Stenographisches Protokoll

166. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 22. April 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

166. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 22. April 1999

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 22. April 1999: 9.03 – 22.25 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen des Bundesministers für Finanzen zum Thema "Ergebnisse des ECOFIN vom 15. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin am 25. März 1999" und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zum Thema "Ergebnisse des Rates Landwirtschaft vom 11. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 26. März 1999 – Bereich Landwirtschaft" gemäß § 19 Abs. 2 GOG

2. Punkt: Bericht über den Antrag 833/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Zier-, Gemüse- und Obstarten (Pflanzgutgesetz 1997), BGBl. I Nr. 73/1997, geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 834/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997), BGBl. I Nr. 72/1997, geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 873/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Maßnahmen für Österreichs Schweinehalter

5. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 963/A (E) der Abgeordneten Georg Schwarzenberger, Heinz Gradwohl und Genossen betreffend die Kennzeichnung von Eiern aus verschiedenen Haltungsformen

6. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 897/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Konzeption von ÖPUL 2000

7. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 898/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut und Gentech-Futtermittel für alle ÖPUL-Betriebe

8. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 899/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Befassung des Nationalrates mit dem Konzept "ÖPUL 2000"

9. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 900/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Sicherung des Waldes als Erholungsgebiet

10. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 946/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen betreffend Planung, Errichtung und Finanzierung von Fischaufstiegshilfen bei bestehenden Flußkraftwerken

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (751/A)

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzgeldgesetz geändert wird (752/A)

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzgeldgesetz geändert wird (753/A)

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (754/A)

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (755/A)

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden soll (1038/A)

17. Punkt: Erster Bericht der Gentechnikkommission gemäß § 99 Abs. 5 des Gentechnikgesetzes

18. Punkt: Bericht über die Petition (PET-30) betreffend "Der Gesetzgeber soll handeln, bevor es zu spät ist", überreicht von der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat

19. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 186/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Moratorium für Freisetzungsanträge von gentechnisch veränderten Organismen

20. Punkt: Bericht über den Antrag 192/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG) und das Produkthaftungsgesetz, BGBl. Nr. 510/1994, geändert wird

21. Punkt: Bericht über den Antrag 207/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird

22. Punkt: Bericht über den Antrag 208/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird

23. Punkt: Bericht über den Antrag 206/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz geändert wird

24. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 213/A (E) der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Haftungsregeln für Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen

25. Punkt: Bericht über den Antrag 399/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG)

26. Punkt: Bericht über den Antrag 452/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird

27. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative (BI-6) betreffend "Gentechnologie – nein danke"

28. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative (BI-13) betreffend "Klonierungsverbot von Tieren"

29. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 757/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines eigenen Bundesgesetzes zur Regelung des Klonens bzw. Klonierens von Menschen und Tieren

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Inhalt

Nationalrat

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer aus Anlaß des 50. Jahrestages der Gründung des Europarates 31

Wortmeldungen zum selben Thema:

Peter Schieder 31

Dr. Walter Schwimmer 33

Dkfm. Holger Bauer 35

Hans Helmut Moser 37

Ing. Monika Langthaler 39

Personalien

Verhinderungen 14

Ordnungsruf 111

Geschäftsbehandlung

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die unentschuldigte Abwesenheit des Abgeordneten Ing. Walter Meischberger sowie öffentliche Aufforderung, im Nationalrat zu erscheinen und die Angelobung zu leisten 14

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol betreffend den Wahlschein des Abgeordneten Ing. Walter Meischberger 14

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol 14

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend das Einlangen eines Schreibens, daß Abgeordneter Ing. Walter Meischberger mit sofortiger Wirkung auf sein Mandat verzichtet hat 103

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 5440/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 42

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 100

Redner:

Dr. Volker Kier 100

Anton Leikam 102

Günther Platter 103

Dr. Helene Partik-Pablé 104

Dr. Martina Gredler 105

Mag. Terezija Stoisits 107

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 108

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 5475/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 42

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 110

Redner:

Andreas Wabl 110

Ing. Erwin Kaipel 112

Dr. Karl Maitz 113

Herbert Scheibner 114

Hans Helmut Moser 115

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 117

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 118

Antrag der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1024/A (E) betreffend "Schutzgeldzahlungen" im Bereich der Wirtschaftskammer Österreich gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 18. Mai 1999 zu setzen 42

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 42

Redner:

Helmut Haigermoser 120

Kurt Eder 122

Dr. Alois Mock 123

Mag. Karl Schweitzer 124

Mag. Helmut Peter 125

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 127

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 42

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend das Erheben von kriminalisierenden Vorwürfen in schriftlichen Dokumenten 126

Fragestunde (36.)

Inneres 14

Dr. Helene Partik-Pablé (259/M); Mag. Dr. Josef Trinkl, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Volker Kier, Dr. Elisabeth Hlavac

Paul Kiss (255/M); Mag. Terezija Stoisits, Dr. Volker Kier, Anton Gaál, Dr. Liane Höbinger-Lehrer

Dr. Volker Kier (258/M); Günter Kiermaier, Wolfgang Jung, Wolfgang Großruck, Mag. Terezija Stoisits

Emmerich Schwemlein (253/M); Mag. Dr. Udo Grollitsch, Karl Freund, Theresia Haidlmayr, Hans Helmut Moser

Mag. Terezija Stoisits (257/M); Dr. Volker Kier, Helmut Dietachmayr, Franz Lafer, Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 14

Ausschüsse

Zuweisungen 29, 173, 181

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärungen des Bundesministers für Finanzen zum Thema "Ergebnisse des ECOFIN vom 15. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 25. März 1999" und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zum Thema "Ergebnisse des Rates Landwirtschaft vom 11. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 26. März 1999 – Bereich Landwirtschaft" gemäß § 19 Abs. 2 GOG 43

Bundesminister Rudolf Edlinger 44

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 48

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 44

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 833/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Zier-, Gemüse- und Obstarten (Pflanzgutgesetz 1997), BGBl. I Nr. 73/1997, geändert wird (1723 d. B.) 43

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 834/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997), BGBl. I Nr. 72/1997, geändert wird (1724 d. B.) 43

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 873/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Maßnahmen für Österreichs Schweinehalter (1725 d. B.) 43

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 963/A (E) der Abgeordneten Georg Schwarzenberger, Heinz Gradwohl und Genossen betreffend die Kennzeichnung von Eiern aus verschiedenen Haltungsformen (1726 d. B.) 43

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 897/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Konzeption von ÖPUL 2000 (1727 d. B.) 43

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 898/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut und Gentech-Futtermittel für alle ÖPUL-Betriebe (1728 d. B.) 43

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 899/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Befassung des Nationalrates mit dem Konzept "ÖPUL 2000" (1729 d. B.) 44

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 900/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Sicherung des Waldes als Erholungsgebiet (1730 d. B.) 44

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 946/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen betreffend Planung, Errichtung und Finanzierung von Fischaufstiegshilfen bei bestehenden Flußkraftwerken (1731 d. B.) 44

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 52

Georg Schwarzenberger 54

Dr. Martina Gredler 56

Mag. Gilbert Trattner (tatsächliche Berichtigung) 59

Dr. Ewald Nowotny 60

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 62

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 65

Anna Elisabeth Aumayr 67

Heinz Gradwohl 69

Mag. Thomas Barmüller 71

Katharina Horngacher 73

Mag. Doris Kammerlander 75

Dr. Josef Cap 79

Hermann Böhacker 81

Bundesminister Rudolf Edlinger 82

Franz Kampichler 86

Franz Koller 87

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 88

Arnold Grabner 90

Dr. Stefan Salzl 92

Jakob Auer 94, 132

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) 96

Dr. Stefan Salzl (tatsächliche Berichtigungen) 96, 130, 137

Robert Wenitsch (tatsächliche Berichtigung) 97

Mag. Dr. Udo Grollitsch 97

Marianne Hagenhofer 99

Anneliese Klein 127

Johannes Zweytick 128

Dr. Alois Pumberger 130

Robert Wenitsch 133

Karl Donabauer (tatsächliche Berichtigung) 135

Rudolf Schwarzböck 136

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 137

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1723, 1724, 1725, 1727, 1728, 1729, 1730 und 1731 d. B. 138, 139

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1726 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Kennzeichnung von Eiern aus verschiedenen Haltungsformen (E 176) 139

Entschließungsantrag der Abgeordneten Robert Wenitsch und Genossen betreffend Verbilligung des Agrardiesels – Ablehnung 68, 138

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Beseitigung von Ungerechtigkeiten der AMA gegenüber Österreichs Bauern – Ablehnung 69, 138

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend die Kennzeichnung aller in Österreich in Verkehr gesetzten Eier aus verschiedenen Haltungsformen – Ablehnung 73, 139

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend importierte Lebendschweine und A-Stempel – Ablehnung 88, 138

Entschließungsantrag der Abgeordneten Robert Wenitsch und Genossen betreffend stufenweise Beseitigung der Anrechnung des fiktiven Ausgedinges – Ablehnung 93, 138

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Agenda 2000 – Ablehnung 128, 138

Entschließungsantrag der Abgeordneten Robert Wenitsch und Genossen betreffend sachgerechte jährliche Anpassung der Sozialversicherungsbeiträge der Bauern – Ablehnung 131, 138

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Leistungen nach dem AlVG für Nebenerwerbsbauern – Ablehnung 135, 138

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (751/A) 139

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzgeldgesetz geändert wird (752/A) 140

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzgeldgesetz geändert wird (753/A) 140

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (754/A) 140

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (755/A) 140

Redner:

Dr. Elisabeth Hlavac 140

Doris Bures 142

Maria Rauch-Kallat 144

Edith Haller 146

Dr. Elisabeth Hlavac (tatsächliche Berichtigung) 147

Maria Schaffenrath 148

Karl Öllinger 150

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 154

Sophie Bauer 156

Edeltraud Gatterer 157

Reinhart Gaugg 158

Inge Jäger 160

Ridi Steibl 161

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 162

Elfriede Madl 163

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 164, 172

Hannelore Buder 166

Dr. Gertrude Brinek 168

Heidrun Silhavy 169

Dr. Sonja Moser-Starrach 170

Zuweisung der Anträge 751/A, 752/A, 753/A, 754/A und 755/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 173

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden soll (1038/A) 173

Redner:

Karl Öllinger 174

Mag. Herbert Kaufmann 175

Dr. Gottfried Feurstein 176

Reinhart Gaugg 178

Dr. Volker Kier 178

Mag. Terezija Stoisits 180

Zuweisung des Antrages 1038/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 181

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Ersten Bericht (III-177 d. B.) der Gentechnikkommission gemäß § 99 Abs. 5 des Gentechnikgesetzes, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (1737 d. B.) 181

18. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Petition (PET-30) betreffend "Der Gesetzgeber soll handeln, bevor es zu spät ist", überreicht von der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat (1738 d. B.) 181

19. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 186/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Moratorium für Freisetzungsanträge von gentechnisch veränderten Organismen (1739 d. B.) 181

20. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 192/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG) und das Produkthaftungsgesetz, BGBl. Nr. 510/1994, geändert wird (1740 d. B.) 181

21. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 207/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (1741 d. B.) 181

22. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 208/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (1742 d. B.) 182

23. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 206/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz geändert wird (1743 d. B.) 182

24. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 213/A (E) der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Haftungsregeln für Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen (1744 d. B.) 182

25. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 399/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG) (1745 d. B.) 182

26. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 452/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird (1746 d. B.) 182

27. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Bürgerinitiative (BI-6) betreffend "Gentechnologie – nein danke" (1747 d. B.) 182

28. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Bürgerinitiative (BI-13) betreffend "Klonierungsverbot von Tieren" (1748 d. B.) 182

29. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 757/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines eigenen Bundesgesetzes zur Regelung des Klonens bzw. Klonierens von Menschen und Tieren (1749 d. B.) 182

Redner:

Mag. Herbert Haupt 183

Dr. Elisabeth Pittermann 184

Mag. Thomas Barmüller 185

Dr. Günther Leiner 186

Ing. Monika Langthaler 187

Annemarie Reitsamer 190

Dr. Alois Pumberger 191

Johann Schuster 192

Dr. Stefan Salzl 193

Heinz Gradwohl 194

Dr. Brigitte Povysil 195

Willi Sauer 196

Robert Wenitsch 196

Ing. Erwin Kaipel 197

Dr. Martina Gredler 198

Dr. Erwin Rasinger 199

Mag. Johann Maier 200

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 201

Kenntnisnahme des Berichtes III-177 d. B. 203

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1738, 1739, 1740, 1741, 1742, 1743, 1744, 1745, 1746, 1747, 1748 und 1749 d. B. 203

Eingebracht wurden

Berichte 30

III-192: Außenpolitischer Bericht 1998, Bundesregierung

III-193: Wildschadensbericht 1997, BM f. Land- und Forstwirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1068/A)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend barrierefreien öffentlichen Personennah- und -fernverkehr (1069/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend Rehabilitation der Deserteure der Wehrmacht (1070/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert werden soll (1071/A)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend mangelndes Finanzierungskonzept der Technologieförderungsmaßnahmen der Bundesregierung (1072/A) (E)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend Beseitigung des bestehenden Verhaltenskartells (1073/A) (E)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend Senkung der Mineralölsteuer (1074/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Maßnahmen zur Vereinfachung der Betriebsprüfungen (1075/A) (E)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1076/A)

Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 167/1998, geändert wird (1077/A)

Herbert Scheibner und Genossen betreffend Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres gemäß § 2 Wehrgesetz (1078/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend befürchtete Auflösung des Finanzamtes Braunau (6135/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Erhaltung des Postamtes 4881 Straß im Attergau (6136/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Neuronavigationssystem (6137/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Neuronavigationssystem (6138/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Anti-Atom-Politik Österreichs in bezug auf Temelin (6139/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Einsatz von nuklearer Munition der NATO in Jugoslawien (6140/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Einsatz von nuklearer Munition der NATO in Jugoslawien (6141/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend einige rechtliche Ungereimtheiten, wie sie im Zusammenhang mit dem Auflösungsverfahren des Bundesministers für Inneres hinsichtlich des Vereines "Dichterstein Offenhausen" entstanden sind (6142/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend weitere Ungereimtheiten in Sachen Verein "Dichterstein Offenhausen" (6143/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umsatzsteuerbefreiung von Kleinunternehmern (6144/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend das Auftragswerk des Universitätsprofessors DDr. Heinz Mayer, dessen sich der Bundesminister für Inneres bediente, um den Verein "Dichterstein Offenhausen" auflösen zu können (6145/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend einige bedenkliche Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung (6146/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Behandlung der vom ehemaligen SPÖ-Abgeordneten Dipl.-Vw. Mag. DDr. Stephan Tull erstatteten Anzeige gegen den Verein "Dichterstein Offenhausen" wegen Verletzung des § 3 Verbotsgesetzes (6147/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend finanzielle Gefährdung des Business-Frauen-Centers (6148/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend finanzielle Gefährdung des Business-Frauen-Centers (6149/J)

Mag. Helmut Peter und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Vorlage des Berichts der Arbeitsgruppe zur Zusammenarbeit von Sozialversicherungsträgern und Finanzverwaltung (6150/J)

Manfred Lackner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Tätigkeit von Sachwaltern (6151/J)

Manfred Lackner und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Einführung einer Jahresdurchrechnung für Pflichtschullehrer (6152/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Verwaltungsgerichtshoferkenntnis zur Notstandshilfeberechnung (6153/J)

Elfriede Madl und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Schulgemeinschaftsausschuß an Schulen für Berufstätige (6154/J)

Elfriede Madl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Straßenbauvorhaben in Oberösterreich (6155/J)

Elfriede Madl und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Verrechnungsmodus bei "nicht ganzjährig geführtem Unterricht" (6156/J)

Elfriede Madl und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Gewährung von Reisegebühren bei "schulbezogenen Veranstaltungen" (6157/J)

Kurt Wallner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend B 115 – Umfahrung Vordernberg (6158/J)

Kurt Wallner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Heeresmunitionsanstalt Hieflau (6159/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Evaluierung des Studientages für Entwicklungspolitik (6160/J)

Dr. Dieter Antoni und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Schulversuchsantrag des Bezirksschulrates Wiener Neustadt-Stadt (6161/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Wettwesen – Wetten aus sonstigen Anlässen (6162/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Mozarteum (6163/J)

Verena Dunst und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Gewinnspiele (6164/J)

Verena Dunst und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verkaufs- und Importverbot von "Softguns" (6165/J)

Verena Dunst und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Verkaufs- und Importverbot von "Softguns" (6166/J)

Verena Dunst und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gewinnspiele (6167/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend weitere Entwicklungen aufgrund der Staatsbürgerschaftsnovelle 1998 (6168/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Familienrichter (6169/J)

Anfragebeantwortungen

des Präsidenten des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (5499/AB zu 5797/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen (5500/AB zu 5777/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen (5501/AB zu 5793/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Meisinger und Genossen (5502/AB zu 5794/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (5503/AB zu 5835/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Ab-geordneten Ingrid Tichy-Schreder und Genossen (5504/AB zu 5928/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (5505/AB zu 5783/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen (5506/AB zu 5895/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (5507/AB zu 5799/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (5508/AB zu 5844/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen (5509/AB zu 5776/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen (5510/AB zu 5841/J)

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle herzlich und eröffne die 166. Sitzung des Nationalrates.

Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Löschnak, Apfelbeck, Motter, Smolle und Dr. Mertel.

Nicht entschuldigt ist Herr Abgeordneter Meischberger, und ich richte noch einmal öffentlich an ihn das Ersuchen, zur Angelobung im Hohen Haus zu erscheinen. Die Angelobung kann auch während der Sitzung oder nach Ende der Tagesordnung einer Sitzung, also jederzeit, vorgenommen werden. (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!)

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Khol.

9.04

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Das Hohe Haus wäre sicherlich sehr daran interessiert, zu erfahren, was mit dem Wahlschein von Herrn Kollegen Meischberger geschehen ist, denn in allen Zeitungen steht, er habe das Mandat zurückgelegt.

9.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Es liegt in diesem Fall in der Parlamentsdirektion – so wie für alle anderen 182 Abgeordneten – ein gültiger, vom Leiter der Bundeswahlbehörde unterschriebener Wahlschein vor. Eine Verzichtserklärung hingegen – jedenfalls bis zum Zeitpunkt 8.58 Uhr, zu dem ich mich zum letzten Mal erkundigt habe – liegt nicht vor. Das ist die Mitteilung, die ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt dazu machen kann. (siehe auch S. 103.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein wird durch Herrn Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner vertreten.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt – um 9.05 Uhr – zur Fragestunde.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die erste Frage wird von Frau Abgeordneter Dr. Helene Partik-Pablé formuliert. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage an Sie lautet:

259/M

Wie beurteilen Sie den Umstand, daß durch die jüngsten Entscheidungen des unabhängigen Bundesasylsenates, Kosovo-Flüchtlingen in Österreich Asyl zu gewähren, negative erstinstanzliche Bescheide aufgehoben werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister. – Wobei ich noch sagen darf, der Herr Bundesminister ist 3 Minuten zu spät gekommen, weil eine Sitzung des Hauptausschusses stattgefunden hat, die eben offenbar erst um 9 Uhr zu Ende gegangen ist. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Präsident! Danke für die Entschuldigung und für die Rechtfertigung meines Zuspätkommens.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich möchte Ihre Anfrage wie folgt beantworten: Die Asylbehörde erster Instanz ist gemäß dem Asylgesetz 1997 das bereits 1991 eingerichtete Bundesasylamt. Es handelt sich beim Bundesasylamt um eine Verwaltungsbehörde mit Zuständigkeit für alle in Österreich gestellten Asylanträge.

Über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat. Dieser ist aufgrund der Gesetzeslage weisungsfrei und gehört als zweite Instanz nicht mehr zum Innenministerium, sondern zum Bundeskanzleramt.

Ich bin überzeugt davon, daß die Asylbehörde erster Instanz – nämlich das Bundesasylamt – bezogen auf den jeweiligen Entscheidungszeitpunkt richtig entschieden hat. Dem widerspricht auch nicht, daß die zweite Instanz zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund der Änderung der Realität, aufgrund der Änderung der politischen und tatsächlichen Verhältnisse zu einer anderen Entscheidung kommt.

Und genau so sehe ich das in dieser Debatte und Diskussion. Die Entscheidung der ersten Instanz ist unter anderen politischen Vorzeichen gefallen, als jetzt die Entscheidung der zweiten Instanz gefallen ist. Ich gehe deshalb davon aus, daß die Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates eine ist, die vor allem von den aktuellen dramatischen Ereignissen im Kosovo und rund um den Kosovo geleitet und gelenkt wird. Über diese Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates und mancher Richter in diesem unabhängigen Bundesasylsenat maße ich mir kein Urteil an und steht mir meiner Meinung nach ein solches Urteil auch nicht zu.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Heißt das, Herr Minister, daß alle Flüchtlinge aus dem Kosovo nach der Genfer Konvention Flüchtlinge sind, obwohl es sich eigentlich um Kriegsflüchtlinge handelt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte. (Unruhe im Saal.)

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich bin heute sehr sensibel, Herr Präsident, und ich bitte, daß es vielleicht ein bißchen leiser ist, weil ich ... (Abg. Dr. Ofner: Ein sensibler Innenminister! Was ist denn das?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister! Darf ich dich einladen, von diesem Pult aus (auf einen anderen Platz auf der Regierungsbank weisend) die Fragen zu beantworten? Ich darf gleichzeitig die Mitarbeiter bitten, die dort erforderlichen Arbeiten auf das notwendige Ausmaß zu reduzieren.

Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Danke vielmals. – Frau Abgeordnete! Wenn der entsprechende Bescheid so lautet und die entsprechende Entscheidung von der zweiten Instanz so getroffen wird, dann ist diejenige Person ein anerkannter Asylwerber.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Trinkl, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundesminister! Vizekanzler Schüssel hat gestern hier bei seiner Erklärung zum Kosovo gemeint, kein europäisches Land hat mehr getan als wir, und tatsächlich ist die Hilfeleistung, die Österreich sowohl auf politischem als auch auf humanitärem Gebiet erbringt, enorm.

Angesichts der Situation in Mazedonien, der Situation in den Nachbarstaaten des Kosovo erhebt sich allerdings die Frage nach mehr Solidarität aller europäischen Länder, und ich darf Sie daher fragen:

Wie sehen Sie, Herr Bundesminister, die Chancen, mehr europäische Staaten dafür zu gewinnen, Flüchtlinge vorübergehend aufzunehmen und so einen Lastenausgleich innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft herzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich glaube, es muß nach wie vor das Ziel sein, alles daranzusetzen, um den Menschen vor Ort zu helfen. Das ist die gemeinsame Linie nicht nur der EU-Staaten, sondern der gesamten internationalen Staatengemeinschaft.

Es kann keinen Sinn machen, wenn man jetzt eine Vielzahl von Vertriebenen aus dem Kosovo auf die verschiedenen Staaten und auf die internationale Staatengemeinschaft aufteilt. Wenn wir das täten, würde das genau der Vertreibungspolitik des Regimes in Serbien und von Milošević entgegenkommen und wόrde diese Vertreibungspolitik dadurch noch unterstόtzt werden.

Deshalb gehe ich davon aus, daß es unsere gemeinsame größte Verpflichtung ist, alles daranzusetzen, um den Menschen vor Ort zu helfen, und diesbezüglich hat Österreich im Vergleich zu vielen anderen Staaten sehr wirkungsvolle Maßnahmen gesetzt. Ich denke dabei etwa an die Errichtung des "Österreich-Dorfes", aber auch an die vielen Maßnahmen, die von verschiedenen Organisationen vor Ort getätigt werden.

Aufgrund der politischen Situation in Mazedonien ist von der dortigen Regierung der Hilferuf, der Wunsch, die Bitte gekommen, daß Menschen auch vorübergehend in anderen Staaten aufgenommen werden; Deutschland und Österreich haben als erste EU-Staaten darauf reagiert und eine solche Hilfe angeboten. Wir haben uns bemüht, bei den anderen EU-Staaten eine ähnliche Haltung zu erreichen. Bisher hat es in diesem Zusammenhang nur Unterstützung von seiten Belgiens, von seiten Schwedens und von seiten der Niederlande gegeben. Alle anderen Staaten haben bisher einer solchen Aufnahmeaktion noch nicht zugestimmt. Wir werden uns aber bemühen, in unseren weiteren Sitzungen und Beratungen zu erreichen, daß alle 15 EU-Mitgliedstaaten eine ähnliche Haltung einnehmen wie Österreich und Deutschland.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Anregung, eine Verordnung zu erlassen, um Kosovo-Vertriebenen Aufenthaltsrecht in Österreich zu geben, ist alt. Sie wurde von Ihnen jetzt aber in einer Form umgesetzt, die ich für sehr unzureichend halte. Was passiert mit einem Kosovo-Flüchtling, der nicht im Rahmen der international akkordierten Aktion in Österreich Aufnahme findet? – Man muß dazusagen, bis zum heutigen Tag sind das laut Ihren Angaben 324 Personen, nur um der Bevölkerung eine Zahl zu nennen. – Was passiert mit Kosovo-Flüchtlingen, die darüber hinaus nicht aus Mazedonien über Vermittlung des UNHCR, sondern auf anderen Wegen in Österreich Schutz vor Verfolgung suchen? Welche Hilfestellungen bieten Sie diesen Menschen auf der rechtlichen, aber auch auf der humanitären Ebene in Österreich an?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete! Das wird von Fall zu Fall zu entscheiden sein. Es kann nicht eine generelle Antwort darauf geben in der Form, daß man sagt: Jeder, der aus dem Kosovo flüchtet, der vertrieben worden ist und irgendwie irgendwann nach Österreich kommt, kann in dieses System der vorübergehenden Aufnahme übernommen werden. Ich nehme an, daß diese Menschen, wenn sie nach Österreich kommen, um Asyl ansuchen, und dann bekommen sie wie jeder andere Flüchtling und Vertriebene ein normales Asylverfahren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Frage: Herr Abgeordneter Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Im Zusammenhang mit den Entscheidungen des unabhängigen Asylsenates haben Sie per Erlaß angeordnet, daß bis auf weiteres keine Bescheide in Asylverfahren ausgestellt werden, bis sich die Situation im Herkunftsland beruhigt hat. Das kontrastiert jetzt sehr stark zu der Antwort auf die Zusatzfrage der Kollegin Stoisits, wobei Sie gemeint haben, diese Leute bekommen ein Asylverfahren. Sie mögen ja vielleicht ein Verfahren bekommen, aber nach Ihrer Intention wird dieses Verfahren ruhend gestellt. Wie verträgt sich dieser Ihr Erlaß mit der Genfer Flüchtlingskonvention?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich habe aufgrund der dramatischen Entwicklung der Ereignisse im Kosovo und rund um den Kosovo am 25. März per Erlaß eine Art Moratorium für Asylentscheidungen betreffend Kosovo-Albaner angeordnet. Diese Anordnung ist mit 19. April wieder zurückgezogen worden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Hlavac, bitte.

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie haben jetzt gesagt, daß es, wenn ein Kosovo-Albaner einen Antrag stellt, weiterhin ein Asylverfahren geben wird. Ich möchte Sie fragen: Bedeutet das, daß es weiterhin Einzelfallprüfungen geben wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Für die erste Instanz wird es auch in Zukunft Einzelfallprüfungen geben. Für mich war es immer ein wesentliches Prinzip des Asylverfahrens, daß jeder einzelne Fall gesondert entschieden wird, und auch bei der Debatte rund um die Frage "sicheres Drittland" habe ich immer betont, daß auch im Bereich der "Sicheres-Drittland"-Klausel eine Einzelfallprüfung notwendig und wichtig ist.

Und um nochmals auf Ihre Frage und auf die Frage des Abgeordneten Kier einzugehen: Mir ist es nur darum gegangen, in diesem Zeitraum in der ersten Instanz negative Asylbescheide möglichst zu vermeiden, darum, ein Moratorium mit dem Ziel zu erreichen, sich ausführlich über die Situation informieren zu können und auch zusätzliche Instrumente zu schaffen, um den Menschen zu helfen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Die 2. Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

255/M

Wie viele Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sind mangels ausreichender Deutschkenntnisse abgelehnt worden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich möchte darauf hinweisen, daß wir vergangenes Jahr gemeinsam die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle im Parlament diskutiert haben. Unter anderem wurde dabei auch ein neuer § 10a eingeführt, der regelt, daß man Deutschkenntnisse nachzuweisen hat, wenn man die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten soll.

Wir haben uns nach langer Debatte dazu entschlossen, daß man diese Deutschkenntnisse nicht in Form einer Prüfung nachweisen muß, sondern durch Bestätigungen über den Besuch von entsprechenden Kursen beziehungsweise dadurch, daß die Beamten vor Ort die Möglichkeit haben, die Kenntnisse aufgrund des Kontaktes des Antragstellers mit der jeweiligen Behörde zu überprüfen.

Bis zum heutigen Zeitpunkt, also bis Mitte April dieses Jahres, das sind etwa dreieinhalb Monate, sind mir 20 Fälle bekannt, in denen die Verleihung der Staatsbürgerschaft aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht erfolgt ist. Von diesen 20 Fällen waren 17 im Bundesland Oberösterreich, zwei im Bundesland Wien und ein Fall im Bundesland Burgenland. In den anderen Bundesländern hat es keine solche Entscheidung gegeben. In Tirol gibt es darüber derzeit noch keine statistischen Aufzeichnungen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage, wie ich annehme? – Bitte.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich habe mich als Burgenländer dahin gehend kundig gemacht, wie bei uns in der burgenländischen Landesregierung, in der zuständigen Gemeindeabteilung – der politische Referent ist Landeshauptmannstellvertreter Gerhard Jellasitz – dieses Thema gehandhabt wird, damit ich weiß, wie das in der Praxis läuft. Ich kann nur sagen – das ist zumindest mein Urteil –, Frau Amtsdirektorin Pfluger macht das in einer vorbildlichen Art und Weise. (Abg. Haigermoser: Wie heißt der Referent? – Abg. Dr. Schmidt: Wir wollen keine Reden hören, sondern eine Frage!) Ich stelle ja die Frage! Frau Kollegin, werden Sie bitte nicht nervös! (Anhaltende Rufe: Frage!)

Dennoch wirft ein Umstand, Herr Bundesminister, doch eine konkrete Frage auf. Sie haben Zahlen von drei Bundesländern genannt, nämlich von Oberösterreich, Wien und dem Burgenland. Jetzt die Frage (Heiterkeit – Beifall beim Liberalen Forum), Herr Bundesminister: Wie beurteilen Sie den Umstand, daß es in Wien bei 470 Verfahren zwei Ablehnungen gegeben hat, in Oberösterreich bei 103 Verfahren 17 Ablehnungen in bezug auf die Kenntnisse der deutschen Sprache?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Prinzipiell, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich nichts dagegen, wenn Abgeordnete nicht nur eine Frage stellen, sondern sie auch gleich beantworten. Dann erspare ich mir einige Antworten.

Ich kann Ihnen keine befriedigende Antwort auf Ihre Frage geben, und zwar vor allem deswegen, weil erst seit drei, vier Monaten die Möglichkeit besteht (anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), die Deutschkenntnisse zu überprüfen, und ich noch keine gesicherte Erkenntnislage habe, wie das in den einzelnen Bundesländern gehandhabt wird. Für mich ist es aber wichtig, eine einheitliche Beurteilung in allen neun Bundesländern zu erreichen.

Wir haben mit der letzten Staatsbürgerschaftsgesetznovelle einheitliche Fristen in allen Bundesländern zustande gebracht und haben damit erreicht, daß jeder potentielle Staatsbürgerschaftswerber in den einzelnen Bundesländern unter den gleichen Voraussetzungen seinen Antrag stellen kann.

Dasselbe muß auch für die Deutschkenntnisse gelten. Es kann nicht so sein, daß das in einem Bundesland restriktiver gehandhabt wird als in einem anderen Bundesland. Ich werde mich auch sehr bemühen, eine einheitliche Vorgangsweise zu erreichen, wobei man sich natürlich bewußt sein muß, daß es da keine klaren Vorschriften gibt, weil wir uns entschlossen haben, keine entsprechenden Tests und Prüfungen zu machen, sondern die entsprechende Beurteilung der Behörde vor Ort als Gradmesser für den Nachweis der Deutschkenntnisse zu nehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Bedauerlicherweise für Österreich werden Sie jetzt sogar von der CDU in Deutschland – wenn Sie mir erlauben, das so auszudrücken – links überholt, denn die CDU hat als Oppositionspartei einen Gesetzesantrag eingebracht, der eine ganz deutliche Verbesserung des Zugangs zur – in diesem Fall deutschen – Staatsbürgerschaft vorsieht, im Gegensatz zur vorjährigen Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes in Österreich.

Wie stellen Sie sich als sozialdemokratischer Minister eigentlich zu dieser Situation, daß wir mit dem Stand der Staatsbürgerschaftswesens in Österreich demnächst wirklich europäisches Schlußlicht sind bezüglich Fristen, bezüglich eines restriktiven Zugangs zur österreichischen Staatsbürgerschaft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sehe es nicht so, daß Österreich in Sachen Staatsbürgerschaftsgesetz Schlußlicht in Europa ist, im Gegenteil: Ich glaube, daß wir eine sehr vernünftige Politik machen, und wir sollten nicht den Fehler begehen, unsere Erfahrungen so beeinflussen zu lassen, daß wir ausschließlich eine Gesetzgebung machen nach dem, was gerade aktueller Stand der Debatte in anderen Ländern ist.

Gerade in Deutschland hat es in den letzten Wochen und Monaten so unterschiedliche Standpunkte und so unterschiedliche Entwürfe für die Novelle des deutschen Staatsbürgerschaftsgesetzes gegeben, daß ich mich davon nicht leiten lasse, denn dann hätten wir in Österreich sehr viele Kurskorrekturen durchführen müssen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sie hatten seinerzeit bei der Beschlußfassung zum Staatsbürgerschaftsgesetz in Aussicht gestellt, daß Sie durch einen Erlaß ziemlich deutlich machen werden, nach welchen Kriterien die Sprachkenntnisse beurteilt werden sollen. Insbesondere war dabei auch daran gedacht, daß Kurse bei bestimmten Einrichtungen als Nachweis für den Erwerb der Sprachkenntnisse dienlich sein könnten.

Haben Sie schon einen Erlaß herausgegeben? Oder ist das, was Sie uns bisher gesagt haben, nämlich daß Sie keine Richtlinie erstellt haben, an die Stelle des Erlasses getreten? Gibt es Vereinbarungen mit Erwachsenenbildungseinrichtungen wie zum Beispiel WIFI, bfi, Arbeiterkammer, Volkshochschule und so weiter zur Abhaltung von Sprachkursen, die sich dazu eignen würden, aufgrund der Absolvierung des entsprechenden Kurses den Nachweis zu erbringen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Wir haben unsere Behörden über die Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes entsprechend informiert. Unsere Behörden sind entsprechend geschult worden, um die Deutschkenntnisse von potentiellen Antragstellern auch überprüfen zu können. Es geht dabei darum, anhand von Besuchsbestätigungen von Deutschkursen und aufgrund des persönlichen Kontaktes der Antragsteller mit der Behörde einen entsprechenden Nachweis zu erbringen oder aufgrund der Aktenlage festzustellen, ob jemand über die entsprechenden Deutschkenntnisse verfügt oder nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Gaál, bitte.

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Ein weiterer wichtiger Bereich ist auch die Doppelstaatsbürgerschaft. Dieses Thema steht auf der politischen Tagesordnung. Daher meine Frage: Wie stehen Sie zur Einführung der Doppelstaatsbürgerschaft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meiner Überzeugung nach ist die Doppelstaatsbürgerschaft kein wirkungsvolles Instrument, um Menschen die Integration in unserem Staat, in unserer Republik zu erleichtern. Ich glaube im Gegenteil, daß die Doppelstaatsbürgerschaft dazu führt, daß diese Integration gehemmt wird.

Deshalb halte ich es für richtig, daß der Zugang zum Erwerb einer Staatsbürgerschaft erleichtert wird. Das haben wir mit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle ermöglicht. Ich bin aber vom Prinzip her skeptisch dahin gehend, daß generell die Zulassung von mehreren Staatsbürgerschaften erstrebenswert ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Dr. Höbinger-Lehrer, bitte.

Abgeordnete Dr. Liane Höbinger-Lehrer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Ich möchte noch einmal zurückkommen auf die ursprüngliche Fragestellung betreffend der Deutschkenntnisse. Ich habe Ihren Worten entnommen, daß nicht nur nach allgemeiner Auffassung, sondern auch nach Ihrer Auffassung die Deutschkenntnisse für eine erfolgreiche Integration wesentlich und wichtig sind.

Ich darf Sie daher fragen, ob es, da ja kein Mustererlaß herausgegeben wurde, sondern das weiterhin Ländersache ist, irgendwelche genauere Kriterien bezüglich der Überprüfung dieser Deutschkenntnisse gibt beziehungsweise ob Mindesterfordernisse gegeben sind. (Rufe bei der SPÖ: Frage!) Oder genügt es allenfalls, wenn der Besuch eines Kurses nachgewiesen ist? Eine Abschlußprüfung muß man ja, glaube ich, nicht ablegen. (Rufe bei der SPÖ: Frage! – Abg. Haigermoser: Das ist ja eine Frage! Belegt doch selber einen Deutschkurs! Das war eine Frage, ein Satz, und Beistriche spricht man nicht aus!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete! Sie haben bereits richtigerweise bemerkt, daß die Vollziehung des Staatsbürgerschaftsgesetzes bei den Ländern liegt. Deshalb kann ich auch keine entsprechenden Erlässe ... (Abg. Böhacker: ... geben!) – Nein, das wäre so nicht gut ausgedrückt. Ich habe auch keinen entsprechenden Erlaß herausgegeben, um die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle für unsere Beamtinnen und Beamten klar zu regeln, aber wir haben gemeinsame Besprechungen mit den Verantwortlichen in den Ländern durchgeführt, um diesbezüglich zu einer einheitlichen Vorgangsweise zu kommen. Für mich ist es auch wichtig, daß wir diese einheitliche Vorgangsweise in der nächsten Zukunft gewährleisten und auch nachprüfen, denn Ziel muß es sein, da keine Unterschiede zu haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Wir kommen zum dritten Thema der Fragestunde. Die Frage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

258/M

Werden Sie nach Österreich kommende Kosovo-Albaner umfassend darüber informieren, daß sie einen Rechtsanspruch auf Stellung eines Asylantrages haben, anstatt als Vertriebene nach § 29 FrG aufgenommen zu werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich gehe davon aus, daß uns allen bewußt ist, daß sich die Situation im Kosovo spätestens seit Ende des vergangenen Monats dramatisch zugespitzt hat und sich bereits Mitte dieses Monats wahrscheinlich nur noch einige hunderttausend Kosovo-Albaner tatsächlich im Kosovo aufhalten. Der große Rest wurde in den letzten Wochen und Tagen vertrieben. Deshalb ist es notwendig und wichtig, alles zu tun, um den Menschen zu helfen, und daher haben auch die österreichische Bundesregierung und heute der Hauptausschuß nach § 29 des Fremdengesetzes eine Verordnung beschlossen, die gewährleistet, daß eine entsprechende Anzahl von Menschen die Möglichkeit hat, vorübergehend in Österreich Schutz zu finden.

Für diese Menschen, die bei uns vorübergehend Schutz finden, besteht von mir aus kein zusätzlicher Bedarf, sie darauf hinzuweisen, daß sie auch den Rechtsanspruch auf einen Asylantrag haben. Wenn sie solch einen Asylantrag stellen, haben sie natürlich das Recht, auch ein entsprechendes Asylverfahren zu bekommen. Ich kann nicht der Spruchpraxis der ersten oder möglicherweise zweiten Instanz vorgreifen, aber ich gehe davon aus, daß aufgrund der aktuellen Lage ein entsprechender Entscheid auf einen solchen Asylantrag erstellt wird. Nur glaube ich, daß es sinnlos und nicht die Aufgabe eines Innenministers ist, primär die Menschen zu informieren, die wir ... (Abg. Dr. Schmidt: Das ist wie bei einer Rechtsmittelbelehrung! Da würden Sie es auch nicht als Ihre Aufgabe sehen?!) – Nein, ich sehe es nicht als meine Aufgabe, den Menschen in Österreich den Rechtsanspruch des Asyls zu geben, sondern ich sehe es als meine primäre Aufgabe an, diesen 5 000 Menschen, die jetzt aus Mazedonien nach Österreich gebracht werden, Aufenthalt, vorübergehenden Schutz, Hilfe und Unterstützung zu geben.

Mein Ziel ist es nicht – ich sage das sehr klar, Frau Klubobfrau –, diese Menschen dauernd in Österreich zu integrieren, sondern mein Ziel ist es, diesen Menschen vorübergehend Schutz zu geben und ihnen die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man darauf abzielt, den Menschen Asyl zu geben, dann muß man sich dessen bewußt sein, daß damit höchstwahrscheinlich auch die dauerhafte Integration in diesem Land anzustreben ist. Das ist aber bei diesen 5 000 nicht der Fall, sondern da ist das Ziel, daß sie wieder zurückkehren können, daß sie die Möglichkeit dazu haben. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist auch bei Asylwerbern so! – Abg. Mag. Stoisits: Das ist auch bei Asylwerbern!) Diesen vorübergehenden Schutz haben sie. Wozu sollte man diesen 5 000 dann noch zusätzlich Asyl gewähren? – Das verstehe ich nicht!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sie dürfen voraussetzen, daß wir die Rechtslage genau kennen. Sie haben jetzt aber so geantwortet, daß das vermischt wurde.

Es ist richtig, wenn Sie sagen, daß jemand, der um Asyl ansucht, rechtlich bessergestellt ist. Er ist aber nicht rechtlich bessergestellt, weil er länger bleiben darf, sondern weil er zum Beispiel den Arbeitsmarkt betreten darf. Dieser Unterschied ist für viele Flüchtlinge wesentlich. Aber auch jemand, der Asyl hat, verliert diesen Status, wenn die Asylgründe in seinem Fluchtland weggefallen sind. Ich meine, die Intention der Verordnung, auf die Sie sich beziehen, ist genau auf denselben Fall abgestellt, nämlich daß man diesen Flüchtlingen, die wir vorübergehend aufnehmen, zumuten kann, daß sie wieder zurückgehen. Genau in diesem Fall wären dann auch die Asylgründe weggefallen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Es tut mir leid, ich muß das so ausführlich darstellen, weil der Herr Bundesminister ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nein, Herr Abgeordneter! Das Muß kann sich nur auf die Geschäftsordnung beziehen.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Danke schön. – Daher frage ich jetzt den Herrn Bundesminister: Halten Sie es für richtig, daß Leute, die vorübergehend aufgenommen werden, nicht über ihren Rechtsstatus aufgeklärt werden? Ist das mit der Anleitungspflicht jedweder Behörde Ihrer Meinung nach vereinbar oder nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich möchte nochmals betonen, daß für mich die Hilfe, die Aufnahme der Menschen, der Schutz der Menschen im Vordergrund stehen. (Abg. Dr. Schmidt: Für alle!) Ich möchte das klar betonen, und ich bin überzeugt davon, daß die Menschen, die auf diese Weise nach Österreich kommen, auch von der Behörde, von anderen Einrichtungen ausführlich über ihre Rechtsmöglichkeiten informiert werden, die sie in Österreich haben. Ich bin auch nicht gegen diese Information, ich möchte nur klar festhalten, daß das jetzt nicht die primäre Aufgabe ist.

Jetzt ist die primäre Aufgabe, diese Menschen nach Österreich zu bringen, ihnen eine entsprechende Unterbringung, eine entsprechende Möglichkeit zu bieten, daß sie in Österreich sein können, und es wird die Information über ihre rechtliche Situation sowohl von unseren Behörden als auch von nichtstaatlichen Organisationen sicherlich in der nächsten Zeit durchgeführt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte.

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Bundesminister! Welche Erfahrungen hatten Sie mit der Bosnier-Aufnahmeaktion?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Darüber könnte man sehr ausführlich berichten. Seit 1992/1993 sind rund 95 000 bosnische Kriegsflüchtlinge in Österreich aufgenommen worden, davon sind an die 70 000 in Österreich integriert worden. Zirka 15 000 sind in andere Staaten weitergewandert, zirka 12 000 sind wieder zurückgekehrt.

Ich möchte nochmals klar sagen, daß die politische Situation im Kosovo-Konflikt völlig anders ist, weshalb es erklärtes Ziel der österreichischen Bundesregierung, aber auch mein erklärtes Ziel ist, jenen Menschen, die wir jetzt vorübergehend aus dem Kosovo aufnehmen, Schutz zu gewähren (Abg. Scheibner: Das haben Sie bei Bosnien auch gesagt!) – damals war ich noch nicht Innenminister –, aber nicht die Integration in Österreich als wichtigstes Ziel zu sehen, sondern zu versuchen, sie wieder in ihre Heimat zu integrieren und ihnen dort ein gesichertes und geordnetes Leben zu ermöglichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Jung, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die bestehenden gesetzlichen Regelungen und auch der heutige Beschluß des Hauptausschusses erleichtern den Zugang für Albaner nach Österreich, zumal keine zahlenmäßigen Beschränkungen vorliegen.

Fürchten Sie nicht, daß das zu einem Sog von allen möglichen Leuten, auch Illegalen, aus den anderen EU-Ländern, die relativ leicht nach Österreich kommen können, nach Österreich führen wird, weil die Bestimmungen so offen sind? Wenn ja, was wollen Sie dagegen tun?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Mir ist bewußt, daß es natürlich nicht nur Flüchtlinge aus dem Kosovo gibt, sondern wir auch jeden Tag sehr viele Menschen an unseren Grenzen beziehungsweise im Land haben, die aus unterschiedlichen Gründen um Asyl ansuchen. Jeder einzelne Asylwerber wird in Österreich bestmöglich betreut, jeder einzelne Asylwerber hat vollen Rechtsschutz. Wir bemühen uns, jeden Fall einzeln und individuell zu überprüfen.

Für mich ist aber klar, daß dabei auch in Zukunft gewisse Abkommen weiterhin Gültigkeit haben, wie beispielsweise das Dublin-Abkommen, das die Asylpolitik und deren Handhabung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union klar regelt. Wir gehen davon aus, daß der entsprechende Asylwerber in jenem Staat sein Verfahren bekommen soll, in dem er das erste Mal in Europa vor Verfolgung sicher gewesen ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Großruck, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Schon bevor die verbrecherischen Vertreibungen und der Völkermord im Kosovo begonnen haben, war eine gewisse Anzahl von Kosovo-Albanern in Österreich, teilweise mit Touristenvisum oder anderen befristeten Aufenthaltsgenehmigungen.

Gibt es eine Regelung, was jetzt mit diesem Personenkreis passiert, wenn beispielsweise Touristenvisa ablaufen beziehungsweise eine befristete Aufenthaltsgenehmigung endet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Wir haben versucht, mit dieser Verordnung, die auch in der heutigen Sitzung des Hauptausschusses diskutiert wurde – ich glaube, das ist in § 2 –, eine entsprechende Lösung für diese Gruppe zu finden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Vor zirka 20 Minuten haben Sie auf meine Frage und die Frage des Kollegen Kier geantwortet, daß jene kosovo-albanischen Flüchtlinge, die nicht im Rahmen des 5 000-Kontingents sind und die nicht durch die weiteren Paragraphen der Verordnung erfaßt sind – das heißt Leute, die nicht schon vor dem 15. April hier waren beziehungsweise nahe Angehörige in Österreich haben –, Asylwerber sind.

Jetzt möchte ich diese Frage noch einmal präzisieren: Heißt das, daß jemand, der aus dem Kosovo nach Österreich flüchtet, nicht über einen Flugzeugtransport aus Mazedonien hierher organisiert, der auch gleichzeitig keine Angehörigen hier hat, aber trotzdem Schutz vor Verfolgung sucht, nach Ihrem Verständnis alle Möglichkeiten des Asylgesetzes inklusive Bundesbetreuung in Österreich zu erwarten hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Antwort darauf ist ein klares Ja. Wenn jemand nach Österreich kommt, um Asyl ansucht, hat er, unabhängig davon, ob er aus dem Kosovo, aus dem Irak oder aus einem anderen Staat kommt, den Zugang zum Asylverfahren und hat in der Regel auch den Zugang zur Bundesbetreuung.

Wir haben – ich kenne die aktuelle Zahl nicht – an die 2 000 Menschen, die derzeit in Bundesbetreuung sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum vierten Thema: Zivildienst. Herr Abgeordneter Schwemlein sucht sich ein Mikrophon und stellt die Frage. – Bitte.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

253/M

Wie wird sich der Einsatz der Zivildienstleistenden in den Jahren bis 2003 entwickeln?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! In den letzten Jahren hat es durch eine Änderung der Gesetzgebung sehr unterschiedliche Zahlen gegeben. Hatten wir zu Beginn der neunziger Jahre noch bis zu 13 000, 14 000 Zivildienstansuchende pro Jahr, so ist diese Zahl in den Jahren 1996/1997 auf fast 7 000 zurückgegangen und ist jetzt wieder deutlich im Steigen begriffen. Wir werden aller Voraussicht nach im heurigen Jahr bis zu 9 000 Zivildienstansuchende haben.

Tatsächlich zur Einsatzplanung kommen im heurigen Jahr insgesamt etwa 7 200 Zivildiener. Für das Jahr 2000 sind 8 000 Zivildienstleistende von unserer Behörde eingeplant. Für die Jahre 2001 bis 2003 erwarten wir etwa 9 000. Wir haben uns mit dieser Steigerung der Zahl der Zivildienstleistenden einerseits den Wünschen verschiedener Organisationen gebeugt, die zusätzliche Aufnahmequoten gefordert haben, andererseits wird es notwendig sein, eine Erhöhung der Zahl der Ableistenden einzuführen, weil die Zahl der Anträge deutlich gestiegen ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Herr Bundesminister! Hat sich die Aufschubregelung der Zivildienstgesetz-Novelle 1996 im Hinblick auf die Einsetzbarkeit der Zivildienstpflichtigen unmittelbar nach Beendigung ihrer Ausbildung bewährt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich glaube, daß sie sich bewährt hat, weil es dazu geführt hat, daß ein nicht unwesentlicher Teil der Zivildienstleistenden bedeutend jüngeren Alters ist, damit in der Regel andere Familienverhältnisse hat und die Kosten für den Familienunterhalt deshalb nicht in diesem Ausmaß gegeben sind, wie das früher der Fall gewesen ist.

Für das Jahr 1998 konnten unter anderem deshalb die Durchschnittskosten für Zivildienstpflichtige von 12 300 S auf fast 11 600 S pro Monat gesenkt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Eine Art Heeresersatzersatzdienst oder Zivilersatzdienst, bei welchem österreichische Zivildiener im Ausland sozusagen auf Regimentsunkosten zur Verfügung gestellt werden, wird zunehmend beliebter. Können Sie mir sagen, welche Kriterien angelegt werden, damit man Zivilersatzdiener wird, beziehungsweise wem werden solche zur Arbeitsleistung zugeteilt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich sehe es nicht so, daß ein sogenannter Auslandsdienst von Zivildienern zunehmend an Bedeutung erlangt. Es gibt nur ganz wenige Fälle. Das hängt in der Regel mit der Betreuung von Gedenkstätten aus der Zeit des Nationalsozialismus zusammen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Freund, bitte.

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! Unsere sogenannten Blaulichteinrichtungen, wie zum Beispiel das Rote Kreuz, leisten Hervorragendes für die Bevölkerung in Österreich. Seit 1. Jänner 1999 verlangen Sie von diesen Einrichtungen Kostenersätze für Zivildiener.

Ich möchte Sie fragen, Herr Bundesminister: Wie wirkt sich das auf diese Einrichtungen aus, oder gibt es bereits einen Rückgang von Zivildienern bei diesen Einrichtungen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ohne polemisieren zu wollen: Ich verlange das nicht, sondern das ist eine entsprechende gesetzliche Bestimmung, die Sie selbst im Jahre 1997 im Parlament mitbeschlossen haben. Ich bekenne mich dazu. Ich halte das für sinnvoll und gut, weil alle Organisationen außer den Blaulichtorganisationen bisher einen Kostenbeitrag leisten mußten. Dieser Kostenbeitrag hat sich zwischen 2 300 S bis ungefähr 7 500 S bewegt. Nur Rot-Kreuz-Organisationen, Feuerwehren sind von dieser – unter Anführungszeichen – "Blaulichtsteuer", was nicht stimmt, von dieser Abgabe ausgenommen gewesen. Das hat zu großem Unverständnis geführt, vor allem deswegen, weil es auch unter den anderen Organisationen sehr viele gibt, die einen wesentlichen und wichtigen karitativen Beitrag leisten.

Wegen der Gleichbehandlung erschien es mir richtig, daß auch die Rot-Kreuz-Organisationen einen Beitrag leisten. Dieser Beitrag ist im Vergleich zu vielen anderen denkbar gering, hat aber natürlich für die Rot-Kreuz-Organisationen gewisse finanzielle Mehrbelastungen gebracht. Andererseits wieder kommt die Kritik von mancher Seite in diesem Haus, die der Meinung ist, daß Zivildiener bei Blaulichtorganisationen zum Teil Arbeiten versehen, die private Krankentransporte auch versehen könnten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haidlmayr, bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Minister! Ich habe voriges Jahr schon einmal die Frage an Sie gestellt, ob es nicht möglich wäre, statt drei vier bis sechs Zuweisungstermine für Zivildiener vorzusehen, um einerseits eine gleichmäßige Auslastung in den Einrichtungen zu garantieren und andererseits auch die Möglichkeit zu schaffen, in Ihrem Ministerium die Arbeitsaufteilung für die Zuweisung regelmäßiger und gleichmäßiger zu gestalten.

Meine Frage an Sie: Wird es in Zukunft möglich sein, und speziell ab wann, daß es nicht nur drei, sondern vier bis sechs Zuweisungstermine gibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete! Derzeit erscheint es nicht sinnvoll, die Zahl der Zuweisungstermine deutlich zu erhöhen. Ich schließe aber nicht aus, daß wir ab dem Jahre 2000 vier Zuweisungstermine haben werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Moser, bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Es ist bekannt, daß die Auslastung der Zivildienstplätze bei etwa 75 bis 85 Prozent liegt, trotzdem gibt es immer wieder Klagen über zu lange Wartezeiten und auch Klagen seitens einzelner Organisationen, daß zu wenige Zivildiener zur Verfügung stehen.

Was werden Sie tun, um zu einer besseren Auslastung der Zivildienstplätze zu gelangen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Vom Finanzminister mehr Geld dafür verlangen. Das ist die kurze Antwort darauf.

Tatsache ist, Herr Abgeordneter, daß wir uns sozusagen in verschiedenen Scheren bewegen. Die eine Problematik ist, daß die Zahl der zivildiensteinrichtenden Organisationen stetig steigt. Das andere Faktum ist, daß es dabei sehr viele Organisationen gibt, die in der Vergangenheit sehr stark von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelebt haben. Wir alle wissen, daß diese Ehrenamtlichkeit in vielen Bereichen nicht mehr in diesem Ausmaß gegeben ist, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Viele Organisationen, auch Blaulichtorganisationen, haben Probleme, ehrenamtliche, freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Deshalb hat immer mehr der Zivildiener diese Rolle übernommen. Dadurch ist der Bedarf an Zivildienern, vor allem von Rotem Kreuz, Samariterbund, und wie all diese Organisationen heißen, in den letzten Jahren immer deutlicher gestiegen.

Mein Ziel ist es, alles daranzusetzen, um erstens die Wünsche dieser Organisationen zu befriedigen und zweitens zu erreichen, daß der "Rückstau", den wir an Zivildienstleistenden haben, so gering wie möglich ist. Das geht nur dadurch, daß ich entsprechende Geldmittel zur Verfügung gestellt bekomme. Alleine im heurigen Jahr habe ich einen finanziellen Mehrbedarf in der Höhe von 83 Millionen Schilling, um die geplanten 7 200 Zivildiener auch tatsächlich ihren Dienst ableisten lassen zu können. Dieser Mehrbedarf wird im heurigen Jahr vom Finanzminister genehmigt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Ich darf Frau Abgeordnete Stoisits einladen, die nächste Frage zu formulieren.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

257/M

Werden Sie sich dafür einsetzen, daß im Zusammenhang mit dem Krieg in Jugoslawien Deserteuren und Stellungsflüchtigen Asyl gewährt wird, wenn sie in Österreich einen Asylantrag stellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete! Ich möchte sehr ausführlich darauf eingehen und möchte Ihnen auch die entsprechende derzeitige Rechtslage darlegen.

Grundsätzlich, so glaube ich, ist festzuhalten, daß in jedem Asylverfahren der konkret an die Behörde herangetragene Einzelfall unter Würdigung der individuellen Situation des jeweiligen Asylwerbers im Lichte der anzuwendenden Rechtsvorschriften zu prüfen ist. Im Zusammenhang mit der von Ihnen gestellten Frage besteht eine langjährige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die die Voraussetzungen, unter denen die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes beziehungsweise die Desertion asylrechtliche Relevanz haben können, festschreibt.

So hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung an sich keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellt. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wäre. – Das ist ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1993, das ich zitiert habe.

Es gibt zu diesem Fragenkomplex auch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1994. Damals lag als Anlaßfall die Beschwerde eines Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation albanischer Nationalität zugrunde, der in seinem Asylantrag vorgebracht hatte, daß er wegen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe oder gar mit der Todesstrafe rechnen müsse.

In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die maßgebliche Frage darin besteht, ob die Behörden des Heimatstaates betreffend die Einberufung von Wehrpflichtigen albanischer Nationalität im Vergleich zur Einberufung von Angehörigen anderer Volksgruppen, insbesondere der serbischen, eine andere Praxis verfolgen, und zwar sowohl hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst an sich als auch hinsichtlich der Umstände, unter denen dieser abzuleisten ist, und ob sich seitens der Behörden die im Heimatstaat verhängten Sanktionen gegen Wehrdienstverweigerer und Deserteure in bezug auf die Angehörigen der albanischen Nationalität im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen unterscheiden.

Diese Parameter beziehen sich nicht nur auf allfällige Ungleichbehandlungen der verschiedenen Volksgruppen, sondern auch auf jede aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgende Differenzierung der Wehrpflichtigen.

Aus diesem Grund ist es für mich klar, daß der Bundesasylsenat und das Bundesasylamt in erster Instanz verpflichtet sind, auf Grundlage dieser Entscheidungen die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gestatten Sie mir die Behauptung, daß es, obwohl es nicht Ihre Meinung ist, sondern Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ein wenig zynisch anmutet, wenn man heute Menschen, die sich dem Krieg entziehen wollen, so behandelt. Ich beziehe mich nicht nur auf Deserteure oder stellungsflüchtige jugoslawische Staatsangehörige, die Serben sind, sondern ich denke in erster Linie an Minderheitenangehörige in Jugoslawien: an Ungarn in Jugoslawien, Roma in Jugoslawien, Angehörige von Volksgruppen im Sandschak.

Ich richte folgende Frage an Sie: Glauben Sie, daß es im Rahmen der Möglichkeiten in Ihrem Ressort eine Trendumkehr geben könnte? – Ich meine, das Bundesasylamt ist eine weisungsgebundene Behörde, die Ihnen unterstellt ist. Tun Sie etwas? Gedenken Sie, etwas zu tun?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich gehe davon aus, daß es Aufgabe der Behörden ist, streng nach den Gesetzen zu agieren. Ich gehe davon aus, daß das Bundesasylamt als erste Instanz einerseits nach der bisherigen Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes vorgeht, andererseits natürlich in seiner Beurteilung die aktuelle politische Situation, die aktuelle weltpolitische Organisation und im speziellen natürlich auch die aktuelle Situation, die derzeit im und rund um den Kosovo herrscht, zu berücksichtigen hat. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet wird natürlich die Beurteilung differenzierter sein, als sie in anderen Fällen ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich bin an sich fast geneigt, die Zusatzfrage der Kollegin Stoisits noch einmal zu wiederholen, halte aber folgendes fest: Es herrscht im Kosovo Krieg, und wir sollten doch jetzt die Frage beantwortet bekommen: Bekommen Menschen, die sich diesem Krieg entziehen, indem sie den Wehrdienst an der Seite des Milošević verweigern, die sich nicht einberufen lassen, ob sie jetzt zum Beispiel Angehörige der ungarischen Minderheit sind oder auch nicht, Asyl – ja oder nein, auch vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes? Werden Sie diesen politisch wichtigen Schritt setzen, indem Sie eine Anweisung an die Ihnen weisungsunterstellte erste Instanz geben, daß das ein Asylgrund ist, um den Krieg dort "auszutrocknen"?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Erstens möchte ich nochmals betonen, daß es nicht die Aufgabe des Innenministers ist, Asylentscheidungen per Weisung zu geben. Meine Aufgabe ist es, den entsprechenden gesetzlichen Rahmen zu schaffen, damit die Behörden die entsprechenden Entscheidungen treffen können.

Wenn Sie im konkreten Fall meine persönliche Meinung hören wollen, dann sage ich sehr wohl: So, wie Sie den Fall geschildert haben, ist das für mich ein Grund, daß man aufgrund der jetzigen politischen Situation, zum jetzigen Zeitpunkt entsprechend Asyl gewährt. Das ist aber eine Entscheidung, die zum jetzigen Zeitpunkt gilt, und das ist für mich sehr wichtig. Das kann in einem Monat ganz anders aussehen, und darum betone ich: zum jetzigen Zeitpunkt!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Abgeordneter Dietachmayr, bitte.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundesminister! Aufgrund der herrschenden Situation in Teilen Europas, aber auch in Teilen der Welt ist eben anzunehmen, daß die Zahl der Asylanträge zunimmt.

Wie ist die Entwicklung im heurigen Jahr? Wie viele Asylanträge, aufgeschlüsselt nach Nationalitäten, wurden bisher im Laufe dieses Jahres gestellt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Asylanträge von knapp 7 000 auf fast 14 000 gestiegen – also mehr als eine Verdoppelung –, und im heurigen Jahr haben wir mit Stand Ende März rund 3 700 bis 3 800 Asylanträge. Das ist wieder eine deutliche Steigerung gegenüber den ersten drei Monaten des Jahres 1998, eine Steigerung um mehr als 50 Prozent, wobei von diesen 3 700, 3 800 Asylwerbern in den ersten drei Monaten der überwältigende Teil aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens kommt. Rund 1 700, 1 800 kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien. An dritter Stelle folgt dann, so glaube ich, Afghanistan mit knapp 200, Indien ebenfalls mit 200, der Irak liegt mit knapp 500 an zweiter Stelle.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lafer, bitte.

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Es ist geplant, in der Wattener Lizum ein Internierungslager für versprengte oder desertierte serbische Soldaten und in Wöllersdorf ein Internierungslager für versprengte oder desertierte UÇK-Kämpfer einzurichten.

Wieso wurde in dieser Sache das Landesverteidigungsministerium beauftragt, die Vorbereitungen zu treffen, obwohl meiner Ansicht nach in bezug auf diese Sachlage das Innenministerium dafür zuständig wäre?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Erstens glaube ich, daß diese Frage an den Verteidigungsminister zu richten ist, da ich es für eine Vorsichtsmaßnahme halte, die im Rahmen des Landesverteidigungsministeriums angeordnet worden ist. Ich glaube aber, daß es wirklich nur eine Vorsichtsmaßnahme ist und daß es nicht notwendig sein wird, auch tatsächlich Internierungen durchzuführen. (Abg. Dr. Schmidt: Finden Sie das notwendig? – Abg. Dr. Petrovic: Gerade in Wöllersdorf ein Internierungslager halte ich für keine gute Idee!)

Ich kann mir nicht vorstellen, daß solche Internierungen tatsächlich stattfinden werden, weil ich mir nicht vorstellen kann, daß bewaffnete Gruppen aus dem Kosovo nach Österreich kommen werden. Selbst wenn sie kommen, dann gibt es dazwischen noch eine Reihe von Staaten, in denen es eine entsprechende Behandlung der Gruppen geben wird, und wenn sie trotzdem bis an die österreichische Grenze kommen, so ist es Aufgabe der österreichischen Grenzgendarmerie, eine entsprechende Entwaffnung durchzuführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Fragesteller ist Herr Abgeordneter Dkfm. Mühlbachler. – Bitte.

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Herr Bundesminister! Sowohl von Frau Abgeordneter Stoisits als auch von Herrn Abgeordneten Kier wurde betont, Ziel dieser asylpolitischen Maßnahme soll es sein, den Krieg "auszutrocknen".

Sehen Sie sich angesichts des Faktums, daß in etwa 450 000 Serben in Jugoslawien unter Waffen stehen, tatsächlich in der Lage, auch nur einen minimalen Beitrag zu dieser Zielrichtung zu leisten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich bitte Sie, mir die Frage noch einmal konkret zu stellen. Ich weiß jetzt nicht, worauf ich antworten soll. (Abg. Dr. Schmidt: Das verstehe ich! Da haben Sie mein Verständnis!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Abgeordneter Mühlbachler.

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich glaube, es ist ganz eindeutig: 450 000 stehen unter Waffen. Wenn wir jetzt wirklich glauben, mit unserer Asylpolitik einen Beitrag zur "Austrocknung" des Kriegs leisten zu können, so wie es in zwei Anfragen erwähnt wurde, dann frage ich Sie jetzt: Glauben Sie wirklich, daß die Asylpolitik mit der Aufnahme von Deserteuren in diese Richtung effizient sein kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich glaube, mit der Asylgesetzgebung, mit Asylrechtssprechung kann man keinen Krieg "austrocknen" und kann man keine militärischen Konflikte bereinigen. Im Gegenteil: Mit der Asylgewährung hat man nur ein einziges Ziel, nämlich Menschen, die verfolgt werden, Schutz und Hilfe zu geben, aber nicht, einen militärischen Konflikt zu lösen. Ein militärischer Konflikt kann mit einer guten oder schlechten Asylgesetzgebung in keiner Weise beeinflußt werden. Ich sehe das nicht so. Aber ich glaube, das wurde von Ihnen auch nicht so gesagt, oder? – Nein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Ich erkläre damit die Fragestunde für beendet. – Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 5499/AB bis 5510/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 1059/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird;

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 1060/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Beibehaltung der österreichischen Neutralität und der Wiederaufnahme einer aktiven Neutralitätspolitik;

Bautenausschuß:

Wohnrechtsnovelle 1999 – WRN 1999 (1674 der Beilagen),

Antrag 1061/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Beseitigung von Einkommenskürzungen der Mieter gemeinnütziger Wohnungen durch ungerechtfertigte, überhöhte Mieten infolge der Verquickung von Politik-, Banken- und Versicherungsinteressen im gemeinnützigen Wohnbau;

Budgetausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird (6. BFG-Novelle 1999) (1717 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Bundesgesetz über Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit von Tieren in Betrieben (Tiergesundheitsgesetz – TGG) und über eine Änderung des Bangseuchen-Gesetzes, des Rinderleukosegesetzes und des IBR/IPV-Gesetzes (1712 der Beilagen),

Antrag 1063/A (E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner, Theresia Haidlmayr, Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend § 17 Fortpflanzungsmedizingesetz;

Unterrichtsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1752 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird (1753 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (1754 der Beilagen),

Akademien-Studiengesetz 1999 – AStG (1755 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1756 der Beilagen),

Antrag 1058/A der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl, Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird;

Verfassungsausschuß:

Bundesgesetz über die Einholung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (1757 der Beilagen),

Antrag 1062/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Forstgesetz 1975 geändert werden,

Antrag 1064/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird,

Antrag 1065/A (E) der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend die Beseitigung von Diskriminierungen für blinde Personen in Personenstandsangelegenheiten,

Antrag 1066/A (E) der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend die Kenntlichmachung behördlicher Schriftstücke für sehbehinderte und blinde Personen durch erhabene Schriftzüge;

Wirtschaftsausschuß:

Antrag 1067/A der Abgeordneten Ingrid Tichy-Schreder, Dr. Kurt Heindl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird.

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Außenpolitischer Ausschuß:

Außenpolitischer Bericht 1998 der Bundesregierung (III-192 der Beilagen);

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Wildschadensbericht 1997 (III-193 der Beilagen).

*****

Erklärung aus Anlaß des 50. Jahrestages der Gründung des Europarates

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang Mai 1949 ist der Vertrag zur Bildung des Europarates von damals zehn europäischen Staaten unterzeichnet worden. Der Europarat feiert also in wenigen Tagen seinen 50. Geburtstag, und die Mitglieder der Präsidialsitzung waren übereinstimmend der Meinung, daß man aus diesem Anlaß in unserer politischen Arbeit kurz innehalten sollte und diesen 50. Geburtstag des Europarates auch im österreichischen Nationalrat in geeigneter Weise berücksichtigen und würdigen sollte. Dies umso mehr, als Österreich bereits am 16. April 1956, also vor ziemlich genau 43 Jahren, dem Europarat beigetreten ist und sich seither als aktives, engagiertes, interessiertes und, ich glaube auch, sagen zu dürfen, wertvolles Mitglied des Europarates erwiesen hat.

Karl Czernetz, der Berichterstatter bei unseren Beratungen über den Beitritt Österreichs zum Europarat im österreichischen Nationalrat, war von 1975 bis 1978 Prδsident der Parlamentarischen Versammlung. Dr. Lujo Tončić-Sorinj war von 1969 bis 1974 Generalsekretδr des Europarates, und Franz Karasek war von 1979 bis 1984 ebenfalls Generalsekretδr des Europarates. Es steht eigentlich nirgends geschrieben, daß damit die Liste österreichischer Generalsekretäre des Europarates bereits erschöpft sein müßte.

Auf Sternstunden des Europarates, auf große inhaltliche Errungenschaften wie die Europäische Menschenrechtskonvention und auf die wichtige Rolle des Europarates beim Aufbau und bei der Festigung demokratischer Strukturen in Europa und nicht zuletzt beim Prozeß der Erweiterung des demokratischen Europa wird heute noch hingewiesen werden.

Derzeit sind übrigens zwei österreichische Abgeordnete, nämlich Peter Schieder und Walter Schwimmer, jeweils Fraktionsvorsitzende oder Präsidenten der beiden größten politischen Familien im Europarat und damit bedeutende Entscheidungsträger.

Eine parlamentsadäquate und würdige Form, die Arbeit des Europarats aus Anlaß seines 50. Geburtstags zu beleuchten, besteht nach unserer gemeinsamen Auffassung darin, daß die Fraktionen dieses Hauses, jede auf ihre Art und aus ihrer Perspektive, die Tätigkeit des Europarates nach einem halben Jahrhundert würdigen, einschätzen und beleuchten. Ich bin überzeugt davon, daß der gemeinsame Nenner dieser Beurteilungen dahin gehend zusammengefaßt werden kann, daß der Europarat eine Schule der Demokratie, ein Motor der Demokratie und ein Hüter der Demokratie ist.

So werde ich jetzt die Fraktionen einladen, in kurzen Stellungnahmen, außerhalb der Tagesordnung der heutigen Haussitzung, auf die Tätigkeit des Europarates einzugehen und dieses Vorhaben aus Anlaß des 50. Jahrestages der Gründung des Europarates zu verwirklichen.

Ich werde das Protokoll dieses Teiles unserer Beratungen dem Präsidenten des Europarates übermitteln.

Das Wort erhält als erster Redner Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

10.06

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist dem Präsidenten des Nationalrates und der Präsidiale zu danken, daß diese Möglichkeit der Würdigung des Europarates hier besteht.

In den vier prioritären Bereichen seiner Tätigkeit, nämlich Demokratie und Menschenrechte, sozialer Zusammenhalt, Sicherheit der Bürger, demokratische Werte und kulturelle Vielfalt, und auch auf anderen Gebieten, wie zum Beispiel Umweltpolitik, Naturschutz, Flüchtlingspolitik, Jugend und Sport sowie Medien, hat der Europarat mitgeholfen, die Probleme der Gesellschaft in Europa zu lösen und Normen festzulegen, die in allen Mitgliedsländern und darüber hinaus wirken.

Ich möchte mich beim Präsidenten des Nationalrates sehr herzlich dafür bedanken, daß er die Rolle der österreichischen Abgeordneten zum Nationalrat und Bundesräte gewürdigt hat, und möchte diesen Dank ausdehnen auf alle Österreicher, die im Europarat gearbeitet haben oder arbeiten, vom einfachen Mitarbeiter bis zum Generalsekretär. Ich möchte den Vertretern Österreichs im Ministerkomitee ebenso danken wie jenen im Gerichtshof, in der Kommission, den damit Befaßten in den österreichischen Ministerien, in der Ständigen Vertretung Österreichs in Straßburg und allen, die sonst für den Europarat wirken, in der Parlamentsdirektion, in der Vermittlung der Ideen des Europarates gegenüber den Medien, in den Medien gegenüber den Schulen, und allen Verbänden, Vereinen, Institutionen und Jugendorganisationen, die für die Ideen Europas eingetreten sind und eintreten.

Meine Damen und Herren! Die Vision der Gründungsväter des Europarates bezüglich der Zusammenarbeit auf unserem Kontinent, bezüglich des Zusammenwachsens unseres Kontinents war lange Jahre durch die Teilung unseres Kontinents und den Kalten Krieg überschattet. Nach dem Ende des Kalten Krieges müssen wir nun den Mut aufbringen, unsere Vorstellungen von Europa wieder so breit zu fassen und so stark einigend zu sehen wie zum Gründungszeitpunkt. War uns lange Zeit auf diesem Gebiet das Können genommen, so sollen wir dadurch nicht auch das Wollen verloren haben. Oder ist es einfach so, daß wir es angesichts des raschen Wandels in unserer Gesellschaft aufgegeben haben, verlernt haben, langfristig zu denken?

Wir müssen Europa wieder gesamteuropäisch verstehen und das Ideal einer transnationalen politischen Macht auf der Grundlage einer europäischen Verfassung wieder ernsthaft auch in den nationalen Parlamenten, auch in unserem Parlament, diskutieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union hat neue Dynamik in unseren Kontinent gebracht. Der Glanz der Europäischen Union freut uns ehrlich. Daß damit aber wichtige andere Einrichtungen wie der Europarat in den Schatten gestellt werden, bedauern wir.

Niemand übersieht die Probleme des Europarates, vor allem nicht die, die ihn genau kennen, nämlich manchmal bürokratische Verfahren, das antiquierte Übergewicht des Ministerkomitees gegenüber der Parlamentarischen Versammlung, die fehlende Zuständigkeit in Sicherheitsfragen, die Doppelgleisigkeiten und Überschneidungen mit der OSZE. Und jeder weiß auch, meine Damen und Herren, daß es, wenn alle oder fast alle Mitgliedstaaten des Europarates in der EU sein werden, keinen Sinn mehr haben wird, den Europarat zu belassen.

So weit ist es aber noch lange nicht. Wir diskutieren nicht über die letzten Mitgliedstaaten des Europarates, die in die EU kommen wollen, sondern wir diskutieren darüber, ob es in den nächsten Jahren zu einer Erweiterung kommt – und ich bin sehr dafür, daß sie sehr bald stattfindet –, nach der die EU 21 Mitglieder haben wird und der Europarat zirka die doppelte Anzahl an Mitgliedern.

Ich fürchte, wir werden den Europarat noch lange ganz, ganz dringend brauchen. Dazu muß er aber auch dringend reformiert werden. Die Basis dafür könnten die Empfehlung 13/94 über die Gestaltung unseres Kontinents, die Entschließung 11/78 über ein europäisches politisches Projekt, die Entschließung 11/77 über die Schaffung eines erweiterten Europas ohne Trennlinien und die Stellungnahme Nummer 208 zum Bericht des Ausschusses der Weisen sein.

Inhaltlich heißt das, einen dritten Gipfel des Europarates abzuhalten, bei dem ihm die Aufgabe übertragen wird, seine Grundsätze und Werte in einer gesamteuropäischen institutionellen Charta zu vereinen.

Inhaltlich heißt das stärkere Überwachung und Beobachtung der Mitgliedsländer in bezug auf Menschenrechte, Justiz, parlamentarische Demokratie und Medienfreiheit. Das heißt Haushaltsautonomie für die Parlamentarische Versammlung, Durchsetzung der Überwachung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte durch die Parlamentarische Versammlung, Schaffung eines Mitentscheidungsverfahrens der Parlamentarischen Versammlung bei Konventionen, Vereinbarungen und Protokollen, Stärkung der Rolle des Generalsekretärs, damit er in Konfliktsituationen unverzüglich agieren kann, breitere Anwendung des Systems der qualifizierten Mehrheit im Ministerkomitee, Abschaffung des Vetos in den meisten Fragen und Transparenz. Man sollte erfahren können in diesem Europa, welcher Staat im Ministerkomitee demokratische Fortschritte blockiert.

Das heißt aber auch mehr Möglichkeiten für die parlamentarischen Delegationen, ihr eigenes Parlament rückkoppelnd zu informieren, und natürlich auch mehr Rechte für die Parlamente, ihre Delegationen im Verhalten in Straßburg zu beeinflussen.

Es muß eine Lösung der finanziellen Probleme gefunden werden. Meine Damen und Herren! Ein Hauch unserer Großzügigkeit gegenüber der EU sollte einmal auch auf den Europarat hinüberwehen.

Der Europarat sollte aktiv seinen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen nutzen. Der Europarat sollte ein Rahmenabkommen mit der EU und eine Vereinbarung mit der OSZE schließen, und er sollte, kurz gesagt, modernes Management, neue Informationsmittel einführen, um sich für das nächste Jahrtausend fit zu machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Europarat feiert seinen Geburtstag. Das schönste Geburtstagsgeschenk wäre, Österreich würde diese Haltung, diese erwähnte Haltung einnehmen und im Ministerkomitee dafür kämpfen. Noch schöner wäre es, wenn dieses Geschenk auch eingepackt wäre in mehr Rechte für die Parlamentarische Versammlung. Und wenn dann als kleines Mascherl auch noch die ausstehenden Ratifizierungen von Österreich durchgeführt würden, dann wäre es ganz wunderbar. – Alles Gute, Europarat! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. – Bitte.

10.15

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Europarat ist vor 50 Jahren als Kind einer Vision geboren worden. Heute, angesichts der schrecklichen Ereignisse im Kosovo fällt es einerseits schwer, diese Vision unkritisch in Erinnerung zu rufen, andererseits ist gerade diese Vision nicht nur trotz, sondern gerade wegen der furchtbaren Geschehnisse nach wie vor gültig. Diese Vision war und ist die eines friedlichen, durch gemeinsame Werte der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte geeinten Europas.

Die Tragödie des Kosovos und ganz Jugoslawiens beweist in meinen Augen gerade die Notwendigkeit der vollständigen Realisierung dieser aus der noch größeren Tragödie des Zweiten Weltkrieges entstandenen Vision. Diese 1949 von Winston Churchill, Alcide Degasperi, Robert Schuman, Paul Henri Spaak und anderen großen Europäern in die Tat umgesetzte Vision ist eben nicht nur eine historische Großtat, sondern eine nach wie vor gültige politische Verpflichtung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Europarat hat in den 50 Jahren seines Bestehens schon viel erreicht. Seine größte Errungenschaft ist zweifellos die Europäische Menschenrechtskonvention, die Andreas Unterberger erst kürzlich in der "Presse" "mit der Möglichkeit, mit Erfolg gegen den eigenen Staat Instanzen anrufen zu können, den wohl sensationellsten Fortschritt der Menschheitsgeschichte seit der Erfindung des Buchdruckes" nannte.

