note einen Beitrag. Das ist der Punkt, wo ich sage: Feuer ist am Dach! Herr Minister, bitte unternehmen Sie alles, daß es in Österreich kein zweites Mal eine solche Situation wie bezüglich des AKW Mochovce gibt, daß diese Bundesregierung kein zweites Mal Österreich in ein Waterloo treibt, daß wir atompolitisch nicht wieder so im Abseits stehen, wie es im Zusammenhang mit dem AKW Mochovce der Fall war.

Jetzt ist die Chance dafür noch gegeben, in den nächsten drei Wochen können Sie die Eisen noch schmieden, jetzt haben Sie noch die Möglichkeit, auf politischer Ebene zu agieren. Bitte nehmen Sie diese Möglichkeit wahr! Gehen Sie weg von den allgemeinen Sicherheitsphilosophien hin zu einer konkreten hundertprozentigen Sicherheitsphilosophie! Diese heißt Baustopp und bedeutet das Exekutieren beziehungsweise Umsetzen des Beschlusses des Konsenses in atompolitischer Hinsicht, den Sie mit Ihren Aktionen, mit Ihren diplomatischen Noten nicht nach außen tragen, den Sie nicht umsetzen, den Sie auf der Strecke liegen lassen!

Ich appelliere deshalb an Sie: Begreifen Sie den Ernst der Situation, und setzen Sie jetzt wirklich einmal konkrete Schritte! Erkundigen Sie sich innerhalb der EU über Finanzierungsinstrumente! Legen Sie ein konkretes Projekt auf den Tisch! Verhandeln Sie offensiv! – Dann ist wirklich eine Chance gegeben, daß wir 20 Kilometer nördlich unserer Grenze beziehungsweise 60 Kilometer nördlich von Linz kein zweites Mochovce erleben.

Es liegt in Ihrer Hand – Sie kommen ja gerade aus der Slowakei! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: So einfach stellt sich das die "kleine" Gabriela vor!)

18.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap. Für Sie und die folgenden Redner gilt eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.17

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Als einer, der damals an der Verhinderung der Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf mitgewirkt hat, möchte ich schon auf einen nicht unwesentlichen Unterschied hinweisen: Während das AKW Zwentendorf in Österreich geplant war, befindet sich das Kernkraftwerk, über das wir heute hier reden, nicht auf österreichischem Hoheitsgebiet.

Ich habe mir in Vorbereitung meines Debattenbeitrags angesehen, was alles in Sachen AKW Temelin schon stattgefunden hat: bilaterale Gespräche, Gutachten, Sitzungen von Kommissionen, Regierungskontakte, Botschafterkontakte, EU-Ratssitzungen, öffentliche Diskussionen, "runde Tische". Bei all dem wurde im wesentlichen letztlich immer wieder ein bestimmtes Problem umkreist – und darüber können Sie von den Grünen ja einmal mit Ihrem grünen Bundesumweltminister Trittin in eine Diskussion eintreten, der erkennen mußte, was es bedeutet, wenn Generationen von Politikern und Interessengruppen vorher Sachzwangszenarien entwickeln, eine Vertragskultur entwickeln, aus der man nur schwer herauskommt, was übrigens mit hohen Kosten verbunden ist.

Das geht nicht von heute auf morgen, und das hat Herr Trittin erkennen müssen. Es hat auch keinen Sinn, wenn man dem österreichischen Außenminister Handlungskompetenzen "unterstellt", die er als österreichischer Außenminister in bezug auf das AKW Temelin nicht hat.

Ich meine, daß im Hintergrund noch etwas bedeutend ist: Es ist das einfach ein Lobbyistenkampf. Ich betone: ein Lobbyistenkampf! Die Nuklearindustrie hofft auf die Nachrüstung und hofft natürlich auf die Formel "Sicherheitsstandards", denn das ist ein riesiges Geschäft. Das kann man natürlich machen, wenn man ein oder zwei Modelle der Nachrüstung präsentieren kann, indem man sagt: Das ist westlicher Standard!, so als wäre der westliche Nuklearstandard absolut sicher. Auch der westliche Standard ist nicht absolut sicher.

Meine persönliche Meinung ist, daß überhaupt kein Kernkraftwerk absolut sicher ist. Man sollte Szenarien entwickeln, wie man aus dieser Technologie wieder herauskommen kann, und sonst gar nichts. Das wird allerdings nur auf lange Sicht möglich sein – und da muß man ehrlich sein und zugeben, daß das so ist –, und daher muß man, meine ich, sehr vorsichtig sein, wenn es darum geht, über Sicherheitsstandards Diskussionen zu führen, weil dabei versucht wird, auch diesen Sicherheitsmythos mit zu entwickeln.

Ich finde es daher positiv, daß es seit Herbst 1998 so etwas wie eine österreichisch-tschechische Energiepartnerschaft gibt, innerhalb welcher man über alternative Energieformen nachdenkt, aber auch begreift, daß diese Länder, die auch über Generationen eine falsche Energiepolitik betrieben haben, die sich auch in die Nutzung einer falschen Energieform hineinbewegt haben, gewisse Zeit brauchen – zumal sie nicht die Wirtschaftskraft haben, die westliche Länder haben –, um da herauszukommen. Ich glaube, daß das ein sehr wesentlicher Aspekt ist, den wir dabei berücksichtigen müssen.

Wenn wir den Baustopp des AKW Temelin verlangen, müssen wir gleichzeitig wissen, wie die Tschechen dann Alternativenergie herstellen können oder woher sie sie beziehen können, und zwar zu Kosten beziehungsweise zu Preisen, die ihrem momentanen wirtschaftlichen Stand entsprechen und die für sie auch verkraftbar sind.

Da ist ein ganzes Bündel an Problemen mit inkludiert: Es handelt sich dabei um keine Frage, die es nur auf der Ebene der Außenminister zu diskutieren gilt, sondern diese Frage geht weit darüber hinaus und berührt natürlich auch wirtschaftliche Perspektiven und Machbarkeiten dieser Länder, die den Weg der Umstrukturierung von den ehemals planwirtschaftlichen, kommunistischen hin zu marktwirtschaftlichen Strukturen – in welcher Form und mit welcher Regulierungskapazität auch immer – zu gehen beschlossen haben.

Vor diesem Hintergrund ist das meiner Meinung nach zu diskutieren, und dabei darf man auf eines nicht vergessen: Es bedarf internationaler Bemühungen, internationaler Konzepte, internationaler Bündnisse, um den globalen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Atomenergie herbeizuführen, und nicht bloß sektoraler. Doch da hat Österreich natürlich nur beschränkte Möglichkeiten. Man kann bei internationalen Bankenkonsortien noch die eine oder andere Initiative setzen, man kann bei der EU eventuell die eine oder andere Initiative setzen, aber die EU geht mehr in Richtung der Sicherheitsstandards, weil dort wahrscheinlich die Lobby sehr stark ist, die sagt: Nachrüsten, Sicherheit schaffen, aber vorerst bei der Atomenergie bleiben!

Mit diesen Aspekten muß man sich kritisch auseinandersetzen, und man muß die Möglichkeiten eines Landes wie Österreich richtig einschätzen. Ich hoffe, daß das auch getan wird und daß uns der historische Vorteil, den wir haben, nämlich daß wir eben kein Atomkraftwerk haben, daß wir zur friedlichen Nutzung der Atomenergie nein gesagt haben, eine glaubwürdige Basis gibt, dafür zu kämpfen, daß auch andere Länder diesen Weg gehen können. (Beifall bei der SPÖ.)

18.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Gleichfalls 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.23

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Temelin ist ebenso wie Mochovce und Bohunice eines der grenznahen Kernkraftwerke, von denen sich die österreichische Bevölkerung ganz besonders bedroht fühlt, wenngleich Österreich es sich aufgrund der ganz klaren Antiatomlinie Österreichs zum Ziel gesetzt hat, international, das heißt europaweit und weltweit, für einen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu plädieren und zu lobbyieren.

Österreich hat das auch in den vergangenen Jahren immer wieder getan. Ich darf an die Bemühungen im Zusammenhang mit Mochovce erinnern, die bisher nicht jenen Erfolg gebracht haben, den wir uns gewünscht hätten, aber wir hoffen, daß jetzt mit der neuen Regierung, der Regierung Dzurinda, doch ein erster Ansatz da ist, mit Alternativen die Fertigstellung eines weiteren Reaktors in Mochovce zu verhindern beziehungsweise ein rascheres Abschalten des AKW Bohunice zu erreichen.

Es war letztendlich der österreichische Außenminister Wolfgang Schüssel, der in Vorbereitung und in Ausübung der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft zahlreiche Maßnahmen gesetzt hat, die dazu führen sollen, daß auf europäischer Ebene Initiativen gesetzt werden, die einen mittel- und langfristigen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie sicherstellen.

Es wurde während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft die Frage des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie auch in die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union miteinbezogen. Es war letztlich Außenminister Wolfgang Schüssel, der verlangt hat, daß mit einer Definition von Sicherheitsstandards gewisse Kriterien geschaffen werden, die sicherstellen, daß kein Land, das niedrigere Standards aufweist, der Europäischen Union beitreten darf – wenngleich wir alle wissen, daß die Definition eines Sicherheitsstandards eine sehr schwierige Sache ist, insbesondere dann, wenn es um die Verknüpfung westeuropäischer oder westlicher und osteuropäischer Technologien geht, und beim AKW Temelin ist eine derartige Verknüpfung gegeben.

Trotz allem müssen wir wissen, daß Kernkraftwerke Gegenstände innerer Angelegenheiten sind. Das heißt, daß es für kein Land der Welt möglich ist, von außen her die Abschaltung oder die Fertigstellung eines Kernkraftwerkes zu befehlen. Daher ist es ganz besonders wichtig, die Bewußtseinsbildung im jeweiligen Land zu fördern, so wie das auch in Österreich im Zuge der Fertigstellung des AKW Zwentendorf geschehen ist, denn auch der innere Widerstand eines Landes spielt eine große Rolle.

Die Nichtfertigstellung des AKW Mochovce ist nicht zuletzt auch daran gescheitert, daß es in der Slowakei praktisch kaum ein Bewußtsein gegen dieses Kernkraftwerk gegeben hat, daß die Gruppen, die dagegen agiert haben, zu klein, nicht effektiv genug waren und auch nicht die entsprechende finanzielle Unterstützung hatten.

Das gleiche gilt für das AKW Temelin, aber Gott sei Dank hat es in der Tschechischen Republik während der Übergangsregierung Umweltminister Bursik, der der Nutzung der Atomkraft kritisch gegenübersteht, geschafft, in diese Richtung zumindest einen Akzent zu setzen. Dieser Akzent ist von der Regierung Zeman zumindest aufgegriffen worden, und in den letzten Monaten hat es in dieser Frage zahlreiche Gespräche der österreichischen Minister Bartenstein und Prammer und des Außenministers Schüssel dahin gehend gegeben, eine Energiepartnerschaft mit der Tschechischen Republik zu bilden, denn nur Alternativen können unsere Partner, unsere Nachbarländer davon überzeugen, daß sie das AKW Temelin nicht fertigstellen.

Letztendlich ist es sogar einem österreichischen Kernenergiebeauftragten, nämlich Radko Pavlovec, dem oberösterreichischen Beauftragten für grenznahe Atomanlagen, bestellt vom oberösterreichischen ÖVP-Landeshauptmann Pühringer, mit einer Studie, mit einer Least-cost-Untersuchung zum Thema Temelin gelungen, in Tschechien Bewußtseinsbildung und eine politische Veränderung zu erreichen. Es hat sich als erste im Parlament vertretene politische Kraft in Tschechien die Christlich-Demokratische Union-Tschechische Volkspartei, die KDU – ČSL, von der Fertigstellung von Temelin distanziert. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist ein sehr wichtiger Akt, der einem Österreicher gelungen ist, und ich glaube, daß uns klar sein muß, daß es uns nur auf diese Art und Weise gelingen wird, Alternativen zu finden, und dafür arbeiten wir alle sehr gerne. (Beifall bei der ÖVP.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.28

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kollegin Moser hat auf ihre Anfrage genau das zur Antwort bekommen – man kann das aus den einzelnen Antworten deutlich herauslesen –, was österreichische Politik in Sachen AKW Temelin ist, nämlich ganz weiches Agieren, ein Anfassen der Leute dort drüben mit Samthandschuhen, obwohl der Grad der Bedrohung, der von diesem Kernkraftwerk ausgeht, allen bekannt ist.

Aber dieses sanfte Anfassen wird dort drüben nicht zur Kenntnis genommen. Das zeigt ein Bericht der österreichischen Bundesregierung, der auflistet, welche Bemühungen – Kollege Cap hat sie genannt – seit Jahren laufen, um in dieser Sache etwas zu erreichen. Die tschechische Seite hat aber auf die österreichischen Bemühungen meistens gar nicht reagiert – das ist schon so seit 1993 –, egal, ob die Interventionen persönlich oder schriftlich gemacht wurden.

Die Stellungnahme der Bundesregierung, die Sie, Herr Minister, mitverfaßt haben, ist Ihnen sicher noch bekannt. Sie ist ja nichts anderes als ein Eingeständnis dessen, daß in den bisherigen Verhandlungen betreffend das AKW Temelin keine Erfolge erzielt werden konnten.

Wir haben eine Möglichkeit nicht genutzt – eine Möglichkeit, die wir Freiheitliche vorgeschlagen haben; sie wurde in diesem Hohen Haus abgelehnt –, nämlich die Verbindung des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernkraft mit der Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß das die einzige Sprache ist, die die Verhandlungspartner auf tschechischer Seite verstehen (Beifall bei den Freiheitlichen), indem wir diese beiden Dinge miteinander junktimieren.

Warum diese Möglichkeit von der Mehrheit in diesem Hohen Hause nicht in Erwägung gezogen wurde, müssen Sie den Österreichern erklären, die sich – natürlich insbesondere jene an der Grenze – von diesem Kernkraftwerk bedroht fühlen.

Es gibt noch eine zweite Möglichkeit – Frau Kollegin Rauch-Kallat hat diese Möglichkeit angesprochen –: Es gibt von Herrn Pavlovec einen ökonomischen Vergleich zwischen der Fertigstellung des AKW Temelin und Alternativen dazu. Eine Möglichkeit wäre etwa die Realisierung eines Ersatzprogramms für Elektrodirektheizungen. Wenn dieses Ersatzprogramm realisiert würde, könnte man auf das Ans-Netz-Gehen des Kraftwerks Temelin ruhig verzichten. Dadurch könnte mehr eingespart werden, als dieses Kraftwerk an Energie produzieren würde.

Herr Außenminister! Es liegt nun an Ihnen, auf EU-Ebene entsprechende finanzielle Mittel aufzutreiben, um die Realisierung dieses Ersatzprogramms zu finanzieren. Wenn diese Mittel vorhanden wären, dann wäre damit, kann ich mir vorstellen, eine völlig neue Grundlage für die Verhandlungen mit den Kollegen in Tschechien gegeben. Herr Bundesminister! Ich erwarte mir von Ihnen, daß Sie heute zur Realisierung dieses Ersatzprogramms und zu seiner Finanzierung eine klare Aussage machen, damit man der österreichischen Bevölkerung die Chancen betreffend die Inbetriebnahme Temelins einmal klar und deutlich nennen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ein Junktim zwischen dem EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer) – nein, ich möchte politisch dazu Position beziehen – und dem Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie haben wir von seiten der Liberalen deshalb nicht vertreten, weil es einfach sinnwidrig wäre, wenn es zwar in der Europäischen Union die Nutzung von Atomkraftwerken gäbe, man sie aber den osteuropäischen Staaten verbieten wollte. Darüber hinaus ist der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten von der politischen Dimension her wichtiger, als dies zum Junktim mit einer einzelnen Frage zu machen, wenn auch die Bedrohung sowohl für die dort ansässige Bevölkerung als auch für uns groß ist.

Denn wahr ist: Wenn es keinen Beitritt gibt, dann wird die Chance auf einen Ausstieg noch in viel weitere Ferne gerückt, als dies bei einem Beitritt möglich wäre. Aufgrund dieser Einschätzung meinen wir, daß ein solches Junktim nicht zielführend sein kann.

Aber es hat auch mich heute irritiert, daß das Gespräch, das bei Frau Bundesministerin Prammer angesetzt war, um darüber zu informieren, welche Fortschritte es in diesen Fragen gibt, abgesagt wurde – offenbar, weil es nichts Neues gibt. Es war Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, die heute zu Recht herausgestrichen hat, daß Bewußtseinsbildung in diesem Rahmen nicht nur in den mittel- und osteuropäischen Staaten, sondern auch bei uns ein wichtiges Faktum ist.

Ich erinnere mich aber noch sehr deutlich daran, daß es nicht gerade zur Bewußtseinsschärfung beigetragen hat, daß die ÖVP-Abgeordneten zum Europäischen Parlament die Änderung des Euratom-Vertrages, eines Gründungsvertrages der Europäischen Union, geschmissen haben, die Änderung in der Abstimmung mit ihren Stimmen geschmissen haben, die dazu dienen hätte können, daß der Ausbau einer mächtigen Kernenergie nicht mehr Ziel der Europäischen Union gewesen wäre. Das wäre ein wichtiges Signal gewesen, gerade auch gegenüber den ost- und mitteleuropäischen Staaten.

Dieses Signal, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, ist erst durch das konkrete Abstimmungsverhalten zunichte gemacht worden! Es ging um diese sieben Stimmen im Europäischen Parlament – mit Ausnahme jener der Frau Abgeordneten Agnes Schierhuber, die sich der Stimme enthalten hat –, die es ermöglicht hätten, den Euratom-Vertrag zu ändern.

Daher ist die Skepsis im Rahmen der Anfragebeantwortung, deren Besprechung Frau Abgeordnete Moser heute verlangt hat, verständlich. Es ist verständlich, daß man, wenn von seiten einer österreichischen Koalitionspartei die Lösung dieser Fragen auf europäischer Ebene verhindert wird, wie in diesem ganz konkreten Fall, mangelndes Vertrauen dahin gehend hat, daß der Außenminister – der ebenfalls dieser Gruppierung angehört und in diese Richtung denkt, der in wesentlichen Bereichen die inhaltlichen Fakten vorgibt – mit der notwendigen Vehemenz hinter diesen Anliegen steht.

Genau das ist das, was wir von seiten der Liberalen hier anmerken, denn so wichtig die Sicherheitsstandards auch sind, können Sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Ausstieg wichtiger ist als eine Änderung oder Anhebung der Sicherheitsstandards. Ziel muß es sein, daß es zu einem Ausstieg kommt und nicht nur zu einer Verschmelzung von westlicher und östlicher Technologie, noch dazu zum Vorteil jener westlichen Industrien, die in diesem Bereich auch uns nichts Gutes getan haben.

Daher muß nach wie vor die Forderung aufrechterhalten werden, daß es um einen Ausstieg gehen soll. Wir sind überzeugt davon, daß es von seiten der Regierung Initiativen gegeben hat – ich würde nur gerne auch einmal solche Noten in Kopie bekommen. Denn wenn ich mir ansehe, welche Beilage zur Fertigstellung des Kernkraftwerkes Temelin von seiten der österreichischen Regierung übermittelt wurde – dankenswerterweise auch den Parlamentsfraktionen –, dann muß ich sagen, daß die Formulierung, die darin gewählt wurde, sehr, sehr weich ist.

Mißverstehen Sie mich jetzt bitte nicht dahin gehend, daß es dabei um eine harte oder unfreundliche Formulierung ginge, sondern es geht schlicht und einfach um eine Formulierung, die klarlegt, daß dieses Ziel des Ausstiegs, eines kernenergiefreien Mitteleuropa ein wichtiges Ziel für Österreich ist. Das aber geht daraus nicht hervor.

Mich würde interessieren, welche konkreten Vorschläge gemacht wurden, welche konkreten Vorschläge gegenüber Tschechien geäußert wurden, und insbesondere auch, ob Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf offizieller oder auch nur auf inoffizieller Ebene besteht.

Meine Damen und Herren! Letzter Punkt: Der Ausstieg ist für die mittel- und osteuropäischen Staaten leichter möglich als für die jetzigen Staaten der Europäischen Union, weil die Energieeffizienz – Herr Abgeordneter Cap hat das angesprochen, er hat gesagt, daß man seit Jahren in die falsche Richtung gegangen ist, was auch stimmt – in den mittel- und osteuropäischen Staaten dermaßen schlecht ist, daß es kein Problem wäre, auch Tausende – Mehrzahl! – Megawatt an Kapazität einfach bereits durch effizienzsteigernde Maßnahmen hereinzubringen. Damit wäre es überflüssig, 600-Megawatt-Kapazitäten in Kernkraftwerken in Betrieb zu nehmen.

Das bedeutet, es gibt Möglichkeiten, aber die Kreativität und die Bestimmtheit, mit der die österreichische Bundesregierung offenbar diesbezügliche Angebote macht, sind nicht ausreichend, und diese bitten wir zu erhöhen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.37

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Anfragebeantwortung gibt in einer relativ kurzen Form das wieder, was meiner Meinung nach eine komplette Änderung der ehemaligen österreichischen Anti-AKW-Politik darstellt. Die sogenannte Sicherheitspolitik, das heißt der Versuch, die Sicherheitsstandards der AKWs in den Reformstaaten zu erhöhen, ist das genaue Gegenteil einer Antiatompolitik und keine Ergänzung. Insofern halte ich es für nicht angebracht, nicht die politische Offenheit zu haben, zuzugeben, daß das eine ganz andere Linie ist und auch nicht den Aufträgen des Parlaments entspricht. Denn aus einer echten Anti-AKW-Politik ergeben sich andere Schlußfolgerungen, die damals ja in einem gemeinsamen Entschließungsantrag aller Parlamentsparteien aufgelistet waren.

Ich glaube gar nicht so sehr, daß es letztlich auf die Frage des Junktims ankommt, sehr wohl aber auf die klar ausgesprochene Forderung Österreichs: Wir wollen den Ausstieg, wir wollen kein sichereres AKW Temelin, sondern wir wollen kein AKW Temelin. Das bedeutet dann aber in der Politik, daß insbesondere die Forderungen auch gegenüber den heutigen EU-Mitgliedstaaten deutlicher zu formulieren sind. Auch daran, daß manche Firmen weiterhin am gefährlichen Geschäft mit Kernkraftwerken sehr, sehr gut verdienen, ist Kritik zu üben.

Man muß sich halt auch einmal mit so großen Firmen und Namen wie Siemens oder Framatom anlegen, man muß einmal anprangern, welch eine Unehrlichkeit es ist, wenn man zwar dauernd mit dem Finger auf diese ohne Zweifel niemals sicheren Kernkraftwerke in den Reformstaaten zeigt, andererseits aber alles tut, damit dort weiterhin Milliarden investiert werden.

Was dann passiert, liegt auf der Hand: Es ist völlig klar, daß in unserem System von Marktwirtschaft – wobei sich gerade die ÖVP immer sehr stark dafür macht, daß es sehr schnell und möglichst wenig sozial und ökologisch gebremst auch auf die Reformstaaten ausgedehnt wird –, in diesem System von nicht mehr sozialer, nicht mehr ökologischer Marktwirtschaft Milliardeninvestitionen eine zeitliche Amortisation verlangen. (Abg. Dr. Maitz: Nur Sprüche, nichts als Sprüche!)

Herr Abgeordneter Maitz! Diese Politik bedeutet, daß mit Hilfe unserer Bundesregierung die Nutzung der Kernenergie in Europa verlängert wird; die Nutzung einer Energie, die sich nämlich unter tatsächlich marktwirtschaftlichen Konditionen nicht mehr halten könnte! Und dies ist nur dem Verhalten der Staaten zu verdanken, die in die Forschung, in den Ausbau von Werken investiert haben und die dann letztlich auch in der Frage der Transporte und der Lagerung von strahlendem Material immer wieder eingesprungen sind, obwohl sie – wie zum Beispiel Deutschland im Zusammenhang mit den Castor-Transporten – angelogen, beschwindelt und hintergangen wurden. Das war die "Partnerschaft" mit diesen Industrien. So haben sie den Politikern deren politische Unterstützung letztlich "gelohnt".

Diese Energieform ist eine Sackgasse, und zwar eine eindeutige Sackgasse. Es gibt ein einziges sicheres Atomkraftwerk auf der Welt, und das steht in Zwentendorf. Es ist der österreichischen Bevölkerung zu verdanken, daß es so sicher ist. Diese Art der Sicherheitspolitik brauchen auch die Reformstaaten, und die Menschen in den Reformstaaten haben sie sich auch verdient!

Es wäre auch ökonomischer, wenn wir endlich einmal wirklich marktwirtschaftlich agierten und nicht die Staaten dauernd der Atomindustrie doch Geld zusteckten. Diese Alternativenpolitik, das heißt, die Stimme ausschließlich dafür herzugeben, daß Alternativen ausgebaut werden, ausschließlich in erneuerbare Energien zu investieren und notfalls auch Beschlüsse innerhalb der EU zu blockieren, wenn diese österreichische Sicherheitspolitik und die österreichischen Sicherheitsinteressen verletzt werden, ist Anti-AKW-Politik, aber diese haben Sie leider verlassen. (Beifall bei den Grünen.)

18.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Herr Vizekanzler Dr. Schüssel zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.43

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal zur Frage, ob es eine Änderung in der österreichischen Antiatompolitik gibt. Die Antwort ist klar und eindeutig: nein. Wir haben einen österreichischen Konsens zwischen den fünf Parlamentsparteien und der gesamten Bundesregierung für einen Ausstieg aus der Atomenergie, und zwar nicht nur in Österreich, wo wir das ja durchgezogen haben, sondern auch in anderen Teilen Europas.

Diesen Konsens haben wir, aber diesen Konsens haben andere nicht. Zu einem Konsens gehört, daß nicht nur einer glaubt, er habe einen Konsens, sondern daß auch alle anderen mittun. Ich kann das deswegen umso leichter und vielleicht auch umso glaubwürdiger sagen, als ich schon zu einem Zeitpunkt, zu dem das jedenfalls für mich noch mit einigen Risken verbunden war – ich war nämlich zu dieser Zeit Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, und damals war die Linie meiner Organisation bei diesem Thema noch etwas anders –, für den Ausstieg aus der Atomenergie plädiert habe. Damals war das etwas weniger einfach, als es heute im sicheren Hafen des österreichischen Nationalrats in einem Fünfparteienkonsens ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Ah! Ein Dissident waren Sie!)

Die Antwort ist klar: Es gibt keine Änderung, Frau Abgeordnete Petrovic, keine Abweichung vom Konsens, von einer früheren Linie der Bundesregierung und des Parlaments. Wir wollen nach wie vor den Ausstieg aus der Atomenergie.

Kollege Cap hat in seinen, wie ich finde, sehr klugen Ausführungen darauf hingewiesen, daß es nicht so einfach ist, diese politischen Überzeugungen anderen aufzuoktroyieren, und daß es in diesem Zusammenhang Sachzwänge gibt, denen sich auch neugewählte Regierungen stellen müssen.

Wenn man etwa mitverfolgt, wie die deutschen Grünen, Kollege Fischer und Kollege Trittin, versuchen, ihre persönliche Überzeugung – ich meine das jetzt nicht ironisch – in eine tagespolitische Praxis umzumünzen, dann sieht man, daß das nicht so einfach ist, wie wir uns das gelegentlich vormachen, wenn wir glauben: Wir fassen eine Fünfparteienentschließung, schicken die österreichischen Minister in alle Windrichtungen nach Europa, und dann wird es schon funktionieren. – So einfach ist das nicht!

Wir haben diesbezüglich keinen Konsens innerhalb der Europäischen Union. Es gibt einige Länder, die von vornherein keine Atomkraftwerke haben, es gibt andere Länder, wie etwa Schweden oder Deutschland, die sich jetzt schmerzhaft bemühen, über einen Ausstieg zu diskutieren, und wir alle sehen, daß dies nicht so einfach ist.

Ich komme gerade aus der Slowakei – Frau Abgeordnete Moser hat es dankenswerterweise erwähnt. Ein Kollege der "Presse" hat mich dorthin begleitet; er könnte vielleicht noch objektiver, als ich das tun kann, hier darüber berichten, wenn er das Rederecht hätte.

Ich habe soeben im Sinne des österreichischen Konsenses die neue slowakische Regierung nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß wir ein Zusperren von Bohunice so rasch wie nur möglich haben wollen. Es ist genauso ehrlich, hier zu sagen, daß dies für die neue slowakische Regierung, die derzeit versuchen muß, den Rechtsstaat zu stabilisieren, ein einigermaßen ausbalanciertes Budget mit einer Vierparteienkoalition durch das Parlament zu bringen und dazu mit den Geheimdienstaktivitäten und den Schatten der Vergangenheit des Mečiar-Erbes fertig zu werden, nicht so einfach ist. Sie kφnnen nicht einfach ja oder nein sagen, sondern mόssen diese Dinge innerstaatlich in Form eines Konsenses durchsetzen.

Alle österreichischen Minister – das ist in der Anfragebeantwortung nur verkürzt durchgekommen, das gebe ich gerne zu –, alle österreichischen Regierungsmitglieder, sowohl der Bundeskanzler als auch ich als Außenminister und Frau Ministerin Prammer, die dafür primär zuständig ist, aber auch Herr Umweltminister Bartenstein, sind in dieser Richtung sowohl in der Tschechischen Republik als auch in der Slowakischen Republik unterwegs.

Zu den Alternativangeboten, die immer wieder kursieren: Ich bin seit zehn Jahren in der Bundesregierung und habe noch die historischen Verhandlungen miterlebt, als wir – Vranitzky und ich – genau das, was Frau Abgeordnete Moser heute verlangt, präzisiert vorgelegt haben. Wir haben ganz präzise Finanzhilfen – bilateral übrigens –, Umstiegsprogramme, Umrüstungsprogramme angeboten und die Effizienz hervorgehoben, eine sanfte, verbesserte Energienutzung als die eigentlich effizienteste Form der Energiequelle, der Energienutzungsquelle in diesen Reformländern dargestellt. Es hat nichts genützt! Man hat trotzdem die alten Kernkraftwerke weiterbetrieben, die ungeheure Sicherheitsrisken darstellen – ich weigere mich, diese Themen nicht anzusprechen. Es ist gar keine Frage, daß das Sicherheitsthema und das Ausstiegsthema angesprochen werden müssen.

Es hat alles nichts genützt. Diese unsicheren Kernkraftwerke sind oft viele Jahre länger als notwendig weiterbetrieben worden. Bohunice zum Beispiel ist entgegen den Zusagen früherer Regierungen noch immer am Netz. Es hat auch nichts genützt, daß wir innerhalb der EBRD den Kredit für Mochovce verhindert haben. Der einzige Effekt war – daher muß man auch darüber nachdenken, ob diese Strategie eigentlich der absolute "Winner" war –, daß wir heute als Argument hören: Die Finanzierungsvoraussetzungen haben sich geändert, daher wird nicht nur Mochovce fertiggestellt, sondern bleibt auch Bohunice länger am Netz, weil das Ganze jetzt etwas teurer ist als vorher.

Fragen Sie den Kollegen, wie meine Reaktion auf diese Wortmeldungen in der Öffentlichkeit war. Ich war in diesem Punkt mehr als klar, und von diplomatischen Floskeln war keine Rede mehr.

Ich sage aber auch sehr klar: Junktims haben keinen Sinn. Etwas als Bedingung für die Aufnahme von Gesprächen zu verlangen, was nicht einmal innerhalb der Europäischen Union gemeinsame Linie ist, ist aus meiner Sicht nicht nur absurd – das wird ja von den anderen 14 Ländern auch nicht mitgetragen –, sondern wäre sogar absolut kontraproduktiv.

Genauso wird es letztlich auch am Ende der Verhandlungen sein. Bei den Verhandlungen kann nur etwas verlangt werden, was Spielregel der Union ist, und nicht, was Spielregel in Österreich ist. Würde die Slowakei einer Union allein mit Österreich beitreten, könnte man all das zur Bedingung machen. Aber wenn man der Europäischen Union beitritt, dann kann man nur zur Bedingung machen, was die gemeinsame Spielregel eben dieser Union ist.

Sie können aber sicher sein, Frau Abgeordnete, daß wir die Chance, die es Gott sei Dank mit dem neuen Umweltminister in der Tschechischen Republik gibt, nützen werden. Er hat allerdings schon schweren Widerstand von den anderen Ministern, etwa vom Wirtschaftsminister, und von den Wirtschaftskombinaten, die dafür verantwortlich sind, erfahren.

Wir werden alles tun, um Bursik zu unterstützen und ihm Argumente zu liefern. Ich hoffe, daß die tschechische Regierung in wenigen Tagen oder Wochen eine flexiblere Haltung einnehmen wird, als dies frühere Regierungen getan haben. Aber ich kann Ihnen ehrlichen Herzens auch nicht mehr versprechen, als daß wir alle uns mit ganzem Herzen und zu 100 Prozent für dieses gemeinsame Anliegen einsetzen werden.

In diesem Sinn werten Sie bitte auch die Anfragebeantwortung. Sie ist natürlich verkürzt, weil klarerweise nicht alle Bemühungen aufgeschrieben worden sind, die wir in all den Jahren unternommen haben. Aber einige Redner haben zu Recht darauf hingewiesen, daß hier schon unglaublich viel geschehen ist.

De facto unterstützen uns innerhalb der Union die Deutschen, und da würde ich auch sagen: ein Teil der deutschen Regierung vollen Herzens und ein anderer Teil zumindest halbherzig. Aber das allein ist für einen EU-Konsens zuwenig. Daher scheint mir der Weg, den Maria Rauch-Kallat angedeutet hat, nicht nur auf diplomatischer und auf Regierungsebene zu arbeiten, sondern parallel dazu auch die demokratische Meinungsbildung innerhalb der politischen Parteien in Tschechien und in der Slowakei in die Richtung zu beeinflussen, daß der Ausstieg das Ziel ist und nicht nur die Sicherheit, sehr vernünftig zu sein. (Beifall bei der ÖVP.)

18.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über die Punkte 1 bis 4 wieder auf.

Frau Abgeordnete Dr. Gredler hat sich vor Unterbrechung dieser Debatte zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Ich erteile ihr jetzt dazu das Wort. 2 Minuten. – Bitte.

18.52

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Ich wollte die Ausführungen des Abgeordneten Holger Bauer tatsächlich berichtigen, denn ich glaube nicht, daß es sich um eine postprandiale Schwäche gehandelt hat.

Herr Abgeordneter Bauer hat gesagt: die Abgeordneten des "Linken Forums", und hat auf uns gedeutet. Ich stelle fest, daß meine Fraktion "Liberales Forum" heißt. Auf der anderen Seite gebe ich dem Abgeordneten Bauer durchaus recht, daß links von der FPÖ viel Platz ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer mit einer freiwilligen Redezeitbegrenzung von 8 Minuten. – Bitte.

18.53

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Wabl hat vor der Unterbrechung einen Entschließungsantrag eingebracht, der in der Zwischenzeit formell zurückgezogen wurde, und zwar nicht, weil der Antrag zurückzuziehen war, sondern weil – und dafür möchte ich Kollegen Wabl ausdrücklich danken – inzwischen die Basis des Entschließungsantrages verbreitert werden konnte. Außerdem wurde nun auch in der Formulierung ein Mißverständnis vermieden.

Die Initiative, die Herr Abgeordneter Wabl ergriffen hat – es soll nicht verschwiegen werden, daß es seine Initiative war –, ist richtig. Die Abschaffung der Todesstrafe ist keine Causa Öcalan, sondern die Abschaffung der Todesstrafe muß eine generelle Forderung sein, muß ein Gegenstand der generellen Politik sein. Die Todesstrafe ist nicht nur in einem Land abzuschaffen, sondern sie soll abgeschafft werden, wo immer sie heute noch zur Anwendung kommt, in den USA genauso wie in europäischen Staaten, in denen sie leider noch nicht abgeschafft ist.

Erfreulich ist, daß das Jahr 1998 dank der Aktivitäten des Europarates das erste exekutionsfreie Jahr in Europa seit den unmittelbaren Nachkriegsjahren war. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist richtig, daß sich Österreich überall dort, wo es die Todesstrafe noch gibt, dafür einsetzt, die Todesstrafe abzuschaffen.

Was die Causa Öcalan anlangt, so erwarte ich von der Türkei als demokratischem Staat, als Mitgliedsland des Europarates und als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention, daß das Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, nach den geltenden türkischen Gesetzen abgewickelt wird. Das heißt für mich, daß auch für einen unter Anklage stehenden Chef einer terroristischen Organisation im Verfahren die Unschuldsvermutung zu gelten hat, daß seine persönliche, physische und psychische Integrität zu schützen ist und daß ihm ein fairer Prozeß und die Möglichkeiten der vollständigen Verteidigung geboten werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die wir erwarten dürfen.

Terrorismus ist klar und eindeutig abzulehnen, zu verurteilen. Um noch einmal auf die Todesstrafe zurückzukommen: Der Rechtsstaat darf sich nie und nimmer mit jenen auf eine Stufe stellen, die seine Normen verletzen. Weder gegen Terrorismus noch gegen andere kriminelle Aktivitäten ist die Todesstrafe die adäquate Reaktion des Rechtsstaates. Der Rechtsstaat muß und kann sich mit anderen Mitteln zur Wehr setzen. Die Todesstrafe kann nicht die Antwort des Rechtsstaates sein.

Ich bringe daher in Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Initiator folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schieder, Dr. Schwimmer, Wabl, Dr. Kier, Freunde und Freundinnen betreffend Abschaffung der Todesstrafe

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, verstärkt in allen internationalen Gremien (EU, OSZE, UNO, Europarat, ...) dahin gehend aktiv zu werden, daß generell die Todesstrafe in allen Staaten abgeschafft und insbesondere sichergestellt wird, daß gegenüber Abdullah Öcalan die Todesstrafe keine Anwendung findet.

*****

Ich freue mich, wenn es aufgrund dieses von einer breiten Basis getragenen gemeinsamen Entschließungsantrages zu einem entsprechend starken Beschluß des österreichischen Nationalrates kommt, zu einem eindeutigen Appell, die Todesstrafe abzuschaffen.

Ich kann das umso glaubwürdiger tun, als ich in meiner Eigenschaft als Berichterstatter für die Türkei in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vor der Causa Öcalan in einem Bericht an die Versammlung am 25. Jänner an die Türkei appelliert habe, die Todesstrafe, die dort seit 15 Jahren nicht mehr exekutiert wurde – auch das muß man dazusagen –, auch legal abzuschaffen. Es gibt dafür gute Voraussetzungen, es ist dies ein erfolgversprechender Appell, denn – und auch das soll nicht verschwiegen werden – im türkischen Parlament, in der türkischen Großen Nationalversammlung, liegt bereits der Entwurf eines neuen Strafrechtes vor, der die Abschaffung der Todesstrafe vorsieht.

Es handelt sich um einen Entwurf, der von der Menschenrechtskommission der türkischen Regierung ausgearbeitet und von der vorherigen Regierung, der Regierung Yilmaz, dem Parlament übermittelt worden ist. Auf diesem Wege soll die Türkei weitergehen, und dazu möchten wir die Türkei an dieser Stelle ermuntern. (Beifall bei der ÖVP.)

18.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Schwimmer verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit zur Verhandlung.

Als nächster hat sich Herr Abgeordneter Lafer mit einer Redezeit von 5 Minuten zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.59

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte mich den anderen, auch auf der Tagesordnung stehenden Themen zuwenden, und zwar für mich sehr, sehr wichtigen Punkten, nämlich dem Sicherheitsbericht 1997, wenn auch veraltet, dem besonders wichtigen Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz und unserem Antrag betreffend die Fremdenproblematik in Österreich.

Herr Kollege Schwemlein hat in seinem Debattenbeitrag gemeint, der Abänderungsantrag, der von mir eingebracht wird, sei billig und polemisch, daher möchte ich feststellen, daß ich ihm zutraue, daß er als Lehrer sicher einiges verstehen mag, aber von der Exekutive weiß er so gut wie nichts, denn sonst müßte er auch den Inhalt dieses Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes kennen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz wurde geschaffen, damit beim Tod oder bei einer schweren Verletzung eines Beamten eine finanzielle Abgeltung möglich ist, wenn die finanzielle Lage des Beamten oder der Hinterbliebenen nicht gut ist. In Wirklichkeit ist jedoch der Zugang zu dieser Hilfe kaum möglich. Das kann ich Ihnen gerne an einigen Beispielen zeigen.

Zum Beispiel war ein Polizist in Wien 24 Tage dienstunfähig, er war schwerverletzt, und als er dann die Forderungen nach dem Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz stellen wollte, erklärte man ihm, daß der Täter unzurechnungsfähig sei und dadurch kein Anspruch bestehe.

In einem anderen Fall war es genauso. Man könnte sicher noch einige Fälle und Beispiele aufzählen, aber leider reicht die Zeit nicht dazu.

Ich bringe daher einen Abänderungsantrag ein, der im wesentlichen folgende drei Punkte zum Inhalt hat:

Erstens soll der Betrag von 1,5 Millionen auf 3 Millionen erhöht werden.

Zweitens sollen endlich auch die Schmerzensgeldansprüche mit eingebunden werden.

Und drittens soll dem Beamten zur Seite gestanden werden, indem von einem Rechtsanspruch für den Beamten die Rede ist.

Der Antrag lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lafer und Kollegen, eingebracht im Zuge der Debatte über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz (BGBl. Nr. 177/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 61/1997) geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes 1591 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Entwurf in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. In § 7 Abs. 1 wird die Wortfolge "eine Million fünfhunderttausend Schilling" durch die Wortfolge "drei Millionen Schilling" ersetzt.

2. In § 9 Abs. 1 Z 1 wird nach dem Wort "Ersatzansprüche" die Wortfolge "einschließlich des Schmerzengeldes" eingefügt.

3. § 9 Abs. 2 lautet:

(2) Abweichend von Abs. 1 ist der Vorschuß in angemessenem Umfang bereits vor der rechtskräftigen Entscheidung zu leisten, wenn der Bedienstete glaubhaft macht, daß er sich in einer finanziellen Notlage befindet. In diesem Fall kann der Bund im Zivilverfahren gemeinsam mit dem Bediensteten klagen oder dem Zivilverfahren an Seite des Bediensteten beitreten.

4. Die bisherigen Abs. 2 und 3 des § 9 erhalten die Bezeichnung Abs. 3 und 4. Der bisherige Abs. 4 des § 9 entfällt.

5. § 10 lautet:

"Die Ansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Täter gehen, soweit sie vom Bund zu bevorschussen sind oder bevorschußt wurden, durch Legalzession auf den Bund über."

6. In § 14 lautet Abs. 3:

(3) § 9 Abs. 1 bis 4 und § 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1999 treten mit 1. Juli 1999 in Kraft.

*****

Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn Sie hinter den Exekutivbeamten stehen, dann werden Sie auch verstehen, was damit gemeint ist, und ich hoffe, daß Sie diesem Antrag die Zustimmung geben werden. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Des weiteren möchte ich einen Entschließungsantrag betreffend restriktivere Maßnahmen zur Bekämpfung der Schlepperei einbringen.

Dem Sicherheitsbericht 1997 ist zu entnehmen, daß 1997 bundesweit 1 741 Schlepper festgestellt und insgesamt 11 432 Personen aufgegriffen wurden. Damals wurde schon gesagt, daß die Zahl der Schlepper und der Geschleppten zunehmen wird, sich die Situation verschärfen wird. Wenn man sich die Zahlen von 1999 ansieht, kann man das tätsächliche Ausmaß erkennen.

Ich hatte vor zwei Tagen, also am Dienstag vormittag, die Gelegenheit, an der Grenze zu Slowenien mit Beamten zu sprechen, und habe erfahren, daß in Slowenien zirka 6 000 Flüchtlinge warten, die über die grüne Grenze nach Österreich und dann zum Teil auch weiter nach Deutschland wollen. Es gibt die Vereinbarung mit den Schleppern, daß sie das so oft probieren, bis sie tatsächlich ihr Zielland erreicht haben. Im letzten Monat sind in diesem einen Teil einmal 25 und einmal 56 Illegale aufgegriffen worden. Sie können sich vorstellen, was das bedeutet. Vor allem bilden diese Illegalen immer wieder Brückenköpfe für weitere Betätigungsfelder wie die organisierte Kriminalität, Suchtgifthandel, Eigentumsdelikte und ähnliches.

"News" vom 15.10.1998 war zu entnehmen, daß die Grenzorgane durchschnittlich jede Stunde zwei Geschleppte festnehmen. Daran kann man schon erkennen, welches Ausmaß das bereits angenommen hat.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lafer, Dr. Partik-Pablé, Jung, Scheibner und Kollegen betreffend restriktivere Maßnahmen zur Bekämpfung der Schlepperei

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert,

1. bis zum 15. April 1999 einen Entwurf zum Fremdengesetz vorzulegen, sodaß der Tatbestand der Schlepperei (Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden) immer eine gerichtlich strafbare Handlung darstellt, der in jedem Fall ein erhöhtes Strafausmaß für gewerbsmäßige Begehung und den Wiederholungsfall vorsieht und

2. die Kontrollen gegen illegale Einwanderung und Schlepperei an Österreichs Grenzen zu verstärken."

*****

Dies deshalb, weil unter anderem auch im Fremdengesetz in den §§ 104 und 105 festzustellen ist, daß die Schlepperei zum einen eine Verwaltungsübertretung ist und zum zweiten eine gerichtlich strafbare Handlung darstellt.

Die Freiheitlichen sind angesichts des Umstandes, daß Schlepper diese Tätigkeiten durchführen, die ja, wie heute schon des öfteren angeführt, finanziell einiges für die Schlepper bringen, und das zu einem immer größeren Geschäft ausufert, der Meinung, daß dieser Antrag notwendig ist, und ich ersuche Sie deshalb um die Zustimmung zu diesem Antrag. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir haben kein Schlußwort der Berichterstatter.

Vor der Abstimmung stelle ich noch fest, daß die beiden vom Abgeordneten Lafer verlesenen Anträge ordnungsgemäß eingebracht worden sind, entsprechend unterstützt sind und daher mit in Verhandlung standen.

Wir treten also jetzt in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend internationale Friedenskonferenz zur Lösung der Kurdenfrage.

So Sie diesem Antrag beitreten wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schieder, Dr. Schwimmer, Dr. Kier, Wabl und Genossen betreffend Abschaffung der Todesstrafe.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist einhellig angenommen. (E 163.)

Jetzt steht zur Abstimmung der Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, den Sicherheitsbericht 1997, III-156 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie diesen Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Nichtverhängung von Schubhaft an Jugendliche.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lafer und Genossen betreffend restriktivere Maßnahmen zur Bekämpfung der Schlepperei.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1591 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Lafer und Genossen einen Zusatz- sowie Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die von dem erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Lafer und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die §§ 9 Abs. 1 Z 1, 9 Abs. 2 und 4 samt einer Änderung der Absatzbezeichnungen 10 und 14 Abs. 3 bezieht.