Daneben hat der Europarat noch mehr als 170 andere Übereinkommen geschaffen und so mehrere tausend bilaterale Übereinkommen überflüssig gemacht. Der Europarat greift dabei auch heiße Eisen an, wie zum Beispiel die Konvention zum Schutz von Menschenrechten und Menschenwürde bei der Anwendung von Biologie und Medizin, einschließlich eines Zusatzprotokolls über das Verbot des menschlichen Klonens, oder die von Österreich vor noch nicht allzu langer Zeit ratifizierte Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Österreich hat insgesamt 87 dieser Übereinkommen ratifiziert und 19 weitere unterzeichnet.

Zu den Errungenschaften des Europarates zählen aber nicht nur rechtsetzende und rechtschützende Instrumente, sondern auch andere praktische völkerverbindende Aktionen wie die Aktion gegen Intoleranz, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, Kulturinitiativen wie vielbeachtete Europarats-Ausstellungen, Europäische Jugendzentren in Straßburg und Budapest oder – in Österreich wahrscheinlich leider viel zuwenig bekannt – das Europäische Fremdsprachenzentrum in Graz, eine Europaratseinrichtung.

1949 hat der Europarat mit zehn Mitgliedsländern begonnen. 1989, vor dem Fall des Eisernen Vorhanges und der Berliner Mauer, waren es 23. In den letzten zehn Jahren ist es mit einer enormen Erweiterung des Europarates gelungen, seine Grundsätze über den gesamten Kontinent zu verbreiten. Mit Georgien werden es zum 50. Geburtstag in wenigen Tagen bereits 41 Mitgliedsländer sein.

Die wenigen weißen Flecken auf der Landkarte des Europarates kennzeichnen zugleich leider verbleibende Konfliktzonen, ungelöste Probleme oder eben schwerste Demokratie- und Menschenrechtsdefizite, wie sie vor allem in Jugoslawien und Weißrußland vorkommen.

Trotz seiner Errungenschaften und seiner wichtigen Aufgaben, einschließlich der Vertiefung seiner Prinzipien in allen Mitgliedsländern, leidet der Europarat darunter, daß er neben anderen europäischen Institutionen wie der Europäischen Union oder auch zum Teil transatlantischen Einrichtungen wie der OSZE etwas in den Hintergrund getreten ist. Europa als politischer Begriff wird heute meist als Synonym für die Europäische Union der 15 und nicht des Europarates der 40 oder 41 verwendet.

Aber wir brauchen dieses größere, dieses gesamte Europa ohne neue Mauern und ohne neue Gräben. Wir müssen an die Kraft der Werte der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte glauben und jene, die noch abseits stehen, auch davon überzeugen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher muß der Europarat tatsächlich zu dem werden, was der auf Initiative von Alois Mock in Wien stattgefundene erste Gipfel der Staats- und Regierungschefs zum Ausdruck gebracht hat: Der Europarat muß zur herausragenden politischen Institution Europas, die die neuen von der kommunistischen Unterdrückungsherrschaft befreiten Demokratien als gleichberechtigte Partner aufgenommen hat, werden. Der Dialog im Rahmen des Europarates als paneuropäisches politisches Forum muß zu einem zentralen Instrument der Politik, der Stabilität und des Friedens auf unserem Kontinent werden. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ, der Grünen sowie des Liberalen Forums.)

Um sichtbarer zu werden, muß der Europarat aber auch nach mehr praktischen Ergebnissen trachten, die von den Bürgern der Mitgliedsländer wahrgenommen werden können. Die Politik des Europarates muß stärker im Dienst der Mitgliedsländer und ihrer Bürger stehen, wie das an sich längst im Aktionsplan des zweiten Gipfels der Staats- und Regierungschefs ebenso wie in vielen Berichten der Parlamentarischen Versammlung definiert ist. Es ist übrigens ein besonderer Vorteil des Europarates, daß er eine so starke parlamentarische Dimension hat und die Parlamentarische Versammlung des Europarates tatsächlich als Volksvertretung der Bevölkerung der bald 41 Mitgliedstaaten wirken kann. Hier finden sich wirklich beachtenswerte Vorschläge wie eine neue Strategie der sozialen Sicherheit, Programme für den und zum Schutz der Kinder, gemeinsames Vorgehen gegen Terrorismus, Korruption oder organisiertes Verbrechen und Vorbeugung von Drogenmißbrauch.

Schließlich ist, um die Effizienz zu verbessern und das Potential des Europarates zu optimieren, die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und mit der OSZE zu intensivieren und sind alle möglichen Synergien optimal zu nutzen. In die Arbeit des Europarates als paneuropäisches politisches Forum ist auch die Europäische Union einzubeziehen. Andererseits wäre auch ein Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention, damit man sich auch gegen ihre Instanzen mit Erfolg zur Wehr setzen kann, wünschenswert.

Für mich sind Europarat und Europäische Union Kinder der gleichen Vision, zwei Konzepte, die sich nicht widersprechen, sondern ergänzen und nach wie vor gültig sind.

Ich habe auch einen Geburtstagswunsch des Europarates an Österreich. Peter Schieder hat von den noch ausstehenden Konventionen insgesamt gesprochen, ich möchte eine ganz konkret nennen: Zu den Übereinkommen, die Österreich noch nicht ratifiziert hat, gehört auch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Es wäre schön, wenn dieses Haus, der Nationalrat, die Ratifizierung dieses Übereinkommens noch im Jahr des Jubiläums genehmigen könnte. (Beifall bei der ÖVP, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Österreich hat in den 43 Jahren der Mitgliedschaft viel zur Arbeit des Europarates beigetragen, mit Karl Czernetz einen Prδsidenten der Parlamentarischen Versammlung gestellt, mit Lujo Tončić und Franz Karasek zwei Generalsekretδre. Groίe Parlamentarier wie Hermann Withalm, Bruno Pittermann, Wolfgang Blenk, Marga Hubinek oder Ludwig Steiner und andere haben Österreich im Europarat vertreten.

Ich möchte auch die erwähnen, die im Hintergrund für die Idee des Europarates wirken, wie zum Beispiel Frau Mag. Humula von der Parlamentsdirektion, die seit Jahrzehnten die Parlamentarierdelegation betreut, oder im außergouvernementalen Bereich unseren Freund Anton Salesny, der im schulischen und außerschulischen Bereich viel zur Bekanntheit des Europarates beigetragen hat. Und Andreas Khol war der erste gewählte Personalvertretungsobmann des Personals des Europarates.

Die Fraktion der ÖVP möchte ihnen allen an dieser Stelle für ihre Arbeit danken.

Wenn ich heute die Tradition weiterführen und dank eines Beschlusses der Bundesregierung auch für die herausfordernde Aufgabe des Generalsekretärs des Europarates kandidieren darf, tue ich das in der Überzeugung, daß die Vision des friedlichen, demokratischen Europas ohne neue Gräben und ohne neue Mauern zu vollenden ist und der Europarat dafür unersetzlich ist. (Beifall bei der ÖVP, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer. – Bitte.

10.25

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schieder! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer! Ich war vor allem, lieber Peter (in Richtung des Abg. Schieder), von deiner Rede – ich stehe nicht an, das festzustellen – angenehm überrascht, weil es nicht die von mir erwartete reine Jubiläumslobhudelei gewesen ist, sondern weil du durchaus Positives mit Kritischem vermengt hast. Ich werde versuchen, mich dieser Grundtendenz in meinem Debattenbeitrag anzuschließen.

Ich darf mit einer kritischen Bemerkung zu euren beiden Reden beginnen. Wenn ihr immer wieder gesagt habt, man sollte, es müßte, es ist ein Versäumnis, daß ..., dann darf ich euch schon in Erinnerung rufen: Ihr beide seid, wie schon vom Herrn Präsidenten erwähnt, die Vorsitzenden der zwei stärksten Fraktionen im Europarat, und wenn es jemandem gelingen kann, diese Dinge zu verändern, dann werden es ja doch wohl die zwei stärksten Fraktionen sein und sonst niemand. Also bitte, ihr seid aufgerufen, das, was ihr hier und heute beklagt, demnächst einmal zu ändern, die entsprechenden Vorhaben umzusetzen, im 51. Jahr des Bestehens des Europarates. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber zu Beginn auch etwas Positives sagen: Es ist von bleibender historischer Bedeutung, daß nach zwei Weltkriegen, die beide ihren Ausgang in Europa genommen hatten, mit dem Europarat eine Institution geschaffen wurde, mit der nach diesen beiden großen Kriegen eine europäische Zusammenarbeit begonnen und vorangetrieben werden sollte, und das ist auch geglückt. Das ist ohne Zweifel von historischer Bedeutung.

Jetzt zu den kritischen Bemerkungen aus meiner Sicht. Sie decken sich zum Teil mit den von meinen beiden Vorrednern gemachten. Der Europarat hat nach heutigen Standards ein nicht unbeträchtliches demokratisches Defizit, denn das Sagen, das entscheidende Sagen im Europarat haben nicht die gewählten Volksvertreter der Parlamentarischen Versammlung, sondern die ernannten Minister und die entsandten Botschafter im sogenannten Ministerkomitee.

Zweitens: Der Europarat produziert – man möchte es nicht glauben, ich war selbst überrascht – in 200 Komitees, Ausschüssen unendlich viel an bedrucktem Papier, aber meiner Einschätzung nach im Vergleich dazu sehr wenig, was verbindlich den Tag überdauert, an dem es beschlossen worden ist. Ich denke nur an die Resolutionen, die wir Sitzung für Sitzung in einer unendlichen Fülle mit großem Engagement verabschieden. Ich habe immer das Gefühl, ich bin an einer öffentlichen Veranstaltung der Selbstbefriedigung beteiligt. Es werden unendlich viele solcher Resolutionen verabschiedet, ohne daß das letztlich irgend etwas bewegt.

Oftmals sind diese Resolutionen, um Mehrheiten zustande zu bringen, so rund und abgeschliffen gefaßt, daß "Otto Normalverbraucher" – der Diplomat kennt sich schon aus – sicherlich nicht weiß, ob die Herren Abgeordneten jetzt Fisch oder Fleisch meinen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drittens: Der Europarat ist schwerfällig zur Potenz und letztlich zahnlos, selbst was die Konventionen betrifft. Ich weiß schon, daß hier einiges erreicht wurde in 50 Jahren und es nicht einfach ist, eine Art supranationale Gesetzgebung zu haben, aber so schwerfällig und so zahnlos wie der Europarat mit seinen Konventionen ist, müßte er, glaube ich, doch nicht sein. Der Grund dafür ist, daß es an Sanktionen mangelt und es jahrelang dauert, bis eine Konvention nach der Beschlußfassung umgesetzt wird. Es dauert deshalb so lange, weil man sehr viel Zeit verstreichen läßt, bis diese Konventionen in den nationalen Organen der Mitgliedsländer ratifiziert werden. Manchmal werden sie gar nicht ratifiziert, und manchmal ratifiziert man sie, hält sich aber nicht daran, weil es eben keine Sanktionen gibt.

An sich könnte man ja als Österreicher – ich darf jetzt an den Beginn zurückkehren – eine gewisse Genugtuung darüber haben, daß, wie bereits erwähnt, zwei österreichische Parlamentarier den beiden größten Fraktionen des Europarates vorsitzen. Allerdings haben die beiden Herren, habt ihr – und Sie merken schon am Du-Wort, daß sie durchaus meine persönliche Wertschätzung haben, und umgekehrt ist es vielleicht auch der Fall, sonst würden sie mir nicht erlauben, es zu verwenden – nach Straßburg das exportiert, was ihr von zu Hause gewohnt seid und gelernt habt, nämlich Kuhhandel und Proporzdenken. Seid mir nicht böse, aber es ist so, und das empfinde nicht nur ich von der freiheitlichen Fraktion so, nämlich, daß da in den letzten Jahren (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt) – du hast überhaupt keine Ahnung davon, denn du warst noch nie dort – tendenziell zunehmend in diese Richtung gegangen worden ist, und zwar bei personellen Entscheidungen – natürlich, möchte man beinahe sagen –, zunehmend aber auch in einzelnen Sachfragen.

Ich habe mir sagen lassen, daß früher – ich gehöre jetzt immerhin auch schon sieben Jahre lang der Parlamentarischen Versammlung an – im Europarat mehr als heute über Länder und Fraktionsgrenzen hinweg die Sachkompetenz und die persönliche, die urpersönliche Sicht der Dinge der einzelnen Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung im Vordergrund standen. Heute bestimmt mehr – ich sage nicht, ausschließlich – das Fraktionsdenken die Handlungen. Das kommt nicht ganz von ungefähr. Kritisch anzumerken ist auch – ich möchte niemandem die Schuld daran zuweisen, denn ich weiß, daß da ein Spannungsfeld besteht –, daß der Europarat heute auch das eine oder andere Mitglied hat, das unseren Standards – ich meine jenen des Europarates –, etwa in Menschenrechtsfragen, in Fragen der Rechtsstaatlichkeit und in Fragen der demokratischen Alltagspraxis nicht entspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Es berührt mich sehr unangenehm, daß sich der Europarat in einem seiner Kernfelder, nämlich in einer Menschenrechtsfrage, erst vor wenigen Tagen vom EU-Parlament – ausgerechnet vom EU-Parlament! – hat vormachen lassen müssen beziehungsweise sich vorzeigen lassen mußte, daß Unrecht abseits von Tagesaktualität und In-Denken – ich meine es im Sinne von: Was ist gerade in? – beseitigt gehört. Ich meine damit den Umstand, daß das Europaparlament Tschechien aufgefordert hat – wir haben das nie zusammengebracht – die Beneš-Dekrete abzuschaffen beziehungsweise aufzuheben, mit denen die Vertreibung und Enteignung von 3,5 Millionen Sudetendeutschen gerechtfertigt beziehungsweise begründet worden ist. Die gleiche Aufforderung könnten wir übrigens jetzt an Slowenien bezüglich der AVNOJ-Dekrete richten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Ich habe, glaube ich, meine Ausführungen positiv begonnen und ich möchte sie auch positiv schließen: Der Europarat kann auch heute – nach wie vor oder vielleicht gerade wieder – Bedeutung haben und muß nicht derart im Schatten anderer europäischer Institutionen stehen, wie er es zunehmend tut, denn der Europarat ist die einzige Institution, in der heute fast das gesamte Europa vertreten ist, in der Parlamentarier aus fast allen europäischen Staaten einander kennenlernen, miteinander reden, und das ist in der Politik bekanntermaßen etwas Wichtiges und Entscheidendes. Außerdem kann der Europarat bei Umdenken in gewissen Feldern und bei Reformbereitschaft in gewissen Bereichen eine wichtige Einrichtung bleiben, und zwar nicht nur für die in Europa neu entstandenen und neu entstehenden Demokratien.

In diesem Sinne wünsche ich dem Europarat weitere erfolgreiche 50 Jahre. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und ÖVP.)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

10.35

Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das 50jährige Bestehen des Europarates ist auch für die Liberalen Anlaß, die Verdienste des Europarates für die europäische Bewußtseinsbildung, vor allem aber für die Entwicklung der Menschenrechte und der Demokratie auf diesem Kontinent zu würdigen und hervorzuheben. Ich stelle da an die Spitze die Europäische Menschenrechtskonvention. Erwähnen möchte ich im diesem Zusammenhang das Protokoll Nr. 6 betreffend die Abschaffung der Todesstrafe, das Protokoll Nr. 7 betreffend die Ausweitung der bürgerlichen Rechte, das Übereinkommen zur Vermeidung von Folter und unmenschlicher und grausamer Strafe oder Behandlung, die Übereinkommen zu sozialen und gesundheitlichen Fragen, die Übereinkommen über die Gleichwertigkeit von Zeugnissen und Ausbildungsgängen, das Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten oder das Übereinkommen bezüglich Rechtshilfe, Strafrecht oder den Aktionsplan zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz der Wiener Erklärung. Diese Liste ließe sich entsprechend fortsetzen.

Ich glaube, daß für die Menschen in den vielen Mitgliedstaaten des Europarates, vor allem aber in dessen älteren Mitgliedstaaten, die Europäische Menschenrechtskonvention in der Zwischenzeit etwas Selbstverständliches geworden ist und daß sie sich gar nicht mehr dessen bewußt sind, welche bedeutende Leistung dem Europarat damals, als diese Konvention beschlossen worden ist, gelungen ist. So enthält dieses Vertragswerk nicht nur einen Durchsetzungsmechanismus, sondern hat infolgedessen auch grundlegende und tiefgreifende Auswirkungen auf die innerstaatliche Entwicklung der Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten gehabt.

Da beitrittswillige Staaten ihr Rechtssystem mit den grundlegenden Prinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte in Einklang zu bringen haben – ich sage ausdrücklich: zu bringen haben, und zwar im Hinblick auf die in den letzten Jahren erfolgte Entwicklung –, leistet der Europarat eine, wie ich meine, unschätzbare Aufgabe in Europa, vor allem für die Entwicklung der Demokratien in Osteuropa.

Bei all den Leistungen, die der Europarat in den letzten Jahrzehnten erbracht hat, sollte durchaus so manche Entwicklung kritisch betrachtet werden dürfen. Ich darf da anknüpfen an die kritischen Anmerkungen des scheidenden stellvertretenden Generalsekretärs Peter Leuprecht, eines Österreichers, die dieser im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Europarat gemacht hat.

Es ist natürlich eine Streitfrage, ob es besser ist, Staaten, die die Kriterien von Demokratie und Menschenrechten noch nicht voll erfüllen, aufzunehmen und damit diesbezügliche Entwicklungen auch zu fördern und zu unterstützen, oder ob man sich im Interesse und auch im Hinblick auf die Verdeutlichung der Wichtigkeit der Menschenrechtsstandards, um die sich der Europarat besonders zu kümmern hat, strikt an die Aufnahmekriterien halten sollte.

Man hat diesbezüglich in der letzten Zeit bei einigen Ländern den Weg gewählt, von der Prämisse der festgelegten Standards abzuweichen. Man hat aus politisch-diplomatischen Gründen einer Erweiterung zugestimmt und damit den Werte-Standard bedauerlicherweise verwässert.

Man kann nun argumentieren, daß mit Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention jeder Bürger und jede Bürgerin das Recht auf eine Individualbeschwerde auch in diesen Ländern erreicht beziehungsweise gewonnen hat und damit auch in diesen Ländern ein großer Fortschritt in Richtung demokratischer Entwicklung gesetzt worden ist, man kann auch argumentieren, daß das Monitoring-System die nachträgliche Erfüllung der Anforderungen überprüfen kann, aber, meine Damen und Herren, Hohes Haus, die Praxis hat gezeigt, daß manche Staaten Jahre nach ihrem Beitritt die notwendigen Reformen nicht durchgeführt haben. Zu Sanktionen ist man jedoch nicht bereit.

Ohne geeignete Mittel kann diese Vorgangsweise nicht funktionieren, womit der Grundkonsens, was Demokratie, was Rechtsstaatlichkeit und was Menschenrechte eigentlich bedeuten, doch untergraben wird. Ich möchte dafür einige Beispiele bringen, und ich appelliere an die Kollegen und Kolleginnen des Europarates, in dieser Richtung initiativ zu werden.

So hat beispielsweise die Ukraine die Todesstrafe weiter vollstrecken lassen. In Rußland ist die Reform der Geheimdienste ausständig, und die Praktiken im Strafvollzug haben sich dort weiter verschlechtert. Kroatien hat in Sachen der Minderheiten kaum etwas unternommen, und auch die Pressefreiheit wurde dort bislang nicht verwirklicht.

Zu erwähnen ist auch die totale Verwässerung des Kommissionsberichtes über die Situation in der Türkei. Es hat gerade das Plenum des Europarates den Rohbericht, der doch etwas schärfer ausgefallen ist, bedauerlicherweise verwässert. Und das ist nicht im Geiste des Europarates. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wenn die Aufgabe der Sicherung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten immer stärker hinter die politischen Rücksichten zurücktritt, dann – und das muß man hier feststellen – trifft dies den Europarat ins Mark, dann wird seine Glaubwürdigkeit und schlußendlich auch seine Aktionsfähigkeit und Durchsetzungsmöglichkeit in Frage gestellt.

Die Sorge, daß der Ausschluß eines Landes dieses isoliert und einer weiteren Gefahr der Destabilisierung preisgibt, ist gerechtfertigt, aber sich selbst den Boden unter den Füßen wegzuschaufeln, bedeutet doch eine Gefährdung der Institution selbst. Das sollten wir Parlamentarier bei unserer Arbeit im Europarat beachten.

Meine Damen und Herren! Ich würde mir wünschen, daß der Europarat gerade in der gegenwärtigen Situation, in der wir einem ungeheuren Flüchtlingselend in Europa gegenüberstehen, deutliche Worte an die einzelnen Regierungen richtet.

Ich meine, daß es auch notwendig ist, eine kritische Bestandsaufnahme des Europarates anläßlich seines 50. Geburtstages vorzunehmen. Diese kritische Bestandsaufnahme ist notwendig, um sich in der Folge im Rahmen einer Weiterentwicklung des Europarates den geänderten Aufgaben in einem geänderten Europa entsprechend stellen zu können.

Ich bedauere es, daß, obwohl ursprünglich für das Jubiläumsjahr geplant war, entsprechende Reformvorschläge auszuarbeiten, letztendlich lediglich ein Appell für eine bessere Zusammenarbeit mit der OSZE und mit der Europäischen Union herausgekommen ist.

Wie wichtig der Europarat in Zukunft auch für Staaten mit hochentwickelten Demokratien und Rechtsordnungen ist, zeigt sich auch an der Vielzahl der Beschwerden, die an die Kommission und an den Gerichtshof gegangen sind.

In den letzten 42 Jahren wurden – ich möchte da Österreich als Beispiel nehmen – an die 3 200 Beschwerden gegenüber Österreich eingebracht. In Anbetracht dessen muß die Neuorganisation des Menschenrechtsschutzsystems ab November des Vorjahres besonders begrüßt werden. Ich bedauere es, daß man das in einzelnen Bereichen, wo es notwendig wäre, nicht gemacht hat. Ich glaube, daß Österreich ... (Abg. Dr. Khol: Von den 3 000 waren 30 zulässig!) Es ist aber trotzdem Ausdruck dafür, Herr Kollege Khol, daß die Bürger dieses Rechtsschutzinstrument in Anspruch nehmen und daß die Bürger darauf zurückgreifen und daß es Sinn macht, diese Einrichtungen entsprechend zu unterstützen und entsprechend zu entwickeln. (Abg. Dr. Schwimmer: Daß sie informiert sind!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Europarat gerade aufgrund seiner Kompetenz im Bereich der Menschenrechte einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Menschenrechte im Rahmen einer modernen Gesellschaft leisten kann und leisten soll. Da geht es darum, die drängendsten Fragen in Sachen Grundrechte einer Antwort zuzuführen, etwa wenn es darum geht, abzuwägen, ob es Sinn macht, die Grundrechte zu verstärken und in welchem Ausmaß der Staat, die staatlichen Eingriffe zurückgedrängt werden sollen, oder wenn es darum geht, ethische Fragen im Bereich der Medizin oder im Bereich der Gentechnik zu beantworten. Ich meine, daß die Notwendigkeit besteht, ausstehende Fragen rasch einer Lösung zuzuführen.

Meine Vorredner haben bereits die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen angesprochen, an der seit 20 Jahren gearbeitet wird. Die meisten Staaten haben sie noch immer nicht ratifiziert. Ich bedauere es, daß das österreichische Parlament diese Ratifikation auch noch nicht durchgeführt hat. Wir werden – Herr Kollege Khol und Herr Kollege Schieder haben auch darauf Bezug genommen – darauf drängen, daß noch in dieser Gesetzgebungsperiode, daß es noch während des Jahres des 50jährigen Bestehens des Europarates, des Jubiläumsjahres, in Österreich zu dieser Ratifizierung kommt.

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne und gerade im Hinblick darauf, daß es notwendig ist und Sinn macht, den Europarat weiterzuentwickeln, wünsche ich dem Europarat alles Gute für die nächsten 50 Jahre. Wir alle – die Parlamentarier, die von diesem Parlament in den Europarat entsandt worden sind – haben eine ganz wichtige Aufgabe in der notwendigen Weiterentwicklung des Europarates im Hinblick auf seine Effizienz zu erfüllen. Ich wünsche mir eine gute und konstruktive Zusammenarbeit im Interesse des Europarates. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum, bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte.

10.46

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Geschichte des Europarates und vor allem die Reden zur Geburtsstunde vor 50 Jahren, die die Gründerväter des Europarates hielten, durchliest, dann sieht man darin die Vision, die noch heute gültig ist: die Vision eines gemeinsamen Europas ohne Krieg unter dem Titel "Nie wieder Krieg!", eines Europas der Vielfalt, aber gleichzeitig eines Europas der Toleranz, eines Europas, das Minderheiten schützt, das die Rechte schützt, eines Europas, das versucht, aus seiner grauenhaften Geschichte gerade dieses Jahrhunderts zu lernen.

Österreich ist seit 1956 Mitglied des Europarates, und – Präsident Fischer und einige meiner Vorredner haben es bereits angesprochen – Österreich und vor allem Österreicher – leider wenige Frauen bisher – nahmen sehr aktiv an der Entwicklung des Europarates in den letzten Jahren teil. Das ist wohl auch deshalb der Fall, weil vor allem besonders für kleine Staaten der Europarat nach wie vor große Relevanz hat, und zwar auch dann, wenn sie nicht Mitglied der Europäischen Union sind.

Der Europarat hat aus meiner Sicht aus mehreren Gründen einen ganz besonderen Stellenwert: Zum einen zeigt er in der Praxis ganz konkret auf, daß Europa mehr ist als Westeuropa, daß Europa mehr ist als die 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die vor allem in der Bevölkerung sehr oft als Europa angesehen werden und die in Europa politische Relevanz und politische Macht haben.

Daß es gilt, für den Europarat mehr an politischer Relevanz zu gewinnen, sieht man daran, daß selbst der 50. Jahrestag des Bestehens des Europarates sehr wenig Niederschlag in den Medien findet und sehr wenig Interesse und Beteiligung daran gezeigt wird.

Ich halte das aus mehreren Gründen für schade. Nicht nur, daß der Europarat bald aus 41 Staaten besteht und somit wirklich eine Gesamtheit der europäischen Kultur und der Staatengemeinschaft bildet, hat er eben auch etwas Besonderes, nämlich neben dem Ministerkomitee auch die Vertretung durch die Parlamentarier, die sich viermal im Jahr zum Plenum, aber viel öfter im Jahr zu Ausschüssen treffen, also eine aktive Beteiligung von frei gewählten Abgeordneten, aber auch eine Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen.

Nun zu einem Punkt, der hier noch nicht angesprochen wurde, der mir aber als besonders wichtig erscheint: Die zivile Gesellschaft ist für den Europarat nicht nur wichtig, sondern sie wird auch tatsächlich in der Praxis integriert. Bereits im Jahre 1952 wurde den Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit gegeben, sich im Europarat entsprechend zu engagieren, es wurde die Möglichkeit eines konsultativen Status eingeräumt, und diese zivile Gesellschaft in Form von Nichtregierungsorganisationen kann sich relativ einfach beteiligen und beteiligt sich auch sehr engagiert in den Ausschüssen der verschiedenen Komitees des Europarates.

Der Europarat ist selbstverständlich vor allem bekannt – und das wurde hier schon mehrfach erwähnt – für seine Arbeit im Bereich der Menschenrechte, für seine Arbeit gegen Rassismus, für seine Arbeit für den Schutz und für die Rechte von Minderheiten, aber mittlerweile doch auch für seine Arbeit im Bereich des Umweltschutzes, für seine Arbeit für die Vielfalt der Regionen und auch für seine Arbeit im Bereich der sozialen Zusammenarbeit.

Für all diese Bereiche gibt es Ausschüsse, in welchen von vielen Abgeordneten engagierte Arbeit geleistet wird, Arbeit, die aber in der Öffentlichkeit und oft wahrscheinlich auch in den eigenen Parlamenten nur wenig honoriert wird. Das ist wohl der Grund dafür, weshalb man sich doch sehr oft, wenn es in der Praxis darum geht, wo man als einzelner Abgeordneter seine Arbeitskraft einsetzt, wenn es darum geht, daß sie unmittelbar auf fruchtbaren Boden fallen soll, dafür entscheidet – und da muß sich jeder der Kollegen, die im Europarat vertreten sind, an der Nase nehmen –, seinen Arbeitsschwerpunkt im nationalen Parlament zu setzen. Dadurch erfährt der Europarat leider meist ein sehr eingeschränktes Engagement der einzelnen Abgeordneten.

Nun komme ich auf die Reform des Europarates zu sprechen. Dazu wurde auch von Kollegen Schieder einiges völlig Richtiges gesagt, was ich aus meiner Sicht nur unterstreichen kann. In diesem Zusammenhang muß man aber auch sagen: Papier ist geduldig. Es sind zum Teil hervorragend Konventionen geschaffen worden. Diese sind aber oft nicht nur nicht ratifiziert worden, sondern deren Einhaltung wird auch oft nicht konkret überwacht. Ich denke da an das Monitoring. Es sollen da wirklich Zähne gezeigt werden, dieses Instrument soll mehr unmittelbare Wirksamkeit erhalten. Man kann nur durch bessere Kontrolle, durch besseres Monitoring jene Staaten, die gegen die Richtlinien und die Zielsetzungen des Europarates konkret verstoßen, unmittelbar stärker und schneller zur Verantwortung ziehen.

Das geschah aus meiner Sicht bisher ungenügend, und deshalb muß man sehr vorsichtig sein, daß es aufgrund der Vergrößerung des Europarates, der nun bald 41 Mitgliedstaaten umfaßt, nicht dazu kommt, daß der Europarat ein Honoratiorenverein wird, ein Verein, in dem die Prinzipien des Europarates selbst von jenen Staaten, die schon Mitglied sind, nicht geachtet werden und man nur darauf schaut, daß man dabei ist, aber nicht wirklich kontrolliert, ob all die Richtlinien, all die Grundsätze, all die Werte des Europarates entsprechend eingehalten werden.

Ganz kurz noch zur Praxis in den Ausschüssen, so wie ich es erlebt habe und wie es, glaube ich, gute Praxis des Europarates ist. Im Unterschied zu den nationalen Ausschüssen zählt da tatsächlich mehr das Wort und die Einstellung des Individuums, des Abgeordneten, der dort sitzt. Es wird seriös über Anträge von Abgeordneten, auch über solche von sehr kleinen Fraktionen wie der Grünen diskutiert. Es herrscht ein Klima der Toleranz, es herrscht ein Klima der Akzeptanz anderer Meinungen, oft auch dann, wenn man zu keinen gemeinsamen Beschlüssen kommt. Das ist eine Diskussionsqualität, sodaß man, wie Präsident Fischer in seiner Einleitung, zu Recht sagen kann, daß der Europarat auch so etwas wie die Schule der Demokratie sein soll.

Ich darf ein konkretes Beispiel dafür zeigen, wie man auch in anderen Fachausschüssen beispielsweise gegen Rassismus und für Toleranz auftreten kann. Der Umweltausschuß, in dem ich vertreten bin, hatte geplant, in Montpellier eine Konferenz abzuhalten. Es war eigentlich schon alles relativ weit organisiert. In Frankreich waren Regionalwahlen, und in der Provinz Montpellier kamen Vertreter der Front National, also Vertreter Le Pens, an die Regierung, an die Spitze der dortigen Regionalverwaltung. Wir haben uns im Umweltausschuß auf Antrag einiger Sozialdemokraten, der auch von mir unterstützt wurde, damit beschäftigt, ob der Umweltausschuß in einer Stadt mit einem bekannten rechtsradikalen Politiker an deren Spitze eine Konferenz abhalten soll. Wir haben beschlossen, das nicht zu tun – auch unter Inkaufnahme von Diskussionen, die dann in dieser Region stattgefunden haben. Wir haben diese Konferenz dann abgesagt und haben versucht, die Gründe hiefür auch entsprechend zu kommunizieren.

Ich halte es für wichtig, daß auch in den anderen Fachausschüssen immer wieder berücksichtigt wird, daß es nicht nur um jenes Thema geht, das unmittelbar diskutiert wird, wie in diesem Fall um den Umweltschutz, sondern daß es immer auch darum geht, alle anderen Werte des Europarates entsprechend zu beachten. Ich halte das für einen Ansatz, der auch in den nationalen Parlamenten umzusetzen ist. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es wurden Wünsche formuliert. Auch ich habe welche. Ich habe zwar viele, aber ich nenne nur wenige. Ein Wunsch von mir betrifft eine Konvention im Bereich des Umweltschutzes, nämlich die Lugano-Konvention zur Umwelthaftung. Diese wurde in Österreich lange diskutiert, aber von Österreich nicht unterzeichnet, nicht ratifiziert. Das ist ein Bereich, der für Österreich enorm wichtig wäre. Das ist mein erster Wunsch.

Mein zweiter Wunsch betrifft Sie, Herr Abgeordneter Schwimmer. Sie haben hier gesagt, Sie wollen, wenn Sie Generaldirektor des Europarates werden, nicht nur – das nehme ich an – Ihre Politik, sondern auch jene der österreichischen Delegation unterstützen. Ich wünsche mir von Ihnen, wenn Sie das werden, daß Sie nicht nur hier von diesem Rednerpult aus für Toleranz, für Gleichberechtigung, für den Schutz von Minderheiten eintreten, sondern dementsprechend auch in der Praxis agieren.

Herr Abgeordneter Schwimmer! Sie wissen sehr genau, daß die Homosexuellen-Intitiativen ganz Europas Ihrer Kandidatur sehr kritisch gegenüberstehen. Sie glauben nicht, daß Sie in diesem Bereich Toleranz üben werden und den Schutz und auch die Rechte der Homosexuellen, für die sich auch Nichtregierungsorganisationen im Europarat engagiert zeigen, entsprechend vertreten und unterstützen werden. Ich wünsche mir von Ihnen, sollten Sie dieses Amt bekommen, daß Sie Toleranz sehr weit, so wie es im Europarat Praxis ist, definieren. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Ganz zum Schluß möchte auch ich mich bedanken bei allen Kolleginnen und Kollegen, die im Europarat vertreten sind, ganz besonders bei unseren beiden Damen, Frau Hauke und Frau Mag. Humula, die uns immer während der Sitzungswochen sehr gut betreuen, die seit vielen Jahren die Betreuungsarbeit leisten. (Beifall bei den Grünen, bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Ich möchte mich auch dafür bedanken, daß es hier gelebte Praxis ist, kleinen Parteien einen Sitz im Europarat anzubieten, und ich hoffe sehr, daß das, da es im Sinne des Europarates ist, so viele politische Gruppen wie möglich, so sie sich auf demokratischem Boden bewegen, einzubinden, auch im nächsten Hohen Haus gelebte Praxis sein wird. Deshalb auch mein Schlußwort: Happy Birthday, Europarat! Und hoffentlich viel Erfolg in den nächsten Jahren! – Danke. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, daß auch durchaus nuancierte Stellungnahmen zum Thema Europarat gezeigt haben, daß diese europäische Institution unsere Wertschätzung und unser Engagement verdient, und so darf ich zum Abschluß dieser "Stunde des Europarates" im österreichischen Parlament nochmals einen herzlichen Glückwunsch zum 50. Jahrestag der Gründung und damit zum Jubiläum 50jähriger Arbeit, 50jähriger Erfolge und sicher auch 50jähriger Probleme und Sorgen formulieren. Alles Gute dem Europarat! (Allgemeiner Beifall.)

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortungen 5440/AB und 5475/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, daß mehrere Verlangen vorliegen, und zwar zunächst das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen, eine kurze Debatte über die Beantwortung 5440/AB zur Anfrage 5726/J der Abgeordneten Dr. Kier betreffend Verhängung von Schubhaft über Jugendliche durch den Herrn Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Die Kurzdebatte wird nach § 57 Abs. 4 der Geschäftsordnung um 15 Uhr beginnen.

Weiters teile ich mit, daß das gemäß § 92 GOG gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 5475/AB der Anfrage 5764/J des Abgeordneten Wabl betreffend Export von Alt- und Gebrauchtwaffen durch den Herrn Bundeskanzler abzuhalten.

Diese Kurzdebatte, die vom Kollegen Wabl verlangt wurde, wird im Anschluß an die vorhin erwähnte kurze Debatte stattfinden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Außerdem teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Haigermoser beantragt hat, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1024/A (E) betreffend "Schutzgeldzahlungen" im Bereich der Wirtschaftskammer Österreich eine Frist bis zum 18. Mai 1999 zu setzen.

Es liegt in diesem Zusammenhang das Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Diese Kurzdebatte über den Fristsetzungsantrag wird nach Ende der vorhin erwähnten zweiten Kurzdebatte zur Anfragebeantwortung durchgeführt werden.

Die Abstimmung wird gleich im Anschluß an die Debatte durchgeführt werden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt zur heutigen Tagesordnung der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 10, 11 bis 15 sowie 17 bis 29 zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich berichte, daß in der Präsidialkonferenz Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt wurde: Es wird eine Tagesblockredezeit von acht "Wiener Stunden" vorgeschlagen, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten.

Über diesen Vorschlag hat das Hohe Haus abzustimmen und zu befinden.

Ich frage daher: Gibt es Gegenstimmen oder Einwendungen gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das einvernehmlich so festgelegt.

1. Punkt

Erklärungen des Bundesministers für Finanzen zum Thema "Ergebnisse des ECOFIN vom 15. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 25. März 1999" und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zum Thema "Ergebnisse des Rates Landwirtschaft vom 11. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 26. März 1999 – Bereich Landwirtschaft" gemäß § 19 Abs. 2 GOG

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 833/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Zier-, Gemüse- und Obstarten (Pflanzgutgesetz 1997), BGBl. I Nr. 73/1997, geändert wird (1723 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 834/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997), BGBl. I Nr. 72/1997, geändert wird (1724 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 873/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Maßnahmen für Österreichs Schweinehalter (1725 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 963/A (E) der Abgeordneten Georg Schwarzenberger, Heinz Gradwohl und Genossen betreffend die Kennzeichnung von Eiern aus verschiedenen Haltungsformen (1726 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 897/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Konzeption von ÖPUL 2000 (1727 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 898/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut und Gentech-Futtermittel für alle ÖPUL-Betriebe (1728 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 899/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Befassung des Nationalrates mit dem Konzept "ÖPUL 2000" (1729 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 900/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Sicherung des Waldes als Erholungsgebiet (1730 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 946/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen betreffend Planung, Errichtung und Finanzierung von Fischaufstiegshilfen bei bestehenden Flußkraftwerken (1731 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 10. Über diese wird die Debatte, wie gerade vereinbart, gemeinsam durchgeführt.

Einem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten entsprechend wird eine Debatte im Sinne des § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu den Erklärungen des Herrn Bundesministers für Finanzen und des Herrn Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft stattfinden und, wie schon erwähnt, mit der Debatte zu den anderen Punkten dieses Teiles der Tagesordnung verbunden werden.

Ich darf nunmehr dem Herrn Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger das Wort erteilen. – Bitte, Herr Minister.

11.02

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit der Einigung zur Agenda 2000 beim Sondergipfel in Berlin Ende März hat die Europäische Union einmal mehr ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Gleichzeitig ist das Ergebnis gerade aus Sicht des österreichischen Budgets sehr erfreulich, weil es zu einer deutlichen Verbesserung unserer Nettozahlerposition führen wird.

Mit dem vorliegenden Ergebnis ist es gelungen, wichtige strukturelle Weichenstellungen bei den großen Gemeinschaftspolitiken vorzunehmen und den Grundsatz der Haushaltsdisziplin – ein ganz wesentlicher Grundsatz bei der Erstellung nationaler Budgets – auch auf Gemeinschaftsebene stärker zu verankern.

Es ist außerdem gelungen, die Finanzierung der Gemeinschaft zwischen den Mitgliedstaaten fairer zu gestalten. Es ist dies ein ganz wesentlicher Aspekt, und das war auch ein Kernpunkt der Diskussionen, weil es zulässig ist, zur Frage "Was ist fair?" unterschiedliche Standpunkte, je nachdem, aus welchem der Mitgliedstaaten man kommt, einzunehmen.

Schließlich ist es durch die Entscheidungen der Agenda 2000 möglich geworden, den nötigen finanziellen Spielraum für die geplanten Erweiterungen im nächsten Jahrzehnt zu schaffen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Die zeitgerechte Einigung auf die Agenda 2000, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein großer Erfolg der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, für die unseren deutschen Freunden entsprechende Anerkennung gebührt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Daß Österreich gerade im finanziellen Bereich ein sehr erfreuliches Ergebnis bei der Agenda 2000 erreichen konnte, hat nicht zuletzt damit zu tun, daß in Österreich selbst von Beginn an die Weichen politisch richtig gestellt wurden. Österreich hat von Beginn an klar seine Nettozahlerinteressen betont, ohne die erforderliche gesamteuropäische Solidarität zu vernachlässigen.

In Österreich, meine sehr verehrten Damen und Herren – das möchte ich besonders betonen –, haben wir uns schon sehr frühzeitig mit den Partnern im Rahmen des Finanzausgleiches, also mit den Ländern und Gemeinden, verständigt, nämlich schon am 21. März 1997, und eine Vereinbarung der Finanzausgleichspartner getroffen. In dieser Vereinbarung wurde die österreichische Position zur künftigen Regelung der EU-Finanzen festgelegt.

Das habe ich aus damaliger Sicht deshalb für so wichtig erachtet, weil ich zwar als Finanzminister natürlich für Gesamtösterreich verhandle, aber es aufgrund der Vereinbarungen, daß auch Länder und Gemeinden an den Beitragszahlungen partizipieren, für notwendig gehalten habe, auch ein klares, mit einer Zielrichtung ausgestattetes Verhandlungsmandat zu erreichen und gleichzeitig dafür die Zustimmung der Länder und Gemeinden und nicht nur jene der Bundesregierung zu haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Diese Einstellung halte ich gerade unter dem Aspekt des föderalen Bundesstaates für enorm wichtig.

In dieser Vereinbarung vom 21. März 1997 haben wir im wesentlichen zwei Punkte festgelegt, und es war aus damaliger Sicht – zwei Jahre zurückgedreht – keinesfalls so klar, daß sich solche Positionen im Rahmen des Diskussionsprozesses letztendlich als erreichbar zeigen würden.

Damit meine ich erstens, daß die Eigenmittelobergrenze den Wert von 1,27 Prozent des EU-Bruttosozialproduktes nicht übersteigen darf – diese Festlegung ist bis zuletzt von einigen südeuropäischen Ländern massiv in Frage gestellt worden –, und

zweitens, daß wir bei der Akzeptierung des Prinzips, daß Österreich Nettozahler bleiben wird, eine Reduktion der Nettoposition anstreben. Keinesfalls – so die Vereinbarung mit Ländern und Gemeinden – darf eintreten, daß sich unsere Nettozahlerposition verschlechtert. Wir haben, sehr geehrte Damen und Herren – ich habe das gestern auch den Finanzausgleichspartnern mitgeteilt –, diese Ziele erreicht! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das zeigt, daß man auch als relativ kleines Mitgliedsland in der Europäische Union dann erfolgreich sein kann, wenn man im Lande selbst vernünftig zusammenarbeitet, wenn Gebietskörperschaften und die verantwortlichen politischen Parteien gemeinsam für ein Ziel eintreten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir haben uns in Österreich nicht nur frühzeitig auf eine erfolgversprechende Position für die Wahrung unserer Interessen festgelegt, sondern wir haben für diesen Erfolg auch hart gearbeitet. Wir haben beispielsweise unsere finanzielle Ausgangsposition gründlich analysiert – aber nicht nur unsere, sondern auch jene unserer EU-Partnerstaaten, denn ich habe von Anfang an den Standpunkt vertreten, daß man auch oder gerade bei Wahrung der eigenstaatlichen Interessen nur dann Anspruch auf Fairneß erheben kann, wenn man seine Forderungen so strukturiert, daß andere nicht überfordert sind. Auch das ist eine Gesinnung, die in der Europäische Union notwendig ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir waren während unserer EU-Ratspräsidentschaft maßgeblich an der Entwicklung jenes Konzeptes beteiligt, das sich schließlich in der Europäische Union mehr und mehr durchgesetzt hat. Dieses Konzept der realen Ausgabenstabilisierung wurde während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft und unter österreichischer Federführung entwickelt. Ich möchte in aller Bescheidenheit hinzufügen, daß es die Experten des Bundesministeriums für Finanzen waren, denen es in diesen Aktivitäten, in dieser Kreativität auch der Entwicklung eines dritten Weges zwischen der harten Nettozahlerposition der Kappung und der harten Nettoempfängerposition, daß es keinesfalls weniger werden darf, gelungen ist, diese Regelung zu konzipieren. Deshalb möchte ich allen mit diesen Fragen befaßten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses für ihre enorme und so erfolgreiche Arbeitsleistung auch hier sehr herzlich danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter dem Vorzeichen der realen Ausgabenstabilisierung ist es gelungen, den Grundsatz umzusetzen, daß die EU-Finanzen sich in Übereinstimmung mit den nationalen Haushalten zu entwickeln haben und daher die Budgetkonsolidierung in den Mitgliedstaaten unterstützen müssen.

Mit dem Geld der europäischen und damit auch der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wird sparsam umgegangen. Dieser Umstand trägt erheblich dazu bei, die österreichische Nettozahlerposition, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, zwischen 1999 und dem letzten Jahr der finanziellen Vorschau, nämlich dem Jahr 2006, deutlich zu verbessern.

Der Nettobeitrag Österreichs zur "EU 15" wird sich von 0,43 Prozent des Bruttosozialproduktes 1999 auf 0,31 Prozent des Bruttosozialproduktes im Jahre 2006 verbessern. Die wesentlichen Einsparungen für Österreich werden ab dem Jahre 2002 wirksam, weil ab dann die Änderungen des Eigenmittelsystems in Kraft treten und auch in den Folgejahren zunehmend greifen werden.

Der sparsame Umgang mit Steuergeldern kommt auch darin zum Ausdruck, daß die jährlichen Zahlungen aus dem EU-Budget, gemessen am BSP der "EU 15", von derzeit 1,13 Prozent auf 0,97 Prozent im Jahr 2006 sinken werden. In Preisen liegen die Zahlen aus dem EU-Budget für die "EU 15" im Jahr 2006 mit rund 89 Milliarden Euro auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2000. – Das verstehe ich unter realer Ausgabenstabilisierung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Im einzelnen – ich möchte Sie nicht lange aufhalten, weil schon sehr viel darüber berichtet worden ist – ergibt sich folgende Struktur der Hauptrubriken:

Die Ausgaben für die Rubrik 1, Gemeinsame Agrarpolitik, wurden sparsam aber ausreichend bemessen. Die Agrarausgaben werden, wiederum zu Preisen 1999, im letzten Jahr der kommenden finanziellen Vorschau, also im Jahre 2006, nahezu auf dem Niveau des Jahres 2000 liegen. Zugleich wurde die EU-Agrarreform weitergeführt – zugegebenermaßen etwas langsamer als vorgesehen, aber sozial vertretbarer und daher auch machbar. – Hiezu wird Bundesminister Molterer noch ausführlich Stellung beziehen.

Die Ausgaben für die Rubrik 2, eine sehr bedeutende Rubrik, nämlich die Finanzierung der Strukturpolitik, werden deutlich unter dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission liegen. Obwohl die Fördergebiete – und das ist auch richtig so – in der EU gestrafft werden, wird Österreich auch in der neuen Periode vom Jahr 2000 bis zum Jahre 2006 nicht weniger Mittel aus den Strukturfonds erhalten als bisher. Dies belegt, wie ich meine, die kluge und durchaus geschickte Verhandlungsführung. Österreich wird nämlich für die Gemeinschaftsinitiativen in der kommenden Strukturfondsperiode rund 700 Millionen Schilling pro Jahr – das sind 5 Milliarden Schilling in diesem Zeitraum – aus EU-Mitteln erhalten.

Es wurde anerkannt, daß natürlich gerade im Hinblick auf die Geschichte des europäischen Kontinents, im Hinblick auf die Wohlstandsgrenze, die östlich von Österreich verläuft, die geographische Länge der österreichischen Grenze zu den Reformstaaten nahezu exakt so lange ist wie jene Deutschlands. Daß ein kleines Land ganz besondere Probleme in der Entwicklung dieser seiner eigenen Regionen hat, wurde in der Endphase der Verhandlungen von allen akzeptiert.

Ein weiterer Erfolg für Österreich besteht eben in der Veränderung des INTERREG-Programms, das zum Teil daran gelitten hat, daß es notwendig war, auch jenseits der Grenze Partner zu finden und Kofinanzierungen herzustellen, was aufgrund der wirtschaftlichen Situation, die es in den Reformstaaten gibt, nicht immer einfach war.

Zum zweiten: Auch in den übrigen Ausgabenbereichen, die über Landwirtschaft und Strukturfonds hinausgehen, nämlich vor allem bei den internen und externen Politiken und Verwaltungsabgaben, wurde sparsamst budgetiert. Zugleich wurde aber auch – und das ist ganz wichtig – auf die Erfordernisse zukunftsrelevanter Aufgabenbereiche wie Forschung und Bildung entsprechend Bedacht genommen.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß noch unter österreichischer EU-Ratspräsidentschaft mit der Einigung über das Fünfte Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung diesbezüglich bereits eine sehr wesentliche Weichenstellung getroffen wurde. Hier verdient vor allem Wissenschaftsminister Einem eine positive Erwähnung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Neben der Vorbereitung der "EU 15" und ihrer Politiken auf die Aufgaben der nächsten Jahre war die Förderung der Heranführung der Beitrittskandidaten ein zweites sehr zentrales Thema im Rahmen der Verhandlungen zur Agenda 2000. Die neue finanzielle Vorschau sieht daher auch Mittel für diese Länder vor, damit in den Beitrittsstaaten die Voraussetzungen geschaffen werden können, die Übernahme und Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstandes zu unterstützen und zu beschleunigen.

22 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen, denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, es macht Sinn, wenn die osteuropäischen Staaten langsam, aber zielgerichtet an westeuropäische Standards herangeführt werden, es macht Sinn, daß die Wohlstandsgrenze zwischen Ost und West nicht auf ewig fixiert wird, und es macht Sinn, wenn dadurch den Menschen in Osteuropa eine Perspektive für die Zukunft in ihren Ländern gegeben wird, weil dadurch auch der Migrationsdruck nachläßt. Daher halte ich all diese Bemühungen der Union für so wesentlich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Dr. Gredler.)

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mißt man für den Zeitraum vom Jahre 2000 bis zum Jahre 2006 die Ersparnis für Österreich – gemessen an der Nettozahlerposition des Jahres 1999, nämlich 0,43 Prozent des BSP –, so beträgt die Einsparung für den gesamten Zeitraum 13,6 Milliarden Schilling. Die jährliche Ersparnis wird bis zum Jahr 2006, dem Jahr, in dem dies voll in Kraft tritt, auf 4 Milliarden Schilling jährlich, also für das Jahr 2006 und natürlich in weiterer Folge, anwachsen.

Gegenüber dem Vorschlag der Kommission – und das ist noch viel entscheidender –, also gegenüber der ursprünglichen Einstiegsdiskussion, beträgt die Ersparnis Österreichs in diesem Zeitraum sogar 17 Milliarden Schilling.

Die Ursache für die verbesserte Nettozahlerposition liegt nicht nur in den von mir bereits angesprochenen Veränderungen des Fonds, wo wir, glaube ich, aufgrund geschickter Verhandlung durchaus auf Verständnis für die Notwendigkeiten unserer Republik gestoßen sind, sondern auch und vor allem bei anderen Faktoren.

Die Stabilisierung der EU-Ausgaben führt nämlich zu einer Entkoppelung der Budgetentwicklung von der Entwicklung des EU-BSP. Die Umstellung bei den Beitragszahlungen Österreichs an die Europäische Union von der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage zur BSP-Komponente entlastet Österreich etwa um 700 Millionen Schilling im Jahr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Besonders hervorzuheben ist, daß Österreich seinen Anteil an der Mitfinanzierung des britischen Rabattes auf ein Viertel reduzieren konnte, was mit dem Jahr 2002 in Kraft tritt. Dies bringt eine Entlastung von jährlich 1,3 Milliarden Schilling. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Auch innerhalb der Nettozahler, meine sehr verehrten Damen und Herren, braucht Österreich keinen Vergleich zu scheuen. In keinem der Nettozahlerländer beträgt die Reduzierung der Beitragsleistungen ein Viertel, wie dies bei der Nettoposition Österreichs klar zum Ausdruck kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So wichtig Zahlen und finanzielle Erfolge für den Staatshaushalt auch sind, so sollten wir, glaube ich, doch die Idee Europa nicht aus den Augen verlieren. Europa hat in den vergangenen vier Jahrzehnten beeindruckende Schritte der Integration und der Zusammenarbeit gesetzt. Europa ist eigentlich eine Philosophie, und aus einem Kontinent, von dem bis zur Mitte dieses Jahrhunderts zwei Weltkriege ausgingen, ist zumindest in einem Teilbereich ein geeinter, ein starker, ein stabiler Wirtschaftsraum geworden, der seinen Menschen Wohlstand und Frieden beschert.

Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, in der diese Veränderungen Europas mit raschen Schritten voranschreiten. Wir haben das Ende der Teilung in Blöcke erlebt, wir erleben eben die Schaffung einer gemeinsamen Währung, und wir bereiten uns darauf vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, neue Länder, die für den Beitritt gerüstet sind, aufzunehmen.

Die dramatischen Ereignisse im Kosovo aber zeigen, daß noch viel zu tun bleibt. Menschenrechtsverletzungen in Europa können und dürfen wir nicht dulden, und Diktaturen haben auf unserem Kontinent keinen Platz.

Sosehr ich mich als Finanzminister der Republik Österreich über das finanzielle Ergebnis der Agenda 2000 freue, noch wichtiger erscheint mir, daß die Europäische Union auch durch die Agenda-Beschlüsse von Berlin bewiesen hat, daß sie handlungswillig und handlungsfähig ist und daß sie dazu entschlossen ist, unseren Kontinent auch in Zukunft auf einen guten Weg zu führen. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, für Ihre Ausführungen.

Nunmehr erteile ich dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zur Abgabe einer Erklärung das Wort. – Bitte.

11.21

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wesentlicher Eckpunkt und zentraler Bestandteil der Agenda 2000 war und ist die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Es ist teilweise sogar das Faktum eingetreten, daß die Reform der Agrarpolitik synonym gesetzt wurde mit Agenda 2000. Daran mögen Sie die Bedeutung der Reform dieses wichtigen Wirtschaftssektors ermessen.

Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ist in Europa und in Österreich emotionell und politisch diskutiert worden. Das ist kein Wunder, handelt es sich doch um die Grundlage der zukünftigen Entwicklung für die nächsten sieben Jahre eines ganzen Wirtschaftssektors, sogar, meine Damen und Herren, noch mehr, nämlich eines Sektors, der für unsere Lebensgrundlagen, für unsere Lebensmittel und für unseren Lebensraum, verantwortlich ist.

Die grundlegende Zielorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union ist das europäische Modell der Landwirtschaft, jenes europäische Modell der Landwirtschaft, das die Agrarminister im November 1997 einstimmig beschlossen haben und das von den Staats- und Regierungschefs ebenso einstimmig übernommen wurde.

Wir wollen eine multifunktionelle Landwirtschaft, das heißt, eine Landwirtschaft, die in der Lage ist, alle Funktionen zu erfüllen, die die Gesellschaft von ihr verlangt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das bedeutet nicht nur die Verpflichtung zur Produktion hochwertiger Nahrungs- und Lebensmittel, sondern selbstverständlich auch die Erfüllung aller anderen Funktionen: der sozialen, der regionalen, der ökologischen Funktion, um nur einige zu erwähnen.

Wir wollen zweitens in Europa und damit selbstverständlich auch in Österreich eine flächendeckende Bewirtschaftung unseres Landes, das heißt, eine Bewirtschaftung und damit auch die Aufgabe der Pflege beispielsweise der Landschaft in allen Regionen, auch in den benachteiligten Gebieten. Für Österreich sind dabei selbstverständlich die Bergregionen von besonderer Bedeutung.

Meine Damen und Herren! Wir wollen drittens eine nachhaltige Landwirtschaft, das heißt, eine Landwirtschaft, die auf Dauer in der Lage ist, ihre Funktionen zu erfüllen, und damit eine Landwirtschaft, die in Achtung vor den Gesetzen der Natur wirtschaften kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen darüber hinaus eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft, die in der Lage ist, auf dem Markt zu bestehen, die in der Lage ist, faire Bedingungen auf dem Markt bewältigen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Bekanntlich waren der Vorschlag respektive die Detailvorschläge der Kommission die Verhandlungsgrundlage für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Rahmen der Agenda 2000. Diese Reformvorschläge zielten darauf ab, daß die Gemeinsame Agrarpolitik in Zukunft auf zwei Säulen gestellt ist, auf zwei Säulen ruht: einerseits auf den klassischen Instrumenten der Gemeinsamen Agrarpolitik wie etwa den Marktordnungen, den Interventionsregeln, andererseits aber auf der neuen Säule, nämlich der integrierten Politik für den ländlichen Raum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat von vornherein eine sehr klare Bewertung dieser Vorschläge vorgenommen: Erstens hat Österreich begrüßt, daß die neue Politik für die integrierte ländliche Entwicklung als zweite Säule etabliert und ausgebaut wird, und zweitens hat Österreich zu den Marktordnungsvorschlägen eine sehr differenzierte Position eingenommen und klargemacht, daß diese Vorschläge nicht den österreichischen Vorstellungen entsprechen, sondern verbessert werden müssen. Diese klare Positionierung ist Ursache des erreichten Ergebnisses und letztendlich auch Grundlage des Erreichten und der Erfolge, die im Zusammenhang mit den Verhandlungen erzielt werden konnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft hat einen wesentlichen Beitrag zur Beschlußfassung der Agenda 2000 im Zusammenhang mit der Land- und Forstwirtschaft, aber auch weit darüber hinaus geleistet. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur zwei Aspekte erwähnen: Österreich hat durch seine Arbeit in der EU-Ratspräsidentschaft de facto die ländliche Entwicklung außer Streit gestellt. (Abg. Dr. Gredler: Na bitte! Was haben die Bauern in Brüssel gemacht? Sind sie dort spazierengegangen?) Der Informelle Agrarministerrat in St. Wolfgang hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß alle Landwirtschaftsminister der Europäischen Union von der Bedeutung der ländlichen Entwicklung überzeugt werden konnten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dadurch, meine Damen und Herren, daß die Weinmarktordnung während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft verhandlungs- und entscheidungsfähig gemacht wurde, haben wir zum Gesamtergebnis auch im Marktordnungsbereich wesentlich beigetragen.

Die Verhandlungszielsetzung Österreichs war daher von vornherein klar: erstens die ländliche Entwicklung als zweite Säule außer Streit zu stellen, zweitens die Marktordnungsvorschläge verträglicher zu gestalten, drittens österreichspezifische Anliegen durchzusetzen. Diese klare Verhandlungskonzeption, meine Damen und Herren, haben wir auch umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Landwirtschaftsminister im Agrarministerrat haben mit ihrer Beschlußfassung Anfang März einen Eckpunkt, einen wesentlichen Baustein des Gesamtergebnisses, das der Gipfel in Berlin erzielt hat, gebracht. Die Landwirtschaftsminister der Europäischen Union waren sich mit ihren Reformbeschlüssen durchaus auch der finanziellen Verantwortung bewußt, und das nun vorliegende Ergebnis auch im Bereich der Landwirtschaft ist ein wesentlicher Beitrag, um das Konzept der realen Stabilisierung, von dem Kollege Edlinger als einem wichtigen Element aus der Sicht Österreichs gesprochen hat, auch umsetzen zu können.

Was sind nun die Ergebnisse? Was ist wichtig für Österreich?

Erstens: die Ergebnisse betreffend die ländliche Entwicklung. Diese zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, meine Damen und Herren, ermöglicht uns eine Verbesserung im Bereich der Förderung der benachteiligten Gebiete. Wir können ab dem Jahr 2000 den Sockelbetrag für die kleinen Betriebe in den Berggebieten umsetzen.

Zweitens: Die ländliche Entwicklung ermöglicht uns den Ausbau der Umweltförderung. Wir können damit das ÖPUL 2000 verbessern und einen Beitrag für die ökologische Entwicklung Österreichs leisten. Wir werden die Investitionsförderung im Interesse der bäuerlichen Betriebe und deren Wettbewerbsfähigkeit verbessern und die Diskriminierung der Nebenerwerbsbauern beseitigen können. Wir können die forstliche Förderung auch im Interesse der Entwicklung des Waldlandes Österreich ausbauen. Der Sektorplan gibt uns auch in Zukunft die Möglichkeit, zur Wettbewerbsfähigkeit der Verarbeitungswirtschaft beizutragen.

Die integrierte ländliche Entwicklung ist ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung der Wirtschaftskraft der ländlichen Räume, meine Damen und Herren, und wird uns nun die Möglichkeit geben, noch mehr als bisher etwa die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Gewerbe, die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Tourismus, die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Gastronomie auszubauen – im Sinne der gemeinsamen Stärke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im Bereich der Milchmarktordnung ist es uns gelungen – das war ein zentrales Verhandlungsziel –, die Milchquote zumindest bis zum Jahr 2006 zu verlängern. Die Reform der Milchmarktordnung beginnt nicht, wie ursprünglich vorgesehen, im Jahre 2000, sondern erst im Jahre 2005. Ab diesem Zeitpunkt gibt es auch einen neuen Einkommensausgleich für unsere Milchbauern.

Die Quotenaufstockung erfolgt ab dem Jahre 2005 in allen EU-Ländern linear um 1,5 Prozent. Bereits ab dem Jahre 2000 beginnen spezifische Quotenaufstockungen in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Österreich ist es gelungen, 150 000 Tonnen nicht ausgeschöpfte Milchquote in ein Lieferrecht umzuwandeln und damit den Bauern im Milchbereich Perspektiven anzubieten, etwa durch den Erfolg, daß nun in den Berggebieten die Milchkühe auch extensivierungsfähig gemacht werden, das bedeutet, daß damit ein Beitrag zur Einkommensstabilisierung geleistet wurde.

Hiezu ein offenes Wort, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die nun in Österreich laufende Diskussion über die Erzeugermilchpreise ist aus meiner Sicht nicht verständlich, und ich stelle klar, daß die Agenda 2000-Ergebnisse keineswegs einen Anlaß für einen Druck des Lebensmittelhandels auf die Erzeugerpreise bilden. Ich fordere daher dazu auf, daß sowohl die österreichische Milchwirtschaft als auch der österreichische Lebensmittelhandel im Interesse einer Einkommensstabilisierung Vernunft walten lassen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Im Bereich der Rinder, meine Damen und Herren, wird der Interventionspreis nicht, wie vorgesehen, um 30, sondern um 20 Prozent gesenkt. (Abg. Aumayr: "Gratuliere"!) Es wird auch in Zukunft ein Interventionssystem geben. Die Prämienrechte sind für Österreich ungekürzt erhalten. Die Prämien zum Einkommensausgleich werden aufgestockt, und es gibt spezifisch österreichische Regelungen wie etwa jene für die Kalbinnenaufzucht, die gerade in den Bergregionen Westösterreichs von unverzichtbarer Bedeutung ist.

Im Bereich Ackerkulturen werden die Interventionspreise nicht, wie geplant, um 20, sondern um 15 Prozent gekürzt. Die Flächenstillegung als mengensteuerndes Instrument bleibt erhalten. Es kommt zu einer einheitlichen Ackerkulturenprämie, nur für Hartweizen, Eiweißpflanzen und Stärkekartoffeln wird es spezifische Zuschlagsregelungen geben.

Ich sage auch sehr offen, daß im Bereich der Ackerkulturen eine Regelung für die nachwachsenden Rohstoffe noch nicht erreicht ist. Diese bleibt selbstverständlich nach wie vor agrarpolitisches Ziel, da ich in der Entwicklung der nachwachsenden Rohstoffe und Energieträger eine Schlüsselfrage für die zukünftige Strategie sehe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Weinmarktordnung, meine Damen und Herren, bietet die Grundlage für eine weitere positive Entwicklung der österreichischen Weinwirtschaft. Die Qualitätsorientierung bleibt unverrückt erhalten. Die Mengenregelung im Qualitätsweinbereich können wir auch in Zukunft aufrechterhalten, genauso etwa auch unsere nationalen Regelungen im Bereich der Definition von Qualitätswein.

Die Umstrukturierung der Weinproduktion wird mit Mitteln der Europäischen Union unterstützt. Wichtig ist, daß wir unsere önologischen Verfahren in der für Österreich so wichtigen Tradition und Qualität erhalten können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Agenda 2000 und die Reform der Agrarpolitik geben den österreichischen Landwirten Sicherheit und Perspektiven für die nächsten Jahre. (Zwischenruf der Abg. Aumayr.) Die ländliche Entwicklung bietet uns Chancen, die wir zu nutzen haben. Die Marktordnungsvorschläge wurden verträglicher gemacht, es sind aber noch größere Anstrengungen erforderlich, um die Marktposition der Bauern zu verbessern.

Die mengensteuernden Elemente sind durch die Milchquote und die Flächenstillegung erhalten geblieben. Die Instrumente des Einkommensausgleichs wurden verbessert. Und wichtig ist vor allem folgendes, meine Damen und Herren – das ist ein wichtiger österreichischer Erfolg –: Österreich konnte durch seine sehr klare und konsequente Haltung ein aus meiner Sicht völlig falsches politisches Signal in Europa verhindern: Die zeitliche Degression der Marktordnungsprämien findet nicht statt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist damit klar, daß diese Perspektive, die bis kurz vor Schluß der Verhandlungen von einigen Mitgliedstaaten verlangt wurde, vom Tisch ist! (Abg. Aumayr: Aber im Kommissionspapier ist es gestanden, Herr Minister!)

Meine Damen und Herren! Die Agenda 2000 ist auch eine wichtige Perspektive für die zukünftige Strategie der Europäischen Union. Ich möchte vor allem auf die in wenigen Monaten beginnenden Verhandlungen in der WTO hinweisen. Die WTO-Verhandlungen sind für die europäische Wirtschaft und selbstverständlich auch für die europäische Landwirtschaft von mindestens so großer Bedeutung wie die Verhandlungen um die Agenda 2000 und die Verhandlungen der Agrarreform. Es ist in Berlin außer Streit und klargestellt worden, daß die Ergebnisse der Agenda 2000 Grundlage für die Verhandlungen der Europäischen Union in der WTO sind. Die europäischen Positionierungen für die WTO-Verhandlungen sind in der Agenda 2000 grundgelegt.

Diese Verhandlungspositionen in der WTO betreffen selbstverständlich die Absicherung der ländlichen Entwicklung und der darin vorgesehenen wichtigen Perspektiven gerade für die bäuerliche Landwirtschaft und auch die gemeinsamen Marktorganisationen in der reformierten Form. Und wir haben wichtige Elemente dieser Gemeinsamen Agrarpolitik, wie etwa die Marktordnungszahlungen, durch ihre stärkere Umweltrelevanz zu einem höheren Maß an WTO-Kompatibilität geführt. Wir haben damit aus meiner Sicht eine gute Grundlage für die gemeinsame Position Europas in den WTO-Verhandlungen gelegt.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie angesichts der bevorstehenden WTO-Verhandlungen, die gemeinsame Haltung, die Österreich bei der Agenda 2000 und bei der Agrarreform zur Schau getragen hat und die Grundlage des Erfolges war, auch bei diesen WTO-Verhandlungen einzunehmen. Es geht nicht um die Zukunft der Landwirtschaft allein, sondern es geht um die Zukunft vieler Wirtschaftssektoren, vor allem aber geht es um die Zukunft unserer Lebensgrundlagen, um die Lebensmittel und um den Lebensraum. (Abg. Aumayr: Um die Industrie! Da werden die Bauern geopfert, Herr Minister! – Abg. Tichy-Schreder: Frau Kollegin! Sie sind so fern jeder Realität!)

Hohes Haus! Die Europäische Union hat mit dem Beschluß der gemeinsamen Agrarpolitik und deren Reform auf Basis des europäischen Modells, mit dem Beschluß der Reform der Strukturfonds, mit dem Beschluß über die Finanzierung der Europäischen Union eine entscheidende Grundlage für ihre zukünftige Entwicklung gelegt. Die Europäische Union kann und darf sich aber nicht auf diesen inneren Erfolgen ausruhen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Agenda 2000 und deren Ergebnisse sind aus meiner Sicht daher eine Verpflichtung der Europäischen Union, noch mehr als bisher auf ihre Stabilitätsrolle im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Sinn zu pochen und diese Verantwortung gerade in einer Phase ernst zu nehmen, in der auf diesem unseren Kontinent wieder Menschen getötet und vertrieben werden.

Ich sehe daher in der Agenda 2000 die Verpflichtung zur weiteren politischen Initiative Europas und bitte, die Agenda 2000 nicht als Detailreform mit Schilling-, Euro- oder Prozentsätzen zu sehen, sondern als wesentlichen Baustein zum weiteren Ausbau des politischen Sicherheits- und Friedenskonzeptes Europas. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft für seine Ausführungen.

Meine Damen und Herren! Wie bereits angekündigt, werden die Punkte 1 bis 10 gemeinsam verhandelt. Da auf eine mündliche Berichterstattung über die Punkte 2 bis 10 verzichtet wurde, gehen wir sofort in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Mag. Trattner das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.40

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Herr Finanzminister, es kommt mir so vor, als debattierten wir heute über zwei verschiedene Berichte. Wollten Sie über das Ergebnis des Europäischen Rates von Berlin berichten oder über eine andere Sitzung? – Denn der schriftliche Bericht enthält zum Teil etwas ganz anderes, als Sie heute hier in Ihrer Rede gesagt haben. Eines ist schon klar: Man kann einen Bericht nicht nur in Lobesformeln bringen, sondern man muß ihn auch sachlich bringen und sagen können ... (Abg. Dr. Nowotny: Das war ja sachlich!) – Herr Kollege Nowotny, Sie können sich ja zu Wort melden (Abg. Dr. Nowotny: Das habe ich mich auch!), aber lesen Sie zuerst einmal den Bericht, in welchem ganz andere Dinge stehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht darum – und das ist auch uns bewußt –, daß es bei Verhandlungen keine Einbahn gibt, daß man nicht nur fordern und sagen kann: Wenn das nicht so gemacht wird, dann brechen wir die Verhandlungen ab und stehen vom Tisch auf!, sondern daß es auch Kompromisse geben muß. Aber dann, Herr Finanzminister, muß man auch hier im Hohen Haus darüber berichten, daß die Verhandlungen in einer bestimmten Richtung schwierig waren und daß man diese und jene Erfolge hat herausholen können, in anderen Dingen aber auch hat nachgeben müssen, was zur Belastung der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler führen wird. Diese Ehrlichkeit muß man an den Tag legen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Es kommt mir so vor wie damals beim EU-Beitritt Österreichs, als Sie – nicht Sie persönlich, sondern Ihre Vorgänger – der Bevölkerung sagten: Den EU-Beitritt brauchen wir unbedingt, denn er sichert unseren sozialen Wohlstand (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler), er sichert die Pensionen, er sichert die Anonymität der Sparguthaben, und die Finanzierung ist überhaupt kein Problem, da wir ein zusätzliches Wirtschaftswachstum erreichen werden. Wir werden 30 Milliarden Schilling in die EU einzahlen, 18 Milliarden Schilling bekommen wir wieder zurück, und die Differenz von 12 Milliarden Schilling bekommen wir durch die Steuermehreinnahmen aufgrund des erhöhten Wirtschaftswachstums herein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mühlbachler: Ist alles eingetreten! – Weitere Zwischenrufe.) – Das hat die Bundesregierung hier gesagt!

Sie wissen ganz genau – Sie verfolgen ja die Umfragen –, daß die Bevölkerung mittlerweile der Freiheitlichen Partei und ihrer Argumentation mehr Glauben schenkt als Ihnen. Laut den letzten Umfragen liegt die FPÖ bei den Europawahlen bereits bei 30 Prozent der Stimmen und wird damit wahrscheinlich stimmenstärkste Partei werden. Das ist eine völlig klare Aussage! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler.)

Jetzt wollen Sie es so darstellen, als wären Sie die großen Erfinder der Quadratur des Kreises: Alle zahlen weniger, und alle kriegen mehr! – Genau so schaut das aus.

Wir feiern es jetzt als riesengroßen Erfolg, daß wir bis zum Jahre 2006 aus der Grenzlandförderung 4,8 Milliarden Schilling mehr bekommen – das ist ja schön! (Abg. Mag. Mühlbachler: Sicher!) –, aber Sie verschweigen, daß das im Grunde genommen nur ein kleiner Betrag ist. Denn wieviel haben sich denn die anderen herausgeholt? – Die Lissaboner Region: 6,8 Milliarden Schilling, das Peace-Programm Nordirland: 6,8 Milliarden Schilling (Bundesminister Edlinger: 5!), Irland – eine Sonderauslaufregelung –: 1,4 Milliarden Schilling, in den Niederlanden, Ziel-3-Gebiet ... (Abg. Tichy-Schreder: Sie wollen Österreich mit Portugal vergleichen?!) – Warten Sie! Sie können dann herausgehen und hier sprechen, aber lesen Sie zuerst den Bericht, denn ich glaube, daß Sie gar nicht wissen, was darin steht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Das wissen nur Sie! Diese Überheblichkeit haben nur Sie!) Sie können mich hier berichtigen, aber lesen Sie zuerst einmal den Bericht, denn sonst wissen Sie gar nicht, was drinsteht. (Abg. Dr. Stummvoll: Arroganz kann man nicht berichtigen, Herr Kollege!)

Holland: 6,8 Milliarden Schilling, als Ziel-3-Gebiet – (Zwischenbemerkung des Bundesministers Edlinger.) – 4,8 Milliarden Schilling! –, die Schweden holen sich noch 2 Milliarden Schilling heraus (Bundesminister Edlinger: 4,5 Milliarden!), Ostberlin 1,4 Milliarden Schilling, Belgien erhält einen zusätzlichen Betrag von 1,3 Milliarden Schilling, Schottland noch einmal für die Hochländer 4 Milliarden Schilling, Griechenland, Portugal, Spanien ... (Bundesminister Edlinger: 4,5 Milliarden! – Weitere Rufe: 4,5!) – Ich kann schon lesen.

Griechenland, Portugal, Spanien, Irland erhalten Beträge in der Größenordnung zwischen 6,9 Milliarden Schilling und 2,7 Milliarden Schilling, und dann gibt es für die Niederlande noch einmal 7,5 Milliarden Schilling für eine Grenzlandförderung. Ich weiß nicht, wofür die eine Grenzlandförderung brauchen. Eine Grenzlandförderung braucht Österreich – dafür haben wir 4,8 Milliarden Schilling bekommen und sonst gar nichts –, aber nicht die Holländer! (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Daher muß man das Ganze jetzt relativieren.

Sie haben hier überhaupt kein Wort über den Kohäsionsfonds verloren – in genauer Kenntnis der Tatsache, wofür der Kohäsionsfonds eigentlich eingerichtet wurde. Der Kohäsionsfonds wurde damals eingerichtet, um die volkswirtschaftlich schwachen Länder wie Portugal, Spanien, Irland und Griechenland an eine volkswirtschaftliche Gebarung heranzuführen, wie sie die Staaten Österreich, Deutschland und so weiter haben. Jetzt sind drei dieser vier "Kohäsions-Länder" bereits im Euro-Land. Sie haben es riesengroß gefeiert, daß man dort jetzt die Stabilitätskriterien erreicht und an der gemeinsamen Währung teilnehmen kann und daß keine Gefahr für die Stabilität des Euro besteht! Und jetzt stimmen Sie zu, daß dieser Kohäsionsfonds noch einmal um weitere 3 Milliarden Euro aufgestockt wird, auf insgesamt 18 Milliarden, obwohl von diesen vier Ländern nur mehr eines noch nicht im Euro-Land ist, nämlich Griechenland!

Wofür ist denn diese Aufstockung um diese 3 Milliarden, wenn Sie auf der anderen Seite sagen, daß die Konvergenzkriterien und die volkswirtschaftlichen Kriterien für eine gemeinsame Währung erreicht sind? Sie haben damals bewußt die Unwahrheit gesagt, denn diese Kriterien sind nicht erreicht! (Abg. Dr. Nowotny: Das ist eine Unterstellung! – Weitere Zwischenrufe.) – "Unwahrheit" kann ich sagen.

Diese Kriterien sind nicht erreicht! Man merkt das auch an der Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar, denn der Rückgang des Kurses des Euros seit dessen Einführung ist ja wirklich beträchtlich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Herr Mag. Trattner! Worauf ist das zurückzuführen? – Ein bißchen mehr Zurückhaltung in Ihrer Vorgangsweise! – Weitere Zwischenrufe.)

Sie haben kein Wort verloren darüber, ob bei den Berliner Gesprächen etwas über die 56-Milliarden-Korruption gesprochen wurde. Wer wird jene 56 Milliarden an Korruptionsskandalgeld, die da verschwunden sind, ersetzen? Welche Länder waren daran in erster Linie beteiligt, und werden diese Länder diese Beträge ersetzen? Oder muß Österreich mit seinen Beitragszahlungen auch dafür aufkommen? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: Herr Trattner! Möchten Sie, daß der Euro stärker wird gegenüber dem Dollar? Doppelt so stark? – Abg. Dr. Trinkl: Das versteht er ja nicht!)

Herr Finanzminister! Sie kommen mit dem "großen" Erfolg, der Erneuerung des Eigenmittelbeschlusses, damit, daß wir jetzt weniger Beitragszahlungen leisten werden, nämlich nur noch 1,27 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dazu folgendes: Erstens kommt diese Beitragsermäßigung erst im Jahr 2002 zum Tragen – das muß man einmal deutlich sagen –, und zweitens (Zwischenbemerkung von Bundesminister Edlinger), Herr Finanzminister, ist die Frage zu stellen: Was ist, wenn bis zum Jahr 2002 ein Beitrittskandidat aus Osteuropa in die EU kommt? – Dann werden nämlich diese Beitragszahlungen – seien Sie doch so ehrlich und geben Sie das zu! – revidiert.

Und ich erwarte mir von Ihnen heute auch – meine Redezeit ist leider schon zu Ende –, daß Sie hier auch eine dezidierte Stellungnahme zur Eurosteuer abgeben. Die Freiheitlichen waren diejenigen, die im Parlament den Antrag auf Einführung einer Eurosteuer abgelehnt haben – die Volkspartei hat dem Antrag zugestimmt, die SPÖ hat dem Antrag zugestimmt, das Liberale Forum hat dem Antrag zugestimmt. Sie haben die Bevölkerung mit drei Belastungspaketen belastet, damit wir die Konvergenzkriterien erreichen, und jetzt überlegen Sie eine Eurosteuer, indem Sie ein viertes Belastungspaket überlegen, welches für die österreichische Bevölkerung und für das Wirtschaftswachstum unzumutbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Soviel Nonsens, wie Sie hier gesagt haben! – Abg. Aumayr: Berichtigen Sie es! – Abg. Dr. Puttinger: Arroganz kann man nicht berichtigen!)

11.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 10 Minuten. – Bitte.

11.48

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Hohes Haus! Von der FPÖ sind wir es gewöhnt, daß sie alles schlechtmacht, was in Österreich ist, gleichzeitig aber macht sie sich Sorgen um die anonymen Sparguthaben, obwohl nach ihren Aussagen schon alle Österreicher unter der Armutsgrenze leben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir brauchen in Österreich mehr Mutmacher als Miesmacher, meine sehr geschätzten Damen und Herren von der FPÖ! (Anhaltende Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich bitte, bei den Zwischenrufen etwas zurückhaltender zu sein. – Bitte fortzusetzen, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (fortsetzend): Ziel der österreichischen Agrarpolitik ist auch nach dem Agenda 2000-Beschluß eine flächendeckende nachhaltige mulitfunktionelle Landwirtschaft. (Abg. Aumayr: Immer diese Stehsätze!)

Der Beschluß der Agenda 2000 bedeutet für die europäischen Bauern, daß die Exportstützungen für Rindfleisch, Getreide und ab 2005 auch für Butter und Magermilchpulver reduziert werden, dafür aber Flächenprämien und Tierprämien erhöht werden. Das Konzept funktioniert so, daß die bei den Interventionskosten und bei den Exportstützungen eingesparten Mittel direkt an die Bauern ausbezahlt werden, was heißt, daß die Flächen- und Tierprämien daher in den nächsten Jahren steigen werden. (Abg. Wenitsch: Herr Kollege! Werden Sie den Schaden für die Bauern zu 100 Prozent kompensieren?) – Hören Sie sich meine Ausführungen an, dann werden Sie die Perspektiven erfahren! (Abg. Aumayr: Das ist schwierig!)

Der Beschluß der Agenda 2000 bedeutet für die europäischen Bauern – ich habe das schon erwähnt –, eine Umschichtung in diesem Bereich, auch erzwungen von den Welthandelsabkommen (Abg. Aumayr: Einkommensverluste um 50 Prozent bedeutet das für die Bauern!), auch von den bereits bestehenden GATT-Abkommen.

Frau Abgeordnete Aumayr! In Österreich wird Rindfleisch in einer Größenordnung von etwa 140 Prozent des österreichischen Bedarfs produziert. Wir sind auf Exporte angewiesen. (Abg. Aumayr: Aber wir importieren aus Polen!) Wir produzieren Milchprodukte in der Höhe von etwa 125 Prozent des österreichischen Bedarfs. Auch in diesem Bereich sind wir auf Exporte angewiesen! (Abg. Aumayr: Aus diesem Grund erhöhen wir die Quote!) Und wir produzieren auch Getreide in der Höhe von 120 Prozent des österreichischen Bedarfs.

Ich muß dazusagen: Seit dem Jahre 1995 ist die Milchproduktion bei einer gleichbleibenden Kuhzahl in Österreich um 10 Prozent gestiegen. Vor dem EU-Beitritt hätten wir diese 10 Prozent nirgendwohin liefern können, weil wir keinen Markt dafür gehabt hätten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Aumayr: Welchen Preis haben die Bauern?)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir befürchten allerdings, daß durch die Senkungen der Interventionspreise und der Exportstützungen logischerweise auch die Marktpreise sinken werden. (Abg. Dr. Trinkl: Das weiß der Verpächter nicht mehr!) Dazu kommt noch, daß wir in Österreich wesentlich höhere Tierschutz- und Umweltstandards haben. Wir stehen dazu, aber wir können dann mit den Weltmarktpreisen nicht konkurrieren, weil man woanders diese Standards nicht einzuhalten hat.

Noch dazu haben wir in Österreich wesentlich kleinere Agrarstrukturen, als sie unsere Mitkonkurrenten haben. Laut den Umfragen wünscht die österreichische Bevölkerung, daß diese klein- und mittelbäuerliche Agrarstruktur auch in Zukunft aufrechterhalten wird. (Abg. Aumayr: Aber Sie ruinieren sie mit Ihrer Politik!) Das ist aber sicher ein Wettbewerbsnachteil auf dem europäischen Binnenmarkt.

Nach einer Wifo-Studie sind rund 660 000 Menschen oder 20 Prozent aller Beschäftigten Österreichs in der Landwirtschaft und im vor- und nachgelagerten Bereich beschäftigt. Daher sind nach dem Abschluß der Agenda 2000-Verhandlungen auch österreichische Antworten auf die Agenda 2000 notwendig. (Abg. Aumayr: Nationale Maßnahmen!)

Frau Abgeordnete Aumayr! Sie haben sich selbst zu Wort gemeldet, daher bringe ich ein altes bäuerliches Sprichwort, nämlich: Wer überall seinen Senf dazugibt, kommt in den Verdacht, ein Würstl zu sein! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Aumayr.)

Insbesondere die zweite Säule der europäischen Agrarpolitik, die ländliche Entwicklung, bietet uns eine Reihe von neuen Möglichkeiten, etwa: Die Umweltförderung kann gestärkt und langfristig abgesichert werden. Wir haben mit ÖPUL 2000 ein Programm, das den Bauern noch wesentlich bessere Umweltförderungen anbietet, auch vom Finanziellen her, und daher finanziell aufgestockt werden muß. Deshalb auch meine Bitte an den Finanzminister, einen Teil der eingesparten Beiträge an die Europäische Union zusätzlich für die österreichischen Bauern auf nationaler Ebene zur Verfügung zu stellen.

Wir haben die Möglichkeit, im integrierten ländlichen Programm eine Sockelförderung für Bergbauern einzuführen. Österreich wird wahrscheinlich das einzige der 15 Mitgliedsländer der EU sein, das diesen Sockelbetrag einführt. Wir wollen damit die kleinstrukturierte bäuerliche Landwirtschaft in Österreich unterstützen. Nur dadurch ist es möglich, daß auch unsere Alpentäler funktionsfähig bleiben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben nun auch die Möglichkeit, die Investitionsförderung – Minister Molterer hat das bereits erwähnt – auch für die Nebenerwerbsbauern zu gewähren. In dieser Hinsicht besteht also kein Unterschied mehr zwischen Vollerwerbsbetrieben und Nebenerwerbsbetrieben. Beide Formen der landwirtschaftlichen Betriebe können von der Investitionsförderung profitieren.

Es ist erstmals in einem EU-Programm enthalten, daß auch der forstwirtschaftliche Bereich, etwa die Umwandlung von minderwertigen Waldflächen, Durchforstung unrentabler Waldflächen, von der Europäischen Union unterstützt werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist hier noch ein Bereich anzusprechen: Es haben die nachwachsenden Rohstoffe für Österreich enorme Bedeutung. Österreich ist jenes Land Mitteleuropas, das den höchsten Waldanteil hat. Es gibt eine Menge an Durchforstungsrückständen, und es gibt auch sehr viel Holzzuwachs, der derzeit nicht genutzt wird. Dies bedeutet nicht nur eine mögliche Einkommensschöpfung für die Bauern und Forstwirte, sondern auch, daß in diesem Bereich sehr viele Arbeitsplätze in Österreich geschaffen werden könnten. Wenn in Österreich der gesamte Holzzuwachs – darüber gibt es eine Studie des Sozialministeriums – genutzt werden könnte, entstünden etwa bis zu 40 000 zusätzliche Arbeitsplätze, vor allem im Bereich der erneuerbaren Energie. (Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Besonders positiv ist, daß Maßnahmen, die bisher auf Programme für Ziel-5b-Gebiete beschränkt waren, nun flächendeckend im ländlichen Raum möglich sein werden.

Ich stehe nicht an, Minister Molterer für seinen Einsatz bei den Verhandlungen zu danken. Kein Geringerer als der deutsche Bauernverbandspräsident hat in der vergangenen Woche bei einer Großveranstaltung in Oberösterreich erklärt, er könne den Österreichern gratulieren, denn kein anderer Minister hätte sich mit soviel Engagement für die Sache der jeweiligen Bauern eingesetzt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler.)

Es ist gelungen, die lineare Degression zu verhindern. Ein Großteil der europäischen Länder wollte sie haben. Österreich hat dem die Größendegression gegenübergestellt, aber leider hat der Großteil der europäischen sozialdemokratischen Regierungen die Größendegression abgelehnt.

Spezifisch österreichische Maßnahmen sind etwa, wie schon erwähnt, der Sockelbetrag für die Bergbauern und die Kalbinnenprämie – das wird nur in Österreich angeboten werden –, aber auch die Extensivierungsprämie für Milchkühe im Berggebiet. Und auch die Umwandlung von 150 000 Tonnen nicht ausgenützter D-Quote in A-Quote ist ein Vorteil für die österreichischen Bauern, weil sie im letzten Wirtschaftsjahr die österreichische Quote um nahezu 100 000 Tonnen überliefert haben und somit "Superabgabe" zahlen mußten.

Mit dieser österreichischen Antwort auf die Agenda 2000 will die Österreichische Volkspartei den österreichischen Bauern und den Menschen in den ländlichen Regionen die notwendige Unterstützung für die Bewältigung der neuen wirtschaftlichen Herausforderungen geben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kiermaier.)

11.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

11.58

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister Edlinger! Herr Bundesminister Molterer! Ich freue mich, daß wir – sehr verzögert, aber doch – Gelegenheit haben, über die Agenda 2000 hier im Plenum zu sprechen.

Ich möchte die Ausführungen meines Kollegen Trattner korrigieren in bezug auf den Kohäsionsfonds: In denselben Schlußfolgerungen, aus denen Sie zitiert haben, Kollege Trattner, steht, daß der Kohäsionsfonds in den Jahren 2000 bis 2003 mit 2 615 Millionen dotiert ist, und ab dem Jahr 2004 degressiv nach unten. – Das kann man nachlesen.

Sie haben gesagt, daß die Höhe des Kohäsionsfonds gleich bleibt und daß man das hätte berichtigen können. (Abg. Mag. Trattner: Um 3 Millionen Euro aufgestockt wird! Das steht im Bericht! – Sind Sie die Verteidigerin der Regierung?) Seine Höhe ist in diesem Papier degressiv ausgewiesen. Aber nichtsdestotrotz sehe ich auch die Handlungsmöglichkeit, die Sie analysiert haben, teilweise gegeben.

Ich wollte zu einigen Punkten Stellung nehmen, und zwar zu den Äußerungen beider Minister.

Herr Minister Molterer! Sie haben gesagt, daß die Landwirtschaftsminister versucht hätten, das Kapitel Landwirtschaft außer Streit zu stellen. Ich möchte Sie daran erinnern, daß nach der Einigung der Landwirtschaftsminister eine Nachverhandlung der Finanzminister notwendig war, weil die Ausgaben wesentlich höher angesetzt waren, als das, was dann als Ergebnis herausgekommen ist, beziehungsweise als das, was ursprünglich von der Kommission vorgesehen war.

Ich erinnere Sie daran, daß die europäischen Bauern – auch österreichische Bauern waren dabei; einige von ihnen befinden sich sogar derzeit hier im Saal – nach Brüssel gefahren sind, weil sie in den Verhandlungen zur Agenda 2000 eine große Bedrohung gesehen haben. Ich sehe darin kein Außer-Streit-Stehen, wenn sämtliche Bauern mobilisiert werden, damit sie nach Brüssel fahren und dort ihre Ängste zum Ausdruck bringen. Ich halte es für durchaus legitim, zu demonstrieren, aber das ist eben der Ausdruck dafür, daß nichts außer Streit steht, sondern daß man darüber sehr wohl streiten muß. (Abg. Zweytick: Es ist das gute Recht, die Interessen einer Berufsgruppe zu vertreten, wenn es um eine wichtige Verhandlung geht!)

Weiters haben Sie gesagt, die Landwirtschaftsminister wären sich auch ihrer Verantwortung bewußt und so weiter, und es sei ein Erfolg, wenn man die Milchquote bis zum Jahre 2006 ungefähr halten könne. – Also ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich halte das nicht für einen Erfolg. Ich finde, daß das nur eine Problemverschiebung ist.

Die Erweiterung ist in den Papieren, die wir alle kennen, als theoretischer Bestandteil der Europäischen Union ab dem Jahre 2002 angegeben. Das heißt: Wenn wir zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, daß Länder wie Polen der Europäischen Union beitreten , dann muß man sich vor Augen führen, daß in Polen der Wirtschaftssektor Landwirtschaft ein riesiger Bereich ist. Das heißt, daß wir die Probleme, die wir bereits jetzt im "Europa der 15" haben, in einem erweiterten Europa in einem verschärften Ausmaß haben werden.

Daher glaube ich nicht, daß das Verschieben der Milchquotendiskussion auf das Jahr 2006 einen Erfolg darstellt, sondern aus einer Feigheit derjenigen resultiert, die verhandelt haben. Sie vermeiden den Umstieg auf effektive Mechanismen, um die Kleinbauern in ihrem Dasein und ihrem Wirtschaften nicht zu gefährden. Was wir wollen, ist, daß sie eine Einkommensgarantie haben. Was wir wollen, ist, daß die kleinen Strukturen erhalten bleiben, jene Strukturen, die nachhaltig wirtschaften, die eine tiergerechte Haltung als einen wichtigen Faktor ihres Wirtschaftens ansehen.

Das Problem, das wir erkannt haben, ist, daß wir auch degressiv arbeiten müssen, daß die Bauern in benachteiligten Gebieten auf jeden Fall die Aufmerksamkeit der Europäischen Union haben sollten, um in Europa nicht verwaiste Gebiete zu erzeugen. (Abg. Zweytick: Sockelbetrag!) Da bin ich völlig Ihrer Meinung! Aber man muß damit aufhören, das sozusagen an Produkte zu koppeln, die erwirtschaftet werden. (Abg. Zweytick: Aufhören und Grundgehalt einführen! – Abg. Schwemlein: Frischenschlager!)

Was erreicht man dadurch? Was erreicht man eigentlich durch Exportstützungen? – Man erreicht durch Exportstützungen, daß die Weltmarktpreise sinken. Die gesunkenen Weltmarktpreise zerstören in den Entwicklungsländern die dortigen Märkte. Dann kommt die Europäische Union und zahlt wiederum: auf der einen Seite nämlich die Exportstützungen, und auf der anderen Seite muß sie in diesen Ländern Kühlhäuser finanzieren, Düngemittel finanzieren, um die Entwicklungsländer sozusagen zu stützen, damit ihre wirtschaftliche Entwicklung schön langsam voranschreitet.

Das heißt, daß wir uns eigentlich selbst zunichte machen! Wir geben das Geld zweimal aus. Das kann doch nicht der Weisheit letzter Schluß sein, sondern das kann nur der Anstoß dafür sein, darüber nachzudenken, was wir eigentlich wollen.

Was wollen wir bei den WTO-Verhandlungen überhaupt erreichen? Wollen wir durch unsere Exportstützungen die Weltmärkte weiterhin kaputtmachen und diese fern von Europa liegenden Länder immer am Gängelband führen? Oder wollen wir erreichen, daß auch sie schön langsam ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit erlangen?

Ich meine, daß wir diese Exportstützungen nicht in diesem Ausmaß brauchen. Was wir aber brauchen, das sind existenzsichernde Zuweisungen an jene, die es brauchen. Das sind zum Teil die Bauern, das sind benachteiligte Berufsgruppen, das sind alleinerziehende Mütter und viele andere Personen. Es gibt über 18 Millionen Arbeitslose in Europa, und ich glaube, daß sie das gleiche Maß an Aufmerksamkeit erhalten sollten, wie sie die Landwirtschaft bei den letzten Verhandlungen erfahren hat. (Beifall des Abg. Mag. Barmüller.)

Herr Bundesminister Edlinger! In bezug auf die Einsparungen muß ich Ihnen sagen, daß es sich dabei ja zum großen Teil auch um Einsparungen handelt – Sie haben gesagt, das sind Einsparungen bei den Nettozahlungen –, die daraus resultieren, daß die Rücküberweisungen aus Brüssel natürlich in dem Ausmaß, wie sie vorgesehen sind, auch getätigt werden. (Bundesminister Edlinger: Kofinanzierungen!)

Das bedeutet aber – Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund, vielen Dank! –, daß diese Kofinanzierungen auch auf einer effektiven Schiene basieren müssen. Das heißt, daß wir bei jenen Programmen, bei denen wir nicht geschafft haben, jene Gelder herauszuholen, die für Österreich vorgesehen waren, selbstverständlich neu zu verhandeln haben – mit dem Ziel, dort zu reduzieren, wo wir weniger gut sind, und die Beträge in jenen Bereichen zu erhöhen, in welchen wir einfach unser Know-how haben und in welchen es sehr viele interessierte Gruppierungen gibt, die sich an Projekten beteiligen würden.

In diesem Zusammenhang muß ich auch folgendes sagen: Es wäre viel besser, das derzeitige Kofinanzierungssystem auf ein System der Kreditfinanzierung umzustellen, bei dem die Haftungsübernahmen teilweise von der Europäischen Union getätigt werden. Ich meine, daß wir schön langsam davon abkommen sollten, daß wir eigentlich Teile selbst finanzieren. Wir sollten nur das unternehmerische Risiko minimieren.

Wir sollten die Kreativität in Europa fördern, aber wir sollten die Existenz der Unternehmer nicht gefährden. Das ist ein Punkt, bei dem uns die Amerikaner sehr weit voraus sind. In Amerika gehen die Firmen im Schnitt 3,5mal pleite, bis sie zu einem Riesenerfolg kommen und zu der Idee, die sich wirklich durchsetzen kann. Dieses unternehmerische Risiko sollten wir minimieren. Das würde Arbeitsplätze schaffen, und das würde auch junge Leute motivieren, ihren eigenständigen Weg in dieser Welt zu finden.

Ich möchte nun auch einige Anmerkungen bezüglich der Steuerharmonisierung machen. Selbstverständlich befürworten wir einen gewissen Wettbewerb in der Europäischen Union, aber er soll sich nicht so auswirken, daß es zu einem zerstörerischen Wettbewerb in puncto Steuern kommt.

Die Liberalen sind der Meinung, daß eine Steuereinhebung auf europäischer Ebene, und zwar im Bereich der nicht erneuerbaren Energie, vielleicht ein guter Weg ist, zumindest ein Weg, den man profund diskutieren müßte. Eine CO2-Steuer einzuheben, um andere Dinge zu entlasten, das halte ich eigentlich für eine sehr positive Sache.

Eine Mehrwertsteuerharmonisierung – ich höre aus Deutschland, daß es nicht mehr ausgeschlossen ist, daß die Mehrwertsteuer dort erhöht wird; offensichtlich ein Gedanke der neuen Regierung – wäre sicherlich auch ein Weg, um mehr Ausgleich und mehr Fairneß innerhalb der Europäischen Union zu erreichen.

Im Prinzip ist es so: Es ist ein schwieriges Kapitel verhandelt worden, und es sind sicherlich sehr viele Punkte positiv erledigt worden. Das möchte ich gar nicht abstreiten. Nur: Was mir wirklich fehlt und woran ich wirklich sehe, daß es kein Erfolg war, ist, daß keine Aufstockung der Mittel in den unterdotierten Rubriken erfolgt ist, etwa im Bereich der Forschung.

Das fünfte Rahmenprogramm wurde von Herrn Minister Einem verhandelt, und es ist eine dezente Aufstockung vorgenommen worden. Aber die dezente Aufstockung war noch immer näher an den Vorschlägen des Rates als an jenen der Kommission. Da müssen Sie ganz ehrlich sein, Herr Minister: Die Vorschläge der Kommission und des Parlaments waren viel höher!

Daher finde ich, daß das Parlament wirklich mehr Macht haben sollte, weil die Abgeordneten offensichtlich im Bereich der Forschung, im Bereich der Innovation weiter denken beziehungsweise bereit sind, weiter zu denken als manch ein Regierungsverhandler, den Sie heute noch gelobt haben.

Auch im Bereich der transeuropäischen Netze ist viel zu tun. Im Bereich Bildung, Ausbildung, Jugend und Außenbeziehungen ebenfalls.

Im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen möchte ich das Kapitel Balkan eröffnen. Es muß möglich sein, eine Art Marshall-Plan für den Balkan zu entwickeln. Nur so kann man ein Gebiet demokratisieren! Nur so, nur über eine demokratische Umstrukturierung der Gesellschaft, kann man erreichen, daί sδmtliche ”Miloševićs”, die dort vorhanden sind, wieder von der Bόhne verschwinden. Nach der Befriedung kommt ein Aufbau des Balkans!

Ich meine, daß es unser Ziel sein wird, diesen Ländern zu erklären, daß wir die Hand offen haben, diesen Ländern zu erklären, daß sie sich in Europa mit an Bord befinden können, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Das heißt, es gäbe dann nicht nur zehn plus eins Länder, die in der Erweiterungsrunde sind. Diese Erweiterungsrunde sollte so schnell wie möglich aufgestockt werden. Die NATO ist interessanterweise bereit, dies zu tun – aber aus ganz anderen Gründen.

Wir sollten es so formulieren: Wir wollen nicht ein Europa, das nur aus NATO-Mitgliedstaaten besteht, sondern ein Europa, das aus friedenswilligen Ländern besteht, die auf der wirtschaftlichen Ebene kooperieren wollen, die einen freien Personenverkehr wünschen und einen freien Austausch von Waren und Dienstleistungen garantieren. Wir finden, daß die Länder am Balkan genau in diese Staatengemeinschaft hineinpassen und hineingehören. – Ich glaube, damit würden wir weit mehr erreichen als das, was derzeit dort geschieht.

Herr Finanzminister! Es ist ein großes Gebiet, das sehe ich schon ein, aber in einem Europa der gemeinsamen Verantwortung, in einem Europa, in dem eine gemeinsame Währung den Konsumentinnen und den Konsumenten wirklich sehr bald vor Augen geführt und nicht nur sozusagen auf dem Papier existieren wird, in einem Europa, in dem die Rubrik 7, Heranführungsinstrumente, und die Rubrik 8, Erweiterungsgelder, eigentlich nicht ausreichen werden – nach neuesten Berechnungen braucht man 60 Milliarden und nicht 45 Milliarden –, in diesem Europa, in dem man weit mehr tun muß, um die Stabilität jenseits unserer Grenzen zu fördern, muß es von Ihrer Seite aus weit mehr Impulse geben und muß es auch vom Parlament entsprechende Initiativen geben können.

Es gibt einen Konsens hier im Hause – zumindest mit vier Fraktionen – bezüglich der Erweiterung, bezüglich der Kooperation mit unseren Nachbarstaaten. Versuchen wir doch im Parlament selbst, weiterzukommen! Manchmal ist es schwieriger, sich mit dem Finanzminister zu einigen, als politisch zumindest parlamentarischen Willen zu dokumentieren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Trattner hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie gelangen nun zu Wort. Beginnen Sie bitte mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

12.13

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Kollegin Gredler, Sie haben gesagt, ich hätte mich im Zusammenhang mit dem Kohäsionsfonds mit meinen Zahlenangaben geirrt.

Ich verweise auf den Punkt 52 der Schlußfolgerungen des Berichtes. Darin steht dezidiert – ich zitiere –:

"Der Europäische Rat ist entsprechend der Ansicht, daß bei der Gesamtmittelausstattung des Kohäsionsfonds 18 Milliarden Euro vorgesehen werden sollten." – Zitatende. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny mit einer gewünschten Redezeit von 8 Minuten. – Bitte.

12.13

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir hatten gestern hier in diesem Haus eine allgemein politische Debatte. Heute behandeln wir einige wirtschaftspolitisch-argrapolitische Fragen, die im Vordergrund stehen. Ich muß aber ganz offen sagen: Die große europapolitische Debatte, bei der dieses Haus sich einmal die Frage stellt: Wie wollen wir aus der österreichischen Sicht die weitere Entwicklung der EU, und was können wir dazu tun?, wurde eigentlich in diesem Parlament bis jetzt noch nicht geführt. (Abg. Dr. Gredler: Weil Sie es nicht wollten!) Ich finde, daß es schon wichtig wäre, uns gerade jetzt, angesichts dieser kritischen Wendepunkte der europäischen Politik, auch als Parlament vielleicht einmal die Zeit zu nehmen, diese Dinge etwas ausführlicher und in einem großen Zusammenhang zu sehen.

Auch heute ist natürlich die Zeit zu kurz, um diese großen Zusammenhänge ein bißchen aufzuzeigen. Ich möchte aber dann ein paar Überlegungen in diese Richtung anstellen.

Erster Punkt. Der Berliner Gipfel war aus finanzpolitischer Sicht zweifellos ein Erfolg. Der Herr Finanzminister hat das bereits dargestellt. Wir haben mit der Agenda 2000 nun klare Finanzierungsstrukturen. Es ist eine reale Ausgabenkonstanz erreicht worden, was ich für sinnvoll halte. Die Eigenmittel-Obergrenze ist mit 1,27 Prozent festgeschrieben. Und bei Anerkennung – das muß man immer betonen: bei Anerkennung! – der Bereitschaft, an einer Verringerung der Wohlstandsunterschiede in Europa mitzuwirken, ist es gelungen, eine bessere und fairere Mittelaufbringung zu erreichen und damit auch eine finanzielle Entlastung für Österreich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stellt sich aber noch eine zweite und, wie ich meine, sehr wichtige Frage: Ist nach diesem Berliner Gipfel und nach der Beschlußfassung über die Agenda 2000 dieses Europa, diese EU, gerüstet, um den Herausforderungen der Zukunft besser zu entsprechen?

Es sind vor allem zwei Herausforderungen, vor die sich Europa gestellt sieht, und zwar einerseits die Herausforderung im Bereich der Beschäftigungspolitik und andererseits die Herausforderung durch die EU-Erweiterung.

Nun ist es klarerweise so, daß Fragen der Beschäftigungspolitik einen breiten Bereich umfassen. Wir werden auch im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung noch darüber diskutieren. Aber es scheint mir gerade angesichts der jüngsten Diskussion wichtig, festzuhalten: Dieses Europa, diese EU, ist international auf den Weltmärkten absolut wettbewerbsfähig. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, daß wir einen riesigen Leistungsbilanzüberschuß haben, sowohl im Vergleich zu den USA als auch gegenüber der Welt insgesamt.

Das heißt aus ökonomischer Sicht, daß es sinnlos wäre, durch eine Strategie, die nur auf den Abbau der Arbeitskosten setzt, diese Leistungsbilanzüberschüsse nach außen noch einmal zu erhöhen. Die ökonomische Zielsetzung muß es sein, davon auszugehen, daß wir in der EU erstens das Problem einer mangelnden Nachfrage im Binnenbereich haben und daß wir zweitens Strukturprobleme haben, die speziell den Dienstleistungssektor betreffen.

Dazu kann man sagen, daß die Europäische Zentralbank – spät, aber doch! – mit der Senkung der Zinsen einen positiven Schritt gesetzt hat. Was jetzt notwendig ist, ist die Steigerung des privaten Konsums. Es besteht die Notwendigkeit, daß die privaten Investitionen ansteigen, aber auch die Notwendigkeit, daß man bei öffentlichen Investitionen eine entsprechende Bereitschaft zeigt. Das setzt zum einen voraus, daß die Impulse, die von dieser Zinssenkung ausgehen, möglichst rasch weitergegeben werden – ich kann hier nur noch einmal an die Banken appellieren, daß sich das auch bei den Kreditkonditionen auswirkt –, und das setzt zum anderen auch voraus, daß wir entsprechende Maßnahmen im Bereich der Budgets, im Bereich der öffentlichen Verwaltung setzen, ohne daß es zu einer Ausweitung der Budgetdefizite kommt.

Wir haben gerade gestern hier im Haus Möglichkeiten für die Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Bereichen beschlossen, das Konzept der sogenannten Private Public Partnerships. Ich halte auch den französischen Vorschlag, die transeuropäischen Netze stärker auszubauen und damit Impulse zu geben, für vernünftig. Ich denke, daß wir da insgesamt ein riesiges Potential vor uns haben.

Dazu gehört auch die Frage der Finanzierung: einerseits die Frage der Finanzierung einer beschäftigungsorientierten Politik und andererseits die Frage von Finanzierungsstrukturen im Zusammenhang mit einer Politik der finanziellen Entlastung des Faktors Arbeit.

Das Problem, das wir dabei haben, ist, daß bei einer Politik des Steuerwettbewerbs der mobilere Faktor Kapital sich der Besteuerung leichter entziehen kann und die Last der Besteuerung dann zunehmend beim vergleichsweise immobileren Faktor Arbeit bleibt. Daher hat Österreich – und der Herr Finanzminister im speziellen – gerade die Zeit der österreichischen Präsidentschaft dazu benutzt, um die Frage der Steuerharmonisierung massiv auf die Agenda der Europäischen Union zu bringen.

Auch Herr Bundeskanzler Klima hat sich in diesem Sinne für eine europäische Steuerharmonisierung ausgesprochen. Ich betone: Es geht um eine Koordinierung im Steuerbereich, es geht nicht um neue Steuern! Es gilt eben zu verhindern, daß sich die Last der Finanzierung des Staates immer stärker oder nur auf dem Faktor Arbeit niederschlägt. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Petrovic.)

Es ist daher auch – und das möchte ich aus aktuellem Anlaß sagen – leider grob irreführend, wenn die FPÖ in ihrer jüngsten Plakatserie für die Wahlen dem Bundeskanzler Klima in einem völlig verzerrten Zusammenhang unterstellt, er wäre sozusagen für neue Europasteuern. Das ist einfach eine schlichte Irreführung! (Abg. Aumayr: Es gibt einen Beschluß im Parlament!)

Worum es geht, ist die Bemühung, durch Steuerkoordinierung im europäischen Bereich zu verhindern, daß es dazu kommt, daß sich der Faktor Kapital immer stärker der Besteuerung entzieht und daher die Last sich immer stärker am Faktor Arbeit niederschlägt. Das ist es, worum es uns geht! (Abg. Aumayr: Eurosteuer! EU-Steuer!)

Wenn Sie von der FPÖ sich gegen diese Politik einer Steuerkoordinierung aussprechen (Abg. Böhacker: Das hat niemand gesagt!), dann muß man sehr deutlich sagen: Das heißt, daß die FPÖ dafür ist, daß es eben de facto zu einer Verschiebung der Steuern zu Lasten der Arbeit kommt. Dann ist die FPÖ dafür, daß es eben de facto keine wirksame Beschäftigungspolitik in Europa geben kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Wenitsch: Wir sind für Steuersenkungen! Wir wollen den Bürger entlasten!)

Ich muß daher sehr deutlich sagen: In der Form, wie Sie diese Plakatserie begonnen haben, läßt das nichts Gutes für den Europawahlkampf erwarten. Ich kann nur sagen: Diese Aussage ist grob irreführend, und sie wird daher von uns strikt zurückgewiesen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Aumayr: Haben Sie Angst, Herr Kollege? Zu Recht haben Sie Angst!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann zur EU-Erweiterung wirklich nur ein paar Stichworte sagen. Um es mit zwei Sätzen zu sagen: Die finanziellen und wirtschaftlichen Fragen sind, wie ich meine – gerade auch im Hinblick auf die Ergebnisse der Agenda 2000 –, lösbar, wenn auch nur, indem man Vorsicht walten läßt, wenn auch nur mit dem Setzen von Anpassungsfristen; sie sind lösbar.

Das viel größere Problem sind bei den institutionellen Fragen. Es muß uns doch klar sein, daß die Entscheidungsmechanismen der EU schon jetzt an Grenzen gestoßen sind. Ein System, bei dem man in vielen wichtigen Bereichen, zum Beispiel im Bereich der Steuerpolitik, Einstimmigkeit verlangt, ist nicht mehr fortführbar, wenn sich die Zahl der Staaten, die dadurch Blockierungsmöglichkeiten haben, immer mehr vergrößert. (Abg. Aumayr: Korrupt!)

Natürlich ist das auch für Österreich – Sie haben völlig recht, wenn Sie das sagen –, für kleine Staaten und für jeden einzelnen Staat ein Problem. Es ist die Frage, inwieweit wir bereit sind, europäisch zu denken, oder inwieweit man sozusagen den gesamten Integrationsprozeß blockieren will.

Ich meine, daß wir uns auch als österreichischer Nationalrat sehr klar dazu bekennen müssen, indem wir sagen: Wenn es in Europa zu Fortschritten kommen soll, dann kann das nur auf europäischer Ebene geschehen. Und das heißt, daß wir demokratisch vorgehen, daß wir speziell die Rolle des Europäischen Parlamentes stärken und daß wir auf diese Weise die Interessen Österreichs gemeinsam mit den anderen Staaten einbringen. (Abg. Wenitsch: Das widerspricht aber genau dem, was Sie den Österreichern vor dem EU-Beitritt versprochen haben!)

Es kann aber nicht dadurch geschehen, daß wir darauf bestehen, daß es Blockierungsmechanismen gibt, da Blockierungsmechanismen, wie wir wissen, sich nur gegenseitig blockieren. Letztlich würde eine Verringerung der Dynamik der Europäischen Integration nur zum Schaden aller Europäer und damit auch zum Schaden der Österreicher sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Bundesminister! Ich denke, daß Sie das hier ganz deutlich sagen müssen: Ein Ausscheren aus und eine Verringerung der europäischen Integrationsdynamik würde eine Verringerung der europäischen Wirtschaftsdynamik, eine Verringerung der europäischen Beschäftigungsdynamik und letztlich eine Schwächung und ein Zurückgehen der Integration insgesamt bedeuten.

Gerade in diesen Tagen sehen die Europäer, wie wichtig es ist, daß wir die Europäische Union als eine Stätte der ökonomischen und der politischen Stabilität haben. Wir wollen das nicht gefährden! Wenn Sie es wollen, dann müssen Sie es sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Aumayr: Eine "große" Solidarität zeigt die Europäische Union bei der Aufnahme von Flüchtlingen!)

12.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Sie wollen keine eingeschränkte Redezeit. – Bitte.

12.24

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Landwirtschaftsminister! Hohes Haus! Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Nowotny, hat eine große europapolitische Debatte eingefordert. – Nun, es war von der Regierung nicht wirklich so konzipiert, und auch das, was wir in den Ausschüssen in der letzten Zeit erleben, wird dieser Forderung nach der großen europapolitischen Debatte nicht gerecht.

Herr Dr. Nowotny! Wenn Sie dann auch hinter Ihren eigenen Forderungen zurückbleiben, beim Thema Konkurrenzfähigkeit sofort beim Steuersystem landen und eigentlich die große Vision Europa, die Friedensordnung, die sich ausweitet, und die kulturelle Gemeinschaft einer Buntheit von Völkern nicht ansprechen, dann schmerzt das zum einen. Zum anderen bitte ich Sie: Kehren Sie doch auch – gerade, was das Steuersystem und die Finanzen betrifft – vor der eigenen Türe! Es gibt kaum ein europäisches Land, in dem die Vermögensbesteuerung so gering ist wie in Österreich, und wir haben den europäischen Gleichklang in diesem Bereich schon lange verlassen.

Im europäischen Durchschnitt werden Steuern in der Höhe von insgesamt über 5 Prozent auf Vermögen im weitesten Sinn gelegt. Bei uns in Österreich ist dieser Satz viel niedriger. Das heißt, daß Österreich, Herr Professor Nowotny, die Arbeitseinkünfte ungerechterweise noch viel stärker besteuert, als das sonst in Europa der Fall ist. Und ich denke, daß Sie, auch als sozialdemokratischer Finanzsprecher, da ein wenig Selbstkritik üben sollten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Nowotny: Dazu bin ich immer bereit!)

Zu den eigentlichen Anliegen: Die große europapolitische Debatte zu verlangen, aber hier dann – Herrn Minister Molterer nehme ich da heute ein wenig aus, aber vor allem den Finanzminister möchte ich da ansprechen – eine Debatte zu führen, die im wesentlichen nur eine Antwort auf die Wahlplakate der Freiheitlichen ist, das ist zu wenig. Und jetzt sagen Sie so etwas auch in einem weiteren Punkt – nachdem wir alle im Bereich der Asylgesetzgebung, im Bereich der fehlenden Integration erlebt haben, was das Nachgeben gegenüber rechtspopulistischen Thesen bewirkt –, jetzt beginnt das in einem weiteren Punkt, nämlich in der Frage der europäischen Integration: Sie beeilen sich, zu sagen: Wir haben ja ohnehin abgesenkt! Es wird ja ohnehin zurückgehen: von 0,43 Prozent auf 0,31 Prozent! – Also ich fürchte, daß wir zu einer großen Europavision auf diese Weise nicht kommen werden!

Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, daß Mitglieder der österreichischen Bundesregierung sparsamst mit öffentlichen Geldern umzugehen haben. Dessen brauchen Sie sich nicht zu rühmen, das ist eine Selbstverständlichkeit! Aber es geht uns von den Grünen vor allem um die Frage: Wofür werden die Gelder verwendet? – Wenn das geklärt ist, dann können wir gerne über ein paar Zehntelprozentpunkte mehr oder weniger reden. Wenn ein sinnvoller Zweck angestrebt wird, etwa eine echte Verbesserung der Umweltqualität, Investitionen in den Frieden, in eine Pluralität der Medienlandschaft, in Kulturprojekte, in Frauenprojekte – auch jenseits der Grenzen! –, dann, so denke ich, ist das Geld gut aufgehoben.

Alles, was jetzt in Tschechien, in der Slowakei, in Ungarn investiert wird, damit auch dort Umweltbelastungen verringert werden (Abg. Dkfm. Holger Bauer: 30 S Benzinpreis! Dann zahlen wir 30 S für den Liter Benzin!), kommt unseren Lungen – auch Ihren Lungen, Herr Kollege Bauer! – genauso zugute wie den Menschen in diesen Ländern. Das sollte uns etwas Solidarität wert sein! (Beifall bei den Grünen.)

Ich hoffe, daß noch vier Fraktionen dieses Hauses den Grundsatzkonsens teilen, daß wir Menschen in anderen Ländern, in denen das Bruttoinlandsprodukt geringer ist, nicht als die "Faulen im Süden" – unter Anführungszeichen – oder ähnliches apostrophieren und beschimpfen. Mit derartigen Entgleisungen möchte ich jedenfalls nichts zu tun haben!

Meine Damen und Herren! Sie werden auch unsere Zustimmung erhalten, wenn das Geld in universitäre Forschung investiert wird, wenn die Bildung, die Ausbildung der Jugend verbessert wird, wenn die soziale Infrastruktur – von den Kindergärten angefangen bis zu anderen Einrichtungen – verbessert wird. Dazu sagen wir absolut ja! Aber das können Sie, Herr Bundesminister, nicht mit der Ziffer von 0,43 beantworten.

Gerade jetzt verlange ich auch eine Debatte darüber, wohin das Geld fließt. Fließt es in den Frieden oder in den Krieg? – Der Bundessprecher der Grünen Van der Bellen hat gestern ja sehr eindrücklich dargestellt, daß nicht nur die absurden Rüstungskosten laufend gesteigert werden und daß die abgeworfenen Bomben, die neu nachgeschafften Bomben 1 Milliarde pro Tag kosten, die natürlich wieder ersetzt werden, was zu neuen Kosten führt. Aber das, was damit zerstört wird, was mühsam von Generationen aufgebaut worden ist, kostet ein Vielfaches! – Ich weiß nicht, wie viele Tausende Milliarden an Kosten jetzt schon in Rechnung gestellt werden müssen.

Herr Bundesminister! Bei diesen 0,43 Prozent wird es gar nicht bleiben, geschweige denn zu einer Senkung kommen. Selbstverständlich wird das Ganze – hoffentlich bald – aufhören, wird es hoffentlich bald zu einem Wiederaufbauprozeß kommen. Aber es ist völlig klar, daß es genauso ein Eigeninteresse der EU und gerade Österreichs gibt, daß dieser Wiederaufbauprozeß beginnt, und er wird Geld kosten.

Herr Bundesminister für Landwirtschaft! Natürlich geht es auch um die Landwirtschaft, es geht um die Wirtschaft generell. Aber wir sind uns darüber einig, daß ohne stabilen Frieden all diese anderen Debatten relativ nachrangig sein werden. Wir teilen Ihre Meinung, daß es hinsichtlich der zwei Säulen der Landwirtschaft gilt, die integrierte ländliche Entwicklung aufzuwerten, in den Umweltschutz zu investieren, die ÖPUL-Programme zu verbessern sowie von der Interventionitis, der Förderung von Überschüssen und deren Vermarktung, wegzukommen. Dieser Prozeß geht uns zu langsam, und wir glauben, daß dieses erste Standbein ein immer noch viel zu großes Übergewicht hat und daß es dem anderen Standbein rascher weichen sollte.

Nur, Herr Bundesminister, all das hängt an der Frage von Krieg und Frieden. Wir werden sowohl unsere Außenhandelsbeziehungen ernsthaft gefährden als auch die aufzuwendenden Mittel immer wieder neu strapazieren müssen, wenn das nicht gesichert ist.

Ein Zweites, Herr Bundesminister! Das setzt natürlich auch in diesem Bereich etwas mehr Ehrlichkeit voraus. So, wie ich es Herrn Kollegen Nowotny in bezug auf die Kapitalbesteuerung gesagt habe, bitte ich auch da, vor der eigenen Türe zu kehren. Ich weiß schon, daß der freie Warenverkehr momentan das Allerheiligste ist und quasi religiösen Charakter hat. Aber einen Handelskrieg mit den USA über die Einfuhr von Hormonfleisch zu führen, das unsere Konsumentinnen und Konsumenten zu Recht ablehnen, weil es wirtschaftlich schädigend ist, weil es möglicherweise gesundheitsgefährdend ist, weil wir es nicht brauchen, weil es einer ökologischen Landwirtschaft zuwiderläuft, und dann dabei zuzuschauen, daß genau dieses verwendete Hormon in Österreich hergestellt wird – zwar nicht eingesetzt, aber eben auf die Weltmärkte geschickt wird –, das, denke ich, sollte zumindest zu einer klaren politischen Absage führen, wenn Sie es schon nicht verhindern können. Jedoch zu sagen, in Tirol werde dieses Hormon leider hergestellt, wo es dann eingesetzt wird – in Amerika oder auf anderen Kontinenten – wissen wir nicht, aber gegen die Einfuhr der Produkte wehren wir uns ganz entschieden, das, Herr Bundesminister, betrachte ich schon als eine ziemlich arge Scheinheiligkeit. (Abg. Dr. Ofner: "Scheinheiligkeit" ist nach der gegenwärtigen Praxis ein Ordnungsruf, Herr Präsident!)

Meine Damen und Herren! Ich schließe meine Ausführungen einmal mehr mit Aussagen zum Krieg im Kosovo und in Serbien. Ich habe auch an diese beiden Bundesminister eine sehr ernste Frage. Ich habe selbige gestern auch dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler gestellt. Sie haben sie leider nicht beantwortet, aber ich garantiere Ihnen, daß ich sie so lange stellen werde, bis ich eine Antwort darauf bekomme.

Wir wissen seit gestern, daß die Gerüchte wahr sind, daß im Kosovo-Krieg Atomwaffen eingesetzt worden sind, niedrig strahlendes Material, kein hochradioaktives Material. Wir wissen, daß ähnliche Geschosse im Südirak zum Einsatz gelangt sind, Uran 238, und wir bekamen von dort die Mitteilung, daß die Leukämieerkrankungsrate bei Kindern und die Mißbildungsrate jene Dimensionen erreichen, die nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima die Folge waren. Das wird allerdings seitens der NATO bestritten.

Ich frage Sie: Haben Sie gewußt, daß diese Atomwaffen zum Einsatz gelangen werden, als die österreichische Bundesregierung diesem Einsatz grundsätzlich zugestimmt hat? War das bekannt? Hat Fasslabend, der ja sonst sagt, österreichische Spione beziehungsweise Aufklärungsbeamte seien so gut informiert, auch gewußt, daß dieser Atomwaffeneinsatz bevorsteht? Und wie stehen Sie ganz persönlich dazu?

Ich denke, daß gerade ein Landwirtschaftsminister wissen muß, daß ein Gebiet, auf das Atomwaffen quasi niedergegangen sind, wahrscheinlich für sehr lange Zeit für die Menschen als Grundlage der Nahrungsmittelproduktion unbrauchbar ist. Ich weiß nicht, wann das verantwortbar sein wird, auch wenn es hoffentlich endlich zu einem Waffenstillstand und vielleicht anschließend sogar zu einem Friedensschluß kommen wird, zu einer politischen Vereinbarung. Ich weiß nicht, ob es dann möglich sein wird, guten Gewissens wieder Menschen in diesen Gebieten anzusiedeln. Ich weiß auch nicht, ob man vielleicht in Belgrad oder in Novi Sad derartige Geschosse eingesetzt hat – vielleicht neben einer Schule, neben einem Gebiet, auf dem Kinder wohnen. Ich weiß das alles nicht. Aber meine Frage richtet sich an die verantwortliche österreichische Bundesregierung, deren Mitglieder immer noch in der Troika sitzen, die also leichter zu Informationen kommen: Wissen Sie es? Führen Sie eine Debatte darüber in Ihren Fraktionen?

Meine Damen und Herren! Ich würde sehr gerne die grundsätzliche Haltung einnehmen, diese große Europadebatte, die Sie eingefordert haben, zu führen. Ich meine, daß das, was wir uns alle wünschen – was wir uns grundsätzlich alle wünschen –, ein Europa ist, das nicht an der österreichischen Ostgrenze haltmacht, ein Europa ist, in dem niemand mehr existentielle Armut leiden muß, in dem es Arbeit gibt, in dem die Landwirtschaft ebenso ihre Chance hat wie die Industrie und der tertiäre Sektor. Das wünschen wir uns; wir wünschen uns keine kulturelle Eintönigkeit, sondern Vielfalt, damit die verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit ihren sehr unterschiedlichen Sprachen und Gebräuchen ihre Eigenarten in Frieden bewahren können. Das ist, so glaube ich, eine große Vision, die Gültigkeit hat.

Deshalb appelliere ich hier auch von diesem Rednerpult aus: Wir können diese Debatte nicht führen, solange wir uns – schlagartig –, wenn wir in einem Wahlkampf sind und wenn Plakate, die ich nicht sehr geschmackvoll finde, in den Straßen zu sehen sind, sofort auf der Ebene von Null Komma soundsoviel Prozentpunkten bewegen. Wenn wir uns nicht mehr von dieser europäischen Vision leiten lassen, die zuerst einmal den Frieden braucht, dann werden wir in eine heillose Kleinkrämerei abstürzen, und davon werden wieder nur Populisten etwas haben.

Ich bitte Sie daher wirklich als Mitglieder der Bundesregierung: Hinterfragen Sie jenseits der Grundsatzfrage, ob dieser NATO-Einsatz befürwortet oder abgelehnt werden soll, wozu es sehr unterschiedliche Meinungen gibt, Ihre Haltung! Ich denke, daß wir auf jeden Fall dahin gehend einer Meinung sein sollten, daß es nicht angehen kann, daß keine politischen Grenzen gezogen werden. Denn wer heute sagt: Na ja, es geht eben nicht anders, man muß eben Atomwaffen einsetzen!, der wird vielleicht morgen – und ich frage Sie da, wie Sie dazu stehen – ja zu Chemiewaffen, zu Napalm und zu anderen Mitteln sagen? – Das bedeutet, daß jetzt die Debatte darüber geführt werden muß, wie man diesen ohnehin schon zu sehr eskalierten Konflikt einfangen kann.

Ich appelliere einmal mehr an Sie als Mitglieder der Bundesregierung: Leisten Sie Ihren Beitrag dazu! (Beifall bei den Grünen.)

12.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Vorwurf der "Scheinheiligkeit", den Frau Dr. Petrovic erhoben hat, und zum Zwischenruf des Abgeordneten Dr. Ofner von meiner Seite aus bemerken, daß wir hinsichtlich des Gebrauchs dieses Wortes, zumindest in der neueren Praxis der Geschäftsordnung, etwas großzügiger geworden sind. Das war früher Anlaß für einen Ordnungsruf. Ich bitte aber, diese großzügige Auslegung nicht dahin gehend zu verstehen, daß darin eine Aufforderung liegt, diesen Vorwurf zu erheben, sondern die Bitte, ihn eher zu unterlassen. (Abg. Dr. Ofner: Der Holger Bauer hat dafür einen Ordnungsruf gekriegt vor ein paar Wochen ...!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.39

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Ausführungen der Frau Kollegin Petrovic: Ich glaube, daß wir alle, die wir hier in diesem Hohen Haus sitzen, genauso bestürzt und traurig sind wie Sie über das, was sich im Kosovo abspielt. Es ist in der Tat die größte humane Tragödie seit dem Zweiten Weltkrieg. Es ist ein beklemmendes Gefühl zu sehen, daß eigentlich niemand weiß, wie eine Friedenslösung dauerhaft aussehen wird.

Dennoch, Frau Kollegin Petrovic, würde ich bitten, daß wir die heutige Debatte, die sich um so grundlegende Zukunftsfragen der Agenda 2000 dreht, nicht mit einer Atomdiskussion überlagern. Ich muß für meine Person sagen: Ich habe vom Einsatz von Atomwaffen zum ersten Mal gehört. Ich kann nur hoffen, daß das nicht stimmt, möchte aber doch sagen – Sie haben davon gesprochen, es gebe seit heute Beweise –, daß ich diese Beweise nicht kenne. Ich kann nur hoffen, daß sie nicht stimmen; aber wenn Sie welche haben, dann legen Sie sie bitte auf den Tisch, auch wenn das die Tragik der Ereignisse noch mehr erhöht.

Ich möchte auf das eigentliche Thema der heutigen Debatte zurückkommen, nämlich die finanz- und agrarpolitischen Ergebnisse und Konsequenzen des Berliner Gipfels für die Zukunft. Ich muß eines sagen: Wenn man darüber diskutiert – die Opposition hat das angeschnitten –, ob der Gipfel ein Erfolg oder kein Erfolg war, so habe ich versucht, eine gewisse Bewertung aufgrund der Erwartungshaltung, die vor dem Berliner Gipfel gegeben war, vorzunehmen. Ich habe mir die Mühe gemacht, sehr viele Zeitungen, Zeitschriften, Magazine und Reden durchzusehen und zu überfliegen, und muß ehrlich sagen: Eine Erwartungshaltung dahin gehend, daß es unseren Verhandlern in Berlin gelingen würde, die Nettozahlerposition von den erwähnten 0,43 Prozent auf 0,3 Prozent zu reduzieren, habe ich nirgends gefunden.

Ich habe auch nirgends vor dem Berliner Gipfel eine Erwartungshaltung gefunden, gelesen oder gehört – nach all den Absagen aus Brüssel, die es vorher gegeben hat, es werde keine eigene Grenzlandförderung geben –, die gelautet hätte, es werde eine eigene Grenzlandförderung geben.

Meine Damen und Herren! Nur so kann man objektiv die Ergebnisse dieses Berliner Gipfels beurteilen. Ich sage daher: Meiner Meinung nach ist der Berliner Gipfel erstens ein Erfolg für die österreichischen Steuerzahler, denn in der genannten Periode werden sie 13,5 Milliarden Schilling weniger an Steuern bezahlen müssen, da wir uns das erspart haben, und zweitens ein Erfolg für die Bewohner der Grenzregionen, denen ein Signal dahin gehend gegeben wird, daß die Europäische Union und Europa dazu bereit sind, die Schwierigkeiten, Probleme und Zukunftsängste, die in den Grenzregionen vorhanden sind, auch finanziell auszugleichen, und drittens ein Erfolg für die Bauern – obwohl kein Grund zum Jubeln besteht –, weil sie jetzt wieder verläßliche und stabile Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft für die nächsten Jahre haben. Es ist also ein dreifacher Erfolg: ein Erfolg für die Steuerzahler, ein Erfolg für die Grenzregionen und ein Erfolg für die Landwirtschaft. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber eines auch sehr deutlich sagen: Für mich sind die Ergebnisse und Erfolge hinsichtlich der Agenda 2000 gleichsam nur die Basis, das Fundament für das, was wir selbst an Herausforderungen für die nächsten Jahre zu bewältigen haben. Lassen Sie mich heute auf ein Thema eingehen, weil eben der agrarpolitische Teil dieser Agenda 2000 eine so starke Dominanz hat!

Ich mache mir als Abgeordneter einer Region, die sehr stark agrarisch strukturiert ist, die außerdem eine Grenzregion, und zwar EU-Außengrenze ist, doch große Sorgen (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner) – du hast es erraten, lieber Harald Ofner – um die Zukunft des ländlichen Raumes. Es gibt zwei weltweite Entwicklungstendenzen: die Globalisierung, den weltweiten, globalen Wettbewerb, den wir alle spüren, und es gibt die weltweite Tendenz der Urbanisierung, der Zusammenballung in städtische Ballungszentren.

Ich glaube, daß unsere Herausforderung für die nächsten Jahre lautet: Wie können wir alles tun und Strategien entwickeln, damit nicht zwischen Globalisierung und Urbanisierung der ländliche Raum unter die Räder kommt? – Das ist für mich eine wesentliche Zukunftsherausforderung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich bringe das deshalb hier im Rahmen der Debatte über die Agenda 2000 vor, weil ich meine, daß die Ergebnisse dieses Berliner Gipfels ein an sich verläßliches Fundament sind, auf dem wir jetzt solche Zukunftsstrategien, etwa für den ländlichen Raum, entwickeln können. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum?)

Ich möchte in aller Kürze fünf Punkte, Herr Kollege, erwähnen:

Erster Punkt: Ich glaube, daß wir auch die Finanzmittel und die eigenen nationalen Mittel einsetzen müssen, wenn wir haben wollen, daß der Slogan "Das Land soll leben" nicht nur ein Slogan bleibt, sondern mit Wirklichkeit erfüllt wird. Wir müssen alles tun, um die Infrastruktur im ländlichen Raum wieder auszubauen, und zwar angefangen vom Verkehr über die Gesundheit, Bildung bis hin zur Telekommunikation, denn wenn da langfristig keine Chancengleichheit zwischen den städtischen Ballungszentren und dem ländlichen Raum besteht, dann wird es schwierig werden (Abg. Böhacker: Dann sperren wir die Finanzämter zu!), den Slogan "Das Land soll leben" auch tatsächlich mit Leben zu erfüllen.

Der zweite Punkt betrifft das Hauptthema, das überhaupt in ganz Europa aktuell ist, und zwar die Frage der Beschäftigungssicherung (Abg. Mag. Schweitzer: Die Kaufkraft wird systematisch abgezogen!) im ländlichen Raum, Herr Kollege. Beschäftigungssicherung im ländlichen Raum ist an sich schon ein schwieriges Thema. Ich bekenne mich hier als Vertreter der gewerblichen Wirtschaft dazu, daß die primäre Forderung, was Arbeitsplätze betrifft, jene ist, dafür zu sorgen, daß wir eine leistungsfähige, wettbewerbsfähige, bäuerliche Landwirtschaft haben, weil (Abg. Mag. Schweitzer: Wissen Sie, was das anrichtet am Land?) – um es ganz primitiv zu sagen – jeder Bauer, der seinen Hof verläßt, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt verschärft. Das ist eine ganz simple Argumentation.

Ich möchte drittens an alle, die hier Verantwortung tragen, appellieren, Sparstrategien nicht derart zu entwickeln, daß der ländliche Raum unter die Räder kommt, sodaß nicht Regionen sozusagen dadurch ausgeräumt werden, daß der Reihe nach kleine Dienststellen im ländlichen Raum zugesperrt werden.

Wir müssen, meine Damen und Herren, als vierten Schwerpunkt folgendes sehen: Wir müssen Strategien entwickeln, damit die Erhaltung der Kulturlandschaft – das ist ja das Typische der österreichischen und jetzt auch europäischen Landwirtschaftspolitik – auch entsprechend finanziell honoriert wird.

Ich erwähne als fünften Punkt – das hat Herr Minister Molterer schon angeschnitten – die unbedingte Notwendigkeit, Kooperationen zu fördern, und zwar Kooperationen der Landwirte untereinander, Kooperationen der gewerblichen Betriebe untereinander, aber auch Kooperationen der Landwirtschaft und des gewerblichen Bereiches – im Bereich Landwirtschaft und Tourismus sowie im Bereich Landwirtschaft und Industrie. Das sind die wesentlichen Zukunftsstrategien. Da müssen wir versuchen, die politischen Rahmenbedingungen derart zu schaffen, damit diese Kooperationsmöglichkeiten auch eine Chance haben, den ländlichen Raum auf Dauer zu stärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren: Ich bin mir nicht sicher, ob sich alle dieses Problems schon bewußt sind. Wenn wir vom Wettbewerb reden, so denken wir in der Regel an den Wettbewerb in der Wirtschaft. Wir sehen aber zunehmend, daß wir vor allem für die politische Zielsetzung der Beschäftigungssicherung eine neue Dimension des Wettbewerbs haben, nämlich den Wettbewerb der Projekte und den Wettbewerb der Standorte. Es gibt heute den globalen Wettbewerb zwischen Europa, Asien und Amerika. Wir haben innerhalb Europas diesen Standortwettbewerb, wir haben ihn im eigenen Land, und wir haben diesen Wettbewerb in den einzelnen Regionen. Und in den einzelnen Regionen gibt es noch den Wettbewerb der Gemeinden untereinander, wer die attraktiveren Voraussetzungen für Arbeitsplätze schafft.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, glaube ich, daß das, was hier vorliegt, eine günstige Basis ist, ein gutes Fundament ist, um solche Zukunftsstrategien zu entwickeln, die alle darauf abzielen, daß wir in diesem Land auch im nächsten Jahrhundert Beschäftigung, sozialen Frieden und politische Stabilität haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Aumayr. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.47

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Herr Kollege Stummvoll! Auch ich habe mich kundig gemacht und habe ausländische Zeitungen über die Berliner Beschlüsse gelesen, und zwar deswegen, weil ich in den österreichischen Zeitungen eigentlich nur Jubelmeldungen über das Verhandlungsergebnis der österreichischen Verhandler gelesen habe und keine Zahlen ... (Abg. Dr. Stummvoll: Ich habe gesagt: Kein Grund zum Jubeln, aber!) – Aber in den österreichischen Zeitungen ist es an und für sich hochgelobt worden. In den ausländischen Zeitungen hingegen ist auch das Verhandlungsergebnis der anderen Länder gestanden. (Abg. Zweytick: Wollen Sie auswandern?) Dazu muß ich natürlich schon sagen: So großartig im Verhältnis zu den anderen Ländern war das österreichische Ergebnis nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte nur erwähnen, wie zum Beispiel England verhandelt hat. Tony Blair ist zu den Verhandlungen nach Berlin gefahren und hat zu Hause versprochen: kein Pfund weniger und kein Pfund mehr! Dieses Versprechen hat er gehalten. Das heißt, daß er den Britenrabatt gänzlich zugestanden bekommen hat. Er hat sogar mehr ausverhandelt, denn er hat den Britenrabatt auch für die Osterweiterung erhalten; zumindest steht das in der "Süddeutschen Zeitung" und in der Zeitung "Die Zeit".

Irland hat insgesamt 10,2 Milliarden Schilling sozusagen aus Berlin nach Hause gebracht: 1,4 Milliarden Schilling aufgrund von Sondervereinbarungen, 6,2 Milliarden Schilling, um das hohe BIP-Wachstum nicht zu gefährden, 4,2 Milliarden für das Schottische Hochland und für die Inseln sowie weitere 1,4 Milliarden für den Friedensprozeß. (Abg. Zweytick: Ziehen Sie jetzt nach Irland?) Also insgesamt mehr als 10 Milliarden Schilling. Weiters hat Irland eine höhere Milchquote ausverhandelt.

Die Niederlande, Herr Finanzminister, haben insgesamt 14,5 Milliarden Schilling nach Hause gebracht, Portugal 13,1 Milliarden und Österreich, Herr Kollege Stummvoll, hat 4,8 Milliarden Schilling aus dem INTERREG-Programm ausverhandelt, aber nicht für Grenzlandförderung in Österreich, sondern für grenzüberschreitende Projekte. Das heißt, daß wir dieses Geld mit den beitrittswilligen Ländern teilen müssen. (Abg. Mag. Steindl: Wer sagt das?)

Dr. Wolfgang Entmayr von der Wirtschaftskammer, Herr Kollege Stummvoll, hat gesagt: Mit diesem Geld werden Straßen und Industrieparks aus den osteuropäischen Kandidatenländern gebaut. – Grenzüberschreitende Projekte! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) – Das stimmt schon, Herr Kollege Stummvoll, aber man kann den Österreichern nicht verkaufen, daß dieses Geld für Grenzlandförderung in Österreich verwendet wird, wenn es für grenzüberschreitende Projekte bestimmt ist. Also insgesamt ist Österreich eigentlich Schlußlicht bei den Gewinnern. (Zwischenruf des Abg. Mag. Steindl.)

Zur Landwirtschaft. Herr Minister Molterer! Sie sagen, Sie haben einen verläßlichen Finanzrahmen bis zum Jahre 2006 für die Landwirtschaft ausverhandelt. – Das stimmt nicht, denn im Jahre 2003, Herr Minister Molterer, werden Neuverhandlungen stattfinden. (Bundesminister Mag. Molterer: Nicht über den Finanzrahmen!) – Für die Landwirtschaft! Selbstverständlich für die Landwirtschaft!

Für die Landwirtschaft wird es im Jahre 2003 zu weiteren massiven Einschnitten kommen, Herr Minister Molterer, und zwar aufgrund der WTO-Verhandlungen und weil die ersten Kandidatenländer beitreten werden. (Zwischenruf des Abg. Schwarzböck.) Daß die Bauern diese massiven Preiskürzungen nicht wegen einer Reform hinnehmen müssen, sondern damit die Kosten für die Osterweiterung gedeckt werden können, weiß mittlerweile auch Ihr Bruder, Herr Präsident Kletzmayr, und er sagt das auch.

Er sagt im Unterschied zu Ihnen: Die Osterweiterung passiert gegen den Bauernwillen. Da kann es doch nicht sein, daß die Last alleine die Bauern tragen sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Präsident Kletzmayr, Ihr Bruder, weiß das. (Abg. Scheibner: Sehr gescheit!) Sie verheimlichen das den Bauern, aber das Ergebnis Ihrer schlechten Verhandlungen ist ja der Ruf nach nationalen Maßnahmen.

Herr Minister Molterer! Wenn das Verhandlungsergebnis in Berlin so gut gewesen ist, dann frage ich Sie: Wieso sind Sie dann sofort nach Hause gefahren und haben gerufen, wir brauchen jetzt nationale Maßnahmen? Wieso brauchen wir denn nationale Maßnahmen? – Das ist doch der Beweis dafür, daß Sie für Österreich schlecht verhandelt haben. (Abg. Schwarzböck: Das müßte Ihnen ja gefallen! Da müßten Sie jubeln!)

Jetzt komme ich zu den nationalen Maßnahmen. Die ÖVP hat heute wieder die Gelegenheit, Herr Kollege Schwarzböck, diese nationalen Maßnahmen mit uns Freiheitlichen zu beschließen. Es wird eine Reihe von Anträgen geben. Einen möchte ich jetzt einbringen, und zwar:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wenitsch, Aumayr, Dr. Salzl, Koller und Klein zu den Erklärungen des Bundesministers für Finanzen zum Thema "Ergebnisse des ECOFIN vom 15. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 25. März 1999" und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zum Thema "Ergebnisse des Rates Landwirtschaft vom 11. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 26. März 1999 – Bereich Landwirtschaft" betreffend Verbilligung des Agrardiesels

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, der österreichischen Land- und Forstwirtschaft zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen und zur Herstellung von Chancengleichheit gegenüber anderen EU-Staaten verbilligten Dieseltreibstoff zum Heizölpreis zur Verfügung zu stellen".

*****

Das ist eine alte Bauernbundforderung. Ich hoffe, Sie werden sie heute mit uns beschließen, Herr Kollege Schwarzböck. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweitens:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aumayr, Wenitsch, Dr. Salzl, Klein und Koller betreffend Beseitigung von Ungerechtigkeiten der AMA gegenüber Österreichs Bauern

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird ersucht, dem Nationalrat bis zum 1. Juni 1999 eine Novelle zum AMA-Gesetz vorzulegen und die entsprechenden Verordnungen zu überarbeiten, um folgende Schwerpunkte zu berücksichtigen:

Rechtsanspruch auf ÖPUL-Förderungen,

Zinsanspruch für verspätete Förderungsauszahlungen,

Toleranzgrenzen bei Kontrollen und Fristen,

Ausgleich von Härtefällen."

*****

Die Berücksichtigung genau dieser Punkte hat der Kammerpräsident in Kärnten vor der Landtagswahl bei einer Veranstaltung mit 400 Bauern den Bauern versprochen. Er hat gesagt, die ÖVP werde sich im Nationalrat dafür einsetzen.

Ich bin neugierig, ob Sie heute dieses Versprechen einlösen werden. Sie haben es vor drei Wochen bereits einmal gebrochen. Ich bin also sehr gespannt auf Ihr Abstimmungsverhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden Entschließungsanträge, die Frau Abgeordnete Aumayr verlesen hat, sind geschäftsordnungsgemäß dem Präsidium überreicht worden, ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlungen mit einbezogen.

Ich erteile nunmehr Herrn Abgeordnetem Gradwohl das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.54

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich wäre eigentlich gerne auf die Ausführungen meine Vorrednerin eingegangen, aber es fehlt mir die Möglichkeit, mich inhaltlich damit auseinanderzusetzen. (Abg. Scheibner: Das ist wahr! – Abg. Aumayr: Intellektuell ist das ein bißchen zu hoch!)

Frau Kollegin Aumayr, ich würde Sie einladen, sich vielleicht tatsächlich einmal mit Projekten zu beschäftigen, um dabei zu erkennen, daß das, was Sie heute hier von diesem Rednerpult aus betreffend Grenzlandförderung gesagt haben, nicht zutreffend ist. (Abg. Aumayr: Grenzüberschreitende Projekte! – Abg. Dr. Graf: Der Bart steht Ihnen ausgezeichnet!) Dann könnten Sie sich in der Praxis davon überzeugen und sich dort kundig machen. Vielleicht wäre es dann möglich (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Aumayr), Frau Kollegin Aumayr, daß Sie einmal hier am Rednerpult stehen und nicht all das, was gelungen ist, miesmachen. (Abg. Aumayr: Das habe ich nicht gemacht!) Denn das, Frau Kollegin Aumayr, ist der falsche Weg, Politik für die Zukunft zu machen. (Abg. Scheibner: Großer Optimismus ist nicht angesagt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zurück zur Agenda 2000. Die Agenda 2000 ist nicht nur ein Reformpaket, sondern auch ein Sicherheitspaket, so würde ich meinen. Dieses bietet nämlich die Sicherheit für die Produzenten im agrarischen Bereich, darüber, was in den nächsten sieben Jahren auf sie zukommen wird, Bescheid zu wissen und womit sie rechnen können. (Abg. Rieß: Womit sie rechnen können?) Sie können mit bestimmten Dingen planen und rechnen, und somit ist das auch ein Sicherheitspaket, das in anderen Bereichen nicht in der Weise vorhanden ist.

Die Sicherheit durch den Finanzierungsbeschluß wurde sowohl vom Herrn Bundesminister für Finanzen als auch vom Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft sowie von meinen Vorrednern bereits angesprochen. Daher erspare ich es mir, näher darauf einzugehen.

Ein Punkt, der mir besonders wichtig erscheint – auch im Zusammenhang mit den Agenda-Beschlüssen –, ist der hier bereits mehrmals angesprochene und diskutierte Bereich der ländlichen Entwicklung und des ländlichen Raumes. Ich bin der Meinung des Kollegen Stummvoll, der meinte, der ländliche Raum umfasse eigentlich mehr als nur den Bauernhof. Das ist auch meine Meinung. Der ländliche Raum und die Entwicklung des ländlichen Raumes beginnen bei der Struktur und enden beim Gewerbebetrieb, enden bei den Menschen, die in diesem ländlichen Raum leben. Daher bin ich sehr froh darüber, daß eine Förderung in diesem Bereich möglich ist und daß der ländliche Raum lebendig erhalten werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Agenda 2000 als Reformpaket diskutiert wurde und wird, so gebe ich zu, daß mir persönlich die Reform etwas zu wenig weit gegangen ist. Es hätte die Möglichkeit gegeben, weitere Reformschritte durchzuführen, aber aufgrund der Kompromißlage und der Kompromißnotwendigkeit auch innerhalb der Europäischen Union war das nicht möglich.

Ich orte daher gewisse Probleme, die sich noch bezüglich der Osterweiterung beziehungsweise der Erweiterung der Europäischen Union, aber auch bezüglich der bevorstehenden WTO-Verhandlungen, bei denen eine weiterreichende Reform diese Schritte sicherlich erleichtert hätten, auftun werden. Aber es kommt darauf an, wie dieses Reformpaket der Agenda 2000 umgesetzt wird. Zur Umsetzung derselben werden Verordnungen erlassen, und ich bin sehr froh darüber, daß in der horizontalen Verordnung einige Punkte enthalten sind, die dieses Reformpaket positiver gestalten werden.

Herr Bundesminister Molterer! Ich stehe nicht an, Ihnen dazu zu gratulieren, daß durch Ihren Vorstoß in den Verhandlungen, durch Ihren Vorstoß im Hinblick auf die Größendegression nunmehr in der horizontalen Verordnung tatsächlich gewisse Auswirkungen erreicht werden konnten. Das ist auch nachzulesen, nämlich in der horizontalen Verordnung zur Agenda 2000, landwirtschaftlicher Teil. Im Artikel 4 wurde durch Ihren Vorstoß und durch Ihr Aufrütteln ein Passus eingefügt, der den Nationalstaaten eine Größendegression ermöglicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit kann ich auch zusagen, daß in diesem Bereich die sozialdemokratische Fraktion bei der nationalstaatlichen Umsetzung derselben sicher auf der Seite des Landwirtschaftsministers stehen wird und die Unterstützung garantieren kann, denn mit dieser Umsetzung kommen wir dem Ziel einer gerechteren Verteilung der Agrarmittel – das ist eine jahrelange Forderung der sozialdemokratischen Fraktion – wiederum einen Schritt näher.

Aus diesem Grund, Herr Bundesminister: Nochmals Gratulation und die Zusage der Unterstützung bei der Umsetzung der Größendegression. (Beifall bei der SPÖ.)

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

13.00

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Obwohl die großen Linien im Bereich der Agrarpolitik bereits massenhaft und sehr eindringlich besprochen wurden, möchte ich das jetzt trotzdem auch ein wenig mit Zahlen untermauern.

Es kann ja nicht ernsthaft geglaubt werden, daß die Kosten der Osterweiterung ausschließlich von den Bauern, deren Anteil an der Bevölkerung in der Europäischen Union bekanntlich nur ungefähr 5 Prozent ausmacht, zu tragen sein werden, während die anderen 95 Prozent der Bevölkerung nichts zu zahlen haben werden – die wird das nichts kosten, es wird ihnen dann offenbar auch nichts bringen –, denn wenn Sie das durchrechnen, würden Sie merken, daß das letztlich bedeutete, daß bei geschätzten Kosten von 45, nach neueren Berechnungen 60 Milliarden Euro pro Bauer, pro Bäuerin in der Europäischen Union 3 000 bis 3 300 Euro dafür zu zahlen wären. Alle anderen hätten, wie gesagt, nichts zu zahlen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich meine, daß eine solche Darstellung wohl weit an dem vorbeigeht, was Realität ist. Es macht doch in einer Diskussion, in der es auch darum geht, die mittel- und osteuropäischen Staaten in das Projekt der europäischen Integration miteinzubeziehen – was ja wohl ein Anliegen sein muß; Europa darf nicht an den ehemaligen Ostblockgrenzen enden –, überhaupt keinen Sinn, zu versuchen, die Osterweiterung mit solchen fadenscheinigen – wenn man das durchrechnet, muß man auch sagen: einfach unmöglichen – Argumenten madig zu machen.

Meine Damen und Herren! Es wundert mich allerdings auch, daß in dieser ganzen Debatte bisher nicht davon gesprochen wurde, daß gerade im Bereich der EU, was die Betrugsbekämpfung anlangt, noch einiges an Aufgaben offen ist. Es ist so, daß laut EU-Rechnungshof – und zwar beziehe ich mich auf die Zahlen von 1996 – 5,8 Prozent der Eigenmittel in der einen oder anderen Form veruntreut wurden.

Dazu ist einmal erstens festzuhalten, daß vieles von dem, was an Veruntreuung geschieht, auf nationaler Ebene stattfindet, denn da werden letztlich die Mittel unmittelbar dem konkreten Förderungswerber, der konkreten Förderungswerberin zugeteilt. Da muß etwas geschehen, aber diesbezüglich hat auch der Berlin-Gipfel nichts gebracht. All das, was im Zusammenhang mit der Betrugsbekämpfung gemacht werden soll, ist nicht etwas, das geprägt ist von einem Verständnis, indem gesagt wird, das ist ein sachliches Problem, sondern das ist – wie man ja durch den Rücktritt der gesamten Kommission gesehen hat – etwas, das eher parteipolitisch gesehen wird, das heißt, man will Verantwortung nicht unmittelbar an jenen Personen festmachen, die es tatsächlich betrifft. – Auch das ist daher etwas, was auf europäischer Ebene geändert werden muß. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Meine Aufgabe ist es, da ja diese Diskussion zehn Tagesordnungspunkte umfaßt, jetzt auch auf andere Anträge einzugehen. Ich bin davon überzeugt, daß man gerade im Vergleich zu jenen Maßnahmen, die hier als "großartig" dargestellt wurden, ermessen kann, wie ernst es der Politik tatsächlich mit der Umsetzung von Maßnahmen, zu denen man sich entschlossen hat, ist, wie ernst es der Politik tatsächlich ist, Fehler, die man als solche erkannt hat, auch wirklich auszumerzen.

Schauen wir uns zum Beispiel gleich einen Bericht an, um den es jetzt auch geht, nämlich jenen, mit dem das Inverkehrbringen von Zier-, Gemüse- und Obstarten nach dem Pflanzgutgesetz behandelt wird, und zwar dergestalt, daß es eine Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Pflanzen geben soll, was ja eine Voraussetzung dafür darstellt, daß sich jeder Konsument, jede Konsumentin überhaupt einmal ein Bild davon machen und auch die entsprechende Wahl treffen kann. Wenn man sich also diese Kennzeichnungsvorschriften ansieht, erkennt man, daß die Regierungsparteien keinesfalls der Meinung sind, daß eine solche Kennzeichnung stattfinden soll, denn, meine Damen und Herren, zwei Anträge, die sich mit der Kennzeichnung von solchen Saatgutpflanzen beschäftigen, werden von den Regierungsfraktionen heute wahrscheinlich abgelehnt.

Die Gentechnik, insbesondere aber der weitere Bereich der Biotechnologie, stellt zweifellos einen wichtigen Faktor dar, es ist jedoch auch notwendig, daß in diesem Bereich eine offene Informationspolitik betrieben und daß den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit gegeben wird, einen echte Entscheidung zwischen solchen Produkten, die gentechnisch verändert sind, und solchen, die das nicht sind, treffen zu können. Das setzt aber voraus, daß es eine sehr transparente, eine klar ersichtliche Kennzeichnung gibt. Das aber wurde bis jetzt sowohl auf nationaler Ebene als auch auf der europäischen Ebene abgelehnt.

Ich wundere mich auch, daß wir, wenn es etwa um die Vermarktungsbeiträge zur AMA geht, zwar von den Freiheitlichen hören, daß diese generell gestrichen werden sollen, daß aber nicht erkannt wird, daß wir selbstverständlich gerade auch im landwirtschaftlichen Bereich vermehrtes Marketing brauchen, daß es aber auch von unserer Seite aus sinnvoll wäre, wenn es keine obligatorischen Zahlungen an eine bestimmte Marketinggesellschaft gäbe, sondern daß es eben auch da eine Auswahl geben und den Bäuerinnen und Bauern freigestellt werden soll, wem sie sich anschließen wollen, wenn es um die Vermarktung ihrer Produkte geht, und sie dorthin freiwillig ihre Beiträge zahlen. Das hielten wir Liberalen für einen sinnvolleren Zugang.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Preis, den die Schweinehalter für ihre Produkte bekommen, erheben die Freiheitlichen in einem Antrag die Forderung, daß die degressiven Ausgleichszahlungen, die 1996 eingestellt wurden, weil es damals hohe Preise für diese Produkte gab, jetzt, nachdem es mit den Preisen wieder hinuntergegangen ist, nicht mehr eingefroren bleiben, sondern ausgezahlt werden sollen. – Ich meine, meine Damen und Herren, daß, da ja dieser Antrag, der schon längere Zeit hier im Parlament liegt und daher zeitlich überholt ist, Anlaß dafür sein könnte, einmal darüber zu reden, ob es nicht überhaupt auch im landwirtschaftlichen Sektor eine stärkere Orientierung an marktwirtschaftlichen Kriterien geben sollte. Denn wahr ist: Wann immer die Preise hinuntergehen, wird sofort nach Ausgleichszahlungen und Subventionen geschrien, hingegen wird nicht akzeptiert, daß auch der Bereich der Landwirtschaft, insbesondere der intensiven Landwirtschaft, in Wirklichkeit zu einem Produktionszweig geworden ist, bei dem man sich, wenn man eine Investitionsentscheidung trifft, sehr wohl auch überlegen muß, ob das in Zukunft noch haltbar ist oder nicht.

Wenn eine solche Entscheidung aus unternehmerischer Sicht getroffen wurde, kann es aber bitte nicht so sein, daß die Gewinne einfach eingestreift werden, daß man aber dann, wenn etwas schiefgeht, nach dem Staat und nach Subventionen ruft.

Wir glauben, daß auch da eine verstärkte Marktorientierung notwendig sein wird, ebenso eine fairere Diskussion darüber, inwieweit nicht auch die Intensivproduktion schlicht und einfach marktwirtschaftlichen Kriterien unterworfen werden soll. Daß das, was im Bioproduktbereich gemacht wird, Unterstützungen braucht, gerade angesichts der Strukturen, die wir derzeit im Agrarbereich haben, ist unbestritten und gerade auch in Österreich vorgelebt.

Der letzte Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist etwas, wo es auch wieder um Kennzeichnung geht. Es gibt hier einen Antrag betreffend Kennzeichnung von Eiern aus verschiedenen Haltungsformen. Dazu haben die Regierungsfraktionen einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem es heißt: "Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird ersucht, sich auf europäischer Ebene für eine verpflichtende Kennzeichnung bei der Vermarktung von Eiern aus allen Haltungsformen einzusetzen."

Ich darf Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, daß wir schon einmal überwiegend aus Tierschutzgründen in diesem Hause einen Antrag mit Stimmen aller Fraktionen angenommen haben – das war am 19. April 1996; Frau Abgeordnete Horngacher erinnert sich sicherlich daran –, in dem es um ein Verbot der Käfighaltung von Hühnern ging, und zwar auch auf europäischer Ebene. Dieser Antrag wurde hier im April des Jahres 1996 einstimmig angenommen, leider aber hat das zu keinem Erfolg auf europäischer Ebene geführt, was jedoch nicht bedeutet, daß sich der Herr Landwirtschaftsminister nicht dafür eingesetzt hätte, jedenfalls aber war diesem Antrag kein Erfolg beschieden.

Meine Damen und Herren! Bezüglich jenes Antrages, der heute von den Regierungsfraktionen eingebracht wird und der darauf abzielt, auf europäischer Ebene eine Kennzeichnung der Produkte, im konkreten von Eiern, durchzusetzen, damit man weiß, aus welchen Haltungsformen diese stammen, wird man wohl feststellen müssen, daß auch dieser Antrag hier zwar beschlossen werden wird – sicherlich einstimmig –, dieser aber in der Folge vermutlich keine Konsequenzen zeitigen wird.

Daher darf ich einen anderen Antrag einbringen, der jenen der Regierungsfraktionen ergänzt und lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und weiterer Abgeordneter betreffend die Kennzeichnung aller in Österreich in Verkehr gesetzten Eier aus verschiedenen Haltungsformen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz betreffend die verpflichtende Kennzeichnung von in Österreich in Verkehr gesetzten Hühnereiern, entsprechend allen Haltungsformen, bis 30. Juni 1999 zu übermitteln.

Darüber hinaus wird Herr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ersucht, sich auf europäischer Ebene ebenfalls für eine obligatorische Kennzeichnung einzusetzen."