Für den Fall Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Lafer und Genossen betreffend die Z 2 § 7 Abs. 1 abstimmen und ersuche Sie um ein entsprechendes Zeichen, so Sie dem zustimmen wollen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen daher nun zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfs in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser ist einhellig angenommen. Ich stelle ausdrücklich fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 1601 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1420 der Beilagen): Kooperationsübereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Italienischen Republik, dem Königreich Spanien, der Portugiesischen Republik, der Griechischen Republik, der Republik Österreich, dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen betreffend den Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Erklärungen und Anlage (1592 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1421 der Beilagen): Protokoll zur Änderung der Artikel 40, 41 und 65 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, unterzeichnet am 19. Juni 1990 in Schengen (1593 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1422 der Beilagen): Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Finnland zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1594 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1423 der Beilagen): Übereinkommen über den Beitritt der Republik Finnland zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1595 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1424 der Beilagen): Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Dänemark zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1596 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1425 der Beilagen): Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1597 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1426 der Beilagen): Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1598 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1427 der Beilagen): Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1599 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erstrednerin Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.13

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir diskutieren über Gesetzesänderungen, die mit dem Schengener Abkommen notwendig wurden, und das ist natürlich auch eine Gelegenheit, über den Schengen-Vertrag insgesamt zu sprechen. Es gibt aber auch die Gelegenheit, wieder einmal darauf hinzuweisen, daß wir Freiheitlichen bereits vor dem Abschluß des Schengener Vertrages auf die Gefahren, die damit verbunden sind, hingewiesen haben.

Wir waren nämlich aus schwerwiegenden Gründen dagegen. Wir haben aufgezeigt, wie gefährlich es sein kann, wenn beispielsweise Illegale in Griechenland in das EU-Reich eintreten und dann ungehindert bis beispielsweise Schweden weiterreisen können, und zwar ohne irgendwann einmal kontrolliert zu werden.

Wir haben auch darauf hingewiesen, daß die Umsetzung des Schengener Vertrags nur dann funktionieren kann, wenn die Außengrenzen wirklich gut abgesichert sind. Sie haben immer die Gefahren verniedlicht, haben gesagt, alle unsere Ängste seien wieder einmal nur aufgebauscht, jetzt aber hat uns die Realität eingeholt! Herr Minister, Sie werden das zugeben müssen, denn wichtige Länder wie beispielsweise Italien sind nicht in der Lage oder nicht willens, ihre Verpflichtungen aus dem Schengener Vertrag auch einzuhalten!

Italien ist offen wie das berühmte Scheunentor: Täglich, so haben wir Zeitungsberichten entnommen, betreten 600 Illegale eine Italien vorgelagerte Insel und dringen weiter in den EU-Raum vor.

Dazu kommt auch noch die fragwürdige Asylpolitik Italiens und seine fragwürdige Politik in bezug auf Einwanderung überhaupt: Die Italiener gehen jedes Jahr her und sagen: Derjenige, der jetzt illegal im Land ist, ist ab jetzt legal im Land. – Auf diese Weise sind ja erst vor kurzem wieder 250 000 Illegalen Aufenthaltsgenehmigungen erteilt worden.

Das wirkt sich nicht nur auf Österreich aus, sondern auf den gesamten EU-Raum. Deshalb, Herr Minister, fordern wir Sie bei jeder Gelegenheit auf, in Brüssel darauf hinzuwirken, daß diese Politik Italiens nicht gebilligt wird, weil die Auswirkungen auf Gesamteuropa spürbar sind.

Wir haben diese Auswirkungen der offenen Grenzen aber auch in Österreich gespürt, denn wir haben eine Erhöhung der Zahl der illegalen Einwanderer um 26 Prozent verzeichnet – das geht aus dem Sicherheitsbericht hervor. Die Schlepperei ist zum lukrativsten Zweig der organisierten Kriminalität geworden. 1998 sind 13 000 illegale Grenzgänger aufgegriffen worden. Und die Hauptroute des Suchtgift- oder Drogenmarktes geht ja auch über die Grenzen Ungarns, Jugoslawiens und so weiter, also dort, wo wir die Außengrenze abzusichern haben.

Trotz des Ansteigens der Illegalität zeigen Sie sich aber zufrieden, Herr Minister. Sie sagen: Unsere Grenzsicherung ist effizient, und es ist uns gelungen, offene Grenzen zu Deutschland und zu Italien zu schaffen, ohne auf der anderen Seite ein Sicherheitsdefizit entstehen zu lassen.

Ich zitiere jetzt aus der Zeitschrift "GÖD", in der zu lesen ist: Mit dieser Einschätzung dürfte der Ressortchef allerdings ziemlich allein dastehen, denn nicht nur die unmittelbar betroffenen Exekutivbeamten sehen die Situation entschieden anders, sondern auch der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, der gesagt hat, der Migrationsdruck ist ganz einfach nicht mehr auszuhalten. – Zitatende.

Und tatsächlich, Herr Minister: In Niederösterreich sind die Grenzen genauso offen wie in Italien. Auf 100 Kilometer kommen 20 Beamte. Es ist dort kein Bundesheer im Einsatz, und darüber hinaus haben Sie auch noch die Überstunden gekürzt. Das bedeutet also, daß sich der illegale Einwanderer dort so bewegen kann, wie er möchte.

In diesem Zusammenhang sagt auch ein hoher Beamter, nämlich der Vorsitzende der niederösterreichischen Gendarmeriegewerkschaft: Nur 10 bis 20 Prozent der Illegalen erwischen wir, der größte Teil spaziert mehr oder weniger ungehindert ins Land! Und er bittet ja in einem flehentlichen Brief die Parlamentarier um ihre Hilfeleistung.

Herr Minister! Leider verbietet es mir meine Redezeit, Ihnen noch mehr vorzuhalten. Ich glaube aber, daß es wirklich dringend notwendig ist, daß Österreich erstens die eigenen Grenzen sichert und zweitens auch in Europa dafür sorgt, daß die Nachbarstaaten ihrer Verpflichtung nachkommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.18

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig: Die Tagesordnungspunkte 5 bis 12 bieten die Möglichkeit, sich mit dem Thema Schengen insgesamt auseinanderzusetzen, und natürlich – wie kann es anders sein – ist diesbezüglich unsere Meinung schon etwas anders als jene meiner Vorrednerin. Das muß ich schon sehr deutlich feststellen. Ich bin der Meinung, daß hier in Österreich hervorragende Leistung geboten wird. (Abg. Dr. Partik-Pabl頖 eine Ausgabe der Zeitschrift "GÖD" in die Höhe haltend und sich an Bundesminister Mag. Schlögl wendend –: Kennen Sie das, Herr Minister? Das ist nicht von mir! Das sagt ein hoher Exekutivbeamter!)

Wenn Sie hier diese Zeitung präsentieren, dann geben Sie damit die Meinung eines Redakteurs wieder. Sie können aber doch nicht sagen, daß das die Meinung aller ist! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Kiss wird auch sagen, wir sind in einem guten...! Das kennen wir schon!) Die haben Sie nicht gepachtet und der Redakteur auch nicht – nur damit das gleich klar ist. (Beifall bei der SPÖ.) Wissen Sie, Zeitungen sind oft geduldig! Damit können Sie mich nicht überzeugen.

Meine Damen und Herren! Gerade die Leistung der Grenzgendarmerie ist in diesem Bereich ganz hervorragend. 1 460 Kilometer ist die Grenze lang, und davon entfallen allein auf die Ostgrenze 1 259 Kilometer. 6 000 Bedienstete machen dort Dienst – und sie leisten sehr gute Arbeit, auch das möchte ich klarstellen –: 3 000 Bedienstete im Rahmen des Grenzdienstes der Bundesgendarmerie, 2 000 Bundesheersoldaten, 200 Bundespolizisten auf Flughäfen und beim Donaudienst sowie 800 Zollwachebeamte.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Vielen Bürgern unseres Landes ist nicht bewußt, daß diese Beamten nicht nur die Aufgabe haben, illegale Einwanderer zu stoppen, sondern daß ihre Hauptaufgabe unter anderem auch darin besteht, allen polizeilichen Fahndungsmaßnahmen unterstützend beizutreten, und zwar sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene, wenn es um grenzüberschreitende Kriminalität, Schlepperei, Menschenhandel, Kfz-Verschiebung, illegalen Transport und Handel mit Suchtgiften, Waffen aller Art und so weiter geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesamtinvestition in diese Aufgabe betrug immerhin stolze 3 Milliarden Schilling. Das ist eine Menge Geld. So wurden im Rahmen des Aufbaues des Grenzdienstes der Bundesgendarmerie 70 neue Dienststellen eröffnet: 39 Grenzüberwachungsposten und 31 Grenzkontrollstellen. Das alles ist ja nicht gerade wenig, meine Damen und Herren.

Man muß ja auch sagen, daß an der grünen Grenze einiges getan wird. Es werden Wärmebild- und Nachtsichtgeräte zur flächendeckenden Überwachung und zur Verhinderung des illegalen Grenzübertrittes eingesetzt, aber auch neue Luftfahrzeuge und so weiter. Es gibt also Initiativen am laufenden Band.

Meine Damen und Herren! Die polizeilichen Ausgleichsmaßnahmen sind auch nicht gerade schlecht, sie wurden auch zu Deutschland und Italien ausgebaut. Leider reicht die Redezeit nicht dafür aus, sich hier näher damit zu beschäftigen. Fest steht aber auf jeden Fall, daß unser Land gerade durch das Schengener Informationssystem enorm viel an Sicherheit dazugewonnen hat, meiner Meinung nach nicht nur insgesamt, sondern vor allem auch im eigenen Land. (Zwischenruf des Abg. Jung.)

Bei der Betrachtung der gesamten Sicherheitspolitik Europas ist dieser Part sicher sehr, sehr wichtig. Ich denke, gerade die innere Sicherheit Europas ist von großer Bedeutung. Ich möchte damit die militärische Sicherheit gar nicht in irgendeiner Form abwerten, aber ich glaube, daß gerade die innere Sicherheit Europas von ganz, ganz großer Bedeutung ist. Ich stehe aber nicht an, hier auch zum Bundesheer eine kurze Stellungnahme abzugeben.

Meine Damen und Herren! Wir waren voriges Jahr im Rahmen des Landesverteidigungsausschusses an der ungarischen Grenze, und ich kann Ihnen sagen, ich war begeistert von der Art und Weise, wie unsere jungen Grundwehrdiener zu dieser Aufgabe stehen. Es war hervorragend. Ich habe mich mit ihnen unterhalten (Abg. Jung: Haben Sie auch das ... in Österreich gesehen?) – ich habe nicht so viel Redezeit, Herr Brigadier (Abg. Jung: ... um auf Fragen einzugehen!) –, und die Kommentare dieser jungen Grundwehrdiener waren positiv. Sie waren von ihrer Aufgabe überzeugt, sie haben es gerne gemacht. Die Witterung war damals miserabel, trotzdem waren sie in bester Stimmung. Ich glaube, du warst mit (der Redner wendet sich an Abg. Mag. Steindl), nicht wahr? Es war eine wirklich schöne Sache, und ich war begeistert von der Art und Weise, wie die Grundwehrdiener an diese Aufgabe herangegangen sind.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit allen Beteiligten noch einmal ein herzliches Dankeschön sagen, vor allem auch dem – wenn Sie so wollen – "Vater der Grenzgendarmerie", meinem Freund Brigadier Oskar Strohmeyer, der da wirklich hervorragende Arbeit geleistet hat. Ich möchte allen Beamten der Ministerien ein herzliches Dankeschön sagen, vor allem aber auch dir, Herr Minister, dafür, daß du dich mit so großem Elan in dieses Thema hineingearbeitet hast.

Wenn der von meiner Vorrednerin zitierte Redakteur (Abg. Dr. Mertel: Ein schwarzer Redakteur!) glaubt, der Minister wäre allein mit seiner Ansicht, dann täuscht er sich: Er selbst ist allein mit seiner Ansicht! Der Minister und all jene, die in diesem Bereich mitwirken, leisten hervorragende Arbeit im Interesse unseres Volkes! – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

19.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lafer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.24

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Kiermaier! Es ist kein Redakteur, der vorhin aus der Zeitschrift "GÖD" zitiert wurde, sondern der Vorsitzende der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, Franz Haydter – Kollege Kiss wird ihn ja kennen –: Er ist ein treuer ÖVP-Diener (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, so ist es! Wer jetzt horcht, ...!), und die Forderungen, die er gestellt hat, sind ja berechtigt. (Abg. Dr. Mertel: Wird Herr Kiermaier ihn kennen?) Lieber Pauli, du wirst ja wissen, was er auch zu dir oder zu euch über die tatsächliche Sachlage in Niederösterreich gesagt hat.

Erstens: Es ist schon richtig, daß das Schengener Abkommen auch seine guten Seiten hat – das möchte ich nicht einmal in Zweifel ziehen –, aber es gibt auch schlechte Seiten.

Zweitens: Was die hervorragende Leistung, wie sie von Kollegen Kiermaier hier beschrieben wurde, betrifft, ist zu sagen: Es ist ja nicht die Politik, die da hervorragend gearbeitet hat, sondern es sind die sehr engagierten und hochmotivierten Beamten, die diesen Erfolg für Österreich und für die Bevölkerung ermöglicht haben. Das muß man einmal so sehen!

Es ist zwar so, daß der Herr Bundesminister in die Grenzgendarmerie beziehungsweise in den Grenzdienst wirklich viel Geld investiert hat, daß dort auch die technischen Möglichkeiten gegeben sind, sodaß es hier auch zu Fahndungserfolgen kommt, andererseits muß man aber auch die Situation im Binnenland sehen, daß zum gleichen Zeitpunkt die Gendarmerieposten und die Polizei ausgehungert wurden, daß dort nicht diese technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen und daß man dort zuwenig Personal hat, um tatsächlich noch die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten. (Ruf bei der SPÖ: Geh!)

Herr Bundesminister! Sie sind daher aufgefordert, nicht nur die Grenzen zu sichern, nicht nur auf das Schengener Abkommen zu achten, sondern auch meine Kollegen im Binnenland auf entsprechende Weise zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch ein weiterer Punkt zu den Kosten: Es ist genug und viel Geld an die Grenzen geflossen, was wir auch als richtig empfinden, denn wir wollen keine Schlepper und auch keine Geschleppten haben. Aber trotzdem: Maximal ein Viertel dieser Personen kann aufgegriffen werden – meine Kollegin Dr. Partik-Pablé hat ja schon darauf hingewiesen, daß der Vorsitzende der niederösterreichischen Gendarmeriegewerkschaft sogar von nur 10 bis 12 Prozent spricht –, die anderen kommen nach wie vor illegal nach Österreich. (Abg. Kiss: Woher wissen Sie denn das, wenn es keine Zahlen gibt? Das verstehe ich nicht!)

Ich habe in meinem vorhergegangenen Debattenbeitrag schon angeführt, daß in Slowenien 6 000 Kosovo-Albaner warten. Auch wenn sie aufgegriffen und wieder über die Grenze zurückgestellt werden, versuchen sie es am nächsten Tag wieder. (Abg. Kiss: Wenn es keine Zahlen gibt, dann ist es doch unlogisch, so etwas zu behaupten!)

Herr Bundesminister! Das Problem, das dabei entsteht, gerade im Schengener Bereich (Abg. Kiss: Dein Argument ist unlogisch! Das ist unlogisch!) – lieber Pauli Kiss, du bräuchtest nur einmal über die Grenze zu schauen, dann wüßtest du, was da gespielt wird –, ergibt sich ja daraus, daß der Illegale, wenn er über die Grenze kommt, seine Dokumente wegwirft, sodaß dann auch die Drittstaatklausel nicht mehr zu einer Lösung beiträgt, denn wenn er behauptet, daß er nicht weiß, woher er kommt, dann ist das ja auch nicht mehr nachvollziehbar, und er ist zu behalten. Dieses Problem wird uns in unserer inneren Sicherheit noch sehr beschäftigen.

Durch die Schleppertätigkeit und durch die Anwesenheit der Geschleppten ist natürlich auch ein Ansteigen der Kriminalität in den Grenzregionen feststellbar. Daher wäre es aus der Sicht der Freiheitlichen die einzige Lösung für Österreich, das Schengener Abkommen vorläufig überhaupt auszusetzen und zunächst einmal unsere Exekutive hier in Österreich, im Binnenland, mit technischen Mitteln und auch mit Personal in einem Maße auszustatten, daß für Österreich und seine Bürger Sicherheit gewährleistet ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordnetem Murauer vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.27

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Über das Schengener Abkommen und über die skandinavischen Länder, die sich entschlossen haben, dem Schengener Abkommen beizutreten, wurde ja schon einiges berichtet. Konkret geht es dabei um Schweden, Finnland und Dänemark, während Norwegen und Island Kooperationsmodelle erarbeiten mußten, weil sie nicht Mitglieder sind. Somit sind es nunmehr nur noch Großbritannien und Irland, die dem Schengener Abkommen noch nicht beigetreten sind.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Wir wissen, daß Europa den Bürgern Europas entsprechend Freiheit gewährt. Neben dem freien Geld- und Warenverkehr gibt es auch die Reisefreiheit innerhalb der europäischen Länder, auf die wir stolz sind (Zwischenruf der Abg. Madl) und über die wir uns freuen, Frau Madl! Auch wenn Sie bisher vielleicht noch nicht in andere Staaten der EU gefahren sind, werden wahrscheinlich auch Sie irgendwann die Erfahrung machen, daß es sicher angenehm ist, freie Grenzen in einem gemeinsamen Europa zu haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Madl: Mir macht das nichts aus, ...!)

Der wichtige Punkt aber ist, Frau Madl, daß das Schengener Übereinkommen die verstärkte Zusammenarbeit der Exekutive über die nationalen Grenzen hinweg ermöglicht hat, und dieses Informationssystem kann nun mit diesen Regierungsvorlagen auch auf Skandinavien ausgedehnt werden.

Eines der wichtigsten Ziele dieser internationalen Zusammenarbeit besteht natürlich darin – einige meiner Vorredner haben bereits darauf hingewiesen –, der organisierten und internationalen Kriminalität Herr zu werden. "Die Kriminalitätsanalysen" – ich zitiere aus dem Sicherheitsbericht – "vieler westeuropäischer Staaten sind wenig erfreulich", und die Zukunftsprognosen des internationalen organisierten Verbrechens sind eigentlich düster. Auch in unserem Sicherheitsbericht 1997 wird darauf eingegangen und erwähnt, daß das internationale organisierte Verbrechen eine Bedrohung der Gesellschaft darstellt. Die wesentlichen Delikte in diesem Bereich sind das Schlepperunwesen, Menschenschmuggel, Wirtschaftskriminalität, der Bereich der Suchtgiftkriminalität bis hin zu demokratiegefährdenden Erpressungen.

Meine Damen und Herren! Wir haben das zu sehen, und wir haben darauf zu reagieren, und das Schengener Abkommen gibt uns die Möglichkeit der internationalen Bekämpfung der organisierten Kriminalität!

Nur einige Daten: 8 Millionen Datensätze sind im Schengen-System verzeichnet – 8 Millionen, meine Damen und Herren! –, und 83 000 davon stammen aus Österreich. Das heißt, das System funktioniert durchaus, und wir haben große Erfolge. 760 Treffer – das ist vielleicht auch noch interessant – gab es im Ausland zu österreichischen Ausschreibungen.

Selbstverständlich gehört dieses Schengener System weiterentwickelt. Und ich möchte schon die Forderung Niederösterreichs unterstreichen, da Niederösterreich nach wie vor keine Auffanglager für Schubhäftlinge hat. Herr Bundesminister! Diesbezüglich muß etwas geschehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters ist es für die österreichische Sicherheit notwendig, das Mögliche herauszuholen. Fahndungspannen, wie sie etwa bei der Fahndung nach dem Amokläufer Kleinschuster geschehen sind, weil die Daten im Computer eine Woche alt waren, sollte es nicht mehr geben. Ich denke, wir sind uns einig, daß das geändert werden muß.

Auch die Italiener wurden bereits zitiert, und da bin ich durchaus Ihrer Meinung, Frau Abgeordnete Partik-Pablé: Es kann nicht sein, daß die italienische Regierung bei permanenten Verstößen gegen Gesetze, mit denen sie nicht fertig wird, einfach einen generellen Straferlaß macht, wie dies zum Beispiel bei der illegalen Einwanderung der Fall war. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Umsetzung des Abkommens von Schengen kann nur funktionieren, wenn sich alle daran halten, und in diesem Zusammenhang ist insbesondere Italien gefordert.

Wir haben unsere Außengrenzen und auch unsere Binnengrenzen entsprechend abgesichert, und die dort tätigen Grenzgendarmen leisten ihr Bestes, auch die Bediensteten der Zollwache und der Bundespolizei. Auch die Bundesheer-Assistenz an der Außengrenze, an der ungarischen Grenze, funktioniert sehr gut.

Angesichts der Tragik in Galtür und in anderen Orten möchte ich an dieser Stelle betonen, daß die Einsatzkräfte, daß die Hilfskräfte, daß Exekutive, Feuerwehr und Bundesheer Exzellentes geleistet haben – in einer ganz extremen Situation, meine Damen und Herren, unter größtem Druck und in höchster Gefahr! (Beifall bei der ÖVP.)

Es kam technisches Gerät von zivilen Kräften zum Einsatz, aber auch vom Bundesheer, und man hat auch Nachbarländer, wie Deutschland, und die USA um Hilfe gebeten und stationiertes Fluggerät aus den USA herbeigeholt, und das Zusammenwirken von internationalen Hilfskräften, die uns auch NATO-Fluggerät zur Verfügung gestellt haben, hat sich bestens bewährt.

Meine Damen und Herren! Die NATO hat uns Gerät und Truppen zur Verfügung gestellt, um dieser Katastrophe Herr zu werden. Ich verstehe daher nicht, daß man der NATO keine Durchfahrtsgenehmigung durch Österreich erteilt, daß man der NATO keine Überflugsgenehmigung erteilt. Da kommen eben unverständliche, ideologisch begründete Haltungen der Sozialisten zum Tragen. (Abg. Dr. Mertel: Im Gegensatz zu Ihnen! Bei Ihnen gibt es keine Ideologie, nur Sachverstand!) Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalitionspartei! Sie müßten einmal einen Schritt über diese Urgesteinsideologie machen und sehen, daß es für die Sicherheit Österreichs notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.) Frau Mertel! Auch wenn Sie es jetzt noch nicht glauben: Es kommt der Zeitpunkt, zu dem auch Sie einsichtig werden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch den Redakteur Scheidl zitieren, der in der "Presse" in seinem Artikel, den Paul Kiss heute schon zum Teil zitiert hat, meinte: Bei Katastrophen haben wir uns immer schon flexibel und entgegenkommend gezeigt. Die NATO-Transportmaschinen durften uns sofort zu Hilfe eilen. Man hätte ihnen ja auch die Bewilligung versagen können. So geschehen erst vor wenigen Tagen, als es um die Übung derselben NATO ging. Da war es das Kanzleramt, das sich gegen einen Transport durch unser schönes, neutrales Land sperrte.

Dem SPÖ-Bundeskanzler wird sicher auch darauf eine passende Antwort einfallen, Frau Mertel – nicht umsonst ist man ein richtiger Macher und ein echter Österreicher! Da müssen Sie doch einmal umzudenken beginnen. – Soweit das Zitat.

Meine Damen und Herren! In Verhandlung steht heute auch ein weiteres Protokoll zur Änderung des Schengener Durchführungsübereinkommens, das eine Vereinfachung der Bezeichnungsänderung der zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten ermöglicht.

Die ÖVP wird im Sinne der inneren Sicherheit Europas und seiner Bürger, im Sinne einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der Union den Vorlagen gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

19.36

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe noch gut die Reden in den Ohren, in denen uns die Vorteile, ja die geradezu zwingende Notwendigkeit eines Beitritts zum Schengener Abkommen angepriesen wurden. Man könne sich den offenen Grenzen ebenso wenig entziehen wie der harten Zu-kunftswährung, dem Euro, hat es geheißen.

Hinsichtlich des harten Euros haben wir innerhalb weniger Wochen 5 Prozent Abwertung gegenüber dem Dollar erlebt, und die offenen Grenzen sichern vor allem die ungehinderte Bewegungsfreiheit der Kriminellen im Binnenmarkt und die weitgehende Bewegungsfreiheit für die Illegalen. – Das ist die Realität, meine Damen und Herren.

Bezüglich des Schengener Abkommens, dessen Anwenderkreis jetzt erweitert werden soll, möchte ich nur zwei Punkte erwähnen: die Frage der Asylanten und die Flüchtlingsfrage sowie das Beispiel Öcalan.

De facto hat heute jeder Illegale, der einmal im Schengen-Land ist, eine fast ungehinderte Bewegungsfreiheit, und Italien ist ja mit dem Naturalisieren so weit, daß heute die Menschen bereits nach Zigtausenden gemessen werden, die demnächst wieder eine reguläre Aufenthaltsmöglichkeit in Italien und damit auch die Möglichkeit, nach Österreich, Deutschland oder sonstwohin zu kommen, erhalten. Man kann sich frei bewegen, und wohin die Leute gehen, kann man sich vorstellen: Sie werden dorthin gehen, wo es die höchsten Sozialleistungen gibt oder die besten Möglichkeiten, zum Teil auch illegale Geschäfte zu machen.

Noch augenscheinlicher wird dieses Versagen des Schengener Abkommens aber am Fall Öcalan. Ich zitiere jetzt einige Punkte aus dem Artikel 18, aus den Zielen des Schengener Abkommens: Ausarbeitung von Vereinbarungen über polizeiliche Zusammenarbeit zur präventiven Verbrechensbekämpfung; Prüfung von Abkommen, um Schwierigkeiten bei der Auslieferung zu verhindern; Suche nach gemeinsamen Verbrechensbekämpfungsmöglichkeiten und Verbesserung der Kommunikation.

Herr Minister! Wie schaut es aus mit den Vereinbarungen über die präventive Verbrechensbekämpfung und Fahndung im Bereich des internationalen Terrors? Wo sind die Rechtshilfeabkommen zur Vermeidung von Schwierigkeiten bei Auslieferungen? Gegen Herrn Öcalan bestand meines Wissens ein internationaler Haftbefehl der Bundesrepublik Deutschland. Wo lagen da die Probleme? Oder werden solche Haftbefehle im Schengen-Raum je nach Gutdünken mit Augenzwinkern zugestellt und wiederum zurückgezogen? – Diese Frage stellt sich hier eindeutig.

Wie schaut es aus mit der Suche nach gemeinsamen Mitteln zur Verbrechensbekämpfung? Wie hat die Kommunikation im Fall Öcalan geklappt, frage ich Sie. Herr Öcalan konnte Italien verlassen, ohne daß die anderen Staaten auch nur erfuhren, wohin. Ist Italien kein EU-Staat? Ist Italien kein Schengen-Mitglied, hat es nicht unterzeichnet? Wie schaut es aus mit der gemeinsamen Sicherheitspolitik?

Oder Griechenland. Tagelang befand sich ein gesuchter Terrorist unter der Obhut des griechischen Staates, und keiner der EU-Partner erfuhr davon, kein Schengen-Land wurde informiert!

Das Schengener Abkommen kann nur funktionieren, wenn sich alle daran halten, hat vorhin ein Kollege der ÖVP, Kollege Murauer, festgestellt. Es halten sich aber viele nicht daran, und daher funktioniert es nicht! Und daher werden wir der Erweiterung dieses Abkommens sicher nicht zustimmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Niemand hat davon erfahren. Die griechische Regierung hat es nicht der Mühe wert gefunden, Österreich, wo der griechische Präsident auf Staatsbesuch war, darüber zu informieren, daß eine De-facto-Übergabe an die Türken betrieben wurde und bevorstand. Ist das die Umgangsweise unter Vertragspartnern, meine Damen und Herren? Von "Freunden" will ich in diesem Zusammenhang gar nicht reden.

Und was sind die Folgen? Wo bleibt der Druck auf Italien? Wo bleibt der Druck auf Griechenland? Wo sind die gemeinsamen Maßnahmen – auch in der Asylantenfrage und der Frage der Aufteilung von Asylanten? Wo ist die europäische Solidarität? – Solidarität sehen wir immer nur dann, wenn es darum geht, daß wir zahlen sollen, daß wir unsere Beiträge als Nettozahler hineinfließen lassen sollen. Wenn es um andere Bereiche geht, ist allen die Solidarität egal. Jeder ist sich dort selbst der Nächste, wir bleiben übrig und müssen die anderen mitfinanzieren. Auf diese EU, meine Damen und Herren, und auf dieses Abkommen von Schengen können wir verzichten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Moser. Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.40

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte, lieber Kollege Jung, auf dieses Europa, auf diese Europäische Integration nicht verzichten, weil ich glaube, daß diese Europäische Integration (Abg. Jung: "Diese" habe ich gesagt, nicht "die"!), die ein dynamischer Prozeß ist, daß diese Europäische Union, daß diese Europäische Integration, die ein dynamischer Prozeß ist, letztendlich allen unseren Bürgerinnen und Bürgern, den Europäern, unseren Menschen und dem Kontinent mehr Vorteile bringt als Nachteile.

Es stimmt schon, daß damit auch jene Menschen, die illegal in ein Land kommen, innerhalb dieses Schengener Landes zwischen den Staaten der Europäischen Union dann auch jene Freizügigkeit haben, die die Bürger der Europäischen Union genießen, aber insgesamt bedeutet die Europäische Union für uns Freiheit, Freizügigkeit und in letzter Konsequenz damit auch ein friedliches Zusammenleben. Und daher soll uns das diese Europäische Integration auch wert sein.

Ich begrüße es, daß jetzt auch die Mitgliedsländer der Europäischen Union Schweden, Finnland und Dänemark dem Schengener Abkommen beitreten. Ich begrüße es, daß es zwischen der Europäischen Union und jenen Staaten im nördlichen Teil Europas – nämlich Island und Norwegen –, die nicht – noch nicht – Mitglied der Europäischen Union sind, zu einem Kooperationsvertrag kommt, daß diese Inhalte, die im Schengener Abkommen festgelegt und festgeschrieben sind, auch gegenüber diesen Staaten angewandt werden. Ich begrüße das, wir Liberalen begrüßen das, und wir erwarten, Herr Bundesminister, daß die notwendigen Durchführungsbestimmungen sehr rasch beschlossen werden.

Es macht Sinn, auf der einen Seite die Innengrenzen abzubauen und damit auch die Freiheit im Personenverkehr zu garantieren und auf der anderen Seite eine entsprechende Sicherung an den EU-Außengrenzen aufzubauen. Da wir als EU-Staat eine sehr lange Außengrenze haben, sind wir natürlich gefordert, und es kommt daher dem Aufbau der österreichischen Grenzgendarmerie große Bedeutung und hohe Priorität zu; wir haben in der Debatte über den Sicherheitsbericht ja schon darüber sprechen können.

Ich meine auch, daß der Aufbau der Grenzgendarmerie eine exzellente organisatorische Leistung war, muß aber doch kritisch festhalten, daß zu spät damit begonnen wurde. (Abg. Leikam: Aber rechtzeitig fertig geworden!) Es war bekannt, Herr Kollege Leikam, daß wir ab 1995 Mitglied der Europäischen Union sein werden, es war dadurch bekannt, daß wir die Möglichkeit haben, dem Schengener Abkommen beizutreten, und es wäre diese Bundesregierung und es wären auch die sozialistischen Innenminister gefordert gewesen, frühzeitig die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Grenzgendarmerie zeitgerecht und in einem ausreichenden Umfang zur Verfügung zu haben.

Mit diesem Schengener Abkommen besteht natürlich auch die Möglichkeit, daß wir die organisierte Kriminalität in einem internationalen Verbund bekämpfen, daß es hier zu einem Zusammenwirken der Polizeidienststellen kommt, und da steht der Ausbau der entsprechenden Informationssysteme im Vordergrund. Aber ich ersuche den Herrn Bundesminister auch, darauf zu achten, daß es, wenn es zu diesem Ausbau der Informationssysteme kommt, zu keinem Wildwuchs im Bereich dieser Systeme kommt. Wir haben das Schengener Informationssystem, und es ist bekannt, daß ein Entwurf eines Übereinkommens für ein europäisches Informationssystem vorliegt, beraten oder beschlossen werden soll. Dieser Entwurf stammt aus dem Jahr 1995, entspricht, was Zweck und Inhalt betrifft, in etwa dem des Schengener Informationssystems, und darüber hinaus haben wir ja auch ein Informationssystem im Zusammenhang mit Europol.

Wir meinen, daß es notwendig ist – aus Kostengründen, aber auch um eine rasche und effiziente Information zu gewährleisten und sicherzustellen –, daß es zu einem einheitlichen, tragfähigen Informationssystem kommt. Und noch etwas wird wichtig sein, Herr Bundesminister – wir haben es im Bereich der Debatte zum Aufbau des Schengener Informationssystems ja bereits angesprochen –: daß wir nicht vergessen, daß Maßnahmen notwendig sind, um auf europäischer Ebene den Datenschutz zu verbessern und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union die Möglichkeit zu geben, bei Mißbrauch dagegen aufzutreten, und daß es zu einer entsprechenden Kompetenz des Europäischen Gerichtshofes kommt.

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen, daß das Schengen-Land nun komplettiert wird. Wir freuen uns, daß die Staaten im Norden Europas – Schweden, Finnland, Dänemark, Island und Norwegen – nun auch Mitglied des Schengener Abkommens sind, und wir freuen uns, daß wir damit einen weiteren Schritt der Europäischen Integration setzen können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Parfuss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.46

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die FPÖ-Abgeordneten haben wieder, in üblicher Manier, ein Szenario von Massen von illegalen Einwanderern skizziert, und sie werfen der Regierung vor, daß sie die Augen vor diesem Problem verschließt. Das darf nicht unwidersprochen bleiben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Abgeordnete! Lesen Sie einmal die Gewerkschaftszeitung "GÖD"! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zur ÖVP sage ich lieber nichts – außer, daß wir in der Innenpolitik doch Anschauungsunterschiede haben. Über Partnerschaften, die aktuell sind, schweigt man lieber. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Lesen Sie die Gewerkschaftszeitung!) – Ich habe nur wenig Redezeit, liebe Frau Abgeordnete.

Herr Abgeordneter Lafer fordert laut "Kleiner Zeitung" vom 18. und 20. Februar – er ist ein ganz großer Grenzexperte selbstverständlich – eine bessere Überwachung der EU-Außengrenze, härtere Strafen für Schlepper, mehr Schubhaftplätze und so weiter. Der Antrag von vorhin schlägt in diese Kerbe, ebenso die mündlichen Ausführungen.

Herr Lafer und geschätzte Abgeordnete der FPÖ! Sie wissen, diese Forderungen sind ein alter Hut und längst in Umsetzung begriffen. Wenn Sie seriös wären, geschätzte Abgeordnete, und die Meldungen des Innenministeriums und des Bundesministers Schlögl aufmerksam verfolgt hätten, müßte Ihnen eigentlich klar sein, daß sehr, sehr viel getan wird, um die Grenzen zu sichern: 3 Milliarden Schilling wurden investiert (Abg. Jung: Das ist zuwenig, weil der Andrang so groß ist!), und ein großer Teil der steigenden Zahl aufgegriffener illegaler Grenzgänger ist auf bessere Kontrollen zurückzuführen, die mit mehr Personal durchgeführt werden. Aber das müßte Herr Abgeordneter Lafer wissen, er ist ja selbst Gendarm. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber: Um den blinden Fleck bei ihm etwas aufzuhellen, möchte ich ein paar Aktivitäten aufzählen, die das Innenministerium gesetzt hat.

Erstens: In Niederösterreich wird die Zahl der Beamten um 160 aufgestockt (Beifall des Abg. Parnigoni), zweitens wird eine mobile Unterstützungseinheit ab April ihren Dienst aufnehmen. (Zwischenruf der Abg. Madl.) – Hören Sie einmal zu! – Drittens wird ab März ein mit Nachtsichtgerät ausgerüstetes unbemanntes Flugzeug – das ist das erste im Grenzland überhaupt in Europa! – zur Bekämpfung des organisierten Schlepperwesens eingesetzt werden. (Abg. Madl: Das ist auch nicht genug, wenn es das erste und einzige ist!) – Hören Sie zu!

Eine Task-Force-Gruppe mit vorerst 27 Mann soll neuerdings auf Bewegungen der Schlepper reagieren. (Abg. Dr. Partik-Pablé: 27 Mann! Wie schön! Das ist die Rettung!) Diese Gruppe soll bis Ende 1999 auf 100 Mann aufgestockt werden – abgesehen von den Ausstattungen, die bis jetzt ja schon geschaffen wurden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Lesen Sie die Gewerkschaftszeitung "GÖD"!) Die Beamten sind zufrieden, das sagen sie mir immer wieder.

Herr Minister Schlögl hat um 300 bis 400 zusätzliche Planstellen angesucht. Die österreichische innere Sicherheit ist ein Schwerpunkt der Bundesregierung, und das ist allseits bekannt, das weiß die Bevölkerung – nur die FPÖ weiß das nicht! Aber im Gegensatz zu Ihrer Unzufriedenheit ist festzustellen, daß der Herr Innenminister bei den Beamten äußerst anerkannt und äußerst beliebt ist – das werden Sie wahrscheinlich nicht gerne hören. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Was war das?)

19.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte, Herr Bundesminister.

19.49

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Es ist immer dasselbe mit Ihnen: Sie sind gut in der Analyse und schlecht, weil falsch, in den Schlußfolgerungen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist das, was ich Ihnen immer vorwerfe!) Daran sehen wir, daß wir gewisse Wesensgleichheiten haben.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Wissen Sie, was das Problem ist? – Sie meinen, daß das Abkommen von Schengen große Gefahren für Österreich in sich birgt, Sie meinen – das meint auch Herr Abgeordneter Lafer –, daß an der Grenze zu Slowenien und zu anderen osteuropäischen Staaten sehr, sehr viele Menschen darauf warten, illegal nach Österreich zu kommen. Das stimmt auch zum großen Teil. Ja, die Zahlen stimmen, wahrscheinlich sind sie aber noch viel höher, als sie Herr Abgeordneter Lafer heute genannt hat. Aber auch wenn wir nicht Mit-glied von Schengen wären, auch wenn wir nicht Mitglied der Europäischen Union wären, hätten wir dieses Problem an unseren Grenzen zu den osteuropäischen Staaten. Und deshalb halte ich Ihre Argumentation diesbezüglich für völlig falsch, nämlich daß Sie für den Migrationsdruck, den wir von den osteuropäischen Nachbarstaaten an unseren Grenzen haben, Schengen verantwortlich machen. Das ist einfach nicht richtig. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Netze wären da!)

Richtig ist vielmehr, daß Schengen für Österreich sehr viele Vorteile gebracht hat. Es hat den Vorteil gebracht, daß wir Reisefreiheit nach Italien und Deutschland haben. Es hat den Vorteil, daß Österreich, Deutschland und Italien noch mehr zusammenwachsen, als es bisher schon der Fall war, und es hat den Vorteil gebracht, daß die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit viel besser geworden ist, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

An der bayrisch-österreichischen Grenze hat sich das auch sehr deutlich in der Höhe der Kriminalitätsaufklärungsquoten manifestiert, die deutlich gestiegen sind. Das ist nicht meine Einschätzung, sondern die Einschätzung des bayrischen Innenministers Beckstein, der das vor kurzem in einer Pressekonferenz gesagt hat.

Ich glaube, daß uns die Zusammenarbeit aufgrund des Schengener Abkommens sehr viele Vorteile gebracht hat. Wir sind nun auch an das Schengener Informationssystem angeschlossen. Den österreichischen Sicherheitskräften, Herr Abgeordneter Jung, stehen damit fast 8 Millionen Fahndungsdaten – Daten zu Personen- und Sachfahndungen – zur Verfügung, die diese auf Knopfdruck jederzeit zur Verfügung haben. Der Erfolg im vergangenen Jahr war eindrucksvoll. Wir konnten mehr als 4 500 Personen festnehmen beziehungsweise Sachwerte feststellen, was wir ohne Anschluß an das Schengener Informationssystem nicht tun hätten können. Das ist ein großartiger Erfolg, den Sie einfach nicht wegreden können. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Gredler und Hans Helmut Moser.)

Selbstverständlich bin ich unglücklich darüber, daß vor kurzem in Italien durch die Innenministerin die Anerkennung von illegal Eingewanderten erfolgt ist. Die Zahl von 250 000 Illegalen ist sehr, sehr hoch. Wenn das eine einmalige Aktion gewesen wäre, würde ich es noch verstehen, aber seit 1985 ist das bereits die vierte Legalisierungsaktion, die in Italien durchgeführt wurde. Ich bin überzeugt davon, daß es nicht die letzte Legalisierungsaktion war. Ich habe deshalb auch in der letzten Sitzung der EU-Innenminister sehr nachdrücklich auf dieses Problem hingewiesen und habe mit Unterstützung meines deutschen Amtskollegen Schily klar deponiert, daß Österreich mit dieser Praxis nicht einverstanden ist, denn das ist ein Aufruf an alle Armutsflüchtlinge, in das Schengen-Land, nach Italien zu kommen, um dort einen legalen Status zu erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch darauf hinweisen, daß das, was von Herrn Abgeordnetem Jung in bezug auf das Verhalten Griechenlands gegenüber Öcalan kritisiert wurde, und die mangelnde Information Griechenlands an die anderen europäischen Staaten in meiner heutigen Erklärung bereits deutlich aufgezeigt wurde. Sie sind sich aber dessen bewußt, daß das nicht so sehr ein Problem Griechenland – EU, Griechenland – Schengen-Staaten, sondern vor allem ein innerstaatliches Problem Griechenlands ist, weil beispielsweise nicht einmal der Staatspräsident Griechenlands von den Ereignissen rund um Öcalan Bescheid wußte, hier in Österreich einen Staatsbesuch absolvierte und eigentlich erst durch die österreichischen Behörden über den Sachverhalt informiert wurde. Ich glaube daher, daß man das nicht vermengen sollte.

Ich gebe all jenen recht, die fordern, daß es im Bereich der Zuwanderungspolitik und der Asylpolitik eine gemeinsame europäische Politik geben sollte. Ich bemühe mich seit mehr als einem Jahr darum, diese gemeinsame Politik zu erreichen. Ich gehe davon aus, daß wir in diesem Bereich nicht nur eine gemeinsame Rechtsprechung brauchen, sondern auch eine gemeinsame Praxis sowie Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten. (Abg. Jung: Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag!) Ich bekenne mich zu diesem Solidarausgleich sowohl in finanzieller als auch personeller Hinsicht, und ich bin sehr optimistisch, daß uns das noch im heurigen Jahr gelingen wird.

Zu Beginn der österreichischen EU-Präsidentschaft waren nur drei Mitgliedstaaten für solch einen Solidarausgleich, am Ende der österreichischen Präsidentschaft waren es bereits zwölf Mitgliedsstaaten, und ich hoffe, daß die übrigen drei Staaten, nämlich Großbritannien, Spanien und Frankreich, in den nächsten Monaten auch von solch einem Solidarausgleich überzeugt werden können.

Ich gebe Herrn Abgeordnetem Murauer völlig recht, wenn er kritisiert, daß in Niederösterreich zu wenige Schubhaftplätze vorhanden sind. Ich möchte mich vor dieser Verantwortung nicht drücken, muß Abgeordneten Murauer aber darauf hinweisen – er weiß das auch –, daß das vor allem Kompetenz des Landes ist und nicht Kompetenz des Innenministers. Ich hoffe, daß in diesem Zusammenhang in den nächsten Wochen die entsprechenden gemeinsamen Initiativen von Bund und Land gesetzt werden, damit wir auch in Niederösterreich Schubhaftplätze schaffen können, so wie wir es vor kurzem im Burgenland bereits gemacht haben.

In diesem Sinne glaube ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß der Beitritt Österreichs zum Schengener Abkommen ein wichtiger und richtiger Schritt zu mehr Offenheit und zu mehr Zusammenarbeit in Europa, aber auch ein wichtiger Schritt zu mehr Sicherheit auf diesem Kontinent war. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Es gibt auch kein Schlußwort des Berichterstatters.

Wir kommen nun zu einer Reihe von Abstimmungen, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Wir werden über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des gegenständlichen Vertragswerkes in 1420 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer diese Genehmigung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mehrheitlich genehmigt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag hinsichtlich seiner authentischen Fassungen in dänischer, finnischer, französischer, griechischer, isländischer, italienischer, niederländischer, norwegischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen ist, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des Staatsvertrages in 1421 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie dies tun wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das geschieht mehrheitlich. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag gemäß Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag hinsichtlich seiner authentischen Fassungen in den schon zuvor genannten Sprachen dadurch kundzumachen ist, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Wer dafür eintreten möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des vorliegenden Vertragswerkes in 1422 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dies tun möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über den Antrag gemäß Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag hinsichtlich seiner authentischen Fassungen in den zuvor erwähnten Sprachen dadurch kundzumachen ist, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Wer dem die Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des Vertragswerkes in 1423 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie dies tun möchten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag gemäß Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß der Staatsvertrag hinsichtlich seiner authentischen Fassungen in den zuvor erwähnten Sprachen sowie die beigefügte authentische Fassung des Schengener Durchführungsübereinkommens auch in finnischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des gegenständlichen Vertragswerkes in 1424 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie diese erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Weiters zur Abstimmung kommt nun der Antrag des Ausschusses gemäß Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag hinsichtlich seiner authentischen Fassungen in dänischer, französischer, griechischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache sowie die beigefügte authentische Fassung des Schengener Übereinkommens in dänischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Nunmehr stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des vorliegenden Vertragswerkes in 1425 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie diese erteilen möchten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen abermals zu einer Abstimmung über den Antrag im Sinne des Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag bezüglich seiner authentischen Fassungen in dänischer, französischer, griechischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache sowie die beigefügte authentische Fassung des Schengener Durchführungsübereinkommens in dänischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

So Sie dafür eintreten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Weiters zur Abstimmung gelangt der Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des Vertragswerkes in 1426 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie dies tun möchten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses gemäß Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag hinsichtlich seiner authentischen Fassungen in französischer, griechischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache sowie die beigefügte authentische Fassung des Schengener Durchführungsübereinkommens in schwedischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

So Sie dafür eintreten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Vertragswerk in 1427 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie diese erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen auch da zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses gemäß Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß der gegenständliche Staatsvertrag hinsichtlich seiner authentischen Fassungen in französischer, griechischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache sowie die beigefügte authentische Fassung des Schengener Übereinkommens in schwedischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir gleich zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen. Es liegen aber bisher nur zwei Wortmeldungen vor. Wir werden daher gleich wieder in ein Abstimmungsverfahren eintreten, das übrigens eine Verfassungsbestimmung enthält.