*****

Meine Damen und Herren! Dieser Antrag umfaßt auch jenen der Antrag der Regierungsparteien, geht aber insofern darüber hinaus, als wir sagen: Alles, was an Produkten in Österreich – jetzt konkret Eier – in Verkehr gebracht wird, sollte entsprechend den Haltungsformen, aus denen diese stammen, gekennzeichnet sein. Nur damit ist gewährleistet, daß sich Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich ein Bild machen können. Das wäre daher ein sinnvoller Antrag. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger.)

Herr Abgeordneter! Ich bin überzeugt davon, daß wir, wenn wir einmal hier in Österreich Konsequenz bei Maßnahmen an den Tag legten, die wir auch auf europäischer Ebene fordern, einen wesentlichen Schritt weiter wären.

Daher würde ich mich freuen, wenn es in der Folge auch noch ein Gespräch zwischen den Fraktionen über eine solche Erweiterung dieses Antrages gäbe; er wird jedenfalls zur Abstimmung stehen. Wenn allerdings die anderen Fraktionen dem beitreten, dann wäre es schön, wenn daraus ein gemeinsamer Antrag werden könnte. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Horngacher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.10

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Hohes Haus! Als wir vor drei Monaten hier im Hohen Hause den Grünen Bericht diskutierten, traten die Verhandlungen zur Agenda 2000 in die entscheidenden Phase. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir alle sehr große Sorgen, und es kam auch zu einer Demonstration.

Bundesminister Molterer und seinem Team ist es nun gelungen, diese Verhandlungen mit einem für Österreich und insbesondere auch für unsere Bergbauern erfreulichen Ergebnis abzuschließen. Dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung. Ich meine, er hat das Bestmögliche für uns herausgeholt. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun aber kommt es zum "Heimspiel". Frau Abgeordnete Aumayr hat davon gesprochen, daß die Verhandlungen so schlecht geführt worden seien, daß es daher zu einem "Heimspiel" kommen mußte. Das, muß ich sagen, halte ich für eine sehr eigenartige Sicht der Dinge. Frau Aumayr – sie ist nun leider nicht mehr anwesend, aber man wird es ihr schon ausrichten – sieht immer nur schwarz oder weiß. Es ist aber nicht alles nur schwarz oder weiß! Wenn sie in der Landwirtschaft alles nur schwarz sieht, so ist das für mich wenig glaubwürdig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Dennoch möchte ich auf die trotz allem noch schwierige Situation der Bergbauern hinweisen. Die Einführung eines Sockelbetrages ist gerade für Betriebe mit geringer Flächenausstattung beziehungsweise erhöhtem Arbeitsaufwand von großer Notwendigkeit. Ich bin froh darüber, daß es dazu gekommen ist, und ich bedanke mich dafür. Diese Regelung dient zur Existenzsicherung vieler kleinstrukturierter Betriebe in unseren Berggebieten, die ihrerseits wieder unverzichtbare Leistungen für die Region erbringen. Als ganz wesentlich erscheint mir aber, daß die Milchquote beibehalten werden konnte – bis auf weiteres zumindest.

Da Frau Gredler in ihrem Debattenbeitrag ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hat, daß die Milchquote noch so lange beibehalten werden soll, muß ich ihr schon folgendes dazu sagen: Im Berggebiet stellt sie schlechthin die Existenzsicherung dar. Der Produktpreis sollte für den Bauern immer noch einen großen Teil seines Einkommens ausmachen. Der Bauer leistet Arbeit und er will landwirtschaften; das steckt ja bereits im Wort "Landwirtschaft". Nutznießer des niedrigen Preises ist der Konsument. (Abg. Wenitsch: Das stimmt ja überhaupt nicht, Frau Kollegin!) Selbstverständlich ist der Konsument der Nutznießer! (Abg. Wenitsch: Nein, der Konsument ist kein Nutznießer! Der Handel, der Großhandel ist der Nutznießer! Die Bauern bekommen immer weniger für ihre Produkte!) Auch der Konsument ist ein Nutznießer! Schauen Sie doch einmal in die Zeitung und sehen Sie sich die neuesten Anzeigen der Handelskette Merkur an, in denen ein Kilo Schweinefleisch für 39 S angeboten wird. (Abg. Böhacker: Warum ist es denn soweit gekommen? – Abg. Wenitsch: Wer hat denn in den letzten Jahren die Agrarpolitik gemacht?) Das hat es nie gegeben, solange ich zurückdenken kann. Aber jetzt gibt es das eben. (Beifall bei der ÖVP.) Für den Konsumenten ist das gut, für den Bauern weniger. (Abg. Wenitsch: Das stimmt ja überhaupt nicht!)

Das Modell, das Frau Gredler uns vorgestellt hat und wonach der Bauer eigentlich zum Sozialhilfeempfänger wird, wollen wir nicht verwirklicht sehen. Wenn ich meinem Buben, meinem Sohn, der eine Schlosserlehre gemacht hat, als Vision für die Zukunft anbiete: Übernimm den Hof und werde Sozialhilfeempfänger, dann erhält dich der Staat!, so ist das keine verlockende Vision. Er wird diesen Hof nicht übernehmen. Er muß seine Freude an der Landwirtschaft haben, und er muß dort wirtschaften können. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe des Abg. Wenitsch. – Abg. Dr. Khol – in Richtung des Abg. Wenitsch –: Der glaubt, weil er auf dem Platz des "Dobermann" sitzt, muß er "bellen"! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang möchte ich zum wiederholten Male den dringenden Bedarf anmelden, eine Kalbinnenprämie, also eine Prämie für die Aufzucht von Kalbinnen einzuführen. Es ist nun einmal so: Jede Reform besteht aus kleinen Schritten, und in solchen kleinen Schritten müssen wir uns eben das Einkommen holen. Wir befinden uns nämlich auf keiner Insel, völlig abgekoppelt von der gesamten übrigen Welt. Und genau darum geht es in Wirklichkeit! (Abg. Wenitsch: Die Bauern werden immer mehr zu Sozialhilfeempfängern! Sie werden immer stärker in Abhängigkeit gebracht!)

Die Sicherung der Existenz der Bergbauern bedeutet somit die dauerhafte Bewahrung der alpinen Regionen, eine nachhaltige Pflege der Landschaft und folglich die Erhaltung lebensnotwendiger Wasserressourcen und Erholungsräume. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Ich glaube, der österreichische Weg ist klar vorgegeben: Unsere Bauern schützen und pflegen ihre Existenzgrundlage, nämlich Landschaft und Tier. Wir wollen eine Landwirtschaft, die Achtung vor der Natur leben kann. Ich danke daher auch dem Herrn Bundesminister ganz herzlich, daß er sich dafür eingesetzt hat, die "Herodesprämie" europaweit abzuschaffen. Das war eine ganz, ganz wichtige Tat! Das ist gelebter Tierschutz! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte noch ganz kurz auf die Käfighaltung zu sprechen kommen. Diese Haltungsform ist Tierquälerei und gehört ebenso, und zwar europaweit, abgeschafft! (Beifall bei der ÖVP.)

Bis dahin ist es natürlich noch ein langer Weg. Ein Ei wird dann nämlich nicht nur bis zu 2 S kosten, sondern es wird mehr kosten müssen. Und dann wird sich zeigen, ob der Konsument bereit ist, für Tierschutzanliegen, für ein gutes Produkt auch mehr zu bezahlen.

Da wir heute über die Landwirtschaft reden, möchte ich noch einen Sachverhalt in Erinnerung rufen, dessen man sich heute kaum noch bewußt ist. Zurzeit wird immer von Überschüssen gesprochen. Wir aber haben eine Zeit erlebt, in der es keine Überschüsse gegeben hat – und es kann noch eine Zeit kommen, in der wir vielleicht alle froh darüber sein werden, wenn wir noch eine funktionierende Landwirtschaft haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: So ist es!)

13.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.16

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Nowotny wünscht sich eine große europapolitische Debatte. – Dieser Wunsch ist legitim, und ich kann diesen an und für sich nur teilen. Nur haben wir seit Jahren die Möglichkeit, in diesem Hause eine große europapolitische Debatte zu führen, und Kollege Nowotny gehört, soviel ich weiß, dem größeren Regierungspartner, der SPÖ, an. Es wäre nichts leichter, als über die eigene Fraktion oder durch Verhandlungen mit dem Koalitionspartner dafür zu sorgen, daß es zu solchen großen europapolitischen Debatten kommt, und zwar regelmäßig. Ich vermisse solche Debatten auch, und ich vermisse sie vor allem dort, wo sie eigentlich stattfinden sollten, nämlich im Hauptausschuß des Nationalrates. Dort verkommen europapolitische Debatten aber immer mehr zu einer eigenartigen Form des – nicht einmal "Hearing" kann man das nennen – Redens und Redenlassens zwischen Regierungsvertretern und der Opposition. (Abg. Dr. Cap: Nicht immer!)

Wie dem auch sei: Wir können und sollten natürlich auch diese Möglichkeit nutzen, eine Debatte über die Agenda, eine europapolitische Debatte zu führen. Nur sollten wir nicht der Versuchung erliegen, heute Dinge zu thematisieren, die sicherlich wichtig sind, die aber schon viel früher und woanders entschieden worden sind. Hiebei beziehe ich mich noch einmal auf Herrn Kollegen Dr. Nowotny, denn die Institutionenreform ist spätestens mit dem Vertrag von Amsterdam mehr oder weniger sanft entschlummert und ad acta gelegt worden, wiewohl sie – und hierin stimme ich mit dem Befund überein – eine Voraussetzung für die Erweiterung der Union ist beziehungsweise wäre.

Die Beschäftigungspolitik ist am Luxemburger Gipfel abgehandelt worden – und das unbefriedigend, sehr unbefriedigend. Das hindert uns aber natürlich nicht daran, dieses Thema immer wieder aufzugreifen.

Was die Frage der Steuerharmonisierung anlangt, kann ich nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieses Anliegen auch in der nächsten Legislaturperiode nicht vergessen werden wird.

Sofern ich mich richtig an die politische Karte Europas erinnere, gibt es eine Mehrheit von sozialdemokratischen Regierungen beziehungsweise von Regierungen, in denen die Sozialdemokratie zumindest mitbeteiligt ist. Wenn all die erwähnten Bereiche wichtig und dringend sind – und ich pflichte dem, wie gesagt, bei –, so wäre nichts leichter, als zu versuchen, diese Themen auch immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Agenda 2000 hatte eigentlich zur Aufgabe, im Rahmen der Strukturierung, der Festlegung des EU-Haushaltes die Weichen zu stellen für die Erweiterung der Union. Die Neuordnung der Strukturfonds und auch die Durchführung der Agrarreform, die Neuordnung der Mittel und Möglichkeiten, die es in diesem Bereich gibt, stehen damit in Zusammenhang.

Ich kann die Lobreden, die zu diesen Fragen gehalten werden – wir haben ja bereits vor nicht allzu langer Zeit schon einmal eine Debatte darüber geführt, zumindest über den Bereich Landwirtschaft –, nicht verstehen und nicht nachvollziehen. Wenn man die Ziele der Agenda, wie zuvor ausgeführt, bestimmt – und das waren sie –, dann muß ich sagen: Diese sind nicht erreicht worden. Zumindest das Hauptziel, nämlich die Weichen zu stellen für die Erweiterung der Union, wurde mit den bisherigen Ergebnissen verfehlt.

Nichts von dem, was an finanzpolitischen Maßnahmen, an Zuteilungen zu verschiedenen Fonds beschlossen wurde, rechtfertigt die Behauptung, daß damit spezielle Mittel eingesetzt, spezielle Förderungen ermöglicht oder spezielle Politikbereiche mit zusätzlichen Finanzierungen eröffnet worden wären, die eine Erweiterung der Union ermöglichen würden. Wenn man sich anschaut, wie das aufgeteilt wurde, so erkennt man, daß Mittel wie ein Tröpferlbad über alle Bereiche verteilt wurden: Da findet sich eine Heranführungshilfe, da gibt es eine Aufstockung von PHARE, da werden dem Agrarsektor, dem Umwelt- und Transportsektor Mittel zugeteilt. Doch die Mittel, die dafür zur Verfügung stehen, sind im einzelnen und in der Summe derart gering, daß es nicht gerechtfertigt wäre, von einer speziellen Unterstützung für die Erweiterung zu sprechen, insbesondere dann nicht, wenn wir uns vor Augen halten, vor welchen Problemen wir bei der Erweiterung in verschiedenen Bereichen, in verschiedenen Beitrittsländern stehen.

Diese Meinung wird nicht nur von mir vertreten. Wenn Sie die Debatte in den letzten eineinhalb Jahren verfolgt haben, werden Sie ja wohl bemerkt haben, daß diese Meinung sowohl von den verschiedensten Wirtschaftspolitikern als auch von vielen Wirtschaftsfachleuten geteilt wird, die dieses Thema zunächst sehr stark unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten betrachten, darüber hinaus aber bis hin zu einer allgemeinen politischen Analyse kommen.

Das einzig Auffällige im Verlauf der ganzen Debatte über die Agenda war die nicht sehr originelle, nicht sehr einfallsreiche Forderung der österreichischen Bundesregierung nach einer Grenzlandförderung. Daß jetzt das INTERREG-Programm als die Grenzlandförderung verkauft wird, kann ich nur mehr als letzten Versuch ansehen, doch noch Glaubwürdigkeit zu erreichen. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger.) Das INTERREG-Programm hat es immer gegeben; das wissen Sie. Es ist ein sehr wichtiges, sehr wertvolles Programm. Aber das, was die Bundesregierung vor einem Jahr unter der Bezeichnung "Grenzlandförderung" gefordert hat, war etwas ganz anderes als das, was das INTERREG-Programm ist. Das wissen wir hier in diesem Hause auch!

Zu Recht und zum Glück ist die Forderung der Bundesregierung nach einer Grenzlandförderung in Brüssel abgewiesen worden, weil diese Forderung, wie gesagt, nicht so originell, sondern sogar ziemlich dumm war. (Abg. Steibl: Was heißt "dumm"? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Um weiter auf jene Aufgaben einzugehen, die diese Agenda eigentlich gehabt hätte und nicht erfüllt hat: Übriggeblieben ist eine Neubewertung der Strukturfonds ... (Abg. Steibl: Es war die Frau Landeshauptmann Klasnic, die das befürwortet hat!) Sie können sich gerne auf die Frau Landeshauptfrau Klasnic beziehen, "Herr Kollege", denn die Ergebnisse der Landeshauptleutekonferenz sind ja noch einmal eine Klasse peinlicher und blamabler gewesen als das, was die Bundesregierung gefordert hat. (Beifall bei den Grünen.) Lesen Sie das in den Kommentaren der Tageszeitungen unterschiedlichster Orientierung des letzten Jahres nach! (Abg. Steibl: Zeitungskommentare sind aber nicht immer objektiv) Ich spreche von den verschiedensten Tageszeitungen, auch jenen der konservativen Seite! Zum Teil war das den Zeitungen ja nicht einmal eine Zeile wert, so unangenehm waren diese Ergebnisse, so dünn. (Abg. Steibl: Man verhandelt, und dann kommt etwas Brauchbares heraus ...!) Die Analyse war richtig. Und daß sich die Landeshauptleute treffen, um dieses Thema zu besprechen, ist natürlich auch wichtig!

Ich habe mir dieses Papier ganz genau angeschaut: Das ist, wie gesagt, sehr, sehr gut im Analysebereich, ausgezeichnet, aber was dann an Forderungen entwickelt wird, kann nicht als Grundlage dafür dienen, es groß als "Grazer Konferenzpapier" oder wie auch immer zu verkaufen.

Zurück zum Strukturfonds. Übriggeblieben ist eine Reform des Strukturfonds, die tauglich scheint, die aber, wie gesagt, weit unter den Erwartungen bleibt, die man im Hinblick auf eine Erweiterung der Union haben mußte. Damit gehe ich ja schon einen Schritt in diese systemimmanente Debatte hinein, indem ich ohnedies nur über Budgetpolitik, Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik diskutiere und überhaupt nicht jene Bereiche anschneide, die meine Kollegin Petrovic hier zu Recht angeschnitten hat. Bei der Erweiterung der Union geht es nämlich um viel, viel mehr als nur um wirtschaftspolitische und finanzpolitische Aspekte.

Das Resümee der Kollegin Aumayr, daß die Bauern das zahlen müßten, was woanders ausgegeben wird, trifft nicht zu, und das erkennt man, wenn man sich die entsprechenden Zahlen und Vergleiche ansieht. Es ist nämlich nicht mehr geworden im Strukturbereich, sondern es ist lediglich intern verändert und verschoben worden. Es ist im Prinzip nicht ein Schilling mehr geworden!

Es hat einen meiner Meinung nach vernünftigen Vorschlag gegeben, und zwar vor mehr als einem Jahr seitens des Außenministers und Vizekanzlers, der gesagt hat: Warum können wir nicht die Restbeträge bis zu den Obergrenzen ausnützen, die jedes Mitgliedsland hat, die aber bislang nicht genützt wurden? Wir könnten diese Beträge für eine tatsächliche Unterstützung bei der Erweiterung der Union verwenden.

Es ist mir unerklärlich, warum dieser Vorschlag, der durchaus vernünftig und zumindest diskussionswert und -würdig ist, nicht weiter aufgegriffen und weiter diskutiert wurde. Stattdessen aber ist man ganz plump in eine von den Deutschen initiierte Nettozahlerdebatte hineingefallen. Und so stehen Sie heute da, Herr Finanzminister, und rühmen sich, daß wir nun nicht mehr soundso viel Prozent, sondern soundso viel Prozent als Nettozahler einzubringen haben. (Bundesminister Edlinger: Das ist für die Menschen in Österreich auch wichtig, daß mehr für sie da ist!)

Angesichts des Zieles dieser Agenda, das zumindest Sie von der Bundesregierung noch vor einem Jahr vorgegeben haben, ist das meiner Meinung nach ein ziemlich erbarmungswürdiges – um nicht zu sagen: erbärmliches – Ergebnis. Sie haben sich leider in einer Art Herdentrieb, der österreichische Regierungsmitglieder ab und zu befällt, der deutschen Bundesregierung und der Debatte dort angeschlossen.

Um zum Schluß zur Landwirtschaft zu kommen: Herr Minister Molterer, Sie zählen hier verschiedene die Landwirtschaft betreffende Themen auf, die alle sehr gut klingen: Sie beginnen mit dem Modell der europäischen Landwirtschaft, sodann erwähnen Sie die multifunktionale Landwirtschaft und schließlich die Bewirtschaftung und Pflege bis hin zum Prinzip der Nachhaltigkeit.

Ich sage Ihnen: Sie werden sich für ein Ziel entscheiden müssen, denn in alle vier Richtungen kann es nicht gehen. Das zeigt Ihnen ja die sogenannte europäische Landwirtschaft bereits heute, daß das nicht zusammengeht und nicht zusammenpaßt. Sie selbst sind ja auch gescheitert mit Ihren Vorschlägen betreffend soziale Staffelung. Also versuchen Sie auch nicht – nur, weil es offensichtlich so üblich ist –, hier im Parlament eine Lobrede zu halten und uns vier gutklingende Schlagworte zu präsentieren, Dinge, die in keiner Weise zueinanderpassen!

Ziel der Kommission bei der Agrarreform war es, das Agrarbudget zu stabilisieren und möglichst weitgehend von der Überschußfinanzierung wegzukommen. Ziel war es aber vor allem – und damit bin ich beim Kern des Ganzen –, eine WTO-Verträglichkeit herbeizuführen und die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltagrarmärkten zu steigern. – Genau das aber haben Sie vornehm verschwiegen. Das war das eigentliche Ziel der Agrarreform!

Gerade dieses Ziel der Agrarreform ist aber besonders fragwürdig, denn es stimmt mit Ihren anderen Zielen der Nachhaltigkeit, der Bewirtschaftung und Pflege in keiner Weise überein. Das wissen wir ja. Das Ergebnis sehen wir, das erleben wir ja seit fünf Jahren, und das werden wir auch in den nächsten fünf Jahren noch erleben, wenn es um weitere Stillegungen bäuerlicher Betriebe, wenn es um den Verlust der Arbeitsplätze im landwirtschaftlichen Bereich geht.

Wenn wir eine gesamteuropäische Debatte führen wollen – in diesem Zusammenhang komme ich noch einmal auf die Ausführungen des Kollegen Nowotny zurück –, dann wäre es durchaus interessant, darüber zu diskutieren, inwieweit es Sinn macht, immer noch quantitatives Wachstum, vor allem in der Landwirtschaft, in den Vordergrund zu stellen, inwieweit es noch Sinn macht, sich an der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zu orientieren, wenn gerade die in Frage kommenden Importländer beziehungsweise Importregionen – sei es Rußland, Asien oder Afrika – von Krisen nur so geschüttelt sind und wenn uns gerade diese Länder – bleiben wir bei Rußland als Beispiel – vorzeigen, in welch kurzer Zeit Preise sozusagen in den Keller rasseln können, und alle Möglichkeiten, die wir haben – im Fall der Schweinepreise haben wir sie nicht einmal gehabt –, nicht greifen.

Aber genau das ist der Punkt. Diese Debatte hat es nicht gegeben, die hat es nie gegeben, im ganzen Bereich nicht, während diese Agenda verhandelt wurde. Herr Minister, diesen Vorwurf müssen wir Ihnen schon machen, wenn Sie hier ein solches Referat halten, eine solche Einleitung machen. Es hat nie ein In-Zweifel-Ziehen, ein In-Frage-Stellen dieses Zieles der Agenda gegeben, nämlich WTO-Anpassung und Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten. Dann aber können Sie nicht hierherkommen und von der Nachhaltigkeit der Landwirtschaft reden. Das paßt beim besten Willen nicht zusammen! (Beifall bei den Grünen.)

Sie wissen ganz genau, daß die Weltmarktorientierung nur zu einer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft führt. Das, was Sie in Österreich vorhaben, ist ja gut, nett und schön, paßt aber überhaupt nicht in dieses Konzept der europäischen Landwirtschaftspolitik hinein.

Im Ministerrat ist statt dieser europapolitischen Debatte eine sehr – und das bedauere ich sehr – national-egoistische Debatte geführt worden – auch von Österreich –, angetrieben von einer Agrarlobby, die – und das sollte man auch einmal zur Kenntnis nehmen – in anderen Ländern nur deswegen stärker und kräftiger ist, weil es dort die Industrialisierung beziehungsweise diesen Schub zur Industrialisierung schon gegeben hat und daher einfach mehr Macht, mehr Kapital dahintersteht als hinter unseren Bauernvertretern.

Ich habe hier ein Zitat des deutschen Landwirtschaftsministers – ich weiß, es klingt böse, aber es hat auf gewisse Weise seine Berechtigung, daher bringe ich es –: Mit Bauern über Reformen zu reden, ist fast so, wie mit Gänsen über Weihnachten zu sprechen. (Abg. Steibl: Was?) Sie können in einer Debatte, in der es, wie sie ganz genau wissen, vor allem aufgrund der kleinbäuerlichen Struktur, die es in Österreich gibt, um das Überleben ihrer Landwirtschaft geht, nicht unbefangen argumentieren (Abg. Steibl: Das ist aber eine ziemlich schlimme Aussage!), weil sie natürlich und verständlicherweise darum kämpfen, zu überleben. Aber der Weg, den sie dafür einschlagen, ist völlig falsch! (Abg. Steibl: Sie maßen sich an, zu sagen, was Bauern brauchen oder nicht!)

Meine Vorrednerin hat das ja heute noch einmal aufgezeigt. (Abg. Steibl: Das ist ein Wahnsinn!) Aber solange wir uns in dieser Diskussion nur an den Produkten und deren Förderungen, an Quotenregelungen – so wichtig sie auch sind; ich weiß, es gibt so etwas wie einen Funken Hoffnung im Bereich der Landwirtschaft, und es gibt so etwas wie Übergangsregeln, wie sie auch jetzt wieder im Rahmen der Agenda 2000 beschlossen worden sind – orientieren, wird es zu keiner Nachhaltigkeit kommen. (Abg. Steibl: Aber mit solchen Aussagen ist den Bäuerinnen und Bauern nicht geholfen!)

Zwei, drei Dinge erachte ich für ganz wichtig. Ich habe sie bisher schon in jeder Debatte genannt, sei es zur Agenda oder zur Landwirtschaft, und ich wiederhole sie noch einmal:

Ich halte es für ganz wichtig, daß eine soziale Staffelung eingeführt wird, daß die Modulation eingeführt wird, die leider in der Agenda 2000 nicht durchsetzbar war. Ich weiß, daß sich Österreich darum bemüht hat, aber sie konnte nicht durchgesetzt werden. (Zwischenruf des Abg. Zweytick.)

Ich halte es für ganz wichtig, daß sich die Förderungen stärker am Bereich der Beschäftigten in der Landwirtschaft orientieren und dort ansetzen. Wenn wir irgend etwas erhalten wollen, wenn wir Arbeitsplätze und darüber hinaus eben auch die Bewirtschaftung und Pflege der ländlichen Regionen erhalten wollen, dann halte ich es für wichtig, daß im Bereich der Beschäftigten angesetzt wird. Schlußendlich halte ich es für wichtig, in Richtung Entwicklung des ländlichen Raumes zu gehen, was bisher nur ansatzweise realisiert wurde.

Dazu sage ich Ihnen allerdings folgendes: Daß 10 Prozent des Budgetvolumens, das für alle anderen Bereiche der Landwirtschaft aufgewendet wird, für die Entwicklung des ländlichen Raumes ausgegeben worden sind, rechtfertigt nicht, daß Sie sagen können, es werde ein anderer Weg eingeschlagen (Abg. Zweytick: Aber Sie dürfen nicht Äpfel mit Birnen vergleichen!), daß Sie davon reden können, daß wir einen Weg in Richtung Nachhaltigkeit einschlagen. Das ist mit 10 Prozent des Budgetvolumens in keiner Weise gegeben!

Mit den anderen Vorschlägen sind wir nicht durchgekommen. (Abg. Zweytick: Das ist das totalitäre Regime: Verstaatlichung, Kolchosenwirtschaft, ...) Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen, Herr Kollege. Ich anerkenne, daß es ein Bemühen in den Verhandlungen gegeben hat, auch seitens Österreichs. Aber ich wehre mich dagegen, daß mir das Ergebnis als das Modell der europäischen Landwirtschaft in einem Atemzug mit Nachhaltigkeit verkauft werden soll. Denn das geht, wie die EU aufgezeigt hat, nicht Hand in Hand! (Beifall bei den Grünen.)

13.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.34

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, daß die Probleme der Landwirtschaft uns alle angehen, und zwar nicht nur deshalb, weil wir für das Geld der Steuerzahler, das darin involviert ist, mitverantwortlich sind, sondern auch als Konsumenten: Wir essen gerne, wir trinken gerne!

Bei mir kommt noch etwas ganz Spezielles hinzu, nämlich daß von den Bananen-Problemen durch die damit verbundenen Importzölle der Amerikaner sowie auch von der Hormondiskussion einer der wichtigsten Betriebe in meinem Bezirk betroffen ist: Die Firma Manner, die Süßwaren, also Waffeln, Schnitten und dergleichen herstellen, wird dadurch sehr benachteiligt. Diese Zölle sind zwar gerade aufgehoben worden, aber es droht, wie ich höre, ab 13. Mai wiederum ein Mehrfaches an Belastungen durch Zölle, und das hat natürlich Auswirkungen auf den Betrieb.

Das heißt, wann es in der Landwirtschaft und in der Annäherung von Marktkultur und Marktpreisen nicht funktioniert oder wenn es dabei Probleme gibt, trifft das auch Bereiche, die außerhalb der Landwirtschaft angesiedelt sind. Daher ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, das hier im Plenum einmal festzustellen. (Abg. Zweytick: Das sagen wir schon immer!)

Ich denke aber, daß man, wenn man sich mit diesem grundsätzlichen Problem auseinandersetzt, nicht zu leichtfertig vorgehen soll. Minister Molterer und Minister Edlinger haben sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicherlich sehr darum bemüht, für die österreichischen Bauern, wie sie sagen, alles, was möglich ist, herauszuholen. Aber das allein ist meiner Ansicht nach nicht mehr die zentrale Frage, denn angesichts des Umstandes, daß im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft 48 Prozent des Budgets dafür aufgewendet werden, ist es berechtigt, insbesondere auch unter dem Druck der Welthandelsorganisation, die Frage zu stellen, in welche Richtung sich die Landwirtschaft in Österreich und in Europa entwickelt.

Und da ist es natürlich zuwenig, bloß die Handlungsgrenzen von Politik und staatlichen Einrichtungen zu beschreiben und diese Handlungsgrenzen dadurch zu definieren, daß man halt darauf hinweist, wie sich diverse kritische Bauernversammlungen und Bauerndemonstrationen abspielen. Auch ich habe das mitbekommen, es ist keine Kleinigkeit, speziell für einen ÖVP-Funktionär, Minister oder Bauernvertreter, sich dort hinzustellen und zu argumentieren, welche Veränderungen es geben muß.

Daß dabei der Zeitfaktor eine wichtige Rolle spielt, ist unbestritten. Und wir wissen natürlich auch, daß es nach wie vor so etwas wie einen Mythos des Bäuerlichen gibt. Die Äußerung der Kollegin Horngacher über ein bißchen Überschuß war ja nicht unberechtigt. Viele denken noch an die Zeit der Kriegswirren, an Hunger und Not und so weiter. Daher ist es auch ein Mythos, und das ist auf alle Fälle einmal zur Kenntnis zu nehmen.

Aber wie ist nun vorzugehen, um ein Reformbewußtsein unter den Betroffenen, unter den Produzenten, den Konsumenten und den Steuerzahlern herzustellen, damit es wirklich zu diesen Veränderungen kommt, die ja unser Ziel sein müssen, denn Europa kann letztendlich nicht nur eine Einrichtung sein, die Agrarsubventionen verteilt, sondern wir müssen an den Standort Europa denken, wir müssen an wichtige Investitionen im Sinne technologischer Innovationen denken, wir müssen an den Industriebereich denken, und es gibt noch sehr viel mehr, was wir zu berücksichtigen haben.

Kommissar Fischler und natürlich auch andere haben sich daher Gedanken über Reformen gemacht, aber das Resümee und die Kommentare vieler lauteten: Das war nicht durchsetzbar! – Nicht einmal dieses Minimalprogramm, geschweige denn eine richtige Reform! Dazu gäbe es noch viel mehr anzumerken. Minister Molterer könnte sicherlich von Initiativen von Chirac sowie anderer Staatschefs und Agrarminister erzählen und darüber, welch kompliziertes Balancieren der Interessen erforderlich ist, um sich durchzusetzen.

Genau das aber fehlt mir bei der FPÖ, deren Vertreter von diesem Rednerpult aus so tun, als könnte Politik in diesem Bereich – nicht nur in diesem, aber besonders in diesem Bereich – linear vorgehen, als würde es genügen, wenn sich der politische Vertreter, also der Landwirtschaftsminister oder der Finanzminister, hinstellt und sagt: Vernünftig ist ..., daher fordere ich ...! – Leider ist es oft so, daß sich der politische Konsens nicht immer ausschließlich danach orientiert. Aber zu denken sollte es geben. (Ruf bei den Freiheitlichen.) – An der Durchsetzbarkeit orientiert!

Es wird Ihr Landeshauptmann Haider demnächst in Kärnten beweisen müssen, wo die Grenzen seiner Durchsetzungskraft sind, und dann werden Sie von uns ganz lange Listen präsentiert bekommen, über die wir, falls Sie Lust haben, auch hier im Parlament diskutieren können. Jedenfalls werden Sie sie von uns serviert bekommen. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl.)

Das Problem ist daher: Wenn sich in den Gefrierhäusern, wie es, fast resignierend, in einem sehr interessanten Artikel steht, 500 000 Tonnen unverkäufliches Rindfleisch stapelt, wenn es bei der Milchproduktion jetzt schon eine 20prozentige Überproduktion gibt, man in Wirklichkeit aber akzeptiert, daß die Produktionsquoten bereits in den kommenden Jahren um fast 1,4 Millionen Tonnen steigen werden (Abg. Wenitsch: 4,8 Millionen Tonnen!), wenn man sich nicht traut – und das ist immer die Quintessenz all dieser Analysen –, dieses planwirtschaftliche System mit seinen Quoten, Stillegungen, Preisregulierungen und all dem, was vielleicht zum Teil berechtigt ist, wenigstens einmal in der Diskussion zu reformieren, wenn man sagt, wir wollen keine Absatzkolonie anderer Produktionsgebiete sein, die mit ihren industriellen Produktionsstätten im Agrarbereich viel billiger produzieren können, dann muß man es aber klar und deutlich sagen! Dann muß auch die Opposition akzeptieren, daß das eine Art Grundkonsens ist, und dann muß man natürlich in diesen Verhandlungen auch gegenüber der Welthandelsorganisation geschlossen vorgehen.

Aber in jenen Bereichen, in denen man versuchen muß, Veränderungen durchzuführen, damit man sich mehr an die Marktlogik anpaßt, hat man zwar Bündnispartner aus dem Bereich der Bauern, der Konsumenten, der Steuerzahler, aber auch Gegner, teilweise in der Bürokratie – weil die ja froh ist, daß es das alles gibt, lese ich, denn es muß kontrolliert und verwaltet werden –, anscheinend im Handel, und zwar in der Mitte der Kette, denn es muß ja Gewinner geben, irgendwohin müssen die Mittel ja fließen, sonst müßte man nicht dauernd herumrennen und sagen, eigentlich hat der nichts, der nichts und der nichts, nämlich jene drei Gruppen, die ich vorhin aufgezählt habe.

Das aber macht es erforderlich, daß wir uns dazu bereit erklären, uns unangenehmen, kritischen Diskussionen zu stellen. Daher wäre meiner Ansicht nach auch die Opposition gut beraten, nicht bloß durchs Land zu ziehen und die Bauern gegen die Entscheidungsträger aufzuhetzen (Abg. Wenitsch: Herr Kollege! Zu den Demonstrationen hat der Bauernbund aufgerufen, die ÖVP war demonstrieren!), sondern inhaltlich darzustellen, wo es eine Perspektive für eine Reform oder Veränderung gibt, und zu vermitteln, daß auch da Einsicht in diese Reform – manchmal auch unbequeme und unangenehme Einsicht – notwendig ist. Sie sollten nicht bloß an einen kurzfristigen nächsten Wahlerfolg denken, denn sonst wird auch für Sie der Zahltag kommen, dem Sie sich unweigerlich einmal stellen müssen. Und darauf freue ich mich ja sowieso schon! (Beifall bei der SPÖ.)

13.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.42

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Schwarzenberger ist im Moment leider nicht im Saal, vielleicht kann man ihm etwas ausrichten: Daß er zu Beginn jeder Rede zunächst einmal die Freiheitlichen anschüttet, kratzt wirklich niemanden mehr, aber eine Million Österreicherinnen und Österreicher, die hart an oder unter der Armutsgrenze leben, zu verhöhnen, ist wahrlich ein starkes Stück! (Abg. Tichy-Schreder: Das hat er nicht gesagt!) Schwarzenberger sollte sich dafür schämen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Das hat er nicht gemacht!)

Zum zweiten hat Kollege Nowotny – er ist leider auch nicht im Saal – heute zum wiederholten Male und berechtigt darüber lamentiert, daß die Besteuerung der menschlichen Arbeit, der Humanressourcen einfach zu hoch ist. Dazu meine Frage an Sie, Herr Finanzminister, an die Sozialdemokratie, an die ÖVP: Wer hat denn in den letzten vier Jahrzehnten die Steuerpolitik in Österreich geprägt? Die Freiheitlichen? Die Liberalen hat es noch gar nicht gegeben, die Grünen hat es auch noch nicht gegeben. – Es waren schlicht und ergreifend Rot und Schwarz! (Abg. Mag. Schweitzer: Vor allem Rot!) Und jetzt lamentieren Sie hier darüber, daß die Belastung der Humanressourcen aus steuerlichen Gründen viel zu hoch ist. Das ist Kindesweglegung, schlicht und ergreifend Kindesweglegung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zum ECOFIN. In der "Süddeutschen Zeitung" vom 15. März 1999 heißt es: Ein kopfloser ECOFIN! Lafontaine hat sich "französisch" verabschiedet. – Eichel war noch nicht installiert, der ECOFIN kopflos, und trotzdem hat der damals noch designierte Bundesfinanzminister Deutschlands, Eichel, die Koordinierung der Steuerpolitik als eine wichtige Aufgabe bezeichnet: Steuerdumping führe dazu, daß Unternehmen abwandern und die Einnahmen des Staates sinken. Er hat aber auch gleich dazugesagt, daß die Koordinierung der Steuerpolitik innerhalb der EU ein schwieriger Spagat werden wird.

Auch der für Steuerpolitik zuständige italienische Kommissar Mario Monti macht Druck und sagt, die Koordinierung müsse vorangetrieben werden. Im Jahre 1997 wurde ein Verhaltenskodex verabschiedet, durch den der unfaire Steuerwettbewerb verhindert werden soll. – Herr Finanzminister! Können Sie Ergebnisse, Auswirkungen dieses Verhaltenskodex vorweisen? Was ist geschehen? Was wurde erreicht damit? Monti geht sogar so weit, im Zusammenhang mit allen Steuer- und Finanzfragen das Prinzip der Einstimmigkeit in Frage zu stellen.

Wenn Kollege Nowotny den Freiheitlichen vorwirft, daß sie sich gegen eine Steuerharmonisierung, gegen eine Steuerkoordinierung in Europa verwehren, dann irrt er. Ganz im Gegenteil: Das ist eine langjährige Forderung der Freiheitlichen. Es wäre sogar eine jener Hausaufgaben gewesen, die die EU zu lösen gehabt hätte, bevor sie an eine Erweiterung denkt. Aber diesbezüglich ist bedauerlicherweise nichts geschehen.

Es gibt vier Kreise: Besteuerung von Kapital, Energiebesteuerung, Unternehmensbesteuerung und Koordinierung im Bereich des Umsatzsteuerrechtes.

Besteuerung von Kapital? – Jawohl, diese gehört koordiniert! Ob allerdings die Schweiz und Großbritannien und so weiter mitspielen werden, werden wir noch sehen.

Koordinierung im Bereich der Energiesteuern? – Jawohl, sie ist notwendig. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Molterer.) Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Ökologisierung des Steuerrechts. Eine Ökologisierung des Steuerrechts ohne koordinierte Energiesteuern in Europa wird es nicht geben.

Bei den Unternehmensbesteuerungen bin ich mir nicht mehr ganz so sicher, denn man sollte einen vernünftigen Steuerwettbewerb – nicht einen unfairen, sondern einen vernünftigen Steuerwettbewerb – bei den Ertragssteuern zulassen. Nur eines muß schon klar sein: Es geht nicht, daß Länder einerseits mit einem sehr günstigen Unternehmenssteuerkonzept agieren, gleichzeitig aber die höchsten Förderungen aus den EU-Töpfen verlangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei der Umsatzsteuer ist es notwendig, Herr Finanzminister, daß man endlich vom Bestimmungslandprinzip zum Ursprungslandprinzip übergeht, sonst wird es Ihnen nie gelingen – nie! –, die Umsatzsteuerbetrügereien, die sich im Milliardenbereich abspielen, zu verhindern.

Abschließend – die Redezeit ist leider schon erschöpft –: Unabhängig davon, daß es zu einer Koordinierung des Steuerwesens auf europäischer Ebene kommen wird müssen, dürfen Sie nicht vergessen, Herr Finanzminister, daß Sie auch im Inland Ihre Hausaufgaben machen müssen. Wir brauchen in Österreich ein Steuersystem, das entrümpelt, vereinfacht, fairer, transparenter und auch erträglicher ist. Mit dem bisher vorliegenden Steuerreformgesetzpapier 2000 werden Sie diese Vorgaben sicherlich nicht erfüllen. (Beifall den Freiheitlichen.)

13.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Edlinger. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Meisinger: Jetzt ist er gefordert!)

13.47

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir im Laufe der Debatte überlegt, wann es für mich eine Gelegenheit geben könnte, einzusteigen, um ein paar Tatsachen festzustellen und auch bisher Geäußertes klarzustellen. Nun bin ich sehr optimistisch, denn ich nehme an, daß manche nicht vom gleichen Informationsstand ausgehen wie ich, und komme – das glaube ich für mich in Anspruch nehmen zu können – meiner Informationsverpflichtung in jenen Ausschüssen, in denen ich die Möglichkeit dazu habe, und auch im Hohen Haus gerne nach. Eine ehrliche und offene Diskussion kann nämlich meiner Überzeugung nach nur dann stattfinden, wenn man vom gleichen Informationsstand ausgeht und vor allem der Überzeugung ist, daß jene Argumente, die man vorzutragen hat, die stärkeren sind. Daher bin ich für eine volle Information und Chancengleichheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade die Steuerfrage zeigt, wie merkwürdig die Diskussionsprozesse eigentlich laufen. Es besteht ja überhaupt kein Zweifel daran, daß die europäische Politik und die Themen, die auch im Rahmen der Europäischen Union sehr große Priorität erlangt haben, sich in den letzten beiden Jahren massiv geändert haben. Es ist auch klar, daß es gerade aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips nicht einfach ist, eine Entscheidung zu treffen beziehungsweise einen Konsens zu finden, der die Zustimmung aller hat. Ich möchte mir nicht vorstellen, zu wie vielen Beschlüssen in wichtigen Materien dieses Hohe Haus finden könnte, wenn das auch ein Grundsatz des österreichischen Parlamentarismus wäre.

Daher ist es wichtig, daß man nicht nur ein Zielkonzept hat, sondern daß man Kompromisse auch nur dann eingeht, wenn man davon überzeugt ist, daß dadurch ein Schritt in jene Richtung getan wird, die man letztendlich anpeilt. Insofern muß Ihnen ganz ehrlich sagen, Herr Abgeordneter Böhacker, daß es mich ein bißchen betroffen macht, wenn Sie hier im österreichischen Parlament die bislang sehr geringe konkrete Bewegung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Steuerfrage, die ich für sehr wichtig halte, beklagen und so tun, als ob die österreichische Bundesregierung Versäumnisse verschuldet hätte. Ich glaube, das ist eine Fehleinschätzung unserer Position. (Abg. Böhacker: Nein! Das habe ich nicht gesagt! Europas Versäumnisse sind das!)

Dann wäre es fair gewesen, sehr geehrter Herr Böhacker, wenn Sie hier in diesem Hause auch die Bemühungen der österreichischen Bundesregierung und des zuständigen Ministers, der während der österreichischen Präsidentschaft die Steuerdiskussion auch auf politischer Ebene aktualisiert hat, erwähnt hätten. (Abg. Gaugg: Das geht nicht! – Abg. Böhacker: Das machen eh Sie selber!) Denn dafür, zu erkennen, daß man sich möglicherweise mit einer Meinung in der Minderheit befindet oder sich nicht durchsetzt, müßten Sie eigentlich ein besseres Feeling haben als ich. Aber ich bin sehr beharrlich, wenn es darum geht, an und für sich richtige und gescheite Grundsätze durchzusetzen.

Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich auch folgendes: Wenn wir wollen, daß diese Europäische Union das wird, was wir alle brauchen, nämlich ein lebendiger und harmonischer Wirtschaftsraum, der in allen Facetten seiner Geographie jene Kraft entwickelt, die wir nicht nur zur Belebung des Binnenmarktes, sondern auch dafür brauchen, um in der weltweiten Globalisierung und im Wettbewerb mit anderen großen Wirtschaftsräumen bestehen zu können, dann ist es sicher zunächst wichtig, daß es uns gelungen ist, daß elf Länder dieser Europäischen Union ihre Budgets so strukturieren konnten, daß sie nun in der Lage sind, eine Währungsunion zu bilden. Es bedeutete nämlich eine große Irritation des Wirtschaftsraumes, daß wir von Zeit zu Zeit gewaltige volkswirtschaftliche Volumina aufwenden mußten, um Währungsturbulenzen auszugleichen. Die österreichische Volkswirtschaft kosteten beispielsweise die Währungsturbulenzen in Italien im Jahre 1995 rund 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das gehört nun der Vergangenheit an, und ich bin stolz darauf, daß ich daran mitwirken konnte, dieses Stadium zu erreichen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe aber – und damit komme ich durchaus in die Nähe von Argumenten, die auch hier vorgebracht worden sind – nie einen Zweifel daran gelassen, daß der Euro für mich nicht das Ziel der Europäischen Union ist. Das Ziel der Europäischen Union ist ein anderes, der Euro ist ein Weg, er ist ein Weg, der dazu geeignet ist, manche Ziele der gemeinsamen europäischen Politik besser und rascher verwirklichen zu können, und dazu gehört eben die Steuerpolitik! Es ist überhaupt keine Frage, daß das Problem des Verhaltenskodex und der Ortung von unredlichen Steuerwettbewerbssituationen in der Europäischen Union gar nicht so einfach ist.

Die englische Staatssekretärin Primarola, die den Vorsitz in dieser Kommission innehat, hat erst am vergangenen Wochenende in Dresden beim informellen ECOFIN das Volumen der wechselweise als schädlich eingestuften Situationen quantifiziert. Die Arbeitsgruppe für den Verhaltenskodex hat nun über 300 Fallbeispiele innerhalb der Europäischen Union definiert, die – noch nicht akkordiert – zumindest untersucht werden müssen, ob sie den Tatbestand des unredlichen Steuerwettbewerbes darstellen.

Es ist halt leicht, das zu fordern, aber ungeheuer schwierig, dann konkret solche Situationen zu orten und faktisch auch Strategien zu entwickeln, um diesen schädlichen Steuerwettbewerb auszuschalten. (Abg. Böhacker: Gibt es da schon eine Definition der Größenordnung dieser 300 Fallbeispiele?) Nein, denn darum geht es ja auch gar nicht! Das kann man nicht definieren. Wenn ich heute beispielsweise in irgendeiner Region – ich nenne jetzt kein Land, damit ich nicht mißverstanden werde – Unternehmungen für Investitionen anwerbe ... (Abg. Böhacker: Mit 10 Prozent KöSt!) – Das ist ja ein hanebüchenes Fallbeispiel, wenn Sie vielleicht meinen, die Iren hätten die Absicht, die KöSt auf 10 Prozent zu senken. Nein, so geht das doch gar nicht! Es geht vielmehr darum, daß durch gar nicht so leicht sichtbare Freundlichkeiten gegenüber einem Investor die Wettbewerbssituation so verändert wird, daß er von einem Land in das andere zieht, weil er dort etwa eine Zeitlang keine Kanalgebühr, keine Grunderwerbssteuer, vielleicht auch keine Kommunalabgaben zahlen muß und und und. Das ist sehr schwer zu definieren, und es ist ganz schwierig, Strategien dagegen zu entwickeln!

Daher glaube ich, daß – und ich war am Anfang auch ein wenig kritisch wegen des langsamen Tempos der Verhaltenskodexgruppe (Zwischenruf des Abg. Böhacker) – das ganz schwierig ist, und ich bin heute davon überzeugt, daß dort seriöse Arbeit geleistet wird, eine Arbeit, die dazu führen soll, daß bis zum Jahresende der abschließende Bericht dieser Verhaltenskodexgruppe vorliegt, damit dann darüber diskutiert werden kann, wie man das in den Griff bekommt.

Zum zweiten, zur Kapitalertragsbesteuerung, möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen: Es geht halt nicht so einfach, daß sich irgend jemand hinstellt und sagt, daß das koordiniert gehört. Man muß die Geschichte der europäischen Steuersysteme kennen und bedenken. Die Briten und Luxemburger wehren sich nicht gegen eine Kapitalertragsbesteuerung, weil sie so "böse" Menschen sind, sondern weil ihre Kapitalmärkte so strukturiert sind, daß sie befürchten, daß sie dadurch bestimmte Vorteile, die sie anderen gegenüber haben, verlieren. Das ist also nicht so einfach, man muß das gesamte Paket sehen.

Die Luxemburger halten die Unternehmensbesteuerung für ganz wichtig, wobei es da gar nicht darum geht, daß die Körperschaftsteuersätze harmonisiert werden. Der Rat von Wien hat der Kommission den Auftrag erteilt, innerhalb eines Jahres – denn auch das ist eine schwierige Arbeit – zu ermitteln, auf welche Weise in den einzelnen europäischen Staaten die Gewinnermittlungen erfolgen. (Abg. Böhacker: Bemessungsgrundlage!) Denn die KöSt ist ja nur ein äußerer Anlaß. Wenn der Inhalt, der letztendlich zu einer Versteuerung führt, verschieden ist, dann ist es egal, ob der Steuersatz gleich ist. (Abg. Böhacker: Ja, aber das ist ja eine Binsenweisheit!) Nein, das weiß man so einfach nicht. (Abg. Böhacker: Eine Binsenweisheit, daß der Steuersatz immer im Zusammenhang mit der Bemessungsgrundlage steht!)

Oppositionspolitiker wissen immer alles! Aber ich muß Ihnen mitteilen, daß es, will man seriös bleiben, richtig und wichtig ist, daß die Grundlagen der Unternehmensbesteuerungsstrukturen in den einzelnen Ländern – und was das betrifft, gibt es ganz interessante Aspekte, die ich nicht gekannt habe; darauf, daß es sogar europäische Länder gibt, die branchenunterschiedliche Möglichkeiten der Gewinnermittlung kennen, muß man erst einmal kommen – nach dem Gebot der Seriosität und mit einem ganz massiven Tiefgang in der Analyse erhoben werden, bevor man diesbezügliche Maßnahmen setzt, denn sonst blamiert man sich.

Der dritte Bereich, den ich ebenfalls für sehr wichtig halte, ist die Energiebesteuerung. Es ist überhaupt keine Frage – das habe ich immer vertreten, und das ist auch gleich eine Antwort auf eine Frage, die heute noch nicht gestellt worden ist –, daß wir in der österreichischen Steuerreform nur einen, wie ich meine, sehr zaghaften, wenn überhaupt als solchen definierbaren Schritt der Ökologisierung gemacht haben. Dies geschah deshalb, weil ich – und das sage ich auch ganz offen – wirklich davon überzeugt bin, daß bei diesem Thema gesamteuropäisches Handeln notwendig ist, wenn wir verhindern wollen, daß es zu Wettbewerbsverzerrungen für die Wirtschaft kommt, es sei denn, man legt für die Wirtschaft so viele Ausnahmen fest, daß praktisch nur noch der private Konsument eine solche Ökosteuer zahlt. Wenn man diesem dann einen Ökobonus gibt, muß ich mich am Ende fragen, warum wir das überhaupt tun, denn dann bleibt nichts übrig.

Daher ist das ein ernstes, ein wichtiges Thema einer gesamteuropäischen Politik, über das man auch ausführlich reden muß, weil vor allem manche Kohäsionsländer selbstverständlich sagen, daß durch eine Energiebesteuerung in ihren aus ihrer Sicht ohnehin unter schwierigen Wettbewerbsbedingungen operierenden Unternehmungen zusätzliche Probleme entstehen könnten, weshalb sie meinen, daß sie derzeit noch nicht in der Lage sind, massive Schritte in diese Richtung zu setzen.

Bei der Mehrwertsteuer muß – das ist ganz richtig – das Prinzip Ursprungsland – Empfängerland im Mittelpunkt stehen. In dieser Frage sind wir jedoch aufgrund unterschiedlicher Interessen nicht in der Lage, innerhalb einer absehbaren Zeit zu einer endgültigen Entscheidung zu kommen, es sei denn, wir verlassen das Prinzip der Einstimmigkeit.

Und dazu sage ich jetzt auch ganz ernsthaft, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das Prinzip der Einstimmigkeit hat sehr viele Vorteile, und man muß gerade als kleineres Mitgliedsland genau aufpassen, damit nicht mit qualifizierten Mehrheiten insofern operiert werden kann, daß die Quoren so angesetzt sind, daß zum Beispiel drei Staaten alles verhindern können, weil es keine qualifizierte Mehrheit gibt, oder daß fünf oder sechs über alle drüberfahren können. Gerade ein in Mitteleuropa gelegener Staat hat bestimmte legitime Interessen. Ich hätte mir bei der Transitproblematik gerne angeschaut, was es bedeutet hätte, gäbe es das Prinzip der qualifizierten Mehrheiten. (Zwischenruf des Abg. Ing. Nußbaumer.) Daher muß man genau wissen, was man politisch verlangt, und auch die Konsequenzen bedenken!

Daher ein letzter Punkt: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wäre sehr daran interessiert, eine grundsätzliche Debatte darüber zu führen. Aber ich kann wirklich nicht verstehen, daß mir als Finanzminister der Republik – nicht von der Freiheitlichen Partei, aber von anderen – vorgeworfen wird, daß ich mir erlaubt habe, dem Parlament darüber zu berichten, daß der finanztechnische Bereich aus Sicht der Republik Österreich extrem gut verhandelt wurde.

Selbstverständlich kann ich mir auch die Frage stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ob die Gesamtheit der Mittel ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger.) – Ich habe gesagt: nicht Sie! Ich spreche nicht nur über die FPÖ, sondern ich spreche mit dem Nationalrat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte daher in aller Deutlichkeit folgendes sagen: Es hat einen gewissen Charme, zu sagen, daß man für gemeinschaftliche Bereiche und vor allem für Bereiche, die der Integration und der Heranführung dienen, mehr Geld brauchen würde. Aber nur das festzustellen, ohne gleichzeitig in diesem Hause auch zu sagen, daß das bedeuten muß, der österreichischen Bevölkerung klarzulegen, daß sie mehr an die EU zahlen muß, ist zumindest – die Sprecherin der Grünen hat das so gesagt – nicht fair!

Ich würde mich sehr freuen, würden Sie das Ergebnis meiner Arbeit auch ein bißchen fair beurteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte noch eine konkrete Frage ansprechen, da ich glaube, daß es sich dabei nicht um Polemik, sondern um ein Mißverständnis handelt, nämlich die INTERREG-Programme. Sowohl Frau Aumayr als auch – wenn ich mich nicht irre – Herr Böhacker ... (Abg. Wenitsch: Nein!) Nein? (Abg. Wenitsch: Kammerlander!) Nein, das war noch jemand von Ihnen; aber es ist ja egal. (Abg. Böhacker: Irren ist menschlich!)

Ich sage es also für alle: Die INTERREG-Programme gestatten so, wie sie jetzt neu konstruiert sind, keine Investitionen außerhalb der EU-15! Denn die INTERREG-Programme der Gemeinschaftsinitiativen sind in Rubrik 2 enthalten. Ich darf Ihnen, sehr geehrte Frau Aumayr, Punkt 13 vorlesen, der lautet:

"Für die EU-15 reservierte Ausgaben (Rubriken 1 bis 6)" – darin sind jene 5 Milliarden enthalten, die wir aus INTERREG bekommen – "können zu keinem Zeitpunkt für die Heranführungshilfe (Rubrik 7) verwendet werden, und umgekehrt können für die Heranführungshilfe reservierte Ausgaben nicht für die EU-15 verwendet werden."

Die 5 Milliarden aus Gemeinschaftsinitiativen für INTERREG dürfen gemäß den Beschlüssen der Agenda 2000 nur in Österreich investiert werden! Das ist auch nichts sensationell Neues, weil die Kofinanzierung der grenzüberschreitenden INTERREG-Programme früher über PHARE und heute über die Heranführungshilfe in Rubrik 7 zu finanzieren ist.

Nehmen Sie daher bitte zur Kenntnis – und lassen Sie die entsprechende Passage in künftigen Reden weg –: 5 Milliarden aus INTERREG werden in Österreich investiert! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Kampichler. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.04

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Entwicklung des ländlichen Raums wird durch die Beschlüsse der Vereinbarungen im Rahmen der Agenda 2000 nachhaltig beeinflußt. Das hat Herr Minister Molterer bereits sehr klar dargestellt. Auch einer meiner Vorredner, Günter Stummvoll, hat darauf hingewiesen, welche neuen Möglichkeiten uns hier ins Haus stehen.

Eine Reihe wichtiger Maßnahmen ist vorgesehen, um Benachteiligungen im ländlichen Raum abzubauen, um diesem wichtigen Lebensraum neue, notwendige Wirtschaftsimpulse zu geben und um vor allem Spielräume für neue Initiativen zu schaffen. Durch Veredelung und durch eine Verbesserung soll die Wertschöpfung bei Produkten des ländlichen Raumes erhöht werden. Im ländlichen Raum werden dadurch Arbeitsplätze geschaffen, und die Wirtschaftskraft steigt. (Die Abgeordneten Ablinger, Dr. Niederwieser und Hans Helmut Moser stehen an der Regierungsbank und sprechen mit den Bundesministern Edlinger und Mag. Molterer. – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Sie sollen ihre Sprechstunden woanders abhalten!)

Für innovative Investitionen ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich bitte, die Fragen an die Herren Minister etwas kürzer zu halten – oder vielleicht die Antworten.

Abgeordneter Franz Kampichler (fortsetzend): Für innovative Investitionen können Beihilfen in der Höhe von 40 Prozent des förderfähigen Volumens gewährt werden; in Ziel-1-Gebieten sind es sogar 50 Prozent.

Ein gemeinsames Entwicklungsprogramm für Wirtschaft und Landwirtschaft soll gewährleisten, daß der ländliche Raum nicht nur Lebens- und Erholungsraum bleibt, sondern auch attraktive Arbeitsplätze anbietet. Neue Voraussetzungen geben uns in diesem Bereich auch neue Chancen: Die Vernetzung und die moderne Telekommunikation ermöglichen es uns, daß auch qualitativ hochwertige Beschäftigungsbereiche in den ländlichen Raum verlagert werden können. Denn viele Arbeitsplätze müßten nicht in Ballungszentren angesiedelt werden, sondern die entsprechenden Unternehmen könnten ihre Produktions- und Forschungsstätten genausogut im ländlichen Bereich aufbauen.

Hochqualifizierte Fachkräfte kommen aus den ländlichen Gebieten. Sie sind derzeit dazu verurteilt, täglich in die Ballungszentren zu pendeln, mit all den Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Durch die Auslagerung würden viele von ihnen einen Arbeitsplatz vor Ort bekommen und sich das unangenehme Pendeln ersparen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleichzeitig bekämen wir die Chance, jene Rohprodukte, die aus dem ländlichen Raum kommen, so zu veredeln, daß eine höhere Wertschöpfung erzielt wird. Damit blieben die Arbeitsplätze in der Region erhalten, und selbstverständlich erhielte die Region mehr Wirtschaftskraft.

Dafür können künftig Investitionsbeihilfen gewährt werden. Das Ziel dieser Beihilfen sind die Anpassung der Produkte an die Marktentwicklung, die Entwicklung neuer Absatzmöglichkeiten für Produkte aus dem ländlichen Raum, die Förderung innovativer Investitionen, die Anwendung neuer Techniken und vor allem auch der Schutz der Umwelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Unterstützung soll Betriebe im ländlichen Raum motivieren, neue Geschäftsbereiche zu erschließen. Wir als Verantwortliche und vor allem auch als Auftraggeber – ich denke da insbesondere an die Wirtschaftskraft, die von den Gemeinden ausgeht – müssen unsere Möglichkeiten besser nützen und uns dieser Möglichkeiten besonders bewußt werden. Wir müssen auch selbst einen Beitrag leisten, der den ländlichen Raum stärkt, und wir müssen darauf achten, daß Aufträge soweit wie möglich im ländlichen Raum vergeben werden und Anbieter aus diesen Gebieten zum Zug kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir all diese Möglichkeiten ausschöpfen, wird sich der gewünschte Effekt einstellen. Die Agenda 2000 sieht für den ländlichen Raum pro Jahr ein Investitionsvolumen von 10 Milliarden Schilling vor. Gemeinsam mit Bund und Land soll es uns damit gelingen, diesen Raum zu einer blühenden Region zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koller. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.09

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landwirtschaftsminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In seiner gestrigen Erklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates von Berlin sagte Vizekanzler Schüssel: Ich freue mich, daß wir ein gutes Ergebnis herausgeholt haben. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Abg. Zweytick: Bravo!) Das gibt Sicherheit für die Bauern in den nächsten sieben Jahren.

Sehr geehrte Kollegen von der ÖVP! Ist das Sicherheit: weitere Einkommensrückgänge, weitere Vernichtung bäuerlicher Existenzen? Ist das für Sie Sicherheit? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das hat der Vizekanzler nicht gesagt!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Schwarzböck sieht das schon ein bißchen anders: Einkommensverluste erfordern wirksame Gegenmaßnahmen. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Und er schreibt: Die nach wie vor hohen Kosten bei Betriebsmitteln und Vorleistungen seien zu senken und bürokratische Hürden zu beseitigen. (Abg. Zweytick: Richtig!) – Super, wunderbar, Herr Kollege Schwarzböck! Aber Sie sind in der Regierung! Sie haben die Möglichkeit, zu handeln! Aber genau das, was Sie fordern und was Kollege Schwarzenberger fordert, lehnen Sie hier im Plenum ab. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Steibl: Sie haben nicht richtig zugehört!)

Zum Beispiel die Dieselpreissenkung auf EU-Durchschnitt: Sie haben heute hier wieder die Möglichkeit, unserem Antrag zuzustimmen. (Abg. Steibl: Brauchen wir nicht, haben wir schon im voraus geregelt!) Wir werden die Nagelprobe machen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Weitere bürokratische Hürden: Vor dem EU-Beitritt sprachen Sie vom "Feinkostladen Österreich". Das war Ihr Schlagwort. (Abg. Dr. Khol: Stimmt! – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger.) Selbstvermarktung ist eine Marktnische! – Viele Bauern hat man dort hineingelockt, und viele Barrieren und Hürden wurden dort aufgebaut, zum Beispiel: AMA-Beiträge für nahezu jedes Agrarprodukt, auch wenn es der Bauer selbst vermarktet; zusätzliche steuerliche Belastungen und bürokratische Hürden für Selbstvermarkter; weiters die überzogene Hygieneverordnung.

Professor Matthias Schneider sagte kürzlich: Im Hürdenlauf ins nächste Jahrtausend hat die Landwirtschaft einen Schwächeanfall erlitten. Die Latte war zu hoch, die Bauern haben sie nicht übersprungen. Ein Hoch und ein darauffolgendes Tief gab es immer. Drei Jahre Einkommensverluste können die Bauern nicht verkraften. – So Professor Schneider. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zu Ihnen, Herr Minister: Stabilisierung wurde erreicht, sagten Sie heute in Ihrem Einleitungsreferat. Ich behaupte das Gegenteil: Wettbewerbsverzerrung zu Lasten Österreichs! Wenn ich nur die Milchquoten herausnehme: Österreich hat eine lineare Erhöhung von nur 1,5 Prozent bekommen, und das erst im Jahr 2005, in drei Raten. Hingegen bekommen Alt-EU-Staaten wie Italien, Spanien, Griechenland und Irland eine spezifische Erhöhung, und das schon ab dem nächsten Jahr, mit 2,4 Prozent. (Bundesminister Mag. Molterer: 0,9 Prozent!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Täglich rollen Schweine-Lebendtransporte aus Holland, Dänemark und anderen Staaten in unser Land. Mit der Schlachtung werden diese Schweine zu österreichischen, und sie bekommen den A-Stempel. Dadurch werden die Konsumenten genauso wie die österreichischen Bauern betrogen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aumayr, Wenitsch, Dr. Salzl, Koller, Klein und Kollegen betreffend importierte Lebendschweine und A-Stempel

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, die Konsumententäuschung sofort zu beenden und nur mehr Fleisch von in Österreich geborenen und gemästeten Schweinen als österreichische Ware mit dem A-Stempel versehen zu lassen, nicht aber Fleisch von lediglich in Österreich geschlachteten Schweinen."

*****

Herr Minister! Sie sagten in Ihrem Schlußsatz: Die Ergebnisse der Agenda darf man nicht in Schilling, nicht in Euro und auch nicht in Prozentsätzen sehen.

Herr Minister! Es geht um die Zukunft der Bauern, und es geht um die Existenzen unserer bäuerlichen Familien.

Herr Minister! Ihr Verhalten ist verantwortungslos. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Unglaublich!)

14.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Minister Molterer. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte einige Sätze zum bisher Gesagten festhalten und mich auch mit Ihren Ausführungen, Herr Abgeordneter Koller, auseinandersetzen.

Frau Abgeordnete Kammerlander! Ich verstehe überhaupt nicht, daß das Europäische Modell mit den verschiedenen Wurzeln, die es hat – Nachhaltigkeit, flächendeckend, multifunktionell und wettbewerbsfähig –, als in sich widersprüchlich gesehen wird. Wenn eine Vertreterin der grünen Fraktion es für widersprüchlich hält, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit unter einen Hut zu bringen, dann wundert mich das sehr. Ich bin immer davon ausgegangen, daß es ein Ziel in ökosozialem Sinne ist, Nachhaltigkeit nicht zu einem Wettbewerbsnachteil, sondern zu einem Wettbewerbsvorteil zu machen! Es ist überhaupt kein Widerspruch zu sehen, Frau Abgeordnete, wenn ich flächendeckend nachhaltig Landwirtschaft betreiben möchte. Sprechen Sie daher nicht über einen Widerspruch, wenn Sie selbst wissen, daß er nicht existiert, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kammerlander: Sie wissen genau, daß es das Ergebnis ist, daß es zu einer Stillegung von bäuerlichen Betrieben kommt!)

Zur zweiten Fragestellung, die des öfteren angesprochen wurde, der WTO-Orientierung: Ich habe in meiner Einleitung klar gesagt, daß die WTO-Verhandlungen für die Sicherung des europäischen Modells mindestens so wichtig sind wie die Agenda-Verhandlungen an und für sich. Ich halte es für notwendig, daß sich die Europäische Union der Frage der Wettbewerbsfairneß im Zusammenhang mit der WTO in besonderer Weise widmet. Wir haben uns daher beispielsweise auf Ebene der Agrarminister der Frage Tierschutz im Zusammenhang mit internationalen Handelsverträgen bereits sehr intensiv gewidmet. Denn Produktionsweisen, die auf Natur und Tier Rücksicht nehmen, können auf Dauer und langfristig nur dann durchgehalten werden, wenn sie auch international abgesichert sind.

Frau Abgeordnete Gredler ist derzeit nicht im Saal, aber trotzdem – ich nehme an, Kollege Barmüller wird das weiterleiten –: Ich verstehe nicht, daß von Liberalen im Zusammenhang mit Bergbauern etwa die Abschaffung der Milchquote verlangt wird. Jeder, der sich mit der Problematik beschäftigt, weiß, daß gerade die Bergbauern zur Sicherung ihrer Produktionsmöglichkeiten marktregulierende Elemente brauchen.

Warum ist das so? – Wenn ein Bergbauer nicht mehr produzieren kann, dann wird er nicht mehr Bergbauer sein. Wenn es keine produktionsregulierenden Instrumente gibt, dann wird beispielsweise die Milchwirtschaft ausschließlich in die begünstigten Regionen abwandern und damit den benachteiligten Regionen die Produktionsbasis entziehen. Ich möchte daher dringend bitten – weil ich diese Debatte schon intensiv geführt habe, etwa auch mit Kollegen Smolle –, daß über die Widersprüchlichkeit in dieser Hinsicht im Liberalen Forum intern nachgedacht wird. Detto etwa zur Frage Marketing. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Barmüller! Ich halte es für etwas eigenartig, zu sagen: Marketing ist eine Notwendigkeit, es soll außer Streit gestellt werden. Gleichzeitig wird auch gesagt: Es soll aber freiwillig erfolgen.

Wissen Sie, was dann der Fall wäre? – Wenige Betriebe würden vielleicht freiwillig Marketingbeiträge bezahlen, und der Rest würde versuchen, die Marketingvorteile als Trittbrettfahrer zu genießen. Das verstehe ich letztlich auch nicht unter Fairneß im Wettbewerb, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Aumayr! Es wurde das Jahr 2003 angesprochen. Sie wissen, daß vorgesehen ist, im Jahre 2003 über die Entwicklung des Milchmarktsystems nach dem Jahre 2006 zu entscheiden. Es ist aus meiner Sicht richtig, daß diese Entscheidung zeitgerecht erfolgt, damit sich die Bauern darauf einstellen können.

Zur Frage der nationalen Antwort: Ich verstehe nicht, daß diese kritisiert wird. (Abg. Aumayr: Nein, wir fordern sie ein!) Das wundert mich sehr, da gerade die FPÖ ständig fordert, etwas zu machen. (Abg. Aumayr: Wir fordern sie ein, aber Sie lehnen sie im Parlament ab!)

Das, was ich in diesem Zusammenhang für notwendig halte – und das ist die Konsequenz aus der Agenda –, ist, daß sich Österreich der erhöhten Verantwortung bewußt ist. (Abg. Dr. Khol – in Richtung Abg. Aumayr –: Denken Sie an den Huber-Plan! – Abg. Aumayr: Wäre gut, wenn wir ihn hätten!)

Ein sehr offenes Wort in Richtung FPÖ auch zur Frage der Erweiterung der Europäischen Union. Ich halte aus meiner Sicht fest: Die Erweiterung der Europäischen Union wird kommen, und die Erweiterung der Europäischen Union ist die historische Chance, Frieden, Wohlstand und Stabilität noch mehr Menschen – über die jetzigen 15 Mitgliedstaaten hinaus – zu bieten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weiß, wie problematisch das ist, und ich weiß auch, wie schwierig es ist, die Debatte darüber zu führen, aber ich bitte Sie, folgendes nicht außer acht zu lassen: Ein nicht unwesentlicher Teil der Österreicherinnen und Österreicher hatte im Jahre 1955 das Glück, daß so entschieden wurde, wie entschieden wurde. Stellen Sie sich vor, wir würden zu Menschen, die jenseits, also nördlich der Donau wohnen – ich sage das für mein Heimatbundesland –, heute ein Nein sagen. Ich könnte das nicht verantworten!

Frau Abgeordnete Aumayr respektive meine Damen und Herren von der FPÖ! Ich bitte Sie, die Erweiterungsdebatte mit der notwendigen politischen Sensibilität zu führen. Es geht um mehr, es geht um deutlich mehr als vielleicht um das Fischen der einen oder anderen Stimme! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Das werden Sie uns überlassen müssen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage aber auch klar dazu (Abg. Aumayr – in Richtung ÖVP –: Aber auf Kosten der Bauern!), daß die Erweiterung nur dann ein Erfolg werden wird, wenn wir sie gut vorbereiten! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Aumayr.)

Frau Abgeordnete! Es wäre etwas einfacher für Sie, nicht ständig zwischenzurufen. Ich hoffe, daß Sie zumindest soweit aufpassen, daß Sie Stoff zum Nachdenken haben, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. – Abg. Aumayr: Diese Arroganz! Mit der gleichen Arroganz behandeln Sie die Bauern!)

Ich bin daher im Zusammenhang mit der Erweiterung der Meinung und der Auffassung: Wir müssen die Erweiterung gut vorbereiten, wir brauchen die Vorbeitrittshilfe, wir brauchen die Vorbeitrittszeit (Abg. Aumayr: Das tut Ihnen nicht gut, Herr Minister!), aber wir brauchen auch Instrumente wie etwa Übergangsregelungen und Übergangsmechanismen, bis wir tatsächlich die Marktfähigkeit und die Möglichkeit haben, auf gleicher Ebene in fairen Wettbewerb zu treten.

Zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Cap – er ist jetzt leider nicht hier im Saal –: "CAP" heißt auch "Gemeinsame Agrarpolitik", "Common Agricultural Policy". (Heiterkeit bei der ÖVP.) Einiges war meiner Ansicht nach nicht uninteressant, aber ich halte fest, daß ich in der Hormonfrage der Meinung bin, daß das prioritäre Interesse in der Sicherung sowie im Schutz der Konsumenten liegt und daß wir hier eine vernünftige Lösung finden müssen.

Herr Abgeordneter Koller! Die Aufstockung der Milchquote beträgt insgesamt 2,4 Prozent – insgesamt 2,4 Prozent! –, 1,5 Prozent sind lineare Aufstockung ab dem Jahre 2005 und 0,9 Prozent sind eine Aufstockung für spezifische Länder. Letztere beträgt also nicht, wie Sie gesagt haben, 2,4 Prozent.

Ich bitte auch darum, nicht außer acht zu lassen, daß Österreich ebenfalls eine spezifische Regelung im Milchbereich erreicht hat. (Abg. Schwarzenberger: 6 Prozent!) Es hat erreicht, 150 000 Tonnen – 150 000 Tonnen! – ab dem Wirtschaftsjahr, in dem wir uns befinden, in Lieferrecht umwandeln zu können, und somit hat man auch die Möglichkeit, tatsächlich zusätzliche Mengen in die Molkereien liefern zu können, damit zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften und eine zusätzliche Menge ausgleichsfähiger Quote zu haben.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie aber, im Zusammenhang mit der Agenda – und das beurteile ich sehr realistisch – folgendes zu beachten: Es trifft zwar nicht die Ansicht zu, daß die Agenda im Rahmen der Landwirtschaft ein Grund zur Euphorie ist – niemand sagt das, und ich habe vom ersten Tag an gesagt, daß das für uns ein hartes Stück Arbeit sein wird –, ich lege aber Wert auf korrekte Behandlung, und dies läßt erkennen, daß die Agenda für Österreich sehr wohl Chancen bietet. Genauso, wie es falsch wäre, einseitig in Euphorie zu verfallen, ist es absolut verfehlt, alles in Grund und Boden zu reden, meine Damen und Herren!

Herr Abgeordneter Koller! Gestatten Sie mir ein sehr persönliches Wort. Ich weiß, wem ich verantwortlich bin: dieser Republik Österreich! Es ist mein Maßstab von Verantwortlichkeit, auch zu sagen, daß es die unangenehme Wahrheit gibt, und nicht die angenehme Unwahrheit zu sagen. Herr Abgeordneter Koller, hinsichtlich meines politischen Verantwortungsgefühls kann ich Ihnen sagen: Ich sage auch dann die Wahrheit, wenn sie nicht angenehm ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Koller! Noch ein ganz deutliches Wort: Ich habe die Agenda-Verhandlungen sowohl im Interesse der Bäuerinnen und der Bauern als auch im Interesse der Republik Österreich geführt. Dieser fühle ich mich verpflichtet, und niemandem sonst! (Beifall bei der ÖVP.)

14.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. (Zwischenruf.) – Ich habe hier diese Wortmeldung, und da steht Salzl, aber ich lasse mich gerne belehren.

Bitte, Herr Abgeordneter Grabner, wenn Sie zum Rednerpult kommen.

14.24

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Meine Herren Bundesminister! Im Rahmen der heutigen Debatte zu den Ergebnissen der Agenda-2000-Verhandlungen beziehungsweise zu den Tagesordnungspunkten aus der vergangenen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses möchte ich mich dem dort relativ ausführlich behandelten Thema "Sicherheit des Waldes als Erholungsgebiet" widmen.

Wegen seiner besonderen Bedeutung für den Naturhaushalt ist der Wald in Österreich unentbehrlicher Bestandteil des gesunden Lebensraumes und nicht nur ein Rohstofflieferant, der eine höchstmögliche Rendite abwerfen soll.

Meine Damen und Herren! Mit wachsender Häufigkeit werden wir auf eine Entwicklung aufmerksam gemacht, welche zu der berechtigten Sorge Anlaß gibt, daß das in den siebziger und achtziger Jahren im Forstgesetz festgeschriebene freie Wegerecht zurückgedrängt wird. Es wird befürchtet, daß die Zielsetzungen und Inhalte des Forstgesetzes durch Landesjagdgesetze ausgehöhlt und ins Gegenteil verkehrt werden.

Meine Damen und Herren! Eine kürzlich von der Arbeiterkammer veröffentlichte Studie zum Thema "Wegefreiheit im Wald" bringt zutage (Abg. Gaugg: Die Arbeiterkammer ... Zwangsbeiträge von ihren Mitgliedern!), daß derzeit bundesweit mehrere hundert Gebiete für erholungsuchende Wanderer, Mountainbiker, Skitourengeher gesperrt sind und die Zahl Jahr für Jahr um zirka 10 bis 20 Prozent steigt. (Zwischenruf des Abg. Gaugg.) Wie schon beim Tierschutz haben sich auch diesbezüglich landesgesetzliche Regelungen als problematisch erwiesen. Sie widersprechen den Interessen der erholungsuchenden Bevölkerung. Gerade deren Interessen fühlen aber wir Sozialdemokraten uns in höchstem Maße verpflichtet! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Landwirtschaftsministerium veröffentlichte im letzten Monatsbericht der österreichischen Landwirtschaft – zum Stand der Walderschließung in Österreich und Schwerpunkte für die Zukunft – folgende Zahlen: Der österreichische ... – Kollege (in Richtung des Abg. Kampichler), es wäre besser, du würdest das den Leuten sagen und nicht hier lachen. Das ist ein wichtiger Punkt für die Bevölkerung, auch in unserem Gebiet. Du bist ja auch aus meinem Wahlkreis.

Der österreichische Ertragswald, meine Damen und Herren, ... (Die Abgeordneten Murauer und Mag. Kammerlander stehen an der Regierungsbank und sprechen mit Bundesminister Mag. Molterer.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß an der Regierungsbank eigentlich keine Sprechstunden stattzufinden haben. Wir haben das einmal in der Präsidiale besprochen, und ich kann mich auf einen entsprechenden Präsidialbeschluß berufen. Ich bitte, das einzustellen, denn es stört Redner und auch Zuschauer. Ich darf vielleicht auch die Herren Klubobleute bitten, mit ihren Fraktionen einmal darüber zu sprechen.

Entschuldigen Sie die Unterbrechung, und setzen Sie jetzt bitte fort, Herr Abgeordneter Grabner.

Abgeordneter Arnold Grabner (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Der österreichische Ertragswald wird von mehr als 98 000 Kilometern Waldstraße erschlossen. Zusätzlich führen weitere 40 000 Kilometer öffentliche Straßen durch den Ertragswald. Insgesamt ergibt dies ein LKW-befahrenes Straßennetz von einer Länge von zirka 140 000 Kilometern.

Meine Damen und Herren! Experten halten den forstlichen Wegebau bereits seit Jahren für mehr oder weniger abgeschlossen. Die Praxis zeigt jedoch – ich zitiere nun aus dem Monatsbericht des Landwirtschaftsministeriums –: daß die Bautätigkeit gerade in den letzten Jahren, wohl aufgrund der Förderungsmöglichkeit durch EU-Mittel, einen neuen Aufschwung erlebt. Viele Waldbesitzer nützen die Gelegenheit, schon lange gehegte Erschließungsvorhaben in die Tat umzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier wird von massiven Förderungsmitteln gesprochen beziehungsweise geschrieben, und diese Förderungsmittel kommen von den Steuerzahlern, von den Konsumenten – selbstverständlich auch von den Wanderern, Mountainbikern, Skitourengehern. Das Recht auf Wegefreiheit im Wald hat also – über die rechtliche Grundlage hinaus – im Hinblick darauf eine weitere Begründung.

Wo die wirklichen Gefahrenquellen für den österreichischen Wald liegen, ist aus dem letzten Waldbericht mehr als deutlich und zum wiederholten Male hervorgegangen: In nur einem Drittel des österreichischen Waldes stimmt das Wild-Wald-Verhältnis. Mit anderen Worten: Zwei Drittel des österreichischen Waldes leiden unter einem Überbestand an Wild!

Ich bin durchaus auf der Seite sowohl des Österreichischen Alpenvereins als auch der Naturfreunde Österreichs, die die freie Begehbarkeit von Waldregionen gefährdet sehen.

Laut einer aktuellen Studie des Österreichischen Alpenvereins, nämlich vom Oktober vergangenen Jahres, hat die Zahl der Wildschutz- und Jagdsperrgebiete in Österreich zwischen 1994 und 1997 um 17 Prozent von 505 auf 611 zugenommen und umfaßt eine Gesamtfläche von mehr als 300 Quadratkilometern. Dabei wird als besonders dramatisch die Entwicklung in der Steiermark mit 267 Wildschutz- und Jagdsperrgebieten angeführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Sportsprecher meiner Fraktion, der sich seit Jahren für die Öffnung des Waldes für die Mountainbiker einsetzt, aber auch als österreichischer Staatsbürger möchte ich auf diese – für die erholungsuchenden Menschen in unserem Land bedenklichen – Tendenzen hinweisen und alle Fraktionen dieses Hauses einladen, die im Forstgesetz festgeschriebene Wegefreiheit im Wald, wie wir sie hier in diesem Hause beschlossen haben, kompromißlos zu verteidigen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.31

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Molterer, Sie haben Ihren Aussagen zur EU-Osterweiterung eines hinzuzufügen vergessen, nämlich daß die Bauern die Hauptverlierer dieser Osterweiterung sein werden, wie aus den verschiedensten Studien hervorgeht (Beifall bei den Freiheitlichen), und zwar Ihre Bauern, Herr Bundesminister. (Bundesminister Mag. Molterer: Wenn wir sie falsch machen!) – Nein.

In der letzten Zeit ist es aber offensichtlich überhaupt Strategie dieser Koalition, Probleme in der Landwirtschaft nicht zu lösen, sondern einfach auszusitzen. Aktuelle Anträge der Opposition werden auf die lange Bank geschoben. Anträge der Opposition werden vertagt, und zwar so lange, bis sie nicht mehr aktuell sind. Und eventuell nimmt man, wenn man gar nicht mehr anders kann, diese Anträge als eigene Anträge irgendwann in Beratung, nachdem man die ursprünglichen Anträge schlichtweg verstauben hat lassen. Oder man tauscht sie mit sogenannten Abänderungsanträgen aus, wie es auch schon vorgekommen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von Rot und Schwarz! Sie werden offensichtlich immer weniger zu einer Problemlöser-Partei, sondern immer mehr zu einer Problemverschieber-Partie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Genauso verhält es sich mit der Kennzeichnung der Eier aus verschiedenen Haltungsformen. Bereits bei der Debatte im Hauptausschuß, nachdem es vorher schon einmal einen Fünfparteienbeschluß gegeben hat bezüglich des Verbots der Käfighaltung von Legehennen und der Kennzeichnung der Eier, wurde ein diesbezüglicher Antrag von Rot und Schwarz abgelehnt. Umso verwunderlicher ist, daß er jetzt plötzlich wieder auftaucht. Man hat ihn damals abgelehnt, obwohl man dann im Rahmen der EU-Präsidentschaft sehr wohl aktiv werden hätte können und etwas bewirken hätte können. Aber man hat ihn einfach verschoben, und zwar so lange, bis andere den Ratsvorsitz haben, bis sich andere darum kümmern müssen. Man delegiert dieses Kennzeichnungsproblem jetzt auf EU-Ebene und tut so, als wolle man etwas bewegen. In Wirklichkeit aber möchte man Konsumenten und Tierschützer nur ruhigstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genau nach diesem Strickmuster wird in Österreich seit Jahren Agrarpolitik betrieben. Die Folge davon sind seit Jahren sinkende Einkommen und eine enorme Verarmung der ländlichen Bevölkerung, wie ich hier bereits des öfteren dargestellt habe, insbesondere der Frauen. Um dieser Verarmung und einer weiteren sozialen Schlechterstellung unserer Bäuerinnen und Bauern entgegenzuwirken, bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wenitsch, Aumayr, Koller, Dr. Salzl, Klein, Mag. Haupt und Kollegen zu den Erklärungen des Bundesministers für Finanzen zum Thema "Ergebnisse des ECOFIN vom 15. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 25. März 1999" und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zum Thema "Ergebnisse des Rates Landwirtschaft vom 11. März 1999 und des Europäischen Rates von Berlin vom 26. März 1999 – Bereich Landwirtschaft" betreffend stufenweise Beseitigung der Anrechnung des fiktiven Ausgedinges

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat binnen dreier Monate einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der die stufenweise Beseitigung der Anrechnung des fiktiven Ausgedinges bei der Berechnung der Ausgleichszulage vorsieht, um eine gewisse Entlastung der bäuerlichen Betriebe von Ausgedingeleistungen zu ermöglichen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die bäuerlichen Einkommen sind seit dem EU-Beitritt um zirka 15, ja fast 20 Prozent – je nach Berechnung – gesunken, und jene Leute, die damals ... (Abg. Zweytick: Was für Berechnungen?) Je nach Berechnung! Schauen Sie sich die Berechnung von Professor Schneider an und nicht Ihre – denn Sie berechnen das ein bißchen anders –, dann kommen Sie dorthin. (Abg. Schwarzenberger: 1995 haben wir eine kräftige Steigerung gehabt!) Insgesamt, habe ich gesagt, seit dem EU-Beitritt. Hören Sie zu, sonst muß ich auf den Zwischenruf und Ihre Bemerkung vom Senf und von Würstl zurückkommen! Nur handelt es sich jetzt um eine schwarze Blunz’n und um kein Würstl! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger.)

Jene also, die den Bauern damals den EU-Beitritt eingeredet haben und noch stolz darauf waren, sprechen im Hinblick auf die Agenda 2000 jetzt auf einmal ganz anders. Es hat damals in einem Presseartikel unter dem Titel "EU, Euro und Landwirtschaft" geheißen: Mit großem Stolz erklärte kürzlich ein Herr Schwarzböck, der in der Bauernkammer den Chef spielt, in einem Interview mit der rosafarbenen Zeitung "Standard", daß er für sich die Ehre in Anspruch nehmen könne, vor der EU-Wahl den Landwirten die Zustimmung zum Beitritt eingeredet zu haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Eingeredet", heißt es da, und heute spricht derselbe Herr Schwarzböck, der auf verschiedenen Sesseln sitzt, je nachdem, auf welchem Sessel er gerade sitzt, ganz unterschiedlich. So sagt er etwa als Vorsitzender der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern zu den Agrareinkommen: Vergleicht man das bäuerliche Einkommen von 14 140 S im Monat mit dem Arbeitnehmereinkommen von 28 684 S im Monat, inklusive 13. und 14. Monatsgehalt sowie Abfertigungen et cetera, so zeigt sich, daß mehr als 85 Prozent der buchführenden Betriebe – also nicht nur die kleinen – das Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer nicht erreichen.

Weiters sagt er, für die Interessenvertretung seien die Kosten der Betriebsmittel und Vorleistungen nach wie vor zu hoch, und auch die bürokratischen Hürden seien zu entfernen. – Das sagt Herr Schwarzböck als Vorsitzender zum Abgeordneten, und er stellt an den Abgeordneten Schwarzböck die Forderung, die Kosten für die Betriebsmittel zu senken. Aber der Abgeordnete Schwarzböck läßt den Vorsitzenden Schwarzböck anscheinend im Regen stehen und abblitzen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder, was noch viel interessanter ist: wenn Herr Kollege Schwarzböck als Präsident der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer spricht, insbesondere in bezug auf die Agenda 2000, und seine Forderungen in Form einer Resolution aufstellt. Da heißt es etwa: Die Vollversammlung fordert daher, im Zuge der Verhandlungen über die Steuerreform endlich der langjährigen Forderung nach Anhebung des pauschalierten Mehrwertsteuersatzes um 2 Prozent zu entsprechen. (Bundesminister Edlinger: Das ist auch passiert!) – Ja, ich weiß. Ich möchte nur zeigen, wie widersprüchlich seine Aussagen sind. (Abg. Schwarzenberger: Nur werden es die Freiheitlichen ablehnen bei der Steuerreform, vermute ich!)

Da hat also Herr Präsident Schwarzböck langjährig, wie es hier heißt, vom Abgeordneten Schwarzböck verlangt, er möge doch dem zustimmen. Aber Herr Abgeordneter Schwarzböck hat Präsidenten Schwarzböck im Regen stehen lassen. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Wer ist stärker: i oder i?)

Genau nach diesem Motto geht es weiter, auch was einen anderen Wunsch, eine andere Forderung des Herrn Präsidenten Schwarzböck an den Abgeordneten Schwarzböck betrifft, nämlich alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Betriebsmittelpreise, insbesondere den Preis für Dieselkraftstoff, und damit die Kosten für Österreichs Bauern zu senken.

Heute hat Abgeordneter Schwarzböck die Möglichkeit, dieser Forderung des Präsidenten Schwarzböck nachzukommen und unseren Anträgen zuzustimmen. Ich bin neugierig darauf, ob er das macht. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.40

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Bundesminister Molterer und Edlinger! Meine Damen und Herren! Ich habe mit einer gewissen Heiterkeit die Ausführungen des Kollegen Salzl verfolgt. (Abg. Haigermoser: Du wirst bald Eintritt zahlen müssen, wenn du auch noch lachst! – Bundesminister Edlinger: Vergnügungssteuer!) Eine derart billige Polemik kann man sich gratis anhören. Die ist es nicht wert, daß man Eintritt zahlt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn jemand Österreichs Bauern im Regen stehen läßt, meine Damen und Herren, dann ist das der Tierarzt Salzl, der hier billigere Betriebsmittel fordert, dem aber selbst, wenn er die Spritze in der Hand hat, nichts zu teuer ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Mich würde an diesem Tag, an dem über die Zukunft der Bauern (Abg. Haigermoser: Warum hast du demonstriert in Brüssel?), über das Ergebnis der Agenda des Berliner Gipfels diskutiert wird, folgendes interessieren: Was gilt jetzt von den Freiheitlichen: Gilt der Huber-Plan oder der Agrarplan des Landes Kärnten, oder gilt die Planlosigkeit von Wenitsch & Co? Meine Damen und Herren, das würde mich interessieren! (Weiterer Beifall bei der ÖVP. – Abg: Leikam: Der Huber geht schon ab!)

Huber fehlt, Reichhold fehlt, und was ist übriggeblieben? – Blankes Chaos und Planlosigkeit. Herr Scheibner, Sie als neuer Klubobmann tun mir leid, das muß ich Ihnen ganz offen sagen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Um uns brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Jakob! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Präsident! Wäre es denkbar, daß Sie dafür sorgen, daß hier auch der Redner zu Wort kommt?

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Ich bin bis jetzt davon ausgegangen, daß Sie durch das Gewicht Ihrer Stimme alle überzeugen und für Ruhe sorgen. (Heiterkeit.) Ich bin Ihnen aber gerne behilflich.

Abgeordneter Jakob Auer (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, daß Sie meiner Stimme mehr an Gewicht zumessen als der gesamten Freiheitlichen Partei! Danke, Herr Präsident! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Nicht deiner Stimme, dem Mikrophon!)

Meine Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei ist in agrarpolitischen Fragen "hervorragend" unterwegs. Ich bin immer erstaunt über die Diskrepanz zwischen den Sonntagsreden vor Ort und dem, was sie hier predigt, und wie sie abstimmt.

Ich erinnere etwa an die Abschaffung der Schlachttierexporte. – Die FPÖ hat mitgestimmt.

Zusätzliche elektronische Rinderkennzeichnung. Antrag von wem? – Von Salzl. Ach so, der ist von der FPÖ?!

Zuschüsse zur Hagelversicherung. – Da könnte man meinen, das sei unbestritten, denn ob es bei einem blauen, schwarzen oder roten Bauern hagelt, ist egal, wichtig ist, daß man hilft. Aber nein! Die Freiheitliche Partei stellt diese Zuschüsse in Frage.

1998 unterstützt die Freiheitliche Partei einen Antrag der Grünen, wonach der Transport von Kälbern unter 21 Tagen verboten wird. – Vielleicht hat man irgendwann einmal auch etwas von Zuchttierexporten gehört?

Kürzung von Bauernförderungen. – Es gab eine interessante "Pressestunde" eines freiheitlichen Bundesparteiobmanns, der meinte, es würde nichts ausmachen, wenn man den Bauern 50 Prozent der Subventionen wegnehmen würde. (Abg. Scheibner: Das ist völlig falsch!)

Das 300-Millionen-Paket für die Schweinebauern. – Wer hat hier dem Budgetüberschreitungsgesetz nicht zugestimmt?

Imagekampagne für das Rindfleisch. – Meine Damen und Herren, die FPÖ stimmte dagegen.

Einführung eines Sockelbetrages beziehungsweise Förderung erneuerbarer Energieträger. – Wo war in diesem Zusammenhang die Stimme der Freiheitlichen Partei?

Meine Damen und Herren! Ich habe angenommen, daß zumindest Sozialpolitik außer Streit gestellt wird. Aber: Wie war denn das Stimmverhalten der Freiheitlichen Partei bei der Einführung des Krankenscheines für die Bauern? Da könnte man meinen, das wäre ein Anliegen auch der Freiheitlichen, damit Sozialpolitik für die Landwirtschaft – zumindest wird es immer so formuliert – gemacht wird. – Nein, man stimmt dagegen!

Das ist freiheitliche Agrarpolitik, die eine Entscheidung gegen die Bauern ist – und sonst nichts, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, es wäre notwendig, der zukünftigen Bauern- und Bäuerinnengeneration Mut zu machen, Mut zu machen vor allem dort, wo es durchaus auch Schwierigkeiten gibt. (Abg. Wenitsch: Welcher Generation? Da wird es keine mehr geben, Herr Kollege! Das Bauernsterben ist so arg wie noch nie!)

Herr Kollege Wenitsch! Erklären Sie mir nicht Agrarpolitik, denn ich weiß, daß Sie Ihre Grundstücke verpachtet haben. Schauen Sie, daß Sie einen guten Pachtzins erhalten, aber erklären Sie mir nicht Agrarpolitik! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wichtig wäre auch, daß es gelingt – und das betrifft auch das Gewerbe –, zusammenzuarbeiten, denn entscheidend wird in Zukunft nicht so sehr die Steigerung der Produktion, sondern die Steigerung der Effektivität der Vermarktung, das Verkaufen unserer Produkte sein. Das wird in Zukunft die entscheidende Frage sein. (Weiterer Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Aumayr hat sich gestern in Eferding eine Nachhilfestunde in österreichischer Agrarpolitik geben lassen. (Abg. Aumayr: Das hätte dir auch gut getan!) Aber leider hat sie das, was sie gestern gehört hat, heute hier nicht umsetzen können. Das ist aufgrund eines kurzen Gedächtnisses durchaus denkbar. Aber eines wurde auch gestern abend bestätigt, etwas, was sowohl von internationalen Beobachtern als auch von den dafür in Österreich Verantwortlichen bestätigt wird: Wir können uns glücklich schätzen, einen Agrarminister Molterer zu haben, der von Landwirtschaft etwas versteht, der Landwirtschaft gelernt hat, der von Konzepten und Zukunftsplänen etwas versteht, der im Gegensatz zu Ihnen Chancen aufzeigt, aber auch nicht verschweigt, daß es schwierig ist. No na! (Abg. Aumayr: Die Bauern laufen Ihnen in Scharen davon!) Selbstverständlich gibt es in Zeiten der Veränderung, in Zeiten des Wandels auch für die Agrarpolitik Schwierigkeiten. Selbstverständlich. Minister Molterer zeigt aber auch Lösungen auf, im Gegensatz zu Ihnen.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie haben offensichtlich noch nichts gehört von Veränderungen in der Wirtschaftspolitik. (Abg. Aumayr: Ihnen laufen die Bauern in Scharen davon, Kollege Auer!) Sie haben davon offensichtlich noch nichts gehört. Sonst reden Sie immer der großen Freiheit das Wort, aber Sie haben offensichtlich noch nichts gehört von Veränderungen in der Volkswirtschaft. Sie sind und bleiben nicht die Freiheitlichen, sondern Sie sind und bleiben politische Betonierer! (Beifall bei der ÖVP.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen jetzt zu einer kurzen Serie tatsächlicher Berichtigungen. (Heiterkeit.)

Ich darf darauf hinweisen, daß tatsächliche Berichtigungen Berichtigungen von Tatsachen sind und man diese daher ganz emotionslos vorbringen kann.

Die erste erfolgt von Herrn Klubobmann Scheibner. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

14.48

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat behauptet, daß der Bundesparteiobmann der Freiheitlichen eine Kürzung der Förderungen für die Landwirtschaft um 50 Prozent gefordert hat. – Das ist unrichtig!

Der Bundesparteiobmann der Freiheitlichen hat eine Durchforstung der Subventionen auf ihre Sinnhaftigkeit hin und nach dieser Durchforstung eine Kürzung von 50 Prozent mit Ausnahme der Landwirtschaftsförderungen verlangt, weil wir es besser finden, daß, statt dubiose Kulturprojekte oder merkwürdige Vereine zu fördern, das ersparte Geld im Wege von Ausgleichszahlungen zum Erhalt der bäuerlichen Klein- und Mittelbetriebe verwendet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste ... (Abg. Auer: Persönliche Erwiderung! – Abg. Dr. Khol: Eine persönliche Erwiderung, Herr Präsident!) Er ist nicht persönlich angesprochen worden. – Herr Abgeordneter Auer, Sie sind nicht persönlich angesprochen worden!

Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Salzl zu Wort gemeldet. Es gilt das zuvor Gesagte. – Bitte.

14.49

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Kollege Auer hat gesagt, der Tierarzt Salzl würde die Bauern im Regen stehen lassen, seine Tätigkeit würde zu teuer sein, er würde seine Leistungen zu teuer verrechnen. – Das ist in mehrfacher Hinsicht unrichtig. (Abg. Auer: Mir kommen die Tränen!)

Erstens helfe ich als Tierarzt nur mehr in Notfällen, dann, wenn die Bauern oder die Tiere in Not sind. Die Bauern im Regen stehen zu lassen, das bleibt dieser ÖVP vorbehalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweitens: zu den tierärztlichen Honoraren. Herr Kollege Auer, Sie kennen sich anscheinend nicht aus: Die tierärztlichen Honorare werden gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer ausverhandelt und werden gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer festgesetzt. (Abg. Schwarzenberger: Nein, das stimmt nicht! Ohne Anhörung der Landwirtschaftskammer!) Das stimmt hundertprozentig!

Wenn die tierärztlichen Honorare zu hoch sind, dann liegt das entweder ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, die Grenzen der tatsächlichen Berichtigung einzuhalten!

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (fortsetzend): ... daran, daß die Schwarzböcks dem zustimmen oder, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Medikamente in Österreich schlichtweg zu teuer sind. Da sollten Sie sich einmal bei der Nase nehmen, denn diesbezüglich müßte schon lange etwas getan werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die tatsächliche Berichtigung ist damit am Schluß klar überschritten worden.

Zur nächsten tatsächlichen Berichtigung gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. – Bitte.

14.50

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Jakob Auer vom Bauernbund hat hier in boshafter und populistischer Art und Weise die Unwahrheit gesagt. Er hat behauptet, ich hätte meinen Betrieb verpachtet und würde von den Pachteinnahmen oder mehr oder weniger von den Mieten leben. – Das ist unrichtig.

Ich habe vor acht Jahren zu Hause den Betrieb übernommen, und in derselben Größenordnung bewirtschafte ich meinen Betrieb seit acht Jahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Serie der tatsächlichen Berichtigungen ist damit, zumindest jetzt einmal, abgeschlossen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Unruhe. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

14.51

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Wir haben nun einen kleinen Auszug von ÖVP-Landwirtschaftspolitik erleben dürfen. Herr Kollege Auer, Sie haben versucht, die Terminologie der Bauernfänger zu benutzen, aber Sie gehören zur Klasse der Bauernvertreiber.

Und da der Herr Landwirtschaftsminister gemeint hat, daß wir nur nach Stimmen fischen, hätte ich ihm ganz gerne gesagt, wenn er hier wäre, er sollte auch einmal versuchen, ein paar Stimmen für seine Fraktion zu fischen, und nicht mit der Illusion einer Osterweiterung – wie er meint, mit entsprechender Vorbereitung – vorzustoßen. Wir haben schon ein Gefühl dafür, wann so etwas Realismus wird, wo die Illusion beginnt und wo sie endet. Mit dieser Euphorie, die gerade von seiner Fraktion in dieser Richtung vorgebracht wird, gehen wir ganz einfach nicht mit, und dabei bleibt es! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Apropos Fischen, Herr Landwirtschaftsminister in absentia, ich hätte Sie sehr gerne angesprochen. Es ist leider von der Tagesordnung her so, daß wichtige Anträge, vor allem von freiheitlicher Seite, in diesen Berichten untergehen, aber das hat eben mit der Einteilung zu tun, die wir gemeinsam getroffen haben.

Es ist schade, daß Anträge etwa von der Kollegin Aumayr in der Debatte untergehen. Und auch das, was ich zart versucht habe, nämlich einen wasserökologischen Antrag zu formulieren und in den Landwirtschaftsausschuß zu bringen, ist dort zunächst einmal jämmerlich gescheitert, denn Sie, meine Damen und Herren der anderen Fraktionen – sage ich einmal vornehm, wir hätten dafür aber auch einen anderen Terminus –, haben nicht einmal ein einziges Wort zu einem Antrag gefunden, der lediglich die Umsetzung eines Bundesgesetzes, nämlich des Wasserrechtsgesetzes vorsieht.

Fischaufstiegshilfen, so hat die Forderung geheißen – übrigens nicht nur von uns. Die EU fordert Gewässerkonnektivität, wie es dort heißt, also den Zusammenschluß fließender und stehender Augewässer. Die Betreiber unserer Wasserkraftwerke, die sich an dieses Wassergesetz genauso halten müßten, wären längst anzuhalten, diesen wasserökologischen Aspekt zu berücksichtigen und zumindest Restwassermengen abzugeben und Fischaufstiegshilfen zu bauen.

Der Herr Bundesminister hat im Ausschuß gemeint, das passiere ohnehin schon, und daher hätte ich ihm gerne aus einer Fachzeitung vorgelesen. Da heißt es unter dem Titel "Anpassung bestehender Wasserkraftwerke aus ökologischer Sicht entsprechend Wasserrechtsgesetz": Nachdem die von seiten der Amtssachverständigen, aber auch von Fischereiberechtigten vorgeschlagenen Änderungen hinsichtlich Vorschreibung von Pflichtwassermengen, Errichtung von Fischaufstiegshilfen aufgrund des vehementen Widerstandes der Betreiber bereits in erster Instanz zu keinen Bescheiden führen und auch österreichweit diesbezüglich noch keinerlei Entscheidung auf oberster Ebene, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, getroffen wurde, ist der § 21a Wasserrechtsgesetz im Hinblick auf die ökologische Anpassung der Wasserkraftwerksanlagen derzeit unwirksam.

Da einzugreifen und jene Schäden, die die Wasserwirtschaft zwangsläufig verursacht, etwas zu minimieren, darauf war der Antrag ausgerichtet, und ich bedauere wirklich, daß er Ihnen nicht einmal ein einziges Wort wert war.

Es gibt – der Herr Bundesminister ist noch immer nicht hier – die Aktion "Lebende Flüsse", die ich lobend erwähnen möchte, aber in Fortsetzung dieser Aktion – das Vorjahr wurde auch als "Jahr der Flüsse" bezeichnet – wäre die Zustimmung zu diesem Antrag oder wären Initiativen in dieser Richtung wünschenswert.

Die österreichische Forschung ist auf diesem Sektor sehr weit. Die österreichische limnologische und fischökologische Forschung ist europaweit und weltweit inzwischen führend. Umso mehr ist zu bedauern, daß in den nächsten Tagen eine dieser Forschungsstationen, nämlich die biologische Station in Lunz von der Akademie der Wissenschaften ohne Widerstand seitens der Regierung geschlossen wird. Es wird eine Demonstrationsveranstaltung geben. Ich unterstütze diese und werde an ihr teilnehmen.

Ich kann nur wünschen und hoffen, daß nicht jene Politik fortgesetzt wird, die der Energiewirtschaft in die Hände spielt. Meine Herrschaften! Statt Geld für die geforderten ökologischen Maßnahmen auszugeben, geht die Energiewirtschaft daran, Fischereirechte zu kaufen, um sich die Schwierigkeiten mit den Fischereiberechtigten zu ersparen. So geschehen vor kurzer Zeit durch die STEWEAG in der Steiermark. Dort hat sie am Enns-Fluß auf 25 Kilometer das Fischereirecht abgekauft, um sich Zores zu ersparen. Dafür wird Geld ausgegeben von einer Landesgesellschaft, die vorgestern in den Medien stolz verkündet hat, sie habe mit 488 Millionen Schilling Gewinn das erfolgreichste Geschäftsjahr ihrer Geschichte. Geben Sie vielleicht ein Teilchen davon jenem Stück Natur und jenen Gewässern zurück, denen Sie es abgeknöpft haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Hagenhofer. Frau Abgeordnete, es stehen Ihnen bis zur Unterbrechung etwas mehr als 2 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

14.58

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Trattner hat gemeint: Was hat uns die Europäische Union außer der Belastung für die österreichischen Steuerzahler gebracht? Ich zitiere Ihnen daher aus den "Oberösterreichischen Nachrichten", was uns die Europäische Union gebracht hat, und zwar:

Noch nie war Österreich für ausländische Investoren so attraktiv, und noch nie war die Exportquote höher. Selbst das Sorgenkind Tourismus schaffte die Trendwende. Die Inflation liegt bei 0,4 Prozent, und die Arbeitslosenzahlen sind ebenfalls leicht im Sinken. (Abg. Mag. Schweitzer: Wenn es in der Zeitung steht, dann stimmt es!) – Das ist auch Tatsache, Herr Kollege Scheibner. (Abg. Mag. Schweitzer – auf Abg. Scheibner weisend –: Das ist der Scheibner, ich bin der Schweitzer!)

Herr Kollege Trattner, auch das muß man sehen und den Österreichern sagen.

Selbstverständlich tun Reformen weh. Die Frage ist, wie Reformen gemacht werden. Und in diesem Zusammenhang muß das Verhandlungsergebnis unserer Verhandler in Brüssel hervorgehoben werden, und zwar insofern, als es ihnen gelungen ist, die Reformschritte im Sinne der Preissenkungen, im Sinne des Anpassungstempos, nämlich bei den Degressionszahlungen, bei den Kürzungen der Degressionszahlungen auszuweiten.

Ziel muß es sein, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, daß sich die Landwirtschaft am gesellschaftlichen Bedarf orientieren kann!

Es ist weiters wesentlich, daß die integrierte ländliche Entwicklung in bezug auf ökologische Qualitätsprodukte in – das ist für meine Begriffe das Wesentliche dabei – regionalen Wirtschaftskreisläufen stattfinden kann – in regionalen Wirtschaftskreisläufen deshalb, weil es natürlich auch für die Bauern am Hof sinnvoll ist, sich mit der Arbeit am Hof zu identifizieren.

In diesem Zusammenhang habe ich eine Bitte an den Herrn Landwirtschaftsminister, der zwar nicht hier ist, aber bestimmt weiß: Es muß unser Ziel sein, zu erreichen, daß Bauer gleich Bauer ist, denn im Moment ist Bauer noch nicht gleich Bauer, aber das muß das Ziel sein, um die Förderungen am notwendigen Arbeitskräfteeinsatz zu orientieren.

Ein Satz noch zu den Strukturfonds.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Kollegin Hagenhofer! Entweder sagen Sie bitte den Schlußsatz, oder es bleibt die Redezeit gewahrt. Wenn Sie es aber kurz machen, glaube ich, können wir noch eine Minute anhängen.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (fortsetzend): Ich wollte den Landwirtschaftsminister nur bitten, nachdem er in Brüssel so gut verhandelt hat, daß er (Abg. Schwarzenberger: Er hört Ihnen zu!) – jetzt ist er da –, nachdem es bei den Strukturfonds jetzt auch eine Veränderung gibt, unseren Landeshauptmann bittet und auch dahin gehend unterstützt, auch für Oberösterreich, für die Region Braunau zu verhandeln, damit wir Ziel-2-Gebiet bleiben können. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Durch dieses Ziel-2-Gebiet können Investitionen von Großbetrieben auch national gefördert werden, denn wir brauchen neben der Landwirtschaft innovative Großbetriebe – in denen auch Nebenerwerbslandwirte arbeiten – als Stütze des regionalen Wirtschaftskreislaufes. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 1 bis 10.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 5440/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 5440/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß in der Debatte kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Der Erstredner hat eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung sollen ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten.

Ich ersuche Herrn Dr. Kier, die Debatte zu eröffnen. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.03

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Anfragebeantwortung 5440/AB des Herrn Bundesministers war in vielfacher Hinsicht unbefriedigend. Ich räume dabei durchaus ein, bevor ich mich mit den Kritikpunkten beschäftige, daß die Frage Nr. 1 vielleicht einen zu hohen Detaillierungsgrad aufgewiesen hat; das ist nicht mein Beschwer. Mein Beschwer ist, daß in der Anfragebeantwortung bestimmte Fragen so beantwortet worden sind, daß es nur ganz schwer verständlich bis erträglich ist.

Es wiederholt sich zum Beispiel regelmäßig die Aussage: Mangels Statistik ist eine Beantwortung nicht möglich. – Ich werde auf diese Aspekte noch eingehen, weil ich einfach nicht glauben kann, daß bestimmte Faktenlagen dem Innenministerium nicht bekannt sein müssen. Bei dem in der Anfrage betroffenen Personenkreis handelt es sich um unbegleitete Minderjährige in Schubhaft, das heißt, Kinder unter 14, unter 16, Jugendliche unter 18, unter 19 Jahren. Diese verschiedenen Altersangaben, die ich gemacht habe, sind leider von Bedeutung, weil sie rechtlich etwas ganz anderes bedeuten.

Es handelt sich um eine Anfrage, die sich mit diesem Personenkreis beschäftigt, von dem wir an sich meinen, daß Schubhaft überhaupt nicht das Mittel sein sollte, sie im österreichischen Inland – Anführungszeichen – "zu verwahren" – Anführungszeichen geschlossen. Wir hatten schon bei anderen Gelegenheiten vielfach die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, daß selbst in Deutschland unter der CDU/CSU-Regierung in der Koalition mit der FDP vor Jahren Clearingstellen eingerichtet wurden. Unsere Fraktion hat einen diesbezüglichen Antrag gestellt, daß Clearingstellen geschaffen werden sollen, die sich mit solchen Jugendlichen befassen – unter Zuziehung von allem Sachverstand, den man dafür braucht, auch von anderen Einrichtungen und Stellen.

Dieser Antrag wurde im Ausschuß behandelt und abgelehnt. Es wurde abgelehnt, solche Clearingstellen einzurichten. Jetzt lesen wir unter anderem in der Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers, daß nunmehr daran gedacht sei, solche Clearingstellen einzurichten. Ich frage mich, worin der Sinn liegt, zunächst einen diesbezüglichen Entschließungsantrag abzulehnen, um diese Stellen dann doch in irgendeiner Weise einzuführen. Das ist ein Nebenaspekt meines Beschwers.

Viel ärgerlicher ist, daß in der Anfragebeantwortung die Ausführungen des Herrn Bundesministers darauf hinauslaufen, daß die Aufschlüsselung nach Alter und Hafträumen nicht möglich ist. Betreffend Kinder in Schubhaft ist es ihm nicht möglich anzugeben, welche Kinder sich in welchen Altersstufen in welchen Hafträumen befunden haben. Das ist unerträglich, aber es ist leider vor allem auch nicht richtig, es ist unwahr. In der Anfragebeantwortung 2833/AB aus dieser Legislaturperiode – einer Anfrage der grünen Fraktion folgend – hat er nämlich diese Frage beantwortet, allerdings quartalsweise. Ich habe schon am Anfang eingeräumt, daß die Zuspitzung auf eine dichtere Zeitstruktur – wir wollten ein Kalenderjahr genauer analysieren können – vielleicht überschießend war, aber er beschäftigt sich mit diesem Aspekt nicht, behauptet aber, daß das nicht aufschlüsselbar sei.

Er hat aber in der Anfragebeantwortung 2833/AB eine solche Aufschlüsselung quartalsweise vorgenommen, sogar nach Herkunftsländern. Nach Herkunftsländern hatten wir gar nicht gefragt. Wir sahen die Kinder, die Jugendlichen, die jungen Menschen im Vordergrund, und wir wollten nicht nach Herkunftsländern differenzieren. Wir haben daher nicht danach gefragt. In der Anfragebeantwortung 2833/AB hat der Herr Bundesminister sogar nach Herkunftsländern und nach Alter differenziert. Also kann die Antwort, die er gegeben hat, diesmal nicht richtig sein, daß es nicht möglich ist. Denn wenn das noch vor kurzem, nämlich im Jahre 1997, möglich war, kann ich mir nicht vorstellen, daß es im Jahr 1999 nicht mehr möglich sein sollte – es sei denn, man hat begonnen, bestimmte Erhebungen nicht mehr vorzunehmen.

Zweiter Aspekt: Daß sich die Anfragebeantwortung weitschweifig und ausführlich mit den Unter-14jährigen beschäftigt, ist ein deutlicher Hinweis auf ein schlechtes Gewissen, da es eine wortreiche Erläuterung zum Warum, Wieso und Weshalb gab. Dann kam die Bemerkung, weitere Erhebungen haben ergeben, daß die Angaben von manchen Jugendlichen falsch waren. – Ja, das mag schon sein, daß sie falsch waren, aber welche weiteren Erhebungen hat es gegeben? Vielleicht wieder mit Handwurzelknochenröntgen?

Es ist auch inakzeptabel, daß die von uns begehrte Aufschlüsselung, welche Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren in Schubhaft waren, nicht vorgenommen wurde – mangels Möglichkeiten, so sagt der Herr Bundesminister –, denn das Alter von 16 Jahren ist ein ganz entscheidendes Alter in dieser Frage. Über 16 oder unter 16 Jahre heißt verhandlungsfähig oder nicht verhandlungsfähig. Wenn eine Behörde, die Kinder und Jugendliche in Schubhaft hält, nicht einmal weiß, ob diese verhandlungsfähig oder nicht verhandlungsfähig sind, dann ist das für mich nicht nachvollziehbar.

Es wird ausgeführt, daß keine Auskünfte über das Aufenthaltsverbot gegeben werden können. Ich halte dazu folgendes fest: Das Aufenthaltsverbot muß im Schengener Informationssystem deponiert werden. Es müssen, um ein Aufenthaltsverbot im Schengener Informationssystem überhaupt verankern zu können, umfangreiche Informationen vorhanden sein, die man dann dort ablegt. Also wie soll das gehen, wenn der Bundesminister auf der anderen Seite ausführt, er könne das nicht beantworten? – Kann er es nicht beantworten und daher das Aufenthaltsverbot auch nicht im Schengener Informationssystem deponieren, oder kann er es im Schengener Informationssystem deponieren und will die Frage nicht beantworten? Das bleibt leider völlig offen.

An drei Stellen, so habe ich gesagt, wird ausgeführt: Mangels Statistik ist eine Beantwortung nicht möglich. Die erste Frage, auf die diese Antwort gegeben wurde, lautete: In wie vielen Fällen wurden Jugendliche von ihren Eltern beziehungsweise einem Elternteil getrennt? – Das macht bei Kindern und Jugendlichen einen wesentlichen Unterschied aus, weil Eltern normalerweise die gesetzlichen Vertreter sind. Es ist rechtserheblich, ob man Kinder von den Eltern trennt. Auf die Frage, wie viele Kinder von den Eltern getrennt wurden, kommt die Antwort: Mangels Statistik ist eine Beantwortung nicht möglich. – Das heißt, die Behörde weiß nicht, wie viele schutzbefohlene Jugendliche, Unmündige, Minderjährige von ihr in Behandlung genommen werden und dabei von den gesetzlichen Vertretern getrennt wurden. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Frage 5: In wie vielen Fällen wurde ein Aufschub gewährt? – Ich halte es für eine seriöse Frage, das wissen zu wollen. Antwort: Mangels Statistik ist eine Beantwortung nicht möglich.

Die Fragen 8 bis 10 haben gelautet: Wie viele ausländische Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren erhielten 1998 ein Aufenthaltsverbot?

Frage 9: Wie viele ausländische Jugendliche bis 16 Jahre erhielten 1998 ein Aufenthaltsverbot?

Frage 10: Wie viele ausländische Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren wurden 1998 abgeschoben?

Frage 11: Wie viele Jugendliche bis 16 Jahre wurden 1998 abgeschoben? – Summarische Antwort auf die Fragen 8 bis 11: Mangels Statistik ist eine Beantwortung nicht möglich.

Ich kann nicht nachvollziehen, daß sich eine Behörde ernst nehmen kann, die Abschiebungen von Jugendlichen unter 16 Jahren, von Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren im Kalenderjahr 1998 vornimmt, und dann kommt die Antwort: Mangels Statistik ist eine Antwort nicht möglich.

Wir haben die Anfragebesprechung deswegen begehrt, weil ich dem Plenum dieses Hauses diese Fakten nicht verschweigen wollte; außerdem in der vagen Hoffnung, daß vielleicht eine nachträgliche Nachbesserung dieser Anfragebeantwortung kommt, weil ich nicht glaube und nicht glauben will, daß unser Bundesministerium für Inneres nicht über solche Informationen verfügt. Möglicherweise verfügt der Herr Bundesminister nicht darüber, das kann ich nicht beurteilen. Aber ich kann nicht glauben, daß die Behörde das nicht weiß, nicht in der Lage ist, es zu wissen, wenn sie es will, und nicht erkennt, daß sie es jederzeit wissen muß. Nicht nur deswegen, weil irgendein lästiger Abgeordneter des Liberalen Forums, einer Oppositionspartei eine Frage stellt, muß man das wissen, sondern weil man sich einfach jederzeit selbst Rechenschaft darüber geben können muß, wie man mit Kindern und Jugendlichen umgeht. Deswegen muß man es wissen, auch wenn man es dann vielleicht nicht gerne öffentlich erzählt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

15.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anton Leikam. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.12

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Kier! Ich gehe davon aus, daß uns beiden dieselbe Anfragebeantwortung vorliegt. Sie haben auf einige Punkte dieser Anfragebeantwortung hingewiesen, bei denen sich der Herr Bundesminister darauf bezieht, daß ihm das notwendige statistische Material nicht zur Verfügung stand, um auf Ihre Fragen auch die von Ihnen erwartete Auskunft zu erteilen.

In dieser Anfragebeantwortung ist aber sehr wohl eine Reihe von Punkten enthalten, wurde eine Reihe von Fragen beantwortet, die eigentlich auch die von Ihnen kritisierten, nicht beantworteten Fragen erklärbar machen. Auf eine darf ich eingehen, weil nicht allzuviel Zeit zur Verfügung steht: die Frage des Alters der Schubhäftlinge. Sie wissen genausogut wie ich, daß sich der Großteil der Leute, die illegal in unser Land kommen, undokumentiert im Lande befindet und daher zunächst einmal nicht klar ist, welches Alter die aufgegriffenen Illegalen haben. Die Behörden sind ausschließlich darauf angewiesen, was dieser Personenkreis ihnen mitteilt.

Es gibt eine Reihe von Beispielen – das wissen Sie auch genausogut wie ich –, bei denen sich im Laufe der Verfahren herausstellt, daß die Angaben, die gemacht worden sind, nicht der Realität und nicht den Tatsachen entsprechen. Das ist das eine.

Das zweite: das gelindere Mittel. Selbstverständlich hat niemand Interesse daran, Kinder oder Jugendliche in Schubhaft zu nehmen. Das wurde in dieser Anfrage in einem Teil, soweit es möglich war, beantwortet. Bei einigen Fällen von Kindern unter 14 Jahren ist auch begründet beantwortet worden, warum es so war. In einem Fall war es der Wunsch der Mutter. In einem anderen Fall waren es Gründe, die in dieser Anfrage ganz klar umschrieben sind, die aber jetzt zu weit führen würden, um all das im Detail zu beantworten. Nur: Das Ziel, das gelindere Mittel einzusetzen, ist in dieser Anfragebeantwortung auch klar erkennbar.

Das dritte: die Clearingstelle. Das Modell der Clearingstelle liegt zumindest auf dem Tisch. Nur sollte es zu einer Vereinbarung mit den Ländern kommen, und da sind die Länder säumig. Es ist klar, was das Bundesministerium für Inneres an dieser Clearingstelle haben muß. Es soll geklärt werden: Wer wird betreut? Wo wird betreut? Wer betreut? Wie wird betreut?

Wer wird betreut? – Unbegleitete minderjährige Asylwerber unter 16 Jahren, wie von Ihnen soeben hier am Rednerpult eingefordert. Unbegleitete minderjährige Asylwerber zwischen 16 und 19 Jahren, wenn Jugendwohlfahrt, Asylamt und die Fremdenpolizei dies einvernehmlich für nötig erachten.

Wo soll die Betreuung stattfinden? – In je einem Haus pro Bundesland, wobei bestehende Einrichtungen genützt werden sollten, Einrichtungen des Bundesministeriums für Inneres etwa in Traiskirchen, in Wien, in Bad Kreuzen in Thallham oder in den Bundesländern, in denen es solche Einrichtungen auch schon gibt.

Wer betreut diese Leute? – Da gibt es eine klare Regelung: Bund und Länder sollen diese Betreuung zu je 50 Prozent übernehmen. Das Personal des Bundes und das Personal der Länder sollen eingesetzt werden.

Wie wird diese Betreuung erfolgen, oder wie sollte sie erfolgen? – Durch das Clearingverfahren sollen zunächst einmal alle Fakten und alle Ziele der Betreuung abgeklärt werden, und durch die Unterbringung der zu integrierenden Jugendlichen soll diese Integrationsvorbereitung in einem bestimmten Zeitrahmen von maximal 12 Monaten erfolgen können.

Das ist der Wunsch und das Ziel des Ressorts des Innenministers. Den Vorwurf zu erheben, daß das Innenministerium säumig sei oder in dieser Frage nichts weiterbringe, ist schlicht und einfach nicht wahr und entspricht nicht den Tatsachen. Es ist alles vorbereitet, es ist in einer größeren Runde alles abgesprochen. Die Unterlagen dieses Konzeptes liegen bei den Ländern. Die Landesamtsdirektorenkonferenz ist beauftragt, sich dieses Konzeptes anzunehmen. Es gibt von zwei Bundesländern auch schon die Zustimmung für dieses Konzept, nämlich von Wien und vom Burgenland. Die anderen sind noch säumig.

Ich würde ersuchen, den Vorwurf der Säumigkeit an jene zu richten, die tatsächlich noch keine Stellungnahme dazu abgegeben haben. Sicherlich aber ist das Bundesministerium für Inneres in dieser Frage nicht säumig. (Beifall bei der SPÖ.)

15.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Nachdem ich heute früh öffentlich Herrn Abgeordneten Meischberger ersucht habe, zur Angelobung zu erscheinen, darf ich jetzt ebenso öffentlich bekanntgeben, daß um 15.10 Uhr ein Schreiben eingelangt ist, in dem mitgeteilt wird, daß er mit sofortiger Wirkung auf das Mandat verzichtet hat. – Die Sache ist damit gegenstandslos.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Günther Platter. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.18

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß vom Abgeordneten Kier heute eine Debatte über die Verhängung von Schubhaft über Jugendliche und Kinder verlangt wird, weil es sich zweifellos um eine sensible Thematik handelt und ich ebenfalls der Meinung bin, daß in verschiedenen Bereichen Handlungsbedarf besteht.

Mit tut das Herz weh, wenn ich jugendliche Schubhäftlinge sehe, wenn ich Kinder sehe, die in Schubhaft genommen werden. Generell ist zu sagen, daß es sich bei Schubhäftlingen nicht nur um Kriminelle handelt. Es ist nicht mitanzusehen, wenn sozusagen hilfesuchende Jugendliche tatsächlich mit Kriminellen in Polizeihaftanstalten untergebracht werden. Daher ist bei jugendlichen Schubhäftlingen tunlichst zu vermeiden, daß sie in Schubhaft genommen werden, wobei man sich natürlich jeden Fall einzeln ansehen muß.

Meine Damen und Herren! Zu den Kindern kommend. Kinder dürfen einfach nicht in Schubhaftanstalten untergebracht werden. Das müßte eine Selbstverständlichkeit sein. Auch in jenen Fällen, meine Damen und Herren, bei denen die Mutter in Schubhaft genommen wurde und dann ersucht, daß das Kind bei ihr sein kann, daß sie das Kind bei sich behalten kann und sozusagen das Kind dann auch in Schubhaft genommen wird, ist wirklich genauestens zu überprüfen, ob nicht gelindere Mittel möglich wären.

Herr Minister! Wenn ich höre, daß eine Mutter mit ihrem Kind in Schubhaft genommen wurde, geht es mir nicht gut. Mir fehlt für solche Fälle das Verständnis. Es müssen einfach gelindere Mittel angewandt werden. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun kommen wir zum Kernproblem dieser gelinderen Mittel: Es ist erfreulich, daß es eindeutige gesetzliche Zuständigkeitsregelungen gibt, daß Flüchtlingsbetreuer Betreuungs- und Beratungstätigkeiten bei minderjährigen Flüchtlingen durchführen, und wie ich höre, funktioniert die Zusammenarbeit mit der Caritas ausgezeichnet. Ich vertrete aber nicht die Meinung des Innenministeriums, das meint, daß Minderjährige, bei denen von der Verhängung der Schubhaft abgesehen wurde und gelindere Mittel zur Anwendung kommen, keine finanzielle Unterstützung erhalten sollen, weil dies zum Verbleib in Österreich motivieren würde.

Ich bin anderer Meinung. Ich bin der Meinung, daß sich die Behörde gerade bei Kindern und Jugendlichen nicht nur auf die Anordnung eines gelinderen Mittels beschränken soll, sondern natürlich auch die praktische Umsetzung ermöglichen soll. Gegebenenfalls müssen auch die Unterkunftskosten für diese Minderjährigen übernommen werden.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf einen ökonomischen Aspekt hinweisen. Ich bin der Meinung, daß die Unterbringung in einer zugewiesenen Unterkunft wesentlich kostengünstiger sein müßte als die finanziellen Aufwendungen für jene, die in Schubhaft genommen werden. Daher sollte auch dieser ökonomische Aspekt bei der Beurteilung dieser schwierigen Materie berücksichtigt werden.

Alles in allem ist zu sagen, daß die Formulierung "gelindere Mittel" ein schöner Ausdruck ist, aber in der Praxis nicht umgesetzt werden kann. Ich höre von Exekutivbeamten, daß sie minderjährige Frauen oder Kinder vorübergehend oft in Klöstern unterbringen, um eine Unterbringung in Polizeihaftanstalten zu vermeiden. Die Exekutive klagt, daß es im Gesetz zwar diese wunderschöne Bestimmung "gelindere Mittel" gibt, die Umsetzung aber nur sehr schwer möglich ist.

Zum Abschluß kommend: Ich halte diese Anfragebesprechung daher für sehr sinnvoll und bedanke mich bei der Caritas für all ihre Initiativen in diesem Bereich. Ich möchte klar zum Ausdruck bringen, daß bei Kindern und Jugendlichen die Menschlichkeit im Vordergrund zu stehen hat und die notwendigen Maßnahmen getroffen werden müssen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.23

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ob man für die Durchsetzung der Abschiebung die Schubhaft verhängt, oder ob die Schubhaft generell durch ein Gelöbnis ersetzt werden soll, ist eine Frage, ob man in Kauf nimmt, daß jemand in Österreich bleibt, der dazu keine Berechtigung hat, der gezeigt hat, daß er nicht bereit ist, die österreichischen Gesetze zu beachten. Die Verlockung unterzutauchen, wenn die Schubhaft durch ein Gelöbnis ersetzt wird, ist unzweifelhaft äußerst groß.

Deshalb sind wir Freiheitlichen überhaupt dagegen, daß die Schubhaft durch ein Gelöbnis ersetzt werden soll – außer bei Kindern. Aber diese Fälle kommen derart selten vor, daß man kaum darüber zu reden braucht.

Weil heute davon geredet worden ist, daß der Innenminister nicht genügend Statistiken hat, möchte ich sagen, der Innenminister führt meiner Meinung nach ganz bewußt oft keine Statistiken, denn wir haben schon einmal eine Anfrage gestellt, in welcher wir den Minister gefragt haben, in wie vielen Fällen der Abschub nicht durchgeführt werden konnte, in denen ein Gelöbnis abverlangt worden ist. Der Herr Minister hat gesagt, das könne er nicht sagen, weil darüber keine Statistik geführt wird.

Ich weiß auch, warum Sie darüber keine Statistik führen, denn, Herr Minister, ich bin überzeugt davon, daß 95 Prozent jener Schubhäftlinge, die das Gelöbnis leisten, statt daß die Schubhaft verhängt wird, überhaupt nicht zur Verfügung stehen, wenn die Abschiebung veranlaßt werden soll, weil sie untergetaucht sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist ganz klar. Denn derjenige, der sich rechtswidrig in Österreich aufhält, ist überhaupt nicht bereit, unsere Gesetze zu achten, und er möchte auch weiterhin in Österreich bleiben.

Ich glaube daher, daß man bei der Frage nicht augenzwinkernd sagen darf: Wir haben zwar die Schubhaft, und wir wollen die Leute abschieben, aber wir nehmen das Gelöbnis ab, und dann wird sich das schon irgendwie regeln. Er wird schon kommen und wird sich melden. – Er wird sich nicht melden, sondern er wird ganz einfach untertauchen. Aber dieses Augenzwinkern ist zum System der Regierung geworden, und zwar beim Abschieben, aber auch bei der Kontrolle, inwieweit sich Ausländer diesen rechtlichen Verpflichtungen, die wir haben, auch unterwerfen. Denn sonst wäre es nicht möglich, daß sich Ausländer jahrelang in Österreich aufhalten und alle möglichen öffentlichen Einrichtungen in Anspruch nehmen, ohne daß man draufkommt, daß sie auch da sind.

Ich möchte Ihnen einen Artikel aus dem "Standard" vom Februar zitieren: "Veroljub M. kam mit seiner Mutter nach Wien, als er sechs Jahre alt war. Ging hier zur Volksschule, ging hier zur Hauptschule." Er nahm dann eine Lehrstelle an, und mit 18 Jahren soll er plötzlich abgeschoben werden, weil seine Mutter keine Aufenthaltsbewilligung beantragt hat. Dann wird von einer ungeheuerlichen Härte gesprochen.

Ich bin der Meinung, daß die österreichische Bundesregierung und jene, die dafür verantwortlich sind, sehr dazu beitragen, daß es zu solchen Härten kommen kann. Denn man müßte eigentlich verlangen, daß schon beim Schulbesuch nachgewiesen wird, ob jemand eine Aufenthaltsbewilligung hat – bei der Volksschule, bei der Hauptschule, bei der Lehrstelle.

Tatsächlich wird in Österreich niemals ein Nachweis verlangt, daß der Aufenthalt in Österreich bewilligt ist. Es kann sich zum Beispiel jemand eine Finanzamtnummer nehmen, ohne daß er nachweisen muß, daß er in Österreich überhaupt eine Aufenthaltsberechtigung hat. Er kann ein Gewerbe ausüben, ohne diesen Nachweis zu erbringen. Dann, wenn man nach Jahren oder Jahrzehnten draufkommt, wird plötzlich davon geredet, es sei eine ungeheure Härte, daß man abgeschoben werde.

Das ist dieses Augenzwinkern. Sie wollen in Wirklichkeit nicht, daß auch kontrolliert wird, wer sich unrechtmäßig aufhält. Es soll auch nur derjenige die öffentlichen Einrichtungen benützen, der sich rechtmäßig hier aufhält.

Herr Minister! Ich bitte Sie, daß Sie diese Debatte zum Anlaß nehmen, Ihren Einfluß dahin gehend geltend zu machen, daß man auch beim Schulbesuch, bei der Finanzamtnummer, beim Gewerbeanmelden, überall nachweisen muß, daß man eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich hat. Dann wird es solche Diskussionen überhaupt nicht mehr geben, daß es eine Härte sei, wenn man nach Jahren Aufenthalt in Österreich plötzlich zur Verantwortung gezogen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

15.28

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es sind so wenige Fälle, daß man nicht darüber zu reden braucht, wurde gesagt. – Jeder einzelne in Österreich ist genug, jedes einzelne Kind ist es wert, daß man hier darüber redet, wenn man diese Kinder in den "Häfen" setzt. So sehe ich das.

Es ist unglaublich, was hier gesagt wird! Es ist unglaublich, daß man Eltern vorwirft, daß sie ihre Kinder, ob legal oder illegal, in die Schule bringen, anstatt daß sie zu Hause nicht ausgebildet werden und ein noch größeres Problem für eine Gesellschaft darstellen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist Demagogie, was Sie sagen!) Das halte ich für den absonderlichen Weg der Freiheitlichen Partei, wie sie sich dieses Problems entledigen will. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Sie möchten lieber Analphabeten als gebildete Kinder, die sich viel leichter integrieren lassen und die jede Sprachprüfung problemlos bestehen könnten. Das ist die Wahrheit!

Aber zu den wichtigeren Problemen: erstens einmal zu den Clearingstellen. Das Liberale Forum hat diesbezüglich am 24. Februar einen Antrag gestellt, der von den Regierungsparteien abgelehnt worden ist. Was wir mit den Clearingstellen erreichen wollten, ist, daß es eine Anlaufstelle für Kinder gibt, ihre Verwandten zu suchen (Abg. Leikam: Sie kommt!), eine betreute Wohnmöglichkeit zu finden, Psychotherapie zu erhalten. Man sieht das jetzt bei den Kindern aus dem Kosovo. Herr Bundesminister! Dürfen die Kinder aus dem Kosovo, die keine Eltern mehr haben, die keine Verwandten benennen können, weil sie noch zu klein sind, auch nach Österreich kommen?

Gibt es eine Möglichkeit, daß Sie sich bei den Beamten durchsetzen, die dort Dienst machen? Wissen Sie, wie Ihre Beamten in den Flüchtlingslagern ihren Dienst versehen? Haben Sie mit internationalen Beobachtern telefoniert, um zu wissen, wie es dort zugeht? Haben Sie ausreichend Beamte in diesen Flüchtlingslagern?

Vier sind nicht genug – das wissen wir alle – und vier, die teilweise Dienst nach Vorschrift machen, sind noch problematischer, Herr Bundesminister. (Abg. Leikam: Die arbeiten rund um die Uhr, Tag und Nacht! Das ist doch eine ungeheuerliche Unterstellung für die Leute, die vor Ort arbeiten! Tag und Nacht arbeiten diese Leute!) Machen Sie sich kundig! Setzen Sie sich ins Flugzeug! Regierungsmitglieder in anderen Ländern haben das auch getan, Herr Kollege. Schauen Sie nach Deutschland: Ihre deutschen Kollegen haben sich ins Flugzeug gesetzt und kundig gemacht. Unsere Journalisten werden dort jeden Tag ausgetauscht. Warum ist nicht irgendein Minister in der Lage, sich ins Flugzeug zu setzen? Das hätte ich gerne gewußt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es gibt eine humanitäre Katastrophe, und unsere Regierung ist sich zu fein, sich in Bewegung zu setzen. Das ist doch die Realität!

Wenn die Finanzen im Vordergrund stehen, dann frage ich mich, warum nicht die Betreuung in Jugendeinrichtungen vorgezogen wird. Das ist doch viel billiger. Die Betreuung eines Jugendlichen in einem Jugendheim kostet 1 300 S pro Tag. Die Betreuung von Schubhäftlingen kostet 2 200 S. Ist das wirklich der notwendige sorgsame Umgang mit den Finanzen, den wir uns wünschen? Sogar das ist ein Argument dafür, daß man diese Kinder nicht als Schubhäftlinge behandeln sollte, sondern sie einer angemessenen Betreuung zuführt. (Abg. Leikam: Kein Kosovo-Flüchtling ist in Schubhaft!)

Das sind Kinder, die nicht einmal wissen, welche Gesetze sie respektieren müssen. Haben Sie, Frau Partik-Pablé, mit 16 gewußt, welche Gesetze es in Österreich gibt, die Sie betreffen? Sie haben sich nach Gutdünken bewegt, so wie viele andere. Holger Bauer! Kennst du alle Gesetze, die dich betreffen? Kannst du sie alle benennen? (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Nein!) Warum verlangt ihr das dann von Sechzehnjährigen, von Vierzehnjährigen? Das frage ich mich. (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult!) Warum sollen die in der Lage sein, all diese Gesetze zu kennen? Das ist doch unglaublich! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es geht nicht an, die Versäumnisse der Eltern Kinder büßen zu lassen, und ich kenne solche Fälle zur Genüge. Die Eltern sind oft einfach nicht in der Lage, manche Papiere zu interpretieren, um die formalen Erfordernisse zu erfüllen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann sollen sie zu Hause bleiben!) Und man läßt es dann die Kinder büßen, so wie es zuletzt am 18. Jänner dieses Jahres geschehen ist: Ein türkisches Kind wurde im Pyjama auf den Flughafen geschleppt und mit einigen Hundertern an Taschengeld allein in ein Flugzeug gesetzt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Na der ist zu seiner Familie geschickt worden! Ihr seid ja sonst auch für die Familienzusammenführung!) Das ist die Art und Weise, wie Sie mit diesen Menschen umgehen, einem Kind, das sich offensichtlich schon in der zweiten Generation in Österreich befindet. Das, muß ich sagen, bedarf einer grundlegenden Reformierung. Ich bin froh darüber, daß die Freiheitlichen nicht federführend sind. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

15.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Minister. (Bundesminister Mag. Schlögl gibt zu verstehen, daß er erst am Ende der Debatte das Wort ergreifen möchte.)

Dann gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort. – Bitte.

15.33

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Es hätte mich gefreut, wenn der Herr Bundesminister vor mir gesprochen hätte, denn dann hätte er uns vielleicht eine Antwort auf die Frage geben können, warum er nicht in den Kosovo fliegt, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Ich habe einen bösen Verdacht: Vielleicht muß er den Herrn Bundeskanzler zu den 50-Jahr-Feierlichkeiten der NATO in Washington begleiten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es gibt 40 Kriege auf der Welt! Wieso sollte der Innenminister von Österreich dort überall hinfliegen?)

Die Frau Partik-Pablé mit ihren Zwischenrufen! Damit es alle hören: Sie hat gerade gesagt: Es gibt 40 Kriege auf der Welt; warum sollte sich unser Herr Innenminister ausgerechnet in den Kosovo begeben? – Die Leute werden sich wohl selbst ein Bild davon machen können. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es ist doch der österreichische Innenminister!)

773 Menschen sind es insgesamt, die im Jahre 1998 minderjährig in Schubhaft genommen wurden. 773! Wenn man da von einer kleinen Zahl spricht, die gar nicht erwähnenswert ist, dann spricht das auch für sich, um jetzt die Haltung der FPÖ zu charakterisieren, meine Damen und Herren.

Ich meine, ohne jetzt im Detail darauf einzugehen, wie die Realität in Österreich ist, daß es bezüglich Kindern und Jugendlichen und Minderjährigen immer, wenn es um Freiheitsentzug und Freiheitsbeschränkung geht, nach dem Prinzip ablaufen müßte, im Zweifel für den Betroffenen zu entscheiden. Im Zweifel sollte für den Betroffenen entschieden werden. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Man muß sich auch fragen, warum die Mutter eines 11jährigen in Schubhaft genommen werden muß, die ja nichts verbrochen hat, außer illegalen Grenzübertritt – unter Anführungszeichen – "begangen" zu haben. Es wurde ja mehrfach gesagt – Kollege Platter hat es auch gesagt –: Wenn wir von Schubhäftlingen sprechen, dann sprechen wir von Häftlingen im Sinne von Gefangenen, aber der Großteil davon sind ja nicht einmal Straftäter, ja nicht einmal Menschen, die eine rechtskräftige Verwaltungsübertretung begangen haben (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was sonst?), weil es ja noch kein Verfahren darüber gibt. Es ist vielleicht ein Faktum, das sie gesetzt haben, aber es gibt doch darüber sozusagen keinen rechtskräftigen Abschluß.

Darum freut es mich, hier heute die Redner der ÖVP gehört zu haben. Ich hatte fast den Eindruck, als Kollege Platter heute gesprochen hat, hier spricht ein Grüner oder ein Liberaler zum Plenum des Nationalrats. (Abg. Leikam: Wenn es um einen roten Minister geht, reden alle gleich!) Aber ich habe den Verdacht, daß Kollege Platter eine nicht sehr maßgebliche Position beim Durchsetzen in der ÖVP hat. Oder, meine sehr geehrten Damen und Herren, er tut es deshalb, weil es zufällig nicht der Vizekanzler war, der falsche Versprechungen gemacht hat, sondern in diesem Fall der Bundeskanzler.

Letztes Jahr, im Jahr der Menschenrechte, ist es niemandem schwergefallen, Versprechungen zu machen. Anläßlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor 50 Jahren ist natürlich der Bundeskanzler in das Integrationshaus gefahren und hat gesagt: Geld muß her, wir wollen ein Konzept erstellen, hier muß etwas geschehen, das ist ja wirklich ein Skandal, und Kinderrechte sind überhaupt das Wichtigste. – Das könnte von Vizekanzler Schüssel stammen: Kinderrechte stehen im Mittelpunkt. (Abg. Dr. Feurstein: Das stimmt ja auch!)

Das Ganze hat sich auf das Gewähren von Geld für das Ausarbeiten von Studien beschränkt. Das ist lobenswert – ich möchte das jetzt nicht falsch verstanden wissen, daß ich hier daran Kritik übe –, aber damit hat es sich. Jetzt ist das Pingpongspiel wieder im Gang: Der Bund sagt, eigentlich sind die Länder für Minderjährige zuständig, und die Länder sagen, Flüchtlinge sind eine Bundesangelegenheit, und deshalb ist einzig und allein der Bund zuständig. – Und wer auf der Strecke bleibt, das sind Minderjährige in Österreich. Das sind die Leidtragenden dieser Politik, die sich wirklich in diesem Fall auf Symbole, auf Placebos beschränkt. Es ist ja aus der Anfragebeantwortung trotz mangelhafter Statistik ersichtlich, daß Hunderte davon betroffen sind.

Herr Bundesminister! Da Sie nach mir zu Wort gelangen, möchte ich Sie ohne Polemik fragen: In welchem Land leben wir, wenn wir ganz genau wissen, wie viele Bäume bestimmter alter Apfelbaumsorten es in Österreich gibt – man kann sagen, wie viele es davon in Stinatz und wie viele es davon in Gerasdorf, in Urbersdorf im Bezirk Güssing gibt –, Sie jedoch nicht die primitivsten, für die davon betroffenen Menschen existentiellen Aufzeichnungen haben, nämlich woher sie kommen, wie lange und warum sie in Schubhaft sitzen und welche anderen Möglichkeiten es gibt? – Das ist der Stand, und dazu bitte ich Sie, jetzt Stellung zu nehmen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

15.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

15.39

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Oppositionsparteien Grüne und Liberales Forum haben mir vorgeworfen, daß ich nicht in den Kosovo oder nach Albanien oder nach Mazedonien geflogen bin und mich vor Ort über die Ereignisse informiert habe.

Ich habe es mir persönlich überlegt, ob ich mich in Mazedonien oder in Albanien über die Umstände, in welcher Art und Weise diese humanitäre Katastrophe vor Ort zu bewältigen versucht wird, informieren soll. Ich entschloß mich schlußendlich aus zwei Gründen dazu, es nicht zu tun.

Erstens deswegen, weil es bei ähnlichen Reisen innerhalb Österreichs, nämlich zu dem Grubenunglück in Lassing und zu der Lawinenkatastrophe in Galtür, gerade von Ihrer Seite sehr heftige Kritik daran gegeben hat, daß Regierungsmitglieder Katastrophentourismus betreiben würden. (Abg. Ing. Langthaler: Das kann man doch nicht vergleichen!) Diese Kritik, die damals gekommen ist, wollte ich sehr, sehr bewußt bei dieser noch viel ärgeren menschlichen Tragödie, die sich im Kosovo und in angrenzenden Gebieten abspielt, vermeiden.

Der zweite Grund war, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß der deutsche Ratspräsident und Innenminister Deutschlands Otto Schily diese Reise am Ostersonntag unternommen hat und wir sowohl an diesem Tag als auch am Ostermontag sehr ausführlich über seine Eindrücke am Telefon gesprochen haben. Deshalb glaube ich, daß ich mit einer solchen Reise keine weiteren und zusätzlichen Eindrücke, Erkenntnisse und Erfahrungen hätte sammeln können.

Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, daß ein Team des österreichischen Innenministeriums vor Ort in einem Lager in Mazedonien arbeitet. Es ist dies meines Wissens das einzige Team eines anderen Staates, das vor Ort in einem Lager arbeitet und sehr eng mit dem UNHCR und mit der Internationalen Organisation für Migration zusammenarbeitet. Dieses Team wird sowohl von der IOM als auch vom UNHCR in seiner Arbeit sehr, sehr gelobt und sehr, sehr geschätzt. Deshalb glaube ich, daß Ihre Kritik nicht gerechtfertigt ist, und möchte die Kritik an der Arbeit dieses Teams auch klar zurückweisen, weil es unter schwierigsten Bedingungen eine sehr erfolgreiche Arbeit leistet. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Abgeordnete Gredler: Sie kritisieren mich, weil am 24. Februar ein Konzept der Liberalen zur Einführung von Clearingstellen in Österreich im Parlament vorgeschlagen, aber abgelehnt worden ist. Gleichzeitig wissen Sie aber, daß ich Anfang März ein solches Konzept an alle Bundesländer geschickt habe, das inhaltlich Ihren Vorstellungen sehr ähnlich ist, mit dem Vorschlag an alle Bundesländer, eine gemeinsame Vorgangsweise zur Betreuung illegaler Jugendlicher unter dem 16. Lebensjahr und unbegleiteter Asylwerber unter dem 16. Lebensjahr zu schaffen.

Ich glaube, allein das zeigt, daß von mir sehr wohl anerkannt wird, daß es da einen zusätzlichen Handlungsbedarf gibt, daß wir gemeinsam die Verantwortung und die Verpflichtung haben, uns um minderjährige Asylwerber unter dem 16. Lebensjahr zu kümmern. Das Innenministerium hat deshalb ein entsprechendes Konzept erarbeitet und den Bundesländern entsprechende Finanzierungsvorschläge vorgelegt. Ich bin optimistisch, daß wir uns noch in der ersten Hälfte dieses Jahres mit den Bundesländern einig werden und in der zweiten Jahreshälfte dieses Konzept auch umsetzen, sodaß dann in jedem Bundesland eine entsprechende Clearingstelle, eine Betreuungsstelle geschaffen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Anfragebeantwortung soll aber auch eines klar aufzeigen: daß das, was immer wieder behauptet wird, nämlich daß es Kinder unter dem 14. Lebensjahr gibt, die sich in Schubhaft befinden, einfach nicht stimmt. Ich möchte es nochmals betonen, daß wir alles daransetzen – das war auch eine der wesentlichsten Absichten des neuen Asylgesetzes aus dem Jahr 1997 –, Jugendliche und Kinder möglichst von der Schubhaft zu verschonen. Wir setzen alles daran, daß wir Jugendliche und Kinder in entsprechende Betreuungseinrichtungen bringen, um ihnen die Schubhaft zu ersparen.

Die Anwendung des gelinderen Mittels, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurde von mir in den letzten Monaten auch sehr konsequent verfolgt. Ich habe mich auch bemüht, unsere Behörden, unsere Beamtinnen und Beamten auf die Notwendigkeit und Wichtigkeit dieses Anliegens deutlich hinzuweisen; wir bieten auch regelmäßig Informationsveranstaltungen und Schulungen an. Die letzte fand am 11. März statt, wobei ich in einem Rundschreiben an alle Verantwortlichen im Bereich des Fremdenwesens und des Asylwesens darauf hingewiesen habe, daß die Anwendbarkeit des gelinderen Mittels für Minderjährige, für Schwangere und für kranke Personen unbedingt notwendig und wichtig ist. Ich bin der Meinung, daß wir hier in sehr vielen Fällen auch sehr korrekt handeln.

Wir haben natürlich das Problem, daß wir oft nicht wissen, wie alt jemand ist, und es ist die Aufgabe der Behörde, das Alter der Menschen, die illegal eingereist sind, festzustellen. Solange das Alter nicht festgestellt werden kann, müssen diese Menschen durch die Behörden entsprechend beobachtet werden. Sobald wir feststellen, daß jemand tatsächlich noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet hat, reagieren und handeln wir sofort.

Ich kann Ihnen die Statistik des Jahres 1998 mitteilen, und ich habe das, glaube ich, auch in der Anfragebeantwortung zumindest kursorisch erwähnt: Im Jahre 1998 wurde zirka 15 000 Mal die Schubhaft über Personen verhängt, davon 773 Mal über Personen unter dem 19. Lebensjahr. 90 Prozent dieser 773 Verhängungen über Personen unter dem 19. Lebensjahr entfielen auf Personen zwischen dem 18. und 19. Lebensjahr.

Das heißt also, die Zahl der Verhängung von Schubhaft für Menschen unter dem 14. Lebensjahr gibt es nicht – wenn, dann nur in einigen wenigen Ausnahmefällen, die ich begründen kann –, unter dem 16. Lebensjahr nur in einigen wenigen Ausnahmefällen. In der Regel wird die Schubhaft für Menschen zwischen dem 18. und dem 19. Lebensjahr ausgesprochen.

Im vergangenen Jahr hat es lediglich vier oder fünf Fälle von Personen unter dem 14. Lebensjahr in Schubhaft gegeben.

Einen Fall hat es in Kärnten gegeben, wo zwei Familien kurzfristig festgenommen worden sind, und auf ausdrücklichen Wunsch der Mütter sind die beiden Kinder über Nacht bei den Müttern geblieben und haben die Nacht in der Schubhaft verbracht. Sie sind am nächsten Tag sofort gemeinsam mit den Müttern freigelassen und in einem entsprechenden Heim untergebracht worden.

Einen zweiten Fall hat es in der Steiermark gegeben, wo eine junge Chinesin bei einer bestimmten Tätigkeit festgenommen worden ist. Diese junge Chinesin hat behauptet, daß sie noch nicht 14 ist. Wir haben das von einem Amtsarzt überprüfen lassen, und es hat sich herausgestellt, daß dem tatsächlich so war. Sie wurde daraufhin sofort freigelassen und in ein entsprechendes Heim überstellt.

Einen weiteren Fall hat es in Wien mit einem jungen Rumänen gegeben, der straffällig geworden ist, der bei einem Einbruchsdiebstahl verhaftet worden ist. Er wurde den rumänischen Behörden übergeben.

Das waren die Fälle, bei denen Jugendliche unter dem 14. Lebensjahr in Schubhaft waren. (Abg. Dr. Gredler: Es gibt noch ein paar!) – Mir ist jetzt kein weiterer Fall bekannt. Es gibt eine Vielzahl von Fällen, bei denen behauptet wurde, daß die Minderjährigen unter dem 14. Lebensjahr sind. Es hat sich dann immer wieder herausgestellt, daß ihr Alter nicht unter dem 14. Lebensjahr lag, sondern in der Regel um das 19., 20. Lebensjahr.

Aber ich möchte nochmals betonen, daß mir die gesamte Thematik Verhängung von Schubhaft über Minderjährige und Jugendliche ein sehr wichtiges Anliegen ist, daß ich alles daransetze, um hier das gelindere Mittel auch in Zukunft entsprechend einzusetzen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es bestimmte Fälle gibt, die dies nicht erlauben. Dies betrifft vor allem Fälle, in denen es nicht möglich ist, das Alter festzustellen, und zuerst einmal die Behörde das Alter feststellen muß. Erst dann kann eine entsprechende andere Behandlung als die Schubhaft erfolgen.

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß das, was von seiten des österreichischen Innenministeriums gemacht wird, keinesfalls zynisch ist, sondern sehr menschlich, sehr korrekt ist und natürlich auch darauf ausgerichtet ist, daß auch ein entsprechender Schutz der Gesellschaft vor Minderjährigen, die straffällig geworden sind, gewährleistet ist.

In diesem Sinne glaube ich, daß die Vorgangsweise des Innenministeriums richtig ist und Ihre Kritik zurückzuweisen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

15.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Diese Debatte ist daher geschlossen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 5475/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen als nächstes zu der kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanzlers mit der Ordnungszahl 5475/AB.

Auch in diesem Fall ist die erwähnte Anfragebeantwortung verteilt worden, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Im Zuge der Debatte gelten die gleichen Regeln, die beim vorigen Debattenblock Anwendung gefunden haben: Erstredner: 10 Minuten, alle weiteren Stellungnahmen: 5 Minuten.

Herr Abgeordneter Wabl gelangt zu Wort. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

15.50

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Affäre um die Waffenverkäufe durch Verteidigungsminister Fasslabend hat einen traurigen Höhepunkt erreicht mit einer Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanzlers, der hier durch seinen sicher bestinformierten Staatssekretär vertreten wird.

Meine Damen und Herren! Kurz zur Information: Das Bundesheer verkauft seit geraumer Zeit alte Sturmgewehre und umgeht bei diesem Verkauf offensichtlich die österreichischen Gesetze, und zwar das Kriegsmaterialiengesetz, ein Gesetz, das für den Fall der Verletzung Gefängnisstrafen für die Gesetzesübertreter vorsieht.

Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für Landesverteidigung hat es in den letzten Monaten nicht der Mühe wert gefunden, diesem Haus korrekte Auskünfte über Waffenschiebereien mit österreichischen Waffen zu geben. (Zwischenruf des Abg. Murauer.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung hat offensichtlich auf die Amtsverschwiegenheit der Beamten gesetzt und hat offensichtlich das Kriegsmaterialiengesetz, und zwar den § 5 umgangen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich werde Ihnen nun anhand der Dokumente klarlegen, daß hier offensichtlich jemand in der Bundesregierung die Unwahrheit sagt oder lügt.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung sagt in seiner Verteidigungsrede am 16. Dezember 1998: In den Ausschreibungen ist als Bedingung das Vorliegen einer Bewilligung durch das Innenministerium enthalten gewesen. Die Schweizer Firma – zu der komme ich noch – hat daher auch das beste Angebot gehabt und hat erst nach dem Vorliegen der Exportbewilligung durch das Bundesministerium für Inneres den abgefertigten Zuschlag erhalten. – Erst nach Vorliegen!

Herr Bundeskanzler Klima antwortet in der Anfragebeantwortung 5475/AB auf die Frage, wie er den Sachverhalt bezüglich Kriegsmaterialiengesetz § 3 und § 5 sieht:

"Zu den Fragen 2 und 3: Nach § 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial bedarf die Ausfuhr von Kriegsmaterial durch den Bundesminister für Landesverteidigung der Zustimmung der Bundesregierung. Dies trifft auf den in der Anfrage angesprochenen Sachverhalt nicht zu."

Und nun der Sachverhalt, meine Damen und Herren: "Nach den mir zur Verfügung stehenden Informationen wurde das gegenständliche Kriegsmaterial im Inland an eine private Firma verkauft und verblieb zunächst auch im Inland; die betreffende Firma hat in der Folge einen Antrag auf Bewilligung der Ausfuhr des gegenständlichen Materials eingebracht ..."

Das ist das exakte Gegenteil von dem, was Minister Fasslabend am 16. Dezember hier dem Hohen Haus als Auskunft gegeben hat. (Abg. Dr. Petrovic: Ungeheuerlich!) Wer sagt hier die Unwahrheit? Der Herr Bundeskanzler in Vertretung des Staatssekretärs oder Herr Minister Fasslabend? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier. – Abg. Dr. Maitz: Sie! Sie selber!)

Herr Maitz! Sie wurden immer vorgeschickt, um mit Ihrer Dreckschleuder mit Unwahrheiten ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Bitte, das ist ein glatter Ordnungsruf! Wenn das so weitergeht, muß man sich noch anderes überlegen! – Bitte, Sie sind wieder am Wort.

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Herr Präsident! Ich nehme das zur Kenntnis, aber verstehen Sie auch meine Erregung darüber, daß unser Bundesminister für Landesverteidigung Waffenhändler in Europa, in Afrika, in Südamerika und in Amerika spielt. Ich werde Ihnen das hier anhand von klaren Unterlagen dokumentieren! (Abg. Dkfm. Mühlbachler: Dokumente zeigen! Dokumente!)

Meine Damen und Herren! Wer sagt hier die Unwahrheit? – Der Herr Khol ist auch schon ausgeritten zur Verteidigung und hat gesagt, der Herr Fasslabend habe ja die Waffen nicht ins Ausland gebracht.

Meine Damen und Herren! Aus dem Wirtschaftsministerium ist folgendes bekannt: Die Zollkodex-Durchführungsverordnung, EWG 2454/93, Artikel 788 besagt folgendes: Als Ausführer im Sinne des Artikels 161 Abs. 5 des Zollkodex gilt die Person, für deren Rechnung die Ausfuhranmeldung abgegeben wird und die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Anmeldung Eigentümer der Waren ist oder eine ähnliche Verfügungsberechtigung besitzt. Ist der Eigentümer oder der in ähnlicher Weise Verfügungsberechtigte gemäß den Bestimmungen des Ausfuhrrechtsgeschäftes außerhalb der Gemeinschaft ansässig, so gilt der in der Gemeinschaft ansässige Beteiligte des Rechtsgeschäftes als Ausführer.

Meine Damen und Herren! Diese Verordnung EWG ist rechtsverbindlich. Danach gilt der Herr Verteidigungsminister als Exporteur und hat als Exporteur das Kriegsmaterialiengesetz § 5 eindeutig verletzt. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Fasslabend ist nach dieser Verordnung der Exporteur!

Meine Damen und Herren! Ihre Argumentation und Ihre Verteidigung "im Inland an eine private Firma verkauft" ist ja an Skurrilität nicht zu überbieten! Ich frage Sie: Was ist denn im Inland eine private Firma? Maitz und Co, Spindelegger und Co, Kraft und Co, Khol und Co? Oder ist eine private Firma im Inland die Firma Interordnance, Century Arms in den USA, Brügger + Thomet in der Schweiz, eine Waffenfirma in Rumänien, eine Waffenfirma in Holland? Sind das alles private Firmen im Inland?

Meine Damen und Herren! Wenn Sie dazu ja sagen, dann nehme ich zur Kenntnis, daß Sie einer anderen Logik folgen, aber wenn Sie sich den Sachverhalt genauer ansehen, der auch der Staatsanwaltschaft vorliegt, dann ist es offenkundig: Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung betätigt sich hier als oberster Waffenhändler dieser Republik, umgeht das Kriegsmaterialiengesetz offensichtlich und bedient sich Waffenschiebern, bedient sich der Arbeit und des Handels von Waffenschiebern internationaler Qualität.

Und jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Wochenlang hat das Bundesministerium bestritten, daß eine amerikanische Firma 47 000 Stück StG 58 gekauft hat. (Abg. Dr. Maitz: Hat nicht! Hat nicht!) Man hat gesagt, das ist falsch, diese Firma war nicht der Bestbieter. Ich sage Ihnen: Diese Firma war schon der Bestbieter, nur man hat festgestellt, daß diese Firma Mafiakontakte hat, und man hat gleich die Schwesterfirma in Amerika genommen, welche dann die 47 000 Stück abgenommen hat. (Abg. Dr. Maitz: Wieder falsch!)

Herr Kollege Maitz! Sie werden hier in einen Krieg geschickt mit falschen Informationen. Ich habe diese Informationen nachweislich hier, alle belegt. (Abg. Murauer: Von wem? Von wem?) Sie sind alle belegt, Herr Maitz.

Ich werde mir heute genau anhören, was uns der Herr Staatssekretär zu sagen hat. Ich hoffe, der Herr Staatssekretär ist bestens informiert, sonst werden wir heute darauf bestehen, daß der Herr Bundeskanzler hier Auskunft gibt. Denn es kann nicht sein, daß die Öffentlichkeit und dieses Parlament falsch informiert werden (Abg. Dr. Maitz: Falsch informiert ist wie gewöhnlich nur der Wabl!), weil der oberste Waffenhändler der Republik meint, die alten Gebraucht- und Leichtwaffen auf den internationalen Märkten unterzubringen, wo dann genau jene neuen Kriegsgebiete entstehen, von denen Sie dann mit Tränen in den Augen reden und wieder behaupten, daß hier endlich durchgegriffen werden muß im Sinne der Menschenrechte und im Sinne der Freiheit. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kaipel. Die Redezeiten betragen ab jetzt 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Das war ein menschenverachtender Beitrag!)