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1433 der Beilagen): Übereinkommen über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens samt Anhang und Erklärung der Republik Österreich (1600 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun den 13. Punkt der Tagesordnung auf.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als erste Rednerin Frau Abgeordnete Tegischer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.04

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegen und Kolleginnen! Unsere Gesellschaft ist von einer immer mehr steigenden Schnellebigkeit verbunden mit steigender Mobilität geprägt. In immer kürzerer Zeit wollen immer mehr Menschen immer schneller von A nach B reisen – egal ob zum Vergnügen oder arbeitsbedingt. Daher ist einerseits die Benützung des Flugzeuges schon für viele zur Routine geworden. Andererseits besteht die Tatsache der tiefen Sorge über terroristische Handlungen. Aus diesem Grunde kommen wir der Verpflichtung zur Großgepäckskontrolle nach, da diese ab dem Jahre 2002 auf internationalen Flughäfen verpflichtend vorgeschrieben ist. Österreich ist ja Mitglied der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation.

Ein besonderes Problem dabei ist die Entdeckung beziehungsweise das Aufspüren von Plastiksprengstoff. Damit komme ich zum Kern meiner Ausführungen. Es geht beim vorliegenden Tagesordnungspunkt um die Ratifizierung des Übereinkommens über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, explosive Erzeugnisse, gemeinhin als Plastiksprengstoffe bezeichnet, zu markieren. Markiert werden sie durch Markierungsstoffe, indem Plastiksprengstoffen Markierungsstoffe beigemengt werden. Weiters verpflichten sich die Vertragsstaaten, notwendige und wirksame Maßnahmen einzuleiten, um die Herstellung von nicht markierten Sprengstoffen zu verhindern beziehungsweise deren Ein- und Ausfuhr nicht zu genehmigen.

Durch die heutige Ratifizierung kommt nun auch Österreich dieser Verpflichtung nach, die zum Ziel hat, terroristische Sprengstoffattentate zu erschweren, indem alle Plastiksprengstoffe mit einer Markierungssubstanz versehen werden, um die Entdeckung von Sprengstoffen in Gepäckstücken von Reisenden zu erleichtern.

Ich empfinde es als wichtig, zu erwähnen, daß dadurch außerdem im Zuge der Ermittlungen nach Sprengstoffanschlägen die Herkunft des Sprengstoffes viel leichter ermittelt werden kann, was natürlich zur Ausforschung der Täter beiträgt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den entsetzlichen Flugzeugabsturz in Lockerbie im Jahre 1988, der wahrscheinlich hätte verhindert werden können, wenn es damals schon die Verpflichtung zur Markierung gegeben hätte. Er ist übrigens auch der Anlaßfall für dieses heute zu ratifizierende Übereinkommen.

Es ist heute anläßlich der Debatte über die Kurden-Aktivitäten schon über die Ursachen und Gründe diskutiert worden, warum Menschen auf politische Mißstände und Ungerechtigkeiten aufmerksam machen. Leider tun sie das eben auch mit Gewalt. Allerdings gibt es wohl kein vergleichbar tragisches und hinterhältiges Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen, als Bombenanschläge. Es ist unentschuldbar, wenn Menschen auf öffentlichen Plätzen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln zu Tode gebracht, verstümmelt oder verletzt werden.

Terror werden wir nicht zu 100 Prozent verhindern können, aber diese Ratifizierung ist ein wichtiger Schritt, um solchen traurigen Anlässen zumindest in technischer Hinsicht entgegenwirken zu können. Im Ausschuß waren wir uns darüber parteiübergreifend einig.

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich bin davon überzeugt, daß diese Einigkeit auch im Plenum erzielt werden kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Gredler und Dr. Van der Bellen.)

20.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.08

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das Übereinkommen über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens ist ein gesetzändernder und gesetzesergänzender Staatsvertrag und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat.

Der Flugzeugabsturz in Lockerbie am 21. Dezember 1988 ist uns, obwohl seither über zehn Jahre vergangen sind, noch recht deutlich in Erinnerung. 270 Personen kamen damals ums Leben. Die Hintergründe des Bombenattentats liegen noch immer im dunkeln. Die Ermittlungen ergaben aber, daß das Flugzeug durch einen tschechischen Plastiksprengstoff namens Semtex in die Luft gesprengt wurde. Dieser ist völlig geruchlos und war bei den durchgeführten Kontrollen nicht zu erkennen. Das Problem – damals wie auch heute noch – ist, daß die verschiedensten Plastiksprengstoffe mit den üblichen Kontroll- und Sicherheitsvorrichtungen im internationalen Flugverkehr nicht beziehungsweise nur äußerst schwer zu entdecken sind.

Der tragische Vorfall in Lockerbie war letztlich auch der entscheidende Grund dafür, daß eine international zusammengesetzte Expertenkommission ein Übereinkommen zur besseren Erkennbarkeit von Plastiksprengstoffen ausgearbeitet hat.

Fast zweieinhalb Jahre später, am 1. März 1991, war das Abkommen von Montreal vollständig fertiggestellt. Im Anhang gibt es eine Auflistung der gefährlichsten Plastiksprengstoffe sowie von geeigneten Markierungsstoffen.

Hauptziele dieses Übereinkommens sind erstens, daß die Herstellerstaaten von Plastiksprengstoff verpflichtet sind, diesen entsprechend zu kennzeichnen, um seine Auffindung im Zuge der üblichen Kontrollen auf Flughäfen zu ermöglichen, und zweitens, daß durch die Markierung die Ermittlungen nach Terroranschlägen erleichtert werden. Aufgrund der Registrierung durch die Herstellerfirma können Terroristen durch Zurückverfolgung des Weitergabeweges – allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sie einen gekennzeichneten Sprengstoff benutzt haben – zielsicher ausgeforscht werden. Dafür trete ich ein, dafür tritt die ÖVP ein! (Beifall bei der ÖVP.)

Als konkrete Ziele bei der Umsetzung in Österreich sind die Installierung von Sprengstoffdetektoren bei der Großgepäckskontrolle auf allen Flughäfen mit internationalem Flugverkehr – in Österreich sind das sechs Flughäfen – sowie die Ausbildung und der Einsatz von Sprengstoffhunden vorgesehen. Als erster wird der Flughafen Wien-Schwechat ausgestattet, in einer zweiten Phase werden die Flughäfen in Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg sowie Graz und Linz erfaßt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zum Schluß noch ein paar Worte zur Breitenwirkung des Übereinkommens. Der Schutz vor Anschlägen ist nur dann wirklich effektiv, wenn möglichst viele Staaten dieses Übereinkommen ratifiziert haben, denn nur durch eine Vereinheitlichung aller internationalen Sicherheitsbestimmungen auf den Flughäfen ist die notwendige Sicherheit der Reisenden gewährleistet. Mittlerweile sind dem Abkommen von Montreal 33 Länder beigetreten. Aus österreichischer Sicht ist es besonders wichtig, daß zahlreiche Nachbarstaaten beziehungsweise alle europäischen Staaten dieses Einkommen ratifizieren. Derzeit jedoch haben dies noch nicht alle EU-Staaten gemacht.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, daß in puncto Sicherheit auf den internationalen Flughäfen ein gemeinsamer Weg beschritten wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny.)

20.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Es gibt kein Schlußwort des Berichterstatters.

Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen.

Wir kontrollieren noch kurz das Anwesenheitsquorum. (Ruf bei der ÖVP: Das reicht aber leicht! – Abg. Schieder: Sicher ist sicher!)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des vorliegenden Staatsvertrages, dessen Artikel VII Abs. 3 verfassungsändernd ist, samt Anhang und Erklärung der Republik Österreich in 1433 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Mit Rücksicht auf die erwähnte verfassungsändernde Bestimmung stelle ich zunächst gemäß § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung das verfassungsmäßig vorgesehene Anwesenheitsquorum fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages die Genehmigung zu erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Annahme erfolgt stimmeneinhellig.

Ich stelle fest: Die Genehmigung ist damit auch verfassungsgemäß erteilt.

Ich lasse nun über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem beitreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht stimmeneinhellig. Dieser Antrag ist damit angenommen.

Ich stelle auch in diesem Fall ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Mehrheit fest, die durch die Einstimmigkeit gegeben ist.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag gemäß Artikel 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag hinsichtlich seiner Fassungen in französischer, spanischer, russischer und arabischer Sprache dadurch kundzumachen ist, daß diese zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden im Bundesministerium für Inneres aufgelegt werden.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung ist stimmeneinhellig erteilt.

14. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1581 der Beilagen): Strafprozeßnovelle 1999 (1615 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht und Antrag des Justizausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1616 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 286/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (BGBl. 1988/599) (1617 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 298/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) (1618 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 698/A der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und die Exekutionsordnung zur Verbesserung der Rechtsstellung von Opfern geändert werden (1626 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 860/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie (1627 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 bis 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Redner Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.16

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Kürzel für den wichtigsten Bestandteil des vorliegenden Tagesordnungspunktes heißt ATA-E. Das ist kein Waschmittel, das ist die Abkürzung für "außergerichtlicher Tatausgleich für Erwachsene". Hinter diesem Schlüsselwort verbirgt sich ein Vorhaben von in zweifacher Hinsicht großer gesellschaftspolitischer Bedeutung.

Zunächst einmal ist es bedeutend, weil es darum geht, daß der Gesellschaft neue Reaktionsformen auf strafbare Handlungen einfallen. Diese Tendenz, daß man nämlich nicht bei den starren Vorgaben der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte – Freiheitsstrafe, Geldstrafe, bedingt oder unbedingt oder teilbedingt und ähnlichem – bleibt, ist durchaus zu bejahen.

Das zweite große gesellschaftliche Problem im Zusammenhang damit ist, daß ein ganz wesentlicher Teil der Strafrechtspflege – ich behaupte: der Kern der Strafrechtspflege! – vom Juristen, vom gesetzlichen Richter – um mit den Worten der Verfassung zu sprechen – zum Sozialarbeiter, zum Konfliktregler und damit weg vom Juristen kommen soll. Das muß nicht unbedingt schlecht sein! Ich überlasse es jedem einzelnen von Ihnen, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was das alles politisch, gesellschaftspolitisch, in gewissem Sinne sogar parteipolitisch bedeutet. Ein großer Bereich der Strafrechtspflege, den Kern der Delikte betreffend, wird in Zukunft nicht durch den – unter Anführungszeichen – "gesetzlichen Richter", durch den unabhängigen Richter, durch den Juristen im Richtertalar behandelt und entschieden werden, sondern durch den Sozialarbeiter in der Funktion des Konfliktreglers.

Dieses Vorhaben soll zirka 15 000 Causae im Jahr betreffen, und zwar solche bis zu einer Strafdrohungsobergrenze von fünf Jahren. Da sei all jenen ins Stammbuch geschrieben, die über die Medien verbreiten – man hat es im Radio hören können –, daß es dabei nur um die Leicht-Kriminalität und Bagatellfälle gehe, also um Dinge, die es nicht würdig sind, bestraft zu werden. Fünf Jahre Strafrechtsobergrenze! Das umfaßt einen erheblichen Teil, zahlenmäßig den größten Teil der Schwerkriminalität.

Es wird sich eine Rednerin meiner Fraktion noch näher damit auseinandersetzen, was alles unter diese Grenze fällt. Aber auch der Nicht-Jurist, der nicht praktizierende Jurist weiß, was alles eine Strafdrohungsobergrenze von fünf Jahren bedeutet! Ausgenommen sind jene Fälle, die den Schöffen und den Geschworenensenaten zugeteilt sind. Wer einen Blick in die Strafprozeßordnung wirft, der sieht, daß es nicht so ist, daß es – wie ich auch schon flüstern gehört habe – grundsätzlich nur um Fälle mit Strafrahmen bis zu drei Jahren ginge und nur in Ausnahmen um solche bis zu fünf Jahren. Es ist umgekehrt! Es ist generell so, daß der Einzelrichter, der dabei als Maßstab zum Tragen kommt, bei Fällen mit einer Strafdrohungsobergrenze von fünf Jahren zum Einsatz kommt und nur eine relativ kleine Gruppe von einzeln angeführten Delikten ausgenommen ist, welche den Schöffen zugeordnet sind, etwa – um nur eines zu nennen – der Tatbestand des räuberischen Diebstahls.

Diese Bestimmung mit den fünf Jahren reicht mitten hinein in die Schwerkriminalität, und ich stehe auf dem Standpunkt, daß das zu weit geht. In den Beratungen im Ausschuß hat mir das jemand aus dem Bereich der Bewährungshilfe vorgehalten und gesagt: Herr Dr. Ofner, Sie sind doch einer der Väter dieses Gedankens! – Das ist schon richtig, aber ich wollte es nicht in dieser Form, denn das geht nach meinem Dafürhalten einfach zu weit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Konfliktregler hat keine Treuepflicht gegenüber dem einen oder anderen der Kontrahenten, weder gegenüber dem Täter beziehungsweise dem Verdächtigen noch gegenüber dem Opfer. Er hat vielmehr nach der Vorlage ausdrücklich die Aufgabe, alle Beteiligten bei dem Versuch zu unterstützen, einen Interessensausgleich herbeizuführen. Das heißt, daß er das Interesse aller im Auge zu haben hat, sowohl des Verdächtigen beziehungsweise des Täters als auch des Opfers. Seine Aufgabe ist es, einen Interessensausgleich herbeizuführen. Das ist das Vorhaben, das ist das Ziel, dem man nach dem Willen des Gesetzes alles unterzuordnen hat.

Das führt aber natürlich automatisch zu einer Bevorzugung des Täters, denn wenn der Ausgleich zustande kommt, wenn die Diversion stattfindet, dann gibt es kein Strafverfahren, keine Verurteilung, keine Eintragung ins Strafregister und ähnliches mehr, und es muß dabei das Opfer auf der Strecke bleiben. Das versteht sich ganz von selbst, und das geht nicht nur aus der von mir zitierten Vorlage hervor.

Im Gesetz heißt es auch: Schadenersatz soweit möglich und zweckmäßig. – Also Schadenersatz nicht unbedingt! Er hat zwar die unbedingte Aufgabe, den Interessensausgleich herbeizuführen, Schadenersatz ist aber nur so weit zu berücksichtigen, soweit es möglich und zweckmäßig ist – zum Unterschied von der Geldbuße, die der Republik Österreich gegenüber zu leisten ist. Die Bezahlung dieser Geldbuße ist nämlich unbedingte Voraussetzung für den Tatausgleich, dabei gibt es die Rücksichtnahme auf den Täter und seine Interessen nicht. Das heißt: Wenn es darum geht, daß sich die Republik Österreich ein Körberlgeld sichert, ist das eine Voraussetzung dafür, daß der Tatausgleich überhaupt stattfindet. Ob das Opfer Befriedigung findet, hat nur dann berücksichtigt zu werden, wenn der Schadenersatz möglich und zweckmäßig ist.

Ich sage das all jenen, die immer wieder behaupten, die heutige Vorlage sei ein weiterer Schritt dazu, daß es den Opfern besser geht als jetzt. Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich brauche mir zur Untermauerung dieser Aussage gar keine besonderen Argumente aus den Fingern zu saugen, sondern nur aus der Vorlage vorzulesen. In der Vorlage heißt es: Art und Umfang des Schadens sowie die Leistungsfähigkeit des Verdächtigen und die Ansprüche des Verletzten sind gegeneinander abzuwiegen. – Es ist also gar keine Rede davon, daß man sagt: Du bist der Täter, du wirst nicht bestraft, du kommst in den Genuß des Tatausgleiches, du mußt aber dafür den entstandenen Schaden wiedergutmachen! – Nein! Es heißt: Du kommst in den Genuß des Tatausgleiches, du wirst nicht verurteilt, du kommst nicht einmal vor Gericht, du kommst vor den Konfliktregler, du hast keine Eintragung in das Strafregister, und den Schaden wiedergutmachen mußt du nur soweit, wie es deine, nämlich des Täters, Möglichkeiten und Interessen erlauben. (Abg. Scheibner: Das ist ein Wahnsinn!) Dieser Konflikt ist abzuwägen!

Das wird natürlich dazu führen – ich stehe nicht an, das einzuräumen –, daß der eine oder andere unter den Opfern vielleicht rascher, unkomplizierter und leichter zu irgend etwas kommt. Da sitzt nun der Konfliktregler, da sitzt der Täter, da das Opfer. Doch nicht jeder weiß sich zu wehren, daher wird das unter dem von mir zitierten Prätext des Gesetzes, daß der Interessensausgleich vom Konfliktregler herbeizuführen ist, sehr häufig dazu führen, daß man dem Opfer einredet: Paß auf, du bekommst – zum Beispiel – 10 000 S, damit ist dir der Schaden ersetzt worden und die Sache erledigt! Damit ist der Tatausgleich erfolgt, und es findet keine Verurteilung statt. In Wahrheit steht dem Opfer, das gar nicht weiß, welche Ansprüche es hat, vielleicht ein solcher von 250 000 S und dazu noch ein Feststellungsanspruch zu.

Ich lasse mir einreden, daß eine Art Trinkgeldablöse häufiger drinnen sein wird als jetzt. Aber der totale Schadenersatz, der doch Voraussetzung dafür sein soll, daß ein Täter in den Genuß des Nichtabwickelns seines Prozesses kommt, ist in weiter Ferne und wird praktisch kaum jemals stattfinden können.

Das heißt, daß die ganze Geschichte nicht nur eine gesellschaftspolitische Umwälzung in der Richtung bedeutet, daß es darum geht, daß man vom gesetzlichen Richter zum Sozialarbeiter als Konfliktregler kommt, und zwar mit allem, was dazu gehört, sondern auch bedeutet, daß der Löwenanteil der Schwerkriminalität mit einigen namentlich angeführten Ausnahmedelikten unter den Fällen mit einer Strafrechtsobergrenze bis zu fünf Jahren unter diese Regelung fällt. Aber das bedeutet auch, daß es dazu kommt, daß der Täter auch dann in den Genuß des Tatausgleiches kommt, wenn der Schadenersatz nur soweit möglich und zweckmäßig geleistet wird. Das heißt, daß er keine Voraussetzung ist. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Haller und Dr. Fekter.)

Wer es nicht glaubt oder wem jemand etwas anderes einredet, möge bitte anschließend zu mir kommen, ich werde es ihm aus dem geltenden Recht einerseits und aus der Vorlage andererseits vorlesen. (Abg. Mag. Stadler: Der Frau Fekter mußt du es vorlesen!) Ich kann mich darauf beschränken, die Dinge so zu zitieren, wie sich der historische Gesetzgeber einerseits und der präsente Gesetzgeber andererseits das vorstellt.

Das heißt, daß wir davon ausgehen müssen, daß unter dem Druck des Auftrages des Gesetzes an den Konfliktregler, einerseits nur soweit wie möglich und zweckmäßig den Schadenersatzanspruch des Opfers zu berücksichtigen, andererseits aber den Interessensausgleich herbeizuführen (Abg. Dr. Graf: Ein Erfolgsdruck ist das!), diejenigen Opfer, die nicht die entsprechende Stärke, Vorbildung und Persönlichkeit besitzen, in die Knie gehen und sich mit einem Butterbrot abfinden lassen. Der Täter kommt ohne Verfahren weg, und das Opfer hat die Butter aufs Brot, aber sonst überhaupt nichts. Das ist der Effekt, der dabei herauskommt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

Ich lasse mir einreden, daß man – je nach Ansiedlung hier im Hohen Haus mit unterschiedlicher Intensität – den Standpunkt vertreten kann, daß man das will. (Abg. Haller: Ja, das will man! Das ist ja das Schlimme!) Ich lasse mir einreden, daß man sagt, der Täter sei ohnehin ein armer Teufel – das ist häufig der Fall – und soll nur soviel zahlen müssen, wie er sich leisten kann, und dafür gibt es einen Interessensausgleich und ähnliches mehr. Ich lasse mir das einreden, aber man muß es offen sagen! Man soll nicht sagen, das Opfer käme leichter zu einem Ersatz seines Schadens. Wer sich in diesen Dingen auskennt und das behauptet, sagt nicht die Wahrheit. Wer sich nicht auskennt, dem rate ich, sich die Dinge einmal genau anzuschauen. (Abg. Mag. Firlinger: Der Frau Fekter!) Denn dieser irrt sich eben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Alles in allem ist dies ein sehr entscheidender Schritt. Ich betone noch einmal, daß ich den Dingen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehe. (Abg. Dr. Fekter: Mein Gott, das ist aber jetzt scheinheilig!) Aber derart weitreichend und in dieser Form können sie nach meinem Dafürhalten nicht stattfinden. Sie sind auf eine Kriminalität zu begrenzen, die nicht den Löwenanteil der Schwerkriminalität umfaßt, und es ist die Schadensgutmachung zur Voraussetzung zu machen und nicht nur so weit durchzuführen, soweit sie möglich und zweckmäßig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese wichtige Vorlage ist – das behaupte ich aus voller Überzeugung – nicht entsprechend ausdiskutiert und ausgereift. Daher beantragen wir Freiheitliche die Rückverweisung der Vorlage an den Ausschuß. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Mag. Stadler: Und es wird eine namentliche Abstimmung geben, damit wir alle wissen, wer da dabei ist! Das wollen wir namentlich haben!)

20.27

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin völlig gegenteiliger Ansicht als Kollege Ofner, denn ich betrachte dieses Diversionspaket als großen Reformschritt zugunsten der Opfer! (Zwischenruf der Abg. Haller.) Bisher wurde das Opfer immer auf den Zivilrechtsweg verwiesen, wo es auf eigene Anwaltskosten – das ist ganz klar, Herr Anwalt – versuchen mußte, zu seinem Recht zu kommen. Im Strafprozeß hat kein Opfer auch nur eine Chance gehabt, Schadenersatz zu bekommen. Jetzt aber, in diesem Verfahren, ist sehr wohl der Schaden zu ermitteln und vom Staatsanwalt dem Täter aufzutragen, daß der Schaden zu ersetzen ist. (Abg. Dr. Ofner: Soweit zweckmäßig!) Daher kommt das Opfer nun unbürokratisch und wesentlich rascher zu seinem Geld, als das nach der geltenden Rechtslage der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Staat reagiert auf Straftaten derzeit nämlich nur mit gerichtlichen Verfahren, und dort kommt das Opfer bedauerlicherweise meist nur als Zeuge vor. (Abg. Dr. Graf: Wo haben Sie sich informiert? Bei der SPÖ? Haben Sie sich bei der SPÖ so schlau gemacht?) Die Privatbeteiligung wird oft aus prozeßökonomischen Gründen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Das ist unbefriedigend!

Die häufigsten Fälle, Herr Kollege Ofner, werden wahrscheinlich nicht durch außergerichtlichen Tatausgleich geregelt werden, sondern durch jene Maßnahme, die die Geldbuße umfaßt. Diese wird vermutlich meistens dort angewendet werden, wo heute zum Beispiel die Strafverfügung mit einer bedingten Geldstrafe greift. (Abg. Scheibner: Wer sagt das? Wer garantiert das?) Falls eine bedingte Geldstrafe noch dazu nicht in einem Verfahren verhängt worden ist, sondern nur über eine Strafverfügung, dann kann man davon ausgehen, daß diese Form der staatlichen Reaktion auf Straftaten die ineffizienteste ist, da sie den Täter nicht trifft. (Abg. Dr. Graf: Frau Fekter, das mag zwar Ihr Weltbild sein, aber es ist nicht alles mit Geld zu regeln!)

Daher ist es ein von uns aus begrüßenswertes Instrumentarium, daß beispielsweise auch gemeinnützige Arbeiten verhängt werden können. Das hat nichts mit Geld zu tun, Herr Kollege Graf. (Abg. Dr. Ofner: Das ist kein sehr hartes ...! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Gemeinnützige Arbeiten, Geldbuße, Probezeiten, der außergerichtliche Tatausgleich plus Schadenersatz sind allemal – allemal! – die härtere Vorgangsweise und auch die effizientere Vorgangsweise (Abg. Dr. Ofner: "Soweit möglich"!), um Täter von künftigen Strafen abzuhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist auch polemisch, Herr Kollege Ofner, wenn Sie von der großen Schwerkriminalität reden, denn Sie haben es unterlassen, zu erwähnen, daß diese Maßnahmen nur dann anwendbar sind (Abg. Haller: "Nur"!), wenn die Schuld gering ist, wenn es sich um Einzelrichterzuständigkeiten handelt und wenn sie geeignet sind, die Täter oder Dritte von künftigen Straftaten abzuhalten. Das heißt, daß es hauptsächlich um Fälle von Vergehen auf Bezirksgerichtsebene geht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Damit es nicht dazu kommt, daß Wiederholungstäter immer wieder diversionelle Maßnahmen in Anspruch nehmen können, gibt es das Diversionregister. (Abg. Scheibner: Sie haben es selber nicht gelesen!) Fünf Jahre lang wird registriert, wer bereits eine Straftat nach dem Diversionsmodell abgehandelt bekommen hat. (Abg. Madl: Ja, aber er ist ja unbescholten!) Aus unserer Sicht ist das deshalb begrüßenswert, weil wir glauben, daß es die effizientere Maßnahme ist (Abg. Haller: ... im Leumundszeugnis!), sogenannten Tätern – es sind ja nicht verurteilte Täter, sondern nur Verdächtige – ihr Unrecht (Abg. Mag. Stadler: ... eigentliche Gesellschaftsveränderung!), das sie begangen haben, effizient spürbar zu machen: durch die Geldbuße, die bezahlt werden muß, und auch durch den Schadenersatz, den sie sofort leisten müssen. (Abg. Dr. Ofner: Wenn "zweckmäßig" und "möglich"!)

Nehmen Sie das klassische Beispiel des Ladendiebes her, der in Hinkunft wahrscheinlich eine Geldbuße zu leisten hat und den Schaden ersetzen muß (Abg. Dr. Ofner: Falls "möglich" und "zweckmäßig"!), und zwar nicht nur den Wert der gestohlenen Ware, sondern auch die Kosten, die er den Geschäften verursacht hat, beispielsweise durch den Detektiv oder beispielsweise durch den Geschäftsleiter. (Abg. Haller: Dann kauft er sich frei! Ein Freikauf!) Bisher haben diese Täter meistens überhaupt nichts davon bemerkt (Abg. Dr. Graf: Wo steht denn das?), weil die Anzeigen nicht erfolgt sind und weil die Unternehmer sich gesagt haben: Ein Gerichtsverfahren mit Zeugenladung – allein der Aufwand, den das Geschäft damit hat – lohnt sich nicht! (Abg. Mag. Stadler: So ein Blödsinn! – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) Das ist eine Entwicklung, die wir damit hintanhalten. Jetzt können wir wesentlich effizienter vorgehen.

Ich glaube auch, daß die gemeinnützige Arbeit eine gewaltige erzieherische Wirkung auf Täter haben wird, damit sie von Straftaten abgehalten werden. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Trinkl: Was erregt ihr euch so? – Abg. Mag. Stadler: Michael Graff zurück! – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Herr Kollege Ofner! Sie haben als Justizminister den außergerichtlichen Tatausgleich für Jugendliche eingeführt. (Abg. Dr. Ofner: Unter anderen Voraussetzungen!) Damals haben Sie die Sozialarbeiter für diese Konfliktregelung als geeignet erachtet. Warum gilt das heuer und jetzt nicht mehr? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Warum haben Sie in Ihrer Meinung einen 180-Grad-Schwenk gemacht? (Abg. Dr. Graf: Weil es um Junge geht!) Das heißt, daß Sie das, was Sie als Minister eingeführt haben, heute verteufeln. Das ist doch ziemlich unglaubwürdig! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Zuständig für die Diversion – das möchte ich hier klarstellen – sind nicht die Sozialarbeiter, sondern zuständig bleibt die Justiz in der Person des Staatsanwaltes. (Abg. Mag. Stadler: Jessas!) Bereits heute obliegt dem Staatsanwalt die Entscheidung darüber, ob er Anklage erhebt oder ob er nicht Anklage erhebt. Diese Entscheidung ist geltendes Recht, und diese Entscheidung wird vermehrt dadurch, daß man dem Staatsanwalt neben dem Entweder-Oder ein Instrument in die Hand gibt (Abg. Dr. Ofner – ein Blatt Papier in die Höhe haltend –: Er hat die Diversion vorzulegen!), sodaß er sagt: Wenn der Schaden gutgemacht ist und wenn der sogenannte Verdächtige die Maßnahmen nicht nur akzeptiert, sondern auch erfüllt, dann gibt es kein Gerichtsverfahren, aber eine Eintragung im Diversionsregister! (Abg. Haller: Er ist nicht vorbestraft!)

Vor allem ist aus unserer Sicht die Situation des Opfers eine unvergleichlich bessere, als dies in der geltenden Rechtslage der Fall ist. (Abg. Mag. Stadler: Das schau’ ich mir an!) Die Strafverfügungen, die meist mit bedingter Geldstrafe verhängt worden sind, wofür nicht einmal ein Verfahren stattgefunden hat, waren rechtsstaatlich etwas bedenklich. Sie werden deshalb abgeschafft. Das jetzige Instrument ist eine unvergleichlich effizientere Reaktion des Staates. Es bedeutet keine Entkriminalisierung (Abg. Haller: Nein? Was denn?), sondern wird wahrscheinlich über weite Bereiche zu einem härten Vorgehen des Staates gegen Täter führen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.36

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich halte dieses Gesetz für überfällig. Wir haben viel zu lange darauf warten müssen. Ich halte es für einen wesentlichen Schritt und für eine wichtige Weiterentwicklung der Strafrechtspflege.

Es ist eine Erweiterung des staatlichen Reaktionssystems auf strafbare Handlungen, und zwar eine Erweiterung, die es in vielen Ländern schon sehr lange gibt, unter anderem bei unserem Nachbarn Deutschland, und zwar schon seit über 70 Jahren, aber auch in Österreich, allerdings nur für Jugendliche, für Erwachsene nur als Versuch. Für mich und für die Liberalen ist der Zweck der Strafe die Sicherheit der Gesellschaft durch Sozialisation und manchmal Resozialisation der Täterinnen und Täter. In diesem Zusammenhang sind die Erfahrungen – ich möchte fast sagen: durchgängig – positiv. Es ist mir daher völlig uneinsichtig, daß wir in Österreich so lange darauf warten mußten.

Im Gegensatz – aber nicht nur in diesem Zusammenhang im Gegensatz – zu Kollegen Ofner bin ich der Meinung, daß dieses Gesetz sehr lange diskutiert worden ist und daher sehr ausgereift ist. Seit dem Jahre 1992 gibt es bei uns konkretere Diskussionen darüber. Es hat sich die Strafrechtslehre damit auseinandergesetzt. Es haben sich Tagungen – ob solche der Richter oder solche der Bewährungshilfe, alle möglichen waren es – damit auseinandergesetzt. Das Justizministerium hat im Juli 1997, also auch schon vor über eineinhalb Jahren, den Entwurf einem Begutachtungsverfahren zugeleitet, das mit Oktober 1997 geendet hat. Seitdem lag das unerledigt da.

Es ist meiner Meinung nach auch deshalb liegengeblieben, weil die ÖVP – und Argumente sind ja keine neuen dazugekommen – bisher abgeblockt hat. Insofern bin ich inzwischen durchaus erstaunt, daß es dort ein Umdenken gegeben hat, weil ich nicht weiß, welche Argumente da noch dazugekommen sind. Aber wir haben es wenigstens jetzt, und wenn es schon so lang gedauert hat, bis diese Vorlage ins Parlament gekommen ist, so haben wir zumindest noch etwas gemacht, wiewohl schon ausdiskutiert: Wir haben auch im Justizausschuß ein Hearing gemacht.

Dieses Hearing hat bestätigt, was ich jedenfalls davor schon gewußt und so eingeschätzt habe, nämlich die positiven Erfahrungen mit der Diversion. Der Tenor sämtlicher Experten war der, daß durch die Diversion eine sehr hohe Einzelfallgerechtigkeit – ich halte das für einen wichtigen Aspekt – und eine Minimierung der Rückfallsquote – auch das halte ich für einen wesentlichen Aspekt – herbeizuführen ist.

Es geht dabei selbstverständlich um keine Entkriminalisierung. Diejenigen, die hier durch merkwürdige Zwischenrufe zu verstehen geben, daß sie das nicht begreifen wollen, mögen sich einmal des Gesetz anschauen. Es kann nicht um eine Entkriminalisierung gehen, wenn die Strafbarkeit der Handlung außer Streit bleibt. Die Handlung bleibt strafbar! Es gibt durch die Diversion auch keinen Verzicht auf ein Strafverfahren. Aus diesen Gründen ist es keine Entkriminalisierung, wie immer man es auch darstellen mag. Die Realität ist anders.

Dazu kommt, daß dieses ... (Abg. Dr. Ofner: Aber es gibt kein Strafverfahren! Schau nur in die Vorlage!) Das habe ich wohl getan. Du solltest deinen Kollegen sagen, daß sie einmal hineinschauen sollen.

Diese Art der Strafverfolgung – und ist eine Art der Reaktion – dient sehr wohl der Spezialprävention. Das halte ich für ganz wesentlich. Die Einschätzung – die aus freiheitlichen Reihen kommt –, daß diese Diversion der Generalprävention entgegenwirke, ist insgesamt widerlegt durch alle Länder, in denen es hohe Strafandrohungen gibt und in denen die Kriminalität trotzdem nicht hinuntergeht. Das heißt, daß die Mär der Generalprävention durch abschreckende Strafen durch die Realität eindeutig widerlegt ist. (Abg. Dr. Krüger: Das sieht man am Beispiel New York!) Man sieht es auch am Beispiel New York, genauso ist es. (Abg. Dr. Graf: ... Beispiel! Das hat auch mit der multinationalen Gesellschaft in New York zu tun!)

Wesentlich ist aber auch, daß die Diversion dem Opferschutz dient. Sie dient dem Opferschutz deshalb, weil damit der Aspekt der Wiedergutmachung sehr wohl ausgeprägt berücksichtigt wird. Das erkennt man, wenn man es sich genau anschaut. Ich nehme jetzt gar nicht die Zahl der Täter und Täterinnen her – und von "Zufriedenheit" spreche ich unter Anführungszeichen –, sondern ich nehme den Prozentsatz jener Opfer her, die in ein Diversionsverfahren einbezogen waren, das heißt, die mit der Diversion konfrontiert wurden – wobei mir das Wort "konfrontieren" da gar nicht gefällt. (Abg. Jung: Den Opfern auch nicht!)

84 Prozent der Opfer sagen, daß es der richtige Weg war. Sie antworten auf die Frage, ob sie – unter Anführungszeichen – "zufrieden" sind, mit Ja. Daher brauche ich jetzt nicht darüber zu reden, wie Täter und Täterinnen darauf reagieren, sondern die betroffenen Opfer sagen es. Davor einfach die Augen zu verschließen, hat in meinen Augen einzig den ideologischen Reflex: Einsperren ist immer noch das Beste! (Abg. Dr. Graf: Ist doch gar nicht wahr!) Wenn man glaubt, daß man mit Einsperren diese Gesellschaft ändert, dann hat man eben eine bestimmte Auffassung davon. Ich glaube, daß sie nicht nur falsch, sondern glücklicherweise auch durch die Realität widerlegt ist. (Abg. Dr. Ofner: Du bist Justizsprecherin der Freiheitlichen gewesen! Ich weiß, was du wirklich denkst!)

Aber ich möchte mich jetzt mit anderen konkreten Dingen auseinandersetzen. Das sind zwei Punkte, in denen ich ebenfalls eine große Differenz zu der Auffassung des Abgeordneten Ofner habe. (Abg. Dr. Graf: Eine ganz eindimensionale Sicht, die Sie haben!) Es geht dabei um den Anwendungsbereich. Während er von diesem Pult aus davon gesprochen hat, daß der Anwendungsbereich viel zu weit ginge, sage ich: Er geht zuwenig weit! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich sage das aus einem bestimmten Grund. Frau Abgeordnete Fekter hat in diesem Zusammenhang auf etwas Richtiges verwiesen, nämlich darauf, daß die Voraussetzung für die Diversion darin besteht, daß die Schuld des Täters oder der Täterin als nicht zu schwer anzusehen ist. Und wenn es hier ... (Abg. Dr. Ofner: Das ist nicht richtig! Die Kollegin hat "leicht" gesagt!)

"Nicht als schwer anzusehen", so steht es im Gesetz. Du wenigstens wirst das wissen, deine Kollegen wissen es offenbar nicht, denn wenn es einen Zwischenruf des Herrn Abgeordneten Scheibner gab, in dem er – ich weiß nicht, ob er auf der Rednerliste steht; das wäre schlimm – dann auch noch "Das steht aber nirgends!" ruft, dann hat der gute Mann das Gesetz nicht gelesen, denn sonst hätte er wissen müssen, daß das im § 90a Abs. 2 steht. Dort ist ausdrücklich als Voraussetzung für die Diversion angeführt, daß die Schuld des Täters nicht als schwer anzusehen ist. (Abg. Scheibner: Alles, was die Frau Fekter gesagt hat, steht nicht drinnen! Du solltest einmal gescheit zuhören, bevor du redest!)

Wenn das Voraussetzung ist, dann halte ich es für völlig unnotwendig, daß ein Rahmen gesetzt wird, der den Anwendungsbereich darauf beschränkt, daß die Tat nur vor dem Einzelrichter abgeurteilt werden kann. Jetzt sage ich Ihnen, warum. (Abg. Dr. Graf: Ahnungslosigkeit!) Weil es Taten gibt, die von Schöffen – also in einem Schöffenverfahren – abzuurteilen sind (Abg. Mag. Stadler: Oh, Frau Fekter, hören Sie?), obwohl ich diese Tatbestände durchaus für geeignet hielte, sie der Diversion zugänglich zu machen. Da ist zum Beispiel der Bandendiebstahl. Wieder sage ich dazu: Die Schuld darf nicht als zu schwer angesehen werden. Aber was ist mit dem, was einer allein macht? (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Warum soll die Diversion nicht auch dann zulässig sein, wenn er es zu zweit oder zu dritt macht? Dann fällt es nämlich unter das Tatbild des Bandendiebstahls.

Oder Brandstiftung – wenn die Schuld nicht als zu schwer einzustufen ist. Oder Veruntreuung – immer dasselbe. Das heißt: Die Voraussetzung "keine schwere Schuld" ist die wesentliche Weichenstellung. (Abg. Dr. Graf: Wie schaut eine leicht verschuldete Brandstiftung aus?) Deswegen halte ich es für völlig unnötig, diesen Rahmen so zu setzen, wie er jetzt in diesem Gesetz gesetzt wurde. (Abg. Dr. Graf: Erklären Sie mir das einmal! Wie schaut eine leicht verschuldete Brandstiftung aus?)

Dazu kommt noch, daß es dann beim Staatsanwalt oder beim Richter liegt, darüber die Entscheidung zu treffen. Das heißt, wir haben ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) Selbstverständlich kann das auch das Gericht, wie wir wissen. (Abg. Dr. Graf: Richter haben da überhaupt keine Kompetenz!) Ich weiß nicht, wozu wir überhaupt einen Ausschuß gehabt haben, in dem genau diese Punkte diskutiert wurden. Aber das tut jetzt eigentlich nichts zur Sache. Ich positioniere hier die Sicht der Liberalen und habe gar nicht die Absicht, mich jetzt noch damit auseinanderzusetzen, was aus der rechten und rechtesten Ecke kommt. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn ich also hier sage, daß uns die Absteckung des Anwendungsbereiches zu eng zu sein scheint, so glaube ich, dafür gute Argumente zu haben.

Der zweite Punkt, der mich stört, ist, daß das Delikt "Widerstand gegen die Staatsgewalt" ausgenommen ist. Als ich in der Früh zum Ausschuß fuhr, habe ich in der Zeitung eine Meinungsäußerung von Frau Abgeordneter Fekter lesen können. Sie meint, daß Delikte, die zu einer Untergrabung der Autorität von Exekutivbeamten führen, vom außergerichtlichen Tatausgleich ausgenommen werden müßten. Sie meint nämlich folgendes – man höre und staune! –: Einem Polizisten ist etwa nach einer Wirtshausrauferei der Handschlag mit dem Täter nicht zumutbar. Dies ist ausdrücklich zu verankern.

Daß das die Auffassung der Abgeordneten Fekter und der ÖVP ist, wundert mich nicht, was mich hingegen wundert, ist, daß die SPÖ als Koalitionspartner sich hat breitschlagen lassen, diesen Gedanken auch noch in eine Ausschußfeststellung hineinzunehmen. Das schmerzt mich zutiefst (Beifall beim Liberalen Forum), denn daß dahinter autoritatives Denken steht, ist meiner Ansicht nach wohl kaum zu entkräften.

Wenn das Justizministerium in seine Erläuterungen hinsichtlich der Grenzen des außergerichtlichen Tatausgleiches hineingeschrieben hat, daß beim Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt der außergerichtliche Tatausgleich kaum in Betracht kommen wird, so kann ich damit leben. Das ist eine Feststellung derart, daß man sagt: Aufgrund der Erfahrungen, die man gemacht hat, wird das dort wohl kaum Anwendung finden. Soll sein.

Wenn das aber dann der Ausschuß in eine Feststellung hineinschreibt – ich bedauere, Herr Bundesminister, daß das offenbar Ihre Absicht ist –, dann ist das etwas, was mich auch persönlich sehr enttäuscht. (Abg. Dr. Ofner: Das ist eine schreckliche Drohung!) Darin steht – ich zitiere –:

"Der Ausschuß nimmt ferner die Absicht des Bundesministers für Justiz zur Kenntnis, im Zuge der Implementierung des Gesetzes und danach auf geeignete Weise (Einführungserlaß ...) dafür Sorge zu tragen, daß jene Delikte, bei denen der Schutzzweck der Norm nicht in erster Linie persönliche Interessen der betroffenen Person, sondern darüber hinausgehende Interessen umfaßt" – und jetzt kommt es! –, "wie dies typischerweise bei den Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt und des tätlichen Angriffs gegen einen Beamten ... der Fall ist –, grundsätzlich nicht Gegenstand eines außergerichtlichen Tatausgleiches werden."

Das heißt, daß Sie offenbar – wem gegenüber, weiß ich nicht – die Absicht bekundet haben, dafür Sorge zu tragen, daß künftig bei diesen Delikten der außergerichtliche Tatausgleich nicht zur Anwendung kommt. (Abg. Dr. Ofner: Der Szymanski!) Das halte ich für eine grundsätzlich falsche Botschaft, und zwar sowohl für die Bevölkerung als auch für die Sicherheitsorgane. Deswegen bedauere ich, daß sich die SPÖ – und wenn man heute gesehen hat, wie ihr da miteinander arbeitet, dann verstehe ich das schon überhaupt nicht – dafür hat breitschlagen lassen.

Es ist aus meiner Sicht aus zwei Gründen ein falsches justizpolitisches Zeichen: Auf der einen Seite wertet es die Diversion als Instrumentarium an sich ab, denn man sagt: Wenn ein sozusagen höheres Gut betroffen ist – nämlich die Exekutive, das ist ein höheres Gut –, dann gehen wir doch nicht in die Niederungen der Diversion! (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Fekter und Dr. Trinkl.) Das heißt: Die Frau Meier, die Frau Schmidt oder der Herr Müller dürfen sich gerne der Diversion unterziehen (Abg. Jung: Lassen Sie sich anpöbeln?), aber doch kein Sicherheitswacheorgan! Wissen Sie, was das für eine Botschaft über die Wertigkeit der Diversion ist? (Abg. Mag. Kukacka: Schutz des Gewaltmonopols!)

Der zweite Grund: Wir reden immer davon, daß der Bürger und die Bürgerin nicht Untertanen sein sollen, sondern daß ein partnerschaftliches Verhältnis entwickelt werden soll. Was ist das für ein partnerschaftliches Verhältnis, wenn Kollegin Fekter sagt: "Es ist einem Polizisten nach einer Wirtshausrauferei der Handschlag mit dem Täter nicht zumutbar!"? Was heißt das: Ich darf schon, aber der Polizist nicht? Dem ist es nicht zumutbar? Was ist das für eine autoritatives Denken? Was ist das für eine Wertigkeit, die man damit zum Ausdruck bringt?

Der Justizminister sagt auch noch, er werde dafür Sorge tragen, daß es da nie zum außergerichtlichen Tatausgleich kommt. Darin besteht meine tiefe Enttäuschung über die SPÖ und über den Justizminister. (Abg. Mag. Kukacka: Das werden die zwei aushalten!) Das muß ich hier so sagen, weil ich glaube, daß wir damit eine große Chance vertun. (Abg. Dr. Graf: Die Wirtshausraufer muß man nicht schützen in Österreich!)

Noch etwas kommt nämlich hinzu. Das Sicherheitsorgan darf also dem Täter oder der Täterin keine Chance geben. Wenn man im Ausschuß war und gehört hat, wie die Experten darüber geredet haben, dann weiß man, daß auch einer von der Bewährungshilfe – ein Fachmann, ein Experte – von einem Beispiel erzählt hat, wie negativ sich das auswirkt, wenn eine Gruppe untereinander eine Wirtshausrauferei hat, dann aber der außergerichtliche Tatausgleich nicht stattfinden darf, sie sich daher künftig aus dem Weg gehen und der Akt der Versöhnung, der in einer solchen Sache sehr sinnvoll wäre, um dem anderen auch auf diese Weise das Unrechtsbewußtsein vor Augen zu führen – das ist nämlich auch Sinn der Diversion –, gar nicht stattfinden darf. Sie nehmen auf diese Weise nicht nur dem Täter die Chance, ein künftiges Wohlverhalten für ihn zu erleichtern, sondern Sie nehmen damit auch den Opfern die Chance, nämlich der Gesellschaft. Das bedauere ich zutiefst.

Das ändert nichts daran, daß wir diesem Gesetz selbstverständlich unsere Zustimmung geben werden, weil ich es für einen ganz wesentlichen Schritt halte. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

20.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Graf – in Richtung der Abg. Dr. Schmidt –: Da sind Sie Kontrarednerin, und dann stimmen Sie zu! – Abg. Dr. Jarolim – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, ich bin überzeugt, Ihnen werden noch ein paar originelle Sachen einfallen!)

20.50

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß man – vor allem dann, wenn man die Ausschußverhandlungen verfolgt hat und dem, was dort gesprochen wurde, gelauscht hat – wirklich sagen muß, daß es sich da um einen Quantensprung in der Justizpolitik handelt.

Wenn man das nicht wahrhaben will und hier entsprechende Debattenbeiträge liefert, dann muß ich sagen – wobei ich bemerken möchte, daß ich das von Herrn Kollegen Ofner dazu Gesagte nicht ganz verstanden habe; ich werde dann kurz darauf eingehen (Abg. Dr. Ofner: Ich werde es Ihnen erklären, Herr Kollege!) –, daß das einfach ein Nicht-verstehen-Wollen sein muß. (Abg. Dr. Ofner: Vielleicht habe ich mich einfach damit befaßt, einige Jahre!) Ja, Herr Kollege, gerade deshalb ist es erstaunlich. – Ich gehe vielleicht besser gleich zu Beginn darauf ein.

Sie haben hier mehrfach den außergerichtlichen Tatausgleich zitiert, nämlich Bezug genommen auf den außergerichtlichen Tatausgleich, und haben Bestimmungen zu den gemeinnützigen Leistungen zitiert, in denen steht: "soweit dies möglich und zweckmäßig ist". Sie haben zum ATA aus § 90d Abs. 3 zitiert, daß der entstandene Schaden gutzumachen ist, wenn möglich und zweckmäßig.

Der Text, den Sie dazu vorgelesen haben, ist in den Bestimmungen über die gemeinnützige Leistung und über die Zahlung eines Geldbetrages enthalten. Beim Geldbetrag ist es, bitte, so, daß der Geldbetrag an den Staat zu bezahlen ist und daher der Staat zu prüfen hat, ob es möglich oder zweckmäßig ist, daß er – der Staat nämlich – einen Geldbetrag bekommt.

Beim außergerichtlichen Tatausgleich steht demgegenüber ausdrücklich drinnen: "allfällige Folgen der Tat ... insbesondere dadurch, daß er den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht". Da haben Sie diese Abwägung nicht drinnen, Herr Kollege! (Abg. Dr. Graf: Das stimmt doch nicht!) Herr Kollege, lesen Sie den Text durch! – Daher ist es also völlig klar. Diesen Wertungsunterschied nicht zu akzeptieren, zeigt einfach auf, daß man sich mit der Sache nicht wirklich auseinandersetzen will. Ich nehme an, daß das Kollege Krüger vielleicht nachträglich noch richtigstellen wird.

Ich denke, daß man grundsätzlich zu dieser Materie folgendes sagen muß: Es handelt sich insbesondere deshalb um eine Verbesserung, weil beim außergerichtlichen Tatausgleich das Opfer im weitaus vermehrten Ausmaß auf seine – unter Anführungszeichen – "Rechnung" kommt, nämlich nicht nur geldmäßig, sondern auch emotional. Es handelt sich tatsächlich um etwas, von dem man behaupten kann, daß es in außerordentlich effizienter Form dazu dient, die Strafhäufigkeit in Zukunft einzuschränken. Das ist ja wohl das Ziel, nämlich daß die Straffälligkeit, die Strafhäufigkeit herabgesetzt wird, als gesellschaftliches Anliegen. Daß wohl naheliegend ist, daß nur das hier ein Ziel sein kann, dürfte auch unumstritten sein. (Abg. Haller: Die Straffälligkeit soll herabgesetzt werden, nicht die Opfer geschützt! Hervorragend!)

Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf den Sicherheitsbericht verweisen. Im justitiellen Teil steht auf der vorletzten Seite ... (Abg. Haller: ... straffreie Gesellschaft!) Frau Kollegin, Sie werden es nicht kennen, aber das legitimiert Sie natürlich dazu, daß Sie besonders laut reden. – Da werden Sie auf der vorletzten Seite von einer europaweit durchgeführten Studie lesen, worin die Gesellschaft gefragt wird, und zwar mit einem relativ hohen Sample, was sie für Bedürfnisse hat und in welcher Situation, bei welcher Straftat welche Strafe verhängt werden soll. Bemerkenswert ist, daß dort die Österreicher zu 63 Prozent der Meinung sind, daß bei mittleren Straftaten diversionelle Maßnahmen – es geht nämlich genau um Sozialleistungen – verhängt werden sollen.

Wenn ich in der Bevölkerung Österreichs eine Umfrage mache und frage: Es gibt eine Straftat, wie würdest du sie saktionieren: mit Gefängnis, mit Geldstrafe oder mit einer sozialen Leistung?, und es sprechen sich 63 Prozent – und das ist für ganz Europa einer der führenden Werte – für letzteres aus – Kollege Krüger, lesen Sie sich den Sicherheitsbericht durch, vorletzte Seite! –, dann kann ich doch wohl nicht hergehen und sagen, daß dieser Gesetzentwurf am Willen der Gesellschaft vorbeigeht. (Abg. Jung: Absichtlich!)

Ja, Herr Jung, absichtlich! Sie wissen natürlich als Mitglied eines ehemaligen Geheimdienstes, daß man auch Meinungen bilden kann, wie sie nicht tatsächlich bestehen. Das unterstellen Sie jetzt hier auch einer internationalen Studie. Auf dem Niveau kann ich leider nicht mit Ihnen diskutieren. Man kann nicht gegen Wände laufen.

Außerdem hat Kollege Ofner hier heute mitgeteilt, daß jetzt Tür und Tor geöffnet ist für sachlich völlig unkundige Personen bei Strafen. Eine Kollegin von Ihrer Fraktion, haben Sie gesagt – irgendeine Dame –, wird noch berichten, welche fürchterlichen Folgen das hat und welche Delikte das sind. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, was Sie sagen werden. Sie werden hier den gesamten Deliktekatalog vorlesen und werden das völlig ignorieren, was ohnehin schon alle Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben, nämlich daß die Anwendung diversioneller Maßnahmen nur dann möglich ist, wenn das Verschulden gering ist. (Abg. Dr. Ofner: Nein! "Nicht als schwer"! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber lesen Sie es doch nach! Da steht: "nicht als schwer anzusehen ist"! (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Man kann natürlich sagen, diese Passage gebe es so nicht, weil Sie diese Passage nicht haben wollen. Sie sind da grundsätzlich gegen etwas, was Sie – da sind Sie gemeint, Herr Kollege Ofner! – eingeleitet haben. Dabei verstehe ich schon, daß Sie jetzt als Mitglied dieser Gruppe natürlich einem gewissen Bewußtseinswandel unterliegen. (Abg. Dr. Graf: Kollege Jarolim! Wie ist das beim 209er grundsätzlich zu bewerten? – Zwischenrufe der Abgeordneten Haller und Jung.) Das werde ich Ihnen auch jetzt hier anrechnen. Aber es ist falsch, es ist unrichtig, es ist einfach nicht nachvollziehbar.

Ich denke, wir sollten hier, wenn wir über dieses neue Gesetz in einer Form reden, wie sie auch sonst im Justizausschuß gegeben ist und dem Justizausschuß würdig ist, Fakten nennen, nicht aber Wunschträume, die Sie hier als Luftballone steigen lassen. Sie wollen damit kundtun, daß etwas, woran Sie nicht mitwirken werden, nicht wirklich gut ist. (Abg. Dr. Krüger: Jetzt weiß ich, wieso du zustimmst, Kollege Jarolim! Weil du es nicht verstehst! Jetzt ist es klar!) Kollege Krüger! Diese Erklärung will ich ... (Abg. Dr. Krüger: Schau in den Text hinein! Du hast ja nicht einmal den Text mit!) Kollege Krüger! Das werde ich, glaube ich, lieber nicht werten, denn das ist auch wieder ein Wunschgedanke.

Ich glaube, daß man zusammenfassend sagen kann, meine Damen und Herren – und ich sage es noch einmal –: Es gibt Experten... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger.) Kollege Krüger, vielleicht sind diejenigen, die den Verhandlungen im Justizausschuß als Experten beigezogen wurden, nicht ein solches Kaliber, wie Sie es sind. Sie müssen sie dann eben irgendwie einordnen, und Sie müssen sich dann entscheiden, auf welcher Position Sie dann sind.

Tatsache ist jedenfalls: Ich habe in dieser gesamten Diskussion noch keinen ernstzunehmenden Experten und keine ernstzunehmende Expertin gehört, ob aus dem Bereich der Richterschaft oder aus dem Bereich der Lehre oder aus dem Bereich der Staatsanwaltschaft kommend (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) – von Ihrer Seite, von der FPÖ rede ich nicht, diese Personen würde ich auch nicht als Experten bezeichnen –, die irgend etwas Negatives an diesem Entwurf ausgesetzt hätten. Einhellig war die Meinung: Es handelt sich um einen – ich möchte es so sagen – Quantensprung in der Entwicklung der Strafjustiz – mit Ihnen und ohne Sie. Daher ist das wirklich der richtige Weg. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

20.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner zu Wort gemeldet. Die Bestimmungen sind bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.57

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich berichtige eine der Schlußpassagen aus der Rede meines unmittelbaren Vorredners.

Er hat erklärt, er habe im Zuge der Dinge keinen einzigen Experten erlebt, der Bedenken hinsichtlich des Vorhabens gehabt hätte. Ich erinnere ihn ... (Abg. Dr. Jarolim: Krüger!) Nicht der Kollege Krüger. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Kollege, lassen Sie mich weitersprechen. Ein bißchen Geduld, zügeln Sie Ihr überschäumendes Temperament! Unrichtige Sachen können Sie später auch noch sagen.

Ich erinnere Sie daran, daß ein vom Justizministerium eingeladener Experte im Ausschuß massive Bedenken geäußert hat. (Abg. Dr. Schmidt: Bitte, was ist das für eine tatsächliche Berichtigung?) Das war niemand Geringerer als der Repräsentant der Richtervereinigung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: So ist es! – Abg. Dr. Jarolim: Er ist falsch zitiert worden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

20.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.58

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grόne): Dobar večer, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Prδsident! Geschδtzter Herr Bundesminister! Ich spreche jetzt zwar nicht im Rahmen einer tatsδchlichen Berichtigung, aber trotzdem muß ich klarstellen: Was Herr Dr. Ofner gesagt hat, ist kraß falsch! (Abg. Dr. Fekter: Bravo!) Das stimmt überhaupt nicht, daß die Richterschaft das abgelehnt hat, ganz im Gegenteil! (Abg. Dr. Ofner: Der Repräsentant der Richtervereinigung im Ausschuß hat massive Bedenken geäußert!)

Wir hatten ja – auch der geschätzte Kollege Ofner – die Ehre, im Ausschuß die Meinung von Experten zu hören. Ich bin im nachhinein selbst noch dankbar dafür, daß es diese Initiative von uns gegeben hat, weil ein Wort, das in einem Ausschuß gesprochen wird, auch von seinem Symbolgehalt her (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Ofner und Mag. Kukacka) – na, was ist, Herr Kollege Kukacka? (Abg. Dr. Graf: Aber das ist doch einer der entscheidenden Punkte!) – doch auch viel mehr an Überzeugungskraft hat als eine im privaten oder auch im dienstlichen Bereich eingeholte Information. In diesem Ausschuß war auch Dr. Ofner anwesend – ob Dr. Graf auch in diesem Ausschuß war und sich das angehört hat, weiß ich nicht mehr (Abg. Dr. Jarolim: Krüger war dabei!) –, aber auch Dr. Krüger war jedenfalls dort. Was man aber nicht hören will, das hört man nicht, und was man anders interpretieren will, das wird man anders interpretieren – so ist es nun einmal. (Abg. Dr. Schmidt: Und was man nicht verstehen will, ...!) Und was man nicht verstehen will, obwohl man es einmal auch selbst initiiert hat, das wird man nicht verstehen! Es ist nun einmal ein Faktum der Geschichte, daß genau während der Ministerschaft Ofner der außergerichtliche Tatausgleich für Jugendliche eingeführt wurde – so ist es! –, und zwar von jenem, der hier heute eine so vehemente Gegenstellung eingenommen hat. (Zwischenrufe der Abg. Haller. – Abg. Dr. Ofner: Entgleist ist dieser Zug, das ist alles!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese heute hier zur Verhandlung stehende Strafprozeßnovelle ist nach meiner Einschätzung (Abg. Dr. Graf: Deswegen müssen wir das Waffengesetz verstärken, ...!) – aber das ist nicht nur meine persönliche Einschätzung – sicherlich eine der wichtigsten kriminalpolitischen Maßnahmen in der österreichischen Strafrechtsgeschichte, könnte man fast sagen. Deshalb und auch deswegen, weil sie schon so lange der Umsetzung harrt, ist es so wichtig, daß sie endlich umgesetzt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vorher auch einem Kollegen meiner Fraktion die Qualität solcher Entwürfe vor Augen geführt und ihm zu erklären versucht, warum meine Bedenken hinsichtlich ihrer Umsetzung in die Praxis – die Diskussion ging ja vor allem um die Administrierbarkeit von Gesetzen – in diesem Fall so gering sind: weil diese Maßnahmen ja in jahrelangen Feldversuchen erprobt worden sind. Staatsanwälte und Richter, die den gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen grüner Abgeordneter eher fernstehen, haben mich davon überzeugt, daß diese Erprobung, die sozusagen eine Art "Echtversuch" darstellt, die Qualität der Umsetzung auch garantieren wird. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das nun einmal – und da kann man jetzt reden, was man will – ein wirklicher Meilenstein – so hat es, glaube ich, Kollege Jarolim bezeichnet – oder ein Durchbruch, wie Frau Dr. Schmidt es genannt hat. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) So ist es, und das werden weder Dr. Ofner noch andere freiheitliche Abgeordnete mit lauten Zwischenrufen wegdiskutieren können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die diversionellen Maßnahmen werden nunmehr seit zwölf Jahren angewendet, und deshalb ist auch die strukturelle Voraussetzung für ihre Einführung gegeben. Es ist mir wirklich wichtig, dies hier zu sagen, denn es gibt, was gesetzgeberische Vorhaben angeht, oft eine Art "Experimentierfeld". In diesem Fall ist dem nicht so! In diesem Fall gibt es eine Erprobung. Daß es diese Phase gegeben hat, ist nämlich auch für die Aufnahme dieser gesetzgeberischen Maßnahme in das Bewußtsein der österreichischen Bevölkerung – nicht nur für das Verständnis, sondern auch für die Identifikation damit – besonders wichtig. Selbst die Skeptiker, die es gegeben hat, haben sich dadurch letztendlich überzeugen lassen. Sie können mir glauben – und diesen Eindruck habe ich auch bei der Anhörung im Ausschuß und in vielen Gesprächen vorher gewonnen –, daß es auch für die Staatsanwälte und für die Richter nicht einfach gewesen ist, alle diese Vorstellungen zu akzeptieren.

Weil heute hier schon mehrmals die Behauptung aufgestellt wurde, das sei eine Entkriminalisierung (Abg. Haller: Was ist es dann?), möchte ich hier – weil mir das ein Anliegen ist – folgendes sagen: Die Opferinteressen sind es, die durch diese Maßnahme in erster Linie gestärkt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Ofner: Das ist unglaublich! Unglaublich!) Das steht bei dieser ganzen Sache im Mittelpunkt! Ich glaube, daß es sicherlich nicht übertrieben ist, zu behaupten, daß mit kaum einem gesetzgeberischen Akt so viel für Opfer getan wurde oder wird wie mit dieser Strafprozeßnovelle (Abg. Dr. Ofner: Wenn der Täter straflos bleibt! – Abg. Haller: Wenn der Täter straflos ausgeht!), die heute hier hoffentlich zumindest mit einer Vierparteienmehrheit beschlossen wird. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Genau die besondere Beachtung der Interessen der Geschädigten erfolgt bei dieser Maßnahme, denn es gibt ja nur dann einen außergerichtlichen Tatausgleich, wenn der Geschädigte oder die Geschädigte sagt: Ja, ich will! – So einfach ist es. (Abg. Dr. Ofner: Da wird man sich gar nicht darüber unterhalten!) Wenn ein Opfer sagt: Ich will nicht!, dann gibt es nie einen außergerichtlichen Tatausgleich. Jetzt frage ich mich: Wer hat einen Schaden durch den außergerichtlichen Tatausgleich, wenn es doch ein Nutzen für beide ist: für den Täter beziehungsweise die Täterin und für das Opfer? (Abg. Haller: Für das Opfer? Das müssen Sie mir jetzt erklären, was der Nutzen für das Opfer ist! Das müssen Sie mir jetzt erklären!) Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ja das wichtigste Argument für den ATA-E gegeben. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Darüber hinaus verhehle ich auch nicht, daß ich der Meinung bin, daß der ATA auch eine maßgebliche Entlastung für die Gerichte darstellt. Ich sehe darin eigentlich keinen Schaden! In der morgigen "Presse" lese ich, daß Staatsanwalt Dr. Pleischl bei einem Fortbildungsseminar in Ottenstein eine Prognose darüber erstellt, wie die Strafregisterbilanz künftig aussehen wird. (Abg. Jung: Deshalb gibt es aber nicht einen einzigen Ladendiebstahl weniger!)

Ich halte die diversionellen Maßnahmen – und das wurde heute hier noch nicht angesprochen – auch deshalb für so wesentlich, weil unnötige Stigmatisierungseffekte, die Vorstrafen mit sich bringen, schlicht und einfach wegfallen. Besonders gilt dies für die Eintragung ins Strafregister.

Meine Damen und Herren! Wir wissen ganz genau, daß die Tatsache – und da geht es nicht nur um einen humanen, sondern auch um einen ökonomischen Gesichtspunkt –, daß jemand aufgrund einer stigmatisierenden Wirkung durch eine strafgerichtliche Verurteilung und durch das Aufscheinen im Strafregister keine Arbeit mehr findet, Kosten verursacht und daß das eine für die Gesellschaft sehr teure Fürsorgeleistung beziehungsweise Sozialarbeiter- oder soziale Leistung ist. (Abg. Haller: Diese Gesetzesvorlage ist kein Vorteil für die Gesellschaft! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Diversionelle Maßnahmen fangen das ab! Das ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, der hier auch festgestellt werden muß.

Noch ein weiterer Aspekt kommt meiner Meinung nach da hinzu, der ja auch von den Herren Staatsanwälten und von Frau Staatsanwältin Dr. Loderbauer im Hearing eindrücklich durch Beispiele, die sie aus ihrer Erfahrung erzählt haben, klar herausgestellt wurde – ich könnte Ihnen hier vieles davon wiedergeben, aber meine Redezeit ist zu kurz dazu –: Es ist ein ganz wesentlicher Punkt, daß die persönliche Auswirkung der Tat auf das Opfer, die Auseinandersetzung über das, was das Opfer bekommt, den Hauptinhalt der Maßnahme im außergerichtlichen Tatausgleich bildet. (Abg. Dr. Ofner: Das Opfer wird noch einmal konfrontiert mit dem Täter!)

Normalerweise ist es im Strafprozeß doch so – und das müßte Dr. Ofner ja am besten wissen –, daß die Rolle des Opfers auf die eines Tatzeugen oder einer Tatzeugin degradiert wird. Wir wissen ja nicht nur, wie Zeugen leider mitunter behandelt werden, sondern auch, wie wenig auf das eingegangen wird, was ihrem Gefühl entspricht. (Abg. Jung: Was glauben Sie, wie sich das Opfer fühlt?) Ich habe noch nie gehört, daß jemand gesagt hat: Die Tatsache, daß ich Zeuge in einem Verfahren war, hat mir eine Genugtuung bereitet. – Das aber ist der wesentliche Punkt beim ATA!

Ich möchte jetzt nicht das wiederholen, was Frau Dr. Schmidt an der Mutlosigkeit des Vorgehens – nicht bezüglich des Gesetzes, sondern bezüglich des Ausschußberichtes und dessen, was auch in der Öffentlichkeit kolportiert wurde – kritisiert hat, sondern ich möchte den Herrn Bundesminister eher ermutigen (Abg. Dr. Schmidt: Das will ich ja auch! Das will ich auch!), sich bei seinen noch beabsichtigten Schritten der Präzisierung auch an das Gesetz zu halten.

Es gibt aber nicht nur helle Freude, sondern es gibt durchaus auch Punkte, bei denen ich sagen muß: Da hätte ich mir mehr erwartet! Einer von diesen, der bisher noch unerwähnt geblieben ist, ist zum Beispiel die Tatsache, daß es nicht gelungen ist, Geldbußen subsidiär zum ATA zu verankern. Das wäre eine wesentliche Maßnahme gewesen, und das wäre auch ein klares Bekenntnis dazu gewesen, von diesem hierarchischen System Abstand zu nehmen und zu sagen: Ja, das ist das Gewicht des ATA, und das ist genau das, was wir wollen! – Das in diesem Gesetz zu verankern, ist leider nicht gelungen.

Ein Allerletztes, Herr Bundesminister: Es geht um eine Anregung, die ich im Ausschuß gemacht habe und von der ich jetzt nicht weiß, wie der Stand ihrer Umsetzung ist. Die UVS-Richter haben eine mir sehr plausibel erscheinende Anmerkung zum Diversionspaket gemacht. Nehmen wir als praktisches Beispiel einen typischen Fall für einen außergerichtlichen Tatausgleich: ein Gerangel um einen Parkplatz. Ja, das gibt es! (Abg. Haller: Es geht doch um ein Strafausmaß von bis zu fünf Jahren! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das sind die Fälle der Praxis, die auch von der Bewährungshilfe geschildert werden, und ich als Grüne wähle dieses Beispiel bewußt. Es kommt also zu einer Auseinandersetzung, in welcher Form auch immer. Es folgt ein außergerichtlicher Tatausgleich, und alle sind zufrieden, alles ist in Ordnung, aber: Das Verwaltungsstrafverfahren ist deshalb nicht abgewandt! Es landet alles vor dem UVS, weil nämlich die Erregung öffentlichen Ärgernisses oder, als weitere Folge, Widerstand nach wie vor ein Verfahren mit sich bringen muß.

Herr Bundesminister, Sie sind zwar für diesen Aspekt nicht zuständig (Bundesminister Dr. Michalek: Welches Verfahren?) – na, ein Verwaltungsstrafverfahren, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses beispielsweise, zumal sich so etwas ja im öffentlichen Raum abspielt –, aber es scheint mir nicht sehr produktiv zu sein, wenn durch diese Tatsache die diversionelle Maßnahme nicht gänzlich das Ziel erreicht, das sie eigentlich erreichen sollte. Es ist nun zwar – was diese Bestimmung anbelangt – nicht Ihr direkter ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Die Redezeit ist beendet, bitte! (Abg. Jung: Aber schon seit geraumer Zeit!) – Nein, ich habe unrecht gehabt: Ich bin nämlich aus den Reihen der Abgeordneten auf das rote Licht aufmerksam gemacht worden, aber ein Blick auf den Computer zeigt mir, daß das eine freiwillige Redezeitbeschränkung ist. Ich bitte um Entschuldigung!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Nichtsdestotrotz muß ich zum Ende kommen, weil ich nicht die ganze Zeit verbrauchen kann. Aber es ist mir wichtig, dies noch festzustellen, weil mich auch die Meinung des Herrn Bundesministers zu dieser Frage interessiert.

Nun ein allerletztes Wort zu einer weiteren Maßnahme, die jetzt unter diesen Tagesordnungspunkten abgehandelt wird, und das ist die Frage der Einrichtung von Spezialgerichten, durch die besonders geschulte Richterinnen und Richter die Möglichkeit der Abwicklung von sogenannten Delikten gegen die Sittlichkeit erhalten sollen.

Frau Dr. Schmidt und die Grünen – genau gesagt, ich –, wir haben beide Anträge eingebracht, da eine Maßnahme zu treffen. Die Koalitionsparteien haben das aufgegriffen, auch in diesem Fall nach einem Begutachtungsverfahren innerhalb des Ausschusses, wofür ich ihnen danke, denn es ist etwas Produktives herausgekommen.

Es wird im Bereich der besonders schutzwürdigen Sexualsphäre eine Möglichkeit geschaffen, durch Richterinnen und Richter, die es eben gewohnt sind, auch solche Delikte abzuhandeln, auch organisatorisch vorzusorgen. Ich meine, daß das eine richtige Maßnahme ist. Unser Vorschlag ist zwar nicht gänzlich umgesetzt worden, aber es ist trotzdem erfreulich, daß diese Möglichkeit geschaffen wird, die zweifelsfrei auch wieder im Sinne der Opfer zu beachten ist, denn gerade bei Sexualdelikten gibt es ja vielfach das Phänomen, daß das Opfer im Zuge der Prozedur des Verfahrens, bei dem es als Zeuge auftreten muß, zum Täter gemacht wird. Daher ist es dabei besonders wertvoll, wenn jene Richterinnen und Richter eine besondere Sensibilität an den Tag legen und sich auch einer entsprechenden Schulung und Ausbildung unterziehen.

Die Zeit ist um. – Ich danke herzlich. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Konrad.)

21.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

21.13

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der österreichische Gesetzgeber heute die Strafprozeßnovelle 1999 beschließt, so unternimmt er damit – und auch ich möchte das betonen – einen bemerkenswerten, außerordentlichen Schritt der Innovation.

Mit dem außergerichtlichen Tatausgleich und den anderen Formen der Diversion wollen wir den österreichischen Richtern und Staatsanwälten die Möglichkeit in die Hand geben, im unteren – quantitativ durchaus nicht unbeachtlichen – Kriminalitätsbereich (Abg. Haller: Darüber hat sich Frau Kollegin Fekter schon Gedanken gemacht!) auf strafbares Verhalten flexibler, einzelfallbezogener, zugleich rasch und wirksam – ich betone: und wirksam! – zu reagieren. Was sich im Jugendstrafrecht und im Suchtmittelstrafrecht sowie im Rahmen des Modellversuches "Außergerichtlicher Tatausgleich für Erwachsene" seit Jahren bewährt hat, soll mit Beginn nächsten Jahres nunmehr auf einer gesetzlichen Grundlage im allgemeinen Strafrecht stattfinden.

Dieser Innovationsschritt, meine Damen und Herren, ist zugleich ein wirklich entscheidender Schritt voran bei der Wahrung und Durchsetzung der Interessen des Verbrechensopfers, und ich kann da wirklich die Einschätzung von Herrn Abgeordneten Dr. Ofner nicht verstehen. Während der durch eine strafbare Handlung Geschädigte im traditionellen Strafverfahren neben der Zeugenrolle nur die Möglichkeit des Anschlusses als Privatbeteiligter hat – was allzu oft nicht weiter führt als bis zur Verweisung auf den Zivilrechtsweg (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner) und selbst bei erfolgtem Zuspruch eines Entschädigungsanspruches dessen Einbringlichkeit beim Täter offenlassen muß –, können wir im Rahmen der Diversion im Interesse des Opfers einen anderen Weg gehen: Wir können dem Verletzten rascher, leichter, unbürokratisch zu Schadenersatz und Tatfolgenausgleich – also insbesondere Entschädigung – verhelfen.

Sie müssen doch sehen, daß mit einer Übernahme der Verantwortung für die Straftat und ihre Folgen durch einen Täter in einem frühen Stadium – ich sage immer, sozusagen unter dem Damoklesschwert eines ansonsten stattfindenden Strafverfahrens und einer Verurteilung und Vorbestrafung – viel eher damit gerechnet werden kann, daß er sich diesem Schadensausgleich unterzieht, und viel mehr davon zu erwarten ist als in einem formellen Strafverfahren oder in einem sich diesem dann noch anschließenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungsverfahren, das ja letzten Endes dem Geschädigten erst wieder – zunächst jedenfalls einmal – Kosten verursacht. (Abg. Dr. Ofner: Aber er bekommt einen Schadenersatz in angemessener Höhe!)

Ja, das wird man auch bei der Diversion haben. Es geht uns jetzt nicht so sehr um eine in diesem frühen Stadium des Verfahrens unter Umständen auch noch gar nicht mögliche zivilrechtlich präzise Schadensbemessung – diese kann auch noch in einem späteren Stadium stattfinden –, sondern uns geht es dabei vor allem um eine grundsätzliche Wahrung der Interessen des Opfers und um dessen aktive Einbeziehung in das Verfahren und in die Ausgleichsbemühungen, aber letzten Endes auch darum, Genugtuung zu verschaffen – auch das weiß man, daß das den Opfern sehr wichtig ist – und insgesamt eben die immateriellen und materiellen Tatfolgen festzustellen und so weit wie möglich auszugleichen.

Dabei kann sich das Opfer – das haben wir schon x-mal festgestellt – nicht nur irgendeiner Vertrauensperson bedienen, sondern auch eines Rechtsvertreters, eines Rechtsanwaltes, und schließlich kann es den außergerichtlichen Tatausgleich auch ablehnen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. – Abg. Haller: Und was passiert dann?) Der außergerichtliche Tatausgleich kommt nur mit Zustimmung des Betroffenen, mit Zustimmung des Opfers zustande. Es kann dabei überhaupt keine Rede davon sein, daß das Opfer über den Tisch gezogen wird oder auf der Strecke bleibt.

Freilich, meine Damen und Herren, sind dem Streben nach Ersatz und Tatfolgenausgleich Grenzen gesetzt, und zwar nicht nur im Anwendungsbereich überhaupt, sondern auch in der Leistungsfähigkeit des Beschuldigten. Sinkt diese Leistungsfähigkeit oder Leistungswilligkeit des Verdächtigen unter jene Schwelle ab, die vom Opfer oder vom Staatsanwalt (Abg. Dr. Ofner: "Konfliktregler" nennt man das! "Konfliktregler"!) als Voraussetzung für die diversionelle Maßnahme akzeptiert wird, so kommt eine Diversion eben einfach nicht zustande und das normale Strafverfahren nimmt seinen Lauf. (Abg. Dr. Ofner: Das widerspricht ja dem Prinzip des Gesetzes!)

Es geht uns vor allem auch um einen nachhaltigen Appell an das Verantwortungsbewußtsein des Täters, sich mit der Tat und deren Folgen aktiv auseinanderzusetzen, also um eine Bekräftigung der Normen des Strafrechtes – nicht zuletzt auch durch das Verhalten des Täters selbst und durch seine Ausgleichsbemühungen.

Was nun den angesprochenen Anwendungsbereich der Diversion anbelangt, so treten hier immer wieder dieselben Denkfehler auf, und man kann es nicht oft genug wiederholen: Der Umstand, daß die Diversion in jenen Fällen ausgeschlossen ist, die in die Zuständigkeit des Schöffen- und Geschworenengerichtes fallen, bedeutet ja keineswegs – es wurde heute schon gesagt –, daß alle in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes oder des Einzelrichters erster Instanz fallenden Strafsachen einer diversionellen Erledigung zugeführt werden sollen. Das gilt ja nur für jene Straftaten, bei denen auch die allgemeinen Bedingungen für die diversionellen Maßnahmen vorliegen, also keine schwere Schuld, general- und spezialpräventive Unbedenklichkeit und keine Todesfolgen.

Wenn ich – angesprochen von Ihnen ... (Abg. Dr. Ofner: ... die Zuständigkeitskriterien "keine schwere Schuld" und "kein Tod" ...!) Ja! Sicherlich! (Abg. Dr. Ofner: Da hat der Staatsanwalt zu ...!) Nur unter den Voraussetzungen, daß keine schwere Schuld vorliegt und daß es aus general- und spezialpräventiven Gründen ... (Abg. Dr. Ofner: Wo steht das?) In der grundlegenden Einleitungsbestimmung! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Er hat, wenn die Voraussetzungen gegeben sind ... (Abg. Dr. Ofner: Aber das ist nirgends angeführt!) Doch, das steht ja im grundlegenden Paragraphen! Sie brauchen das nur nachzulesen! (Abg. Dr. Ofner: Da steht es!) Im § 90a! Bitte sehr! (Abg. Dr. Ofner: Ich nehme das also zurück!)

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem außergerichtlichen Tatausgleich und bei der Vermittlung gemeinnütziger Leistungen werden die Juristen, und zwar die Richter und die Staatsanwälte, mit den Sozialarbeitern zusammen arbeiten müssen. Dazu haben wir im Rahmen des Modellprojektes schon beste Erfahrungen gesammelt und wollen diese auch noch ausbauen, insbesondere auch im Hinblick auf Einrichtungen der Opferhilfe oder auf die Interventionsstellen bei der Gefahr im häuslichen Bereich, um möglichst sachgerechte und auf den Einzelfall zugeschnittene Reaktionsformen zu finden. Aber – und auch da muß ich dringend bitten, nicht das eine mit dem anderen zu vermengen – die Diversionsentscheidungen werden selbstverständlich nicht von den Sozialarbeitern, sondern nur vom zuständigen Justizorgan, nämlich vom Staatsanwalt oder vom Richter getroffen. Die Rolle des Sozialarbeiters ist auf die Funktion des Vermittlers, also eines Mediators im Strafverfahren und im Zusammenhang mit den Ausgleichsgesprächen und Ausgleichsvereinbarungen beziehungsweise auf die Vermittlung von gemeinnützigen Leistungen beschränkt.

Weder die Zuweisung geeignet erscheinender Fälle an die Sozialarbeiter noch die Entscheidung, ob das Ergebnis den Verfolgungsrücktritt rechtfertigt, wird der Justiz entzogen. Beides bleibt bei der Justiz. (Abg. Dr. Ofner: Ja, es bleibt, aber es geschieht nichts!)

Mit der Möglichkeit der Übernahme bestimmter Verpflichtungen durch den Täter in Verbindung mit einer Probezeit etwa zur Bewältigung von Aggressions- oder Alkoholproblemen wird die Neuregelung gerade auch in diesem Deliktsbereich neue und sehr effiziente Entwicklungsmöglichkeiten schaffen.

Was die Einwendung von Frau Abgeordneter Stoisits hinsichtlich des Verhältnisses dieser diversionellen Maßnahme zu dem Verwaltungsstrafrecht und hinsichtlich Subsidiarität anbelangt, so müssen wir unterscheiden: Wenn es sich um ein und dieselbe Tat handelt, die in beiden Rechtsbereichen strafbar ist, so bleibt die Subsidiarität der Verwaltungsstraftat bestehen; wenn es sich hingegen um mehrere Taten handelt, dann soll es auch gar keine Ausschließung der einen durch die anderen geben. Das ist auch jetzt nicht der Fall.

Warum ist das erste gegeben? – Weil es sich eben nicht um eine Entkriminalisierung handelt, sondern die Handlung weiterhin nach dem gerichtlichen Strafrecht strafbar ist und es daher nicht zu einer Doppelbestrafung kommt, weil das Subsidiaritätsprinzip des Verwaltungsrechtes auch in diesem Fall zieht.

Meine Damen und Herren! In der Tat, jener juristisch versierte Zeitungskommentator hat recht, der vor wenigen Tagen vom Umlernen im Strafrecht geschrieben hat. Vor uns steht die umfangreichste Neugestaltung der Strafrechtspflege seit der Strafrechtsreform der siebziger Jahre.

Der nach einer jahrelangen in voller Öffentlichkeit und in all den verschiedenen Gremien geführte Diskurs hat im Justizausschuß des Hohen Hauses einen breiten rechtspolitischen Konsens gefunden, und ich nehme wohl an, daß das heute auch der Fall ist. Ich halte das für eine gute Voraussetzung für eine Umsetzung der Diversion in die Praxis und für eine Akzeptanz auch durch die Bevölkerung.

Ich möchte nicht verabsäumen, an dieser Stelle allen, die am Zustandekommen dieses heutigen Beschlusses in der einen oder anderen Phase ihren Beitrag geleistet haben, herzlich zu danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

21.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Bundesminister.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

21.25

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs eines festhalten: Herr Kollege Ofner, Sie haben hier in einer tatsächlichen Berichtigung behauptet, die Richtervereinigung wäre gegen die Einführung dieser Maßnahme gewesen. Das ist nicht richtig! Ich habe hier ein Stichwort-Protokoll des Ausschusses, und dort hat Herr Aistleitner ausdrücklich gesagt, erstens, daß sie anerkennen, daß auf die Bedenken der Richter eingegangen wurde, zweitens, daß es eine vernünftige Lösung ist, drittens, daß die Einzelfallgerechtigkeit gewinnt, daß die Grenze der Einzelrichterzuständigkeit gut ist und so weiter und so fort. – Was Sie hier gesagt haben, ist also nicht ganz richtig! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, daß die Österreichische Volkspartei gegen den ursprünglichen Entwurf tatsächlich massive Bedenken gehabt hat. Wir können aber heute feststellen, daß auf viele dieser Bedenken eingegangen wurde. Uns kam es vor allem auf die Verstärkung der Einflußmöglichkeiten des Opfers und auf die Verbesserung der Wiedergutmachung für das Opfer an.

Es ging uns auch um die Definition des Anwendungsbereiches; auch das wurde bereits gesagt.

Letztendlich aber – und das war für uns ein besonderes Problem, das gebe ich gerne zu – ging es um jene Fälle, bei denen es nicht um die Bereinigung eines persönlichen Konfliktes, sondern um die Bereinigung eines Konfliktes zwischen Einzelpersonen und den Institutionen des Staates geht.

Mit Genugtuung können wir heute feststellen, daß es gelungen ist, einen Gesetzentwurf mit Augenmaß auszuverhandeln, der sich breiter Zustimmung gewiß sein kann. Durch das neue Gesetz wird mehr für das Opfer getan (Abg. Dr. Ofner: Das ist überhaupt nicht wahr! Unverschämt! Es ist eine Entkriminalisierung!), ohne daß man vor den Massendelikten kapitulieren muß, Herr Dr. Ofner!

In den Bereichen der Kleinkriminalität kommt es nicht zur Entkriminalisierung – das wissen Sie genauso wie wir –, denn sonst müßten wir die Tatbestände eliminieren oder man hätte zumindest die Bestimmungen über die Strafwürdigkeit angreifen müssen. Das haben wir nicht getan, das haben wir verhindert. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.)

Herr Dr. Ofner! Sie wissen, daß es in diesen Bereichen sogar zu einer Verschärfung der bisherigen Situation kommt, wie zum Beispiel beim Ladendiebstahl. Wie war es denn bisher? Der Täter hat eine bedingte Geldstrafe bekommen. Das hat ihn überhaupt nicht gekratzt!

Wir nehmen daher die Absicht des Justizministers wirklich positiv auf, daß in diesen Fällen eine Geldbuße und Schadensgutmachung vorgesehen werden sollen (Abg. Dr. Ofner: Daß er keine bedingte Geldstrafe bekommt!) und daß der Täter keine bedingte Geldstrafe bekommt. (Abg. Dr. Ofner: Sie haben doch gesagt: Das hat ihn nicht gekratzt!) Er hat mit keinem Ohrwaschel mehr gewackelt. Das wissen Sie doch! (Abg. Dr. Ofner: Aber entschuldige, ich weiß es, ich habe ...!)

Herr Dr. Ofner! Alle Fraktionen in diesem Haus sind der Meinung, daß es durch diese Maßnahmen nicht zur Entkriminalisierung kommt, sondern daß uns diese Maßnahmen vielmehr neue Möglichkeiten eröffnen, auf strafbares Handeln zu reagieren. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann ist das Ihr persönliches Problem. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Ich habe als Verteidiger gearbeitet und weiß, daß ...!)

Herr Dr. Ofner, ich gebe schon zu, daß ich nicht praktizierender Anwalt wie Sie bin (Abg. Dr. Ofner: Gott sei Dank!), aber gerade Sie müßten wissen, daß der ATA neue Möglichkeiten eröffnet, und Sie wissen es auch. Sie behaupten hier etwas wider besseres Wissen. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist nichts Neues!) Mich wundert das schon, denn Sie waren doch derjenige, der diese Maßnahme zuerst in Österreich als Justizminister eingeführt hat! (Abg. Schwarzenberger: Das ist aber lange her!) Heute aber sind Sie auf einmal gegen die Diversion. Heute malen Sie auf einmal den Teufel an die Wand, was alles passieren kann, wenn man diese Maßnahmen einführt. (Beifall bei der ÖVP.) Ich muß schon sagen: tempora mutantur! oder: Die Zeiten ändern sich! (Abg. Dr. Krüger: Das hat nicht alles eure Zustimmung, sei ehrlich!)

Ausdrücklich betont wird von uns, von der Volkspartei, daß die Stellung des Verletzten wesentlich verbessert wird (Abg. Dr. Krüger: Das ist überhaupt nicht wahr!), und wir danken dem Justizminister dafür, daß er auf unsere Argumente auch eingegangen ist. (Abg. Mag. Stadler: Stimmt zu! § 209 wird durch die Hintertür straffrei!)

Die Schadensgutmachung als Voraussetzung für die Diversion wird stärker hervorgehoben. Die Staatsanwaltschaft muß sich mit den Interessen des Opfers auseinandersetzen – auch das wissen Sie, Herr Dr. Ofner –, und es kommt zuerst die Schadensgutmachung und erst dann die Diversion. (Abg. Dr. Ofner: Wenn möglich, unbefristet!)

Ein weiterer wichtiger Punkt: Der außergerichtliche Tatausgleich wird grundsätzlich von der Zustimmung des Verletzten abhängig gemacht, wobei ihm eine Vertrauensperson zur Verfügung gestellt wird. Auch da eröffnen sich Ihrem Stand, Herr Dr. Ofner, großartige Möglichkeiten. Das heißt, daß es nicht gegen den Willen des Verletzten zur Anwendung dieses Reaktionsmittels kommen kann. (Abg. Dr. Ofner: Lesen Sie doch nach!) Es kann nicht gegen den Willen des Verletzten zum außergerichtlichen Tatausgleich kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Besonders unterstreichen möchte ich die Feststellungen im Ausschußbericht, daß die Einführung des außergerichtlichen Tatausgleiches nicht dazu führen darf, die Gewalt in der Familie quasi zum Kavaliersdelikt zu machen. Das war uns sehr wichtig. Besonders wichtig ist uns – und da unterscheiden wir uns von Ihrer Auffassung, Frau Dr. Schmidt, aber auch das muß in einer parlamentarischen Auseinandersetzung möglich sein – die Absicht des Justizministers, im Zuge der Einführung des Gesetzes sicherzustellen, daß Delikte wie Widerstand gegen die Staatsgewalt oder der tätliche Angriff gegen einen Beamten grundsätzlich nicht Gegenstand des außergerichtlichen Tatausgleichs werden sollen.

Zusammenfassend erlauben wir uns, festzustellen: Der vorliegende Entwurf ist ein großer Fortschritt im Bereich der strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten im allgemeinen und des Opferschutzes im besonderen. Ich appelliere auch an die Opposition, in dem Fall an die Freiheitliche Partei: Wir beschreiten mit diesem außergerichtlichen Tatausgleich für Erwachsene Neuland in Österreich, und man sollte den Justizorganen nicht mit Mißtrauen begegnen, sondern ihnen auch die Möglichkeit geben, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die ÖVP war stets ein Anwalt für die Interessen der Opfer von strafbaren Handlungen. Wir werden auch in Zukunft mit aller Kraft für diese Anliegen eintreten! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Fekter und Jarolim einbringen betreffend die Verbesserung der Verständigungspflichten, Redaktionsversehen bei den Inkrafttretensbestimmungen und eine Klarstellung, daß eine Kostenbeteiligung des Verdächtigen an Verfahrenshilfekosten nur für neue Fälle zur Anwendung kommen soll.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Jarolim und Kollegen zum Bericht des Justizausschusses (1615 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (1581 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion) in die Strafprozeßordnung eingefügt sowie das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (Strafprozeßnovelle 1999)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion) in die Strafprozeßordnung eingefügt sowie das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (Strafprozeßnovelle 1999) in der Fassung des Ausschußberichtes (1615 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In Art. I Z 3 hat § 90j Abs. 2 zu lauten:

"(2) Verständigungen und Mitteilungen nach den §§ 90c Abs. 4, 90d Abs. 1 und 4 sowie 90f Abs. 1 und 3 sind dem Verdächtigen selbst zu eigenen Handen zuzustellen. Im übrigen ist auch bei Zustellungen durch den Staatsanwalt § 80 anzuwenden."

2. Art. VII wird wie folgt geändert:

a) Abs. 1 hat zu lauten:

"(1) Die durch Art. I Z 1b, 4a bis 4d, 13, 13a, 18 und 21, Art. II Z 5, 6 lit. b und 10, Art. IV und Art. V Z 1 bis 5 geänderten Bestimmungen treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag, die übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit 1. Jänner 2000 in Kraft."

b) Dem Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

"§ 393 Abs. 1a der Strafprozeßordnung ist nur dann anzuwenden, wenn ein Verfahrenshilfeverteidiger nach Inkrafttreten des § 41 Abs. 2 in der Fassung des Art. I dieses Bundesgesetzes bestellt wurde."

*****

Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

21.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, der soeben verlesen wurde, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Michael Krüger. – Bitte.

21.34

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Einwendungsdebatte haben Kollegen von meiner Fraktion bereits darauf hingewiesen, worum es der ÖVP bei dieser wichtigen Materie offensichtlich gegangen ist. Mit Recht sprechen Sie, Herr Justizminister, von einem Meilenstein. Ob dieser positiv oder negativ ist, wird von mir noch zu beleuchten sein. Sie kennen meine Einstellung dazu. Aber mit Recht sprechen Sie von einem Meilenstein, und mit Recht haben meine Kollegen darauf hingewiesen, daß es der ÖVP darum geht, daß dieses Gesetz hier zu einer wenig publikumswirksamen Zeit abgehandelt und beschlossen werden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der mit ihren Unterlagen beschäftigten Abg. Dr. Fekter.)

Denn ich kann eines an Ihren Mienen sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren – herzlichen Dank für den Applaus, Frau Kollegin Fekter! –, so lange kenne ich Sie bereits, und teilweise schätze ich Sie auch wirklich außerordentlich: Ich kann an Ihren Mienen förmlich erkennen, daß Sie in Wirklichkeit ein ganz negatives Gefühl beschleicht, wenn Ihnen durch die Vorsitzende des Justizausschusses nahegelegt wird, hier diesem Gesetz zuzustimmen. (Abg. Dr. Trinkl: So schlecht ist es nicht!)

Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, Herr Kollege Trinkl, und sagen, das sei keine Entkriminalisierung. Einigen wir uns einmal darauf, was es heißt, kriminell zu sein, eine kriminelle Handlung, eine strafbare Handlung zu begehen! Wenn Sie jetzt sagen: Abstrakt ist sie ja strafbar, weil sie noch im Gesetz pönalisiert ist, aber im konkreten Fall ist sie nicht strafbar – bitte, das ist doch ein Streit um des Kaisers Bart! In Wahrheit geht es um den größten Entkriminalisierungsschritt des Strafrechts seit Broda! Das sei einmal festgestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß Sie da zustimmen, wundert mich wirklich, weil Sie – Herr Kollege Trinkl und meine geschätzten Damen und Herren von der Volkspartei – sich damit in ein Boot mit denjenigen setzen, die den Gedanken der gefängnislosen Gesellschaft noch immer vor Augen haben, nämlich mit jenem Spektrum, das auf der linken Seite dieses Hohen Hauses vertreten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Trinkl: Nein! Das ist ein Irrtum!)