15.59

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst noch einmal grundsätzlich festhalten: Wir wissen, daß die Ausfuhr von Kriegsmaterial durch den Landesverteidigungsminister der Zustimmung der Bundesregierung bedarf. Das trifft aber auf den von den Grünen angesprochenen Sachverhalt nicht zu, da in diesem Fall die ausgemusterten Waffen nicht exportiert, sondern an eine Firma im Inland verkauft wurden. (Abg. Dr. Petrovic: An welche?) Diese Firma hat in der Folge einen Exportantrag gestellt (Abg. Dr. Petrovic: Wie heißt denn die Firma? Wo hat sie denn ihren Sitz?), welcher nach dem vom Kriegsmaterialiengesetz vorgesehenen Verfahren zu beurteilen war. (Abg. Dr. Petrovic: An welche Firma? Wo hat sie ihren Sitz? Sie wissen es offenbar nicht!)

Aus meiner Sicht möchte ich festhalten, daß seitens des Verteidigungsministers in erster Linie geprüft werden sollte, ob eine Verschrottung von ausgemusterten Waffen des Bundesheeres nicht vernünftiger wäre. Wenn jedoch der Verkauf von ausgemusterten Waffen ins Auge gefaßt würde, dann hätte auf jeden Fall die Demilitarisierung der Waffen im Inland und unter österreichischer Aufsicht zu erfolgen.

Gerade in so sensiblen Bereichen wie dem Waffenexport muß alles getan werden, damit sichergestellt ist, daß alle gesetzlichen Bestimmungen hundertprozentig eingehalten werden und mit ausgemusterten Waffen des Bundesheeres kein Mißbrauch getrieben werden kann. (Abg. Wabl: Aber hören Sie doch auf! Sie sind falsch informiert!)

Gerade aus dieser Problematik heraus möchte ich darauf hinweisen, daß grundsätzlich eine verstärkte Zusammenarbeit der europäischen Staaten im Rüstungsbereich auch im österreichischen Interesse liegt. Es ist daher begrüßenswert, daß der Rat der Europäischen Union während der Zeit der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Dezember 1998 eine gemeinsame Aktion zur Bekämpfung der destabilisierenden Verbreitung von leichten Waffen angenommen hat.

Mit dieser gemeinsamen Aktion ist es gelungen, in den zuständigen regionalen und internationalen Gremien dieses Problem zu aktualisieren und bewußtzumachen. Meine Damen und Herren! Genau diesen Weg müssen wir konsequent und verstärkt weitergehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.02

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grundfrage der Grünen ist heute einmal mehr: Brauchen wir noch Waffen? Brauchen wir ein Gewaltmonopol international? Brauchen wir ein Gewaltmonopol im staatlichen Bereich? (Ironische Heiterkeit bei den Grünen. – Rufe bei den Grünen: Zur Sache, Herr Maitz!)

Wir sagen klar und deutlich: Jawohl! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Wabl: ... Waffenschieber deckt oder nicht?) Auch heute ist das alles noch immer notwendig: zum Schutz von Mitbürgerinnen und Mitbürgern gegen Verbrechen im Inland (Abg. Dr. Petrovic: So wie der Bürger in Botswana! So wie der Bürger in Rumänien! So wie der Menschen im Kosovo!) und zum Schutz ganzer Völker gegen Diktatoren und ihre Regime im Ausland – so wie jetzt im Kosovo. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Sagen Sie, daß die Menschen im Kosovo geschützt werden?)

Zu den konkreten Vorwürfen in der gegenständlichen Anfrage der grünen Fraktion: Im Jahre 1996 wurden 40 000 Stück Sturmgewehre an die Firma Brügger + Thomet in der Schweiz verkauft und nach österreichischem Kriegsmaterialiengesetz nach Bescheid des Innenministeriums ausgeführt. Den Erlös erhielt der Finanzminister. Das Landesverteidigungsministerium hat keinen Groschen davon gesehen. Es wurden Auflagen erteilt. Das haben wir am 16. Dezember bereits abgehandelt.

Im Jahre 1998 wurden 47 000 Sturmgewehre zum Verkauf ausgeschrieben. Es fanden Interessentenverhandlungen statt, auch eine Information an das Innenministerium vorweg durch die Firma. Dieser Verkauf – das sage ich mit aller Deutlichkeit – hat nicht stattgefunden! Wer anderes sagt, sagt bewußt die Unwahrheit! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe die Unterlagen, die Herr Wabl und Frau Petrovic bei ihrer Pressekonferenz hatten, in der Hand. Ich sage es noch einmal: Dieser Verkauf hat nicht stattgefunden! Auch weitere Verkäufe aus Heeresbeständen sind nicht vorgesehen. Die Behauptungen der Grünen in ihrer Anfrage vom 18. Februar über geplante Verkäufe von Panzern, Pistolen und weiteren Scharfschützengewehren sind falsch, absolut falsch, und werden wider besseres Wissen wiederholt.

Österreich hat ein strenges Kriegsmaterialiengesetz, das in vollem Einklang mit dem Verhaltenskodex der Europäischen Union vom 8. Juni 1998 steht. Österreich hat einige wenige Rüstungsbetriebe, so wie zum Beispiel in Steyr, in Wien und in der Obersteiermark, mit Hunderten Arbeitnehmern. Diese leisten Qualitätsarbeit und werden weltweit anerkannt. Die Grünen wollen diese Betriebe vernichten, und das werden wir verhindern. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Der Fasslabend ist Konkurrent von Steyr! Er will seine alten Waffen noch loswerden!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch ein Vorwurf, der heute immer wieder von den Grünen vorgebracht wird. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Wabl. – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Das ist unerträglich!) – Wabl dreht beinahe durch. – Es gäbe, wird behauptet, vom Heeres-Nachrichtenamt eine widerrechtliche Information an die NATO über den seinerzeit begonnenen grauenhaften Vertreibungsprozeß im Kosovo. Es gibt und gab keine Information an die NATO oder an ein anderes Bündnissystem! Die in Rede stehende Vertreibungsoffensive des Diktators Milošević war schon im Jδnner 1999 in vielen Medien nachzulesen – siehe Austria Presse Agentur vom 17. Jδnner und vom 24. Jδnner, siehe ”Der Spiegel”, siehe φsterreichische Journale verschiedener Art. Die Behauptung der Grόnen, daί sich die NATO auf die Lagebeurteilung durch den österreichischen Auslandsnachrichtendienst stützt, ist daher absurd und falsch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist selbstverständliche Aufgabe der Opposition, Kontrolle und Kritik zu üben. Es wäre aber auch selbstverständlich, daß Fakten endlich zur Kenntnis genommen werden und nicht wider besseres Wissen hier Unwahrheiten verbreitet werden. Wenn heute und in den vergangenen Wochen mit Schaum vor dem Mund von den Grünen die Diffamierung des Verteidigungsministers versucht wurde, so weisen wir das in aller Schärfe zurück. (Beifall bei der ÖVP.) Der Verteidigungsminister hat eine absolut korrekte Amtsführung. Ihm gebührt unser Respekt, und ihm gebührt unsere Unterstützung für seine schwierige Aufgabe. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Bravo!)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

16.07

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Maitz! Mut des Herrn Verteidigungsministers würde ich mir wünschen, und zwar dann, wenn es darum geht, endlich auch die Unterstützung für das Bundesheer bei Budgetverhandlungen und bei Budgetdebatten zu bekommen – etwa durch den Koalitionspartner, aber auch durch dieses Haus –, die notwendig wäre, um dem Heer endlich jene Mittel, aber auch jene Waffen zu geben, die nötig sind, um die Aufträge erfüllen zu können, die dieses Haus im Rahmen des Wehrgesetzes und der Verfassung dieser Institution gegeben hat. Da erwarte ich mir Mut. Da vermisse ich ihn aber vom Herrn längstdienenden Verteidigungsminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Grünen! In der Sache selbst bin ich auch der Meinung, daß man in all den Fragen des Waffenexports, vor allem auch in der Frage, in welche Hände diese Waffen kommen, sehr sensibel sein muß. Nur habe ich in dem zur Debatte stehenden Fall ein Problem: Sie stellen hier eine Behauptung auf. Dies taten Sie schon sehr oft auch in der Öffentlichkeit. Wir – der Minister und auch andere zuständige Personen – haben es ja auch im Landesverteidigungsrat diskutiert. Ich will jetzt gar nicht in Abrede stellen, daß das, was Sie sagen, grundsätzlich nicht möglich wäre, aber von allen anderen Beteiligten, vom Verteidigungsminister angefangen bis zum Innenminister, der ja eigentlich der Hauptzuständige für diese Fragen wäre, höre ich andere Antworten. Auch da sollte man vorsichtig sein!

Herr Kollege Wabl! Sie sind auch Mitglied des Landesverteidigungsausschusses. Ich nehme an, daß auch Ihnen die Fragen der Landesverteidigung und des Bundesheeres grundsätzlich wichtig sind.

Ich meine, daß es wichtig ist, Mißstände, wo immer sie auftreten mögen, mit Beweisen untermauert auf den Tisch zu legen (Abg. Dr. Maitz – in Richtung des Abg. Wabl –: Hat er nicht!) und diese, wenn strafrechtliche Bestimmungen verletzt worden sind, auch der zuständigen Behörde bekanntzugeben. Aber ich würde mich dagegen verwahren, Kollege Wabl, wenn solche Anschuldigungen nur deshalb hier erhoben würden, weil man einmal mehr die Institution Bundesheer und die Landesverteidigung insgesamt in den Schmutz ziehen will. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Debatte ist ein guter Anlaß, grundsätzlich über die österreichischen Richtlinien betreffend Kriegsmaterial, Rüstungsindustrie und auch betreffend den Export und Import von Rüstungsgütern zu sprechen. In diesem Bereich haben wir schon seit vielen Jahren eine merkwürdige Situation. Es gibt zwar mittlerweile eine schon sehr verkleinerte österreichische Rüstungsindustrie, wenn es aber darum geht, diese Rüstungsgüter auch zu exportieren, dann gibt es immer Probleme. Man hat in den siebziger Jahren die Produktion von Waffen und auch von anderen Rüstungsgütern forciert, aber exportieren durfte man sie nicht.

Diese Philosophie hat sich bis heute heraufgezogen. Es hat die Firma Steyr einen Radpanzer völlig isoliert und alleine konstruiert und entwickelt. 250 Millionen Schilling wurden für dessen Entwicklung aufgewendet, und das in einer Zeit, in der in ganz Europa ein Überangebot von dieser Type dieses Produkts vorhanden war, das in viel größeren Tranchen zu einem wesentlich günstigeren Preis erhältlich war. Jetzt soll und muß – auch wir Freiheitlichen stehen dazu, weil es sich letztlich um ein österreichisches Produkt handelt – das österreichische Bundesheer dieses Produkt ankaufen. Das österreichische Bundesheer allein! Damit werden natürlich die 250 Millionen Schilling an Entwicklungskosten voll auf die österreichische Landesverteidigung und damit auch auf den österreichischen Steuerzahler überwälzt.

Man sollte – wie es schon angeboten worden ist – endlich an der europäischen Kooperative, die sich im Bereich der Rüstungsindustrie bildet, teilnehmen, damit wir letztlich gute Gegengeschäfte machen können, damit wir Produktionen in das Inland bekommen, damit wir an größeren Tranchen teilnehmen und dadurch günstiger einkaufen können. Man sollte schon die Konzeption dieser Produkte mit anderen Ländern koordinieren und darauf schauen, daß wir wirklich jenes Gerät bekommen, das wir brauchen, und zwar zu einem günstigen Preis und nicht so, wie es jetzt der Fall ist, wo im nachhinein überlegt wird, welche sehr teuren Modifizierungen man wieder vornehmen muß. Das wären die Dinge, die wir diskutieren sollten!

Wenn man über das Kriegsmaterialiengesetz diskutiert, sollte man auch folgende Merkwürdigkeit hier ansprechen: Der Landesverteidigungsausschuß war vor einigen Wochen beim Assistenzeinsatz im Burgenland. Dort wollte man uns fünf Wärmebildkameras präsentieren. Zwei haben funktioniert, die anderen drei waren monatelang nicht einsatzfähig, weil man sie zur Reparatur ins Ausland schicken mußte. Bei Wärmebildkameras, die notwendig sind, um Grenzen abzusichern, braucht man eine Ausnahmegenehmigung nach dem Kriegsmaterialiengesetz, und deshalb dauert allein die Reparatur dieser wichtigen Geräte Monate. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist lächerlich!) – Selbstverständlich, Herr Klubobmann. Es ist leider so! Fragen Sie die Vertreter des Landesverteidigungsbereiches. Das sind die Widersinnigkeiten, die man diskutieren sollte. Wenn es Mißstände gibt, dann ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Herbert Scheibner (fortsetzend): Wenn es Mißstände gibt, dann sollte man sie auf den Tisch legen. Aber sinnvoller wäre es, all diese Bestimmungen einmal nach den Richtlinien der Europäischen Union hin auszurichten, damit wir nicht päpstlicher als der Papst sind und andere Staaten die Geschäfte machen und in anderen Ländern die Arbeitsplätze gesichert sind, die eigentlich in Österreich notwendig wären. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Murauer.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

16.13

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Scheibner, es ist schon richtig, daß es notwendig ist, endlich auch einmal über das Rüstungskonzept für das Bundesheer zu diskutieren. Ich bedauere es, daß sich der jetzige Verteidigungsminister bislang noch nicht darauf verständigen konnte – vielleicht aufgrund verschiedener Auffassungen innerhalb der Regierungsparteien oder aufgrund mangelnder Ideen und Überlegungen innerhalb des Ressorts.

Ich möchte die Diskussion nun wieder zurückführen auf den eigentlichen Gegenstand dieser heutigen Debatte hier. Es geht dabei um den Verkauf von Sturmgewehren durch das Bundesministerium für Landesverteidigung, wie es Kollege Wabl dargestellt hat. Dieses Thema war schon mehrmals Gegenstand von sehr emotionsgeladenen Diskussionen, und zwar sowohl im Landesverteidigungsrat als auch im Landesverteidigungsausschuß, und war auch Gegenstand vieler parlamentarischer Anfragen.

Ich muß feststellen, daß da immer wieder Aussage gegen Aussage steht. Kollege Wabl hat Fakten dargestellt, die im Prinzip sehr schlüssig und auch durchaus logisch nachvollziehbar sind, und zwar mittels der Unterlagen (Abg. Dr. Maitz: Aber nicht stimmen! – Abg. Murauer: Schlüssig heißt nicht, daß sie stimmen!) – Kollege Maitz, laß mich ausreden! –, die Kollege Wabl offensichtlich hat.

Kollege Maitz tritt hier an das Rednerpult und sagt: Das ist alles falsch! Das stimmt nicht! Ich habe eine andere Unterlage!, und er zeigt ein anderes Papier her. – Daher glaube ich, daß es wirklich im Interesse der Sache notwendig ist, Klarheit ... (Abg. Wabl: Was hat der Maitz? Null hat er! Meine Unterlage hat er! Er ist Pflichtverteidiger der Waffenschieber!) Ich weiß nicht, welche Unterlagen Kollege Maitz hat, aber Kollege Maitz hat offensichtlich andere Unterlagen, Kollege Wabl, als du sie hast. Vielleicht hat Kollege Maitz die Unterlagen des Verteidigungsministeriums oder jene des Innenministeriums oder Unterlagen von wem auch immer. Aber ich glaube, daß es notwendig ist und daß es Sinn macht, daß endlich Klarheit in diese Angelegenheit kommt und daß dieser Unerträglichkeit, nämlich einseitige Informationen zu haben und ständig etwas diskutieren zu müssen, wobei Aussage gegen Aussage steht, ein Ende gesetzt wird, indem dieses Hohe Haus seiner Verantwortung durch Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gerecht wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wir wollen einen diesbezüglichen Antrag stellen. Ich glaube, daß es sinnvoll wäre, denn dann kämen die Fakten endlich auf den Tisch. (Abg. Dr. Maitz: Wegen eines Geschäfts, das nicht stattgefunden hat, wollen Sie einen Untersuchungsausschuß einsetzen?)

Lieber Kollege Maitz! Wenn du dir ohnehin so sicher bist, daß deine Unterlagen die richtigen sind, daß alles falsch ist, was Kollege Wabl gesagt hat, dann mag es für dich zwar keinen Sinn haben, aber es ist im Interesse der Sache, im Interesse des Bundesheeres, für das du ja auch eintrittst, daß wir hier in diesem Hohen Haus eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung machen, daß wir die Behauptungen untersuchen und prüfen, was tatsächlich stimmt, und die Fakten feststellen, die dann vielleicht lauten: Der Kollege Wabl irrt. Der Kollege Maitz hat recht. Der Verteidigungsminister hat in dieser Causa korrekt oder richtig gehandelt.

Das soll Aufgabe dieses Parlaments sein! Wir werden einen diesbezüglichen Antrag einbringen, und wir werden versuchen, dafür die nötige Mehrheit zu bekommen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Murauer.)

Lieber Kollege Murauer! Eines ist auch klar: Das Verteidigungsministerium kann und soll auch keine Waffenbörse sein. Das Verteidigungsministerium ist auch schlecht beraten, wenn es, was den Abverkauf von Waffen betrifft, Kooperationen mit Waffenhändlern eingeht. Aber andererseits verstehe ich auch die Situation des Verteidigungsministeriums, nämlich angesichts der Tatsache, daß es eine Vielzahl von Reformen gegeben hat, die schrittweise zu einer Verkleinerung des Bundesheeres geführt haben, wodurch bewirkt wurde, daß Überbestände da sind, und zwar auch im Bereich von Handfeuerwaffen. Jetzt geht es darum, diese Überbestände entsprechend abzubauen.

Es wäre, so glaube ich, sinnvoll, wenn der Verteidigungsminister entsprechende Ideen, Vorschläge, Konzepte für den Abbau dieser Überbestände auf den Tisch legen würde. Der Geist des Kriegsmaterialiengesetzes besagt sehr wohl, daß dann, wenn das Verteidigungsressort etwas verkaufen will, die Bundesregierung damit befaßt werden muß. Das ist Sache der Bundesregierung.

Diesen Geist des Kriegsmaterialiengesetzes kann ich eigentlich im Ablauf des Verteidigungsministeriums nicht wirklich nachvollziehen. Das Verteidigungsministerium hat zwar formaljuristisch ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl.) Formaljuristisch stimmt es schon: Es wird zuerst an einen Waffenhändler verkauft, die Ausfuhr und alle weiteren Maßnahmen sind dann Sache des Waffenhändlers. Er soll sich mit dem Innenministerium herumschlagen, und wir sind die heiße Kartoffel los.

Ich glaube, daß man es sich da zu einfach macht, daß es sinnvoll wäre, wenn es seitens der Bundesregierung klare Konzepte, klare Überlegungen gäbe, und zwar auch im Zusammenhang mit der Richtlinie und mit der gemeinsamen Aktion der Europäischen Union, die darauf hinausläuft, der destabilisierenden Anhäufung und Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen Einhalt zu gebieten, sodaß man da innerhalb der Staatengemeinschaft zu einem gemeinsamen Ergebnis käme.

Ich würde mir wünschen, daß die Bundesregierung diesbezüglich aktiv wird und dementsprechende Vorschläge ausarbeitet. Aber wir werden auch einen Antrag einbringen, der vorsieht, daß dieses Hohe Haus seiner Verantwortung gerecht wird und diese Frage entsprechend untersucht. Für mich ist es unerträglich, auf der einen Seite immer die Argumente des Kollegen Wabl zu hören und auf der anderen Seite das Kopfschütteln des Kollegen Maitz zu sehen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

16.19

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Moser, der Herr Staatssekretär hätte durchaus auch heute wieder die Möglichkeit gehabt, hier aufklärend und erhellend in die Debatte einzugreifen, aber entweder kann er es nicht oder will er es nicht. Aber ich finde es als ein sehr erschütterndes Zeichen seitens der österreichischen Sozialdemokratie, wenn Sie, Herr Kollege Kaipel, zum Rednerpult kommen und Dinge sagen, über die Sie evident falsch informiert sind, wenn sich einerseits im Rahmen von Wahlveranstaltungen die Sozialdemokratie immer für die Beschränkung des privaten Waffenbesitzes stark macht, aber andererseits dann sagt: Wir schauen ganz krampfhaft weg, wenn mit Zigtausenden alten Sturmgewehren ein flotter Handel betrieben wird! Ich sage: nach Rumänien, nach Botswana, wie wir wissen, und, durch ein Foto belegt, offenbar auch in den Kosovo – das ist nicht geklärt – und nach Amerika am Tage nach einem entsetzlichen Massaker. (Abg. Dr. Maitz: Das ist falsch!)

Sie sagen, es ist falsch. Dann habe ich hier offenbar, Herr Abgeordneter Maitz, eine Fälschung in Händen (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe), eine Fälschung des Bundesministeriums für Landesverteidigung, Einkaufsabteilung I, die den Zuschlagverkauf von Überschußgütern – ich lese Ihnen jetzt nicht die Geschäftszahl vor, ich gebe Ihnen dann eine Kopie davon –, gerichtet an die Firma Brügger + Thomet, Feinmechanik, Oberlandstraße 10, CH-3700 Spiez/Schweiz, tätigt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz. – Abg. Wabl – in Richtung des Abg. Dr. Maitz –: Das ist Inland?) Das, Herr Kollege, ist laut Auskunft des Herrn Bundeskanzlers eine Firma CH-3700 Spiez in der Schweiz. Eine inländische Firma? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Wabl, Sie stören die eigene Rednerin.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Es fällt mir schwer, das bei dieser Postleitzahl anzunehmen. Wenn der Herr Bundeskanzler antwortet, es wurde im Inland an eine private Firma verkauft, dann muß ich sagen: Dann hat ihn offenbar der Herr Verteidigungsminister nicht ganz richtig informiert. Hier ist bitte dieser Zuschlag. (Die Rednerin hält neuerlich ein Schriftstück in die Höhe.) Ist das eine Fälschung, Herr Maitz? Haben wir das selbst gebastelt? Sagen Sie doch etwas dazu! Wenn Sie wenigstens behaupten würden, wir hätten das konstruiert, dann hätten wir die Möglichkeit, rechtlich dagegen vorzugehen. (Abg. Dr. Maitz: Das habe ich klargestellt: Das ist an Brügger + Thomet korrekt verkauft worden!) Das ist nicht korrekt verkauft worden, Herr Abgeordneter! Das hat Ihnen Kollege Wabl mittlerweile bewiesen.

Herr Abgeordneter Maitz! Gehen wir ein bißchen weiter – Sie sind vielleicht auch noch ein wenig lernfähig (Abg. Dr. Maitz: So wie Sie noch lange!) –: Gilt die Verordnung EWG 2454/93 vom 2. Juli 1993 oder gilt sie nicht? Ist sie Teil der österreichischen Rechtsordnung oder nicht? – Ich bin informiert, daß sie noch gilt. Sie ist meines Wissens nicht außer Kraft gesetzt. Dann ist die Rechtslage aber ganz eindeutig. Darin ist nämlich geregelt, daß sogar dann, wenn die Firma Brügger + Thomet eine Dependance im Inland hätte, was nicht der Fall zu sein scheint, oder wenn diese Firma eine eigene GesmbH nach österreichischem Recht gründen und wir an diese verkaufen würden, diese Sache dem § 5 Kriegsmaterialiengesetz unterliegt, das heißt, der Genehmigungspflicht durch die Regierung, weil beim Verkauf darauf abgestellt ist, daß in jenen Fällen, in denen der Verkauf für einen Nicht-EU-Ausländer bestimmt ist – und ist die Schweiz EU-Mitglied?; das scheint meiner Aufmerksamkeit entgangen zu sein –, und in diesem Fall ist ein Nicht-EU-Ausländer letztlich der Empfänger, nach der österreichischen Rechtsordnung völlig eindeutig der Verteidigungsminister der Exporteur ist.

Das heißt, daß das Kriegsmaterialiengesetz eindeutig gebrochen worden ist, und wer etwas Gegenteiliges behauptet, kann die Gesetze nicht richtig lesen. (Abg. Dr. Maitz schüttelt verneinend den Kopf.) Ich brauche gar keine Geheimdokumente, ich muß nur das Gesetz und die entsprechenden EU-Verordnungen lesen. Wenn Sie das nicht können, tut es mir leid. (Abg. Dr. Maitz: Fragen Sie Herrn Minister Dr. Einem!)

Auch ich bin der Meinung, daß ein Untersuchungsausschuß sinnvoll wäre. In seinem Rahmen sollten wir uns auch die anderen Geschäfte, die angeblich nicht stattgefunden haben, anschauen, etwa das Geschäft mit den 47 000 Gewehren. Daß Sie zuerst einen Mafia-Händler mit der Firma Century erwischen und dann, weil Kollege Wabl das erfahren hat, sagen: Das können wir wirklich nicht mehr machen! und es dann an die Firma Interordnance geben – auch eine US-Firma, die diese 47 000 Gewehre sicherlich nicht für den Kamin des Chefs braucht –, die sie weiter verkauft, vielleicht an Kinder, die dann ein Massaker verüben, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Die Firma Interordnance hat am 14. April 1999 – offenbar auch vor oder hinter den Augen des Herrn Bundeskanzlers – 5 200 Gewehre tatsächlich in Empfang genommen und exportiert.

Ich warte auf eine rechtliche Klärung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz – auf dem Weg zum Präsidium, um sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort zu melden –: Das können Sie gleich haben!)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Maitz! Es gibt keine tatsächliche Berichtigung bei dieser kurzen Debatte.

Zu Wort gelangt der Herr Staatssekretär. – Bitte.

16.25

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich möchte meine Beantwortung in zwei Teile gliedern. Der erste Teil wird die rechtliche Beurteilung, wie sie sich dem Bundeskanzleramt und dem Bundeskanzler dargestellt hat, sein, der zweite Teil wird eine politische Betrachtung sein.

Ich darf einleitend festhalten, daß die bisherige Praxis des Bundesministers für Landesverteidigung nach den uns vorliegenden Informationen rechtlich und formal in Ordnung ist. Ausgemustertes Kriegsmaterial des Bundesheeres, das noch einen Marktwert hat, wird an den Bestbieter, eine private Firma im Inland verkauft. (Abg. Dr. Petrovic: Eine Schweizer Firma!)

Wenn die privaten Käufer solches Material dann exportieren wollen, haben sie ihrerseits einen Antrag auf Ausfuhr von Kriegsmaterial zu stellen. (Abg. Wabl: In der Ausschreibung steht das schon drinnen!) Die Ausfuhr von Kriegsmaterial ist allgemein bewilligungspflichtig. Entsprechende Anträge werden jeweils im Einzelfall nach den Kriterien des Kriegsmaterialiengesetzes geprüft. (Abg. Wabl: Das ist unglaublich!)

Diese Kriterien entsprechen im übrigen auch den Standards des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren.

Bei der Ausfuhr von ehemaligen Waffen des Bundesheeres, die an Private verkauft wurden, handelt es sich nicht um eine Ausfuhr durch den Bundesminister für Landesverteidigung, für die nach dem Kriegsmaterialiengesetz die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich wäre. (Abg. Wabl: Kennen Sie die EWG-Verordnung?)

Diese Vorgangsweise entspricht daher den Rechtsvorschriften. (Abg. Wabl: Kennen Sie die?) Das von den Antragstellern angesprochene rechtliche Problem besteht nach den uns vorliegenden Informationen daher nicht. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Wabl.)

Das in diesem Zusammenhang tatsächlich bestehende Problem ist ein politisches, das uns bewogen hat, die bisherige Praxis im Licht der internationalen Entwicklung zu überprüfen. (Abg. Wabl: Unbeschreiblich!) Wie der Bundeskanzler in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ausgeführt hat, bekennen wir uns zu der humanitären Zielsetzung, den Kreis der Abnehmer von "small arms", insbesondere aus Heeresbeständen, einzuschränken. (Abg. Dr. Petrovic – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Stimmt unser Dokument, daß das ein Schweizer war? Haben wir eine Fälschung? Oder was ist das?)

In der Zeit der österreichischen Präsidentschaft hat die Europäische Union eine gemeinsame Aktion gesetzt, um der destabilisierenden Anhäufung und Verbreitung dieser Waffen Einhalt zu gebieten. In den zuständigen internationalen Gremien will die Europäische Union diesem Problem künftig besondere Aufmerksamkeit schenken und auch spezifische Aktionen finanziell und technisch unterstützen.

Ich darf Ihnen aber versichern, daß nicht nur international, sondern auch innerstaatlich die bisherigen Praktiken hinterfragt werden. Der Bundeskanzler hat in einer der letzten Ministerratssitzungen den Auftrag erteilt, die Frage einer Verschrottung von Gebrauchtwaffen des Bundesheeres ernsthaft zu prüfen.

Die damit verbundenen haushaltsrechtlichen und budgetären Implikationen werden zurzeit zwischen dem Bundesminister für Landesverteidigung und dem Bundesminister für Finanzen geprüft. Sollte diese Möglichkeit nicht realisierbar sein, wäre zu erwägen, dem Beispiel anderer Staaten zu folgen und Material aus staatlichen Beständen ausschließlich an staatliche Abnehmer weiterzugeben.

Ich glaube, das ist eine Vorgangsweise, die im Sinne einer Klärung dieser Frage zu treffen ist. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Daher ist auch diese Debatte geschlossen.

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Durchführung einer weiteren Kurzdebatte. Diese betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Haigermoser, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1024/A (E) betreffend "Schutzgeldzahlungen" im Bereich der Wirtschaftskammer Österreich eine Frist bis zum 18. Mai 1999 zu setzen.

Über diesen Antrag wird nach Schluß der Debatte auch abzustimmen sein.

Wir gehen in die Debatte ein. Der Erstredner hat eine Redezeit von 10 Minuten, alle anderen Redner der Kurzdebatte eine solche von 5 Minuten.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

16.30

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Die Anrede gilt eigentlich dem geschätzten Herrn Wirtschaftsminister, aber die vorhergehende Debatte hat ja bewiesen, daß Transparenz nicht Sache dieser Bundesregierung ist. Auch in diesem Zusammenhang muß ich das wieder einmal feststellen. Das Parlament bedeutet Ihnen also nichts, meine Damen und Herren.

Faktum ist, daß wir aus verschiedenen Gründen diese Debatte verlangt haben. Etwa deshalb, weil Kartelle, verbotene Absprachen, bürokratische Hürden, sogenannte Güteschutzvereine – dieses Wortungetüm beweist ja schon, daß man dahinter etwas verstecken will – einige Beispiele für die wirtschaftspolitischen Metastasen sind, welche sich im Dunste der Sozialpartnerschaft angehäuft haben, meine Damen und Herren.

Diese Fakten sind, wie gesagt, mit ein Grund, diese Debatte heute zu verlangen, denn aufgrund dieser Tatsachen sind wir, Herr Präsident Puttinger, bei der Selbständigenquote in diesem Lande Schlußlicht in Europa. Das Schlußlicht und das Bremslicht befinden sich in einer Fassung, und mitverantwortlich dafür ist die Wirtschaftskammer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist ja geradezu grotesk, daß gerade diese Wirtschaftskammer Österreich Schutzvereine gründet, welche nur dazu da sind, die Zwangsverpflichteten dort schamlos abzuzocken, Herr Präsident Maderthaner. Und all das unter Ihren Augen und unter den Augen des zuständigen Aufsichtsorganes Wirtschaftsminister Farnleitner.

Martin Fellhuber bringt es im "WirtschaftsBlatt" vom 26. Feber 1999 auf den Punkt, indem er sagt:

"Erinnern Sie sich noch an die Aktion ‚Stopp der Gesetzesflut‘ von Präsident Maderthaner? Vor knapp drei Jahren sammelte der Wirtschaftsbund- und Wirtschaftskammerchef medienwirksam 120 000 Unterschriften, um auf Stolpersteine aufmerksam zu machen, die Unternehmen in den Weg gelegt werden." (Abg. Ing. Maderthaner: Das kommt wieder!)

Und weiters heißt es: "Maderthaners Zwangsmitglieder werden für die zusätzliche Mitgliedschaft neuerlich, und das nicht zu knapp, zur Kassa gebeten, wenn sie an öffentliche Aufträge kommen wollen." – Was haben Sie dazu gesagt, Herr Maderthaner? – Sie haben wie weiland Pontius Pilatus die Hände in Unschuld gewaschen. (Abg. Rosemarie Bauer: Keine Polemik vom Rednerpult!) Das geht Sie nichts an, im Zweifelsfall sind Sie nicht zuständig dafür, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Puttinger: Sie kennen aber schon den Unterschied zwischen privat und Staat!) Im Zweifelsfall werden Sie aber die Rechnung ohne den Wähler nicht mehr machen! Das garantiere ich Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Diese Drohung!)

Die Leidtragenden dieser "Schutzgeldzahlungen" – das sagt man bereits im Volksmund ... (Abg. Tichy-Schreder: Kollege Haigermoser, achten Sie auf Ihre Wortwahl! – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Leidtragenden dieser "Schutzgeldzahlungen" sind die Wirtschaftstreibenden, die Klein- und Mittelständler, insbesondere die Klein- und Mittelständler. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Maderthaner: Das ist Ihre Theorie!)

Wir haben gestern über das mangelhafte Kartellrecht diskutiert. Da schließt sich der Kreis zu den Mineralölmultis und zum Finanzminister, nämlich insofern, als aufgrund der vorherrschenden Abzockerei bei den Autofahrern der Finanzminister überhaupt kein Interesse daran hat, ein taugliches Kartellrecht mitzugestalten. Erst damit könnte nämlich den Ölmultis, die in einer Art und Weise in Österreich vorgehen, die nicht mehr akzeptabel ist, das Handwerk gelegt werden.

Meine Damen und Herren! Deshalb haben wir auch einen Antrag Haigermoser, Hofmann, Böhacker zur Senkung der Mineralölsteuer eingebracht, um eine Benzinpreissenkung von insgesamt 2 S für die Bürger dieses Landes zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie wissen ja, daß die neueste Wifo-Studie "Der Kraftstoffmarkt in Österreich" bestätigt, daß die Nettotreibstoffpreise in Österreich im Vergleich zu den umliegenden Ländern weitaus zu hoch sind. Dadurch entsteht natürlich ein Wettbewerbsnachteil für die Wirtschaft – aber nicht nur für diese, sondern auch für die Pendler und so weiter und so weiter –, ein riesiger volkswirtschaftlicher Schaden, für den die Autofahrer insgesamt ein Mehr von 3 Milliarden Schilling jährlich zu berappen haben.

Dieses ganze Schutzgelddrama in der Wirtschaftskammer und beim Kartellrecht hängt ja ursächlich zusammen mit dem Klima, das in diesem sozialpartnerschaftlichen Land herrscht. (Abg. Dr. Puttinger: Ein gutes Klima!) Es ist nämlich bereits zur Sozialpacklerschaft verkommen, Herr Kollege Puttinger. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: Gott sei Dank ein gutes Klima, Kollege Haigermoser!)

Und daher die Frage an den Herrn Wirtschaftsminister, der so quasi ... (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Der nicht da ist! Er hat damit nichts zu tun!) – Er hat damit nichts zu tun. Pontius Pilatus Farnleitner. Daher also an Farnleitner die Frage, wie er denn seiner Aufsichtspflicht in der Kammer nachkommt. Wo ist er denn, wenn es darum geht, nach dem Rechten zu sehen, meine Damen und Herren? (Abg. Dr. Stummvoll: Haben Sie dazu einen Ausschuß verlangt?) – Da haben wir schon einige Anträge gestellt, nur haben Sie die im Präsidium gemeinsam mit den Genossen immer niedergestimmt. Mit den Genossen gemeinsam! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Nein! Nein!)

Bis dato ist Farnleitner jede Antwort schuldig geblieben. Er ist dem Ganzen ausgewichen in einem Zickzackkurs sondergleichen, der schon peinlich ist, meine Damen und Herren. Wir werden daher Anwalt der Bürger sein, indem wir zur Kommission gehen. (Abg. Mag. Schweitzer: Einmal mehr!) Wir werden zu Herrn van Miert gehen, der offensichtlich der einzige ist, der noch nach dem Rechten sieht, zu jenem Herrn van Miert, der schon beim Lombard-Club nach dem Rechten gesehen hat. Damals sind auch Ihre Banker ein bißchen ins Schwitzen gekommen, Herr Kollege Maderthaner. (Zwischenruf des Abg. Auer. – Abg. Mag. Schweitzer – in Richtung des Abg. Auer –: Du hast jetzt Sendepause! Du hast deinen Auftritt heute schon gehabt! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Die Kommission wird sich aufgrund eines freiheitlichen Antrages damit zu befassen haben, einmal eine Untersuchung gegen die genannten österreichischen Mineralölkonzerne, vor allem gegen die OMV, vorzunehmen, deren Zuwiderhandlung gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages festzuhalten, die beteiligten Konzerne mittels Entscheidung zu verpflichten, die festgestellten Zuwiderhandlungen abzustellen, und über die beteiligten Konzerne eine adäquate Geldbuße zu verhängen.

Das wird stattfinden, und da wird es interessant werden, welche Partei Sie, Herr Kollege Maderthaner, dann ergreifen werden, denn Sie müssen genug schlechtes Gewissen haben, wenn Sie den Rechnungshofbericht über die Wirtschaftskammer anschauen. Da ist noch einiges drinnen! (Abg. Dr. Puttinger: Der ist hervorragend!) Da werden wir uns bei Philippi wiedersehen und feststellen, wie Sie sich dort das Geld zwischen Schwarz und Genossen aufteilen, meine Damen und Herren. Ohne entsprechende Beschlüsse! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: Der Rechnungshofbericht ist hervorragend! – Abg. Ing. Maderthaner: Den mußt du einmal lesen!)

Sie haben ja selbst kürzlich in Ihrem Preisregelungsgesetz festgehalten: "Im übrigen sind die überhöhten Preise auf eine ungerechtfertigte Preispolitik der Mineralölwirtschaft zurückzuführen." – Zitatende. Das sind Ihre Worte.

Das heißt also, auf der einen Seite gibt es Kartelle, Abzockerei in der Wirtschaftskammer, Quasimonopole – "Schutzverbände" nennt man das Ganze –, auf der anderen Seite werden diese Kartelle nicht mit einem modernen Kartellgesetz bekämpft. (Abg. Ing. Maderthaner: Soviel Unsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört!) Das ist das Klima, in dem Sie sich offensichtlich wohl fühlen, aber die Bürger fühlen sich nicht mehr wohl, denn sonst würden Sie wieder einmal eine Wahl gewinnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Diesen Notruf der Autofahrer – der Wirtschaft wie der Pendler – haben wir aufgenommen. Den haben wir deswegen aufgenommen, weil Sie noch nicht bereit sind, umzulernen und wirklich als Anwalt der Bürger aufzutreten.

Da Sie vermeinen, das ein bißchen unter den Teppich kehren zu können, Herr Maderthaner, ist es ganz interessant, sich das "WirtschaftsBlatt" noch einmal anzuschauen. Da heißt es: "Mit Sanktus des Wirtschaftsministers kassieren Kammervereine Millionen ab. Die Wirtschaftskammer schikaniert die klein- und mittelständische Wirtschaft." (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Maderthaner: Soviel Dummheit habe ich schon lange nicht gehört!)

Ist das Ihre Aufgabe? – Ich sage: Mitnichten! Ihre Aufgabe wäre es, hier für Transparenz zu sorgen, indem Sie zum Beispiel alle Publikationen der Wirtschaftskammer ausschreiben und nicht, wie Sie es tun, dem zu 100 Prozent dem Wirtschaftsbund gehörenden Wirtschaftsverlag zuschanzen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Maderthaner: Das stimmt ja gar nicht!) – Na, dann machen Sie eine tatsächliche Berichtigung!

Das heißt also, daß wir für die Bürger sind, daß wir für eine fortschrittliche Preispolitik sind, nämlich 2 S weniger beim Benzinpreis, jedenfalls sind wir auf der Seite der Tankenden und nicht der Tanker, meine Damen und Herren! Weil Sie nicht bereit sind, Ihre Oligopole, Monopole, Ihre Zudeckermentalität aufzugeben, werden wir nicht müde werden, für den Bürger einzutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

16.39

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Es steht natürlich jeder Partei frei, sich als Anwalt für den Bürger einzusetzen – das ist gut so in der Demokratie, und ich befürworte das; das ist auch Ihr gutes Recht –, nur, Herr Kollege Haigermoser, ganz klar ist mir die Vorgangsweise, die die Freiheitliche Partei betreffend des Fristsetzungsantrages, der heute gestellt wurde, gewählt hat, nicht.

Es ist ja so, daß Sie am 25. Februar 1999 einen Entschließungsantrag betreffend diese Themen – über die man sicherlich diskutieren muß und durchaus diskutieren kann – eingebracht haben, daß aber in der 112. Präsidialkonferenz am 15. April 1999 betreffend den Wirtschaftsausschuß, dessen nächste Sitzung am 9. Juni stattfindet, seitens der Freiheitlichen Partei anscheinend keine Wünsche geäußert wurden, das auf die Tagesordnung zu nehmen, denn das geht aus dem Protokoll, das mir hier vorliegt, nicht hervor.

Umso verwunderlicher ist es für mich (Abg. Mag. Schweitzer: Eine Zwischenfrage!), daß man jetzt einen Fristsetzungsantrag stellt. (Abg. Haigermoser: Aufgrund welchen Wunsches ist der Wirtschaftsausschuß verschoben worden? Aufgrund eures Wunsches haben wir den Wirtschaftsausschuß verschoben!) Ja, Herr Kollege Haigermoser, das ist richtig, aber es ist genauso Gepflogenheit im Haus (anhaltende Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), daß man, wenn eine politischer Partei einen Bundesparteitag oder was immer hat und man Ausschüsse ansetzt, darüber ... (Abg. Haigermoser: Dem haben wir zugestimmt! – Abg. Mag. Schweitzer: Mit welchem Ziel bringt man einen Antrag ein? Daß er nicht behandelt wird?) Kollege Schweitzer! Selbstverständlich, damit er behandelt wird, aber dann muß man auch in der Präsidialkonferenz als Fraktion vom Klub her ersuchen, daß man darüber redet. (Abg. Haigermoser: Du weißt ganz genau, wie das gelaufen ist!)

Das ist aber nicht geschehen, und daher kommt eben jetzt der Fristsetzungsantrag, was ich zwar durchaus verstehe, aber es wäre nicht notwendig gewesen, das in dieser Dramatik zu sagen, denn die Themen, die darin behandelt werden – das habe ich schon gesagt –, sind Themen, die man inhaltlich beraten sollte, sind Themen, die man ohne weiteres in einer Ausschußsitzung wirklich zunächst einmal so behandeln sollte, wie wir viele andere Themen auch in Ausschußsitzungen behandeln. Und wenn wir dort unsere Standpunkte dargelegt haben, dann sollten wir das auch hier im Plenum entsprechend diskutieren.

Eines möchte ich der Freiheitlichen Partei auch noch sagen, was für mich wichtig ist: Das Krankjammern der österreichischen Wirtschaft, wie das immer wieder versucht wird, hilft überhaupt nichts. Es wäre viel vernünftiger und besser, wenn man mit der österreichischen Wirtschaft gemeinsam – und das Wirtschaftsklima ist gut, kann ich Ihnen versichern – eine vernünftige Wirtschaftspolitik für die Wirtschaft und für die Beschäftigten in diesem Lande durchführte.

In diesem Sinne hoffe ich auf vernünftige, konstruktive Gespräche im Ausschuß. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Er hat aber keine Eingangsnummer!)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. – Bitte.

16.42

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! So wichtig es ist, daß die Opposition auch kritisiert – ich möchte das auch anerkennen –, ist es doch so, daß es ein bißchen viel Lärm um nichts ist, Kollege Haigermoser. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben hier eine Reihe von Vereinen, die der Sicherung der Qualität in der Wirtschaft dienen. Sie sind ebenso wichtig wie vieles andere. Da zahlt man im Jahr 10 000, 12 000 S und hat dadurch eine Qualitätssicherung herbeigeführt. Sie sagen, dadurch werde der Wettbewerb eingeschränkt.

Es wird aber immer wieder solche Beispiele geben, und ich möchte schon sehr deutlich sagen, daß der Wettbewerb schon immer wesentlicher Teil des Wirtschaftsmodells war, das wir in der Politik seit Beginn unserer Gründung akzeptiert haben. Und niemand kann sagen, daß die soziale Marktwirtschaft nicht das erfolgreichste Modell überhaupt beim Wiederaufbau Europas war. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn etwas wirksam war für den Wettbewerb, dann war es sicherlich der Beitritt zur Europäischen Union. Der Beitritt hat den schärfsten Verstärkereffekt in Sachen Wettbewerb gebracht. Bei allem Respekt vor Ihrer persönlichen Entscheidung, damals dafür zu stimmen, muß ich Sie fragen: Warum war denn Ihre Partei gegen diesen Beitritt? Sie hat sich damit gegen jene Maßnahmen ausgesprochen, die den Wettbewerb am stärksten verschärft haben, und zwar gerade zugunsten des Konsumenten. Diese Frage muß man an Sie stellen.

Die soziale Marktwirtschaft war das erfolgreichste Wirtschaftsmodell!

Den Begriff "Schutzgelder" hier zu gebrauchen, ist natürlich schon etwas, Kollege Haigermoser, wobei man sich fragt und wobei sich die Leute fragen: Warum arbeiten die mit Begriffen, mit denen sie sich selbst herabsetzen? "Schutzgeld" ist bekanntlich ein Ausdruck der mafiosen Sprache. Ich glaube, die damit zum Ausdruck gebrachte Kritik am Parlament ist so stark, daß man durchaus auf eine etwas andere politische Kultur übergehen könnte. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Mag. Peter.)

Wir haben uns zur sozialen Marktwirtschaft bekannt und bekennen uns nach wie vor dazu. Wettbewerb ist ein wesentlicher Teil dieses Ordnungssystems. Unter dem früheren Vizekanzler und Parteiobmann Riegler sind wir in der Entwicklung vorangegangen zur ökosozialen Marktwirtschaft. Auch in einer Zeit, in der man sagt, es zählen nur die Personen, zählen doch auch die Ideen. Ich kann hier auf Ideen verweisen, die allgemeine Anerkennung gefunden haben und auch in der Praxis anerkannt wurden. Denken wir an Hajek, an Erhard, an Röpke, an viele andere, die alle berühmt waren für die Ideen, die sie damals eingebracht haben, damit Europa wiederaufgebaut werden kann.

Es ist interessant, daß heute jene Länder und jene Parteien, die andere Modelle gehabt haben, alle zum Modell der sozialen Marktwirtschaft übergehen. Auch unser früherer Bundeskanzler hat es gesagt: Wir sind für die soziale Marktwirtschaft. Ich erinnere mich daran, daß noch ein Mann wie Minister Staribacher, der sicherlich sehr angesehen war, weil er auch sehr sachorientiert war – er konnte auch gut polemisch reden, aber er konnte auch sachlich reden –, gemeint hat, er ist für die sozialistische Marktwirtschaft, was ein Widerspruch in sich ist. Man konnte dann von Gorbatschow hören, daß auch er für die sozialistische Marktwirtschaft ist. Das heißt, ein bißchen etwas sollte für die eigenen Funktionäre übrigbleiben.

Heute bekennen sich alle zur Marktwirtschaft, zur sozialen Marktwirtschaft, zum dritten Weg; ein bekannter Begriff, mit dem vor allem die Sozialenzykliken von der katholischen Kirche her in den Gesellschaftsprozeß eingeführt worden sind. Es sind das Wege, die erfolgreich eingeschlagen wurden. Wir sollten sie nicht in einer minimalen Streitfrage bis hin zur Sozialpartnerschaft, die ihre Mängel hat, aber auch ihre große Verdienste, durch Begriffe aus der mafiosen Sprache wie "Schutzgelder" herabsetzen und dadurch die eigenen Erfolge mindern. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

16.46

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Außenminister außer Dienst Dr. Mock, ich möchte es vielleicht noch einmal präzisieren, worum es in diesem Antrag von uns Freiheitlichen geht. Es war für mich überraschend, daß Sie als Redner zu diesem Fristsetzungsantrag herausgekommen sind, obwohl da die Kämmerer Schulter an Schulter sitzen (Abg. Blünegger: Weil sie sich schuldig fühlen!): der Präsident, der Sekretär, die Frau Präsidentin aus Wien und da hinten Kollege Trinkl, auf den ich noch am Schluß meines Beitrages eingehen werde.

Herr Außenminister außer Dienst! Die soziale Marktwirtschaft hat niemand hier in Frage gestellt, in Frage gestellt werden dubiose Machenschaften, die unter dem Deckmantel des Wirtschaftsministeriums über die Bühne gehen. Das werde ich Ihnen jetzt einmal vor Augen führen, was hier los ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Herr Kollege, es geht um die Wortwahl! Passen Sie auf bei der Wortwahl!)

Wir haben gestern ganz kurz über die Rahmenbedingungen gesprochen, die Sie bis jetzt für die kleinen und mittleren Betriebe zum Überleben in diesem verschärften Wettbewerb der Europäischen Union geschaffen haben. Die Rahmenbedingungen sind schlecht, meine Damen und Herren! Das weist Ihnen auch der Mittelstandsbericht klar und deutlich nach, in dem zu lesen steht: viel zu hohe administrative Belastungen, Eigenkapitalschwäche der Extraklasse, Preiskonkurrenz der Sonderklasse, Höhe der Lohnnebenkosten – in diesem Bereich haben Sie nichts getan –, viel zu viele Pleiten. All das wird nachgewiesen. Österreich liegt im Spitzenfeld mit den Pleiten, weil Sie es nicht schaffen, entsprechende Rahmenbedingungen herzustellen.

Jetzt kommt noch etwas Interessantes dazu, meine Damen und Herren: Statt daß wir die Belastungen von diesen kleinen und mittleren Betrieben nehmen, passiert genau das Gegenteil. Wirtschaftsminister Farnleitner erklärt kammernahe Gütegemeinschaften, Herr Außenminister außer Dienst, zu Prüfstellen und schafft somit ein Quasimonopol. Die Zwangsmitglieder dieses Herrn – wenn ich das einmal so bezeichnen darf –, des Präsidenten Maderthaner, werden für die zusätzliche Mitgliedschaft erneut zur Kasse gebeten.

Nicht nur, daß man gezwungen ist, diesem Verein beizutreten, ob man will oder nicht, wird man dann, wenn man Aufträge haben will, erneut zur Kasse gebeten, Herr Außenminister außer Dienst. Ich glaube, Sie haben sich da nicht umfassend informiert, und es ist schon sehr bedenklich, daß nicht die Herren, die sich dabei auskennen, die das erfunden haben, hier heruntergehen und das Ganze verdeutlichen, sondern daß Sie vorgeschickt werden, obwohl Sie doch gar nicht wissen, worum es in dieser Sache konkret geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind keine Kleinigkeiten, Herr Außenminister außer Dienst! Die Gebühren belaufen sich auf einen sechsstelligen Betrag, und dieser ist von kleinen und mittleren Betrieben zu bezahlen. Das sind keine hochverdienenden Mittelbetriebe, die gute Einnahmen erzielen, wie Sie vielleicht glauben wollen, sondern Betriebe, die aufgrund der Rahmenbedingungen immer wieder ums Überleben kämpfen müssen. (Abg. Ing. Maderthaner: Das ist alles nicht wahr, was Sie hier erzählen!) Und die sollen jetzt zusätzlich noch Schutzgeld – so sagen wir es, weil es so ist! – bezahlen, damit sie Aufträge bekommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ist denn die Konsequenz? – Das rechnet sich doch für den kleinen und mittleren Betrieb gar nicht. Der kann sich das nicht leisten, und der Markt bleibt einmal mehr den Großen, Herr Außenminister außer Dienst. Nicht für die Kleinen und Mittleren bleibt dieser Markt, sondern für die Großen, die sich diese "Schutzgelder" leisten können, Herr Bundesminister. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Gütegemeinschaft Wassertechnik. Mit Verordnung Farnleitners ist das eine akkreditierte Zertifizierungsstelle für Maschinen, Apparate, Anlagen für die Wasserversorgung, Wasseraufbereitung, Abwasserbehandlung. Diese Gütegemeinschaft, Herr Außenminister außer Dienst, ist dazu berufen, Betrieben, die das Schutzgeld bezahlt haben, die entsprechenden Aufträge zu vermitteln. Wer das Schutzgeld nicht bezahlt hat, hat gar keine Chance, an diese Aufträge heranzukommen, Herr Außenminister außer Dienst!

Darüber ist hier zu diskutieren! Nicht über die soziale Marktwirtschaft, sondern über die vom Minister mitzuverantwortenden Schutzgeldzahlungen, die ganz offiziell eingehoben werden! Und die Herren von der Wirtschaftskammer sitzen da und grinsen und schweigen dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da gibt es in Ihren Reihen einen Hinterbänkler namens Trinkl, der sagt: Das, was Kollege Hofmann recherchiert hat, das stimmt ja nicht! Er sagt: Die Hofmannschen Gebührenbehauptungen – was soll denn das? Der hat doch keine Ahnung! – Das lese ich in der Zeitung. Zitat Trinkl: "Keine Ahnung vom Lotto ..."

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Der Schlußsatz: Hier lese ich aus einem Faksimile, Herr Außenminister außer Dienst: "Ferner gestatten wir uns, darauf hinzuweisen, daß die Aufnahmegebühr in die GWT" – das ist die vorher angesprochene Gesellschaft – "in der Regel öS 50 000 beträgt und der weitere Mitgliedsbeitrag jährlich öS 10 000."

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das ist kein Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Das sind die "Schutzgeldgebühren", Herr Außenminister außer Dienst! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Helmut Peter. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Blünegger: Da sagt der Herr Generalsekretär auch nichts mehr dazu!)

16.52

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist in der internationalen Wirtschaft absolut üblich, bei Auftragsvergaben im Rahmen von Zertifizierungen Voraussetzungen für diese Auftragsvergaben einzufordern. Das macht auch Sinn, weil es für verschiedene Auftragsniveaus, für verschiedene Differenzierungen der Aufträge eben verschiedener Spezialqualifizierungen der Firmen bedarf, um zu Aufträgen zu kommen.

Es gibt daher ein internationales Normungsverfahren der ISO in Genf, der International Organization for Standardization, die auch vom österreichischen Normungsinstitut unterstützt wird, und auf der Basis von Akkreditierungen, von Zertifizierungsstellen werden nun zum Beispiel ISO 9000 und andere Normen vergeben. – Soweit, so gut.

Ich glaube, dieser Prozeß ist richtig, weil die Anforderungen der Aufträge, die zu vergeben sind, die Anforderungen der Ausschreibungen nicht von allen Firmen eingehalten werden können. Beispiel: Wer heute an die europäische Automobilindustrie als Zulieferer liefern will, kann das nur, wenn er ISO 9000 oder eine ähnliche Zertifizierung hat.

Die Gütezeichen, die die Wirtschaftskammer verleiht, sind meiner Ansicht nach eine Frage des Wettbewerbs. Dr. Mock hat von Marktwirtschaft gesprochen. Er hat recht, das ist das erfolgreichste System, aber Dr. Mock weiß auch, daß Österreich in der Frage des Wettbewerbs relativ weit zurückhinkt und daß es des Beitritts zur Europäischen Union bedurfte, um schrittweise – wir sind noch lange nicht am Ende des Prozesses – verkrustete Strukturen aufzubrechen.

Ich gehe jetzt nicht so weit, wie es Haigermoser oder Schweitzer getan haben, hier von Schutzgeldern zu sprechen, aber ich frage mich, ob die Fachgruppen oder Fachverbände, die diese Gütezeichen vergeben, die richtige Ebene sind.

Denn es steht doch eines fest: Wenn es schon eine Pflichtmitgliedschaft in diesem Lande gibt – und ich habe wiederholt gesagt, daß ich sie nicht für richtig halte –, aber wenn es sie schon gibt, heißt das doch, daß der Fachverband alle seine Mitglieder zu vertreten hat. Also lassen wir doch allfällige Zertifizierungen, lassen wir doch allfällige Gütezeichen von akkreditierten Zertifizierungsstellen machen, die außerhalb der Kammer arbeiten und damit nicht in den Geruch kommen, sie würden einzelnen Unternehmungen Aufträge zuschanzen.

Ich halte noch einmal fest, daß es klar ist, daß ab einer gewissen Größe, ab einer gewissen Komplexität von Aufträgen derjenige, der den Auftrag ausschreibt, verlangt, daß sich nur diejenigen Firmen daran beteiligen können, die über die entsprechende Zertifizierung verfügen. Das ist auch richtig. Diese Zertifizierungen der Wirtschaftskammer, die von sich aus annimmt, alle Mitglieder vertreten zu müssen und zu sollen – was sie meiner Auffassung nach weitgehend nicht tut –, sind der falsche Weg.

Meine Damen und Herren! Die Liberalen werden diesem Fristsetzungsantrag deswegen zustimmen, weil ich meine, es lohnt sich, ihn im Ausschuß zu diskutieren, aber nicht in der Diktion, wie sie die Freiheitlichen verwenden, die hier Schutzgeldvorwürfe erhoben haben, denn das ist ein Vorwurf der Kriminalität. Wenn mir jemand vorwerfen würde, "Schutzgeld" zu verlangen, würde ich zum Richter gehen und diese Person wegen Ehrenbeleidigung klagen, denn das ist eine absolut ehrenrührige Handlung.

Eine allerletzte Anmerkung sei hinzugefügt, Herr Dr. Stummvoll und Herr Präsident Maderthaner: Wenn man einen Zugang zum Gewerbe über eine Qualifizierungshürde "gebundenes Gewerbe" macht, dann braucht man eigentlich keine Gütesiegel mehr. Also lassen wir doch gleich den Markt entscheiden, welche Unternehmungen erfolgreich sind oder nicht, und schaffen wir die gebundenen Gewerbe überwiegend ab! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Böhacker: Frenetischer Applaus!)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Bevor wir abstimmen, möchte ich noch folgendes feststellen: Wir haben in der dritt- oder viertletzten Präsidialsitzung darüber diskutiert, wie vorzugehen ist, wenn in schriftlichen Dokumenten, Anträgen et cetera kriminalisierende Vorwürfe erhoben werden.

Daher habe ich mir diesen Antrag auch genau angesehen. Wie Sie selbst alle feststellen können, ist das Wort "Schutzgeldzahlungen" in diesem Fristsetzungsantrag der Freiheitlichen unter Anführungszeichen gesetzt, was man so interpretieren kann, daß man sich mit dem Vorwurf im kriminellen Sinn nicht identifiziert. In Wortmeldungen ist dann dieses Anführungszeichen natürlich nicht hörbar, aber ich registriere, daß das schriftliche Dokument den Vorwurf unter Anführungszeichen setzt, und so kann und darf er auch nur gemeint sein.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Haigermoser, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1024/A (E) der Abgeordneten Haigermoser und Genossen betreffend – Anführungszeichen – "Schutzgeldzahlungen" – Anführungszeichen zu – im Bereich der Wirtschaftskammer Österreich eine Frist bis zum 18. Mai 1999 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag Haigermoser eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 1 bis 10 der Tagesordnung wieder auf.

Laut Rednerliste ist als nächste Frau Abgeordnete Anneliese Klein an der Reihe. Es gelangt also Frau Abgeordnete Klein zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

16.58

Abgeordnete Anneliese Klein (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Wie notwendig der EU-Beitritt für die österreichische Landwirtschaft sei und welch große Vorteile der Beitritt bringen würde, wurde unseren Bauern von SPÖ und ÖVP eingeredet. Und so hat man sie in die EU gelockt. (Abg. Dr. Lukesch: Wenn sie sich etwas einreden lassen! Aber die Bauern lassen sich nichts einreden!) Heute hingegen ist von den vielen EU-Versprechungen, die von den Regierungsparteien gemacht wurden, nichts übriggeblieben. Nun haben unsere Bauern die schwere Last der Auswirkungen aufgrund der schlechten EU-Verhandlungen zu tragen und müssen dabei große Einkommensnachteile hinnehmen.

Hier zeigt sich, daß die Regierungsparteien völlig versagt haben. Oder wollen Sie von der ÖVP den jährlichen Einkommensrückgang der Bauern als Erfolg verbuchen? So sanken die bäuerlichen Erträge im Jahre 1998 weiter um 3,8 Prozent, wobei zu vermerken ist, daß die Bauern trotz höherer Produktion weniger Geld bekamen. Auch heuer müssen sie ein weiteres schwaches Jahr erleben.

Auch die Weinhauer mußten 1998 durch die Einführung der 0,5-Promille-Grenze massive Absatz- und Einkommensrückgänge hinnehmen. Daher versuchten sie bei Gästen und Kunden, den Flaschenverkauf zu forcieren. Dies ist, bedingt durch billige Weineinfuhren aus dem EU-Raum und Drittländern, nur mit äußerst eng kalkulierten Preisen möglich. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Zusätzlich verunsichert man sie, indem man die Entscheidung über den geplanten Wegfall der Getränkesteuerbefreiung des Ab-Hof-Verkaufes von Wein hinauszieht.

Sonderbar ist, daß der Ministerrat bei der Agenda 2000 für den Bereich Wein nur die Grundzüge der Reform beschlossen hat. Der genaue Wortlaut des Gesetzes soll zu einem späteren Zeitpunkt formuliert werden.

Wie uneinig sich die ÖVP in der Landwirtschaftspolitik zeigt, sieht man anhand folgenden Beispiels: Kollegin Schierhuber hat auf EU-Ebene mehr Geld für den Weinbau versprochen, während der Herr Minister keine Förderungen, insbesondere nicht für den Terrassenweinbau in der Wachau und in der Thermenregion, vorgesehen hat.

So bedeutet auch das Verhandlungsergebnis der EU-Agrarminister hinsichtlich der marktwirtschaftlichen Maßnahmen der Agenda 2000 für viele kleinstrukturierte Betriebe das Todesurteil, denn ohne zusätzliche Förderungsmaßnahmen werden viele Höfe sofort zusperren müssen.

Fest steht, daß die Bauern mit dem geplanten Finanzierungsschlüssel der EU weitere Einbußen haben werden. Ich meine daher, es ist ungeheuerlich, daß man die Mittel, die man sich durch diese Kürzung erspart, zur Finanzierung der Osterweiterung heranziehen möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gerade durch die geplante Osterweiterung wird der Konkurrenzdruck auf die Bauern noch stärker. Die Landwirtschaft muß daher umgehend von unnötigen Gebühren befreit werden. So ist eine Senkung des Dieselpreises für unsere Landwirte notwendiger denn je.

Wir Freiheitliche werden es nicht zulassen, daß die Bedingungen für die Bauern und die Lage der österreichischen Bauern durch die sogenannte Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik weiter wesentlich verschärft wird. Diese Reform beziehungsweise die Agenda werden 3 Millionen Bauern in Europa zur Aufgabe zwingen. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aumayr, Wenitsch, Koller, Klein, Dr. Salzl und Kollegen betreffend Agenda 2000

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich massiv in den zuständigen EU-Gremien für eine Renationalisierung der landwirtschaftlichen Einkommenspolitik bei gleichzeitiger adäquater Kürzung der österreichischen Beitragszahlungen an die Europäische Union einzusetzen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Stimmen Sie diesem Antrag im Interesse der österreichischen Bauern zu! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß überreicht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.03

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Frau Kollegin Klein, Sie haben da etwas mißverstanden: Es ist nicht Sache der europäischen Marktordnung, wenn es darum geht, Flächen zu kultivieren und zu regenerieren – auch Terrassierungen gehören dazu – für den erweiterten Weinbau, sondern das sind Angelegenheiten des Strukturfonds.

In dieser Agenda 2000 wurde auch eine Erhöhung für die integrierte ländliche Entwicklung beschlossen, und das sind diese Strukturfonds. Für diese Strukturfonds wurde eine 50prozentige Erhöhung der Mittel beschlossen, um benachteiligte Gebiete – Hanglagen, schwer zu bewirtschaftende Hanglagen – zu kultivieren. (Abg. Gaugg: Tu nicht immer Geschichten erzählen! – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.) Dazu gehören Terrassierungen – speziell in den heute noch geltenden 5b-Gebieten sind es mit 70prozentiger Förderung die EU Terrassierungen –, aber verstärkt auch Weinbauflächen in allen Regionen Österreichs.

Gerade auf dem Sektor Wein ist es in dieser Agenda 2000 gelungen, stärker auf die österreichischen Ansprüche einzugehen, speziell in den Gebieten, in denen wir stark sind, wo wir eine stärkere Nachfrage haben und uns auf dem Markt international bestens plazieren konnten. Die Nachfrage ist derzeit größer als das Angebot.

Nur ein Beispiel dazu aus den Gesprächen im Ausschuß: Kollege Salzl hat gefordert, die Literhöchstgrenzen pro Hektar zu erhöhen, da man im Burgenland damit anscheinend Probleme hat. Die Höchstgrenzen wurde im Ausschuß mit 6 760 Liter festgelegt, Herr Kollege Salzl, und ich bin sehr froh darüber, daß wir die Mengenbegrenzung für Qualitätswein eingeführt haben. (Abg. Dr. Salzl: Das habe ich nicht gesagt!) Gerade im Burgenland hat nämlich in der Vergangenheit die fehlende Mengenbegrenzung zu Überschüssen geführt und in weiterer Folge zu der Zwangsmaßnahme der Rodeprämien. Es wurden im Burgenland sehr viele Rodeprämien ausbezahlt und auch Flächen gerodet, und jetzt kommt aus dem Burgenland die Forderung – weil man keine Flächen mehr zum Bepflanzen hat und sich an das 25jährige Zeitlimit halten muß –, die Hektarhöchsterträge zu steigern. Das ist jedoch nicht der Qualität dienlich, auch nicht einer ökologischen Landwirtschaft und dient sicher auch nicht dem Markt, da sich ja die Qualität auf dem Markt behaupten muß – nur die Qualität. Ausgeweitete Ertragsmengen fördern aber nicht die Qualität, sondern es steigt nur die Menge, und dieser Ansatz ist falsch. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir kommen mit der Höchstmengenregelung in Österreich leicht aus. In Zukunft können wir um 740 Hektar mehr Weinbauflächen auspflanzen, sodaß wir gerade in den bevorzugten Lagen, Steillagen, Hanglagen, wo wir bessere klimatische Bedingungen haben, Weltklassewein erzeugen können. Und diese werden gefördert. – Frau Klein, das ist das Mißverständnis. Aber Mißverständnisse gehören in dieser Agrardebatte zur Tagesordnung.

In diesem Zusammenhang muß ich Kollegen Koller erwähnen: Zuerst hat er Minister Molterer zu dem Verhandlungserfolg für unsere Landwirtschaft gratuliert, und im nächsten Satz hat er schon gesagt, daß diese Verhandlungen für unsere Bauern eine Vernichtungsmaschinerie bedeuten. – Sind Sie Miesmacher, Miesmutmacher oder Mutmiesmacher? Ich verstehe überhaupt nicht, was das soll. Das kann ja nicht die Agrarpolitik der "F" sein!

In diesem Sinne muß ich auch Frau Kollegin Aumayr ansprechen, denn sie kann ja nicht wirklich meinen, der Huber-Plan wäre heute für unsere Landwirtschaft besser. Sie wissen, was der Huber-Plan bedeutet. Umgelegt auf die gegenwärtige Situation würde das die absolute Vernichtung vieler Tausender existierender landwirtschaftlicher Betriebe bedeuten. Man kann ihn doch keinesfalls 1 : 1 umsetzen. Allein diese Forderung zeugt von solch enormer Inkompetenz und Realitätsferne, daß ich mich frage, wie man überhaupt auf solche Ideen kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, daß die "F" hier wirklich die Agrarpolitik zum Spielball ihrer Parteiideologie macht, daß sie die seriöse, ehrliche Arbeit unserer österreichischen Bauern in den Schmutz zieht und auf diese Art und Weise Kleingeld machen will. Das ist nicht fair und das haben sich unsere Bauern überhaupt nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Wie gesagt, das ist unseriös.

Einen Hinweis auch zu den Ausführungen des Sportsfreundes Grabner. Er hat gemeint, man solle noch 300 Quadratkilometer Forstfläche öffnen, man habe in Österreich Forstflächen für Mountainbiker, Fußgänger und Wanderer gesperrt. Es gibt die restriktive Forderung nach dem Tierschutz, und man muß auch sehen, daß Natur und Tier eng miteinander verbunden sind und auch Teil des Waldes sind. Je mehr Wege man öffnet und je mehr Leuten man die Möglichkeit gibt, den Wald zu betreten, desto stärker beeinträchtigt man damit das Verhalten der Tiere in unseren Bergen und in unseren Wäldern. Die Tiere brauchen unbedingt Ruheräume.

Wir haben genug Flächen offen für Radfahrer und Wanderer, sodaß es nicht notwendig ist, hier noch zusätzlich die Forderung aufzustellen, alles zu öffnen. Man muß ja auch auf die Tiere Rücksicht nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Eine weitere Öffnung wäre gegenüber dem Wild nicht zu verantworten.

Ich möchte im Zusammenhang mit der Agenda 2000 und diesem Erfolg unterstreichen – vorher hat es ja nicht so gut ausgeschaut –, daß damit höhere Umweltförderungen sichergestellt wurden: Sockelbeträge, Aufstockung der ÖPUL-Leistungen, gesicherter Preisausgleich, und vor allem konnte auch die Investitionsförderung für Nebenerwerbslandwirte erreicht werden. Leider wurde aber die Größenquote für die Betriebsförderung von den mehrheitlich sozialistischen Mitgliedstaaten abgelehnt.

Die Agenda 2000 macht die Herausforderungen der Landwirtschaft kalkulierbar und für alle bäuerlichen Betriebe absehbar. Das sind Perspektiven! Das ist Agrarpolitik! Daran können unsere Bauern die Ziele der nächsten Jahre erkennen.

Natürlich bleiben unseren Bauern in Zukunft auch einige Schwierigkeiten nicht erspart; das ist keine Frage. Unseren Bauern blieb zwar die Degression in der EU-Marktordnungsprämie erspart, aber trotzdem trifft die Agenda in vielen Bereichen die Bauern noch kräftig. Das österreichische Budget ist der Gewinner, und nationale Antworten in Form von Ausgleichen an die Bauern sind nur recht und billig.

Heute die Situation nur miesmachen zu wollen, und zwar schon im Hinblick auf die Wahlen, und hier Kleingeld machen zu wollen, ist, wie bereits gesagt, nicht seriös.

Ich glaube, daß die Bauern sehr wohl verstehen, was es heißt, bestehen zu können. Es ist unsere Aufgabe, ihnen dabei zu helfen und die Agrarpolitik in Europa so zu konzipieren, daß sie nachhaltig ist und in Zukunft auch wieder Existenzen sichert, damit vor allem auch die Jugend die Chancen des Wettbewerbs mit den erforderlichen gesetzlichen Regelungen wahrnehmen kann.

Es sind für die nächsten Jahre noch genug schwierige Herausforderungen zu erwarten, aber ich bin zuversichtlich, daß wir mit diesem Paket, der Agenda 2000, die nächsten sechs, sieben Jahre gut bewältigen werden. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Ich denke zum Beispiel nur an die INTERREG-Prämie, die man hier mit der Grenzlandförderung verwechselt hat, Frau Aumayr. Hier liegt sehr viel drin für die Zukunft unserer Bauern, die Zukunft unseres Landes und für die Zukunft aller, die hier leben.

Ich möchte mich noch einmal – auch wenn er jetzt nicht hier ist – bei Landwirtschaftsminister Molterer und bei allen Mitstreitern in seinem Team bedanken. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Salzl hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. – Herr Abgeordneter, Sie haben dazu das Wort. Ich ersuche Sie, mit dem Sachverhalt zu beginnen, den Sie berichtigen wollen.

17.12

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Zweytick hat behauptet, ich hätte im Ausschuß eine Erhöhung der Hektarhöchstmengen gefordert. – Das ist unrichtig, Herr Abgeordneter, wie so manches, das Sie hier von sich gegeben haben.

Ich habe im besagten Ausschuß lediglich den Herrn Bundesminister gefragt, ob eine Erhöhung der Hektarhöchstmengen eventuell geplant sei, da im Burgenland die schwarz dominierte Landwirtschaftskammer in bezug auf die Abwertung der Übermenge mit einer Toleranzgrenze von 5 Prozent hausieren geht und sagt: Die Toleranzgrenze sind 5 Prozent, diese Erhöhung wird toleriert!

Daher meine Frage an den Herrn Bundesminister. Es war keine Behauptung oder Forderung, die ich aufgestellt habe. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Zweytick: Es war eine Forderung!)

17.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

17.13

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde heute schon den ganzen Tag darüber gesprochen, wie die Neuordnung der EU-Agrarpolitik zum Schaden der österreichischen Bauern führt. Unsere Aufgabe und vor allem Ihre Aufgabe als Regierungsparteien wäre es, diesbezüglich Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Vorschläge für Gegenmaßnahmen haben wir aber heute sehr wenig gehört, und schon gar nicht werden heute welche umgesetzt. (Zwischenruf des Abg. Schwarzböck.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen schon einen Vorschlag machen. (Zwischenruf des Abg. Schwarzböck.) – Herr Schwarzböck! Sie brauchen sich nicht zu wundern, daß ich als Gesundheitspolitiker zu Bauernthemen spreche, denn es geht auch um die Sozialversicherung. In genau diesem Bereich könnten Sie etwas für die Bauern tun, nämlich indem Sie die Beitragsgestaltung so vornehmen, daß sie direkt am Einkommen der Bauern orientiert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bringe daher auch gleich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wenitsch, Aumayr, Koller, Dr. Salzl, Klein, Mag. Haupt und Genossen betreffend sachgerechte jährliche Anpassung der Sozialversicherungsbeiträge der Bauern

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat binnen dreier Monate einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der die Umstellung der jährlichen Anpassung der Sozialversicherungsbeiträge nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz von der Aufwertungszahl auf die Veränderung der Einkommen aus der Land- und Forstwirtschaft vorsieht, um eine Entlastung der bäuerlichen Betriebe von überhöhten Sozialversicherungsbeiträgen herbeizuführen.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie für die Bauern etwas tun wollen, dann stimmen Sie diesem Antrag zu. Denn seit der Umstellung auf den Bauernkrankenschein mit 1. Juli 1998 müßte es gerade den Abgeordneten der ÖVP ein Anliegen sein (Ruf bei der ÖVP: Ich stimme für keine Aufzeichnungspflicht der Bauern!) – sie müßten wissen, wie notwendig, wichtig und gerechtfertigt das ist –, die Gewinne, die die Sozialversicherungsanstalt der Bauern aufgrund dieser Umstellung jetzt einstreift, den zwangsversicherten Bauern zugute kommen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es handelt sich schlichtweg um einen Betrug an den Bauern, an den bäuerlichen Versicherten! (Abg. Schwarzenberger: Schön sprechen! Ein Arzt sollte schöner sprechen!) Durch die Umstellung auf den Krankenschein muß nun der Patient den Selbstbehalt, den er früher dem Arzt zahlen mußte, in Form der Krankenscheingebühr von 50 S der Krankenkasse zahlen. Gerade erst wurde der einmillionste Krankenschein ausgestellt – nach 10 Monaten! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der einmillionste Krankenschein! Das bedeutet: Es ist die Ausstellung von 1,2 Millionen Krankenscheinen pro Jahr zu erwarten – das sind 60 Millionen Schilling! Diese kassiert die Bauernkrankenkasse, ohne auch nur den kleinen Finger rühren zu müssen, ohne Mehrleistungen zu erbringen!

Ganz im Gegenteil, sie zahlt nur noch Leistungen nach dem Niveau der Gebietskrankenkasse. Die Leistungen für die bäuerlichen Versicherten sind auf das Niveau der Gebietskrankenkassen reduziert worden. Die freie Arztwahl ist stark eingeschränkt. (Abg. Schwarzenberger: Die Ärzte sollen den Bauern zurückzahlen, was sie ihnen zuviel verrechnet haben! – Weitere Zwischenrufe.) Die Leistungen werden gekürzt. Der Patient zahlt den Selbstbehalt. – Die Bauern sind jetzt schon sauer, weil die Umstellung auf den Krankenschein vorgenommen wurde, da sie jetzt sehen, welche Nachteile sie durch die Umstellung haben, Nachteile, die Sie ihnen verschwiegen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen noch etwas: Seit dem EU-Beitritt wurden die Sozialversicherungsbeiträge für die Bauern um 23 Prozent angehoben. Das ist eine enorme Belastung für die Bauern, die Sie, meine sehr verehrten Abgeordneten vom ländlichen Raum, von der ÖVP, zu vertreten haben. (Abg. Schwemlein: Um wieviel sind Sie mit Ihrem Arzthonorar heruntergegangen?) Daß die SPÖ mit den Bauern nichts auf dem Hut hat, weiß die gesamte Republik, aber wenigstens die ÖVP könnte für sie etwas tun – da sitzen die Bauernvertreter. (Abg. Dr. Trinkl: Ihr hättet gerne weiterkassiert! – Wenitsch, der will euch als Privatpatienten! "Abcashen" will er bei euch!) Herr Kollege Donabauer ist wahrscheinlich mit seinem Dienstwagen und Chauffeur unterwegs, um die insgesamt 100 Millionen an Mehreinnahmen, den 100-Millionen-Deal zu verprassen, statt sie den bäuerlichen Versicherten zurückzugeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! 45 Millionen zahlt jetzt – das ist das Ergebnis einer Anfragebeantwortung, bestätigt von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern – die Krankenkasse weniger aus – das ist rein die Differenz bei den Arzthonoraren –, und um 55 Millionen Schilling nimmt sie an Krankenscheinsteuer mehr ein. Das ist der 100-Millionen-Deal der Krankenkasse der Bauern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dabei machen wir nicht mit! Daher fordern wir Sie auf, die Beiträge für die bäuerlichen Versicherten so zu kürzen, daß sie ihrem sinkenden Einkommen gerecht werden! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe.)

17.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Dr. Pumberger vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Es liegt eine zweite Wortmeldung des Abgeordneten Auer vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

17.19

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da mir eine tatsächliche Berichtigung seitens des Herrn Präsidenten Brauneder nicht ermöglicht wurde und um der Wahrheit eine Chance zu geben (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen): Herr Klubobmann Scheibner hat mir unterstellt, ich hätte die Unwahrheit gesagt, da ich behauptet habe, daß Herr Dr. Haider meinte, man solle den Bauern 50 Prozent der Subventionen streichen. Er hat mir von hier aus die Unwahrheit unterstellt.

Ich zitiere wortwörtlich aus der "Pressestunde" vom 5. Feber 1995: Frau Redakteurin Rohrer: Also, Herr Dr. Haider, was ist Ihre Bedingung? Haider: Zum zweiten würden wir verlangen, daß man die derzeitigen Subventionen um 50 Prozent streicht. Das tut niemandem weh, nicht einmal der Landwirtschaft, weil die Landwirtschaft sehr stark abhängig ist von Kooperationsförderungen, die ganz wesentlich auch von Bund und Ländern und von der EU getragen werden müssen. – Das zur Wahrheit, meine Damen und Herren! (Rufe bei der ÖVP: Oha!)