Meine Damen und Herren! Kollege Jarolim, ich muß dir eines sagen: Ihr seid da weit hintennach. Ihr seid mit eurer Gesellschaftspolitik hintennach. Schau einmal die Sicherheits- und Justizpolitik in England an, von deinem Parteifreund Tony Blair, der mit Recht sagt: "Law and order is a labour issue." Dort seid ihr noch lange nicht. Ihr seid auch mit diesem Gesetz nicht modern, das in Wirklichkeit die größte Entkriminalisierung bedeutet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier einmal mit einigen Unrichtigkeiten aufräumen. Ich darf bei Ihnen beginnen, Herr Minister. Es ist ganz einfach nicht richtig – ich bitte Sie, daß Sie sich davon distanzieren –, wenn Sie hier den Abgeordneten plausibel machen wollen, daß der außergerichtliche Tatausgleich nur bei Zustimmung des Opfers stattfindet. (Abg. Mag. Stadler: Lies es vor!) Genau dasselbe hat dann Herr Kollege Trinkl nachgebetet. Wie schaut es da aber wirklich aus?

Im § 90g Abs. 2 steht: "Der Verletzte ist in Bemühungen um einen außergerichtlichen Tatausgleich einzubeziehen, soweit er dazu bereit ist. Das Zustandekommen eines Ausgleichs ist von seiner Zustimmung abhängig, es sei denn, daß er diese aus Gründen nicht erteilt, die im Strafverfahren nicht berücksichtigungswürdig sind." (Abg. Mag. Stadler: So!) – Da haben wir es! Das ist ein ganz klares Schlupfloch!

Bleiben wir bei dem Beispiel von Frau Kollegin Schmidt. Meiner Ansicht nach – das muß ich Ihnen ehrlich sagen – ist die Würde jedes Menschen gleich, ob das ein Polizist ist oder nicht, aber gesetzt den Fall, daß das Opfer nicht bereit ist, zuzustimmen, dem Beschuldigten die Hand zu geben, weil dieser ihm beispielsweise die Zähne eingeschlagen hat, und das Gericht dann sagt, daß das keine berücksichtigungswürdigen Gründe sind, weil – das ist ja unglaublich! – er zur Versöhnung nicht bereit ist, dann kommt doch folgendes heraus: daß die Zustimmung zu einem außergerichtlichen Tatausgleich nicht erforderlich ist!

Es gibt eine Vielzahl von Schlupflöchern, die es den Beschuldigten ermöglichen werden, auch in Zukunft keinen Schadenersatz oder nur wenig Schadenersatz zu zahlen. Es ist eine Mär, Frau Kollegin Fekter, die Sie da die Öffentlichkeit glauben machen wollen, nämlich, daß das ein Gesetz zugunsten der Opfer ist. Überhaupt keine Frage! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Was hat er bisher bekommen? Wie war die Stellung bisher?)

Es steht beim außergerichtlichen Tatausgleich sogar drinnen, daß er den Schaden nicht unbedingt gutmachen muß (Abg. Dr. Trinkl: Was hat er bisher bekommen?), sondern es genügt, wenn er sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt. Einen Beitrag darf er leisten! (Abg. Dr. Fekter: Sie müssen schauen, was er bisher bekommen hat!) Genauso ist es beim Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages: Soweit dies möglich und zweckmäßig ist, darf er einen Geldbetrag binnen sechs Monaten leisten. Genauso ist es beim Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen: soweit dies zweckmäßig und möglich ist.

Es ist also eine Mär, mit der man aufräumen muß, daß eine volle Schadenersatzzahlung Voraussetzung für die Anwendung der Diversion ist. Merken Sie sich das, und nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es tritt auch keine wesentliche Änderung ein, meine Damen und Herren, denn schon bisher – das wissen die Praktiker – war der Beschuldigte gut beraten, wenn er eine Schadensgutmachung oder einen Teil davon geleistet hat, denn das war in Wirklichkeit der wesentliche Milderungsgrund. Da ändert sich also in Wahrheit nicht sehr viel. (Abg. Dr. Jarolim: Warum regen Sie sich dann so auf?)

Mit einer weiteren Unrichtigkeit möchte ich auch ... Herr Kollege Jarolim! Dein Argument wird dadurch nicht besser, daß es lautstark vorgetragen wird. Du hast hier auch die Kollegen falsch informiert. Du hast in das Gesetz nicht hineingeschaut, denn sonst könntest du nicht sagen, eine geringe Schuld sei Voraussetzung für die Diversion. Schau hinein! Da steht: wenn "die Schuld des Verdächtigen nicht als schwer anzusehen" ist. Sind wir uns einig, daß das einen Unterschied macht? Ich weiß es nicht. Oder beginnen wir beim Abc für Juristen? Da können wir auch beginnen. Aber daß das einen massiven Unterschied macht, ist wohl klar.

Wenn hier alle sagen, daß die Experten einstimmig der Meinung gewesen wären, das sei das Gelbe vom Ei, so muß ich sagen: Das ist nicht richtig! Kollege Ofner hat bereits darauf hingewiesen. (Abg. Dr. Jarolim: Ofner war dagegen! Die Experten waren alle dafür!) Es ist nicht richtig, weil die Rollenverteilung mit Recht kritisiert wurde. Bisher war es noch immer Aufgabe der unabhängigen Justiz, zu entscheiden, ob beispielsweise mangelnde Strafwürdigkeit der Tat zugunsten des Beschuldigten anzuwenden war. Jetzt entscheidet der Staatsanwalt, und der Staatsanwalt ist weisungsgebunden. (Abg. Dr. Jarolim: Was ist das für eine Wertung?)

Herr Bundesminister! Ich möchte jetzt gleich zum Thema Weisungsgebundenheit überleiten, weil Sie mich gestern so harsch kritisiert haben, da ich mir die Aussage erlaubte, daß das Weisungsrecht unterschiedlich angewendet wird, je nachdem, um welchen Beschuldigten es sich handelt. Das ist überhaupt keine Frage. Wenn Sie schon mir nicht glauben, dann glauben Sie bitte dem früheren Präsidenten der Richtervereinigung, Herrn Woratsch. Er sagt: "Wir haben in Europa wahrscheinlich die abhängigsten Staatsanwälte." Und er sagt wortwörtlich – das ist jetzt nicht von der Opposition –: "Sie stehen unter der Fuchtel des Ministers." (Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

Ich habe Ihnen gestern ein paar Beispiele genannt. Wenn es um sozialdemokratische Politiker wie Herrn Hatzl geht, der der SPÖ etwas, was nach Auskunft des Rechnungshofes 100 000 S im Monat kosten würde, um 4 000 S vermietet, dann ist das keine Untreue und kein Amtsmißbrauch, und das Verfahren wird eingestellt! Auch wenn es der Staatsanwalt weiterverfolgen will, stellt es der Oberstaatsanwalt ein, und der Minister sagt: Das nehme ich zur Kenntnis!

Umgekehrt ist es, wenn ein Mandatar der Freiheitlichen – so geschehen in Kärnten – beschuldigt wird, eine Tageszeitung mit einem angeblichen Schadensbetrag von 8 S gestohlen oder entwendet zu haben, wobei Aussage gegen Aussage steht und das Verfahren eingestellt werden soll, weil es ja um eine Entwendung geht und damals die "Kronen Zeitung" keine Zustimmung zur Verfolgung gegeben hat. Da gibt es dann auf einmal eine umgekehrte Weisung, und man sagt: Das ist keine Entwendung, das ist ein Diebstahl! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Darum gehört es weg!) Gott sei Dank ist der Kollege dann in zweiter Instanz freigesprochen worden. (Abg. Dr. Jarolim: Sie können die Judikatur nicht ...!) Aber die politische Intention, meine Damen und Herren, war eine andere! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist erschreckend!)

Lassen Sie mich trotz einer geringfügigen Überziehung noch eines sagen; ich bitte meine Kollegen dafür um Verständnis. – In der Causa Meischberger sind Dinge zutage getreten, die aufklärungswürdig sind, meine Damen und Herren! Ich sage das nicht nur, weil mein Kanzleikollege Herrn Meischberger vertreten hat. Das Finanzamt wollte den Akt schließen und hat eine Weisung bekommen: Nein, das ist nicht zu tun! (Abg. Mag. Stadler: Ihre unabhängige Justiz, Herr Minister!)

Herr Mair, der Kronzeuge der Anklage, hat Hunderte Millionen Schilling veruntreut und ist nach der halben Strafe heimgegangen. Wieso ist er heimgegangen? (Zwischenrufe der Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer und Mag. Stadler.) Sehen Sie da keinen Zusammenhang, obwohl Herr Staatsanwalt Siegele – das hat Herr Mair vor vier unabhängigen Zeugen gesagt – vor der Verhandlung zu ihm ins Halbgesperre gekommen ist und angeregt hat, er möge doch bei der Verantwortung bleiben und die Interpretation anderen überlassen, weil er ihn noch braucht?

Herr Mair ist nach der halben Strafe freigegangen. Nennen Sie mir einen weiteren Fall in Österreich, in dem jemand Hunderte Millionen Schilling veruntreut hat, aber nach Verbüßung der Hälfte der Strafe freigeht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Oder auch, wenn der Herr Präsident der Richtervereinigung Felzmann auf die Frage des "NEWS"-Journalisten Worm: "Stimmt denn das, was Herr Meischberger sagt, daß dem OGH oder einzelnen Mitgliedern eine SPÖ-Nähe zu unterstellen ist?", antwortet: Nein, das ist ein Nonsens!

Faktum ist – Herr Minister, bitte äußern Sie sich dazu! –, daß der Vorsitzende des Senates in der Causa Meischberger beim Obersten Gerichtshof Angehöriger des Bundes Sozialistischer Akademiker ist. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!) Zum Vereinszweck des Bundes Sozialistischer Akademiker gehört die Unterstützung sozialistischer Politik. Da wollen Sie mir weismachen, daß das eine unabhängige Justiz ist?! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Was war denn bei Partik-Pablé? – Lächerlich!)

Herr Kollege Jarolim! Ich sage dir, was lächerlich ist: Stell dir vor, damals im sogenannten Sinowatz-Worm-Komplex, als ein Sozialist nach dem anderen dank eines unabhängigen Justizministers verurteilt wurde (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Jetzt zeigt er Nerven! Jetzt wird er nervös, der Herr Jarolim!), wäre herausgekommen, daß der Vorsitzende Mitglied des Freiheitlichen Akademikerverbandes gewesen wäre. Da wäre der Teufel los gewesen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir bringen aus all diesen Gründen folgenden Antrag ein (Abg. Dr. Jarolim: Zum Russenmord und Partik-Pablé, was sagen Sie dazu? – Eine Schande ist das!):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Krüger und Kollegen betreffend Unabhängigkeit der Rechtsprechung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, zu prüfen,

ob die vom Präsidenten des Wiener Straflandesgerichtes Dr. Woratsch aufgezeigten, durch die in die Rechtsprechung hineindrängende Parteipolitik verursachten Gefahren für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung zutreffen und wie sie beseitigt werden können,

ob und inwieweit in dem Strafverfahren gegen Klaus Mair und gegen Ing. Walter Meischberger politische und andere unsachliche Einflußnahmen stattgefunden haben, welche Ziele beziehungsweise Interessen dabei verfolgt wurden, wer dafür verantwortlich ist, welche Konsequenzen daraus gezogen wurden beziehungsweise noch gezogen werden und

darüber dem Nationalrat bis längstens 23. März 1999 zu berichten.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es wirklich bei allem so objektiv zugegangen ist, können Sie diesem Entschließungsantrag ohne weiteres zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

21.46

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte aus Zeitgründen gar nicht auf die Vorwürfe an die Justiz eingehen, die hier jetzt geäußert worden sind. (Abg. Scheibner: Tun Sie es doch! – Abg. Mag. Stadler: Wenn Sie dazu in der Lage sind, tun Sie es bitte!) Ich möchte auch nicht auf die Vorwürfe an den Herrn Bundesminister eingehen, ich denke, daß er selbst imstande ist, sich dagegen zu wehren. Das, was hier gesagt worden ist, ist wirklich absurd.

Ich möchte mich lieber mit der Novelle beschäftigen, die wir heute hier beschließen sollen. Ich möchte sagen, daß ich mich darüber freue, daß wir sie beschließen, denn ich halte sie für einen wichtigen Schritt zur Erweiterung der Reaktionsmöglichkeiten des Staates auf strafrechtlich relevantes Verhalten, für einen Quantensprung und eine wirklich bedeutende Reform. (Abg. Jung: Können Sie uns auch sagen, warum?)

Durch den außergerichtlichen Tatausgleich, aber auch durch die anderen Formen der Diversion wird die Möglichkeit geschaffen, nicht nur mit der traditionellen Haft- und Geldstrafe zu reagieren, sondern andere und meiner Ansicht nach in vielen Fälle bessere Wege zu finden, um dem Täter sein rechtswidriges Verhalten vor Augen zu führen, dem Opfer Genugtuung zu geben und damit für die Wiederherstellung des sozialen Friedens zu sorgen. Das ist der Kern dieser Novelle, auch wenn hier jetzt immer wieder etwas anderes behauptet worden ist.

Es geht nicht um Entkriminalisierung, und zwar nicht deshalb, weil das materielle Strafrecht in keiner Weise geändert wird, sondern es geht auch in dem konkreten Fall nicht um Entkriminalisierung. Das Verhalten ist ja strafbar, es wird nur eine andere Form der Reaktion gesucht. Ich meine – und darin stimmen auch alle Experten überein –, daß das in vielen Fällen – nicht in allen, aber in vielen Fällen – eine vernünftigere Vorgangsweise ist.

Wieder zur Stellung des Opfers: Es ist schon mehrmals gesagt worden – auch wenn Sie das bestreiten, es ist so! –, daß sich die Stellung des Opfers in diesem Verfahren wesentlich verbessert. Wir wissen genau, daß im Strafverfahren das Opfer keinen wirklichen Stellenwert hat, daß es Zeuge ist, aber nicht einbezogen wird in der Weise, daß der Tatverdächtige aufgefordert wird, seine Schuld dem Opfer gegenüber anzuerkennen, Einsicht zu zeigen und Wiedergutmachung zu leisten. Der bisherige Anwendungsbereich zeigt, daß es sehr positiv ist, wenn versucht wird, einen Ausgleich zwischen Täter und Opfer zu finden. (Abg. Jung: Da zeigt sich jetzt Erklärungsnotstand!)

55 Prozent der Anwendungsfälle fanden bisher im sozialen Nahbereich statt. Das heißt, daß Täter und Opfer einander kennen. Es handelt sich oft um Konflikte im Freundes- und Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft. Strafe führt dann oft zu einer Verhärtung, während es durch den außergerichtlichen Tatausgleich doch immer wieder möglich ist, auch zu einem Abbau der Spannungen und der Probleme zu kommen.

84 Prozent der Opfer wollen einen Tatausgleich, weil sie zu Recht den Eindruck haben, daß sie im Strafprozeß nur eine Nebenrolle spielen würden und keine wirkliche Auseinandersetzung mit den Problemen erfolgt. (Abg. Jung: Von welcher Umfrage haben Sie das?) Es ist auch so, daß 84 Prozent der Opfer mit dem Tatausgleich zufrieden sind. Das ist eine seriöse Untersuchung. (Abg. Jung: Sagen Sie uns, von welcher Umfrage das kommt! – Abg. Dr. Jarolim: Jungsche Geheimdienst-Umfrage!) Sie haben das im Ausschuß gehört. Wenn Sie aufgepaßt hätten, dann wüßten Sie, was die Experten dort gesagt haben. Aber ich merke, daß Sie eine sehr selektive Wahrnehmung haben. (Abg. Dr. Jarolim, in Richtung des Abg. Jung: Lesen Sie es nach!)

Um jetzt noch einmal auf die Argumente einzugehen: Im Ausschuß ist das Argument vorgebracht worden, es handle sich um ein Loskaufen. Hier wird jetzt eher argumentiert, es werde versucht, die Opfer abzuspeisen. Beides ist nicht richtig. Es ist auch schon gesagt worden – aber Sie hören nicht darauf –, daß der Zivilrechtsweg offenbleibt, sodaß zuerst im Verfahren des außergerichtlichen Tatausgleiches versucht wird, auch eine materielle Schadensgutmachung zu erreichen, daß aber darüber hinaus noch der Zivilrechtsweg zur Verfügung steht.

Zur Rolle der Bewährungshelfer, die als Konfliktregler auftreten, möchte ich sagen, daß auch hier immer wieder argumentiert wird, daß diese auf der Seite des Täters und nicht auf der des Opfers stehen. Das ist keineswegs der Fall. Es handelt sich nicht um jene Bewährungshelfer, die als Bewährungshelfer für Verurteilte auftreten, sondern das sind eigens spezialisierte Konfliktreglerinnen und Konfliktregler. Ich möchte betonen, daß diese Menschen sehr positive Arbeit leisten und daß der Tatausgleich bisher ein wirklicher Erfolg gewesen ist.

Die Diversion stellt ein wichtiges neues Element in der österreichischen Strafrechtspflege dar. Ich freue mich, daß wir uns heute dafür entscheiden, einen erfolgversprechenden Weg zu gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Es gibt die Vereinbarung, daß Sie auch vom Sitz aus sprechen können, wenn Sie das wünschen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.52

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Ich spreche heute vom Platz aus, nicht weil ich es mir wünsche, sondern weil der Lift kaputt ist und ich nicht zum Rednerpult fahren kann.

Der Grund dafür, daß ich mich zum außergerichtlichen Tatausgleich zu Wort melde, besteht darin, daß der außergerichtliche Tatausgleich untrennbar mit dem Namen Dr. Stremesberger aus Linz verbunden ist. Keiner, der sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, wird je vergessen, daß es Dr. Stremesberger war – einer der engagiertesten Richter in den Jahren 1980 bis 1985 –, der das Projekt des außergerichtlichen Tatausgleiches in Linz begonnen hat.

Dr. Stremesberger hätte in seinem Leben sicherlich noch sehr viel in diese Richtung getan, wäre er nicht selbst im Gericht in Linz einem Amokläufer zum Opfer gefallen und dort getötet worden. Ich glaube, wir dürfen eines nicht vergessen: Dr. Stremesberger steht hinter dem außergerichtlichen Tatausgleich.

Ich habe bereits 1987 mit Dr. Stremesberger sehr intensiv zusammengearbeitet, und zwar als Leiterin eines gemeinnützigen Vereines in Linz. Ich bin das Wagnis eingegangen, mit Jugendlichen zu arbeiten, die die Chance hatten, den außergerichtlichen Tatausgleich in einem Sozialverein abzuleisten.

Meine Damen und Herren, speziell Sie von den Freiheitlichen! Sie müssen einmal bereit sein, mit Menschen zu arbeiten, die diese Chance nützen. Erst dann können Sie bewerten, ob es etwas bringt oder nicht. Ich habe niemals studiert, ich bin keine Juristin, aber ich habe mit straffälligen Jugendlichen gearbeitet und hatte weder Angst noch Bedenken, denn es war eine positive Arbeit sowohl für mich als auch für die Jugendlichen. Ich glaube, daß die Jugendlichen die positiven Erfahrungen, die sie in unserem Sozialverein gemacht haben, nie in einem Gericht oder dann, wenn sie eingesperrt wären, machen würden.

Die Opfer/Täter-Bekanntschaft und die Versöhnung haben weit über diesen Akt hinaus gereicht. Ich möchte nur ein einziges Beispiel dafür anführen, damit Sie wissen, wovon ich rede. Ich erlebte, daß ein Mann beim Tatausgleich dann bereit war – weil er Friseur war –, einer alten Dame ein Jahr lang in seiner Freizeit kostenlos die Haare zu schneiden. Für diese Frau war das eine "Riesensache", denn es ging ihr finanziell nicht gut. Die Freundschaft oder Bekanntschaft mit dieser alten Frau hat sich so weit ausgedehnt, daß der Mann am Schluß nicht nur ihr, sondern auch ihren zehn oder elf Freundinnen monatelang, ja jahrelang umsonst die Haare geschnitten hat. Ich denke, daß das Beispiel dieser Erfahrung doch nur zeigen kann, wie sinnvoll es ist, daß Jugendliche eine solche Chance haben.

Ich habe hinterher noch oft Jugendliche getroffen, die den außergerichtlichen Tatausgleich in meinem Verein gemacht haben. Die Erfahrungen waren sehr gut, und die Rückfallsquote war sehr niedrig.

Herr Dr. Krüger! Ich glaube, daß Sie einen wichtigen "Lebensabschnitt" insofern versäumt haben, als sie nicht die Chance hatten, bei Dr. Stremesberger zu arbeiten. Wäre Ihnen das möglich gemacht worden oder wären Sie damals schon mit ihrem Studium fertig gewesen – ich weiß nicht, was der Grund dafür war (Abg. Dr. Krüger: Ich kenne ihn gut!) –, dann könnten Sie jetzt nicht so reden, wie Sie vorhin gesprochen haben. (Abg. Dr. Krüger: Das war für Jugendliche! Das wird heute nicht unterschieden!)

Übrigens haben Sie es mit dem Recht auch nicht so auf sich, Herr Dr. Krüger! Wie Sie wissen – das ist allerdings eine andere Sache –, ist die Landesgruppe Oberösterreich der Freiheitlichen verurteilt worden. Sie hat einen Prozeß gegen mich verloren und hat noch einiges einzulösen. Das hat sie bis heute nicht getan. Sprechen Sie nicht von Recht, wenn Sie selbst nicht bereit sind, gesprochenes Recht dann auch auszuführen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte. (Abg. Dr. Graf: Fällt ihm schwer, da herauszukommen!)

21.57

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich als Verkehrssprecher heute mit dem Verkehrsstrafrecht im Zusammenhang mit der Diversion beschäftigen, weil diese selbstverständlich auch im Verkehrsstrafrecht den Verzicht auf die Durchführung eines Strafverfahrens oder die Beendigung eines Strafverfahrens ohne Schuldspruch und damit auch ohne Eintragung in das Strafregister mit sich bringt. Das begrüße ich ausdrücklich.

Das bedeutet, daß nach Verkehrsunfällen, bei denen es zu fahrlässiger Körperverletzung gekommen ist, nicht aber – das betone ich ausdrücklich – zu einem Todesfall, statt einer bedingten oder unbedingten gerichtlichen Strafe nunmehr auch die Möglichkeit besteht, daß der Staatsanwalt von der Strafverfolgung zurücktritt und statt dessen entweder eine Geldbuße oder die Erbringung einer gemeinnützigen Leistung verlangt. Dabei muß sich der Verdächtige ausdrücklich bereit erklären, innerhalb einer Frist von sechs Monaten unentgeltliche gemeinnützige Leistungen zu erbringen. Welche gemeinnützigen Leistungen zu erbringen sind, steht noch nicht fest, sie sind aber sozusagen in einer Liste beim Staatsanwalt zu führen. Meiner Meinung nach sollen davon in erster Linie Rot-Kreuz-Einrichtungen, Behinderteneinrichtungen und Rehabilitationseinrichtungen betroffen sein, jedenfalls Einrichtungen, die in einem Zusammenhang mit der Rehabilitation von Verkehrsunfallopfern im weitesten Sinn stehen.

Weiters kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer geringfügig strafbaren Handlung unter Bestimmung einer Probezeit von ein bis zwei Jahren zurücktreten. Was ich besonders begrüße, ist, daß diese Probezeit auch mit einer bestimmten Verpflichtung verbunden werden kann. Das könnten bei Verkehrsunfällen wieder insbesondere die Verpflichtung zur Absolvierung von Verkehrsschulungskursen und von Erste-Hilfe-Kursen oder auch der Besuch eines Einstellungs- oder Verhaltenstrainings sein. Das ist also genau jenes Repertoire von Verpflichtungen, die bereits jetzt von den Verwaltungsbehörden bei Alkoholdelikten auferlegt werden können.

Durch diese Diversionsmaßnahmen kommt es einerseits im Verkehrsstrafrecht zu einer gewissen Entkriminalisierung – ich sage das bewußt – bei fahrlässig begangenen Verkehrsdelikten, insoweit, als der Verkehrsstraftäter nunmehr nicht mehr in das Strafregister eingetragen wird, andererseits werden aber durch eine konkrete Wiedergutmachung in Form von gemeinnütziger Leistung oder eben durch die Verpflichtung zu Verkehrsschulungskursen das Bewußtsein für die Tat geschärft, eine stärkere Betroffenheit der Unfallverursacher geweckt und auch der Wiedergutmachungseffekt verstärkt. Das halte ich für eine richtige und notwendige Maßnahme, daher begrüße ich von dieser Warte aus dieses Gesetz. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Und von anderen Warten aus?)

Herr Bundesminister! Ich halte es aber gerade bei Verkehrsstraftaten für notwendig, dem Staatsanwalt auch ganz eindeutige Regelungen zur Anwendung der verschiedenen Diversionsmaßnahmen zu geben, damit es eben in den verschiedenen Gerichtssprengeln nicht zu stark unterschiedlichen Regelungen kommt, wie wir das im Verkehrsstrafrecht zum Teil heute schon haben.

Die ausschließliche Durchführung nur einer diversionellen Maßnahme ist meiner Meinung nach oft auch nicht ausreichend geeignet, dem Verkehrsstraftäter das Unrecht seiner Tat zu verdeutlichen oder der zukünftigen Begehung einer ähnlichen Tat präventiv entgegenzuwirken. Denn während sich nach einem leicht fahrlässigen Verkehrsdelikt in der Regel wohl eine Geldbuße allein als der zweckmäßigste Strafersatz erweisen wird, wäre Verkehrsrowdies und Alkoholstraftätern meines Erachtens in der Regel wohl mit einer Kombination entweder einer Geldbuße und der Auferlegung einer entsprechenden Verpflichtung, wie etwa dem Besuch eines Verkehrsschulungskurses oder eines Erste-Hilfe-Kurses, oder aber einer Geldbuße und einer gemeinnützigen Verpflichtung, wie etwa der Arbeit in einer Rehabilitationseinrichtung für Verkehrsopfer, entsprechend zu begegnen.

Diese Kombination von Diversionsmaßnahmen ist nämlich derzeit nicht möglich, denn derzeit gilt als Diversionsmaßnahme entweder die Zahlung eines Geldbetrages oder die Erbringung einer gemeinnützigen Leistung oder die Bestimmung einer Probezeit oder der außergerichtliche Tatausgleich. Es gilt also immer ein Entweder – Oder, aber eine Kombination ist nicht möglich, und das halte ich zumindest im Verkehrsstrafrecht für nicht in jedem Fall zweckmäßig und zielführend.

Vielmehr wäre es gerade bei Verkehrsstraftaten, die grob fahrlässig begangen wurden, besser, mit einer Kombination von Diversionsmaßnahmen eine entsprechende Antwort zu geben. Insoferne erwarte ich mir, Herr Minister, daß nach einer gewissen Probe- und Erfahrungszeit eine Nachjustierung dieses Gesetzes möglich wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Martin Graf. – Bitte.

22.04

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Einer meiner Vorredner hat schon gesagt, daß wir uns in einer gesellschaftspolitischen Veränderung befinden, und das ist auch richtig. Die Frage geht allerdings nicht so sehr in die Richtung, ob das gut oder schlecht ist, sondern nur, ob man das will oder nicht will. Ich glaube, es haben sich hier im Hohen Haus und in unserer Gesellschaft offensichtlich die linken Justizideologen mit den Sozialromantikern in der ÖVP durchgesetzt – und das ist bedauerlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist insofern bedauerlich, als man natürlich hehre Hintergedanken hat, wenn man an eine derartige Regelung denkt. Und wenn immer wieder der Vergleich mit dem Jugendbereich gezogen wird, wo es derartige Anwendungsfälle gibt, dann muß ich sagen, da werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Man hat sich in der Jugendgerichtsbarkeit bewußt von der Erwachsenengerichtsbarkeit unterscheiden und dort bewußt diese Instrumente wählen wollen. Auch wir Freiheitlichen hätten uns im Fahrlässigkeitsbereich und bei einer geringeren Höchststrafendrohung einer solchen Regelung nicht verschlossen. Da wären wir durchaus gesprächsbereit gewesen. Es gab aber – und das kennzeichnet das Klima im derzeitigen Justizausschuß – nicht einmal mehr eine Gesprächsbereitschaft. Die Fakten sind auf dem Tisch gelegen, und man hat sich einfach mit der Mehrheit durchgesetzt, ohne konkrete und sachliche Argumente wahrzunehmen.

Wenn man sich die konkreten Fälle ansieht, dann muß man sich schon klar darüber werden, was man heute beschließt. So wird heute unter anderem auch – und das ist an die Adresse der ÖVP gerichtet, denn ich glaube nicht, daß Sie das wirklich wollen; daß das die linke Seite dieses Hauses möchte, das wissen wir ja schon seit vielen Jahren – eine Entkriminalisierung des § 209 StGB beschlossen und damit die gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren quasi straffrei gemacht. Was sagen Sie dazu, Frau Kollegin? (Abg. Dr. Fekter: Geldbuße, beispielsweise! Geldbuße!)

Dort treffen alle Tatbestandsmerkmale nach unseren linken Sozialromantikern zu, das Verschulden wird dort immer gering oder nicht schwer sein – daran habe ich keine Zweifel (Abg. Dr. Fekter: Na, was bekommt er denn jetzt?) –, und der Versöhnungscharakter wird im Vordergrund stehen. Wie wird denn das aussehen? (Abg. Dr. Fekter: Und jetzt?) Wie wird denn eine Versöhnung in diesem Deliktstypus ausschauen? Wird es dann heißen: Bussi und Versöhnung? (Weitere Zwischenrufe der Abg. Dr. Fekter.)

Das wollen Sie tatsächlich erreichen? – Das kann es doch gar nicht geben! Gerade dort muß man all das verhindern (Beifall bei den Freiheitlichen), wenn man diese gesellschaftspolitische Veränderung in unserem Land nicht will.

Ich nehme zur Kenntnis, daß die ÖVP diesbezüglich einen Sinneswandel vollzogen hat und nunmehr auch dafür ist, daß es bei Delikten, die unter den § 209 fallen, für die Täter Straffreiheit geben soll. (Abg. Dr. Fekter: So ein Unsinn! Wir ändern doch das Strafgesetz wegen dem § 209 nicht!)

Wie soll denn in diesem Bereich ein außergerichtlicher Tatausgleich zwischen Täter und Opfer funktionieren? Das werden Sie erklären müssen! (Abg. Dr. Fekter: Gemeinnützige Arbeit! Probezeit! Geldbuße! Lesen Sie das Gesetz!) Und es wird sehr wohl auch – und da irrt Kollege Kukacka, der anscheinend permanent irgendwelchen Falschmeldungen aufgesessen ist – einen festgeschriebenen Rechtsanspruch für diesen außergerichtlichen Tatausgleich geben. (Abg. Mag. Kukacka: Unter bestimmten Voraussetzungen! Nur unter bestimmten Voraussetzungen!)

Der Staatsanwalt hat nur in geringen Ausnahmefällen – etwa bei Todesfall oder anderen "Kleinigkeiten", die ausdrücklich ausgenommen sind – die Möglichkeit, einzuschreiten, aber es gibt ein Rechtsmittel dagegen, und dieses Rechtsmittel verdeutlicht diesen Rechtsanspruch noch umso mehr! Und das beschließen Sie heute hier alles mit!

Herr Minister! Mit dieser Novelle wird auch – es mag vielleicht nicht sehr opportun sein, das in diesem Haus zu sagen, aber ich habe es gestern schon gesagt – ein weiterer Schritt gesetzt, um gleichzeitig auch die Aushöhlung des freien Rechtsberufes mit zu bewirken. (Abg. Mag. Stadler: Bis auf die Notare, aber die kommen schon noch!)

Herr Minister! Sie schütteln zwar den Kopf, aber Sie setzen künftig den "Konfliktlöser" ein. Das ist eine neue Qualität. (Abg. Mag. Stadler: "Legalisatoren" statt "Notare"!) Nicht Rechtsanwälte, sondern Vertrauenspersonen können künftig hinzugezogen werden. Sie wehren sich dagegen, daß man den Rechtsanwalt festschreibt. Aber nur der Rechtsanwalt kann letztlich wirklich effizient die individuellen Interessen und Rechte der Betroffenen durchsetzen, und das wissen Sie! Aber wider besseres Wissen setzen Sie diese Konfliktlöser ein.

Aber dieser Weg wurde schon vor langem eingeschlagen. Er hat begonnen bei der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, bei der man die Kammern – Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer – und Gewerkschaften mit der Vertretungsbefugnis vor den Gerichten ausgestattet hat. Sie haben das jetzt mit den Sozialarbeitern in der Konfliktlösung ebenfalls gemacht, und Sie machen es demnächst bei den Mediatoren, sogar ohne daß es ein genaues Berufsbild gibt. Die Psychologen werden künftig Scheidungsfälle vertreten oder aber Richter ein einträgliches und lukratives Nebengeschäft betreiben können. Diese brauchen nämlich die Schweigepflicht oder die Verschwiegenheitsverpflichtung, und deswegen hat man das ja in das Berufsrechtsänderungsgesetz aufgenommen. Wir werden noch darüber diskutieren.

Sie haben das gestern auch für die Wirtschaftstreuhänder bezüglich der Vertretung vor den Höchstgerichten, vor dem Verwaltungsgerichtshof – auch im Wiederaufnahmeverfahren, auch im Wiedereinsetzungsverfahren in Finanzstrafdelikten – gemacht (Bundesminister Dr. Michalek: Gegen meine Meinung!), wenn auch gegen Ihre Meinung. Sie sind im Ministerrat mit einer Stimme vertreten! (Bundesminister Dr. Michalek: Ich war nicht im Ministerrat, ich war in ...!) Sie hätten es sicherlich verhindern oder Ihre Stimme kräftig erheben können! Das hätte ich mir von einem Justizminister erwartet.

Aber auch bei der Gleichbehandlung will man lieber eine Behörde als niedergelassene Anwälte mit den Fällen betrauen, weil diese ja angeblich nichts mit der Sache zu tun haben.

Herr Minister! Sie gehören leider Gottes, obwohl Sie selbst einem freien Berufsstand angehören – ich habe das gestern auch dem Wirtschaftsminister gesagt –, zu den Totengräbern der freien Berufe! Ich sage das mit dieser Deutlichkeit, weil es wirklich bereits an die Substanz der freien Berufe geht, da man keine intelligenten Lösungen sucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie erheben, genauso wie der Wirtschaftsminister, die Winkelschreiberei in Österreich zum System (ironische Heiterkeit der Abg. Mag. Stoisits), und dagegen werden wir Freiheitlichen uns immer aussprechen! Die Vertretung durch den Rechtsfreund ist offensichtlich hier im Lande und hier im Hause obsolet geworden. Das tut mir leid. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister und dann Frau Kollegin Fekter zu einer tatsächlichen Berichtigung. – Bitte, Herr Minister.

22.10

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Graf! Da haben Sie mich jetzt aber auf einen sehr sensiblen Punkt angesprochen! Ich komme aus einem freien Beruf und habe das nicht vergessen, auch wenn ich jetzt schon mehr als acht Jahre lang Minister bin. Daß ich mich gegen das Vertretungsrecht der Wirtschaftstreuhänder vor dem Verwaltungsgericht gewendet habe, hat dazu geführt, daß es in der Ministerratsvorlage nicht enthalten war. Daß der Nationalrat hier einen anderen Weg gewählt hat, dagegen kann ich nichts tun. Das ist das Recht des Nationalrats.

Als zweites ist zu dieser Sache anzumerken, daß in jenen Bereichen, in denen sich die Diversion in aller Regel abspielen wird, ja schon jetzt keine rechtlichen Vertretungen in Anspruch genommen werden. (Abg. Dr. Ofner: Das ist ja nicht wahr! Fünf Jahre Strafdrohung!) Der Betroffene bekommt einfach eine Strafverfügung. Und daß er, selbst wenn jetzt eine diversionelle Maßnahme stattfindet, ... (Abg. Dr. Ofner: Das ist der Kern der Strafe!) Herr Abgeordneter Ofner! Eine rechtsanwaltliche Vertretung ist jetzt nicht zwingend vorgesehen, und sie ist auch in den künftigen diversionellen Fällen nicht zwingend vorgesehen.

So wie jetzt ein Betroffener zu seinem Rechtsanwalt geht, wird er auch künftig zu seinem Rechtsanwalt gehen. Daß er das tun kann, das ermöglicht ihm die Beiziehung einer Vertrauensperson. Daher wird die Stellung der Rechtsanwälte in diesem Zusammenhang in keiner Weise verschlechtert! Das hat auch die rechtsanwaltliche Standesvertretung, und nicht der Minister, so erklärt. Die Rechtsanwaltskammer – also jene Vereinigung der Rechtsanwälte, die für die Interessen der Rechtsanwälte einzutreten hat – hat sich ausdrücklich für diese Regelung ausgesprochen. – Danke.

22.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Fekter zu einer tatsächlichen Berichtigung. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. Es geht zunächst um den zu berichtigenden und sodann um den tatsächlichen Sachverhalt. – Bitte.

22.12

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Graf hat behauptet, die ÖVP hätte einen Sinneswandel zur Entkriminalisierung in Richtung Straffreiheit des § 209 durchgemacht. Das ist falsch! – Wahr ist, daß die diversionellen Maßnahmen, denen die ÖVP zustimmt, keine Entkriminalisierung darstellen. Der § 209 bleibt, wie er ist.

Kollege Graf hat ferner behauptet, daß Herr Bundesminister Michalek dem Vertretungsrecht der Wirtschaftsprüfer vor Gerichten zugestimmt hätte. Auch das ist falsch! – Der Herr Bundesminister – er hat es auch selbst erwähnt – war immer dagegen. Noch kurz vor der Beschlußfassung in diesem Haus hat er das unserer Fraktion gegenüber artikuliert. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Aber Sie waren dafür! Si tacuisses! – Abg. Dr. Graf: Sie waren dafür!)

22.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Abgeordneter Anna Huber. – Bitte.

22.13

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle fest: Die Kollegen von der FPÖ haben ein außerordentlich selektives Wahrnehmungsvermögen, sowohl was das Lesen der Gesetzesvorlage anbelangt, als auch, was ihre Interpretation betrifft, aber auch dann, wenn es um die Aussagen der Experten im Ausschuß geht.

Es wird ja in Wahrheit mit diesem Diversionspaket nur das nachvollzogen, was bereits 14 Jahre lang im Jugendbereich äußerst erfolgreich angewendet wird und was im Modellversuch auch für Erwachsene bereits in vielen Fällen schon außerordentlich erfolgreich in Österreich angewendet wurde.

Es ist ganz klar – und das ist ja auch von nahezu allen Rednern angesprochen worden –, daß das für die Stellung des Opfers einen beträchtlichen Vorteil gegenüber dem jetzigen Rechtszustand bringt. Die wichtigste Frage – zumindest war sie es für mich – bei dieser neuen Maßnahme lautet nämlich: Wie sieht es mit der Rückfallshäufigkeit aus? Werden die Täter, die nicht der Gerichtsbarkeit und damit der klassischen Strafverfolgung übergeben werden, wieder rückfällig? Und die zweite noch wesentlichere Frage ist: Wie beurteilen denn die Opfer eine derartige Intervention? Wie zufrieden sind sie mit dem Ergebnis dieses außergerichtlichen Tatausgleichs?

Wenn man sich die Statistik ansieht, dann sieht man, daß sie eine überaus deutliche Sprache spricht. Es wird nämlich im Fall der außergerichtlichen Einigung – im Verhältnis zur gerichtlichen Verurteilung – nur die Hälfte der Täter wieder rückfällig! Und das ist ja auch verständlich, wenn man sich das psychologisch überlegt: Es ist eben die Wirkung eine ganz andere, wenn der Täter sich mit dem Opfer auseinandersetzen muß, wenn ihm damit auch verdeutlicht und vor Augen geführt wird, welchen Schock oder welches Leid diese Tat dem Opfer verursacht hat.

Es ist dadurch – das bestätigen alle, die damit befaßt sind – natürlich die Bereitschaft der Wiedergutmachung eines erlittenen materiellen oder immateriellen Schadens ungleich höher als dann, wenn der Täter bei Gericht eine Strafe ausfaßt und sich damit eigentlich schon genug gestraft fühlt.

Bei der Konfliktregelung – auch wenn das zu Beginn der Debatte von den Kollegen auf der rechten Seite äußerst vehement bestritten wurde – kommt dem Opfer, dem von ihm erlittenen Schaden oder Schmerz, der erlittenen Unbill, eine ganz zentrale Rolle zu. Wir wollen daher mit der Änderung der Strafprozeßordnung eine dauernde gesetzliche Grundlage ... (Abg. Jung: Inwiefern?) Das habe ich gerade erklärt! Hören Sie eben ein bißchen zu! Es ärgert mich irgendwie, daß sich die Lautstärke der Zurufe umgekehrt proportional zur Sinnhaftigkeit ihres Inhalts verhält! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Gerade der ATA dient der Position der Opfer und ermöglicht neben der finanziellen Abgeltung auch eine emotionale Entspannung des erlittenen Leids. Die vom Täter zu erbringenden Leistungen – wie Geldbuße, Schadenswiedergutmachung, Verantwortungsübernahme gegenüber dem Opfer, gemeinnützige Arbeiten, Therapien und so weiter – verbessern die Möglichkeiten der Gewaltprävention – das ist wohl ein sehr wichtiges Anliegen unserer Gesellschaft! – und können dazu beitragen, daß künftige Gewalttaten gar nicht erst begangen werden.

Ich darf abschließend noch folgenden Abänderungsantrag einbringen, bei dem es um Korrekturen und Fehlerberichtigungen geht.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Jarolim und Kollegen zum Bericht und Antrag des Justizausschusses (1616 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

"Das Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes (1616 der Beilagen) lautet wie folgt:

Bundesgesetz mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/1999 wird wie folgt geändert:

1. Dem § 26 wird folgender Abs. 5 angefügt:

"(5) In Strafsachen sind die Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit (§§ 201 ff StGB) derselben Gerichtsabteilung zuzuweisen."

2. Dem § 32 wird folgender Abs. 5 angefügt:

"(5) In Strafsachen sind die Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit (§§ 201 ff StGB) derselben Gerichtsabteilung zuzuweisen. Nach Maßgabe des Geschäftsumfanges dieser Strafsachen können sie auch zwei oder mehreren Gerichtsabteilungen zugewiesen werden."

3. Dem § 98 wird folgender Abs. 6 angefügt:

"(6) Die §§ 26 Abs. 5 und 32 Abs. 5 in der Fassung BGBl. I Nr. XXXX/1999 sind erstmals auf das mit dem 1. 2. 2000 beginnende Geschäftsverteilungsjahr anzuwenden."

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, der soeben referiert wurde, steht ebenfalls als korrekt eingebracht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

22.19

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eingangs muß ich der SPÖ wirklich gratulieren, und zwar aus vollster Überzeugung: Ihnen ist da etwas ganz Großartiges gelungen! Hätten Sie nämlich bei dieser Vorlage in die Begründung oder auch in die politische Argumentation die Erklärung hineingebracht, daß Sie mit dieser Vorlage einen großen Schritt hin zu Ihrem Ziel, der gefängnislosen Gesellschaft, machen wollen (Abg. Dr. Fekter: Nein, das wollen wir nicht!) – das hätte durchaus der Wahrheit entsprochen (Abg. Dr. Fekter: Nein, Herr Scheibner, das wollen wir nicht!) –, dann hätte sich hier natürlich, oder zumindest hoffentlich, Widerstand von seiten der ÖVP geregt. (Abg. Dr. Fekter: Natürlich!) – Natürlich, sagt Frau Fekter.

Aber so geschickt sind Sie schon, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion mit Ihren Kollegen von den Grünen und von den Liberalen, daß Sie wissen, daß Sie damit Probleme bekommen würden. Sie haben das Ganze daher statt "gefängnislose Gesellschaft" eben "Diversion" genannt (ironische Heiterkeit der Abg. Mag. Stoisits), und schon stimmt die ÖVP freudig zu. Frau Fekter argumentiert hier, obwohl sie das Gesetz anscheinend gar nicht so richtig gelesen hat (Abg. Dr. Fekter: Vielleicht kann ich gar nicht lesen!), und es gibt hier eine große Mehrheit für diesen Schritt hin zur gefängnislosen Gesellschaft.

Daß wir dazu unser klares Nein sagen, Frau Kollegin Fekter, das sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Auch von Ihnen sollte freilich ein Nein kommen, zumal Sie zumindest draußen vor dem Wähler immer so tun, als ob Ihnen die Rechte der Opfer ein Anliegen wären, und immer erklären, daß Sie alles tun, um der Kriminalität und den Kriminellen Schranken zu setzen.

Worum geht es denn in Wahrheit, meine Damen und Herren? – Sie haben eine Maßnahme, die vielleicht im Jugendstrafrecht nützlich ist, in dem man vor allem bei jugendlichen Ersttätern möglichst große Milde walten lassen und ihnen nach Möglichkeit einen Weg zurück in die Gesellschaft weisen soll, in das allgemeine Strafrecht übernommen: das Institut des außergerichtlichen Tatausgleiches. Sie haben damit in Wahrheit die Möglichkeit geschaffen, sich bei Delikten mit einer Strafdrohung bis zu fünf Jahren – und darunter fällt die große Mehrzahl der Delikte – durch eine Geldbuße oder durch irgendwelche angeblich sozialen Tätigkeiten von einer Strafe freizukaufen.

Man wird nicht einmal vor den Richter geführt, es gibt kein Urteil, es gibt nicht einmal eine Entscheidung wie etwa bei einer Strafverfügung. Da gibt es dann diesen Geldbetrag von 180 Tagsätzen – auch das ist ein merkwürdiges Strafmaß: Das ist ja gerade die Hälfte von der Höchstbemessung einer Geldstrafe.

Herr Justizminister! Da werden etwa die Tätigkeiten in sozialen Einrichtungen mit wenigen Wochen begrenzt, und außerdem – es wurde ja schon angesprochen – wird der Schadenersatz oder die Schadenswiedergutmachung von der Billigkeit für den Täter abhängig gemacht! – Man kann also wirklich nicht von einem Opferschutz, von einem Vorteil für die Opfer reden, sondern es wird vieles von dem, was wir auch in den letzten Tagen hier diskutiert haben, ad absurdum geführt.

Erinnern Sie sich doch, Herr Justizminister: Gestern haben wir hier eine Debatte geführt und waren alle einhellig der Meinung, daß man ein ganz furchtbares Delikt, nämlich die Beschneidung von Frauen, auch in Österreich der entsprechenden Strafe zuführen soll, daß man vom österreichischen Rechtsstaat aus ein klares Signal setzen soll, daß solche Handlungen eine schwere Körperverletzung darstellen und von uns geahndet werden. Mit dieser heutigen Maßnahme haben Sie all das, was gestern hier gesprochen wurde, ad absurdum geführt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn, meine Damen und Herren, wenn ich jetzt einmal von der Strafandrohung als solcher absehe, würde mich doch sehr interessieren, was passiert – Herr Kollege Schieder, Sie schütteln den Kopf? (Abg. Schieder: Das tue ich!) –, wenn dann, wenn es hier um die schwere Schuld geht, das Argument kommt: Bitte, das ist eben üblich im Kulturkreis des Täters und nicht in dieser Weise, nach unseren strafrechtlichen Kriterien, zu sehen.