Ein zweiter Punkt zum Thema Wahrheit: Ich habe Kollegen Wenitsch gesagt, daß er seinen Betrieb verpachtet hat. Er hat behauptet, er bewirtschafte seinen Betrieb seit acht Jahren. Meine Frage an ihn lautet: Wieviel seiner Gesamtfläche hat er verpachtet: 50 Prozent, 70 Prozent, 30 Prozent? (Zwischenruf des Abg. Wenitsch.) – Gar nichts verpachtet? (Abg. Wenitsch: Aber es ist bezeichnend für die ÖVP! – Meinen Betrieb führe ich selbst!) – Gar nichts verpachtet! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Es wäre ganz einfach, sich mit dem Pächter Ihrer Grundstücke zu unterhalten, dann käme die Wahrheit an den Tag! (Beifall bei der ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe.)

17.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wenitsch! Daß Sie Ihren Aufruf nicht überhören, denn Sie sind als nächster zu Wort gemeldet. – Bitte. (Heiterkeit.)

17.21

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Ich danke für den Hinweis. (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Die Äußerungen des Kollegen Auer muß man schon ein bißchen näher beleuchten.

Kollege Auer! Ich bin wirklich erschüttert darüber, welchen Kurs die heutige ÖVP segelt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich mir anschaue, was aus einer ehemaligen Wirtschaftspartei, aus einer staatstragenden Partei geworden ist, muß ich sagen: Meine lieben Freunde von der ÖVP, ihr seid die Linksüberholer dieser Nation! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es gibt doch niemanden mehr, der weiter links steht als diese Fraktion der ÖVP! Ich bin wirklich erschüttert!

Kollege Auer! Ich möchte dir jetzt noch etwas sagen, damit du es dir hinter die Ohren schreiben kannst: Ich bewirtschafte meinen Betrieb, und was mein Vater mit seinem Eigentum macht, das geht niemanden von der ÖVP etwas an! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe noch nie jemanden gefragt, was Kollege Schwarzböck mit seinem Betrieb macht – es ist mir egal. Ich frage auch Kollegen Schwarzenberger nicht, ich frage auch Herrn Maderthaner nicht, ich frage niemanden, denn zurzeit sind wir noch nicht im Kommunismus, wo jemand über sein Eigentum, sein Hab und Gut nicht selbst verfügen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine lieben Freunde! Das, was die ÖVP hier abzieht, diese Verleumdungen, dieses Schauspiel, ist ja wirklich ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir sind ja nicht im Kreml, wir sind im Parlament in Wien, meine Freunde von der ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das alles ist aber bezeichnend, denn was hat die ÖVP erreicht? – Die ÖVP hat die Greißler umgebracht! Die ÖVP hat die Klein- und Mittelbetriebe umgebracht, ruiniert! Die ÖVP ruiniert die Bauern – jetzt kommt noch die Agenda dazu, und das Bauernsterben wird weitergehen.

Mit den Bauern, Kollege Schwarzböck – das garantiere ich euch von der ÖVP auch! –, stirbt aber auch die ÖVP! So weit seid Ihr! Mit den Bauern wird auch die ÖVP sterben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage euch ehrlich: Es kann niemandem leid tun, wenn die ÖVP in der Verfassung, in der sie im Moment ist, nicht mehr hier im Parlament vertreten ist! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt kurz auf die Ausführungen der Kollegin Horngacher eingehen. Sie hat sich hier zum Rednerpult gestellt und gejammert, gesagt, daß sie Angst hat, daß ihre Kinder zu Sozialhilfeempfängern abgestempelt werden. – Liebe Kollegin Horngacher! Wer hat denn den Bauernstand so weit gebracht? Wer stellt seit 13 Jahren den Landwirtschaftsminister? Wer ist für diese Politik, die hier in Österreich gemacht wird, mitverantwortlich? (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer.) Die Opposition, die Grünen, die Liberalen, die Freiheitlichen – oder wer? – Niemand von diesen, sondern die ÖVP mit dem ehemals starken Bauernbund, der natürlich immer schwächer wird, da ja immer wieder Bauern von ihren Höfen abwandern müssen.

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, Frau Kollegin Horngacher: Sie haben gemeint, daß von der Produktpreissenkung für Agrarprodukte die Konsumenten profitieren werden. Meine lieben Freunde von der Sozialdemokratie, ihr seid ja schon lange genug hier im Hohen Haus – jeder einzelne von euch –, um diesen Schmäh nicht mehr zu glauben. Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich: Kein Konsument hat seit dem EU-Beitritt von der Senkung der Preise für bäuerliche Produkte profitiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gehen Sie einkaufen, gehen Sie in ein Geschäft, Sie werden sehen: Nichts ist für den Konsumenten billiger geworden! – Aber wo, bitte, bleibt das Geld, das den Bauern vorenthalten wird? Ich frage Sie: Wo bleibt dieses Geld? – Ich glaube, ich brauche diese Frage nicht an die Sozialdemokraten zu stellen, sondern ich müßte sie an die ÖVP stellen, denn die weiß, glaube ich, viel besser, wo das Geld verschwindet. Denn die ÖVP bedient und bevorteilt die Konzerne auf Kosten der Bauern, und das stimmt mich traurig, meine Damen und Herren!

Meine Damen und Herren! Diese neuerliche Preissenkung für Agrarprodukte dient natürlich – wie Herr Kletzmayr, der Bruder von Herrn Minister Molterer, der nicht mehr hier ist, richtig vermutet – der Osterweiterung. Keine Frage! Sie dient keinem Konsumenten, sie dient keinem Bauern, sondern nur der Osterweiterung!

Die ÖVP hat ja, als es um die Kürzungen der Bauerngelder ging, die Hand gehoben und mitgestimmt – nämlich Minister Molterer im Rat und natürlich auch Herr Vizekanzler Schüssel –, aber wo war die ÖVP, als es darum ging, diesen Mißbrauch in der EU von jährlich 56 Milliarden zu entschlüsseln? Waren da die Hände der ÖVP-Vertreter oben? – Da sind sie unten geblieben, da haben die ÖVP-Vertreter gegen diesen Mißtrauensantrag gestimmt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Mühlbachler und Dr. Maitz.)

Der einzige ÖVPler, der so viel Rückgrat gehabt hat, für diesen Mißtrauensantrag zu votieren, ist der "ehemalige" EU-Parlamentarier Habsburg. Und daher darf er bei euch nicht mehr kandidieren. Er hat es gewagt, gegen diesen Mißbrauch seine Stimme zu erheben, und er muß jetzt gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Es wäre gescheiter gewesen, mit diesen 56 Milliarden etwas für die Bauern zu machen. Da müßt ihr euch rühren, das wäre eure Aufgabe!

Kollege Cap hat gemeint – ähnlich wie auch Kollege Auer –, daß die Bauern faktisch zum Spielball der Politik geworden sind. Kollege Cap! Kollege Auer! Wer hat die Bauern zum Spielball gemacht?

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als Herr Kollege Schwarzböck – sogar im Fernsehen habe ich ihn gesehen – und Herr Kollegen Schwarzenberger mit den Bauern gegen die Agenda 2000 in Brüssel demonstriert haben. Und damals haben Sie, Kollege Schwarzböck, angekündigt: Wenn den Bauern diese Preisverluste nicht zu 100 Prozent abgegolten werden, wird es von Ihrer Seite keine Zustimmung zur Agenda geben. – Das kann man in sehr vielen Artikeln nachlesen, das kann ich Ihnen jederzeit belegen.

Und was ist dann geschehen? Warum haben Sie dann zugestimmt? – Sie haben Wortbruch gegenüber dem Staatsbürger Bauer begangen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Kollege Stefan Salzl hat hier schon Schwarzböck gegen Schwarzböck zitiert – Schwarzböck als Kammerpräsident erteilt sich einen Auftrag, und Schwarzböck als Abgeordneter lehnt dann im Nationalrat diesen Auftrag wieder ab! Es gibt mehrere solche Herrschaften bei der ÖVP.

Kollege Schwarzenberger! Sie fordern – das ist im "Bauernbündler" nachzulesen –: Betriebsmittelsenkung, Entlastungen für den Bauernstand (Abg. Schwarzenberger: Ich kämpfe dafür!), aber dann, wenn diese Anträge hier in den Nationalrat kommen, stimmen Sie dagegen! (Abg. Schwarzenberger: Ja, gegen die hohen Tierarztkosten!) Kollege Bauernbundpräsident Schwarzenberger richtet also dem Abgeordneten zum Nationalrat Schwarzenberger aus, daß für die Bauern diese Betriebsmittel gesenkt gehören – und was ist dann? – Er stimmt dagegen!

So ähnlich wird sich heute wahrscheinlich auch Herr Kollege Schuster von der ÖVP verhalten. Auf sein heutiges Abstimmungsverhalten bin ich schon sehr gespannt.

Ich habe hier Pressemeldungen vom 17. April und vom 19. April, und zwar aus den "Oberösterreichischen Nachrichten" und dem "Volksblatt".

"Oberösterreichische Nachrichten": "VP: Teure Bauernversicherung. Die Bauerneinkommen sind im dritten Jahr in Folge zurückgegangen, und die Auswirkungen der Agenda 2000 seien noch nicht abschätzbar, sagt VP-Nationalratsabgeordneter Johann Schuster." (Beifall bei den Freiheitlichen.) "Doch im Gegensatz zur negativen Einkommensentwicklung richtet sich die Beitragsanpassung bei der Bauern-Sozialversicherung an den Einkommenssteigerungen aller Erwerbstätigen. Die Beitragserhöhungen für die Bauern, in diesem Jahr um 1,9 Prozent, gehöre deshalb ‚korrigiert‘."

Nichts anderes, Kollege Schuster, verlangen wir in unserem Antrag. Ich bin gespannt darauf, wie Sie sich hier verhalten werden: Entweder werden Sie beschämt den Plenarsaal verlassen, um nicht gegen Ihre eigenen Pressemeldungen stimmen zu müssen, oder Sie werden ihn ablehnen und einen weiteren Wortbruch gegenüber dem Staatsbürger Bauer begehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie der Abg. Mag. Kammerlander.)

Meine Damen und Herren! Wir haben in Österreich schon sehr viele Nebenerwerbslandwirte, und auch in diesem Bereich krankt es an allen Ecken und Enden. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aumayr, Wenitsch, Koller, Dr. Salzl, Klein, Mag. Haupt und Genossen betreffend Leistungen nach dem AlVG für Nebenerwerbsbauern

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der Leistungen nach dem AlVG für Nebenerwerbsbauern unabhängig vom Einheitswert ihrer Landwirtschaft gewährleistet, wenn Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet wurden, um die Nebenerwerbsbauern finanziell zu entlasten."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. Ich glaube, ihr habt bei den Bauern schon genug Schaden angerichtet, Herr Kollege. Ihr solltet, wie ich meine, schön langsam damit anfangen, einen Teil davon gutzumachen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, wurde dem Präsidium überreicht und steht mit in Verhandlung.

Es hat sich jetzt Herr Abgeordneter Donabauer zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie die Berichtigung mit dem Sachverhalt, dem Sie Ihre Version gegenüberstellen wollen.

17.31

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Pumberger hat erstens hier behauptet, ich sei zurzeit mit einem Dienstwagen unterwegs, und zweitens, ich sei als Obmann dafür verantwortlich, daß wir Bauernsozialversicherungsbeiträge verprassen. – Das ist unrichtig!

Ich stelle fest: Ich bin den ganzen Tag heute hier im Haus. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich bin nur in der Zwischenzeit draußen gewesen, weil ich auf diesen mittelmäßigen Debattenbeitrag von Dr. Pumberger verzichten kann und diese gemeinen Anschuldigungen nicht hinnehme. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Punkt zwei: Wir verprassen keine Beiträge. Wir haben einen Verwaltungsaufwand von 3,1 Prozent. Unsere Gebarung ist korrekt, das hat uns der Rechnungshof und haben auch die Ministerien bestätigt. Ich glaube, das genügt wohl, um Ihnen diese Berichtigung geben zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

17.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt mir jetzt noch eine weitere Wortmeldung vor, und zwar die des Abgeordneten Schwarzböck mit einer gewünschten Redezeitbeschränkung von 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Jung: Hochmut kommt vor dem Fall!)

17.32

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bei den letzten Debattenbeiträgen der freiheitlichen Abgeordneten ein ungefähres Bild davon bekommen, wie für sie die seriöse politische Auseinandersetzung mit einem für die nächsten sieben Jahre europapolitisch – und auch standespolitisch aus der Sicht der Bauern – unverzichtbaren Agendaergebnis ausschaut.

Ich war leider aufgrund einer Besprechung nicht im Saal, als Herr Kollege Salzl seine Rede gehalten hat, aber mir wurde berichtet, er hat mir vorgeworfen, ich würde doppelbödig, unehrlich – und was weiß ich, wie noch – agieren und unterschiedlich abstimmen – je nachdem, ob ich als Interessenvertreter Forderungen stelle oder hier im Nationalrat abstimme.

Kollege Salzl! Sie haben mir auch vorgeworfen, die bäuerliche Interessenvertretung hätte mit der Tierärztekammer Einvernehmen über die Anhebung der tierärztlichen Tarife erzielt. Ich möchte hier klarstellen: Angesichts des Ausgeliefertseins an die Situation auf dem europäischen Binnenmarkt, wo die österreichische Landwirtschaft voll dem europäischen Wettbewerb gegenübersteht, habe ich in einem Gespräch mit dem Präsidenten der Bundestierärztekammer Jäger darauf hingewiesen, daß wir bei der Tarifanpassung in keiner Weise eine positive Stellungnahme abgeben oder auf irgendeine Art eine Erhöhung der Tarife mittragen können. Wir haben das im Rahmen des Begutachtungsverfahrens Frau Bundesministerin Prammer auch schriftlich mitgeteilt.

Zu unserem Erstaunen – mir ist das in der Politik bisher noch nie passiert – haben wir dann erfahren, daß in der Verordnung der Frau Bundesministerin die Forderungen der Tierärzte zu 100 Prozent umgesetzt worden sind. (Aha-Rufe bei den Freiheitlichen.) Ich habe das mehrmals – auch öffentlich – kritisch kommentiert, und wir haben es auch schriftlich festgehalten. Ich habe aber vom Tierarzt Salzl kein einziges Mal einen Protest dazu gehört; das ist mir auch erklärlich. Ich habe aber auch noch nie von Frau Kollegin Aumayr oder vom Kollegen Wenitsch als praktizierende Bauern ein Wort der Kritik dazu gehört.

Ich habe auch noch nie gehört, daß Herr Kollege Wenitsch oder Frau Kollegin Aumayr rein berufsspezifische ärztliche Interessen, wie sie Herr Kollege Pumberger hier etwa formuliert hat – Interessen, die aus meiner Sicht legitim sind, die sein Recht sind –, aus bäuerlicher Sicht beantwortet hätten. (Zwischenruf der Abg. Madl. – Abg. Aumayr: Sozialversicherungskürzungen!)

Frau Kollegin Madl! Wenn Sie heute – ein Jahr, nachdem die Bauern erstmals in den Genuß des Krankenscheinsystems gekommen sind (lebhafte Zwischenrufe der Abg. Madl und Aumayr) – abstimmen lassen, dann prophezeie ich Ihnen, daß das Ergebnis so ausfällt, wie Wahlergebnisse bei bäuerlichen Berufsvertretungswahlen aussehen. Herr Wenitsch wird bei diesen Wahlen noch oft kandidieren können, aber er wird nie ein Ergebnis erreichen, das sich mit unserem messen kann! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Wenitsch! Mir ist es auch zutiefst zuwider, in Debattenbeiträgen so persönlich zu werden, wie Sie das tun. (Lebhafter Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Unruhe im Saal.)

Es ist Ihrer Familie völlig unbenommen, wieviel an landwirtschaftlichen Grundstücken sie aus ihrem Privatbesitz verpachtet. Wenn Sie aber in der Debatte des Landwirtschaftsausschusses in einem Zwischenruf als Grund für Ihre Verpachtungsentscheidungen angeben, daß Sie nicht in die Bilanzpflicht kommen möchten und daher in der Pauschalierung bleiben wollen, während Sie andererseits aber dem Kollegen Pumberger applaudieren, wenn er fordert, die Sozialversicherungsbeiträge einkommensbezogen – nach Einkommensermittlung mit Bilanz – einzuheben, dann kann sich die Öffentlichkeit wahrscheinlich eine Meinung bilden, worum es hier geht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Pumberger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

17.36

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schwarzböck hat in seinem Debattenbeitrag behauptet, ich hätte mich in meinem Debattenbeitrag für die Umsetzung ärztlicher Interessen in bezug auf die Bauernkrankenkasse ausgesprochen. – Ich stelle dazu tatsächlich richtig: Das ist nicht der Fall. (Lebhafter Widerspruch und ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Alle haben es gehört!)

Ich habe mich mit keinem einzigen Wort und mit keiner einzigen Silbe dafür ausgesprochen, daß die Honorare, die die Ärzte derzeit bekommen, von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern erhöht werden sollen. (Widerspruch bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schwemlein.)

Ich habe mit keinem einzigen Wort erwähnt, daß Ärzte bessere Bedingungen haben sollen in bezug auf die Bauernkrankenkasse, sondern ich habe einzig und allein in allen meinen Ausführungen – wenn Sie aufgepaßt hätten, dann müßten Sie es wissen – angeführt, daß dieser 100-Millionen-Deal der SVB von uns nicht mitgetragen wird, und daß die Vorteile, die die Krankenkasse der Bauern durch die Umstellung auf den Krankenschein hat – durch das Inkasso von jährlich 1,2 Millionen mal 50 S Krankenscheingebühr und dadurch, daß sie etwa 45 Millionen weniger Honorare an die Ärzte auszahlt – nicht der SVB zugute kommen dürfen. Diesen 100-Millionen Schilling-Deal darf sich nicht die Bauernkasse unter den Nagel reißen, sondern dieses Geld muß einzig und allein den bäuerlichen Versicherten in Form von Beitragssenkungen zugute kommen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: So ist es!)

17.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere tatsächliche Berichtigung wünscht Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.38

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schwarzböck hat behauptet, ich hätte gesagt, daß die Landwirtschaftskammer der Tarifgestaltung der Tierärzte zugestimmt hat. (Abg. Schwarzenberger: "Präsidentenkonferenz" haben Sie gesagt!)

Ich habe gesagt, daß sie miteingebunden war in die Tarifgestaltung, daß sie ein Anhörungsrecht hat in dem Zusammenhang (Abg. Schwarzenberger: Nein! Als Beweis werden wir das Protokoll überprüfen! – Weiterer lebhafter Widerspruch bei der ÖVP. – Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) und daß sie bei der Tarifgestaltung dabei war. (Abg. Aumayr: Ja!) – Das habe ich gesagt, und nichts anderes.

Zum zweiten, Herr Kollege Schwarzböck: Ich habe Ihnen nicht Doppelbödigkeit oder sonst etwas unterstellt, sondern ich habe hier wörtlich Ihre eigenen Aussagen als Landwirtschaftskammerpräsident, als Vorsitzender der Präsidentenkonferenz aufgelistet und habe dem gegenübergestellt Ihr Handeln hier in diesem Parlament, das ganz konträr dazu ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: Ja!)

17.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort ist seitens der Berichterstattung nicht verlangt worden.

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, denn wir haben mehrere Abstimmungen durchzuführen, und zwar stimmen wir zunächst ab über alle jene Entschließungsanträge, die zum Tagesordnungspunkt 1 eingebracht wurden.

Zuerst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wenitsch und Genossen betreffend Verbilligung des Agrardiesels.

Wer diesem Antrag zustimmt, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die nächste Abstimmung betrifft den Entschließungsantrag der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend Beseitigung von Ungerechtigkeiten der AMA gegenüber Österreichs Bauern.

Wer für diesen Antrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend importierte Lebendschweine und A-Stempel.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wenitsch und Genossen betreffend stufenweise Beseitigung der Anrechnung des fiktiven Ausgedinges.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend Agenda 2000.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt wird abgestimmt über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wenitsch und Genossen betreffend sachgerechte jährliche Anpassung der Sozialversicherungsbeiträge der Bauern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Antrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend Leistungen nach dem AlVG für Nebenerwerbsbauern.

Wer für diesen Antrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die folgenden Abstimmungen beziehen sich auf die Punkte 2 bis 10 der Tagesordnung.

Wir stimmen zunächst ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1723 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1724 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1725 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über die dem Ausschußbericht 1726 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer für diese Entschließung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Entschließung ist einstimmig angenommen. (E 176.)

Dazu ist im Rahmen der Debatte auch ein Entschließungsantrag eingebracht worden, und zwar der Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend die Kennzeichnung aller in Österreich in Verkehr gesetzten Eier aus verschiedenen Haltungsformen.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1727 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1728 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1729 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft abstimmen, seinen Bericht 1730 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1731 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

11. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (751/A)

12. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzgeldgesetz geändert wird (752/A)

13. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzgeldgesetz geändert wird (753/A)

14. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (754/A)

15. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (755/A)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zu den Punkten 11 bis 15 der Tagesordnung. Es handelt sich dabei durchwegs um erste Lesungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile zunächst Frau Abgeordneter Dr. Hlavac, die die Erstantragstellerin in allen erwähnten Anträgen ist, das Wort. 8 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.46

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin Prammer! Frau Bundesministerin Gehrer! Sehr geehrte Damen und Herren! Alle Umfragen bestätigen, daß junge Frauen Beruf und Familie vereinbaren können wollen. Sie wünschen sich Kinder, aber sie wollen auch berufstätig sein, eigenes Geld verdienen, unabhängig sein.

Die meisten jungen Frauen, so zeigt sich bei diesen Umfragen, wünschen sich zwei Kinder. Tatsächlich bleibt aber die Wirklichkeit hinter diesem Wunsch zurück. Warum ist das so? – Es zeigt sich wohl oft in der Praxis, daß ein Leben mit Kindern und gleichzeitiger Berufstätigkeit nach wie vor schwierig ist. Es gibt in vielen Gemeinden zuwenig Kinderbetreuungseinrichtungen, die Arbeitszeiten sind alles andere als familienfreundlich, und die Mitarbeit der Väter läßt oft zu wünschen übrig. In dieser Situation entscheiden sich dann viele Frauen dagegen, ein zweites Kind zu bekommen.

Wir Sozialdemokraten versuchen, dem entgegenzuwirken und Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Entscheidung für Kinder erleichtern. Unsere Aufgabe ist es nicht, den Familien ein paar Jahre lang ein paar tausend Schilling zuzustecken. Was wir wollen, ist ein kinderfreundliches Klima und die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben daher im Zusammenhang mit den Beratungen über das Frauen-Volksbegehren, also schon vor einiger Zeit, eine Reihe von Gesetzesanträgen eingebracht, die wir heute in erste Lesung nehmen. Ich möchte diese Anträge nochmals kurz vorstellen:

Es sind dies Anträge, die einerseits allen berufstätigen Müttern den Verbleib in der Arbeitswelt erleichtern sollen beziehungsweise sichern sollen, daß sie, wenn sie sich für ein Kind entscheiden, ihren Arbeitsplatz nicht verlieren. Es sind darüber hinaus auch Anträge, die die besondere und besonders schwierige Situation von alleinstehenden Müttern berücksichtigen.

Der erste Antrag räumt Arbeitnehmern beziehungsweise Arbeitnehmerinnen die Möglichkeit ein, die Arbeitszeit herabzusetzen, wenn sie Betreuungspflichten übernehmen müssen. Dieser Antrag ist allgemein formuliert. Er bezieht sich also nicht nur auf die Betreuung von Kleinkindern, sondern auch auf die Betreuung von behinderten oder kranken Angehörigen.

Dieser Antrag ist uns sehr wichtig, weil wir wissen, daß es, wenn jemand für längere Zeit aus dem Berufsleben ausscheidet, für ihn oder für sie dann unerhört schwer ist, später wieder Fuß zu fassen. Auch soll ein ununterbrochener Versicherungsverlauf sicherstellen, daß die betreffende Person keine Versicherungszeiten verliert.

Was wünschenswert wäre und was wir im Zusammenhang mit einer großen Reform des Pensionsrechts auch anstreben, ist eine bessere Anrechnung von Betreuungszeiten, und zwar sowohl auf die Pensionshöhe als auch auf die Pensionszeiten.

Ein weiterer Antrag befaßt sich mit jenen Müttern, die – aus welchem Grund auch immer – den Vater ihres Kindes nicht angeben können oder wollen. Sie sollen trotzdem den Zuschuß zum Karenzgeld bekommen können, wenn sie sich zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichten. Jetzt ist es bekanntlich so, daß dieser Zuschuß vom Vater eingezogen wird, sodaß Frauen, die den Vater nicht nennen, keine Möglichkeit haben, diesen Zuschuß zu erhalten. Gerade sie sind aber sehr oft diejenigen, die diese finanzielle Zuwendung besonders dringend brauchen.

Ich habe mit Freude gehört, daß es eine Einigung zwischen Sozialministerium und Familienministerium darüber gibt, daß dieser Antrag beschlossen werden soll. (Abg. Schaffenrath: Überraschung!) Ich finde das sehr positiv, weil damit gerade einer Gruppe von Frauen geholfen werden soll, die das wirklich brauchen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Das ist unfaßbar! Ideendiebstahl!)

Der nächste Antrag befaßt sich mit der Umkehr der Klagsverpflichtung bei Inanspruchnahme von Teilzeitarbeit. (Abg. Gaugg: Außer Ideendiebstahl ist nichts passiert! Ideendiebstahl der miesesten Art!)

Ein weiterer Antrag befaßt sich mit der Ausdehnung der Behaltefrist nach der Karenzzeit. (Abg. Gaugg: Seit einem halben Jahr reden wir darüber! Antrag Öllinger! Sie genieren sich nicht einmal mehr dafür! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Das ist ein Antrag, der uns sehr wichtig ist und über den wir leider bis jetzt keine Übereinstimmung erzielen konnten.

Mit der Ausdehnung der Behaltefrist auf 26 Wochen soll sichergestellt werden, daß Frauen, die sich für ein Kind entscheiden, dann, wenn sie aus der Karenz zurückkehren, auch tatsächlich an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können und ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen können.

Das ist für uns sehr wichtig, denn wir erleben immer wieder, daß bei der bestehenden kurzen Behaltefrist von 4 Wochen die Frauen oft vom Arbeitgeber aufgefordert werden, gar nicht erst zu kommen, und daß sie dann automatisch gekündigt werden. Es ist aber für eine Frau mit einem kleinen Kind sehr schwer, wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen. Daher erwarten wir uns gerade von diesem Antrag sehr viel. Wir wollen, daß die Frauen wieder eingeschult werden und daß sie als vollwertige, konkurrenzfähige, selbstbewußte Arbeitskräfte weiterwirken können. (Ruf bei den Freiheitlichen: Blablabla! – Abg. Gaugg: Ich halte das nicht mehr aus!)

Es wird manchmal dahin gehend argumentiert, daß dadurch Frauen gegeneinander ausgespielt werden. Natürlich möchte auch die Karenzvertretung ihren Arbeitsplatz behalten, aber es ist uns wichtig, das Signal zu geben, daß Frauen, die sich für Kinder entscheiden, auch tatsächlich eine Arbeitsplatzsicherheit haben.

Der letzte Antrag soll die Benachteiligung alleinstehender Mütter, die keine Möglichkeit haben, den Karenzurlaub mit dem Vater zu teilen, ausgleichen. Alleinstehende Mütter, aber auch Väter sollen künftig über die Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes hinaus bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres Karenzgeld und gegebenenfalls auch den Zuschuß erhalten können.

Meine Damen und Herren! Das sind diese fünf Anträge, die wir heute hier in erste Lesung nehmen. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Vorstellungen, Plänen und Maßnahmen, die wir verwirklichen wollen.

Ich möchte anerkennen, daß in den Verhandlungen einige Punkte erreicht werden konnten, die uns wichtig sind, unter anderem auch die Schaffung eines eigenständigen Anspruches für Väter und die Möglichkeit der Flexibilisierung des Karenzanspruches. Das sind erste Schritte, die uns wichtig sind, aber es sind für uns eben nur erste Schritte.

Ich war erst vor kurzem gemeinsam mit Minister Bartenstein bei einer Veranstaltung. Er hat sich dort sehr dafür ausgesprochen, daß Frauen Beruf und Familie vereinbaren können sollen. Ich bin sehr froh darüber, ich glaube aber, daß wir das nicht nur vom guten Willen der Unternehmer abhängig machen können, sondern daß die Frauen Rechtsansprüche brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, daß wir jetzt einige Schritte für die Frauen, für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen. Ich wünsche mir auch sehr, daß unsere Anträge in die Beratungen aufgenommen werden. Es bewegt sich einiges, aber es bleibt noch sehr, sehr viel zu tun! (Beifall bei der SPÖ.)

17.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Bures ist die nächste Rednerin mit einer freiwilligen Redezeit von 6 Minuten. – Bitte.

17.54

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann nahtlos an die Ausführungen der Kollegin Hlavac anschließen und möchte in Erinnerung rufen, was diesen Anträgen – und ich bin sehr stolz auf diese Anträge –, die wir in einer ersten Lesung besprechen können, eigentlich zugrunde liegt, was dem eigentlich vorausgegangen ist.

Es war eines der erfolgreichsten Volksbegehren, die wir je hatten. Es haben 645 000 Männer und Frauen – großteils Frauen – dieses Volksbegehren mit seinen sehr zentralen Forderungen, die die Gleichstellung von Frauen betreffen, unterschrieben.

Nach diesem Volksbegehren, das vor fast genau zwei Jahren stattgefunden hat, hat es noch ein Jahr zäher Verhandlungen gebraucht, bis wir in einer ersten Etappe ganz konkrete Verbesserungen beschließen konnten. Wir haben bei der Beschlußfassung der ersten Regelung – das war, um es in Erinnerung zu rufen, die verfassungsrechtliche Verankerung der Gleichstellung von Frauen – die zusätzliche Zurverfügungstellung von Bundesmitteln für Kinderbetreuungseinrichtungen erreicht. (Abg. Schaffenrath: Sie meinen das Bekenntnis, oder?) Frau Kollegin Schaffenrath, das sind immerhin 18 000 Betreuungsplätze, die damit geschaffen werden konnten, und das wird erfreulicherweise auch fortgesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Für die Frauen war auch eine Neuregelung in bezug auf die Beschäftigung während der Karenzzeit wichtig, weil eben der Ausstieg aus dem Berufsleben ein so schwieriges Problem darstellt. Es wurden also Möglichkeiten geschaffen, um den Kontakt mit dem Betrieb aufrechtzuerhalten.

Das waren die Maßnahmen, die uns in einer ersten Etappe gelungen sind. Wir Sozialdemokraten haben aber schon damals nie ein Hehl daraus gemacht, daß wir damit nicht zufrieden sind, daß unserer Ansicht nach eine Reihe von Maßnahmen darüber hinaus notwendig sind. In einer zweiten Etappe – und so würde ich heute die ersten Lesungen sehen, ich hoffe, daß es auch zu einer entsprechenden Umsetzung kommt – sollen eben weitere Schritte erreicht werden.

Ich denke, daß man einer Opposition durchaus Polemik zugestehen kann. Aber man kann auch als Opposition stolz darauf sein, daß im Interesse der Frauen und für die Verbesserung der Lebenssituation von Frauen in diesem Land sehr viel geschehen ist.

Für diese Verbesserung der Lebenssituation der Frauen sind Frauen wie Johanna Dohnal, Helga Konrad und Barbara Prammer gestanden, die alle in zähen Verhandlungen versucht haben, tatsächliche Verbesserungen zu erreichen. (Abg. Steibl: Warum haben sie sie dann nicht umgesetzt? Wo ist Frau Ministerin Konrad heute?)

Obwohl bereits viel geschehen ist, ist auch noch sehr viel zu tun – und da teile ich die Auffassung von Frau Kollegin Hlavac, die ihren Redebeitrag damit beendet hat –, um eine tatsächliche Gleichstellung der Frauen in der Realität zu erreichen.

Alle Frauen – ich nehme an, auch die Frauen dieses Hauses – erleben ja tagtäglich Diskriminierungen, erleben tagtäglich Benachteiligungen von Frauen. Wir haben deshalb die Aufgabe, konkrete Schritte zu setzen, um die Rahmenbedingungen für die Gleichstellung zu schaffen, um den Frauen faire Chancen zu geben.

Für uns als fortschrittliche Frauenpolitikerinnen steht natürlich die Unabhängigkeit, die existentielle Unabhängigkeit der Frauen im Vordergrund. Wir gehen nicht davon aus, daß bei Frauen, die in der Vergangenheit in der Abhängigkeit ihrer Ehemänner gestanden sind, nun die Staatsabhängigeit die Ehemännerabhängigkeit ablösen soll, sondern es geht um eine unabhängige existentielle Sicherung von Frauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nur ein paar Punkte herausgreifen, die für mich sehr wichtig sind und einen Beitrag in diese Richtung darstellen. Das eine ist die Verlängerung der Behaltefrist. Das klingt sehr technisch. Wir wissen, daß 80 Prozent aller Frauen – und fast 99 Prozent jener, die in Karenzurlaub sind, sind Frauen – sagen, sie wollen nach der Karenzzeit wieder in das Berufsleben zurückkehren. Die Realität sieht aber so aus, daß nur 30 Prozent das tatsächlich schaffen. Daher ist es ein Schritt zur sozialen Absicherung, zur Möglichkeit, doch im Betrieb zu verbleiben, diese Behaltefrist auf 26 Wochen zu verlängern.

Ich möchte nur punktuell auf weitere wichtige Bereiche eingehen, zum Beispiel auf den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für Frauen und Männer, die Betreuungspflichten gegenüber Kindern haben. Die Arbeitszeit darf sich nicht ausschließlich an den Bedürfnissen der Betriebe orientieren, sondern hat sich auch an den Bedürfnissen der Familien zu orientieren. Weiters soll es ein Karenzzeitkonto geben, aufgrund dessen man sich bis zum 7. Lebensjahr eines Kindes die Zeit nehmen kann, wann man sie braucht und wann es notwendig ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch allen unredlichen Angeboten, die in den letzten Wochen von einigen Parteien gekommen sind, massiv entgegentreten, so zum Beispiel Angeboten, die dazu führen, daß Frauen aus dem Berufsleben gedrängt werden. Das sind etwa Kinderbetreuungsschecks und alle Arten von Gießkannensystemen bei der Förderung. All das sind Dinge, die Frauen aus dem Berufsleben drängen. (Abg. Scheibner: Das ist eine Wahlmöglichkeit! – Abg. Mag. Haupt: Eine Methode der Unabhängigkeit!) – Ich weiß, da gibt es große Meinungsunterschiede zwischen uns. Wir werden es jedenfalls zu verhindern wissen, daß es zur Umsetzung solcher Forderungen kommt.

Ein weiterer Punkt, zu dem es eine aktuelle Diskussion gibt – Frauenfragen sind eine Querschnittsmaterie –, ist die Ehe- und Scheidungsrechtreform. Die aktuelle Diskussion der letzten Tage darüber hat eigentlich gezeigt, wie das soziale Gewissen unseres Koalitionspartners in dieser Frage aussieht.

Ich vermisse Ihr soziales Gewissen. Es ist ein unerträglicher Zustand, daß Frauen, die jahrelang die Hausarbeit, die Kindererziehung erledigt haben, nach der Scheidung vor dem Nichts stehen sollen. Es soll eben nicht nur in ausnahmsweisen Härtefällen Unterhaltsansprüche für diese Frauen geben, um Frauen nicht in die Armutsfalle tappen zu lassen.

Abschließend meine ich, daß, wenn man über die Situation von Frauen und Familie spricht, in einer Zeit, zu der Krieg im Kosovo herrscht, wo gerade Frauen Furchtbares widerfährt, man diese Geschehnisse nicht kommentarlos hinzunehmen hat. Ich bedanke mich daher bei den beiden Bundesministerinnen dafür, daß sie im Rahmen von "Nachbar in Not" auch eine Aktion "Frauen gegen den Krieg" ins Leben gerufen haben, die meine Fraktion und ich sehr gerne unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Gewünschte Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

18.01

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Hohes Haus! Die heute hier in erster Lesung zu diskutierenden Anträge zielen neuerlich auf Verbesserungen für Frauen und vor allem auch für Familien ab, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einander nicht ausschließen. Lassen Sie mich auch hier meiner Freude Ausdruck verleihen, daß es uns nicht nur heute innerhalb der Bundesregierung gelungen ist, eine Einigung beim Karenzzeitpaket zu erzielen, sondern daß es uns vor allem in den letzten Monaten beziehungsweise vor knapp einem Jahr gelungen ist, mit dem Familiensteuerpaket, das mit 1. Jänner 1999 in einer ersten Tranche und mit 1. Jänner 2000 in einer zweiten Tranche wirksam geworden ist beziehungsweise wirksam wird, ein wahrhaft gutes Paket für die Familien und damit auch für die Frauen zu schnüren, um damit die finanzielle Sicherheit der österreichischen Familien wesentlich zu erhöhen.

Zwei dieser heutigen Anträge zielen besonders auf Änderungen beim Karenzgeld hin, wobei sich diese speziell auf alleinerziehende Elternteile beziehen, die in der Mehrheit ja Frauen sind. Wir wissen, daß diese Frauen in der Regel eine besonders schwierige Aufgabe zu bewältigen haben – nicht nur finanzieller Natur, sondern auch emotionaler Natur. Unsere gesellschaftliche und politische Unterstützung hat daher natürlich besonders diesen Frauen zu gelten.

Wir müssen aber sehr darauf achten, daß entsprechende Förderungen nicht einseitig ausfallen und dazu führen, daß verheiratete Frauen oder in Lebensgemeinschaften lebende Frauen dadurch benachteiligt werden, und daß letztendlich das eintritt, was wir schon beim erhöhten Karenzgeld als nicht wünschenswert erachtet haben, nämlich daß Familienpolitik und Heiratspolitik nach den entsprechenden Unterstützungen betrieben werden; das heißt, daß deshalb nicht geheiratet wird, weil – in diesem Fall – alleinerziehende – oder offiziell alleinerziehende – Elternteile bevorzugt werden. Nach Ende dieser Bevorzugungsfrist tritt aber plötzlich ein Heiratsboom ein, wie es auch beim erhöhten Karenzgeld nach der alten Regelung der Fall war. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir schon über das Karenzgeld sprechen, möchte ich es nicht verabsäumen zu sagen, daß wir nach wie vor für unsere Forderung "Karenzgeld für alle" eintreten, weil es für uns nicht einsichtig ist, daß man zwischen Frauen, die Karenzgeld bekommen, und Frauen, die kein Karenzgeld bekommen, unterscheidet, obwohl beide Gruppen von Frauen dieselbe Verpflichtung erfüllen, nämlich die Betreuung und Erziehung eines Kleinstkindes in den ersten wichtigen Lebensmonaten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist für uns absolut nicht einsichtig, daß Studentinnen, geringfügig Beschäftigte und Hausfrauen kein Karenzgeld bekommen und daß Bäuerinnen und Unternehmerinnen nur das halbe Karenzgeld bekommen. Und es ist mir auch nicht einsichtig, Frau Bundesministerin Prammer, daß Sie hier immer noch Unterscheidungen treffen, vor allem auch Ihre Bundesfrauensekretärin Kuntzl. Es gibt ja nahezu schon ein SPÖ-Syndrom gegen Hausfrauen, die ja Ihrer Ansicht nach nichts arbeiten, und daher offensichtlich einen Reflex (Abg. Fuchs: Wir sind selbst auch alle Hausfrauen!), einen Antihausfrauenreflex, weil die SPÖ sagt: Okay, Studentinnen bekommen eventuell Karenzgeld, geringfügig Beschäftigte nicht. Dann bleiben eben nur die Hausfrauen, die nie etwas gearbeitet haben, übrig. – Bitte, ich zitiere aus einer Zeitung! (Abg. Dr. Khol: "Oberösterreichische Nachrichten": Frauen, die nie gearbeitet haben!)

Was auch unverständlich ist, ist die Aussage der Gewerkschaftssekretärin Schmidleithner, die erklärt hat, daß "Karenzgeld für alle" schlicht und einfach ein soziales Verbrechen ist. – Dieser Meinung können und wollen wir uns nicht anschließen. (Beifall bei der ÖVP.) "Karenzgeld für alle" ist sozial gerecht und gerechtfertigt! (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer.)

Oder: Die Familiensprecherin der SPÖ, Frau Mertel – das man muß sich auf der Zunge zergehen lassen –, sagt vor laufenden Fernsehkameras live in der Sendung "ZiB 3": Ich gönne das "Karenzgeld für alle" den Frauen nicht. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Ja, sagen Sie: Was ist denn das für eine Familiensprecherin? Ich gönne es den Frauen nicht, hat sie gesagt. Das verstehe ich absolut nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden daher bei unserer Forderung nach "Karenzgeld für alle" bleiben, und wir werden diese Forderung so lange wiederholen, bis sie auch in die Tat umgesetzt werden kann.

Lassen Sie mich aber auch kurz auf das Paket, das heute innerhalb der Bundesregierung vereinbart werden konnte und das wesentliche Verbesserungen für Frauen und Männer, also für Mütter und Väter bringt, eingehen. Es bringt auch einen wesentlichen Ansporn für Väter, in Karenz zu gehen. Wir sind absolut unzufrieden mit dem Prozentsatz der Väter, die derzeit Karenz in Anspruch nehmen, wenngleich er von 1 Prozent auf 1,5 Prozent gestiegen. Das ist sicher zuwenig.

Ich glaube, daß es wichtig ist, daß dieser eigenständige Anspruch für Väter nun realisiert werden kann; das ist ja auch eine EU-konforme Regelung. Mit den flexiblen Meldefristen haben wir da ebenfalls eine Verbesserung erreicht. Das Aufschieben des Karenzurlaubes auf zweimal drei Monate bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes wird auch zu mehr Flexibilität und besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf führen.

Auch die Regelung der Teilzeitkarenz, die damit flexibilisiert wurde, und das Recht des oder der Karenzierten auf Information über wichtige Betriebsgeschehnisse oder Weiterbildungsmaßnahmen erleichtern den Wiedereinstieg in den Beruf und erleichtern natürlich auch das "Drinnenbleiben" im Beruf.

Die einheitliche Höhe des Karenzgeldes bei Teilzeitbeschäftigung beziehungsweise der Hinweis auf Teilzeitbeihilfe, die es ja gibt, sind gleichermaßen etwas ganz Wichtiges, so wie auch der Zuschuß zum Karenzgeld – Mütter, die den Namen des Vaters ihres Kindes nicht angeben, müssen sich zur Rückzahlung dieses Zuschusses zum Karenzgeld verpflichten – beziehungsweise die rückwirkende Gewährung des Karenzgeldes von bis zu drei Monaten.

Lassen Sie mich aber auch ganz kurz auf die beiden anderen Anträge eingehen, die sich vor allem mit dem Recht auf Teilzeitarbeit beschäftigen. Diese sind ja auch eine Folge des Frauen-Volksbegehrens. Kollegin Bures hat hier bereits angesprochen, daß diese Anträge in ihren Forderungen das Recht auf Teilzeitarbeit bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes beinhalten.

Meine Damen und Herren! Aus familienpolitischer Sicht ist das sehr wünschenswert und großartig, weil damit einem Elternteil ermöglicht wird, relativ lange bei seinem Kind bleiben zu können. Aber aus frauenpolitischer Sicht – das kam ja nicht als Familienforderung, sondern als Frauenforderung – ist das völlig verkehrt, weil es wiederum eine Schutzbestimmung ist, eine überzogene Schutzbestimmung ist, die nur dazu dient, Frauen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das ist der Punkt! – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Genau das ist es! Aber Sie wissen doch, meine Damen und Herren, wir haben das beim Nachtarbeitsverbot gesehen, wir haben es bei vielen anderen Schutzbestimmungen gesehen, daß diese zwar gut gemeint waren, aber genau das Gegenteil erreicht haben, nämlich daß Frauen aus dem Arbeitsmarkt oder von ihren Arbeitsplätzen verdrängt wurden. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer.)

Sie glauben doch nicht im Ernst, Frau Kollegin, daß mit dieser Forderung in einer Zeit zunehmender Arbeitslosigkeit und eines engen Arbeitsmarktes die Unternehmer eine Frau einstellen werden, sondern sie werden das "geringere" – unter Anführungszeichen – Risiko eingehen und bei gleicher Verfügbarkeit einen Mann einstellen! (Abg. Dr. Gusenbauer: Seit wann nimmt die Arbeitslosigkeit zu?) Meine Partei ist nicht für Knebelung von Unternehmen und Betrieben, meine Partei ist für Unterstützung, Bewußtseinsbildung und Anreize auf dem Arbeitsmarkt.

Wir sind daher sehr froh darüber, daß unsere Abgeordnete Ridi Steibl schon vor vielen Jahren – vor fast zehn Jahren – mit ihrer Aktion "Taten statt Worte!" dazu beigetragen hat, daß familienfreundliche Betriebe in Österreich ein Anliegen werden. Wir sind sehr froh darüber, daß unser Familienminister Bartenstein dazu beigetragen hat, daß er das Familien-Audit eingeführt hat, eine Zertifizierung von Betrieben, die den Betrieben selbst auch nahebringen soll, daß Familienfreundlichkeit den Unternehmen nützt, genauso wie es vor zehn Jahren beim Umwelt-Audit der Fall war. Ich glaube daher, daß diese Anreize, die Bewußtseinsbildung sicherlich der bessere Weg sind, und ich freue mich, daß damit auch ein richtiger Weg eingeschlagen werden konnte.

Lassen Sie mich genauso wie Kollegin Bures am Ende dieser Rede kurz die Hilfe für die Frauen im Kosovo ansprechen. Ich möchte mich auch bei den beiden Ministerinnen Gehrer und Prammer dafür bedanken, daß sie diese Idee wieder aufgegriffen haben. Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern: Im Jahre 1992 haben Kollegin Johanna Dohnal und ich angesichts der Massenvergewaltigungen in Bosnien die Aktion "Kriegsopfer: Vergewaltigte Frauen" ins Leben gerufen. Wir haben mit dieser Aktion – wohl mit medialer Unterstützung des Fernsehens, aber ohne "Nachbar in Not" – insgesamt 12 Millionen Schilling sammeln können, die über fünf Jahre hinweg den Frauen zugute gekommen sind. Der letzte Teil dieses Geldes ist 1997 nach Bosnien geflossen, und es laufen immer noch Projekte aus dieser Aktion. Wir sind sehr dankbar dafür, daß es den beiden Ministerinnen Prammer und Gehrer gelungen ist, diese Aktion auch in die Aktion "Nachbar in Not" einzugliedern.

Wir sind weiters Herrn Kurt Bergmann und dem ORF sehr dankbar dafür, daß mit der Aktion "Frauen helfen Frauen" beziehungsweise "Frauen gegen den Krieg" erreicht werden kann, daß speziell Frauen aus einer traumatischen Situation – vielleicht aufgrund einer Vergewaltigung, einer Vertreibung, eines Massakers – psychologisch und psychisch geholfen werden kann. Ich möchte, daß diese Aktion ebenfalls zu einem guten Erfolg geführt wird, und meine Fraktion und ich werden uns selbstverständlich daran beteiligen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Haller gelangt jetzt zu Wort. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.13

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen Ministerinnen! Hohes Haus! Eigentlich sind wir Frauen es ja gewohnt, daß Debatten über Familien- und Frauenthemen zu mitternächtlicher Stunde und unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden. Heute ist zumindest der Zeitpunkt der Debatte früher. Die Anwesenheitsquote ist aber leider nicht hoch, und ich möchte da niemanden ausnehmen. Man kann das zumindest als einen ganz kleinen Fortschritt betrachten und vielleicht auch als Ansage an die Initiatorinnen des Frauen-Volksbegehrens, denn zumindest ein Teil dieser Anträge erweckt in gewissen Ansätzen den Anschein – den ernsthaften Anschein –, den Forderungen des Frauen-Volksbegehrens gerecht zu werden. Fünf Anträge stehen hier zur ersten Lesung an, die alle, bis auf einen – also vier davon –, eine einwandfreie sozialdemokratische Handschrift tragen, die deshalb auch einfallslos und einseitig sind – wie könnte es anders sein.

Der einzige, der dabei eine Ausnahme bildet, ist der Antrag 753/A, in dem es um Mütter geht, die den anderen Elternteil nicht angeben können oder wollen. Dieser stammt ja nicht von Ihnen, sondern von den Grünen. Und unmittelbar nachdem ihn die Grünen eingebracht haben, waren es die Freiheitlichen, die zugestimmt haben. Das sollte man der Ehrlichkeit halber schon erwähnen, damit Sie sich nicht dieses Federl so großartig an den Hut heften. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitliche sind natürlich nicht in dieser Form für eine Umkehr der Klagsverpflichtung bei der Teilzeitbeschäftigung. Wir Freiheitliche können auch nicht in dieser Form für eine Behaltefrist von 26 Wochen nach der Karenz sein, denn bei den Beratungen zum Frauen-Volksbegehren hat Herr Professor Wachter, kein Geringerer als der Vorstand des Instituts für soziales Recht an der Universität Innsbruck, gesagt, daß das in Österreich für kleine Unternehmen nicht umsetzbar ist und daß man da eine Latte einbauen müßte, was Sie aber natürlich nicht tun. Und ich finde die Argumentation und die Begründung zu diesem Antrag 755/A schon ein bißchen höhnisch: "Auch der Dienstgeber kann sich bei einer längeren Behaltefrist wieder leichter an die Arbeitnehmerin gewöhnen." – Ja geht es wirklich um eine Gewöhnungsfrist? Geht es da nicht um etwas ganz anderes? Nehmen Sie damit nicht einer anderen Frau den Arbeitsplatz wieder weg? – Tun Sie doch bitte nicht so scheinheilig! Das, was Sie da vorgelegt haben, ist keine gute Lösung.

Wir können auch nicht für den Antrag 751/A sein, obwohl wir die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit bei Betreuungspflichten befürworten. Warum schaffen Sie aber diese Teilzeitarbeitmöglichkeit nicht auch für pflegende Frauen, für Frauen, die ihre Angehörigen zu pflegen haben? Das steht nicht im Antrag. (Abg. Silhavy: Sie sollten den Antrag lesen!) – Nein, es steht nicht drinnen. Und wenn es drinnen steht, wenn es wirklich so gemeint ist, meine Kolleginnen von der Sozialdemokratie, dann muß ich folgendes sagen: Warum geht die öffentliche Hand hier nicht mit gutem Beispiel voran? – Ich kann mich noch gut an die Verhandlungen erinnern, als es darum ging, gerade im öffentlichen Bereich Möglichkeiten auf Teilzeitarbeit zu schaffen, und wie diese gerade bei pflegenden Angehörigen sehr restriktiv ausgelegt worden sind – viel restriktiver, als wir es haben wollten.

Aber auch dem Antrag 752/A auf Ausdehnung der Karenzzeit können wir nicht beipflichten, denn es ist doch nicht die Tatsache des Rechtsanspruchs für Väter, die es begründet, daß auch in aufrechten Ehen und Partnerschaften die Männer in so geringem Maße Karenzzeit in Anspruch nehmen, sondern es sind einfach finanzielle Gründe, die das unmöglich machen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Wir Freiheitliche bieten eben in fast all diesen Bereichen eine bessere Möglichkeit. Nicht alle Probleme können mit dem freiheitlichen Modell des Kinderbetreuungsschecks gelöst werden, aber sehr viele. Der Kinderbetreuungsscheck brächte eine absolute Verbesserung des wirtschaftlichen Zwanges zur Erwerbstätigkeit, er brächte ein Auffangen des Einkommensverlustes und würde der zunehmenden Familienarmut und der Armut der Alleinerzieherinnen entgegenwirken. Warum sträuben Sie sich so dagegen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Kinderbetreuungsscheck würde endlich eine Anerkennung und Abgeltung der gesellschaftlich so wichtigen Erziehungsarbeit herbeiführen, er würde durchgängige Pensionsbeitragszeiten für Frauen ermöglichen. Somit bräuchten Sie sich über andere Lösungen nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Er würde weiters den Aufbau eines weitaus flexibleren Betreuungsmarktes ermöglichen und – dazu stehen wir auch – böte natürlich auch den Anreiz, auf die Ausübung der Berufstätigkeit in den ersten wichtigen Lebensjahren des Kleinkindes zu verzichten.

So sehen es wir Freiheitlichen. Wenn Sie es so auslegen, daß wir die Frauen zurück an den Herd schicken wollen, dann fragen Sie doch die Frauen selbst, was diese haben wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Zusammenhang mit entsprechenden Wiedereinstiegsmöglichkeiten, mit der Möglichkeit von besseren Weiterbildungsmaßnahmen brächte das im Sinne eines unterschiedlichen familiären Lebensmusters, das man den österreichischen Bürgern doch zugestehen muß, den Menschen wirklich etwas Neues und nicht so krampfhafte, kleine Versuche einer Verbesserung für Frauen, die sie unter dem Strich gar nicht sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Hlavac hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. Sie kennen die Geschäftsordnung. – Bitte.

18.19

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Frau Kollegin Haller hat behauptet, daß in unserem Antrag die Pflege von kranken Angehörigen nicht enthalten sei.

Ich stelle richtig und zitiere wörtlich: Es handelt sich hier um Arbeitnehmer "mit nicht nur vorübergehenden Betreuungspflichten von nahen Angehörigen".

Es geht also nicht nur um Kleinkinder, sondern sehr wohl auch um andere Angehörige, wie eben Kranke und Behinderte. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Formulieren Sie es nächstes Mal besser!)

18.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte.

18.20

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Meine Damen und Herren! Ich bin von der prominenten Besetzung bei einer ersten Lesung in diesem Hohen Hause tief beeindruckt, und ich wage gar nicht zu glauben, daß Sie nur aufgrund dieser ersten Lesungen jetzt hier im Hohen Hause anwesend sind. Ich denke fast, Ihre Anwesenheit wird auch dem Zwecke dienen, das von der Regierung doch zumindest vorverhandelte, aber den Ministerrat noch nicht passiert habende Karenzzeitregelungspaket zum Anlaß zu nehmen ... (Abg. Dr. Khol: Nein!) – Nein! Dann freue ich mich einfach, daß Frauenfragen so großes Interesse beigemessen wird. (Abg. Dr. Khol: Gut!)

Frau Kollegin Bures, es stimmt – jetzt ist sie mir sozusagen abhanden gekommen –: Das Frauen-Volksbegehren war wohl eines der ganz erfolgreichen Volksbegehren in der Geschichte Österreichs – allerdings nur, was die Zahl der Unterzeichner und Unterzeichnerinnen, nicht aber, was den Erfolg und das Ergebnis dieses Volksbegehrens anlangt. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger.)

Ich erlaube mir schon, noch einmal darauf hinzuweisen, daß außer dieser sehr, sehr schmeichelweichen – und daher wirkungslosen – Formulierung, daß außer diesem Bekenntnis in der Bundesverfassung, Artikel 7, kein einziges Ergebnis, keine einzige Forderung des Frauen-Volksbegehrens umgesetzt werden konnte.

Die Ausführungen von Frau Kollegin Rauch-Kallat zum Beispiel haben gezeigt, daß es innerhalb dieser Koalition sehr unterschiedliche Positionen in Frauenfragen, in Familienfragen gibt (Abg. Dr. Khol: Gott sei Dank!), daß sich da eine – ich möchte es fast so nennen – ideologische Kluft auftut. Ich habe daher große Sorge in bezug auf Frauenfragen, wenn diese große Koalition in dieser Form weiterbestehen sollte.

Herr Kollege Khol, Sie brauchen sich da gar nicht lustig zu machen! Ich weiß schon, daß Ihre Frau den Beruf aufgibt, wenn sie Enkelkinder pflegt, und ich weiß auch, daß Ihr "großer" Anteil im Sinne von partnerschaftlicher Teilung der Hausarbeit das gemeinsame Frühstück mit Ihren Kindern ist. Aber Liberale haben eben eine andere Vorstellung von partnerschaftlicher Teilung. (Abg. Dr. Khol: Schon lange nicht mehr!) – Ach, Sie frühstücken nicht einmal mehr mit ihnen? Lieber Herr Khol, dann sollten Sie sich weitergehende Gedanken machen! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Sind schon groß geworden! Sind schon ausgezogen!) – Kein Wunder, wenn Sie nur mit ihnen frühstücken.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was jetzt die erste Lesung dieser Anträge anlangt, macht sich bei mir schon, ehrlich gesagt, Verwunderung breit, und zwar aus mehreren Gründen: nicht wegen der Inhalte, denn in verschiedenen inhaltlichen Bereichen gibt es durchaus bei dem einen oder anderen Punkt von liberaler Seite her Zustimmung. Wir haben ja auch die Inhalte dieser Anträge des langen und breiten stundenlang – genauer gesagt: 35 Stunden lang – im Unterausschuß des Gleichbehandlungsausschusses diskutiert.

Es lagen im Rahmen des Frauen-Volksbegehrens von den Grünen, von den Liberalen einige Anträge vor, die genau der Intention jener Anträge, die Sie heute zur ersten Lesung ins Hohe Haus bringen, entsprochen haben, die aber leider alle – auch mit den Stimmen der SPÖ – abgelehnt wurden.

Ich möchte jetzt ausdrücklich in Richtung der Frauen und des einen Herrn der SPÖ sagen, daß sich bei mir ... (Rufe bei der SPÖ: Drei sind es jetzt!) – Drei Herren von der SPÖ sind jetzt da! Ich möchte also ausdrücklich sagen, daß mich diese Vorgangsweise natürlich schon etwas nachdenklich stimmt, daß ich da schon ein Problem sehe in bezug auf Ihre Glaubwürdigkeit, wenn es um die Durchsetzung von Positionen im Zusammenhang mit der Frauenpolitik seitens der SPÖ geht.

Zur Behaltefrist von 26 Wochen. – Im Rahmen der Behandlung des Frauen-Volksbegehrens lag ein diesbezüglicher Antrag der Grünen vor; dieser wurde abgelehnt. Zwei Jahre Karenzzeit für Alleinerzieherinnen: Dazu gab es einen Antrag der Opposition zum Frauen-Volksbegehren im Gleichbehandlungsausschuß; dieser wurde aber seitens der SPÖ abgelehnt.

Karenzzeitflexibilisierungen, Teilzeitarbeit. – Auch dazu gab es einen Antrag der Liberalen im Gleichbehandlungsausschuß, gleichfalls im Rahmen der Behandlung des Frauen-Volksbegehrens. – Das wurde bitte mit den Stimmen der SPÖ abgelehnt.

Jetzt aber bringen Sie – ich würde einmal sagen: in Vorwahlzeiten, also ganz "zufällig" –, ein Jahr nach dem Einreichtermin, diese fünf Anträge hier ins Hohe Haus! Und rein "zufällig" bringt diese Regierung noch die eine oder andere kleine Verbesserung im Zusammenhang mit Flexibilisierungen im Bereich der Karenzzeit zusammen. – Das riecht für mich nicht gerade angenehm, eben ein bißchen nach wahltaktischen Spielchen.

Erste Lesungen hier zu inszenieren, ist ja ausgesprochen ungefährlich für Sie. Da kann ja nichts passieren, da braucht man ja nicht abzustimmen, wie etwa im Gleichbehandlungsausschuß, sondern da braucht man sich an und für sich nur hierherzustellen und zu sagen: Seht her, das alles wollen wir für die Frauen!

Da kommt dann in mir schon wieder die Erinnerung – ich sage das ausdrücklich in Richtung SPÖ; die Position der ÖVP in Frauenfragen kenne ich ohnedies – an Ihren Slogan hoch: Wir werden nicht zulassen, daß ... – Damals war die Situation auch in etwa wie heute. Gefolgt ist ein Sparpaket, das einseitig war und die Frauen benachteiligt hat.

Darin sehe ich schon ein Problem, und da frage ich mich: Wie ernst können eigentlich die Frauen die SPÖ in diesen Fragen nehmen? Ich nenne in diesem Zusammenhang gerne noch ein paar Beispiele, Beispiele, die sogar tiefergehen.

Für den Antrag betreffend Zuschuß zum Karenzgeld für jene Frauen, die den Kindesvater nicht angeben können oder wollen, haben die Grünen bei der vorletzten Plenarsitzung neuerlich hier im Hohen Hause zumindest eine Fristsetzung erreichen wollen. Ihr Antrag liegt ja schon viel länger hier als dieser. Sie haben diese Fristsetzung abgelehnt, bringen aber rund drei Monate später einen wortidentischen Antrag hier ein und stellen diesen in erster Lesung zur Diskussion. (Abg. Mag. Peter: Warum machen die das? Welches Verhältnis hat die Regierung zur Opposition? Ein schlechtes!) – Das ist aber nicht das einzige Beispiel, sondern da gibt es einige mehr.

Zu einzelnen Punkten, die vom Ansatz her in diesem Regierungsübereinkommen, eben im Zusammenhang mit Karenzzeit, umgesetzt werden sollen. Lösungskompetenz hat die Regierung in dieser Sache ja nicht gerade bewiesen, und wirklich innovativ ist das auch nicht; dafür ist übrigens die Karenzzeit ein viel zu komplexes Problem. Die Behandlung unseres Antrages, den wir zu diesem Thema im Gleichbehandlungsausschuß eingebracht haben, der dann nach einigen Monaten – wie immer, wenn es um einen Antrag der Opposition geht – zur Diskussion gestellt wurde, der auch einzelne dieser Punkte, die Sie heute hier in erster Lesung zur Diskussion stellen, beinhaltet hat, ist im Ausschuß vertagt worden.

Da frage ich mich schon, was das soll! Das muß ich jetzt schon einmal ganz deutlich sagen. Ich glaube, es ist gar nicht mehr notwendig, über die Inhalte dieser Anträge zu diskutieren, denn das wurde anhand von Oppositionsanträgen im Ausschuß, und zwar in allen Facetten, schon getan. In Wirklichkeit liegen all diese Positionen sozusagen bereits auf dem Tisch. (Abg. Mag. Peter: Die glauben, das ist ein Lern- und Sickerprozeß!)

Was hingegen für mich wirklich zur Diskussion steht, ist die "Glaubwürdigkeit", die "Ernsthaftigkeit" und vor allem auch die "Durchsetzungsfähigkeit", mit der die SPÖ Frauenpolitik betreibt. Ich meine, Sie werden dabei auch daran zu messen sein, ob diese Anträge noch in dieser Legislaturperiode im Ausschuß sein werden und ob diese Anträge – all jene Anträge, die heute hier in erster Lesung stehen – noch in dieser Legislaturperiode hier im Hohen Hause zur Abstimmung gebracht werden. Daran wird unter anderem die Frauenpolitik der SPÖ zu messen sein.

Ich warte auf diesen Moment – und wenn das wieder so ein wahltaktisches Spielchen war, dann ist mein Vertrauen in die SPÖ-Frauenpolitik leider wieder um ein weiteres Stück kleiner geworden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

18.30

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Ministerinnen! Hohes Haus! Ich bin sehr für erste Lesungen. Es können gar nicht genug erste Lesungen sein. Im nächsten Tagesordnungspunkt steht wieder eine erste Lesung, nämlich zum Arbeiterkammergesetz zur Debatte. Das ist nicht die erste erste Lesung dazu, sondern auch schon die dritte oder vierte erste Lesung.

Kollege Feurstein ist bereits leidgeplagt wegen meiner ersten Lesungen, Fristsetzungsdebatten über einen Antrag ... (Abg. Dr. Khol: Überhaupt nicht!) Überhaupt nicht, sagt Kollege Khol! Nein, es hat Ihnen Spaß gemacht, das abzulehnen. Ist es so, Herr Kollege Khol? (Abg. Dr. Khol: Er diskutiert gerne!) Hat es Ihnen Spaß gemacht, mit den fadenscheinigsten Argumenten diesen Antrag, das Karenzgeld auch jenen Frauen auszubezahlen, die den Namen des Kindesvaters nicht nennen können oder wollen, über Jahre abzulehnen? (Abg. Dr. Khol: Bei einer ersten Lesung gibt es ja keine Ablehnung!) War das wirklich ein Spaß für die betroffenen Frauen? Es kamen die fadenscheinigsten Argumente von Ihrer Seite! (Zwischenruf des Abg. Jung.)

Ich möchte aber schon einmal feststellen, daß nicht genug erste Lesungen stattfinden können. Steter Tropfen höhlt den Stein! Darauf kann man vertrauen, und das wäre sozusagen ein Motiv, Kollegin Hlavac, ein Grund, der für mich erklären könnte, warum es heute – ausgerechnet heute! – zu dieser ersten Lesung kommt. (Abg. Schaffenrath: Rein "zufällig"!) Dieses Motiv reicht aber nicht aus! Wenn man so dünne Bretter bohrt, daß man durch sie schon durchsehen kann – und das ist bei diesem Punkt der Fall –, dann ist mir das zu dünn. Die Absicht ist erkennbar, und deswegen bin ich etwas verstimmt.

Kollegin Schaffenrath hat schon darauf hingewiesen: Warum ist in der Vergangenheit, als unsere entsprechenden Anträge im Gleichbehandlungsausschuß, im Sozialausschuß oder hier im Plenum zur Debatte gestanden sind, nicht ein deutliches Zeichen von Ihrer Seite gekommen, daß Sie damit zumindest übereinstimmen? Statt dessen wurde nach allen nur möglichen Ausflüchten gesucht. Ich erinnere mich daran, wie das bei der Debatte über den Antrag 753/A – ich wiederhole: für Personen, die den Namen des Kindesvaters nicht nennen können oder wollen – war!

Und ich kann mir gut vorstellen, daß Kollegin Silhavy heute wieder einen Grund dafür finden wird, warum sie unserem Antrag nicht zustimmen konnte, weil darin eben zwei Beistriche falsch gesetzt sind oder etwas anderes. Sie hat beim letzten Mal gesagt, Kollege Öllinger habe es verabsäumt, diesen Antrag damals ausführlich zu begründen. Hätte sie diese Begründung von mir im Plenum gehört, dann wäre sie – so vermute ich einmal – selbstverständlich meinem Antrag gefolgt. (Abg. Silhavy: Ich habe gesagt, Sie haben nicht einmal dazu gesprochen, zu Ihrem eigenen Antrag!)

Das Problem ist nur, Kollegin Silhavy beziehungsweise alle anderen Kolleginnen und Kollegen, daß wir diese Fragen – nicht nur den Antrag 753/A, aber den ganz besonders – wirklich intensiv diskutiert haben, und zwar in beiden Ausschüssen. Und immer wurde dasselbe gesagt: Jetzt geht es nicht, aber das nächste Mal, wir müssen da noch etwas warten. Es wäre falsch, dem Sozialausschuß jetzt eine Frist zu setzen und ihn nur wegen dieses einen Punktes vorzeitig einzuberufen. Das geht doch nicht, das werdet ihr doch verstehen, aber dann sind wir wieder dabei!

Oder etwa Kollege Guggenberger. Er hat im Sozialausschuß versprochen: Wir Sozialdemokraten stehen dafür, daß – und Kollege Öllinger, das kannst du mir glauben – dieser Antrag spätestens bis zum Herbst – das war nur der Herbst 1998 und nicht der Herbst 1999 – beschlossen wird. Wir haben das alles gehört und waren versucht, dem zu glauben, genauso wie ich versucht bin, zu glauben, daß es doch einen Sinn hat, diese Anträge zu diskutieren. Aber wenn man das nicht ernsthaft will – und es hätte bereits genügend Gelegenheiten dazu gegeben –, dann frägt man sich: Wozu diese Anträge?

Selbstverständlich gibt es unter diesen Anträgen auch welche, die für uns durchaus akzeptabel sind: Recht auf Teilzeitarbeit, Rückkehr zur Normalarbeitszeit – selbstverständlich! Zwei Jahre Karenz für AlleinerzieherInnen – ebenfalls selbstverständlich!

Aber bezüglich des zweiten Punktes liest sich dieser Antrag schon etwas anders als im Frauen-Volksbegehren gefordert. Denn im Frauen-Volksbegehren steht nichts davon, daß die Männer den doppelt erhöhten Beitrag zurückzahlen sollen. Das ist eine Politik, die ich ablehne. Es wird ganz bewußt versucht, den Keil noch etwas tiefer zu treiben und die Männer gegen die Frauen auszuspielen beziehungsweise die Kosten für die zwei Jahre Karenzzeit zu privatisieren. Dadurch kann man sich jedoch an dieses Rednerpult stellen und sagen: Wir gestatten wieder zwei Jahre Karenzzeit, aber die Kosten – oder zumindest einen Teil der Kosten, die erhöhten Kosten – sollen die Männer bezahlen. So steht es im Antrag 752/A! Die Höhe des Karenzgeldes soll in diesem Fall um den Zuschuß vermindert und der vom anderen Elternteil – also von den Männern – zurückzuzahlende Zuschuß verdoppelt werden.

Wir haben Ihnen schon damals, als diese Zuschußverpflichtung durch das Sparpaket eingeführt wurde, erklärt, auf wessen Kosten diese Zuschußverpflichtung für die Männer gehen wird, nämlich auf Kosten der Frauen, auf Kosten der alleinerziehenden Frau, die zunächst glaubt, sie kann das beanspruchen. Sie wird das aber nicht tun, und zwar entweder deshalb, weil sie sich dem Streit mit dem "Partner" oder dem tatsächlichen Partner nicht aussetzen will, oder weil der Streit dann über die Kosten oder über die Unterhaltszahlungen ausgetragen wird.

Wir haben versucht, Ihnen an Beispielen durchzurechnen, was das heißt, was es für den männlichen Partner bedeutet, wenn er etwa 20 000 S brutto verdient, jenem Kind gegenüber, dessentwegen die Frau die Karenz beansprucht, Unterhaltsverpflichtungen hat und nun neben dieser Unterhaltsverpflichtung von seinen 20 000 S brutto auch noch den geforderten Betrag zurückzahlen soll. In Ihrem Modell für das zweite Halbjahr des zweiten Jahres – das ist so kompliziert – wäre das der doppelte Betrag. Wie stellen Sie sich das vor? Wie stellen Sie sich das vor, daß jemand, der im Monat 20 000 S brutto verdient – und ich brauche Ihnen nicht zu übersetzen, wieviel das netto ist – das zurückzahlen kann?

Und da hilft ihm die Untergrenze, unter der diese Rückzahlung nicht mehr stattfindet, nichts, er bezahlt! Aber wovon soll er leben? Und das weiß auch die Frau, die mit ihm eine Beziehung über das Kind oder vielleicht auch so eine Beziehung hat. Das heißt, sie wird, weil sie die Probleme des Mannes einsieht, entweder auf das zweite Halbjahr oder auf die Alimente, die ihr rechtlich vom Mann zustehen, verzichten und sagen: Ich sehe ein, daß du jetzt weniger bezahlen kannst, denn du mußt zurückbezahlen. – Das ist die Konsequenz!

Und das bedeutet eine Privatisierung der Sozialpolitik, die Sie dann noch als Erfolg verkaufen und versuchen, mit dem Frauen-Volksbegehren als Begründung und Hintergrund voranzutreiben. Das ist nicht gut! Und es hat überhaupt nichts mit den Intentionen des Frauen-Volksbegehrens zu tun. Denn klar war und ist, daß es im Frauen-Volksbegehren darum gegangen ist, die Verschlechterungen, die durch die Sparpakete erfolgt sind, wieder rückgängig zu machen. Es war zwar nicht der einzige Inhalt des Frauen-Volksbegehrens, aber ein Teil, ein Bestandteil des Frauen-Volksbegehrens, daß das versucht wurde.

Sie sagen nun: Wir erfüllen diese Forderungen, aber bezahlen müßt ihr das selber! – Ist das wirklich jene Reformpolitik, die den Sozialdemokraten vorschwebt: Bezahlen müßt ihr es selbst!? – Vielleicht nicht die Frauen, aber zumindest die Männer. Und ich habe schon erklärt, daß es, wenn es die Männer bezahlen sollen, an den Frauen hängenbleibt. Es kann doch wohl nicht sein, daß das auch noch als Fortschritt und als Umsetzung der Forderungen des Frauen-Volksbegehrens verkauft wird!

Mit diesem Antrag 752/A hätte ich also große Probleme. Das kann es doch nicht gewesen sein! (Abg. Dr. Feurstein: Das wollten Sie doch auch einmal!) 753/A, Herr Kollege Feurstein, können wir, hoffe ich, abhaken. 753/A können wir hoffentlich abhaken, auch wenn Sie gegen diesen in der Vergangenheit Argumente vorgebracht haben, die ich lieber nicht wiedergeben möchte, denn dann müßten sich zumindest die ÖVP-Frauen noch einmal dafür genieren, was da an Debattenbeiträgen von seiten der ÖVP gekommen ist! (Abg. Tichy-Schreder: Für Kollegen Dr. Feurstein werden wir uns nicht genieren!)

Ich komme jetzt zum Antrag 755/A. In diesem Antrag wird die Ausdehnung der Behaltefrist auf 26 Wochen gefordert. Auch wir haben einen solchen Antrag gestellt. Ich sage Ihnen aber klar und deutlich: Das ist trotzdem nur reaktive Politik, denn der Hintergrund war und ist immer noch, daß Sie die Anspruchsvoraussetzungen, unter denen Frauen Karenzgeld erwerben können, verschärft haben und diese Verlängerung der Behaltefrist deshalb argumentativ notwendig geworden ist, damit die Frauen neuerlich einen Anspruch erwerben können.

Das heißt, daß Sie nicht korrigieren wollen, was Sie im Sparpaket I an Verschlechterungen für Frauen festgelegt haben. Durch das Sparpaket I haben Sie, obwohl damals reihum von den Liberalen und von den Grünen, ich glaube auch von den Freiheitlichen, argumentiert wurde und obwohl es Ihnen selbst klar war, daß das bei den Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld und für Karenzgeld auf Kosten der Frauen geht, diese Verschlechterungen eingeführt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, daß wir, soll es nicht noch schlechter werden für die Frauen, die Behaltefrist ausdehnen müssen, damit sie einen neuen Anspruch erwerben können. Das ist ein reaktiver Antrag! Richtig wäre es, die Zugangsvoraussetzungen zum Karenzgeld anders zu gestalten und wieder auf den alten Stand zurückzuführen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Frau Kollegin Silhavy! Die ganze Debatte um das "Karenzgeld für alle" könnten Sie sich ersparen (Abg. Silhavy: Wir schon, aber die ÖVP nicht!), wenn Sie in den vergangenen Jahren wirklich als Verteidigerin des Karenzgeldes aufgetreten wären. Aber das alles ist Ihnen, Ihrer Politik zuzuschreiben, weil Sie in diesen letzten Jahren nichts im Interesse der Frauen unternommen haben, um beim Karenzgeld einen bestimmten Status für die Frauen zu erhalten. Sie haben zugeschaut! Sie haben aber nicht nur zugeschaut, sondern Sie haben das auch noch unterstützt. Und das ist das Problem!

Jetzt kommen wir zu einem Punkt, den ich wirklich nicht so im Raum stehen lassen will, nämlich die angeblich so vielen Verbesserungen für Frauen, die es in den letzten Jahren gegeben hat. Ich gebe zwar zu, daß es in einigen Bereichen kleine Schritte gegeben hat, aber erst vor wenigen Wochen mußten wir in der Diskussion über den Sozialbericht feststellen, daß sich in den essentiellen Bereichen, wie – Punkt 1 – bei den Einkommensdifferenzen zwischen Männern und Frauen oder – Punkt 2 – bei den Mindestlöhnen für die Frauen – das betrifft natürlich auch die Männer – nichts geändert hat! Damals wurde auch – Punkt 3 – über die wirklich schandhaft niedrige Notstandshilfe für die Frauen diskutiert. Die durchschnittliche Notstandshilfe für Frauen liegt zwischen 5 000 und 6 000 S, und dazu gibt es sonst kein Geld. Davon soll man leben können? Das letzte Mal habe ich immerhin noch den Eindruck gehabt, daß es angesichts dieser Summe bei einigen noch etwas Betretenheit gegeben hat. Und heute werden die "großen Erfolge" in der Frauenpolitik verkauft?

Kollegin Silhavy! Ich wiederhole: Sparpakete I und II – keine Verbesserungen für die Frauen. Neu eingeführt wurden dank der Politik der Regierungsparteien Verfügbarkeitsbestimmungen, die es den Frauen von den gesetzlichen Rahmenbedingungen her schwieriger machen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Dagegen nützt auch der Durchführungserlaß der Frau Bundesministerin Hostasch nichts, weil er eigentlich nicht gesetzeskonform ist. Weiters gibt es das Kriterium der Arbeitswilligkeit, durch das es Frauen – durch höchstgerichtliche Urteile, aber auch durch die Politik dieses Hohen Hauses – erschwert wurde, wieder an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.

Und auch die Kinderbetreuungsbeihilfen wurden vom AMS von drei Jahren auf ein Jahr bei Wiedereinstieg gekürzt. Ist das ein Erfolg? Ist das ein Fortschritt? Ist damit für die Frauen etwas besser geworden? In allen Bundesländern gibt es nun eine Debatte um die Streichung der Subventionen, sie ist zwar bisher nur vorgesehen – das gebe ich schon zu –, aber für die Kinderbetreuungseinrichtungen im Rahmen dieser Kinderbetreuungsbeihilfe durch das AMS trotzdem sehr problematisch! Dort wird gestrichen, und die Länder sind derzeit nicht erkennbar bereit, diese Subventionen zu übernehmen. (Abg. Steibl: Das muß man sich einmal genau anschauen!)

Im Rahmen der Sparpakete wurden auch Benachteiligungen und Bestrafungsaktionen für Alleinerziehende eingeführt, die – zugegeben – von der ÖVP initiiert worden sind. Diese sind durch das, was Sie nun vorschlagen, nur teilweise wieder aufgehoben. (Abg. Steibl: Sie wollten ja auch, daß die Väter in Karenz gehen!) Wir haben also eine Verschlechterung bei der Karenz und, wie ich schon erwähnt habe, bei den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Karenz. Wo ist nun der Erfolg, Kollegin Silhavy? Wo ist der Erfolg? Machen Sie eine Bilanz und sagen Sie, wo es in der Umsetzung der Forderungen des Frauen-Volksbegehrens einen Erfolg gegeben hat! Soll ich Ihnen diese Forderungen vorlesen?

Sie reden von Etappe 1 und Etappe 2, und davon, daß wir der Umsetzung des Frauen-Volksbegehrens schon sehr nahe seien. Soll ich Ihnen wirklich die elf Forderungen des Frauen-Volksbegehrens vorlesen und aufzeigen, welche davon nicht erfüllt worden sind? (Abg. Silhavy: Sie werden es nicht glauben, aber ich kenne sie!) Soll ich es Ihnen vorlesen? Sie lauten:

Unternehmen erhalten nur dann öffentliche Aufträge, wenn entsprechende Gleichberechtigungsbestimmungen für Frauen auf allen hierarchischen Ebenen verankert sind. Ein Mindestlohn von 15 000 S brutto ist die zweite Forderung, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung sozial- und arbeitsrechtlich der vollen Erwerbstätigkeit gleichzustellen, ist die dritte. – Das alles ist nicht erfüllt! Wir wissen, daß das nicht erfüllt ist.

4. "Keine Anrechnung des PartnerIneinkommens bei Notstandshilfe und Ausgleichszulage." – Dazu werde ich gleich noch eine Anmerkung machen.

5. "Die Gleichstellung der Frauen muß auch durch staatliche Bildungsmaßnahmen gefördert werden." – Erfüllt? Nicht erfüllt? Da könnte man immerhin noch sagen, daß ein bißchen etwas getan wurde, das gebe ich zu.

6. "Jeder Mensch hat das Recht, Beruf und Kinder zu vereinbaren." – Da hilft auch der Hinweis auf die Millionen noch nichts. Es ist nicht möglich, da es die in weiterer Folge geforderten ganztägigen Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen nicht gibt. Die gibt es nicht! (Abg. Bures: Das liegt aber nicht an uns!) Ganztägige Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen ist eine Forderung des Frauen-Volksbegehrens! Sie sind vorhin an dieses Rednerpult getreten, Kollegin Bures, und haben gesagt, daß das umgesetzt worden sei. (Abg. Bures: Nein!) Das ist nicht umgesetzt worden! (Abg. Bures: Nein!) Gut, dann sind wir uns darin einig! (Abg. Bures: Aber in Wien gibt es das!)