Wir wissen, daß es schon bisher keine einzige Ahndung in diesem Bereich gegeben hat. Das sind also alles Platitüden, die Sie in der Öffentlichkeit vorbringen. Heute geht es wieder in die genau gegenteilige Richtung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: So ein Stuß! Das ist ein Wahnsinn!)

Herr Kollege Jarolim, noch ein weiterer Punkt – und Präsident Steininger hat uns darin sogar recht gegeben –: Sie sind ja nicht einmal in der Lage gewesen, dieses Gesetz formal richtig zu erstellen. Sie haben einen § 90a beschlossen, in dem steht, der Staatsanwalt hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurückzutreten, wenn diese Punkte, wie Zahlung eines Geldbetrages und so weiter, eintreten. – Das heißt, der Staatsanwalt hat davon abzugehen. Er hat kein Ermessen. Es heißt nicht, "er kann" oder "er soll", sondern er hat davon abzugehen. – Soviel zu § 90a.

Wenn man dann einige Paragraphen weiter nach vor geht, dann findet man dort den § 34 Strafprozeßordnung, der schon lange in Geltung ist. Und darin heißt es in Abs. 1: Die Staatsanwälte haben alle strafbaren Handlungen, die zu ihrer Kenntnis kommen, der Bestrafung zuzuführen und zu ahnden. – Also, was gilt jetzt, Herr Kollege Schieder, weil Sie mich so ansehen? Gilt jetzt der § 34, das Legalitätsprinzip, gemäß dem der Staatsanwalt alle strafbaren Handlungen zu verfolgen hat, oder stimmt jetzt der § 90a, der besagt, der Staatsanwalt hat nicht zu verfolgen, wenn gewisse Bedingungen eintreten? In einem Gesetz gibt es also zwei einander widersprechende Paragraphen! (Abg. Schieder: Mit "verfolgen" meinen Sie, daß er ihm nachrennt und ihn straft, oder?)

Da hat es dann geheißen: Nun, das seien eben die Ausnahmebestimmungen. Aber Präsident Steininger hat dazu ausdrücklich gesagt, Herr Kollege Kukacka, daß man dabei aufpassen müsse, denn wenn diese Ausnahmen mehr Fälle betreffen als die Regel, dann wäre es bedenklich.

Herr Justizminister! Es ist zwar schwierig, die genauen Zahlen zu bekommen, aber laut unseren Informationen – und dabei muß man ja von den theoretisch möglichen Fällen ausgehen, und nicht von Ihren Schätzungen – ist die überwiegende Mehrzahl der Deliktsfälle von dieser Ausnahme des § 90a erfaßt. Selbst Präsident Steininger hat gesagt, rechtstechnisch vernünftig und richtig wäre es gewesen, sich zumindest die Mühe zu machen und § 34 zu ändern, anstatt diese Widersprüche im Gesetz zu belassen.

Noch einmal, meine Damen und Herren von der Volkspartei: Sie haben sich damit von den Sozialdemokraten über den Tisch ziehen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben mit diesem Beschluß, wenn Sie ihn heute mitvollziehen, einen großen Schritt hin zu einem alten sozialistischen Ideal, zur gefängnislosen Gesellschaft, gesetzt! Das haben Sie dann zu verantworten!

Treten Sie aber dann, wenn es um Ihre Gemeinderatswahlen oder sonstiges geht, vor der Bevölkerung nicht wieder als die großen Beschützer der Opfer auf! Sie sind es nicht, sondern Sie sind die Erfüllungsgehilfen der linken Ideologen in diesem Haus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Deshalb: Namentliche Abstimmung!)

22.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Konrad. – Bitte.

22.26

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich mit meinem Redebeitrag den Befürworterinnen und Befürwortern der gesetzlichen Grundlage für die Diversionsmaßnahmen, insbesondere für den außergerichtlichen Tatausgleich, an.

Noch einmal und immer wieder – vor allem an die FPÖ gerichtet –: Der außergerichtliche Tatausgleich ist keine beliebige, verharmlosende Reaktion auf ein Strafverhalten. Er dient nicht, wie Sie immer wieder mutmaßen und wie es auch Ihre Abgeordnete Partik-Pablé in einem Artikel behauptet hat, der Entlastung der Kriminalstatistik, und er ist auch keine augenzwinkernde Verniedlichung eines strafrechtlichen Deliktes zu einem Kavaliersdelikt. Genau das Gegenteil war und ist vielmehr unserer Fraktion wichtig, vor allem auch im Hinblick auf den Bereich der familiären Gewalt.

Daß die Strafe mit dem außergerichtlichen Tatausgleich nicht zu einem Round-Table-Gespräch verkommt, wie Sie behaupten, müßten Sie eigentlich wissen, und ich behaupte, Sie wissen es auch. Sie müßten eigentlich auch wissen – und ich sage es noch einmal und immer wieder –, daß der außergerichtliche Tatausgleich nicht gegen den Willen der Opfer durchgeführt werden kann, wie Sie behaupten.

Was Sie wollen, ist, die Umsetzung dieses Gesetzes zu verschleppen. Aber die praktischen Erfahrungen sind ohnedies glaubhafter als diese ideologisch motivierte Polemik, und die Erfahrungen haben gezeigt, daß der außergerichtliche Tatausgleich eine engagierte Maßnahme zur Förderung des sozialen Friedens ist.

Die praktischen Erfahrungen, die in den vergangen Jahren in Österreich mit dieser Form der Konfliktregelung gemacht worden sind, sind auch ausreichend wissenschaftlich begleitet und ausreichend evaluiert. Sie haben sich als so positiv erwiesen, daß wir es als sinnvoll und zielführend erachten, sie nun auch gesetzlich zu verankern.

Aber für Sie von den Freiheitlichen zählen offensichtlich nicht einmal Argumente von Expertinnen und Experten, wenn sie Ihnen nicht in den Kram passen. Man kann Ihnen noch so oft die Studien aufzählen und die Ergebnisse nennen, für Sie ist das nicht von Bedeutung. Wenn uns etwa der Verein für Bewährungshilfe, der ja mit diesem Modellversuch betraut war und bei dem auch ein eigener Bereich, eine eigene Geschäftsstelle für Konfliktregelung eingerichtet werden soll, gesagt hat, daß über 80 000 Menschen die Möglichkeit einer Wiedergutmachung durch den außergerichtlichen Tatausgleich in Anspruch genommen haben, dann bedeutet das für Sie nichts.

Es zählt für Sie auch nicht, daß Studien belegen, daß 84 Prozent der Opfer am außergerichtlichen Tatausgleich teilnehmen wollen, und es zählt offensichtlich auch nicht, daß die Expertinnen und Experten uns gesagt haben, daß 84 Prozent der Opfer, die am außergerichtlichen Tatausgleich teilgenommen haben, "sehr zufrieden" oder "eher zufrieden" waren und nur ein ganz geringer Prozentsatz, nämlich 8 Prozent, "unzufrieden" war.

Wir haben schon gehört, daß die Rückfallshäufigkeit beim außergerichtlichen Tatausgleich wesentlich geringer als bei gerichtlichen Verurteilungen ist. Schließlich ist der außergerichtliche Tatausgleich bei 90 Prozent der Jugendlichen und 70 Prozent der Erwachsenen gelungen. Damit ist auch die Chance auf ein gutes Zusammenleben in der Zukunft gestiegen.

Meine Damen und Herren! Der außergerichtliche Tatausgleich ist also nicht nur eine Reaktion auf ein Defizitverhalten. Er setzt nicht nur beim Fehlverhalten der Täter an, sondern aktiviert auch deren positive Fähigkeiten zugunsten von Opfer und Gesellschaft. In diesem Sinne befürwortet meine Fraktion die Gesetzesvorlage auch als einen weiteren Beitrag zur Entwicklung einer neuen Konfliktkultur in unserem Lande. (Beifall bei der SPÖ.)

22.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Madl. – Bitte.

22.31

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Auch wenn Sie von den Sozialdemokraten und ebenso von der ÖVP noch hundertmal dasselbe nachbeten, was Ihre Ausschußvorsitzende und Ihr Klubobmann Ihnen vielleicht vorformuliert haben: Dadurch wird die Sache auch nicht wahrer!

Damit Sie, die Abgeordneten von der ÖVP, nicht sagen können, daß Sie gewisse Dinge nicht gewußt haben, etwa, wie der außergerichtliche Tatausgleich zustande kommen kann – und zwar für Delikte, die mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind –, habe ich mir die Mühe gemacht, unter Berücksichtigung aller Ausnahmebestimmungen, die in diesem Gesetz vorgesehen sind, und auch unter Berücksichtigung der Einzelrichterdelikte einige Sachen herauszusuchen. Sie können es sich dann überlegen. Daß das den Sozialdemokraten egal ist, weiß ich, denn diese Ideologie ist ja sattsam bekannt. (Abg. Parnigoni: Wie können Sie das behaupten?)

Aber damit sich die Kollegen von der ÖVP vorstellen können, wie der außergerichtliche Tatausgleich bei diesen Delikten zustande kommen kann, trage ich Ihnen das vor und überlasse die Beurteilung dann Ihrer Phantasie und Ihrem Charakter. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da gibt es zum Beispiel den § 207 über pornographische Darstellungen mit Unmündigen. Sie alle, von jeder Fraktion, sind noch vor kurzer Zeit – als die Sache in Bad Goisern aufgeflogen war – hier gestanden und haben einstimmig zugestimmt, als es geheißen hat: Pornographische Darstellung mit Unmündigen – unmöglich! Wir sind alle dafür, daß es so etwas nicht geben soll!

Jetzt kann sich der Täter freuen, denn er hat die Möglichkeit zum außergerichtlichen Tatausgleich bei folgender Tat – ich zitiere –:

 

"Wer eine bildliche Darstellung einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person oder einer unmündigen Person an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier," – das steht auch drinnen (Abg. Großruck: Bestialismus nennt man sowas!) – "deren Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, daß es bei ihrer Herstellung zu einer solchen geschlechtlichen Handlung gekommen ist, ..." – und so weiter, Zitatende –, ist mit einem Strafausmaß von nur bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

Schärfer wird es danach: "Mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer die im Abs. 1 bezeichnete Tat gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande begeht." (Abg. Schieder: Sie glauben, das Tier verhandelt dann mit dem Täter?) Jetzt frage ich Sie, wie der außergerichtliche Tatausgleich bei diesen Opfern aussieht.

Oder: die gefährliche Drohung. Das sagt sich so leicht, daß man sich nach einer gefährlichen Drohung mit Handschlag – wie es die Liberalen fordern – versöhnen kann. Darüber heißt es im Gesetz – ich zitiere –:

 

"Wer eine gefährliche Drohung begeht, indem er mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel" – also droht, eine Tat mit Sprengmittel zu begehen – "oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz droht, ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen." – Zitatende.

Ich frage Sie: Ist die Schwere des Deliktes eine "Gummigeschichte"? – Der Täter kann einen außergerichtlichen Tatausgleich begehren – das ist möglich –, aber das Opfer ist vielleicht Zeit seines Lebens seelisch ruiniert, was der Täter zum Zeitpunkt dieser Drohung noch gar nicht abschätzen kann! (Abg. Großruck: Für die FPÖ kann das nur positiv sein!)

Auch die Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen, § 85, ist nicht ausgenommen. (Abg. Großruck: Rosenstingl hätte Holz hacken gehen müssen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Da heißt es:

"Hat die Tat für immer oder für lange Zeit ... den Verlust oder eine schwere Schädigung der Sprache, des Sehvermögens, des Gehörs ..." – Wirklich sehr lächerlich, lustig! Wenn Ihnen bei einer Wirtshausrauferei das Gehör abhanden kommt, wenn Sie einen Gehörsturz oder sonst etwas erleiden, dann möchte ich den außergerichtlichen Tatausgleich erleben, meine Herren von der ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Großruck: Stellen Sie sich vor, was die FPÖ-Abgeordneten dann arbeiten müßten! Rosenstingl müßte Holz hacken gehen!) Wie stellen Sie sich da den Tatausgleich in Verbindung mit dem Opfer vor, wobei es nicht zwingend vorgeschrieben ist?

Ich setze fort: "... oder der Fortpflanzungsfähigkeit, ... eine erhebliche Verstümmelung oder eine auffallende Verunstaltung oder ... ein schweres Leiden, Siechtum oder Berufsunfähigkeit des Geschädigten zur Folge, so ist der Täter mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen", je nach Schwere. (Abg. Dr. Mertel: Sie haben ein Glück, daß Sie selbst nicht wissen, was Sie reden! Nicht erfassen, was Sie reden!) Trotzdem ist das eine schwere Körperverletzung.

Schwere Nötigung oder absichtlich schwere Körperverletzung: All das ist enthalten bei diesen Delikten bis zu fünf Jahren. Sogar die kriminellen Organisationen und das Schlepperwesen sind einbezogen. (Unruhe im Saal.)

Hören Sie zu, § 278a lautet: "Wer eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung als Mitglied beteiligt, ... die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial" et cetera ausgerichtet ist, "ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen." (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Oder: Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses. Sämtliche Mißbräuche im Autoritätsverhältnis vom Stiefvater oder Onkel zu Kindern, zu Unmündigen, im Verhältnis Lehrer – Schüler oder Lehrherr – Lehrling sind darin enthalten. Stellen Sie sich doch zum Beispiel den außergerichtlichen Tatausgleich zwischen einem Lehrling und einem Lehrherrn vor, wenn zum Beispiel ein Mädchen von seinem Lehrherrn sexuell begrapscht wurde. Da sind die Frauenriegen aber ruhig, weil sie es sich nicht durchgelesen haben, weil sie überhaupt nicht wissen, in welcher Dimension sich dieses Gesetz auswirken kann. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Es ist peinlich, was Sie reden!)

Oder ein Gustostückerl zum Schluß: Entführung einer willenlosen oder wehrlosen Frau. Sie braucht gar keinen sichtbaren Schaden zu haben, aber stellen Sie sich vor, was vorkommen kann. (Abg. Großruck: Das war aber kein Freund, der Ihnen die Rede aufgesetzt hat! – Weitere Zwischenrufe.) Da heißt es:

"Wer eine Person weiblichen Geschlechtes," – hören Sie jetzt sehr gut zu! – "die geisteskrank ist oder sich in einem Zustand befindet, der sie zum Widerstand unfähig macht, entführt, um sie zur Unzucht zu mißbrauchen oder der Unzucht zuzuführen, ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen." – All das wird künftig ebenfalls mit dem außergerichtlichen Tatausgleich geregelt.

Meine Damen und Herren! Ich habe es schon gesagt: Sie von der SPÖ – Ihre Ideologie kennen wir. Aber Sie von der ÖVP können sich jetzt nicht mehr – auch nicht, wenn einige Abgeordnete der namentlichen Abstimmung entweichen – der Verantwortung entziehen, daß Sie, wenn dieses Gesetz heute beschlossen wird, die Erfüllungsgehilfen der linken Ideologie sind! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Die Sekretärin, die diese Rede schreibt, können Sie entlassen!)

22.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Mertel: Jetzt hast du’s schwer, Gisela!)

22.38

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Madl hat sich Sorgen darüber gemacht, daß wir uns sozusagen verstecken und daß uns gar nicht bewußt ist, was alles Schreckliches in diesem Gesetz für Frauen enthalten ist. Die Entführung einer willenlosen Frau hat sie zum Beispiel aus einem Paragraphen angeführt. (Abg. Madl: Nein!) Sie haben die Entführung einer willenlosen Frau angesprochen, und ich sage Ihnen dazu nur folgendes: Dieser Paragraph ist ein frauendiskriminierender. Er ist schon lange totes Recht, er gehört schon lange aus dem Strafgesetzbuch heraus. So schaut es aus! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums und der Grünen.)

Sie haben all die Delikte aufgezählt, die einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren haben. Das haben Sie aufgezählt, und das haben Sie bewußt getan. Entweder haben Sie es nicht verstanden oder Sie wollen etwas, was heute schon fünfzigmal gesagt worden ist, bewußt nicht hören: Zum außergerichtlichen Tatausgleich braucht man die Zustimmung des Opfers. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist nicht wahr!) So ist es! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Madl: Nein, nicht unbedingt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Nachlesen!

Es wurde heute schon einige Male gefragt: Woher habt ihr die Zahlen über die öffentliche Akzeptanz und so weiter? – Wenn man sich entsprechend auf diese Debatte vorbereitet hätte, dann hätte man sich vielleicht "Die Perspektiven der Diversion in Österreich" angeschaut, eine Schriftenreihe des Bundesministeriums für Justiz. Darin wird eine Studie zitiert – Sie werden sie kennen, Herr Dr. Krüger –, die von Dr. Arno Pilgram stammt. Das ist die Rechtsquelle, dort können Sie es nachlesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur ganz kurz – denn ich möchte dann einen mir sehr wichtigen Bereich, der meiner Ansicht nach auch problematisch ist, herausgreifen, nämlich die häusliche Gewalt, die Gewalt in der Familie – möchte ich auf das eingehen, was für Sie wahrscheinlich eine Horrorvision ist: die gefängnislose Gesellschaft. Dazu sage ich Ihnen: So viel Angst brauchen wir in Österreich nicht zu haben. Wir sind im Spitzenfeld unter denjenigen, die am meisten einsperren, nämlich am drittmeisten in ganz Europa. So schaut es da aus. (Abg. Scheibner: Jetzt haben wir wenigstens gehört, was ihr wollt!)

Jetzt möchte ich mich dem zuwenden, was mir sehr wichtig ist und auch schon während der Verhandlungen sehr wichtig war, nämlich dem Problembereich Gewalt in der Familie. Ich bin wirklich froh darüber, daß es gelungen ist – und so habe ich mir das als junge Abgeordnete auch immer vorgestellt –, nahezu bis zur letzten Minute zu verhandeln und noch einige Sachen zu verändern.

Das ist gelungen, weil es sehr engagierte Mitarbeiterinnen zum Beispiel im Frauenministerium gibt, allen voran Frau Mag. Eva Veichtlbauer. Sie ist bei den Verhandlungspartnern im Justizministerium, Sektionschef Dr. Miklau und Ministerialrat Dr. Pleischl, auch auf offene Ohren gestoßen. Daher ist uns das gelungen, und dafür herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

So ist es uns gelungen, in einer Bemerkung im Bericht des Ausschusses eigens etwas zu verankern, was die Fälle von Gewalt in der Familie betrifft. Das darf ich ganz kurz zitieren. Im Ausschußbericht ist in den Bemerkungen zum außergerichtlichen Tatausgleich folgendes festgehalten – ich zitiere –: "... daß das Gesetzesvorhaben den Bestrebungen des Gesetzgebers und der Bundesregierung nach wirkungsvoller Bekämpfung der sogenannten ‚Gewalt in der Familie‘ nicht zuwiderläuft. Gerade in diesem Zusammenhang ist auf ‚Normenverdeutlichung‘ besonderes Augenmerk zu legen; auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen", Frau Abgeordnete Madl, "daß es sich bei Ausübung von Gewalt im familiären Bereich um ein ‚Kavaliersdelikt‘ handelt." – Eben nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Madl: Es gäbe noch viel mehr!)

Noch einmal zu diesem Problembereich Gewalt in der Familie: Dazu wurde einiges gesagt, und es ist uns sehr wichtig gewesen, daß genau das zu keinem "Kavaliersdelikt" verkommt, möchte ich fast sagen.

Zum Abschluß: Grundsätzlich finde ich, daß das zutrifft, was heute im Redebeitrag des Abgeordneten Jarolim schon angeklungen ist. Er hat von einem Meilenstein in der Justizgeschichte gesprochen. Ich glaube das auch und sage, daß das eigentlich der große Wurf gewesen ist. Ich bin froh darüber, und ich bin davon überzeugt, daß es vor allen Dingen Vorteile bringt und daß es zu einem humaneren Österreich führen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

22.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Krüger gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte.

22.44

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Vorrednerin hat die Behauptung aufgestellt, das Delikt des § 100 StGB, Entführung einer willenlosen oder wehrlosen Frau, sei totes Recht und für die Frauen diskriminierend.

Ich stelle dazu richtig, daß diese Bestimmung nach wie vor in Kraft ist, und zwar materiell und nicht nur formell, und daß in den einschlägigen Gesetzeswerken eine Vielzahl von Entscheidungen zu dieser Bestimmung angeführt ist, sodaß es sich nicht um totes Recht handeln kann.

Davon, daß Sie diese Bestimmung als diskriminierend ansehen, möchte ich Sie bitten, sich zu distanzieren. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, wenn Sie sagen, daß eine Schutzbestimmung zugunsten der Frauen diskriminierend sein soll! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Ich denke, das war im besten Fall von Ihrer Seite ein Irrtum, und möchte Sie bitten, daß Sie das zumindest klarstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ob eine gesetzliche Bestimmung als diskriminierend empfunden wird, ist meines Wissens keine Tatsachenfeststellung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Ofner, den Entwurf betreffend Strafprozeßnovelle 1999 samt Titel und Eingang in 1615 der Beilagen an den Justizausschuß rückzuverweisen. (Abg. Scheibner: Jetzt habt ihr noch eine Chance!)

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Rückverweisungsantrag Dr. Ofner zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Daher gelangen wir als nächstes zur Abstimmung über den Entwurf betreffend die Strafprozeßnovelle 1999 in 1615 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Jarolim und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Z 3 und Artikel VII bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1615 der Beilagen in der Fassung des Abänderungsantrages Fekter, Jarolim und Genossen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die in zweiter Lesung dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Dieses Verlangen ist von 20 Abgeordneten unterstützt, daher ist sie durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Es gibt zwei Möglichkeiten, die namentliche Abstimmung durchzuführen. Nach den gestrigen Ereignissen könnte man sagen: mit Stimmkarte. Auf der anderen Seite bin ich persönlich davon überzeugt, daß dieses Haus reif und in der Lage ist, sorgfältig auch mit Aufruf abzustimmen. Aber das ist keine Grundsatz- oder Prestigefrage. Wenn irgendein Klubvorsitzender dagegen Einwendungen hat, dann möge er sie vorbringen. – Bitte, Herr Abgeordneter Stadler.

22.47

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Gerade angesichts der gestrigen Ereignisse ersuche ich heute darum, die namentliche Abstimmung mit Stimmkarte durchzuführen.

22.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Gut. – Die Entscheidung hat der Präsident zu treffen, und es fällt mir nicht schwer, einem solchen Wunsch nachzukommen. Wir sind auf beide Varianten vorbereitet.

Ich bitte Sie, zu beachten, daß sich die Stimmzettel, die zu benützen sind – übrigens bitte ich um Bereitstellung der Urne –, in den Laden der Abgeordnetenpulte befinden. Sie tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja", das sind die grauen Stimmzettel, beziehungsweise "Nein", das sind die rosafarbenen Stimmzettel. Es können für die Abstimmung ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden. Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, die Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die in dritter Lesung für den Gesetzentwurf stimmen, "Ja"-Stimmzettel abzugeben, und jene, die gegen den Gesetzentwurf stimmen, "Nein"-Stimmen abzugeben.

Ich darf Frau Schriftführerin Annemarie Reitsamer bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Frau Abgeordnete Apfelbeck wird sie zum gegebenen Zeitpunkt ablösen. – Bitte, Frau Kollegin Reitsamer.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Reitsamer und Apfelbeck werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.

Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 22.56 Uhr unterbrochen und um 23.02 Uhr wiederaufgenommen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: Es wurden 137 Stimmen abgegeben. Davon waren 109 "Ja"-Stimmen und 28 "Nein"-Stimmen.

Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten, die abgestimmt haben, unter Angabe ihres Stimmverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Amon, Auer;

Barmüller, Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Binder, Brinek, Brix, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Donabauer, Dunst;

Eder Kurt, Edler Josef;

Fekter, Feurstein, Fink, Fischer Heinz, Freund, Fuchs;

Gaál, Gartlehner, Gaßner, Gredler, Großruck, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heindl Kurt, Hlavac, Horngacher, Huber, Hums;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Kampichler, Kaufmann, Kier, Kiermaier, Kiss, König, Konrad, Kostelka, Kukacka, Kummerer, Kurzbauer;

Leikam, Leiner, Löschnak, Lukesch;

Maier Johann, Maitz Karl, Marizzi, Mertel, Mock, Morak, Moser-Starrach Sonja, Mühlbachler, Murauer;

Niederwieser, Nowotny, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Parnigoni, Pendl, Petrovic, Pittermann, Posch, Puttinger;

Rada, Rasinger, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riepl;

Sauer, Schaffenrath, Schieder, Schmidt, Schrefel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwimmer, Seidinger, Sigl, Silhavy, Spindelegger, Stampler, Steibl, Steindl, Stippel, Stoisits, Stummvoll;

Tegischer, Trinkl, Tychtl;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wallner, Wimmer, Wurm, Wurmitzer;

Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Apfelbeck;

Bauer Holger, Blünegger, Brauneder;

Firlinger; Fischl Harald;

Graf;

Haller, Hofmann;

Jung;

Klein, Koller, Krüger, Kurzmann;

Lafer;

Madl, Meisinger, Mentil;

Nußbaumer;

Ofner;

Partik-Pablé, Preisinger;

Rieß;

Salzl, Scheibner, Schöggl, Stadler;

Tilg.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf nun Herrn Kollegen Dr. Neisser bitten, den Vorsitz zu übernehmen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Wir haben weiter abzustimmen, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen betreffend Unabhängigkeit der Rechtsprechung.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1616 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Jarolim und Genossen haben einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht. Es liegt nur dieser eine Antrag vor.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Jarolim und Genossen.

Jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die dafür sind, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Entwurf ist einstimmig angenommen. Einstimmige Annahme.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Auch in dritter Lesung ist dieser Entwurf einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1617 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1618 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1626 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1627 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

20. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1478 der Beilagen): Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Leopoldstadt und die Änderung der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt (5. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien) (1628 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Wir beginnen die Debatte mit einer Wortmeldung von Frau Abgeordneter Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.06

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in aller gewünschten Kürze doch zu der Regierungsvorlage Stellung nehmen.

Worum geht es? – Es geht darum, daß wir die Errichtung eines neuen Bezirksgerichtes beschließen sollten, nämlich in der Leopoldstadt. Dies wird mehrere Folgewirkungen haben, vor allem, weil es durch die Errichtung dieses Bezirksgerichtes zu einer Entlastung der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt kommt.

Ich möchte nur in Erinnerung rufen, daß es natürlich aufgrund der Bevölkerungsentwicklung vor allem in den Wiener Bezirken Floridsdorf und Donaustadt und aufgrund der Wohnbauoffensive in Wien notwendig ist, auch im Bürgerinteresse eine Erleichterung zu schaffen, auch aufgrund der großen Raumnot des Bezirksgerichtes Floridsdorf. Dieses ist momentan für den 20. und den 21. Bezirk zuständig, und das Bezirksgericht Donaustadt für den 22. und den 2. Bezirk. Ich denke, daß es ohnedies längst ansteht, dort eine Lösung zu finden, um eine Maßnahme gegen diese Raumnot zu setzen.

Herr Bundesminister! Erlauben Sie mir – obwohl dieser Punkt in keinem direkten inhaltlichen Zusammenhang steht; es gibt aber sehr wohl einen zeitlichen Zusammenhang –, ganz kurz darauf hinzuweisen, daß es vom Betriebsausschuß des Landesgerichtes für Strafsachen ebenso wie für Zivilrechtssachen Briefe an die Nationalratsabgeordneten gegeben hat, in denen es vor allem darum geht, daß wir ersucht werden, zu der Entschließung, die wir 1992 hier einstimmig beschlossen haben, Stellung zu nehmen. Es geht dabei um die Einrichtung von Mischgerichten, vor allem im Bezirk Landstraße. Es gibt hiezu Bedenken, und es hat auch eine Umfrage unter den Bediensteten gegeben.

Ich meine, daß es unsere Aufgabe ist, in Zukunft genau zu prüfen, ob das, was wir beispielsweise im Jahr 1992 als Zielsetzung formuliert haben, heute auch noch seine Gültigkeit hat. Der Zusammenhang ist meiner Ansicht nach darin zu sehen, daß es legitim ist, sich in Anbetracht der derzeitigen budgetären Situation die Frage zu stellen – die Errichtung des neuen Bezirksgerichtes Leopoldstadt, die heute beschlossen werden soll, ist beispielsweise mit Kosten von 135 Millionen Schilling verbunden –, ob es in Zukunft sinnvoll oder erforderlich ist, weiterhin Geld für bauliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, oder ob es in dem einen oder anderen Fall nicht sinnvoller wäre, diese Mittel für verfahrensbeschleunigende Maßnahmen zu verwenden.

Nichtsdestotrotz ist in der Sache der Vorlage, die heute zur Abstimmung gebracht wird, die Zustimmung im Interesse der Bevölkerung. Es ist ein Beitrag zu mehr Bürgerfreundlichkeit, wenn es gelingt – zwar erst mit Inkrafttreten am 1. Jänner 2001, aber das sind die in diesem Bereich erforderlichen Vorlaufzeiten –, zum Bau eines neuen Bezirksgerichtes zu kommen, womit es gleichzeitig zu einer tatsächlichen Entlastung der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt kommen wird. Daher stimmt die sozialdemokratische Fraktion dieser Vorlage gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

23.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: gleichfalls 5 Minuten. – Bitte.

23.10

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der 5. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien, dem Gesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Leopoldstadt, kommt es nicht nur zur Entlastung der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt, die beide in einem Gebiet liegen, dessen Bevölkerung wächst, und die derzeit eine sehr große Arbeitslast zu bewältigen haben, sondern es wird auch für die Bezirke Brigittenau und Leopoldstadt – immerhin ein Gebiet mit 166 000 Einwohnern, die bevölkerungsreichste Insel Österreichs, nämlich die Insel zwischen der Donau und dem Donaukanal – ein eigenes Bezirksgericht geschaffen.

Dies wird zweifellos zu einer wesentlichen Erleichterung für die Rechtssuchenden beitragen, die in diesen beiden Bezirken wohnen. Ich begrüße das daher sehr und freue mich darüber, daß mit diesem Gesetz nun das zustande kommt, was ich schon anläßlich der 4. Novelle des Bezirksgerichts-Organisationsgesetzes hier angesprochen habe.

Ich möchte dem Minister und seinen Mitarbeitern auch dafür danken, daß sie für das Bezirksgericht Leopoldstadt einen sehr guten, nämlich zentral gelegenen und für die Bewohner beider Bezirke leicht erreichbaren Standort gefunden haben, und hoffe, daß ich mit dieser sehr kurzen Rede das Hohe Haus davon überzeugen konnte, diesem Gesetz die Zustimmung zu geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Mertel: Unbedingt!)

23.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Auf ein Schlußwort der Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir gelangen nun zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1478 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Annahme dieses Entwurfes erfolgt einstimmig. Einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Herr Dr. Stummvoll, Herr Dr. Feurstein, Herr Abgeordneter Schwarzböck: Ja? (Rufe der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dr. Feurstein und Schwarzböck: Ja!) – Gut. Auch in dritter Lesung ist der Entwurf einstimmig angenommen.

21. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1576 der Beilagen): Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreffend die Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze bei Konzernabschlüssen – Konzernabschlußgesetz (KonzaG) (1629 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir beginnen die Debatte mit einer Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Eder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.13

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz einige Bemerkungen zum Konzernabschlußgesetz machen, das wir jetzt behandeln.

Dieses Gesetz klingt zunächst sehr technokratisch, aber es ist ein sehr wichtiger Hintergrund für dieses Gesetz zu sehen, nämlich der, daß bisherige, nach dem österreichischen Handelsgesetzbuch erstellte Konzernabschlüsse für ausländische Investoren eher unübersichtlich waren und teilweise auch gar nicht gegolten haben. Durch dieses Gesetz wird nunmehr die Möglichkeit eröffnet, daß die Konzernabschlüsse sowohl nach IAS als auch nach US-GAAP getätigt werden können, was bedeutet – und das ist das wesentliche dabei –, daß laut Handelsgesetzbuch der Konzernabschluß in Österreich nicht mehr nach österreichischem Recht erfolgen muß, sondern nach diesen beiden internationalen Rechten erfolgen kann.

Das bringt den Unternehmen intern natürlich wesentliche Administrationserleichterungen, denn bisher mußten sie, wenn sie international auftreten wollten, einerseits einen Abschluß nach österreichischem Handelsgesetzbuch durchführen und andererseits diesen so übersetzen und abwickeln, daß er auch internationalem Recht entsprach. Es war auf diese Weise viel schwieriger, internationales Kapital nach Österreich zu bringen.

Durch dieses Gesetz haben wir jetzt die Möglichkeit geschaffen, den Konzernabschluß wahlweise entweder nach der einen oder nach der anderen Weise zu tätigen. Wer den Abschluß nach internationalen Bestimmungen – also nach GAAP oder IAS – durchführt, ist dann nicht mehr gezwungen, ihn in Österreich parallel dazu auch nach dem Handelsgesetzbuch zu erstellen, sondern kann gleich international auf die Aktienmärkte gehen und dadurch leichter Kapital nach Österreich bringen.

Ich hoffe, daß dieses Gesetz in diese Richtung wirkt. Wir Sozialdemokraten können dieser Vorlage gerne die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: gleichfalls 5 Minuten. – Bitte.

23.15

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Mit dieser Konzernabschlußgesetz-Novelle werden internationale Abschlüsse, die nach Bestimmungen erstellt sind, die dem österreichischen Regelwerk gleichwertig sind, anerkannt; Kollege Eder hat das bereits ausgeführt.

Erstellt muß dieser internationale Abschluß aber durch einen österreichischen Abschlußprüfer werden. Bei Unternehmen, die an der Börse notieren – insbesondere an Börsen in den USA –, ist hingegen die Mitwirkung eines amerikanischen Prüfers gefordert. Das führt zu dem Ergebnis, daß praktisch nur international tätige Großkanzleien diese Abschlüsse durchführen können, oder es müssen wiederum Doppelabschlüsse erstellt werden – nämlich einerseits mit einem amerikanischen und andererseits mit einem österreichischen Abschlußprüfer.

Österreichische Konzerne, die an internationalen Börsen notieren, wollen daher eine weitere Vereinfachung anregen, nämlich dahin gehend, daß ein nach einem von Österreich anerkannten internationalen Regelwerk erstellter Konzernabschluß in Österreich auch dann gelten soll, wenn er von einem ausländischen Prüfer erstellt worden ist.

Sehr geehrter Herr Minister! Ich ersuche Sie von dieser Stelle aus, im Justizressort diesbezügliche Überlegungen anzustellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Dritter Redner ist nun Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.16

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir stimmen dem Konzernabschlußgesetz zu. Sie sehen also, wir leiden nicht unter irgendeinem Oppositionsreflex – falls Sie das geglaubt haben sollten.

Dieses Gesetz macht Sinn, es entspricht einem Bedarf der Industrie. Nach der bisherigen Gesetzeslage, waren ja, wie wir wissen, zwei Konzernabschlüsse erforderlich: jener nach HGB und jener nach internationalem Standard, wenn internationales oder ausländisches Kapital zu akquirieren war.

Das Gesetz schreibt – im Gegensatz zu der entsprechenden Gesetzeslage in Deutschland – dem Unternehmen nicht zwingend vor, den Abschluß nach den International Accounting Standards zu verfassen, sondern bietet lediglich eine Alternative. Es gibt also keinen Zwang dazu.

Insgesamt kann man an diesem Konzernabschlußgesetz meines Erachtens rechtlich nichts bemängeln, und wir werden daher zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlußwort.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1576 der Beilagen.

Wer für diesen Entwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. Der Entwurf ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen worden.

Ich rufe zur dritten Lesung auf.

Wer in dritter Lesung zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

22. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes, insbesondere über die Tätigkeit und Wahrnehmung der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen, die Verfahren vor der Kommission und die sonstige Tätigkeit der Kommission gemäß § 10a Gleichbehandlungsgesetz, 1997, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz und von der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (III-168/1604 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erster Rednerin in der Debatte Frau Abgeordneter Haller das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.19

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Gleich zu Anfang meiner Rede eine Frage: Es handelt sich um einen Gemeinsamen Bericht der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, und beide sind nicht im Haus. Haben sie nicht vor, zu kommen oder sind sie gerade auf dem Weg hierher? (Abg. Schwarzenberger: Eine ist schon im Haus! – Bundesministerin Mag. Prammer nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Sehr gut! Eine ist also da! Gut. – Guten Abend, Frau Bundesministerin! – Die Frage hat sich somit zumindest zur Hälfte erledigt.

Wir behandeln jetzt bei diesem Tagesordnungspunkt – zu einer, nun ja, nicht sehr publikumswirksamen Zeit – den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes aus dem Jahr 1997. Zunächst ist hiezu auch aus freiheitlicher Sicht anzumerken, daß der Bericht selbst sehr aussagekräftig und sehr gut aufgebaut ist und daß den Verfassern dieses Berichtes für diese Arbeit auch von freiheitlicher Seite ein absolutes Lob auszusprechen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Trotzdem werden wir – und auch in diesem Fall nicht nur aus reiner Oppositionsabsicht – diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen können, denn gerade deshalb, weil er so aussagekräftig ist, bietet er einfach einen exakten Spiegel der österreichischen Frauenpolitik, des jahrzehntelangen Versagens der österreichischen Frauenpolitik, für das die SPÖ als Regierungspartei und als ressortverantwortliche Partei verantwortlich zeichnet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel: Also, bitte! Bitte!)

Zum Bericht selbst – ich möchte mich möglichst kurz halten –: Er sagt aus, daß 40 Prozent und somit der Schwerpunkt aller behandelten Fälle sexuelle Belästigungen darstellen. Die Zahl dieser Fälle ist einwandfrei im Steigen begriffen, und es ist für mich – und ich glaube, nicht nur für mich, sondern insgesamt – doch wohl als sehr unbefriedigend zu bewerten, daß die betroffenen Frauen fast in allen Fällen mit einer darauffolgenden Kündigung zu rechnen haben, und nicht nur damit, sondern zusehends häufiger auch mit Strafanzeigen wegen übler Nachrede oder Ehrenbeleidigung. Man muß sich, wie ich meine, wirklich Gedanken darüber machen, wie man dem in Zukunft besser entgegentreten könnte.

Ein Umstand ist auch sehr bekannt und zeigt wieder einmal auf, daß auch in Fällen echter Gleichbehandlung, wenn es sich um Männer handelt, wiederum Frauen diejenigen sind, die gekündigt werden. Gerade vorgestern ist ein Fall aus der steirischen Gebietskrankenkasse bekannt geworden: ein Mann, der Chef, hat sich von einer jungen, hübschen Sekretärin sexuell belästigt gefühlt. Und wer ist gekündigt worden? Wer muß den Platz räumen? – Sogar in diesem Fall natürlich wieder die Frau!

Das ist doppelt unbefriedigend, Frau Bundesministerin, und ich würde Sie bitten, da das ja auch im Einflußbereich der SPÖ passiert, hier wirklich einmal Maßnahmen zu setzen und nicht nur immer die Behandlung solcher Fälle zu versprechen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wo ist hier eine Parteinähe?) Nun, ich würde schon meinen, daß es da eine gewisse Parteinähe gibt, Herr Kollege Schöggl!

Eigenartigerweise sind auch die Beschwerden über nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen im Zunehmen. Auch das kann ja nicht wirklich als Erfolg zu werten sein. Vielleicht liegt aber die Ursache dafür darin – ich weiß es nicht, aber es wäre möglich –, daß der österreichische Verwaltungsgerichtshof erkannt hat, daß eine männliche Bezeichnung immer beide Geschlechter meint. Angesichts dessen muß ich mich aber wirklich fragen: Welchen Niederschlag hat die österreichische Frauenpolitik bisher in diesen obersten Gerichtshöfen gefunden?

Es ist für uns Freiheitlichen zwar nichts Neues, daß Frauen im Berufsleben diskriminiert werden, vor allem bei der Entlohnung – die Schere geht nachweislich immer weiter auseinander –, daß es aber auch zusehends mehr Fälle eines Nichtzustandekommens von Arbeitsverhältnissen gibt, das im Geschlecht der Frau begründet ist, ist schon sehr bedauerlich! Und daß einer dieser Gründe das bestehende Nachtarbeitsverbot ist, gegen dessen Aufhebung sich die staatstragende SPÖ seit dem Jahr 1992 beharrlich wehrt, das – das muß ich einfach sagen – macht einmal mehr eine gewisse Doppelzüngigkeit der Frauenpolitik offenkundig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Ausschuß hat die Frau Ministerin angekündigt, daß es nach der Eröffnung des Büros der Gleichbehandlungsanwaltschaft in Innsbruck in Zukunft auch eines in Kärnten geben soll, obwohl gerade dort bisher die wenigsten Beschwerdefälle aufgetreten sind. (Ruf bei der ÖVP: Das kann man sich nur wünschen!) Man hat das damit begründet, daß die Frauen aus Kärnten so lange Anfahrtszeiten nach Wien haben und daß das den Frauen eben nicht wirklich zumutbar sei.

Nun, auch wir Freiheitlichen glauben, daß insgesamt eine Regionalisierung sinnvoll wäre. Aber gerade diese Tatsache und diese Begründung durch die Frau Bundesministerin macht mir Mut, wieder einmal einen freiheitlichen Antrag einzubringen. Denn es ist aus unserer Sicht nicht einzusehen, daß man jetzt in jedem Bundesland eine Gleichbehandlungsanwaltschaft aufbaut (Abg. Dr. Mertel: Nur in Kärnten! Glauben Sie mir: Nur in Kärnten!), neue Strukturen, neue Organisationen schafft, die ja auch wieder einer gewissen Ideologie und einer gewissen Reichshälfte zuzuordnen sind. Warum wehrt sich die ÖVP – bei der SPÖ ist es klar, bei den Grünen und Liberalen auch – wirklich so dagegen, zumindest einmal zu überprüfen, ob man diese Sache nicht in die Hände von Rechtsanwältinnen geben könnte, um den Frauen die Anfahrtswege zu ersparen?

Ich bringe daher nachfolgenden Entschließungsantrag zu unserer Art der Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft wieder ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haller, Dipl.-Ing. Schöggl und Kollegen betreffend Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu überprüfen, welche bereits flächendeckend im gesamten Bundesgebiet bestehenden Institutionen mit den Agenden der Gleichbehandlungsanwaltschaft betraut werden können und des weiteren einen Kostenvergleich zwischen diesen sich anbietenden Alternativvarianten und den erst einzurichtenden Gleichbehandlungsanwaltschaften vorzunehmen."

*****

Ich glaube, einer Überprüfung dieser Sache dürfte wohl wirklich nichts entgegenstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsmäßig unterstützt, wurde ordnungsgemäß eingebracht und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.27

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich eingangs zu dem Entschließungsantrag von Kollegin Haller Stellung nehmen. Wir haben diese Diskussion schon mehrmals geführt, und ich sehe eigentlich keinen Grund, von unserem Standpunkt abzugehen.

Die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft bewährt sich, das zeigt das Beispiel Innsbruck. Es ist einfach notwendig, daß in solchen Fällen Personen tätig werden, die auch ganz auf diese Problembereiche spezialisiert sind. Daher bin ich der Auffassung, daß es sehr wichtig wäre, die Regionalisierung fortzusetzen, und ich bin auch sehr froh darüber, daß die Frau Bundesministerin angekündigt hat, daß es demnächst in Kärnten eine zusätzliche Stelle geben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Bericht möchte ich sagen, daß er sehr informativ und sehr anschaulich gestaltet ist, und ich möchte der Gleichbehandlungsanwältin, Frau Dr. Nikolay-Leitner und ihren Mitarbeiterinnen sehr herzlich dafür danken. Ich möchte ihr allerdings nicht nur für den Bericht danken, sondern überhaupt für ihr Engagement und für die wirklich wichtige und sehr schwierige, aber wirklich ausgezeichnete Arbeit, die von ihr geleistet wird! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir müssen leider dem Bericht entnehmen, daß es nach wie vor vielfältige Diskriminierungen von Frauen am Arbeitsplatz gibt, daß zwar in manchen Bereichen die Unternehmer und die Vorgesetzten in ihrer Vorgangsweise subtiler geworden sind, daß aber Frauen nach wie vor sehr oft zurückgesetzt werden.

Was erfreulich und dem Bericht ebenfalls zu entnehmen ist, ist das verstärkte Engagement der Betriebsrätinnen und Betriebsräte. Ich glaube, daß es sehr wichtig ist, daß die Frauen auch im Betrieb selbst Unterstützung haben, daß es Solidarität gibt, daß sie jemanden haben, dem sie sich anvertrauen können, und daß sie auch merken, daß man für ihre Lage Verständnis hat.

Ich möchte aus Zeitgründen nicht weiter auf die Details des Berichtes eingehen, sondern nur sagen, daß ich für die Vorschläge und Anregungen für Gesetzesänderungen sehr dankbar bin. Dabei möchte ich, weil es mir sehr wichtig zu sein scheint, eine ganz zentrale Forderung besonders hervorheben, nämlich die Aufhebung der Schadenersatz-Obergrenzen im Zusammenhang mit der Diskriminierung, sowohl bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses und beim beruflichen Aufstieg als auch insbesondere bei der Beförderung.

Die Schadenersatz-Obergrenzen sind ohnedies sehr gering, und wenn sie dann noch nach Köpfen aufzuteilen sind, wenn mehrere Frauen diskriminiert worden sind, dann ergibt das Beträge, die völlig lächerlich sind und in keiner Weise den Schaden gutmachen. Daher scheint es mir sehr wichtig zu sein, das in Angriff zu nehmen.

Ein zweites Problem ist der Bereich der sexuellen Belästigung. Auch da zeigt sich, daß es immer mehr Fälle gibt, die an die Gleichbehandlungsanwältin herangetragen werden. Ich denke, daß das auch sehr stark mit dem steigenden Bewußtsein zusammenhängt und daß wir den betroffenen Frauen helfen müssen.

In der Praxis wäre es wichtig, ein subjektives Beschwerderecht für belästigte Personen zu verankern, was bedeuten würde, daß auf die subjektive Einschätzung abgestellt wird. Das hätte einen Vorteil, wenn eine rechtliche Fehleinschätzung vorliegt, das heißt, wenn die Frau nicht recht bekommt. Denn jetzt ist es sehr oft so, daß der Gegner im Verfahren dadurch zurückschlägt, daß er eine Verleumdungsklage einbringt. Davor sollten wir, so denke ich, die Frauen schützen.

Meine Damen und Herren! Der Bericht zeigt, daß es noch viele Aufgaben für uns gibt, daß wir im Bereich der Bewußtseinsbildung weiterarbeiten müssen, daß es mehr Solidarität geben muß, daß wir aber auch als Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber dazu aufgerufen sind, weitere Reformschritte zu setzen. Ich hoffe daher, Frau Bundesministerin, daß die Verhandlungen der Sozialpartner gut laufen und daß es möglich sein wird, weitere Verbesserungen für die Frauen zu erzielen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte.

23.32

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zuallererst bei den Rednerinnen und Rednern zu den Tagesordnungspunkten 20 und 21 bedanken. Sie haben es dadurch, daß sie sich sehr kurz gehalten haben, geschafft, daß der Tagesordnungspunkt, der die Gleichbehandlung der Frauen betrifft, zumindest noch vor Mitternacht heute hier im Hause diskutiert wird. (Abg. Steibl: Sie können die Kürze jetzt fortsetzen, wenn Sie zur Sache kommen!)

Wissen Sie, wir sollten nicht immer nur von Bewußtseinsbildung reden. Sie, Frau Kollegin, waren auch im Ausschuß, als wir davon sprachen, daß wir alle darauf einwirken werden, daß auch Frauenbelange einmal zu einer Zeit diskutiert werden, zu der wir noch Aufmerksamkeit erhalten. Wie aber schaut es tatsächlich aus? Wie schaut es bei den hier bestimmenden Parteien mit der Bewußtseinsbildung aus, wenn nach wie vor Frauenfragen mit absoluter Regelmäßigkeit an letzter oder fast letzter Stelle der Tagesordnung angesiedelt sind? (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und den Grünen sowie der Abg. Rosemarie Bauer. )

Es wundert mich nicht, daß wir nicht weiterkommen. Mich wundert das wirklich nicht: Es gab im Rahmen dieses Ausschusses drei weitere Anträge, die alle – ich möchte fast sagen: im Sinne einer Diskussionsverweigerung – vertagt wurden. Wenn Frau Kollegin Haller etwa sagt, daß es den geschlechtergerechten Sprachgebrauch beim Verwaltungsgerichtshof nicht gibt, dann möchte ich darauf aufmerksam machen, daß es ihn ja nicht einmal in den einzelnen Ministerien gibt! Ein einfacher Antrag der Liberalen, nach dem ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch in Verordnungen und Bescheiden anzuwenden wäre, wurde vertagt – aus welchen Gründen auch immer.

Frau Ministerin! Ich hoffe, Sie haben Ihr Versprechen wahr gemacht und den zuständigen Ministern Ihre Informationsbroschüre übermittelt, damit sie in Zukunft bessere Handlungsanleitungen dafür haben, wie Verordnungen dann letztendlich zu formulieren sind.

Auch ein Antrag der Grünen wurde abgelehnt. Darin ging es um eine kleine Frage der Gleichbehandlung, meine Damen und Herren. Es ging darum, daß hinsichtlich der Anrechnung von Vordienstzeiten im Zusammenhang mit Abfertigungen die Elternkarenz zumindest gleich viel wert sein sollte wie die Militärzeit. Auch das wurde, aus welchen Gründen auch immer, vertagt.

Auch daß man über den Karenzantrag der Liberalen hier im Parlament nicht diskutieren will, in dem es auch darum geht, mehr Väter in die Karenz zu bringen, wundert mich nicht. Das diskutieren wir ausschließlich in den Medien, dort werden die Profile geschärft. Es ist Wahlkampf, da springt keine Gruppe über die ideologische Barriere, und in Wahrheit bleiben die Frauen auf der Strecke. Die Frauen bleiben trotz UN-Konvention, trotz EU-Richtlinie und trotz des bestehenden Gleichbehandlungsgesetzes auf der Strecke.

Ich stehe auch nicht an, dem Bericht in bezug auf seinen Inhalt, seinen Aufbau und die darin enthaltene Information meine Hochachtung auszusprechen. Wirklich frustrierend für uns Frauen ist aber, daß dieser Bericht sich seit Jahren so fortschreibt. Nur so zu tun, als ob es besser wäre, Frau Kollegin Hlavac, und es als erfreulichen Fortschritt zu bezeichnen, daß BetriebsrätInnen sich jetzt der Frauenfragen und der Gleichbehandlungsfragen annehmen, das tröstet mich nicht wirklich, wenn es um die Gleichbehandlung von Frauen geht, solange wir in allen anderen Bereichen auf dem Fleck treten, solange die Beschwerden zunehmen – sicherlich auch, weil wir jetzt eine Regionalanwältin in Innsbruck haben oder weil Frauen selber mehr Bewußtsein entwickeln.

Die Diskriminierung der Frau in der Arbeitswelt ist allgegenwärtig. Sie zieht sich durch alle Punkte des Berichtes: von der Begründung des Arbeitsverhältnisses angefangen bis hin zur Festsetzung des Entgelts, zu den Maßnahmen für Aus- und Weiterbildung, zum beruflichen Aufstieg, zur Beförderung und so weiter, und so weiter, und so weiter. Das ist wirklich ein Zustand, der mehr als nachdenklich stimmt.

Wir lesen in diesem Bericht auch Jahr für Jahr – seit ich in diesem Hause bin – die gleichen Forderungen, die gleichen berechtigten Forderungen der Gleichbehandlungsanwältin in Richtung einer Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes. Das steht seit fünf Jahren aus. Frau Ministerin! Ich habe Ihnen schon im Ausschuß gesagt: Sie haben uns versprochen, daß die große Novelle bald kommt. – Ich hoffe, sie kommt noch in dieser Periode. Ich hoffe, wir kommen so weit, weil ich wirklich davon überzeugt bin, daß wir in dieser Hinsicht wesentliche Verbesserungen brauchen.

Es ist müßig, alle diese Punkte einmal mehr zu wiederholen, weil wir sie in den letzten Diskussionen bereits im Detail diskutiert haben. Das subjektive Beschwerderecht wurde angesprochen, die Beweislastverlagerung wurde angesprochen, einen besseren Kündigungsschutz, insbesondere in Fällen sexueller Belästigung, und die Aufhebung der Schadensersatz-Obergrenze hat Kollegin Hlavac schon angesprochen.

Aber wie wenig Gewicht zum Beispiel die Erkenntnis einer Gleichbehandlungskommission hat, die klipp und klar schriftlich dargelegt hat, wie eine Frau bei ihrem beruflichen Aufstieg diskriminiert wurde, wie wenig Erkenntniswert dieses Ergebnis hat, sehen wir doch gerade im öffentlichen Dienst. Gerade da könnten wir von öffentlicher Seite aus doch Bewußtseinsbildung betreiben! Da könnten wir doch eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn wir, wenn Sie, die Verantwortlichen, nur wollten.

Denn wenn die Gleichbehandlungskommission eine Diskriminierung feststellt, der Posten im öffentlichen Dienst aber bereits vorher definitiv und endgültig vergeben ist, wenn man also Frauen quasi unterstellt, es ginge ihnen nur um Entschädigungszahlungen, und ihnen nicht einmal zugesteht, daß sie auch ein Recht darauf haben, beruflich Karriere zu machen, daß es ihnen auch um die Chance geht, in einem bestimmten Bereich tätig zu sein, und zwar mit Hilfe ihrer von der Gleichbehandlungskommission festgestellten Kompetenzen, die sich nicht von denen der männlichen Mitbewerber unterscheiden, ja wenn man nicht einmal das ermöglicht, obwohl wir wissen, wie viele Stellen im öffentlichen Dienst nur provisorisch besetzt werden und wie viele Stellen über eine lange Zeit überhaupt nicht besetzt werden – ich denke dabei etwa an die verschiedenen Universitäten –, aus welchen Gründen auch immer, dann müßte es doch möglich sein, eine Stelle nur provisorisch zu besetzen, solange es ein laufendes Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission gibt.

Dann hätte ich eher das Gefühl, daß Sie es mit der Gleichbehandlung ernst meinen und daß auch in den Reihen der Regierungsparteien schon ein bißchen etwas – so sage ich einmal – an Bewußtseinsbildung erfolgt ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

23.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

23.40

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg möchte ich mich jenen anschließen, die sich ganz besonders herzlich bei der Gleichbehandlungsanwältin und den Mitgliedern der Kommission bedankt haben. Ich denke, daß ihre Arbeit effizient ist, daß der Bericht überschaubar und sehr interessant ist und daß wir damit einen sehr guten Einblick in die Situation gewonnen haben, die zweifellos – das wurde schon von meinen Vorrednerinnen gesagt – nicht befriedigend sein kann, denn es müßte ein leerer Bericht sein, wenn wir zufrieden sein könnten, weil es dann nichts aufzuzeigen gäbe.

Der Bericht der Gleichbehandlungsanwältin zeigt meiner Ansicht nach auch jene Eckpunkte auf, die für eine Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes – ich bin überzeugt davon, daß diese sehr notwendig ist – ausschlaggebend sein werden. Ich unterstütze etwa die Verfahrensbeschleunigung, das subjektive Beschwerderecht – diese Verankerung scheint mir in besonderem Maße wichtig zu sein – und viele andere Dinge, die heute ebenfalls aufgezeigt worden sind.

Mit einem Punkt bin ich nicht ganz einverstanden, aber das wird noch zu diskutieren sein. Ich glaube eben noch immer, daß die Errichtung eines Rechtshilfefonds nicht unbedingt in der Form notwendig ist, wie dies vorgesehen ist. Ich könnte mir absolut vorstellen – und habe das auch schon im Ausschuß gemeint –, daß man für diesen Zweck den Rechtsschutz der Arbeiterkammer in Anspruch nehmen könnte beziehungsweise diesen Tatbestand auch in den Rechtsschutz der Gewerkschaft mit einbeziehen könnte.

Es ist von meiner Vorrednerin und auch im Ausschuß schon die Problematik im öffentlichen Dienst angesprochen worden. Es wurde gesagt, daß wir auch für die Frauen im öffentlichen Dienst mehr Hilfe und Unterstützung brauchen.

Meine sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe dazu eine Bitte. In den Medien sind in letzter Zeit einige Fälle von sexueller Belästigung aufgezeigt worden. Dieses Thema ist ja auch das Hauptthema des Berichtes. Wir sehen, daß die Zahl dieser Fälle zunimmt oder daß sich Frauen immer öfter trauen, diese Fälle vorzubringen. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Meldungen, zwei Ereignisse, die mich sehr betroffen machen und in denen Frauen unsere Unterstützung brauchen.

Das eine betrifft den Fall des Bürgermeisters von Windischgarsten. Diesbezüglich weiß ich allerdings nur aus den Medien, daß die betroffenen Frauen in dieser Gemeinde Unheimliches mitmachen, daß sie geächtet und geradezu verfolgt werden, weil sie den Mut gehabt haben, sich zu wehren.

Einen zweiten Fall kenne ich näher. Da kenne ich auch die Frauen persönlich und weiß von diesen Schicksalen. Aber die Ähnlichkeit ist einfach da. Es geht um den Grenzgendarmeriekommandanten in Mitterretzbach – das ist mein Bezirk –, dort hat es jahrelang Beschwerden gegeben. Diese waren aber nie nachvollziehbar, bis letztlich von den jungen Grenzgendarmeriebeamtinnen geoutet wurde, worum es dort geht und daß Mobbing und sexuelle Belästigung an der Tagesordnung waren.

Das Ganze hat darin gegipfelt, daß sich 18 der insgesamt 24 dort stationierten Bediensteten um eine Versetzung bemühten. Aber es waren dann letztendlich die Frauen, die den Mut gehabt haben, aufzutreten und zu sagen: Das ist keine Lösung, denn die nächsten, die kommen, sind demselben Schicksal ausgeliefert! Wir müssen sagen, worum es geht!

Meine Bitte wäre, Frau Bundesministerin, daß Sie die Gleichbehandlungsbeauftragte oder die Personalvertreterin des Innenministeriums darin unterstützen, diesen Frauen zu helfen. Meine Sorge – darum sage ich das auch hier – ist die, daß der Fall schon sehr lange zurückliegt, daß der Staatsanwalt noch nicht einmal etwas Griffiges in der Hand hat und daß die Kommission, die den Fall untersucht, schon so lange arbeitet, daß seitens der Frauen die Angst besteht – deshalb haben sie sich an mich um Hilfe gewandt –, daß man versucht, das Ganze jetzt verebben, im Sand verlaufen zu lassen. Sie haben Angst, daß letztendlich sie es sein werden, die dann allein dastehen, um ihre Posten bangen müssen und keine Gerechtigkeit finden.

Ich denke, daß man diesen Frauen wirklich helfen muß. Sie haben auch gesagt – und das ist meiner Ansicht nach erfreulich –, daß ihnen bestimmte Maßnahmen, die wir gesetzt haben, sehr geholfen haben, nämlich die Vernehmung durch eine Beamtin und der weibliche Kontakt, sodaß sie nicht vor Scharen von Männern all ihre Erlebnisse und Erfahrungen ausbreiten mußten, sondern tatsächlich kompetente Hilfe gefunden haben.

Aber die letzte Hilfe erwarten sie sich noch, nämlich daß wir ein Auge darauf haben, daß diesen Frauen Gerechtigkeit widerfährt und daß sie nicht für etwas ganz Natürliches bestraft werden: dafür, daß sie aufgetreten sind und eigentlich nur ihr Recht eingefordert haben. Letztendlich sind sie psychisch so fertig, weil sie dem Mobbing und der sozialen Belästigung ausgesetzt waren, was sie förmlich nicht ausgehalten haben.

Ich denke daher, daß es wirklich wichtig ist, nicht nur ein Auge darauf zu haben, was die Aufstiegschancen und all das im öffentlichen Dienst betrifft, sondern auch diese Dinge zu verfolgen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

23.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

23.45

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das Problem der Gleichstellungspolitik in Österreich und die mangelnden Erfolge bei der Realisierung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen hat Frau Abgeordnete Hlavac in einer Nebenbemerkung dargestellt: Sie hat ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Sozialpartner die große Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz möglichst bald fertigstellen.

Die Haltung der Sozialpartner zu zentralen Fragen der Frauengleichstellung kennend, sage ich Ihnen: Da wird kein großer Wurf herauskommen beziehungsweise wird in dieser Legislaturperiode vielleicht gar nichts mehr herauskommen. Bei den Sozialpartnern sind die Frauen vor allem in den Führungspositionen noch weit geringer und schlechter vertreten als in den offiziellen politischen Gremien. Das Bewußtsein der Notwendigkeit einer Gleichstellungspolitik ist dort schmerzlich zu vermissen.

Hätten nicht andere Regierungsmitglieder – ich denke da etwa an die Befugnisse des Heeres und der Heeresdienste – so viel Behutsamkeit walten lassen, schon im Vorfeld alle Ecken und Kanten abzuschleifen, dann wäre nicht ein ständiger Vormarsch in diese konservativ-reaktionäre Richtung zu bemerken. Ich orte da ein viel zu großes Bemühen um breitesten Konsens.

Zunächst einmal muß es eine Vorlage des Ressorts geben. Dann mag es eine Debatte geben, und dann kann es sein, daß es schwierig ist, Mehrheiten herzustellen. Wenn man aber schon im Vorfeld den Konflikt vermeidet, dann wird es nie eine Verbesserung zugunsten der Frauen geben! Denn anzunehmen, daß das ohne Konflikte abgeht, ist wirklich eine Illusion! (Beifall bei den Grünen und der Abg. Dr. Schmidt.)

Zum Beispiel war die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Koalitionsabkommen 1994 enthalten, und zwar war damals die Rede von einer Gleichbehandlungsstelle in jedem Bundesland, in jeder Landeshauptstadt. Dann wurde einmal mehr auf die Budgetsituation, die Schwierigkeiten und die politischen Widerstände hingewiesen, und es wurde zurückgenommen. Und jetzt ist schon wieder die Frontalkritik da, obwohl es nur um eine dritte Stelle für ganz Österreich geht. Wenn man weiß, wie schwer Frauen sich frei machen und Urlaub nehmen können, um eine solche Beschwerde überhaupt führen zu können, dann verstehe ich diese Debatte nicht ganz. Ich verstehe nicht, wieso man so zurückhaltend und auf breitesten Konsens bedacht agiert.

In der Realität ist anderes viel zügiger umgesetzt worden. Sie wissen, daß sich die Sparpakete ganz eindeutig zu Lasten der Frauen ausgewirkt haben, daß die Schere bei den Löhnen und Einkommen und bei der Altersabsicherung auseinandergeht und daß vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht besser, sondern schlechter geworden ist. Das ist auch an der sinkenden Geburtenrate abzulesen, die vielfach der Lebensplanung von Menschen, von Frauen widerspricht.

Wie gesagt, ich zweifle an dem großen Wurf und leite meine Zweifel unter anderem davon ab, daß im Ausschuß – Frau Schaffenrath hat es angesprochen – nicht einmal kleinste Verbesserungen durchsetzbar waren, wie etwa die Frage der Diskriminierung von Frauen, die Karenzzeiten in Anspruch nehmen, im Bereich der Abfertigung.

Es ist unverständlich, daß auch freiwillige Zeiten beim Bundesheer für alle arbeitsrechtlichen Ansprüche, insbesondere für die Abfertigung, voll zählen. Es wird zwar in allen Wahlreden immer wieder betont, wie wichtig eine gute, adäquate Kinderbetreuung ist und wie wichtig Bezugspersonen sind, aber wenn es um die Rechte dieser Menschen – der Frauen – geht, die das ausüben, dann zeigt sich, daß alles andere wichtiger ist. In dieser gesetzlichen Diskriminierung kommt zum Ausdruck, daß dieser Regierung ganz offenbar der Dienst beim Bundesheer mehr wert ist als die soziale und arbeitsrechtliche Absicherung von Frauen, die Berufsunterbrechungen aufgrund von Karenzen haben.

Es wird auch die Frage gestellt, ob Frauen nicht überhaupt im Abfertigungsbereich diskriminiert sind. Denn wenn sie etwa nach einer Karenzzeit zum Arbeitsplatz zurückkommen wollen, dann aber merken, daß es nicht geht, weil es objektiv keine adäquaten Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt, dann bekommen sie einen Nachteil im Bereich der Abfertigung, anders als Menschen, die beispielsweise deswegen nicht mehr weiterarbeiten können, weil Gesundheitsgründe dem entgegenstehen. Ich verstehe einfach die Werthaltungen nicht, die in diesen unterschiedlichen Regelungen zum Ausdruck kommen. Das widerspricht vor allem den immer wieder öffentlich verkündeten Maßnahmen zur Besserstellung, zur Gleichstellung von Frauen.

Frau Bundesministerin! In diesem Zusammenhang auch eine sehr herbe Kritik meinerseits: Wie gesagt, Sie hätten alle Unterstützung, wenn Sie wenigstens irgendeinen realen Schritt der Verbesserung einmal auch in einer Konfliktsituation durchzusetzen versuchen würden. Ich verstehe nicht, wieso die jetzt allgemein beschworene besondere Hervorhebung von Kindern – insbesondere in der Wahlwerbung, inbesondere in Kärnten – jetzt offenbar auch Sie veranlaßt hat, für ein kindergerechtes Österreich zu werben. (Abg. Dr. Mertel: Aber der Inhalt ist schon etwas anderes!) Ich verstehe den Sinn einer entsprechenden Werbekampagne nicht, und schon gar nicht von seiten der Frauenministerin.

Schaffen Sie Gleichheit für Frauen! Setzen Sie Schritte der Gleichstellung um! Das sind Maßnahmen, die letztlich auch den Kindern zugute kommen! Wie wir aus aktuellen Umfragen wissen, wollen die Frauen ein selbstbestimmtes Leben. Sie wollen frei entscheiden können, und diese freie Entscheidung wird ihnen vorenthalten. Da hilft keine Werbekampagne, sondern da helfen nur reale Maßnahmen gegen die Diskriminierung!

Ich finde es bemerkenswert an dem – von uns ebenfalls sehr positiv bewerteten, sehr übersichtlichen und aussagekräftigen – Bericht, daß sich immer mehr Frauen über die sprachliche Diskriminierung beschweren, insbesondere über die Textierung von Formularen und von Bezeichnungen. Dazu hier mein dringendes Ersuchen, sich einmal alle diese Formulare anzusehen und es öffentlich anzuprangern, wenn darin das Recht von Frauen, in der weiblichen Form angesprochen zu werden, verletzt wird. Daß hiefür erst ein Bewußtsein zu schaffen ist, ist evident, und daß das auch mit Konflikten beladen sein wird, wissen wir. Und daß versucht wird, dieses legitime Recht der Frauen ins Lächerliche zu ziehen, wissen wir leider auch aus diesem Hause.

Es sind zahlreiche Anträge, zumindest einmal der Realität Rechnung zu tragen und die Landeshauptfrau oder vielleicht auch die Bezirkshauptfrau als Begriff möglich zu machen, abgelehnt worden. Das hat dieses Haus verweigert! Ich denke, auch in Zeiten von Sparpaketen – das kostet zumindest kein Eckhaus – sollte das doch möglich sein! Ich halte es für wichtiger, als es von manchen, die eine bestimmte, konservative Ideologie verfolgen, immer wieder dargestellt wird.

Daß dieses Bewußtsein in diesem Haus nicht wirklich vorhanden ist, hat mir auch vorhin die Debatte zu den Justizmaterien gezeigt. Herr Abgeordneter Krüger, ein Rechtsanwalt, hat hier erklärt, daß § 100 des Strafgesetzbuches nicht diskriminierend sei. – Zum einen halte ich in dieser Frage eine Frau wie Frau Abgeordnete Wurm für kompetenter, dies festzustellen. (Abg. Dr. Schmidt: Nicht nur in dieser Frage!) Ja, nicht nur in dieser Frage. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das ist nicht der erste Trugschluß, den Sie machen!)

Herr Abgeordneter Bauer! Es ist kein Trugschluß, sondern es ist hier einmal mehr Ihre Ideologie zum Ausdruck gekommen, und das ist bezeichnend. Daher möchte ich auch, daß es im Protokoll steht. Dieser Paragraph lautet nämlich: "Entführung einer willenlosen oder wehrlosen Frau". – Offenbar ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß dieser Zustand – und der Mißbrauch in diesem Zustand – ausschließlich Frauen betreffen kann. Ich finde, es ist genauso zu ahnden, wenn ein Mann in den Zustand der Geisteskrankheit oder der Widerstandsunfähigkeit versetzt und dann der Unzucht zugeführt wird. Ich sehe da also keinen Grund für eine geschlechtsspezifische Formulierung, es sei denn – und das befürchte ich –, es schwingt mit, daß auch der Gesetzgeber von damals jedenfalls davon ausgegangen ist, so etwas geht ohnehin nur mit einer Frau, daß diese eben leichter in diesen willenlosen und wehrlosen Zustand versetzt werden kann. (Abg. Binder: Es gibt keine willenlosen Männer!)

Vor allem wenn ich dann lese: "Wer eine Person weiblichen Geschlechtes, die geisteskrank ist oder sich in einem Zustand befindet ..." und so weiter, dann muß ich sagen: Daß Geisteskrankheiten nicht auf Frauen beschränkt sind, das liegt, denke ich, doch auf der Hand, und das wissen die Abgeordneten dieses Hauses. (Beifall bei den Grünen sowie bei weiblichen Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums.)

Es kommt in diesem § 100 dann noch entsetzlicher, wenn nämlich im Abs. 2 Straffreiheit in Aussicht gestellt wird für den Fall, daß "ein an der Tat Beteiligter" die Entführte und Mißbrauchte heiratet. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist irgendwie fast ein Schluß – wenn es nicht so traurig wäre, weil es geltende Rechtslage ist – wie in einem ganz bösen und brutalen Märchen. Frau Bundesministerin! Ich denke auch, die österreichische Rechtsordnung wäre einmal unter diesem Aspekt zu sichten. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Denken Sie oder glauben Sie?)

Herr Abgeordneter Bauer! Ich bin der Auffassung, ich kann denken. Ich bin mir bei allen Abgeordneten dieses Hauses aber nicht so ganz sicher. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Nur falsch angewandt!)

Frau Bundesministerin! Jedenfalls wäre es hoch an der Zeit, den österreichischen Rechtsbestand auch auf solche wirklich anachronistische und doch verletzende und diskriminierende Bestimmungen hin zu untersuchen und diesbezüglich auch eine große Novelle vorzuschlagen. Denn ich denke, daß aus solchen Gesetzesbestimmungen ganz bestimmte, längst überholte Werthaltungen sprechen, die es dann leichter machen, Ideologien zu vertreten, die sich letztlich wieder gegen eine Gleichstellung der Frauen auswirken. Ich sehe schon die realpolitischen Schwierigkeiten mit dem Koalitionsgegner, aber zumindest solche Initiativen zu ergreifen, sollte, wie ich meine, möglich sein.

Allein die Debatte um solche zum Himmel schreienden Diskriminierungen wie den § 100 StGB könnte doch in der Öffentlichkeit – zumindest bei jenen, die guten Willens sind – ein Stück mehr Einsicht mit sich bringen und damit die Gleichstellung der Frauen voranbringen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuchs. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.59

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frauenpolitik muß grundsätzlich so gestaltet sein, daß es möglich ist, Beruf und Familie zu vereinbaren. Eine überwältigende Mehrheit von Frauen möchte Beruf und Familie, Kind und Job, Karriere und Partnerschaft. Es geht darum, Frauen und Männern gleiche Chancen in Familie und Gesellschaft zu ermöglichen.

Frauenpolitik ist Gesellschaftspolitik und muß daher als querschnittsorientierte Politik in alle Bereiche der Gesellschaft Eingang finden. Wir müssen Rahmenbedingungen verbessern, wir müssen aber auch mehr Sensibilität in Frauenfragen, insbesondere bei sexistischen Verhaltensweisen, entwickeln. Am Arbeitsplatz muß die Solidarität aller Kollegen und Kolleginnen eingefordert werden, wenn es zum Beispiel um sexuelle Belästigung oder Mobbing geht. Wir haben heute schon festgestellt, daß mehr als 40 Prozent der Anfragen an die Gleichbehandlungsanwaltschaft diesem Thema zuzuordnen waren.

Wir wissen alle, daß sich Bewußtsein in der Sprache widerspiegelt. Es hat sich sehr deutlich dokumentiert, daß es nur bei den Frauen so schwierig ist, entsprechende, also weibliche Bezeichnungen zu finden. Als zum Beispiel mehr Männer in Frauenberufen tätig geworden sind – ich denke da etwa an die Krankenpflege –, wäre niemand auf die Idee gekommen, "Herr Krankenbruder" zu sagen. Da wurde sofort eine neue Bezeichnung gefunden: der "Krankenpfleger". Ich meine, mit ein bißchen gutem Willen müßte es möglich sein, in anderen Bereichen auch typisch weibliche Formen der Bezeichnung zu finden.

Wir haben an zahlreichen Beispielen gesehen, daß es noch vieles zu tun gilt. Verbesserungsvorschläge der Gleichbehandlungsanwaltschaft gibt es, und ich hoffe, bei deren Umsetzung auch mit Ihrer Unterstützung rechnen zu dürfen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Schmidt.)

0.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

0.02

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es gäbe zu diesen Berichten eine Menge zu sagen, aber angesichts der vorgeschrittenen Zeit und der begrenzten Redezeit kann ich mir längere Erörterungen leider nicht mehr erlauben.

Lassen Sie mich ganz kurz auf einen ganz konkreten Fall eingehen. Es ist ja so, daß ein Teil der größten Problematik der Gleichbehandlung der ungleiche Lohn für gleichwertige Arbeit ist. Auch ich war eine derjenigen, die immer gesagt haben, daß im öffentlichen Dienst diese Diskriminierung nicht besteht. Es ist mir vor einigen Tagen ein Brief einer Grazer Politesse zugegangen, aus dem hervorgeht, daß es diese offensichtlich doch noch gibt. Ich zitiere aus diesem Brief: "Ich bin seit dem Jahr 1974 bei der Bundespolizeidirektion Graz als Politesse (Vertragsbedienstete mit Sondervertrag) als Organ der Straßenaufsicht beschäftigt. Seit dieser Zeit bin ich auch im Außendienst tätig. Als Politesse bekomme ich keine Außendienstzulage – Polizist und Polizistin sehr wohl –, obwohl ich die gleichen Tätigkeiten mache wie meine Kollegen bei der Verkehrsüberwachung, wo ich seit 25 Jahren Dienst versehe. Es wurde immer wieder versprochen, daß man hier etwas unternehmen würde, aber bis zum heutigen Tag ist noch nichts geschehen."

Das ist ein Brief einer Frau, die sich offensichtlich bemüht hat, auf Ungleichbehandlung hinzuweisen. Wenn es eine Außendienstzulage gibt, dann gehe ich davon aus, daß diese für den Dienst im Freien gedacht ist, und wenn das ein Polizist bekommt, dann muß das wohl auch eine Politesse bekommen.

Ich würde Sie, sehr geehrte Frau Minister, bitten – ich lasse Ihnen diesen Brief auch gerne in Kopie zukommen –, diese Frage mit Bundesminister Schlögl und Staatssekretär Ruttenstorfer zu diskutieren, weil das doch ein eklatanter Fall von Ungleichbehandlung zu sein scheint.

In diesem Sinne, glaube ich, wäre es wichtig, gerade auch aufgrund von Einzelbeispielen auf das Ganze zu blicken und in diesem Bereich der Gleichbehandlung noch sehr vieles zu unternehmen, um sie in Österreich tatsächlich zu verwirklichen. (Beifall bei der ÖVP.)

0.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

0.05

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ließe sich tatsächlich sehr vieles nicht zum Gleichbehandlungsbericht, aber anläßlich des Gleichbehandlungsberichtes sagen. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Ich möchte, auch im Hinblick auf die vorgeschrittene Zeit, nur ein paar für mich wesentliche Punkte herausheben, weil ich glaube, daß es notwendig ist, darüber genauer zu reden.

Ich bedauere zutiefst, daß ich Frau Abgeordneter Haller an dieser Stelle jetzt nicht erklären kann – weil sie nicht im Saal ist –, daß sich allein in den ersten drei Monaten des Bestandes der Tiroler Gleichbehandlungsanwaltschaft bereits 31 Frauen und 2 Männer an die Gleichbehandlungsanwältin gewendet haben; im ganzen Jahr 1997 waren es aus den westlichen Bundesländern insgesamt nur 43 Personen. Das heißt, wir haben damit genau den Beweis dafür geführt: Wenn vor Ort niemand ist, dann wenden sich die Frauen auch nicht an die zuständige Stelle. Ich möchte ganz klar und deutlich sagen, daß es deswegen auch notwendig ist, den nächsten Schritt zu setzen. Wir sammeln jetzt mit der ersten Regionalstelle die ersten wesentlichen Regionalerfahrungen. Darauf basierend soll die zweite entstehen, und das in Kärnten.

Darüber hinaus möchte ich, wie schon so oft, wieder in Erinnerung rufen: Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist die Anwaltschaft der Gleichbehandlung der Republik Österreich und hat auch öffentliches Interesse, das Interesse der Gleichbehandlung zu vertreten, und nicht Privatinteresse, das Rechtsanwälte zu vertreten haben. Das ist auch der große Unterschied zu dem, was hier immer wieder von seiten der Freiheitlichen verlangt wird.

Meine Damen und Herren! Es sind ein paar konkrete Fälle von Diskriminierung, von sexueller Belästigung und anderem erwähnt worden. Ich habe – nur um ein Beispiel zu nennen –, als mir die Situation um den Windischgarstener Bürgermeister bekannt wurde, sofort die Hilfestellung der Frauenministerin und auch die Unterstützung der zuständigen Personen vor Ort, auch der Frauen, die natürlich nach wie vor anonym bleiben wollen, angeboten.

Ich greife jeden Fall, der mir zu Ohren kommt, auf, um hier im Interesse der Frauen zu handeln.

Ich appelliere aber auch an Sie, im Zeichen der Zivilcourage selbst aktiv zu werden und auch selbst den Mut zu fassen, sich auf die Seite der Frauen zu stellen, um den Frauen bei solchen Problemen zu helfen. Das heißt: Informationen über solche Fälle nicht irgendwo abgeben und ablegen, sondern aufgreifen und bringen! Wir sind über jeden einzelnen Fall froh, der auf unseren Tisch gelangt, und wir greifen auch jeden einzelnen Fall auf.

Noch ein Punkt, der mir sehr wichtig ist: Im Zusammenhang mit der Gleichbehandlung sind natürlich auch der sprachliche Bezug und der geschlechtergerechte Sprachgebrauch zu sehen. Wir werden uns in diesem Bereich noch sehr darum bemühen müssen, daß das alles in unseren Köpfen Platz findet und auch selbstverständlich wird und nicht mehr immer wieder neu eingefordert und urgiert werden muß.

Frau Abgeordnete Petrovic! Sie haben gesagt, die Kinderkampagne sei nicht angebracht. Ich behaupte, sie ist höchst angebracht! Sie ist unter anderem auch eine absolute Imagewerbung für unsere guten, ja exzellenten Kinderbetreuungseinrichtungen, die wir in Österreich haben und von denen wir noch viel mehr brauchen (Beifall bei der SPÖ.)

Daß es notwendig ist, dies zu tun, zeigt mir auch die Reaktion auf diese Kampagne: Ich habe Briefe erhalten, in denen ich allen Ernstes aufgefordert werde, nicht für Kinderbetreuungseinrichtungen zu werben, "denn Kinder gehören nach Hause, in die eigenen vier Wände, zur Mutter"! – Das ist aber nicht unsere Philosophie, sondern wir sagen es klar und deutlich: Kinderbetreuungseinrichtungen sind ein Ort des Lernens, sind ein Ort, an dem die Kinder gut untergebracht sind, und ein Ort, der dazu beiträgt, Eltern in vielfacher Hinsicht zu entlasten.

Ein weiteres für mich sehr brisantes Thema ist natürlich der Umstand, daß gerade auch die Frage der sexuellen Belästigung nach wie vor stark im Mittelpunkt der Arbeit der Gleichbehandlungsanwältin steht. Ich glaube, auch da geht es darum, klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen, was in diesem Bereich alles an Gewalt vorkommt, denn sexuelle Belästigung ist ein Akt der Gewalt! Wir haben in diesem Zusammenhang auch im Sinne der Gewaltbekämpfung alles zu tun und das auch dementsprechend ernst zu nehmen. Auch zu diesem Thema läuft eine von mir gestartete Kampagne, die den betroffenen Frauen auch den Mut geben soll, sich in solchen Fällen entsprechend zur Wehr zu setzen, und jene, die nicht betroffen sind, ermutigen soll, betroffenen Frauen zur Seite zu stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich auch als Frauenministerin sehr herzlich bei den Frauen der Gleichbehandlungsanwaltschaft, bei der Gleichbehandlungsanwältin. Es ist eine schwierige und mühselige Arbeit, aber sie ist wichtig und lohnend im Interesse der Frauen in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

0.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.11

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! § 100 des Strafgesetzbuches ist heute schon wiederholt angesprochen worden. Jetzt ist er, schon zum vierten Mal, auch bei dieser Debatte noch einmal Gegenstand der Diskussion.

Ich möchte dazu sagen, daß bei dieser Debatte um die Entführung einer willenlosen Frau etwas sehr Typisches passiert ist: In diesem Fall hat ein Mann definiert, was eine Frau belästigt! Da geht es natürlich auch um Definitionsmacht! (Zwischenruf der Abg. Madl.) Ich bedanke mich bei Kollegin Petrovic für die Schützenhilfe und für die Solidarität. (Beifall bei der SPÖ.)

Beim Frauenbericht ist mir aufgefallen – und das ist positiv –: Frauen wehren sich vermehrt, Frauen sind mutiger geworden (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Madl), klagen vermehrt an, und das ist ein gutes Zeichen! Für alle, die Gleichstellungspolitik ernst nehmen, für die das wichtig ist, muß das ein Handlungsauftrag sein.

In der "profil"-Ausgabe der letzten Woche mußten wir in einem Artikel – es war kein besonders erfreulicher Artikel – unter dem Titel "Sehr geehrte Herren" – wahrscheinlich ist er den meisten von Ihnen bekannt – folgendes lesen: "Frauenkarrieren. In den ersten sechs Jahren seit dem Gleichbehandlungsgesetz sind nicht mehr Frauen als früher in Führungsjobs aufgestiegen. Denn die Männer haben gelernt, ihre Vorherrschaft raffinierter zu sichern."

Dann wird es unser Job sein, mit dem gleichen Raffinement, mit den gleichen Mitteln sehr phantasievoll und mit gebündelten Kräften zurückzuschlagen! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Denn sie funktionieren noch wunderbar, die männerbündlerischen Zirkel, die Vereinsmeiereien, die dann zu einem Job verhelfen. Es funktioniert die gläserne Decke in diesem Staat noch wunderbar, sei es im privaten oder auch im öffentlichen Bereich.

Ich kann zum Beispiel folgendes erzählen – vor kurzem passiert an der Universität Innsbruck –: Es ging um den Frauenlehrstuhl für Gynäkologie. Und was ist passiert? – Es haben sich acht Frauen beworben. In der Kommission, in der 48 Männer gesessen sind, waren drei Frauen vertreten. Von den acht Frauen, die sich beworben haben, hat sich keine einzige auf einem Dreiervorschlag wiedergefunden. – Das aber hat System! Denn wir haben ja einen Minister, der Gleichbehandlung ernst nimmt und der vielleicht – so hört man es in den Wandelgängen der Universität – diesen Lehrstuhl eventuell auch mit einer Frau besetzen würde. Dabei geht es nicht um irgendeinen Lehrstuhl, sondern es geht um den Lehrstuhl für Frauenheilkunde!

Um all diesen verschiedenen verdeckten Diskriminierungen zu begegnen, habe ich mir auch über einige Maßnahmen Gedanken gemacht. Für mich wäre ein wichtiger Schritt der jetzt von uns, wie bereits auch von den Liberalen, in Diskussion gebrachte Ansatz, nämlich die Koppelung des Karenzgeldes an das Einkommen, in Verbindung mit einer bestimmten Deckelung und einem bestimmten Sockelbetrag. Das wäre eine emanzipatorische Maßnahme (Abg. Dr. Schmidt: Das stimmt! Absolut richtig!), und das wäre auch ein Anreiz für Väter, vermehrt in Karenz zu gehen. Das wäre es, was wir zu tun haben und mittelfristig auch tun sollten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Schmidt.)

Ich habe leider nicht mehr viel Zeit. Es gibt ein weiteres Modell, das ich mir sehr gut vorstellen könnte: Wenn sich heute eine Frau beschwert, dann ist es jetzt ja so, daß sie den angestrebten Posten, die gewünschte Führungsposition erst recht nicht bekommt. Als Strafe für sie sozusagen bekommt diesen Posten dann jemand anderer, nämlich ein bequemerer Bewerber. Daher, glaube ich, wäre es wichtig – und in Schweden wurde das auch schon erprobt –, eine Maßnahme dahin gehend zu setzen, daß in Fällen, in denen sich herausstellt, daß die Frau, die sich beschwert hat, besser qualifiziert ist, dann der Mann, der die Position inzwischen bekommen hat, den Arbeitsplatz wieder verlassen muß. Das entspricht genau dem, was auch Maria Schaffenrath in bezug auf das provisorische Dienstverhältnis eingefordert hat.

Es gäbe noch viel zu sagen, aber die Zeit ist knapp. Die Regionalanwaltschaft in Tirol funktioniert wirklich wunderbar, auch dank der hervorragenden Mitarbeiterin, die gefunden wurde. Sie war selbst schon Beschwerdeführerin, und sie hat es geschafft, durchzusetzen, daß eine für die österreichischen Frauen diskriminierende Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. Ich wünsche ihr viel Glück! Sie ist auf dem besten Weg dazu. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Schmidt.)

0.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

0.16

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Zuerst ein Danke an die Gleichbehandlungsbeauftragte für die Vollziehung, für den Bericht und auch für die gute Zusammenarbeit mit den Frauenreferentinnen in den Bundesländern.

Dieser Bericht zeigt aber auch die Grenzen des Gleichbehandlungsgesetzes. Ganz konkret müssen wir auch über die Weiterentwicklung dieses Gleichbehandlungsgesetzes nachdenken.

Ein Beispiel möchte ich herausnehmen: Im Gegensatz zu den Frauenförderungsgeboten des Bundes und den Landesgleichbehandlungsgesetzen ist für die Privatwirtschaft noch sehr viel Eigeninitiative angesagt. Was meine ich hier konkret? – Daß hohe Fördermittel auf Bundesebene und auf Landesebene für Förderpläne in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen – und das ist auch gut so –, daß das für die Privatwirtschaft jedoch nicht der Fall ist, daß es aber sehr wohl sehr gute Modelle gibt und daß diese meiner Meinung nach und auch nach Meinung der ÖVP auch seitens der Frauenministerin gefördert gehören. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube auch, daß Ihre im letzten Ausschuß vertretene Meinung, Frau Bundesministerin, daß es eine maßgebliche Aufgabe des Herrn Bundesministers für Wirtschaft wäre, diesbezügliche Modelle zu unterstützen, nicht ganz aussagekräftig ist. Ich denke, daß es auch eine maßgebliche Aufgabe der Frauenministerin und der Sozialministerin wäre, Initiativen zu setzen und diese auch zu fördern, und zwar längerfristig, nicht nur durch eine kurzfristige Einführung dieser Modelle. (Zwischenruf der Abg. Fuchs.) Ich denke schon! Wir haben heute die Diskussion über das Arbeitsmarktservice gehabt. Ich meine, es reicht nicht, nur einen Frauenförderplan für das Arbeitsmarktservice innerhalb des Betriebes, also für die Mitarbeiter, zu machen, und es reicht auch nicht, nur ein Buch vorzustellen, sondern ich glaube, daß gemeinsam mit dem zuständigen Minister, auch seitens der ÖVP – sei es der Familienminister oder der Wirtschaftsminister –, Frauenförderpläne auch in die Privatwirtschaft hineingetragen gehören. Dies wäre ein Anliegen, und dazu würde es auch gehören, die privaten Initiativen, die das schon machen, zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Ja, ja, die Frauenförderpläne des Herrn Bartenstein!)

0.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Jäger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

0.19

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne Zweifel ist das Bewußtsein in der Bevölkerung hinsichtlich der Bedeutung und des Ansehens der Gleichbehandlungsanwaltschaft gerade in letzter Zeit sehr stark gestiegen, und das vor allem deshalb, weil die Gleichbehandlungsanwaltschaft wirklich eine qualitativ sehr hochwertige Arbeit leistet. Auch ich möchte mich – wie schon andere vor mir – herzlich für diese Arbeit bedanken.

Trotzdem bin ich mit diesem Bericht natürlich nicht zufrieden, und ich befürchte auch, daß sich gerade aufgrund des Drucks, der derzeit auf dem Arbeitsmarkt herrscht, nicht mehr Frauen trauen, ihre Rechte auf dem Arbeitsplatz einzuklagen. Der Bericht zeigt ja auch ganz klar, daß die Reaktionen von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen auf Beschwerden von Frauen zunehmend eher negativ ausfallen und oft auch verhindern, daß die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch tatsächlich vor Ort tätig wird.

Deshalb ist es auch notwendig, daß wir uns mit dem Gleichbehandlungsgesetz weiterhin beschäftigen, daß es einfach noch zu Verbesserungen kommt. Das ist vor allem deshalb notwendig, weil wir in Österreich nicht nur eine sehr niedrige Frauenbeschäftigungsquote haben – und es ist eben nur durch einen Arbeitsplatz möglich, finanziell abgesichert zu sein –, sondern weil Frauen am Arbeitsplatz noch Diskriminierungen erleben, die mitunter so weit gehen – ich denke hier etwa an die sexuelle Belästigung –, daß Frauen eben kündigen, obwohl sie dann oft in existentielle Schwierigkeiten kommen. Das gilt es wirklich zu verhindern!

Ich halte es auch für beschämend, daß Frauen durch sexuelle Belästigung, durch Mobbing von Kollegen und Arbeitgebern in ganz schlimme Situationen gebracht werden. Es scheint mir ganz notwendig zu sein, daß wir das Gleichbehandlungsgesetz durch ein Gesetz ergänzen, wonach es für Frauen während eines Prozesses wegen sexueller Belästigung zu keiner Kündigung kommen kann. Es muß da einen absoluten Kündigungsschutz für Frauen geben, und es müssen auch die beiderseitige Glaubhaftmachung und, so wie zum Beispiel auch in Deutschland, ein subjektives Beschwerderecht für Frauen geschaffen werden, weil sich Frauen meiner Ansicht nach diesbezüglich wirklich noch in einer sehr schwierigen Situation befinden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Schmidt.)

Abschließend noch einmal: Ich meine, daß die Gleichbehandlungsanwaltschaft eine sehr wichtige Aufgabe übernommen hat, daß wir auf diesem Gebiet aber zunehmend Verbesserungen und Nachjustierungen schaffen müssen, damit Frauen am Arbeitsmarkt auch tatsächlich dieselben Chancen und Möglichkeiten wie Männer haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Schmidt und Dr. Petrovic.)

0.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

0.23

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Lassen Sie mich auf ein paar Argumente meiner Vorrednerinnen eingehen.

Zum einen: Ich bin einverstanden, daß über Verbesserungen für Frauen geredet werden muß. Dann bitte ich aber auch, dem Herrn Finanzminister ausrichten zu wollen, daß Verbesserungen wahrscheinlich mit Kosten, deren Bedeckung die Steuerzahler aufzubringen haben, verbunden sein werden und daß es daher nicht geht, auf jeden Vorschlag reflexartig mit einem "Njet" zu antworten!

Zweiter Punkt: Ich glaube, daß der zitierte § 100 wirklich auch von seiten der ÖAAB-Frauen als überholungs- beziehungsweise überarbeitungsbedürftig angesehen wird, und ich sehe für eine Reform eigentlich auch keine Komplikationen. Wir müssen sie nur machen!

Manchmal wird man vielleicht auch noch an anderen Stellen fündig – man glaubt es kaum. So ist es mir ergangen, als ich vor kurzem in einem Interview gelesen habe, daß ein Mann gesagt hat – man achte! –: "Jeder normale Mensch braucht spätestens nach vier Wochen eine Frau."

Was heißt das? – "Normale Menschen" sind Männer! – Dabei will ich es bewenden lassen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ja, das ist offenbar die dem zugrunde liegende Logik: Frauen sind die Objekte, die normalen Menschen sind die Männer!

Summa summarum – es ist nicht mehr viel zu sagen –: Der Wind weht rauher. Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt noch immer nicht als selbstverständlich angesehen. Aus dem Bericht geht hervor, daß die Aggressivität subtiler ausgetragen wird und sich Frauen daher gezwungen sehen, auch subtiler zu antworten. Dahinter stehen Unwissenheit, Ignoranz, Unverschämtheit, Angst, vor allem – und das ist empirisch nachgewiesen – Angst der Männer.

Daher ist Frauenpolitik Männerpolitik. Ich denke, daß es nicht geht, daß man sich auf der einen Seite kluge, ambitionierte Frauen als Partnerinnen wünscht und gleichzeitig an Frauen mit Abhängigkeitsrollen und Zumutungen, die aus dem vorigen Jahrhundert stammen, herangeht.

Männer müssen sich – und ich zitiere hier einen auch in den ÖVP-Reihen gern zitierten Soziologen und Theologen, nämlich Paul Zulehner – umgehend auf die Suche nach der eigenen Identität machen, sonst verkümmern sie seelisch.

Männerpolitisch ist es daher notwendig, Frauen Macht, Einfluß und Erwerbschancen einzuräumen, damit sie sich nicht im Alter fürchten müssen. Ich zitiere, vor allem für die noch anwesenden niederösterreichischen Kollegen, den niederösterreichischen Frauen- und Familienbericht, in dem die Sorge der Frauen um Armut im Alter, vor allem aufgrund von mangelnder Umsetzung von Erwerbschancen und geringer Möglichkeit, Pensionsmonate zu sammeln, im Zentrum steht.

Schließlich: Es ist eine Männerpolitik notwendig, die den Kinderwunsch ernst nimmt – den eigenen und den der Partner. Wenn es so ist, daß sich Österreichs Männer und Frauen zwei Kinder wünschen, aber jede zweite Frau, jedes zweite Paar nur ein Kind davon umsetzt (Abg. Dr. Mertel: "Umsetzt" ist gut!) – einen Wunsch setzt man um, denke ich, oder? (Abg. Dr. Brauneder: "sich erfüllt"!) – "sich erfüllt" ist poetischer, danke schön! –, dann ist doch Alarmstufe allerhöchster Art angesagt. Da brauche ich überhaupt keine weiteren Berichte aus dem Frauenressort, aus dem Familienressort, sondern da weiß ich eigentlich, woher ... (Abg. Dr. Mertel: Da reicht der Bericht Flemming aus 1989!) Der Bericht Flemming aus 1989! Wunderbar! Liebe Frau Dr. Mertel, den holen wir heraus! Bis zum Erscheinen des nächsten Frauenberichts – das wird bald sein – lesen wir Flemming! – Danke, das ist ein guter Abgang! (Beifall bei der ÖVP.)

0.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.26

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, wir sollten der Diskussion um die willenlosen Frauen und die normalen Menschen – die Männer – aufgrund der vorgeschrittenen Zeit ein Ende setzen. Ich glaube, es ist auch falsch, wenn man Frauenpolitik immer nur im Zusammenhang mit der Familienpolitik diskutiert und die Frau immer und ausschließlich nur als Teil der Familie definiert und sie nicht als Menschen mit eigenem Sein sieht.

Wir haben die Aufgabe, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß die Frauen ihr Leben so gestalten und so führen können, wie sie es wollen. Die Definition darf nicht dahin gehen, daß sie ihr Glück immer im Kinderkriegen finden müssen. – Das nur ganz kurz vorweg.

Auch ich möchte mich recht herzlich für den Bericht bedanken, auch für die sehr schwierige Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwältin. Es geht ja aus den vielen Seiten, auf denen das sehr genau beschrieben wurde, hervor, wie vielfältig diese Aufgabe ist.

Bei dieser Aufgabe geht es erstens einmal um die konkrete Hilfestellung für betroffene Frauen, für Frauen, die Diskriminierungen ausgesetzt sind.

Der zweite Bereich ist die Information der Betriebsrätinnen und Betriebsräte. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Diese Zwischenrufe zeigen, daß die Information der männlichen Abgeordnetenkollegen im Bereich Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz wahrscheinlich auch erforderlich wäre.

Drittens bin ich auch für die mediale Aufbereitung der Themen dankbar, weil das ein Schritt zur Bewußtseinsbildung ist. Zwei Beispiele möchte ich nennen, bei denen ich glaube, daß es durch die Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwältin, durch die Diskussionen der Berichte – und ich teile die Auffassung, daß es traurig ist, daß diese Diskussion um diese Uhrzeit stattfindet – eine Form von Bewußtseinsbildung innerhalb der Bevölkerung gegeben hat.

Es ist unumstritten und bedarf keiner Diskussion, daß es sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gibt, daß Frauen davon betroffen sind, und es ist unumstritten – und das war vor einigen Jahren noch nicht so –, daß es sehr notwendig ist, Maßnahmen zu setzen, um Mädchen auch in nicht traditionelle Berufe zu bringen, weil solche Maßnahmen den Zugang zur Beschäftigung, die Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung und die gleiche Chance für einen beruflichen Aufstieg ermöglichen.

Ich glaube, daß Frauen, die trotz Widerstand – Kollegin Wurm hat auch von der "gläsernen Decke" gesprochen –, trotz massiver Widerstände, die ihnen entgegengebracht werden, die Gleichbehandlungsanwältin anrufen, die ihr Recht über die Gleichbehandlungsanwaltschaft durchsetzen wollen, für uns eine sehr wichtige Pionierinnenrolle übernehmen. Ich möchte daher nicht nur der Gleichbehandlungsanwältin danken, sondern auch jenen Frauen, die diese Rolle übernehmen. Ich möchte mich letztlich auch dafür bedanken, daß heute klar erklärt wurde, daß das Gleichbehandlungsgesetz samt seinen Novellen eigentlich ein Beginn ist – nicht nur der Beginn einer Diskussion, sondern hoffentlich der Beginn noch vieler Novellen im Interesse der Frauen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Silhavy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.30

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Kollegin Haller hat das Thema sexuelle Belästigung heute auch schon angesprochen. Es ist in der Tat ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt, wie wir auch aus dem Bericht ersehen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich verstehe Sie überhaupt nicht! Sie müssen lauter sprechen!) Ich möchte aber Frau Kollegin Bauer widersprechen: Sexuelle Belästigung kann ein Thema und ein Teilbereich von Mobbing sein, aber Mobbing und sexuelle Belästigung sollte man nicht miteinander vermischen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie müssen ein bißchen lauter sprechen!) Das Verstehen hängt nicht unbedingt mit dem Hören zusammen, Frau Kollegin!

Zur Nachtarbeit, Frau Kollegin Haller: Da ist Ihnen offensichtlich einiges entgangen. Nachtarbeit ist gesetzlich möglich, aber nicht zum Nulltarif, so wie Sie es sich offensichtlich vorstellen. (Abg. Dr. Partik-Pabl頖 in Richtung Präsidium –: Können Sie nicht lauter drehen? Ich höre die Frau Abgeordnete hier nicht!)

Was die Frauenförderpläne betrifft, die Frau Kollegin Steibl hier eingefordert und als Wunsch für die Privatwirtschaft vorgebracht hat: Frau Kollegin Steibl, wir sind sicherlich darin einer Meinung, daß wir Frauenförderpläne auch in der Privatwirtschaft umsetzen sollten. Allerdings wäre es vielleicht sinnvoll, mit Ihrem Familienminister darüber zu sprechen, daß der Frauenförderplan, den er mit dem Karenzgeld für alle anstrebt, das Gegenteil von dem ist, was Frauen tatsächlich fördert. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben es offensichtlich noch immer nicht verstanden und nicht zugehört. Das heißt nämlich, daß die Frauen vom Arbeitsmarkt wegkommen, daß die Frauen letzten Endes wieder zur stillen Reservearmee degradiert werden, und das ist etwas, was die Frauen heute nicht mehr wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, daß wir uns in diesem Hohen Haus auch einmal mit der Abfertigungsfrage werden beschäftigen müssen. Es gibt jetzt eine Bestätigung durch den Europäischen Gerichtshof, nachdem er die Abfertigung im Zusammenhang mit der Karenzzeit behandelt hat.

Es wäre meiner Ansicht auch interessant, sich mit dem Thema, das Frau Kollegin Rauch-Kallat angeschnitten hat, zu beschäftigen. Frau Kollegin Rauch-Kallat, es ist offensichtlich keine unmittelbare Diskriminierung, weil es sich um unterschiedliche Berufsausbildungen handelt. Aber ich meine, wir sollten uns auf jeden Fall mit der Frage beschäftigen, ob es sich da nicht um eine mittelbare Diskriminierung handelt, weil offensichtlich in erster Linie Frauen diese Berufsausbildung haben und diesen Beruf ausüben. Ich meine, das ist ein ganz konkreter Fall, an dem wir das, wozu uns die Frau Ministerin aufgefordert hat, nämlich auch alle persönlich aktiv zu werden, auch tatsächlich umsetzen können.

Daß das Thema Gleichbehandlung noch lange nicht abgeschlossen ist, ist klar. Allein am Verhalten der freiheitlichen Abgeordneten erkenne ich, daß wir dieses Thema noch öfters in diesem Haus werden besprechen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe aber auch, daß vielleicht doch noch ein männlicher Redner zu diesem Thema Stellung nimmt. Mir ist aufgefallen, daß die meisten Männer erst hereingekommen sind, als es zur Abstimmung geläutet hat. Kollege Barmüller schreibt die ganze Zeit so eifrig mit, vielleicht meldet er sich auch noch zu Wort. (Beifall bei der SPÖ.)

0.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller hat sich schon zu Wort gemeldet. – Bitte, ergreifen Sie das Wort.

0.33

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Frau Abgeordnete! Recht herzlichen Dank für die Einladung, diese nehme ich doch glatt gerne wahr. (Abg. Dr. Rasinger: Kurz!) Herr Abgeordneter Rasinger! Nicht kurz, sondern ich werde fast die gesamte Redezeit meiner Fraktion ausnutzen. Daß dieser wichtige Tagesordnungspunkt am Ende steht (Abg. Dr. Stummvoll: Das sind 2 Minuten!) – nein, Herr Abgeordneter Stummvoll! –, ist wirklich eine Schande für das Haus. Es ist auch kein Spaß, denn es geht immerhin um 50 Prozent der Bevölkerung in Österreich, die nicht die gleichen Karrierechancen haben wie die Männer. Herr Abgeordneter Stummvoll! Es betrifft auch Ihre Tochter. Es mag Sie vielleicht für Ihre Frau nicht so interessieren, aber für Ihre Tochter dürfte es Sie vielleicht doch interessieren. (Abg. Dr. Stummvoll: Welche der beiden?)

Meine Damen und Herren! Es ist nicht einzusehen, daß man sich hier von diesem Rednerpult aus immer wieder, bei jedem Gleichbehandlungsbericht, für die Erstellung des Berichts bedankt und sagt, wie wichtig, super, umfangreich und toll er sei. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Sozialisten müssen sich selber loben!)

Es handelt sich auch wirklich um einen guten Bericht, aber wahr ist doch, meine Damen und Herren, daß es sich eigentlich nur um die Beschreibung eines Problems handelt, das sich seit Jahr und Tag nicht ändert. Daß es sich nicht ändert – das sage ich ganz offen –, ist auch die Schuld der Frauen in diesem Haus und insbesondere auch die Schuld der Männer in diesem Haus, weil es nämlich die Frauen bisher unterlassen haben, sich über die Fraktionen hinweg auch gegen ihre eigenen Männer, die Männer in den eigenen Fraktionen durchzusetzen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Ich sage Ihnen, Herr Abgeordneter, es gibt genügend Männer, die bereit wären, diesbezüglich hier wirklich etwas zu machen, und die sich nicht nur – wie Herr Abgeordneter Zweytick – darüber lustig machen würden, wenn Sie endlich einmal den Mut fänden, dieses Problem auch über die Fraktionen hinweg als Problem anzusprechen. Kollege Amon, wir haben diesbezüglich ohnehin schon einen Vorstoß gemacht. Aber wenn es endlich die Bereitschaft gäbe, dieses Problem über die Fraktionen hinweg auch zwischen den Frauen anzusprechen und es insbesondere gegenüber den Männern in den Fraktionen zu artikulieren, dann müßten Sie nicht bei jedem Gleichbehandlungsbericht hier darum betteln, daß dies endlich einmal beachtet werden möge.

Daher möchte ich Sie, meine Damen und Herren, an das erinnern, was in diesem Zusammenhang auch wichtig ist. Bewußtseinsbildung – das ist schon angesprochen worden – ist wichtig, aber leistungsgebundene Vorzugsregeln sind in diesem Zusammenhang wichtiger als jede Bewußtseinsbildung. Sie werden sie nur dann erreichen, wenn es solche Regeln endlich auch gibt, wenn sie festgeschrieben werden, wenn sie verpflichtend sind und wenn nicht immer hier nur gebeten wird, man möge in dieser Sache doch endlich umdenken! Diejenigen, die die Macht haben, werden nicht umdenken, solange Sie nicht Druck machen.

Daher erinnere ich Sie auch an die Worte der ehemaligen Abgeordneten und Ministerin Johanna Dohnal, die zu ihrem 60. Geburtstag in der Villa Kreisky gesagt hat: Wie stark will die SPÖ noch werden, bis sie endlich mit der Gleichberechtigung der Frauen Ernst macht? Wieviel Prozent mehr als 40 Prozent brauchen Sie noch, um endlich damit ernst zu machen, was Sie seit Jahr und Tag ankündigen? Wann wird die Gewerkschaft endlich dazulernen und einsehen, daß es nicht nur darum geht, für Beamte auf die Straßen zu gehen, sondern daß es sich auch lohnt, etwa für die Kollektivverträge, die die Frauen betreffen, auf die Straße zu gehen und diese – da gibt es ganz besondere Sparten – so auszustatten, daß wir in Österreich nicht davon reden müssen, daß die Armut weiblich ist? Das ist auch eine Aufgabe der Gewerkschaften, die Sie sträflich vernachlässigt haben.

Ich habe keine Lust, ich habe insbesondere als Mann keine Lust, bei Debatten in diesem Hause mitzumachen, in denen wir die Situation schönreden, in denen jedesmal gesagt wird: Frau Ministerin, einen tollen Bericht haben Sie gemacht! – Aber geschehen ist in der Sache nichts. Es ist eine Schande, daß es seit Jahr und Tag keine Bewegung in der Gleichbehandlungsfrage gibt! (Abg. Schwarzenberger: Das zeigt, daß Sie alt werden!)

Das zu ändern, ist Sache dieses Hauses. Es ist insbesondere eine Angelegenheit auch jener Männer, die heute so süffisant lächeln. Statt lächeln wäre nachdenken angebracht. Ich sage Ihnen, in 25 Jahren wird auf jene, die heute noch süffisant lächeln, heruntergeschaut werden, weil man sagen wird: Es tut uns furchtbar leid, aber die haben damals einfach die Zeichen der Zeit nicht erkannt! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Damit Sie nicht glauben, daß das nur eine Freundlichkeit von mir ist, meine Damen und Herren. Daß ich das so vehement anspreche, liegt daran, daß ich Ihnen klar und deutlich folgendes sagen möchte: Die Liberalen sind der Auffassung, daß, solange die Rolle der Frau in einer Gesellschaft so eng definiert ist, wie es bei uns nach wie vor der Fall ist, vice versa auch die Rolle der Männer definiert wird. Wenn wir da nicht endlich zu mehr Freiraum finden, dann wird diese Gesellschaft auch weiterhin in dieser Frage eine ungerechte bleiben.

Daher hätte ich mir eigentlich erwartet – und ich wäre bereit, das hier nicht nur einzufordern, sondern dann auch zu vertreten –, daß der nächste Gleichbehandlungsbericht nicht um diese Zeit verhandelt wird, zu der jeder schon sagt, wenn noch einer herausgeht: Hört auf, muß da schon wieder einer zu diesem Thema reden?, sondern daß der nächste Gleichbehandlungsbericht wirklich als Punkt 1 auf die Tagesordnung kommt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic. – Abg. Dr. Mertel: Sehr richtig!)

Wenn Sie mir jetzt zustimmen, meine Damen und Herren, dann machen wir es doch das nächste Mal zu einer Zeit, zu der auch eine mediale Berichterstattung möglich ist. Ich würde mich freuen, wenn Herr Abgeordneter Kostelka – Herr Abgeordneter Khol ist leider schon weg – wenigstens hier sagen würde: In der Präsidiale werden wir das nächste Mal für den Gleichbehandlungsbericht nicht Tagesordnungspunkt 22 festsetzen, sondern maximal Punkt 2 ist angemessen. (Abg. Schieder: Warum haben Sie diesmal nichts gemacht? Nächstes Mal kann es jeder!)

Herr Abgeordneter Schieder! In diesem Sinne freue ich mich schon darauf, daß wir beide das nächste Mal als Erstredner unserer Fraktionen zum Gleichbehandlungsbericht hier am Pult stehen werden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

0.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort ist von der Frau Berichterstatterin nicht verlangt worden.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-168 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haller und Genossen betreffend Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

23. Punkt

Erste Lesung des Antrages 979/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Mag. Barmüller das Wort. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

0.39

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! (Zwischenruf der Abg. Reitsamer.) Doch, schon wieder, Frau Abgeordnete Reitsamer! (Abg. Dr. Mertel – in Richtung der Abg. Reitsamer –: Jetzt überschlägt er sich!) Es geht nämlich um einen Antrag von fünf Abgeordneten dieses Hauses: der Abgeordneten Schaffenrath, Gabriela Moser, Pollet-Kammerlander, Öllinger und mir, Frau Abgeordnete. Ich betone das, weil dieser von den erwähnten Abgeordneten eingebrachte Antrag ein zentrales Anliegen verfolgt. Wir wollen, daß die mittelbare Drittwirkung des gesamten Gleichheitsgrundsatzes sichergestellt wird. Dazu ist Artikel IX EGVG der richtige Platz; dieser Artikel soll geändert werden.

Wir haben den Weg gewählt, zu sagen, daß der Einsatz sexistischer Werbung in Zukunft ein Verwaltungsstraftatbestand sein soll. Ich betone das deshalb, meine Damen und Herren, weil immer wieder behauptet wird, daß, was sexistische Werbung oder geschlechtsspezifisch diskriminierende Werbung angeht, dies ein Tatbestand sei, der gerichtlich nicht erfaßbar wäre. Das Gegenteil aber ist wahr. Wenn Sie etwa den Gleichheitsgrundsatz in unserer Verfassung ansehen, dann werden Sie sehen, es gibt nur einen einzigen Bereich, der nicht in einer mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten sichergestellt ist, und das ist die geschlechtsspezifische Diskriminierung. Dafür gibt es kein sachliches Argument.

Wir haben aber in diesem Antrag nicht generell auf geschlechtsspezifisch diskriminierende Werbung Bezug genommen, sondern nur auf einen Teil davon, und das ist die sexistische Werbung. Wir haben gesagt, daß die Verwendung sexistischer Werbung in Zukunft nach Artikel IX EGVG behandelt werden soll, und wir meinen damit, daß man anhand der Spitze des Eisberges eines großen Problems zeigen soll, daß solches unerwünscht ist und in Zukunft auch entsprechend geahndet werden soll. Es ist aber, eben weil es sich nur auf einen kleinen Teilbereich bezieht, auch ein gelindes Mittel. Denn es ist das Verwaltungsrecht, in dem es positioniert wird, und es ist nur die Spitze des Eisberges, die angesprochen wird.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus gibt es auch auf EU-Ebene mannigfache Dokumente, die sich mit die Menschenwürde verletzender und insbesondere auch sexistischer Werbung beschäftigen. Ich zitiere Ihnen zu diesem Zweck lediglich die Entschließung des Europäischen Parlaments vom Jahre 1987 betreffend Darstellung der Stellung der Frau in den Massenmedien, ich zitiere die Richtlinie aus dem Jahre 1989 über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, die bis heute nicht in unserem Rundfunkgesetz umgesetzt worden ist, und ich zitiere die Entschließung des Rates vom 5. Oktober 1995 zur Darstellung der Frau und des Mannes in Werbung und Medien.

Im Artikel XII der zitierten Richtlinie – und Richtlinie bedeutet, es ist verbindlich, es ist auch in Österreich umzusetzen, Herr Abgeordneter Wurmitzer – steht ausdrücklich, daß Fernsehwerbung nicht die Menschenwürde verletzen und auch keine Diskriminierungen nach Rasse, Geschlecht und Nationalität enthalten darf. Daher, Herr Abgeordneter Wurmitzer, sind wir – diejenigen, die diesen Antrag gestellt haben – der Meinung, daß es auch Zeit wäre, im Rundfunkgesetz endlich die Ausstrahlung solcher Werbung zu untersagen. Derzeit ist nur die Verhetzung aufgrund von Rasse, Nationalität oder Geschlecht untersagt.

Aber das ist nicht die korrekte Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union. (Abg. Schieder: Darf ich einen Zwischenruf machen? – Warum nur im Rundfunkgesetz? Wenn es schlecht ist, dann müßte es auch für die Ausländer gelten, die in Österreich ausstrahlen!) Herr Abgeordneter Schieder, ein wichtiges Argument! (Abg. Schieder: Dann müßte es gänzlich so sein und nicht nur im Rundfunkgesetz!) Genau, und deshalb meinen wir auch, daß etwa die Richtlinie im Rundfunkgesetz umgesetzt werden sollte. Aber das, was im Artikel IX EGVG angesprochen ist, betrifft ... (Abg. Schieder: Müßte auch für ZDF und SAT1 gelten!) Nein, es betrifft die Ausstrahlung sexistischer Werbung generell. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Auch auf Plakaten gehört es verboten, zum Beispiel Black & Decker!) Es gibt, wie Sie richtig sagen, kein sachliches Argument dafür, daß es im Rundfunk oder im Fernsehen verboten sein soll, in der Plakatwerbung aber nicht.

Genau deshalb gibt es diesen Antrag der fünf Abgeordneten. Ich darf Sie auch darauf hinweisen, daß in der Entschließung des Rates vom 5. Oktober 1995 die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Wahrung der Menschenwürde zu gewährleisten und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu verhindern.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte: Da gesagt wird, daß sexistische Werbung ein Begriff ist, der unbestimmt ist und daher nicht in Gesetze, insbesondere nicht in Strafgesetze Eingang finden kann, ist für die Antragsteller klar gewesen, daß sexistische Werbung insbesondere dann vorliegt, wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung mit einem sexuellen Rollenstereotyp beworben wird, das beworbene Produkt oder die beworbene Dienstleistung objektiv jedoch keinen sexuellen Konnex aufweist. Dann ist jedenfalls von sexistischer Werbung auszugehen.

Meine Damen und Herren! Ich zitiere auch, daß es seit 1995 ein BGH-Urteil gibt, ein Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes, in dem sich der Wettbewerbssenat erstmals mit sexistischer Werbung befaßt hat und sie gemäß § 1 UWG unter Abgrenzung zu bloß geschmackloser Werbung als nicht zulässig erklärt hat. Das heißt, das, was etwa dem deutschen BGH möglich gewesen ist, wird doch wohl auch in Österreich dem OGH möglich sein!

Wahr ist, daß wir endlich einmal ein klares Signal brauchen. Wir haben es bereits in den Richtlinien der Europäischen Union, jedoch nicht umgesetzt im Rundfunkgesetz. Aber mit diesem Antrag zum EGVG bestünde die Möglichkeit, die Spitze des Eisberges aufzuzeigen, zu pönalisieren und damit klarzulegen, daß Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in Österreich nicht länger geduldet werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

0.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.46

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der gerade von Kollegen Barmüller vorgestellt worden ist, ist sicherlich ein guter Anlaß, Fragen der sexistischen Werbung zu diskutieren.

Allerdings meine ich, daß wir heute nicht mehr in der Stimmung sind, eine längere Debatte über ein durchaus ernstes Thema abzuhalten. Wir werden im Ausschuß Gelegenheit haben, darüber zu reden.

Auf jeden Fall begrüße ich es, daß es die Möglichkeit gibt, dieses Thema zu diskutieren und da auch in die Richtung zu wirken, das Bewußtsein dafür zu schaffen, daß sexistische Werbung eigentlich der Vergangenheit angehören sollte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Barmüller.)

0.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

0.47

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich dem anschließen, was Kollegin Hlavac gesagt hat. Auch ich meine, daß es notwendig ist – und es gibt in diesem Haus hoffentlich niemanden, der nicht auch davon überzeugt ist –, daß es da endlich einmal zu einer Klarstellung kommen muß.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß es nicht nur um sexistische Werbung geht. Es wird wahrscheinlich dazu im Ausschuß noch vieles zu diskutieren sein. Mich stören auch Botschaften, die über Werbeeinschaltungen übermittelt werden, die persönlich verletzend sind, die mich betroffen machen und durch die ich mich herabgewürdigt fühle, ohne daß sie sexistisch sind.

Herr Kollege Hums war ja sehr mutig und hat hier in einer Fragestunde die Bahn der sexistischen Werbung geziehen. Herr Kollege, jetzt haben Sie erreicht, daß auch die Männer auftreten dürfen. Ich hoffe, Sie haben es schon gesehen. Jetzt dürfen also auch die Männer gleich behandelt werden. (Abg. Dr. Mertel: Aber nicht als "heiße Fracht"!) Aber sie sind nicht so schön wie die Frauen, das muß ich sagen! Ich glaube, das steht mir ... (Abg. Schieder: Das war sexistisch!) Das war sexistisch, ich weiß es! Aber die Männer haben das genauso behandelt.

Es geht jedoch um etwas ganz anderes. (Abg. Schieder: Aber die Rechnung geht auf!) Da fällt mir nämlich ein, es gibt ein Plakat der Bank Austria, auf dem ein etwas älterer Herr mit einer sehr jungen, frischen Dame zu sehen ist. Anhand dessen möchte ich erklären, was mir daran nicht gefällt. Die Botschaft, um die es geht, lautet: Sind Sie schon versorgt? Haben Sie eine Versorgung?

Da kann ich überlegen, was das heißt. Die beiden heiraten, das heißt, die junge Frau wird versorgt, weil sie den älteren Mann heiratet und damit versorgt ist. Dieses Bild möchte ich eigentlich nicht. (Abg. Schieder: Wenn er so früh stirbt und sie eine Pension hat!) Oder ist der Mann versorgt, weil er jetzt in das Alter kommt, in dem er Pflege braucht, und heiratet er deshalb jetzt eine Junge? – Man kann diesbezüglich also philosophieren, aber man kann auch ganz harmlos annehmen, daß er seine Tochter zum Traualtar führt. Doch auch sie versorgt er laut Text.

Das heißt, es wird sehr schwierig sein. Ich möchte hier nicht wortklauben, aber es gibt selbstverständlich Darstellungen, die uns einfach von der Botschaft her nicht ganz recht sein können, ohne daß sie wirklich sexistisch sind. (Abg. Schieder: Das wollen wir ja nicht verbieten!) Nein, man will nicht alles verbieten, aber man muß es aufzeigen, Herr Kollege Schieder!

In manchen Dingen sind wir ungeheuer pingelig, und da bin ich konsequent. Wenn ich also für die Antidiskriminierung der Frauen eintrete, dann muß ich auch zugeben, daß mir andere Dinge nicht gefallen, und muß diesbezüglich ebenfalls urgieren, daß Darstellungen und Botschaften oft nicht unbedingt rein sexistisch sind, aber von den Aussagen her genauso unerwünscht.

Ich meine, es wird darüber eine interessante Diskussion geben. Zwar weiß ich nicht, ob das die einzige Möglichkeit der Regelung ist, aber ich könnte es mir vorstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

0.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt jetzt noch eine Wortmeldung von Frau Abgeordneter Mag. Stoisits vor.

Frau Abgeordnete, dieser Wortmeldung kann ich leider nicht stattgeben, weil die Blockredezeit für Ihren Klub verbraucht ist. (Demonstrativer Beifall des Abg. Jung.)

Es ist jetzt niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 979/A dem Gleichbehandlungsausschuß zu.

24. Punkt

Erste Lesung des Antrages 980/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1997 geändert wird

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordnetem Dr. Kier das Wort. – Bitte.

0.51

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Antrag unserer Fraktion zielt darauf ab, das Finanzausgleichsgesetz schon per 31. Dezember 1999 auslaufen zu lassen. Wir halten das deswegen für notwendig, weil jedwede Steuerreform, wie auch immer sie ausfallen möge, auch wenn wir im Zweifelsfall (Abg. Schieder: Da sehen Sie, wie Sex in der Werbung alles überdeckt!) mit dem, was sich abzeichnet, nicht zufrieden sein werden, wie immer sie auch ausfallen möge, voraussetzt, daß wir die Länder mit in die Gesamtdiskussion einbeziehen können. Das ist nur dann möglich, wenn der Finanzausgleich zum 31. Dezember 1999 und nicht erst zum 31. Dezember 2000 ausläuft.

Ich hoffe, daß diese sehr trockene Angelegenheit noch die notwendige Aufmerksamkeit finden wird, und ich würde mich freuen, wenn wir möglichst bald im Finanzausschuß die Beratungen zu diesem Antrag aufnehmen könnten. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

0.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Anna Huber. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

0.52

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Kier! Der laufende Finanzausgleich – er beinhaltet im übrigen nicht nur den Finanzausgleich, sondern auch die Wohnbauförderungs- und Krankenanstaltenfinanzierung – ist ein Vertrag zwischen den Finanzausgleichspartnern. Da es sich auch um einen Konsens zwischen diesen Partnern handelt, werden Sie wohl zugeben, daß der Staat diesen Vertrag oder einen Teil dieses Vertrages nicht einseitig aufkündigen kann. Das heißt, es müßte über die Verkürzung der Laufzeit selbstverständlich mit allen anderen Finanzausgleichspartnern verhandelt werden. Wir wissen ganz genau, daß die Bereitschaft der Länder und Gemeinden dazu nicht allzu ausgeprägt ist. Das heißt, ohne Gegenleistung würde so etwas nicht abgehen. (Abg. Wurmitzer: Ein bißchen mehr darf es für die Gemeinden schon werden!)

Was die Kritik in Ihrem Antrag an der fehlenden inneren Logik im Finanzausgleich betrifft, möchte ich folgendes anmerken: Der Finanzausgleich ist eine Summe von sehr vielen und oft schwierigen Verhandlungen. Es sind Kompromisse, die erzielt werden, da auf die unterschiedlichsten Interessen Bedacht genommen werden muß.

Auch wenn die eine oder andere Bestimmung bei rechtstheoretischer Betrachtung vielleicht anderweitig geregelt werden könnte, spiegelt dieses Ergebnis den politischen Willen aller Beteiligten in einem demokratischen Prozeß wieder. Aus diesen Gründen wird die sozialdemokratische Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten.

0.54

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag demonstriert uns das Liberale Forum, wie einfach Politik eigentlich sein könnte. Nach dem Grundsatz "Wenn ich etwas zu reden hätte, schaffte ich alles ab!" wird der Finanzausgleich abgeschafft. (Abg. Dr. Kier: Nein! Neu verhandelt!) Herr Kollege Kier! Politik ist leider nicht so einfach.

Wie die Vorrednerin, Frau Kollegin Huber, erklärt hat, ist das zwar formal ein Gesetz. Aber in Österreich haben wir einen paktierten Finanzausgleich als Ergebnis monatelanger schwieriger Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Wenn Sie, Herr Kollege Kier, hier eine Antrag einbringen und sagen: Das schaffen wir alles ab!, dann muß ich dem entgegenhalten: So einfach ist Politik leider wirklich nicht!

Der Fasching ist vorbei. Daher werden wir uns mit diesem Antrag zu gegebener Stunde beschäftigen. (Beifall bei der ÖVP.)

0.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt als nächster Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

0.55

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst möchte ich festhalten, daß ich mit Ausnahme des letzten Satzes und dessen, was fehlt, mit dem Antrag prinzipiell einverstanden bin. Es ist so, daß über viele Jahre, über Jahrzehnte hinweg in den Ländern von seiten des Vertreters des Bundes immer wieder Absichtserklärungen abgegeben, große Deklarationen und große Ankündigung in den Raum gestellt werden, sich endlich eines neuen Instrumentes zu bedienen und endlich einen neuen Finanzausgleich zu schaffen, aber es bleibt, wie so oft in der Politik des Nationalrates, bei bloßen Ankündigungen, ohne daß etwas passiert.

Ich gebe durchaus zu, daß diese Materie schwierig ist, nur ist es nichts Neues, daß das schwierig ist und daß man das nicht so leicht hinüberbringt. Wenn Kollege Stummvoll sagt, daß das ein Ergebnis jahrelanger Verhandlungen ist, dann muß ich fragen: Wer sitzt in den Ländern drinnen? Wer stellt die Landeshauptleute? – Das sind die ÖVP und die SPÖ. Diese beiden werden sich einfach nicht einig, meine Damen und Herren, und daher haben wir jetzt dieses unbefriedigende Ergebnis, das wirklich untragbar ist! (Abg. Wurmitzer: Für wen?)

In einen neuen Finanzausgleich muß man wirklich grundlegende Dinge verpacken. Geht es darum, mehr horizontalen Finanzausgleich zu machen, mehr vertikalen Finanzausgleich zu machen? Es geht selbstverständlich auch darum, irgendwo die europäische Komponente einfließen zu lassen, denn es ist nicht unerheblich, was in diesem kleinen Finanzausgleich in der Europäischen Union passiert. Das alles muß einfließen.

Es fehlt mir hier – auch persönlich – die Schlußfolgerung aus diesem liberalen Antrag. Darin müßte, zumindest in groben Zügen – nicht in einem Initiativantrag, sondern sehr wohl in einem gut formulierten Entschließungsantrag –, dargestellt werden, welche Ideen der Antragsteller hinsichtlich eines neuen Finanzausgleiches eigentlich verfolgt.

Diesbezüglich gibt es meiner Ansicht nach Vorstellungen von vielen Parteien. Die Vorstellung der Freiheitlichen Partei möchte ich in wenigen Zügen skizzieren. Es geht sicherlich darum, in einen neuen Steuerausgleich, einen neuen Finanzausgleich eine Wettbewerbskomponente einzubauen. Das ist ein Vorbild. Uns schwebt hierbei in sehr starkem Maße das Schweizer Modell vor. Dort stehen die Kantone in einem starken Wettbewerbsverhältnis untereinander, haben aber beispielsweise auch ein Steuerfindungsrecht.

Es ist schon sehr einfach, wie es jetzt läuft: daß Landeshauptleute im Wege des Finanzausgleichs Gelder kassieren, die sie nicht selbst irgendwo – unter Anführungszeichen – "erwirtschaften" müssen, bei deren Verteilung sie aber großzügig sind. Das kann bald jemand: Gelder, die man sich nicht mühselig erwerben muß, einfach an den Mann zu bringen und dann in gönnerhafter Manier als Landeshauptmann herzugehen und zu sagen: Da habt ihr, das habe ich wieder für euch, für die Bevölkerung gemacht! (Abg. Wurmitzer: Das macht der Haider in Kärnten! Genau das macht er!) Ja, das macht ihr alle recht gern! Das ist überhaupt kein Argument. (Abg. Wurmitzer: 80 000 S pro Familie!)

Meine Damen und Herren! (Abg. Wurmitzer: Wenn es der Haider macht, ist es in Ordnung!) Kollege Wurmitzer, das ist alles gut und schön! (Abg. Mag. Stadler: ... wenn er Landeshauptmann wird! – Abg. Schwarzenberger: Ja derfen S' denn des, den Haider kritisieren?)

Dennoch müssen wir uns über dieses Unterfangen einmal in grundlegenden Zügen einig werden. Diesbezüglich gehen mir einfach die Vorstellungen der meisten Parteien ab. So bleibt es bei Ankündigungen. Herr Kollege Kier, es ist eben nicht akzeptabel, wenn Sie einen Initiativantrag einbringen, einen Punkt setzen, aber nicht sagen, wie es weitergeht!

Die Diskussion darüber ist legitim, eine detaillierte Diskussion wäre wünschenswert, allerdings nicht um 1 Uhr oder 2 Uhr in der Nacht oder auch nicht um 11 Uhr am Abend. Dafür können die Liberalen nichts, das wurde anscheinend von der Mehrheit in der Präsidiale so beschlossen. Aber es wäre wichtig, daß wir uns über das enorm wichtige Thema Finanzausgleich vielleicht einmal um 9 Uhr, um 10 Uhr oder auch um 11 Uhr unterhalten, nicht jedoch zu einer Zeit, zu der hier manche – oder die meisten – schon lieber ans Heimgehen denken. – Ich halte diese Vorgangsweise also nicht für den richtigen Weg.

Ich wünsche mir daher eine fachlich versierte Diskussion (Abg. Dr. Graf: Gemeindenfreundlich! Gemeindenfreundlich!) und appelliere an Sie, diesen Antrag zurückzuziehen und einen besser ausformulierten Entschließungsantrag, der auch die Gemeinden mit einbezieht – grob, aber immerhin –, auszuformulieren. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wurmitzer: Reinhard, du bist der größte Redner!)

1.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 980/A dem Finanzausschuß zu.

25. Punkt

Erste Lesung des Antrages 989/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander zu Wort gemeldet. Dieser Wortmeldung kann nicht stattgegeben werden, weil die Blockredezeit für den grünen Klub erschöpft ist. (Abg. Schwarzenberger: Sie ist auch nicht anwesend!)

Ich erteile daher Herrn Abgeordnetem Oberhaidinger das Wort. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Fekter: Statt der Kammerlander, oder wie?)

1.01

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens meiner Fraktion den Einbringern dieses Antrages versichern, daß wir dieses Thema im Ausschuß intensiv und gründlich diskutieren werden, ganz im Sinne einer österreichischen Antiatompolitik. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

1.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

1.02

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Österreich hat sich aufgrund verschiedener völkerrechtlicher Normen verpflichtet, Atomwaffen nicht herzustellen, zu verwenden oder zu besitzen. Hier darf ich im besonderen den Staatsvertrag oder auch den Atomsperrvertrag nennen. Das LIF beschäftigt sich einmal mehr mit Eventualitäten, die bisher noch nie eingetreten sind.

Darüber hinaus ist erstens bisher noch nie ein NATO-Staat dazu gezwungen worden, und zweitens hat die NATO bisher auch von sich aus mehrmals betont, daß sie auch bei Beitrittsländern keinesfalls darauf zurückgreifen würde. Die drei Nos der NATO lauten hier: No intentions, no necessity and no advance.

Ich glaube daher, daß das ein Thema ist, das sich einmal mehr mit Absichten beschäftigt, die Österreich in keiner Weise als Gefahr drohen. (Beifall bei der ÖVP.)

1.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Herr Abgeordneter, für Ihren Klub steht noch eine Redezeit von 4 Minuten zur Verfügung. (Abg. Dr. Fekter: Gott sei Dank! – Ruf bei der ÖVP: Das ist zu viel!) – Bitte.

1.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Antrag, der von den Grünen eingebracht wurde, ist, wie ich meine, tatsächlich noch im Ausschuß zu behandeln. Richtig ist, daß die Frist, die sich der Nationalrat selbst gesetzt hat, nunmehr verstrichen ist und hier Handlungsbedarf besteht. Nur: Der Antrag ist in dieser Form – das sei an die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen gerichtet – sicher unausgereift. So lautet zum Beispiel § 2: "Österreich verpflichtet sich, keinerlei Einrichtungen, welcher Art auch immer, bereitzustellen, die eine Stationierung oder Lagerung von Atomwaffen möglich machen."

Was sind diese "keinerlei Einrichtungen"? Weiters, würde ich meinen, ist auch sehr wesentlich, daß man hier einsetzt, wo! (Abg. Mag. Stoisits: "Keinerlei" ist "keinerlei"! Das ist eindeutig!) Nein, "keinerlei Einrichtungen" ist eben nicht eindeutig! Theoretisch dürften Sie dann nicht einmal – und das könnte möglicherweise ohne Ihr Wissen geschehen – den Beton für den Aufbau irgendwelcher Gerätschaften für das Ausland zur Verfügung stellen. Das ist unausgegoren – ich will Sie nur darauf hinweisen. Ich habe ja nichts dagegen, wenn das hier festgehalten wird, nur soll es dann so sein, daß es tatsächlich auch hält. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das versteht sie wieder nicht, die Frau Stoisits! Erklär es ihr bitte noch einmal! Erklär es ihr noch einmal! – Abg. Mag. Firlinger: Auf serbokroatisch!) Nun ja, es sind noch weitere Punkte. Es wird Frau Kollegin Stoisits ja möglich sein, das aufzugreifen und gegebenenfalls noch zu ergänzen, insbesondere dann, wenn das von den Grünen ernst gemeint ist.

Des weiteren sprechen Sie unter § 4 von einem Transport, und zwar wie folgt: "Darüber hinaus sind keine Ausnahmegenehmigungen zu erteilen und ist jedenfalls ein Transport, der Gesundheit und Umwelt gefährdet, zu untersagen." – Sie sollten hier einfügen, um welche Art von Transport es sich handelt. Das Besondere an Transporten jedweder Art, sogar dann, wenn sie auf der Schiene erfolgen, ist, daß sie gefährlich sind und die Umwelt gefährden. Der Zug wird mit Strom betrieben; dafür ... (Abg. Mag. Firlinger: Die Grünen haben sich jetzt so intensiv mit der Schiene auseinandergesetzt, daß sie gar nichts anderes mehr kennen!) Ja. – Hier bedarf es also einiger Ergänzungen.

Noch ein Punkt, der hier auf jeden Fall anzusprechen ist und der mir am Herzen liegt: Sie beziehen sich in Ihrem Antrag auf den Fünf-Parteien-Entschließungsantrag vom 10. Juli 1997. Es wird immer wieder diese Einigkeit, die es in Österreich, die es im Nationalrat zu diesem kernenergiefreien Europa gibt, angeführt. Ich möchte, da sich die Gelegenheit bietet, sehr wohl darauf hinweisen, wie die Verhaltensweise der Bundesregierung gerade im Zusammenhang mit Kernenergie im Bereich der Kernkraftwerke des Ostens – Sie wissen, was sich da abgespielt hat, bei Mochovce zum Beispiel – gewesen ist. (Abg. Dr. Graf: In Tschechien gibt es nicht einmal mehr einen Ansprechpartner in der Regierung!) Sie von den Grünen sind auch diejenigen, die unser Ansinnen nicht unterstützt haben, hier zu junktimieren, weil Ihnen die Osterweiterung so wichtig ist (Beifall bei den Freiheitlichen) und es überhaupt keine Rolle spielt, ob ein Gefährdungspotential von Mochovce ausgeht. Wir sind zwar für ein kernkraftfreies Mitteleuropa; nichtsdestotrotz bleiben die Anstrengungen der Grünen hier sehr einseitig – wichtiger ist die Osterweiterung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Rechne ihnen einmal vor, was die Osterweiterung kosten wird!)

Was ist seit dem Entschluί des Herrn Mečiar, das Kernkraftwerk in Betrieb zu nehmen, tatsδchlich passiert? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sag das einmal der Frau Stoisits! Sag ihr, was die Osterweiterung kostet! – Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung nach der Inbetriebnahme des AKW Mochovce noch unternommen? Wie wichtig ist es Ihnen, sich darüber zu informieren? Sie machen es nicht, und darum sollten Sie diesen, wie ich meine, doch sehr zweifelhaften Bezug auf die Einigkeit, nämlich auf diesen Fünf-Parteien-Entschließungsantrag, hierin gar nicht anführen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Graf! Sie haben sich zu Wort gemeldet, aber die Blockredezeit des freiheitlichen Klubs ist erschöpft. Daher kann Ihrer Wortmeldung nicht entsprochen werden. (Abg. Dr. Graf: Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident! – Abg. Dr. Mertel: "Das freie Rederecht des freien Mandatars" ...!) – Bitte, zur Geschäftsordnung.

1.08

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Die heutige Debatte hat gezeigt, wie wichtig es ist, was die Redezeit betrifft, für das freie Mandat des freien Abgeordneten einzutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Zwei Abgeordnete der Grünen konnten ihren eigenen Antrag in der ersten Lesung nicht einmal begründen, weil ihnen keine Redezeit mehr zur Verfügung stand.

Die Ausnützung der Geschäftsordnung bei der Beschränkung des freien Mandates ist zwar in der Geschäftsordnung gedeckt, aber, wie ich meine, im Ausnahmefall gedeckt.

Ich beantrage die Zuteilung von Redezeit bei diesem wichtigen Thema, um mein Mandat, mein freies Mandat im Rahmen der freien Rede eines Abgeordneten wahrnehmen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Graf! Die Blockredezeit, die für heute festgesetzt wurde, ist am Beginn dieser Sitzung völlig geschäftsordnungskonform beschlossen worden. Sie ist daher für die gesamte Sitzung verbindlich. Ich kann davon nicht abgehen.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Die Blockredezeit ist zwar geschäftsordnungsgemäß festgesetzt worden, beschneidet aber in diesem Fall, wie heute evident geworden ist, die freien Rechte des Abgeordneten, nämlich die Rederechte. (Abg. Schieder: Will er jetzt eine Geschäftsordnungsdebatte machen, weil er keine Redezeit mehr hat?) Diese wurde darüber hinaus gegen den Willen der Freiheitlichen beschlossen, und das darf nicht vergessen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! In welcher Weise die letzte Geschäftsordnungsreform, die auch die Möglichkeit der Blockredezeitfestsetzung vorsieht, beschlossen worden ist, ist allgemein bekannt. Sie haben natürlich das Recht, das jederzeit politisch zu kritisieren. Ich bitte aber, hier bei dieser Sitzung zu akzeptieren, daß diese Redeordnung beschlossen worden ist, die Sitzung auch dementsprechend durchzuführen ist und auch durchgeführt wurde.

Es liegt jetzt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 989/A dem Verfassungsausschuß zu.

Abstimmung über Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Tagesordnung ist jetzt erschöpft, und ich bitte, die Plätze einzunehmen. Wir haben über einige Fristsetzungsanträge abzustimmen. (Unruhe im Saal.) – Frau Abgeordnete Dr. Brinek! Herr Kollege, Sie werden das doch auch nach der Abstimmung sagen können!

Wir stimmen zunächst ab über den Antrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 1522 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kabel- und Satellitenrundfunkgesetz geändert wird, eine Frist bis 30. April 1999 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1022/A (E) der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend Abschaffung der Pensions- und Abfertigungsprivilegien der Politiker (Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum) eine Frist bis 23. März 1999 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 816/A der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten, Gewerbegesetz 1998, eine Frist bis 19. Mai 1999 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1023/A bis 1034/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 5823/J bis 5886/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage des Abgeordneten Haigermoser an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Bevor ich den Termin der nächsten Sitzung ankündige, möchte ich noch eine Feststellung treffen, die die heutige Debatte zu den ersten vier Tagesordnungspunkten betrifft.

Im Rahmen dieser Debatte hat Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé an die Adresse des Herrn Abgeordneten Leikam folgende Formulierung verwendet: "Und überdies vermute ich auch, daß er betrunken sein dürfte, denn sonst könnte er nie zu einer solchen Äußerung kommen."

Klubobmann Dr. Kostelka hat dafür einen Ordnungsruf verlangt. Ich habe keinen Ordnungsruf erteilt. Ich bitte aber, daraus nicht den falschen Schluß zu ziehen, daß ich ein solches Verhalten billige.

Ich bitte, in Zukunft solche Äußerungen zu unterlassen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Den Herrn Leikam sollten Sie darauf aufmerksam machen!) Sie dienen nicht dem Ansehen des Hohen Hauses. Darüber hinaus, glaube ich, sollten wir jenes Minimum an gegenseitiger Anerkennung wahren, das für dieses Haus unerläßlich ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie sich das Protokoll des Herrn Leikam angesehen?)

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 24. März 1999, 9 Uhr, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 1.14 Uhr