7. "Zwei Jahre Karenzgeld für alle AlleinerzieherInnen." – Umgesetzt? Ja oder nein? Es wäre leider nur in jener Variante umgesetzt, die Kollegin Hlavac vorschlägt, nämlich daß sich die Leute das selber zahlen sollen. Es ist ein "toller" sozialpolitischer Erfolg, wenn man sich das selbst zahlen muß oder zumindest die Frau gegen den Mann ausgespielt wird! Hut ab vor Ihren "Fortschritten" in der Sozialpolitik!

8. "Gesetzlich garantierter Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihres Kindes." – Darin stimmen wir überein, wir wären sehr dafür. Nur, Ihr Vorschlag zur Umsetzung dieser Forderung kommt etwas spät, vor allem, wenn man bedenkt, daß Sie vorher alles Derartige niedergestimmt haben.

9. "Die Ausdehnung der Behaltefrist" mit jener Einschränkung, die ich bereits gemacht habe, weil ich gerne bei den vorgelagerten Rahmenbedingungen etwas verändern würde. – Trotzdem: Das ist auch nicht umgesetzt!

10. "Recht auf eine Grundpension." – Das ist noch lange nicht umgesetzt!

11. "Keine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen, bevor nicht die tatsächliche Gleichberechtigung in allen Bereichen gegeben ist." – Davon habe ich überhaupt noch nichts gehört!

Ich meine auch nicht, daß jede Bestimmung des Frauen-Volksbegehrens auf Punkt und Komma sofort umgesetzt werden muß. Aber, so wie Sie es gemacht haben, von einer ersten Etappe und einer zweiten Etappe zu reden, die uns dem Ziel angeblich schon ein ganzes Stück näherbringen, ist etwas zu dick aufgetragen, Frau Kollegin Bures! Das ist zu dick aufgetragen! (Abg. Bures: Nur Miesmacherei wird auch Sie nicht weiterbringen!)

Ich greife noch einen Punkt aus dem Sparpaket heraus, weil dieser im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Debatte und den ersten Lesungen zu sehen ist. Es geht um Notstandshilfe und Unterhalt. Im Sparpaket I wurde, wie sich herausgestellt hat, ein strengerer Einkommensbegriff verankert, und zwar mit der Absicht, noch mehr Frauen aus dem Kreis der Notstandshilfebezieher herauszubekommen. Man ist dann draufgekommen, daß zwar die Absicht und auch die Durchführung durchaus gegeben war, aber auf einen Punkt vergessen wurde, nämlich die Sache mit dem Unterhalt. Damit war nun aber diese eben eingeführte Bestimmung eine, die es den Frauen eigentlich leichter gemacht hätte.

Was hat man getan? – Vier Jahre lang wurde diese Bestimmung konsequent nicht administriert! Diese Bestimmung gibt es nicht, obwohl sie im Gesetz steht, obwohl jene Frauen, die für sich Unterhalt von ihrem Ex-Mann beziehen, die Notstandshilfe – ungeschmälert! – erhalten müßten. Diese Bestimmung wird nicht administriert, man nimmt sie nicht zur Kenntnis. Man wollte sie ja auch nicht! Das geht vier Jahre lang. Nach vier Jahren urteilt der Verwaltungsgerichtshof, daß das eigentlich schon seit dem Jahre 1995 der Fall hätte sein sollen. Im Verwaltungsgerichtshof weiß man ja nicht, daß sich in Österreich eine Behörde wie das AMS konsequent nicht an das Gesetz hält, weil dieses in diesem Fall unbeabsichtigt eine Verbesserung für die Frauen beinhaltet hätte. Daher macht man es nicht!

Es stellt sich also heraus, das wäre eine Bestimmung, die die Situation dieser Frauen verbessern helfen würde.

Und damit bin ich schon bei einem Punkt, nämlich bei dieser großartigen "Feier" des Ministerrates. Wie man hört, wäre ja in diesem Ministerrat auch geplant gewesen, diese Bestimmung, die vor fünf Jahren unbeabsichtigt eingefügt worden ist – unbeabsichtigt bitte! –, wieder rückgängig zu machen, damit die Frauen diese Möglichkeiten eben nicht haben. Wenn man das hört, bekommt man nicht nur Zweifel in bezug auf Ihr Vorhaben, sondern man zweifelt auch etwas am Rechtsstaat Österreich, der in diesem Fall offensichtlich sehr konsequent versucht, nämlich über die Politik der Regierungsparteien, die Frauen nicht nur an der Wahrung ihrer Rechte, sondern auch an ihrem Zugang zu Geld, das ihnen zusteht, zu hindern. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Letzteres, meine Damen und Herren, ist Gott sei Dank aber nicht geschehen; dagegen gab es offensichtlich doch Einwände, denn das wäre jedenfalls eine Riesensauerei gewesen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rauch-Kallat: Schön sprechen!)

18.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Frau Bundesministerin Gehrer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minister.

18.51

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es wundert mich, wenn von Abgeordneten hier vom Rednerpult aus gesagt wird, daß diese Diskussion nicht zielführend sei. – Ich meine, daß Diskussionen über Familienpolitik, Diskussionen über Frauenpolitik von äußerster Notwendigkeit sind, denn Familien- und Frauenpolitik sind ganz wichtige Teile unserer Gesellschaft und unserer Gesellschaftspolitik.

Ich freue mich auch darüber, heute hier den erfolgreichen Familienminister Dr. Bartenstein vertreten zu können. Es wurde bereits im Beitrag von Frau Abgeordneter Hlavac erwähnt, daß Minister Bartenstein gesagt: Frauen sollen Beruf und Familie vereinbaren können! – Das ist vollkommen richtig, und ich glaube, da sind wir auf einer gemeinsamen Linie. Ich füge noch hinzu: Frauen und Männer sollen aber auch eine echte Wahlmöglichkeit haben; und die hiefür notwendigen Rahmenbedingungen müssen wir schaffen. Und ich meine auch, daß wir gemeinsam bereits etliche Verbesserungen erzielen konnten.

In diesem Zusammenhang erinnere ich beispielsweise an die verbesserte Anrechnung der Betreuungszeiten auf die Pension, ich erinnere weiters an die sogenannte Kindergartenmilliarde, wobei man natürlich sagen kann, das sei zuwenig, aber man darf nicht außer acht lassen, daß da einige Akzente gesetzt wurden: verlängerte Öffnungszeiten, Tagesbetreuung und so weiter.

Die Frage des Karenzgeldes, die heute so heftig diskutiert wird, ist wohl als ganz wichtig zu bezeichnen, und wir müssen eben, wie bereits gesagt, die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, damit Familie auch möglich ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters müssen wir Rahmenbedingungen schaffen zur besseren Lebensqualität für Familien, denn diese sind unverzichtbar für unsere Gesellschaft. Verantwortliche Familienpolitik muß auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren, und ich meine, daß wir gerade auch in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren auf einige Erfolge hinweisen können.

In diesem Zusammenhang möchte ich etwa die Familiensteuerreform erwähnen, immerhin 6 000 S mehr pro Jahr und Kind, weiters die Vereinbarungen der Koalition in Bad Aussee. Ebenso hervorzuheben ist, daß 30 Millionen Schilling für Elternbildung und 40 Millionen Schilling für Familienberatungsstellen zur Verfügung gestellt werden. Gleichfalls erwähnen möchte ich den Härteausgleich, der erhöht wird, und ganz nachdrücklich möchte ich auch auf das Karenzzeitkonto hinweisen. Wir haben das damals gemeinsam vereinbart, und es ist das, wie ich jetzt Zeitungsberichten entnehmen konnte, paktiert worden und wird dem Ministerrat übermittelt werden. Diese Flexibilisierung in bezug auf Karenzzeit wird zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und zwar für Männer und Frauen führen.

Zu betonen, daß das für Frauen und Männer gilt, halte ich für wichtig, und ich glaube, man sollte sich – das ist jedenfalls ein ganz ernstes Anliegen von mir – von keiner Seite über Partnerschaft auch nur irgendwie lustig machen. Meiner Ansicht nach sollten Männer und Frauen ihr Partnerschaftsmodell gemeinsam und frei bestimmen können; wir sollten ihnen nicht dauernd Rollen vorschreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Daß wir das Thema Karenzzeit in den Bereich Partnerschaft miteinbeziehen, daß wir Partnerschaft von den Männern einfordern, sollte schon als Signal verstanden werden, und zwar als Signal, daß wir Partnerschaft verwirklicht sehen wollen.

Zum Punkt Flexibilisierung der Karenzzeit gehört auch die Forderung nach einer familienfreundlichen Arbeitswelt, und es geht auch darum, daß Männer auch dann Anspruch darauf haben, wenn deren Frauen nicht anspruchsberechtigt sind. Ich meine, das kann auch als großer Fortschritt bezeichnet werden, und das ist eben etwas, was wir gemeinsam vereinbart haben. Es geht weiters auch darum, daß die drei Monate Karenzzeit bis zum Schuleintritt des Kindes aufgeschoben werden können.

Natürlich gibt es für uns – und es ist wichtig, das zu betonen – noch weitere Fragen zu lösen. So erinnere ich beispielsweise – auch wenn das manche hier herinnen vielleicht nicht gerne hören – an das Karenzgeld für alle. Ich verstehe einfach nicht, was daran schlecht sein soll, wenn alle Frauen, die ein Kind bekommen, beziehungsweise eben deren Männer – wenn diese für die Familie etwas zu tun bereit sind – Karenzgeld bekommen. Gerade junge Familien, Frauen, die ein zweites Kind bekommen, die nicht mehr die Chance hatten, dazwischen berufstätig zu sein, sind oft bitter notwendig auf Karenzgeld angewiesen. Daher nochmals: Karenzgeld für alle. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, wir müssen weiter dafür arbeiten, natürlich auch in der Argumentation, daß es zu einer Ausweitung des Karenzgeldanspruches auf alle Mütter und Väter, damit es zu einer Anhebung der Teilzeitbeihilfe für Selbständige und Bäuerinnen kommt. So wird dann das Karenzgeld in eine Familienleistung umgewandelt (Abg. Silhavy: Eben! Und genau das ist es nicht!), was einen nicht unwesentlichen Beitrag zu besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet.

Ich meine also: Karenzgeld für alle ist gerecht, weil jeder Vater, weil jede Mutter und jedes Kind gleich viel wert ist. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist auch aus den Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds finanzierbar; damit werden die Arbeitskosten entlastet, und es wird das letztendlich auch weniger Bürokratie bedeuten.

Meine Damen und Herren! Das Karenzgeld für alle ist ein wichtiger Schritt für unsere Familien. (Abg. Mag. Wurm: Ein Schritt zurück!) Ich bin jedenfalls neugierig darauf, wann der Herr Bundeskanzler, der ja im Februar 1999 versprochen hat, ein Modell betreffend Karenzgeld "für alle, die es brauchen", vorzulegen, dies tatsächlich tun wird. – Ich bin überzeugt davon, daß Karenzgeld alle Väter, alle Mütter und alle Kinder brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sophie Bauer. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.57

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Werte Bundesministerinnen! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte zum Antrag 755/A, der eine Abänderung des Mutterschutzgesetzes vorsieht, nämlich die Behaltefrist nach der Karenz von vier auf 26 Wochen zu erhöhen, Stellung nehmen.

Aus meiner betrieblichen Erfahrung heraus möchte ich hier festhalten, daß die jetzige Regelung mit der vierwöchigen Behaltefrist nach einer Karenzzeit eine schlechte Lösung für die Frauen darstellt, und ich werde begründen, warum das so ist.

Der Arbeitgeber argumentiert damit, daß eine Frau nicht mehr so eingearbeitet wäre wie vorher, da sich in eineinhalb Jahren fast jeder Arbeitsplatz verändere – egal, ob maschinell oder vom Produkt her. (Abg. Gaugg: Überhaupt der am Fließband, der ändert sich rapide!) Ein weiteres Argument der Dienstgeber ist, die Frau werde vermehrt zu Hause sein, weil ja das Kind krank sein könnte und dann die Mutter zur Betreuung da sein müsse. – Es gäbe selbstverständlich noch viele weitere Beispiele dafür, mit welchen Argumenten dagegen aufgetreten wird.

Meine Damen und Herren! Durch die Karenz werden Frauen aber auch vom Arbeitgeber abqualifiziert und nach der vierwöchigen Behaltefrist gekündigt. Sie bekommen in diesen vier Wochen meist Arbeiten zugeteilt, die irgendwer, der noch gar keine Praxis hat, auch verrichten könnte. Bei einer Behaltefrist von 26 Wochen aber hätten die Frauen die Chance, zu beweisen, daß sie in keinster Weise an Qualifikation bei ihrer Tätigkeit am Arbeitsplatz verloren haben, aber auch, daß sie nicht des Kindes wegen ständig der Arbeit fernbleiben müssen.

Die Frauen brauchen ihren Arbeitsplatz, meine Damen und Herren – egal, ob als Alleinerzieherin oder als Mitverdienerin für die Familie. Sie brauchen die Arbeit aber auch, um Versicherungszeiten zu erwerben, um einen Pensionsanspruch zu erreichen.

Es wird immer wieder – das wurde heute schon mehrmals angesprochen, auch in den Medien wird darüber berichtet –, besonders von Frauen, gefordert, daß eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegeben sein muß, da dies einen ganz wichtigen Faktor darstellt.

Dann stört es mich schon, wenn Frau Abgeordnete Haller sagt, daß das ein finanzielles Problem ist. (Abg. Gaugg: Was sonst?) Wenn es aber, wie die Frau Bundesministerin jetzt gesagt hat, Karenzgeld für alle geben soll, dann muß aber in erster Linie ermöglicht werden, daß jene Frauen zum Überleben, aber auch für die Betreuung ihrer Kinder als Alleinerzieherin die Chance haben, am Arbeitsplatz verbleiben zu können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Hätte Ihre Einkommenspolitik nicht versagt, dann hätten wir keine Probleme!)

Geschätzte Damen und Herren! Wir Verantwortliche in der Politik werden daran gemessen, was wir für die Frauen zur Umsetzung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie erreichen, und ich hoffe, daß alle, die davon reden und schreiben, diesen Antrag, der bei den Beratungen von den Sozialdemokraten eingebracht wurde, auch wirklich unterstützen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Gatterer mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. – Bitte.

19.01

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Ministerinnen! Kolleginnen und Kollegen! Anläßlich der Behandlung des Frauen-Volksbegehrens haben wir uns sehr eingehend mit einigen Anträgen, die auch heute wieder vorliegen, befaßt.

Ich möchte gleich am Anfang sagen, daß es Ziel der Frauenpolitik sein muß, den Frauen Hilfen zu geben, anstatt neue Hürden aufzubauen. Und eine neue Hürde wäre für mich die Verlängerung der Behaltefrist auf 26 Wochen nach dem Karenzurlaub. Ich verstehe meine Kolleginnen in diesem Punkt nicht ganz. Denn alle, die im Unterausschuß zum Frauen-Volksbegehren waren, haben dort von Experten gehört, daß die Verlängerung der Behaltefrist für eine Einstellung von Frauen im Grunde eine neue Hürde bedeuten würde. Gerade für Alleinerzieherinnen ist es dringend notwendig, daß sie nach der Karenz wieder in den Beruf einsteigen können.

Ich verstehe, daß Frauen eine sozialrechtliche Absicherung brauchen. Dafür sind, glaube ich, alle Frauenpolitikerinnen zu haben. Nur: Wenn man sagt: Karenz bringt die Frauen aus dem Arbeitsprozeß, dann sage ich: Das stimmt! Wenn sie danach 26 Wochen Behaltefrist hat und dann wieder in die Arbeitslose und in den Notstand geht, frage ich Sie aber: Was haben Sie damit erreicht, daß eine junge Frau, die für ihr Kind sorgen muß und unter Umständen Alleinerzieherin ist, über Jahre mit einer Sozialhilfe, die Sie weiter geben wollen, aus dem Arbeitsmarkt hinauskomplimentiert wird? – Ich glaube, das kann nicht Zielsetzung sein! (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Denn diese Frauen sind nicht chancenlos. Sie sollen eben eine Umschulung machen. Ich glaube, daß es für Frauen nach der Karenz eine Chance ist, wenn sie neue Kenntnisse erwerben können und abgesichert sind. Wir wissen alle, daß diese Umschulungen in 26 Wochen so angelegt sind, daß die Frauen auch ihren Betreuungspflichten nachkommen können. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Wir haben schon über das Phänomen diskutiert, daß Frauen Frauen verdrängen. Viele junge Frauen, die neu anfangen oder wieder einsteigen wollen, haben eine Karenzvertretungschance und damit einen Fuß in der Tür, daß sie wieder ins Berufsleben einsteigen können. So spielen wir Frauen gegen Frauen aus. Das ist nicht die Frauenpolitik, die ich mir vorstelle! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Ich freue mich aber sehr darüber, daß Minister Bartenstein ein großer Wurf gelungen ist. Ihre meisten Anträge betreffen Karenz, Karenzgeld, Karenzzeit und Mutterschutz, und daß es in diesem Bereich der Frauen- und Familienpolitik wirklich ganz große Verbesserungen gibt, freut mich sehr! Und ich freue mich auch darüber – und gönne Kollegen Öllinger durchaus das Lob –, daß jetzt auch jene Frauen bevorschußt werden, die den Vater ihres Kindes nicht nennen. Ich möchte aber auch sagen, daß ich weiß, daß Kollege Feurstein aus tiefstem Herzen die Lösung nicht sofort vertreten konnte, weil er in erster Linie das Recht der Kinder, den Vater zu kennen, gesehen hat. (Abg. Dr. Feurstein: Das ist gegen die Lösung von Minister Bartenstein!) Wir wissen aber auch, daß es diesbezüglich Härtefälle gibt. Ich glaube, man sollte jemandem, wenn er wirklich große Bedenken hat, nicht vorwerfen, daß er aus innerer Überzeugung einer Lösung im Wege steht!

Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, daß es diese Lösung gibt. Ich glaube, daß man sich aber auch überlegen sollte, ob man, wenn der Vater nach einiger Zeit genannt wird, den Regreßanspruch von der Mutter geltend machen sollte oder ob nicht doch, wie in anderen Fällen, auch der Vater zur Verantwortung gezogen und zur Refundierung herangezogen werden sollte.

Ich freue mich sehr, daß es jetzt ein Karenzzeitkonto gibt und es möglich sein wird, daß Mutter und Vater bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes die Karenzzeit partnerschaftlich aufteilen. Ich glaube, das ist ein sehr großer Fortschritt! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ein sehr großer Fortschritt ist auch, daß es eine Karenzzeitregelung für Adoptiv- und Pflegeeltern geben wird. Ich glaube, in diesem Bereich ist nun etwas getan worden, was wir uns schon sehr lange gewünscht haben.

Beim Frauen-Volksbegehren ist auch darauf aufmerksam gemacht worden, daß das Problem besteht, daß Frauen in der Karenzzeit den Kontakt zum Betrieb verlieren. Daher freue ich mich sehr darüber, daß sich Ministerin Hostasch und Minister Bartenstein darauf geeinigt haben, daß Frauen auch während des Karenzurlaubs Rechte haben sollen. Wir haben im Unterausschuß darüber diskutiert, daß Frauen das Recht haben sollen, über wichtige Betriebsgeschehnisse informiert zu werden, zum Beispiel über betriebliche Umstrukturierungen oder wenn es unter Umständen einen Konkurs oder einen Ausgleich geben könnte, aber natürlich auch – und das ist meiner Meinung nach für die Frauen ganz besonders wichtig – über Weiterbildungsmaßnahmen.

Ich möchte nicht verschweigen, daß für die ÖVP trotz dieses sehr gut gelungenen Blocks über die Neuregelungen der Karenz dennoch die Forderung nach "Karenzgeld für alle" bestehen bleibt, weil wirklich nicht einzusehen ist, daß einige wenige Frauen von dieser Regelung ausgeschlossen werden, nämlich vor allem jene Frauen, die diese Unterstützung am notwendigsten hätten. Wir haben hier im Haus schon einige Male darüber gesprochen, was etwa geschehen soll, wenn eine Schülerin schwanger wird und den Mut hat, das Kind auch zu bekommen. Da kann man sie doch nicht stehenlassen oder der totalen finanziellen Abhängigkeit meist vom Vater unterwerfen! Ich glaube, diese Lösung können Sie wirklich nicht vertreten! "Karenzgeld für alle" ist, so wie es Frau Bundesministerin Gehrer gesagt hat, wirklich etwas, was Männer, Frauen, aber vor allem Kinder brauchen. Deswegen ist dieses Karenzgeld für alle etwas, was wir sicherlich weiterhin fordern, verfolgen und hoffentlich auch erreichen werden!

Ich möchte noch zu Frau Ministerin Prammer sagen, daß ich glaube, daß all diese Anträge wichtig sind, daß sie diskutiert werden müssen und daß wir mit dem Karenzpaket von Minister Bartenstein viele Lösungen erreicht haben. Hinzufügen möchte ich aber, daß es einige ganz wesentliche Bereiche in der Frauenpolitik gibt, in welchen ich mir von Ihnen mehr Aktivität erwarte, zum Beispiel in der Frage "gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit". – Die ÖVP-Frauen haben einen Antag betreffend Neubewertung der Arbeit eingebracht. Antworten darauf sind uns von der Sozialministerin und auch von Ihnen nicht einmal in kleinsten Bereichen gegeben worden!

Weiters möchte ich sagen, daß ich mir eine Unterstützung für Frauen wünschen würde, die – das hat auch Kollegin Bures angesprochen – nach der Scheidung sozial nicht abgesichert sind. (Zwischenruf der Abg. Bures.) Die ÖVP-Frauen haben hiezu das Modell des Versorgungsausgleichs für geschiedene Frauen entwickelt. Ich lade Sie herzlich ein, eine gemeinsame Lösung dieses Problems zu erarbeiten. Wir müssen uns generell überlegen, wie wir Frauen sozialrechtlich absichern können. Ich glaube, das wird die ganz, ganz große Frage für die Zukunft sein, damit wir für Frauen wirklich wesentliche Fortschritte erzielen! (Beifall bei der ÖVP.)

19.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.09

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Hlavac hat heute in sehr sachkundiger Art und Weise ihre Anträge vorgetragen. Betrüblich dabei ist, daß es nicht einen einzigen sozialdemokratischen Gewerkschafter interessiert, was sie hier tut! Ich vermisse die Anwesenheit des Herrn Verzetnitsch, des Herrn Nürnberger, des Herrn Edler, des Herrn Koppler. Es ist niemand da, der ihre Interessen tatsächlich ernst nimmt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Beruhigt euch! Setzt euch lieber für die Arbeitnehmer in Österreich ein, anstatt hier herumzubrüllen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson.)

Was ist denn, Frau Doktor, warum sind Sie denn so nervös? – Weil Ihnen die Wähler bei Ihrer Art von Sozial- und Einkommenspolitik, die in den letzten Jahren versagt hat, davonlaufen (Beifall bei den Freiheitlichen) und nunmehr Zwangsmaßnahmen, Zwangsverordnungen und ähnliches mehr in der freien Wirtschaft dazu führen, daß die Abhängigkeiten der Frauen auf dem Arbeitsplatz noch intensiver werden? Früher, als die Zukunftswerkstatt des Herrn Cap noch geöffnet hatte, wurden von der SPÖ hin und wieder noch eigene Ideen eingebracht. Jetzt muß sie aber dazu übergehen, Ideendiebstahl zu begehen. Sie mißbrauchen ein Volksbegehren für Frauen für Ihre parteipolitischen Überlegungen, weil Sie in den letzten Jahren in dieser Frage versagt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Bures.)

Sie lassen es zu, daß Frauen heute zu Mindestlöhnen zu unattraktiven Arbeitszeiten beschäftigt werden müssen, weil Sie nicht in der Lage waren, in den letzten Jahren die Einkommen der Männer so zu gestalten, daß es auch ein familiengerechtes Dasein geben kann, wenn die Frau zu Hause ist. Das sage ich Ihnen einmal in aller Deutlichkeit!

Noch etwas sollten Sie, die angeblich so sozialdemokratisch sind, sich merken: Verschließen Sie Ihre Augen nicht vor neuen Chancen und neuen Ideen! Geben Sie doch dem Kinderbetreuungsscheck eine Chance! (Abg. Riepl: Er ist ungedeckt!) Geben Sie den Frauen eine Chance, über eigenes Einkommen zu verfügen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Frauen wollen neben der Erziehung von Kleinstkindern nicht unbedingt am Fließband oder bei irgendeiner Handelskette zu Mindestlöhnen beschäftigt werden. Sie wollen ein eigenes Einkommen. Da gebe ich Kollegin ... (Abg. Bures: Sie wissen nicht, was Frauen wollen! Sie haben keine Ahnung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Alle gleichzeitig geht nicht! Nur singen könnten wir gemeinsam. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Ihre Art der Sozialpolitik hat versagt! Ich sage Ihnen: Sie sitzen beziehungsweise liegen in einem Bett mit der ÖVP. Die Gemeinsamkeit ist aber wenige Monate vor den Wahlen auf einmal nicht mehr erkennbar!

Ich möchte noch an einen Antrag erinnern: Kollege Öllinger hat einen Antrag betreffend das erhöhte Karenzgeld für Frauen eingebracht, die den Vater aus welchen Gründen auch immer nicht öffentlich nennen wollen. Dieser Antrag wurde vom Liberalen Forum, von den Grünen und von den Freiheitlichen unterstützt. In der Ausschußsitzung kam es zur Eskalation: Frau Vorsitzende Reitsamer sagt, daß das eine Ehe mit der ÖVP ist, der die Vernunft abhanden gekommen ist, und gibt diesem Antrag inhaltlich voll recht. (Abg. Dr. Graf: Was meint sie damit? – Zwischenruf der Abg. Reitsamer.) Aber aus Parteidisziplin kann man natürlich einem Antrag der Oppositionspartei in diesem Haus nicht zustimmen! Denn "Vurschrift is’ Vurschrift", und unter Umständen müßte man dann den beiden Klubobmännern Khol und Kostelka Rede und Antwort stehen, warum man wegen einer wesentlichen sozialen Frage die ach so harmonische Koalitionsbeziehung gefährdet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da Sie aber Angst vor den Wählern und insbesondere vor den Wählerinnen haben, glauben Sie, daß Sie wenige Monate vor Nationalratswahlen den anderen politischen Parteien Ideen stehlen und dann sanft in Einzelbereichen einbringen können! Ich sage Ihnen: Mit Ihrer Form der Politik haben Sie Ihre Chance versäumt, die Sie gehabt haben! Ich bin überzeugt davon, meine lieben Damen von der sozialdemokratischen Fraktion, daß Sie am Wahltag, dem 3. Oktober dieses Jahres, die Rechnung dafür präsentiert bekommen werden, wie Sie in den letzten Jahren agiert haben, als Sie die Möglichkeit hatten, all diese Dinge, die Sie heute in Form von Anträgen einbringen, längst schon umzusetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jäger. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.14

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf das eingehen, was Herr Kollege Öllinger, Frau Kollegin Schaffenrath und zuletzt auch Kollege Gaugg gesagt haben.

Bekanntlich sind wir in einer Koalition, und in manchen Belangen und bei manchen Themen – das hat sich auch beim Frauen-Volksbegehren gezeigt – sind wir eben unterschiedlicher Auffassung. Hier in diesem Haus brauchen wir aber Mehrheiten. (Abg. Dr. Graf: Die Mehrheit ist aber da!) Es war uns eben nicht möglich, gewisse Anträge, hinter denen wir stehen – und das bekräftigen wir heute –, auch umzusetzen. Und es ist uns deshalb so wichtig, jetzt noch einmal eine erste Lesung durchzuführen, weil die vorliegenden Anträge die Durchsetzung unseres Anliegens, nämlich den Wiedereinstieg für Frauen nach der Karenz, erst möglich machen.

Dazu möchte ich zunächst sagen: In Österreich steigen nur ein Drittel der Frauen nach der Karenz wieder ein, und das ist viel zu wenig, und wir haben auch eine zu niedrige Frauenbeschäftigungsrate. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern sind bei uns 90 Prozent der Frauen bis zum Alter von 25 Jahren berufstätig, steigen dann aber zehn, 13 oder 15 Jahre aus. Und es ist danach ganz, ganz schwierig, daß diese Frauen wieder einsteigen können und auch noch genügend Pensionsversicherungszeiten in der Arbeitswelt erlangen. Außerdem besteht das Problem, daß die Frauen finanziell bis zur Pension benachteiligt sind.

Ich halte es für unverantwortlich, wenn in dieser Gesellschaft den jungen Frauen suggeriert wird, es gebe eine finanzielle Absicherung über die Ehe oder auch über den Staat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol.) Und wenn von freier Entscheidung gesprochen wird, dann muß ich sagen: Eben diese Wahlfreiheit gibt es nicht! Herr Kollege Khol! Ich beziehe mich jetzt auf einen Artikel in den "Salzburger Nachrichten": Ihre Partei, die immer so stark die Hausfrauen unterstützt, ist nicht bereit, durch das neue Scheidungsrecht dafür zu sorgen, daß Frauen, die 25 oder 30 Jahre zu Hause waren, dann zwar schuldig geschieden werden, aber ohne Existenzsicherung dastehen, von den Männern weiter unterstützt werden. Das heißt: Wenn jemand die Hausfrauen nicht ernst nimmt und nicht unterstützt, dann ist es nicht unsere Partei, sondern dann ist es wie in diesem Fall tatsächlich die ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens – der Kinderbetreuungsscheck: Es ist für jeden Mann ganz klar und selbstverständlich, daß nur die Berufstätigkeit eine finanzielle Absicherung bietet. (Abg. Dr. Graf: Sie haben das nicht verstanden!) Den Frauen will man hingegen einreden, daß sie zu Hause bleiben könnten, ein paar Jahre ein Almosen bekommen – denn mehr ist es meistens nicht – und sich irgendwann wieder etwas suchen können. Da wir die Arbeitsmarktsituation kennen, wissen wir, daß Frauen, die über einen langen Zeitraum nicht im Arbeitsprozeß stehen, keine Chance mehr haben, wieder einzusteigen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt noch etwas sagen. Es ist ganz klar, daß wir einfordern müssen, daß Kinder die bestmögliche Betreuung haben. Aber ich denke, daß Kinder auch Väter haben, und daher fordern wir ein, daß sich endlich auch Väter um ihre Kinder kümmern, und zwar nicht nur, indem sie sich finanziell beteiligen, sondern indem sie den Frauen auch ermöglichen, arbeiten zu gehen, und indem sie sich auch zu Hause um die Kinder kümmern! (Beifall bei der SPÖ.)

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen: Wir haben hervorragende Kinderkrippen und Kindergärten. Schauen Sie sich diese Kinderkrippen an! Alle Experten sagen aber, daß es nur darum geht, daß die Kinder nicht zu lange dort sind. Und deshalb brauchen wir die verpflichtende Teilzeit für den Vater und die Mutter, damit sie die Kinder rechtzeitig heimholen können und die Kinder nicht zu lange in der Kinderkrippe sind. In Anbetracht dessen, daß wir 60 Prozent Einzelkinder, 30 Prozent Kinder, die zu zweit sind, und nur 10 Prozent Mehrkinderfamilien haben, möchte ich sagen: Diese Kinderbetreuungseinrichtungen sind wichtige pädagogische Einrichtungen, und ich denke, sie haben es nicht verdient, daß sie nicht auch im entsprechenden Ausmaß befürwortet und gelobt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.20

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen Ministerinnen! Werte Kollegen und Kolleginnen! Zuerst möchte ich sagen, daß man doch einmal darüber nachdenken müßte, was sich die jungen Menschen auf der Galerie – und es ist eine große Zahl von jungen Menschen anwesend! – über diese Debatte denken. Ich wünsche mir, daß sie nach dieser Diskussion nicht den Mut verloren haben, eine Partnerschaft einzugehen und vielleicht eine Familie zu gründen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe Kollegen Gaugg selten und nicht gern recht, aber in einem Punkt muß ich ihm zustimmen: Ich frage mich schon die ganze Zeit, wo Frau Ministerin außer Dienst Helga Konrad ist. Denn sie hätte während ihrer Ministerschaft auch schon so manches umsetzen können! Vielleicht ist sie gerade deswegen aus dem Saal gegangen, weil es ihr nicht gelungen ist, einiges in Bewegung zu bringen! (Zwischenruf der Abg. Bures. – Zwischenruf des Abg. Mag. Posch.)

Wenn Frau Kollegin Hlavac meint, daß es Möglichkeiten geben muß, Beruf und Familie zu vereinbaren, und daß Maßnahmen nicht nur vom guten Willen der Betriebe abhängen sollen, dann sage ich zuerst einmal: Wir haben im Rahmen der Behandlung des Frauen-Volksbegehrens im Gleichbehandlungsausschuß die gesetzliche Verankerung in bezug auf Frauenförderpläne vorgenommen. Wir müssen uns aber auch dessen bewußt sein, wer Arbeit schafft und daß das nur gemeinsam geht: Wirtschaft mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern und -vertreterinnen. Wir werden nichts übers Knie brechen können, denn ich glaube, wir wollen Arbeitsplätze schaffen und nicht Arbeitsplätze abbauen.

Aber auch gesetzliche Regelungen für alles werden es nicht bringen. Wir wissen, daß die flexiblen Arbeitszeiten manchmal nach wie vor kapazitätsorientiert und nicht familienorientiert sind. Aber wir sind auf dem besten Weg, hier einiges zu bewegen. Ich möchte beispielsweise noch einmal das Familien-Audit erwähnen, mit dem Bundesminister Dr. Martin Bartenstein Familienfreundlichkeit durch Frauenförderung in den Betrieben geschaffen hat.

Ich möchte noch darauf hinweisen, daß auch wir, die ÖVP-Frauen, diesbezügliche Anträge eingebracht haben, deren Umsetzung von der SPÖ abgelehnt wird, zum Beispiel die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuung oder auch das Homeservice, das zwar im NAP verankert ist, aber noch viel zu wenig, weil es nicht so beliebt ist. Und es stimmt durchaus nicht, daß diese Forderungen nur für die Besserverdiener/innen sind. Vielmehr muß man ganz klar sagen: Wir sollten auch für die Mittelschicht, für die Menschen, die Leistung bringen und arbeiten, etwas tun! (Beifall bei der ÖVP.)

Kollegin Bures sagt, daß sie stolz auf die Anträge seitens der SPÖ-Frauen ist: Wenn Sie so stolz darauf sind, dann hätten Sie einiges mit Ihrer Frau Ministerin auch schon umsetzen können! Das ist jedoch nicht geschehen, und das kann nicht an den ÖVP-Frauen liegen, sondern die Ursache liegt in Ihren eigenen Reihen! (Beifall bei der ÖVP.)

Zur leidigen Diskussion um die Behaltefrist: Ich denke, darüber muß man einmal ganz ehrlich nachdenken und miteinander reden. Es geht nämlich nicht immer nur darum, wer gekündigt wird und wer durch diese ach so fürchterlichen Arbeitgeber/innen hinausfällt. Vielmehr muß man auch einmal bedenken, daß das eine arbeitsplatzverhindernde Angelegenheit wäre. Denn wer stellt schon jemanden ein, wenn gesetzlich verankert ist, daß man ihn beziehungsweise sie nach der Karenz 26 Wochen behalten muß! Natürlich wünschen wir uns eine noch bessere Form, aber eine arbeitsplatzerhaltende Maßnahme. (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson.) Man muß in dieser Richtung einmal ganz ehrlich sein und darf nicht schönfärberisch und träumerisch durch die Gegend gehen! Ich glaube, uns allen geht es darum, daß Frauen eine sozialrechtlich abgesicherte Arbeit nach einer Familienphase haben sollen, für die sie sich von der Zeit her frei entscheiden können. Ich denke, daß wir den Frauen von den Rahmenbedingungen her aber nur etwas Gutes tun, wenn wir auch darüber nachdenken, wie es in unserem Land wirtschaftlich aussieht.

Jetzt möchte ich auch erwähnen, daß der wichtige Punkt danach der Wiedereinstieg ist. Dieser kann nach 18 Monaten, nach zwei Jahren oder nach einem anderen Zeitraum stattfinden. In diesem Zusammenhang ist auch das AMS aufgerufen, diesbezüglich noch mehr Maßnahmen zu setzen. (Abg. Silhavy: Ruft nicht alle anderen auf! Tut einmal selbst etwas!) Ist das AMS jetzt für uns alle da oder nicht? Ist es parteipolitisch besetzt oder nicht? Die Steiermark zeigt sicher vor – insbesondere über das Arbeitsmarktservice –, daß es notwendig ist ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.) Bitte werde nicht nervös! Du weißt selbst, wie die Lage ausschaut! Der Wiedereinstieg ist eines der wichtigsten Themen, und zwar nicht nur für irgendwelche Frauen, die sich umschulen lassen müssen oder wollen, sondern auch für Frauen, die vorher schon eine qualifizierte Ausbildung hatten beziehungsweise haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch auf FLAF-Mittel und die Wiedereinstiegshilfe von Minister Bartenstein zur Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen, die schon lange ausbezahlt werden und jetzt auch noch erhöht wurden, sowie auf eine Erleichterung der Karenzteilung zwischen Vater und Mutter hinweisen.

Zu Kollegen Öllinger: Es ist eigentlich absurd, daß Sie zuerst fordern, daß der Vater genannt wird, daß Sie aber jetzt, da dies im vorliegenden Karenzgeldgesetz verankert ist, sagen: Wie fürchterlich und ach wie schlimm! – Natürlich: Man muß es sich überlegen. Eine Alleinerzieherin hat jetzt nach dieser Auszahlung Schulden von an die 50 000 S. Was wollen wir jetzt? – Ich glaube: Die Zeiten zum Beispiel der Großbauern, in denen entsprechende Überlegungen angestellt wurden, daß der Kindesvater nicht genannt werden durfte, sind vorbei. Wenn der Vater meines Kindes verheiratet ist und ich ihn nicht nennen darf, dann muß ich mir das auch einmal überlegen. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Vorher, oder? – Abg. Öllinger: Das haben Sie jetzt durcheinandergebracht!) Nein, ich habe es nicht durcheinandergebracht! Aber ich habe nur eine kurze Redezeit!

Zusammenfassend: Ich glaube, daß wir in der Diskussion oft vergessen, daß ein wichtiger Grundstock der Familienpolitik das Wohl des Kindes ist. Wir müssen das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen. Und dazu gehört auch das "Karenzgeld für alle". Ich möchte das noch einmal erwähnen, weil ich glaube, daß es wirklich eine soziale Ungerechtigkeit ist, daß 11 Prozent der Frauen davon ausgeschlossen sind. Ich merke noch einmal an: Es ist doch verwunderlich, daß eine Stadträtin der Stadt Graz, nämlich Frau Stadträtin Kaltenbeck, das gleiche auf Kosten der Stadt Graz einführt. Sie hat das nur ein bißchen geschickter gemacht! (Zwischenruf der Abg. Silvhavy.) Wer braucht das? – Ich meine, daß auch verheiratete Frauen darauf Anspruch haben. Und dafür plädiert die ÖVP: daß nicht nur Alleinerzieherinnen Anspruch auf zwei Jahre Karenzgeld haben, sondern auch verheiratete Frauen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, daß das ein Meilenstein der Sozialpolitik ist und in Richtung Familienleistung geht. Wir sollten auch diesen 11 Prozent diese Leistung geben, denn es ist meiner Meinung nach nicht richtig, wenn Frau Ministerin Prammer sagt: Karenzgeld für die meisten, aber nicht für alle! (Beifall bei der ÖVP.)

19.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet, und zwar zu einer tatsächlichen Berichtigung, ist jetzt Herr Abgeordneter Öllinger.

Die entsprechenden Vorschriften sind Ihnen wohlbekannt. – Bitte.

19.28

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Steibl hat leider zwei tatsachenwidrige Behauptungen in den Raum gestellt, die ich so nicht hinnehmen kann.

Zum einen hat sie gemeint, daß ich gefordert habe, daß der Name des Kindesvaters genannt werden soll. – Das habe ich nie gefordert!

Zum zweiten hat Kollegin Steibl gemeint – und das leider nicht deutlich genug ausgeführt –, daß ich gegen den Antrag 753/A sei. – Das habe ich nie gesagt. Ich bin gegen den Antrag 752/A der Kollegin Hlavac in der vorgeschlagenen Form, weil in diesem Antrag, in dem die Ausdehnung der Karenzzeit auf zwei Jahre gefordert wird, ein doppelt erhöhter Beitrag von den Männern gefordert wird. Und da lag die Verwechslung bei Ihnen, Kollegin Steibl! Tut mit leid!

19.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Madl. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.30

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Hohes Haus! Frau Kollegin Steibl! Das war jetzt eben eine Rede einer Oppositionspolitikerin, die nicht schon jahrelang einer Regierungsfraktion angehört, welche den Familienminister stellt. (Abg. Steibl: Warum nicht?) Es sind wirklich Vorwahlzeiten, denn sonst ist immer alles eitel Sonnenschein! Wenn Anträge kommen, stehen meistens die Namen von Abgeordneten beider Fraktionen drauf. Plötzlich wagt es nun die SPÖ, Anträge einzubringen, auf denen die ÖVP nicht draufsteht! Es ist also wirklich schon Vorwahlzeit, und der Wahlkampf findet im Parlament statt. Ich glaube aber nicht, daß sich die Bevölkerung von diesem Gesülze (Abg. Dr. Feurstein: Gesülze?), von diesem Wahlkampfgeplänkel, das hier abgeführt wird, täuschen läßt. Das ist ja direkt lächerlich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Jäger hat doch glatt behauptet, der Kinderbetreuungsscheck zwinge die Frauen, zu Hause zu bleiben. Sie können, weil Sie jahrzehntelang den Frauen vorgeschrieben haben, was sie tun und was sie nicht tun sollen, überhaupt nicht begreifen, daß es die Möglichkeit gibt, und zwar durch den Kinderbetreuungsscheck, den Frauen die Wahlfreiheit zu lassen, entweder zu Hause zu bleiben oder einen Beruf zu ergreifen und nebenbei auch den Kinderbetreuungsscheck zu kassieren. Sie haben überhaupt keine Denkungsweise (Abg. Dr. Gusenbauer: Denkweise!) dahin gehend, daß so etwas möglich ist, weil sie jahrzehntelang den Frauen angeschafft haben, was sie unternehmen sollen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Darum ist Ihre Denkungsweise ein derartiges Einbahnsystem, daß Sie das Modell des Kinderbetreuungsschecks deswegen ablehnen, weil Sie gebetsmühlenartig immer wieder behaupten, der Kinderbetreuungsscheck zwinge die Frauen an den Herd zurück. Wenn man so einen Unsinn immer wieder behauptet, wird er deswegen auch nicht zur Wahrheit – das möchte ich auch noch dazu sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Unglaublich!)

Nun repliziere ich auf die tatsächliche Berichtigung von Kollegin Hlavac, die gemeint hat, sie müßte eine tatsächliche Berichtigung auf eine Äußerung der Kollegin Haller machen, und zwar betreffend den Antrag 751/A. Kollegin Haller hat beanstandet, daß in diesem Antrag keine Pflegepflichten enthalten sind, sondern nur Betreuungspflichten im Sinne von Kinderbetreuungspflichten. Sie hätten dann tatsächlich berichtigt: Nein, es wären auch zu Pflegende damit gemeint. Dem kann ich nun sehr wohl entgegenhalten, daß dann ja in diesem Antrag nicht stehen würde ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Hlavac.) Hören Sie zu, bevor Sie sich noch einmal melden, denn das ist dann eine Blamage! Geben Sie zu, Sie haben einen Fehler gemacht (Abg. Dr. Hlavac: Nein, Sie verstehen den Antrag nicht!), revidieren Sie den Antrag und fügen Sie es an! Sie schreiben darin: "... kann die Herabsetzung der Arbeitszeit unter Bekanntgabe von Beginn, Dauer und Ausmaß der Teilzeitarbeit verlangen." – Man muß also bekanntgeben, wie lange die Mutter zu pflegen ist, und erst dann kann man Anspruch auf Teilzeitkarenz haben? Wo muß man sich denn, bitte, erkundigen, um dem Arbeitgeber bekanntgeben zu können, wie lange die Dauer der Pflegebedürftigkeit der Mutter oder des nahen Verwandten ist?

Frau Kollegin, ändern Sie das einfach in diesem Antrag, und die Sache ist erledigt! Schreiben Sie hinein: "auch Pflegearbeit für nahe Verwandte"! Ist das so fürchterlich? – Sie haben das unterlassen, und deswegen ärgert Sie das, aber Sie wollen es eben einfach nicht zugeben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Hlavac: Bitte lassen Sie sich den Antrag erklären! – Abg. Dr. Kostelka: Da kann sie ja nichts dafür, wenn sie ihn nicht versteht!)

Ich komme nun zu Frau Bundesminister Gehrer, die ganz begeistert über die neue Novelle zum Mutterschutzgesetz gesprochen hat und die Flexibilisierung der Karenzzeit, die in Kürze den Ministerrat passieren wird, so hochgejubelt hat. – Das haben Sie doch, nicht wahr, Frau Bundesminister? Ich möchte Ihnen kurz die Stellungnahme der Tiroler Landesregierung zu Ihren Jubelmeldungen vorlesen. Da werden Sie mit Ihren Parteikollegen ja noch massive Auseinandersetzungen zu bestreiten haben, wenn Sie im Ministerrat ja zu diesem Entwurf sagen.

In dieser Stellungnahme heißt es unter anderem zum Beispiel: Es stellt sich die Frage, ob die angestrebten Maßnahmen der Flexibilisierung aus der Sicht der Anspruchsberechtigten – also jener, denen Sie mit dieser Flexibilisierung angeblich helfen wollen – wirklich als eine Verbesserung der Situation angesehen werden können. Oder: Durch die Einräumung der Möglichkeit, daß die Eltern für die Dauer eines Monats überlappend Karenzurlaub in Anspruch nehmen, würde die Höchstdauer um einen Monat verkürzt. Oder: Der Aufschub von drei Monaten würde einen irrsinnigen Verwaltungsaufwand erfordern und auch Schwierigkeiten betreffend die Bereitstellung von erforderlichen Ersatzarbeitskräften bereiten. – Also von eins bis zehn nur große Kritik! Das Beste, das ich dann hinten noch gelesen habe, ist der Hinweis, daß vor allem im Bereich der Lehrer Probleme auftreten. – Ja sind Sie nicht zufällig Unterrichtsministerin? Nehmen Sie nicht auf Ihre Lehrer Rücksicht und auch auf die Schüler, die sich auf ständig wechselndes Lehrpersonal während der Karenzzeit der Lehrer ununterbrochen einstellen müssen? – Das sind nicht meine Worte, das sind die Worte der Tiroler Landesregierung!

Frau Bundesminister, durch Ihre Aussagen zu diesem Vorschlag verärgern Sie nicht nur jene Anspruchsberechtigten, die hier angesprochen worden sind, sondern auch die ganze Lehrerschaft, speziell jene im Pflichtschulbereich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

19.35

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Madl! Seit geraumer Zeit, seit etwas mehr als einem Jahr gibt es in Norwegen bekanntlich eine neue Regierung, eine konservative Regierung. Diese Regierung hat als erstes etwas eingeführt, was ähnlich dem ist, was hier von Ihnen als Kinderbetreuungsscheck verlangt wird. Ich kenne Berichte über das reihenweise Schließen von Kinderbetreuungseinrichtungen und auch darüber, daß es gerade in den ländlichen Regionen für diese jungen Mütter – wahrscheinlich zum Teil auch Väter – nahezu unmöglich geworden ist, berufstätig zu sein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.) Das ist Tatsache, dieser Beweis ist erbracht, und aus diesem Grund ist es für uns undenkbar, einen Kinderbetreuungsscheck einzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird immer so gerne und so viel über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesprochen, aber das, was dahintersteckt, ist etwas anderes. Wenn über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesprochen wird, dann ist damit ja auch der Beruf gemeint, nicht das Zu-Hause-Sein. Dann geht es ja nicht darum, nicht nur zu Hause zu bleiben, sondern bestmöglich auch erwerbstätig zu sein. Was aber in Österreich jetzt und heute jungen Frauen und Mädchen vermittelt wird, ist der Eindruck, es sei nicht gewünscht, berufstätig zu sein. (Abg. Madl: Das ist Ihre Interpretation, Ihre persönliche Interpretation!) Ich frage mich auch, ob es nicht auch nicht gewünscht ist, etwas zu lernen, gut zu sein, Erfolg zu haben und dabei aber nicht auf die Familie verzichten zu müssen, sondern sehr wohl auch Familie zu haben, Kinder zu haben. (Abg. Dr. Graf: Das mag vielleicht in Ihrem Bekanntenkreis so sein!) Es ist unsere Philosophie, beides tatsächlich zu vereinbaren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: In welchem Umfeld leben Sie? Ist das das Umfeld der Sozialisten?)

Die Schlagworte von der Wahlfreiheit kann ich manchmal fast nicht mehr hören. Denn welche Wahlfreiheit haben wir denn, wenn es keine Kinderbetreuungseinrichtungen gibt, wenn Länder und Kommunen diese Kinderbetreuungseinrichtungen, wenn sie vorhanden sind, mittags schließen? – Es ist natürlich auf der einen Seite erfreulich, daß es vom Bund Geld dafür gibt. Aber auf der anderen Seite ist es auch traurig, daß es Geld vom Bund geben muß, um überhaupt ein bißchen Bewegung in die Angelegenheit zu bringen. (Abg. Steibl: Das ist der sozialpolitische Ausgleich zwischen dem Bund und den Ländern!) Es gibt ja auch positive Beispiele in Österreich – und da kam auch der Zwischenruf –: Wien zum Beispiel! – Ich rede gerne über meine eigene Heimat, nämlich die Landeshauptstadt von Oberösterreich, Linz, wo es derzeit sogar mehr an Angebot gibt, als tatsächlich gebraucht wird. Das ist eben so! Wir bauen ja auch Straßen, auch wenn dann nicht jede Minute jemand darüberfährt. Aber da muß die Straße sein, damit sie vorhanden ist, wenn man sie braucht. Dasselbe gilt auch für die Kinderbetreuungseinrichtungen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird so gerne, so oft und so viel über die Frauenfreundlichkeit gesprochen, nicht ohne im Beisatz gleich zu sagen, daß es um die Familienfreundlichkeit geht. "Frauenfreundlichkeit" ist offensichtlich ein wesentlich weniger sympathisches Wort als "Familienfreundlichkeit". Ich frage mich, wo die Frauenfreundlichkeit steckt, wenn, da auch ein paar ganz konkrete Anliegen an meine Adresse gerichtet wurden, von meinem Kollegen Bartenstein Frauenvereinen, Frauenprojekten, in denen auch Familienarbeit geleistet wird, plötzlich die Subvention gekürzt, zum Teil sogar ganz gestrichen wird, und zwar mit dem Hinweis, es gäbe andere Prioritäten.

Ich kürze die Mittel für die Frauenprojekte ganz sicher nicht, sondern ich habe Gott sei Dank alles darangesetzt, sie zu sichern. Die Frauenservicestellen haben seit heuer zum ersten Mal Dreijahresverträge, und in dieser Kontinuität muß es auch weitergehen. Sie brauchen eine gute Basis für eine gute Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht auch um konkrete Maßnahmen, und in dieser ersten Lesung geht es um solche zum Thema Karenz. Es kam auch von meiner Kollegin Gehrer eine Frage in bezug auf das SPÖ-Modell. Ich kann es gerne wiedergeben: Wir brauchen ein Karenzgeld, das zunächst einmal auf 6 000 S angehoben werden muß. Was wir aber noch viel dringender brauchen, ist ein einkommensbezogenes Karenzgeld. Es muß ein Ersatz für entfallenes Einkommen sein, denn Karenzgeld ist kein Kindergeld. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bekenne mich dazu, daß wir hervorragende Familienmaßnahmen brauchen und daß wir alles daransetzen müssen, dementsprechendes auch zu leisten. Es darf und kann jedoch nicht sein, daß das auf Kosten und zu Lasten des Karenzgeldes im ganz klassischen Sinn geht. Wir können Rechte, für deren Erwerb früher Arbeitnehmerinnen – vielleicht auch ab und zu Arbeitnehmer – auf die Straße gegangen sind, nicht aufs Spiel setzen. Es ist eben wesentlich, daß der Entfall von Einkommen, der dadurch bedingt ist, daß jemand für eine bestimmte Zeit zu Hause bleibt, auch kompensiert wird, so wie das beim Arbeitslosengeld ist, so wie es schlußendlich auch am Ende des Erwerbsalters ist, wenn man in Pension geht.

Um dasselbe geht es auch beim Karenzgeld. Wenn wir das verwirklichen, dann sind wir ein höllisches Stück dem näher gekommen (Abg. Scheibner: Was für ein Stück?), wovon zumindest wir träumen, nämlich daß es tatsächlich ein partnerschaftliches Prinzip gibt, daß es tatsächlich auch beide Elternteile in der Kinderbetreuung gibt (Abg. Meisinger: Das ist eine höllische Idee!) und daß tatsächlich auch beide Elternteile die Möglichkeit haben, Karenzzeit in Anspruch zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Was für ein Stück sind wir dann weitergekommen?)

Es geht um die Rahmenbedingungen, und es geht um die Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte. (Abg. Haller: ... daß die Frauen eine Dreifachbelastung haben! Und das sagt die Frauenministerin!) Wenn wir sagen, wir brauchen das Recht auf Teilzeit, das Recht in bezug auf die Behaltefrist, das Recht auf Rückkehr zur Vollzeit, dann sind das typische Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte. (Abg. Dr. Graf: Seit 30 Jahren gibt es einen sozialistischen Bundeskanzler! Was haben Sie seither gemacht? Das ist ein Offenbarungseid, den Sie hier ablegen!) Ich bin überzeugt davon, daß wir nicht mehr Beschäftigung hätten, wenn wir plötzlich alle Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte beseitigen würden, denn sie wären ja dann – das ist der logische Schluß daraus – alle arbeitsplatzfeindlich, und sie würden alle auch die Arbeitsplätze zunichte machen. Genau das Gegenteil aber ist der Fall!

Die Karenzregelung, von der heute schon so oft die Rede war, ist in diesem sogenannten kleinen Familienpaket von Bad Aussee analog dem Urlaubsrecht festgehalten worden, und es war nicht so einfach, das in dieser Form zustande zu bringen. Ich kenne die Debatten im Hintergrund und weiß, wie sehr sich die Wirtschaft geweigert hat. Ich verstehe es nur nicht, denn es ist analog dem Urlaubsrecht geregelt. Ich weiß nicht, ob wir uns darauf verständigen können, in diesem Staate zu sagen, das Urlaubsrecht würde Arbeitsplätze und Unternehmen gefährden. Ganz das Gegenteil ist meines Erachtens der Fall! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Immer der "böse" Unternehmer!)

Meine Damen und Herren! Die Kinderbetreuung ist der dritte Pfeiler, auf dem das SPÖ-Modell steht. Es muß einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und auf einen Kinderbetreuungsplatz geben. Wenn es notwendig ist, hat er da zu sein. Dann kann es nicht individuelles Recht der Eltern sein, sich erst um eine entsprechende Betreuungseinrichtung zu kümmern. Das ist auch eine wesentliche und markante Angelegenheit, die derzeit über weite Strecken nicht vorhanden ist. Ich verstehe es natürlich, daß in ländlichen Regionen viele Härten auftreten: Der Arbeitsplatz ist nicht vorhanden, das öffentliche Verkehrsmittel ist vielleicht viel zu wenig ausgebaut, und – was ganz schlimm ist – dann schließt womöglich auch noch der Kindergarten, falls ein solcher überhaupt vorhanden ist. Diese Situation ist tatsächlich unerträglich für Frauen, und das dahinter stehende Konzept ist auch jenes, dem wir zu begegnen haben.

Meine Damen und Herren! Es ist auch gesagt worden, ich sei säumig, was die Frage des gleichen Einkommens betrifft! – Ich würde es mir herzlich wünschen, wenn ich oder auch die Bundesregierung zum Teil die Möglichkeit dazu hätten, das durchzusetzen. Wir haben das Grundverständnis, daß die Einkommenspolitik in diesem Land die Tarifpolitik ist. Deswegen ist es auch notwendig, daß wir hier gemeinsam mit den Sozialpartnern ans Werk gehen und schleunigst gemeinsam mit den Sozialpartnern zu einer neuen Arbeitsbewertung und Arbeitsplatzbewertung kommen. Genau das macht die Sozialministerin, genau dazu hat sie auch die Sozialpartner eingeladen.

Ich halte nur diesen Weg für zielführend, weil dabei gleichzeitig auch die Überzeugungsarbeit dafür geleistet werden muß und auch dort angesetzt werden muß, daß Frauen entsprechende Einkommen haben können und daß Männer entsprechende Einkommen haben können, denn das ist allemal die Basis dafür, daß wir Familien vorfinden, daß wir ein Familienleben garantieren können, bei dem es allen darin Lebenden bestmöglich geht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Buder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Khol: Jetzt müssen wir noch auf das Konzept vom Karenzgeld "für alle Frauen, die es brauchen", warten! – Abg. Dr. Kostelka: Du brauchst nur zuzuhören! – Abg. Dr. Khol: Hab’ ich getan! Hab’ nichts gehört! Flop, Flop, Flop! – Flop, Flop, Flop!)

Bitte, Frau Abgeordnete! Ich glaube, die beiden Klubobleute werden, wenn Sie sprechen, ihre Konversation einstellen beziehungsweise zumindest reduzieren.

19.45

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute fünf Anträge in erster Lesung, und ich bin sehr froh darüber, gehört zu haben, daß die Umsetzung des Familienpaketes der Bundesregierung, das ja schon im Jänner in Bad Aussee beraten und zum Teil beschlossen wurde, nun vor uns liegt.

Frau Bundesministerin Gehrer hat über die Rahmenbedingungen für die Einbindung der Karenzzeit in die Partnerschaft gesprochen. Das finde ich sehr gut und auch sehr wichtig. Aber um mehr Männer dazu zu bewegen, in Karenz zu gehen, bedarf es wahrscheinlich noch viel, viel mehr. Dazu brauchen wir diese Frauenförderungspläne, und wir brauchen natürlich auch Unternehmen, die diese umsetzen. Wir brauchen aber vor allem eines, nämlich ein Umdenken der Gesellschaft, die die Männer dazu motivieren soll, Karenz auch anzunehmen und ihre Vaterpflichten ernst zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kenne in meinem Bezirk zum Beispiel einen Fall, in dem beide Partner Gendarmeriebeamte sind. Sie sind ziemlich gleich alt und haben dasselbe Einkommen. Da ist es natürlich logisch, daß beide, Mann und Frau, Karenzurlaub in Anspruch nehmen. Ich denke, das ist richtig so, und das sollte man verstärken.

Das Karenzgeld ist, wie Frau Bundesministerin Prammer sagte, kein wirklicher Ersatz für entfallenes Einkommen. Auch ich würde mir ein einkommensbezogenes Karenzgeld wünschen, denn dann wäre es sicher möglich, daß mehr Männer den Karenzurlaub in Anspruch nehmen und mehr Männer sich um ihre Kinder und um ihre Familie kümmern würden. Das ist ja in den nordeuropäischen Ländern schon zum Teil der Fall, und ich denke, diesbezüglich könnten wir uns einiges abschauen.

Das Karenzgeld ist aber kein Kindergeld, denn durch eine solche Sichtweise soll unter dem Mäntelchen der Kinder- und Familienfreundlichkeit wahrscheinlich einer Politik das Wort geredet werden, die die Frauen wieder auf ihre traditionellen Rollen beschränken will. Ich denke, das ist nicht der richtige Weg. Junge Frauen, die Frauen der heutigen Zeit wollen alles: Sie wollen Beruf und Familie in Einklang bringen. Ich glaube, wir sind dazu aufgerufen, diese Frauen zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die heute in einem Antrag gestellte Forderung, daß bei alleinstehenden Elternteilen – es sind ja meist Frauen – die Benachteiligung dadurch ausgeglichen werden soll, daß man den jeweils anderen Elternteil zur Finanzierung der längeren Karenzgeldgewährung heranzieht, finde ich eigentlich gerecht, denn der andere Elternteil trägt ja nur finanziell dazu bei. Die meisten Lasten hat trotzdem die Frau zu tragen, wenn sie alleinstehend ist. Härtefälle sollen dadurch vermieden werden, daß Mütter, die aus irgendwelchen Gründen den Kindesvater nicht bekanntgeben können, diesen Zuschuß ebenfalls bekommen sollen. Denn es sind die Frauen, die eben, wenn die Gesetze den Bedürfnissen nicht entsprechen, die Leidtragenden sind.

Ich kann Ihnen von einem Fall berichten, in dem der Vater die Vaterschaft nicht anerkennt. Obwohl der Vaterschaftstest diese zu 99,87 Prozent bestätigt, liegt dieser Fall beim Obersten Gerichtshof, der nun in dritter Instanz entscheiden wird. Allerdings, sehr geehrte Damen und Herren, erhielt diese Frau ein halbes Jahr lang kein erhöhtes Karenzgeld, weil eben der Vater die Vaterschaft abstreitet. (Abg. Dr. Graf: Wir haben nun einmal einen Rechtsstaat!) In diesem halben Jahr, bis die Frau dann vom Sozialamt die Alimente bekam, fragte niemand, wie sie über die Runden kam, wie sie sich und ihr Kind finanzierte. Sie erhielt Gott sei Dank Unterstützung von Eltern und Verwandten. Aber so soll es doch in Zukunft nicht sein! Ich denke, es ist höchste Zeit, daß man sich Gedanken darüber macht, solcherart betroffenen Frauen zu helfen.

Frau Kollegin Gatterer hat die Frage angesprochen, wie wir Frauen sozialrechtlich absichern können. Ich denke, da sollte man vielleicht Verbindungen zwischen den Frauen auch über die Parteigrenzen hinweg schaffen, und natürlich erwarten wir auch die Unterstützung der Männer (Abg. Dr. Khol: Ja! Karenzgeld für alle hat meine volle Unterstützung!), um die Durchsetzung frauenpolitischer Anliegen und die sozialrechtliche Absicherung der Frauen zu erreichen.

Zur Äußerung von Kollegin Steibl, daß unsere frühere Frauenministerin, Kollegin Helga Konrad nicht anwesend sei, möchte ich nur anmerken: Wenn es damals mehr Unterstützung von seiten der ÖVP und der ÖVP-Frauen gegeben hätte, dann hätten wir unter Umständen heute schon eine eigenständige Pension für alle Frauen erreicht. (Abg. Dr. Khol: Also bitte! Da seid ja ihr dagegen!) Das wäre das Ziel der SPÖ-Frauen gewesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Da seid ja ihr dagegen! Da ist ja nur die SPÖ dagegen!)

Aber der politische Wille dazu war nicht da! (Abg. Dr. Puttinger: Ihr seid ja heute noch dagegen!) Mit Umschichtungen der finanziellen Mittel wäre es möglich gewesen!

Man sollte aber auch, sehr geehrte Damen und Herren (Abg. Dr. Khol: ... denkend das Dunkel durchdringen!), Vergleiche zwischen anderen Ländern und Österreich ziehen, aufgrund derer man immer wieder feststellen kann: Wir stehen nicht so schlecht da. Wenn Sie sich die Karenzzeiten, das Karenzgeld und den Mutterschutz in anderen europäischen Ländern ansehen, dann können wir wieder stolz sein, hier in Österreich zu sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.51

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Ministerinnen! Hohes Haus! Eine kurze Bemerkung zur Vorrednerin: Ja, eigentlich sollten wir schon sagen, wo wir gut sind und wo wir ausgezeichnete familien- und frauengerechte Leistungen im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern anbieten; diese Bilanz fällt nicht so schlecht aus. Man sollte das auch einmal all jenen sagen, die die Meinung vertreten, es gibt überhaupt nichts Positives zu vermelden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Lassen Sie mich einen Aspekt hervorkehren, den ich schon längere Zeit verfolge: Seit dem Jahre 1996 – das ist bekannt – sind zwei Jahre Karenzgeld daran geknüpft, daß sich Vater und Mutter diese Karenzzeit teilen. Wie sieht die Konsequenz aus? – Laut einer Erhebung des Hauptverbandes gab es im Jänner 1997 noch rund 111 700 Karenzgeldleistungen, wobei 1 000 davon an Männer ausbezahlt wurden. Im Februar dieses Jahres gab es nur noch 80 000 Leistungen, wovon rund 1 200 Bezieher der Leistung männlich waren. Die neuen Spielregeln für den Bezug des Karenzgeldes haben offenbar eine andere Folge gehabt, nämlich die, daß die Zahlen der Bezieher von Arbeitslosengeld und von Notstandshilfe rapid gestiegen sind. Auch die Zahl der Teilnahmen an AMS-Kursen, die wunderbar in dieses vierte halbe Jahr gepaßt haben und bei denen etwa der Besuch eines eintägigen oder halbtägigen Seminars pro Woche vorgeschrieben ist, ist gestiegen.

Ich sehe einen Zusammenhang zwischen jener Regelung, Karenzgeld und Karenzzeit für Mütter und Väter anzubieten und nur auf diese Weise zwei Jahre zu gewähren, wenn die Karenzzeit geteilt wird, einerseits und der steigenden Zahl von Beziehern von Sondernotstandshilfe und Arbeitslosengeld sowie Besuchern von Kursen, die maßgeschneidert auf dieses halbe Jahr passen, andererseits. Ich will den Frauen damit nichts unterstellen. Ich will nur bemerken, daß da offenbar in der Wirklichkeit kindgerecht entschieden wurde.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns daher nach dieser Zeit Bilanz ziehen und sagen: Auf der einen Seite hat sich der Familienlastenausgleichsfonds dank guten Wirtschaftens und leider auch dank des Rückganges der Kinderzahl (Abg. Öllinger: Dank des Sparpaketes!), dank des Stoppens von familienunpassenden, sage ich jetzt einmal, von sachfremden Leistungen – Stichwort ÖBB, überhöhte Schülerfahrtenpreise – sowie dank Eigenleistungen im Schulbuchbereich erholt und wird spätestens ab dem Jahr 2001 so weit wieder gut dotiert dastehen, daß wir wieder zwei volle Jahre Karenzgeld an Väter und Mütter (Abg. Öllinger: Das waren doch die Sparpakete, Frau Kollegin!) – egal, welcher individuellen Wahl, egal, welcher Variante des Splittens, egal, welcher Konstellation – auszahlen können.

Ich denke, die Bilanz ist überzeugend. Wir sollten mutig diese zwei vollen Jahre Karenz in Angriff nehmen. Das bedeutet jedoch keine weitere Einsparungsnotwendigkeit, die anderswo weh tut, der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ist davon nicht tangiert, es wird damit keine neue Steuerverpflichtung eingeführt. Wir müssen nur jetzt schon diese Mittel dafür reservieren.

Was mir an dieser Stelle noch mindestens ebenso wichtig ist zu erwähnen, ist folgendes: Das, was an Verdienst- und Arbeitsverbot bis jetzt an Karenzzeit gekoppelt ist und was mit der Lösung 3 800 S Zusatzverdienstmöglichkeit plus Einschleifregelung möglich ist, ist in Wirklichkeit nicht praxisgerecht. 3 800 S sind zu wenig, und die Einschleifregelung ist in Wirklichkeit sehr schwer exekutierbar, was verständlich ist; sie ist praxisfern.

Ich plädiere daher in diesem Zusammenhang für volle zwei Jahre Karenz für alle, verbunden mit einer Erweiterung und flexibleren Gestaltung der Verdienstmöglichkeiten, um wirklich an Weiterbildungsmaßnahmen im Betrieb oder außerhalb desselben teilnehmen zu können, um wirklich Urlaubsvertretungen übernehmen zu können, um geblockt den Kontakt zum Betrieb zu halten und um damit die Chance sicherzustellen, daß Väter oder andere Teile der Familie in die vorübergehende Übernahme von Erziehungsleistungen und Pflegeleistungen in dieser Zeit eingebunden sind. Dann bieten sich – und so stellt sich die ÖVP eine Paketlösung vor – altersgemischte Regelungen, das heißt mit vorsichtigem Einbezug von kleineren Kindern im Kindergarten plus Tagesmüttern plus Kleingruppenbetreuung an – hier gibt es bereits gute Erfahrungen. Dann ist der Weg frei zu einer gelungenen Kindergartenzeit im Vollausbau plus einem erfolgreichen Eintritt ins Schulalter.

Wir haben hier einige unserer Maßnahmen und Vorstellungen ausgeführt. Ich denke, damit haben wir eine bunte Maßnahmenpalette geboten. Jede Partei kann das. Sie muß sich auch gefallen lassen, daß Gegenargumente gebracht werden. Das gehört zum fairen Wettkampf in der Demokratie. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

19.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

19.56

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin Gehrer! Frau Bundesministerin Prammer! Hohes Haus! Der Debattenbeitrag von Frau Kollegin Brinek hat mich jetzt doch wieder zuversichtlich gestimmt, denn bei manchen Punkten ihrer Ausführungen habe ich mir gedacht: Da bietet sich vielleicht doch eine Chance einer Umsetzung. Ansonsten, muß ich sagen, war die heutige Debatte zu diesen fünf Anträgen, die dazu dienen sollen, Berufstätigkeit und Betreuungspflichten besser wahrnehmen zu können, eher sehr deprimierend.

Zu den Ausführungen von Kollegin Schaffenrath möchte ich folgendes anmerken – ich habe sie länger schon nicht gesehen, aber Kollege Barmüller ist da, vielleicht kann er ihr das ausrichten –: Diese Anträge waren eigentlich eine Folge der Beratungen und Behandlungen des Frauen-Volksbegehrens (Zwischenruf des Abg. Öllinger), als wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erkennen mußten, daß die Konsensmöglichkeit mit unserem Koalitionspartner in diesen Fragen äußerst gering war. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Wir haben daher die Initiative ergriffen und unsere Positionen in diesen Anträgen formuliert.

Kollege Öllinger – da diese Zwischenrufe von Ihnen gekommen sind –: Ich habe nur 6 Minuten Redezeit, wir können uns dann gerne auch noch außerhalb dieser offiziellen Debatte unterhalten. (Abg. Öllinger: Ich warte auf Ihre offizielle!) Nur: Ich unterstelle Ihnen schon, daß Sie genügend Kenntnisse der Sozialpolitik haben, um Anträge wie jenen die Behaltefrist betreffend nicht ganz unbewußt und unabsichtlich so falsch zu interpretieren. Denn daß Ihnen die Vier-Wochen-Lösung bekannt ist und daß Sie wissen, daß das schon eine alte Forderung ist, die nichts mit 20 oder 26 Wochen zu tun hat, sondern bei der es einfach um eine Ausdehnung der Behaltefrist geht, das unterstelle ich Ihnen schon! Die Unterstellung der Vorwahlkampfzeit könnte man natürlich genauso zurückgeben, und Ihr Debattenbeitrag hat mich sehr stark daran erinnert. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Debatte hat darüber hinaus aber auch gezeigt, daß die mit dem berühmten Schlagwort "Backlash" angesprochenen Tendenzen – nachzulesen in "Backlash: Die Männer schlagen zurück" von Susan Faludi – zunehmend leider auch in unseren Bereichen Einzug halten und starke Verbreitung finden: Nicht nur Turbokapitalismus und Neoliberalismus sind konservative Antworten auf Probleme unserer Gesellschaft, sondern vor allem auch Maßnahmen, die Frauen wieder in ein Rollenbild zurückdrängen sollen, demzufolge sie gefügig, abhängig und jederzeit auch für die Wirtschaft abrufbar sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Vorstellungen der FPÖ möchte ich mich nicht mehr näher äußern. Es war Strafe genug für diese Partei, daß jemand, der dadurch bekannt geworden ist, daß er das Wort "Nazi" buchstabiert, jetzt hier zu Frauenpolitik und Familienpolitik redet. Ich erspare mir daher diesen Kommentar. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Zu mehr reicht es nicht! – Abg. Madl: Gott sei Dank! Einen größeren Gefallen können Sie uns gar nicht tun! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Zu mehr reicht es nicht! Das ist ein Armutszeugnis!)

Was das "gerechte" Modell Bartensteins, das hier ja auch ein paarmal angekündigt worden ist, betrifft, so möchte ich schon einmal darstellen, wie gerecht es ist: Stellen wir uns vor, wir haben auf der einen Seite zwei Menschen, die in einer Partnerschaft miteinander leben und von denen jeder 12 000 S verdient, und auf der anderen Seite eine andere Partnerschaft, in der ein Partner sich dafür entschieden hat, nicht außerhäuslich erwerbstätig zu sein, und einer allein außerhäuslich erwerbstätig ist, und dieser verdient 24 000 S. Beide Familien haben also insgesamt 24 000 S zur Verfügung – darin sind wir uns einig.

Beide Familien bekommen ein Kind. Nach dem Modell von Herrn Bartenstein schaut dies folgendermaßen aus (Abg. Dr. Pumberger: Der Partner ist Alleinverdiener!): 12 000 und 12 000 sind 24 000 – wenn ein Partner daheim bleibt, verdient nur noch einer 12 000 S, der andere bekommt 6 000 S Karenzgeld. Für dann drei Personen stehen nur noch 18 000 S statt 24 000 S zur Verfügung. (Abg. Steibl: Das ist die Rechnung der Arbeiterkammer, und das stimmt nicht! Die haben falsch gerechnet!)

Die anderen Personen bekommen auch ein Baby, aber sie bekommen noch 6 000 S dazu. Sie haben dann 24 000 S plus 6 000 S, das sind 30 000 S – und das ist gerecht? (Abg. Haller: Und was kriegen sie heute? – Gar nichts!) Das Karenzgeld dient als Einkommensersatz. – Sie haben es offensichtlich noch immer nicht begriffen. Aber ich habe schon gesagt, es lohnt sich nicht, auf Sie einzugehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch ein paar andere Punkte aus der Debatte aufgreifen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) – Es ist sinnlos, mit Ihnen über Familien- und Frauenpolitik zu reden. Sie sollten sich erst einmal mit der Bevölkerung darüber unterhalten. (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Dein Argument bezüglich der Schutzbestimmungen lasse ich nicht gelten, liebe Ridi! Denn das gilt dann für ArbeiternehmerInnen-Schutzbestimmungen, wir hätten keinen Mutterschutz, wir hätten kein Karenzgeld, wir hätten keinen Urlaub. Ich denke mir, wir müssen uns schon überlegen, was wir für die arbeitenden Menschen wollen, und nicht nur immer der Wirtschaft die Mauer machen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Daß Kollegin Rauch-Kallat gesagt hat: Wir wollen keine Knebelung von Unternehmern und Betrieben!, zeigt genau eure Position und wer euch wichtig ist, nämlich nicht die berufstätigen Frauen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ich sage noch etwas dazu, weil von euch das Thema "Frauen gegen Frauen ausspielen" gekommen ist. – Herr Kollege Khol! Die Aktion "Halbe/halbe" hat sogar Sie aus der Fassung gebracht. Warum, ist ganz klar: weil dadurch Ihr Rollenbild auf einmal in Frage gestellt war. (Abg. Dr. Khol: Mein Gott!) Genau darum geht es: Wir wollen, daß auch Männer an dieser Gesellschaft teilhaben, und wir wollen nicht die vaterlose Gesellschaft! Wir wollen Väter, die auch Vaterpflichten erfüllen. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau diese Intentionen verfolgen wir mit unseren Anträgen. Selbstverständlich wollen wir von allen gesellschaftlichen Gruppen, auch von der Wirtschaft, ihren Anteil an einer gerechten Familienpolitik.

Da die heutige Diskussion sehr kontroversiell verlaufen ist, möchte abschließend auch ich mich bei beiden Ministerinnen für ihre Aktivitäten durch die Aktion Frauen gegen den Krieg bedanken, und ich möchte hier alle Parteien auffordern, diese Aktion kräftig zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser-Starrach. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.02

Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Meine Damen und Herren! Wir wollen selbstbestimmte Menschen in allen Lebenslagen. Wie sieht es aber mit dieser Selbstbestimmung aus?

"Karenzgeld für alle" ist der erste Schritt hin zu unserem langfristigen Ziel, nämlich dem Betreuungsscheck. Ich kann Bundesministerin Prammers staccato Gegenpunktation, gegen "Karenzgeld für alle" wirklich nichts abgewinnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Erstens kommt jetzt zu der Aussage "Hausfrauen arbeiten nichts" auch noch hinzu: Karenzgeld ist kein Ersatz für verlorenes Einkommen und nur dann zu bezahlen, wenn sie vorher in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. – Darum ist es ja unsere Forderung, die Betreuungs- und Erziehungsarbeit, die die beste Arbeit und die unverzichtbar ist, entsprechend staatlich zu unterstützen! (Beifall bei der ÖVP.)

Als ich vor 14 Tagen mit Kollegen Verzetnitsch darüber gesprochen habe, wie es denn jetzt mit dem Karenzgeld aussieht und was es bedeutet, Karenzgeld für alle zu 100 Prozent aus dem FLAF zu bezahlen – es werden nach meiner Erklärung 2,5 Milliarden Schilling an Arbeitgeberbeiträgen nicht mehr eingezahlt werden, weil sie zu 100 Prozent aus dem Familienlastenausgleichsfonds kommen, und damit ist das der erste wirklich positive Vorschlag dafür, die Lohnnebenkosten zu senken, und zwar um 0,5 Prozent –, lautete seine Gegenfrage: Weiß Frau Bundesminister Prammer das überhaupt?

Daher sage ich es noch einmal: Mit diesem Vorschlag, der wahrscheinlich zu oberflächlich, zu ungenau gelesen worden ist, sind so viele positive Inhalte verbunden! (Abg. Silhavy: Frau Ministerin Prammer hat gemeint, wenn wir mehr Geld in der Arbeitslosenversicherung haben, wird es zu aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen kommen!) – Sie haben Ihre Redezeit schon gehabt.

Um noch einmal auf den Betreuungsscheck zurückzukommen: Wir haben mit diesem "Karenzgeld für alle", erste Stufe, die absolute Wahlfreiheit: entweder selber betreuen oder Teilbetreuung einkaufen oder Ganztagsbetreuung bezahlen. (Zwischenruf der Abg. Madl.) Meine Damen und Herren, zu diesem Selber-Betreuen möchte ich ganz deutlich sagen: Wir wissen aus zwei großen Studien, daß 87 Prozent der Frauen in dieser ersten Sozialisationsphase bei ihren Kindern bleiben wollen. Sie wollen in dieser ersten wichtigen Phase ihr Kind wirklich selbst betreuen.

Um zu sagen, was wir auch brauchen, darf ich vielleicht nur zwei Millionen Jahre in der Hominidenforschung zurückgehen. Damals gab es den Homo habilis, dieser wurde immer mit großen Über-Augen-Bögen charakterisiert. Erst die Eismann-Forschung – oder "Ötzi"-Forschung – hat herausgebracht (Abg. Schwemlein: Wie hat der die Kinderbetreuung gemacht?), daß da drinnen nicht nur knöcherne Masse, sondern unser Stirnhirn ist. Genau dieses liefert die Energie für unsere soziale Kompetenz! Wenn wir dieses unser Erbe ein bißchen besser trainieren würden, dann hätten wir auch mehr soziale Kompetenz und dann würde unsere Frage: Wie gehen wir Menschen eigentlich miteinander um? immer positiver beantwortet werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Und dazu – das sei nochmals angesprochen – vermehrt diese Unterstützung, die Bundesministerin Gehrer und Bundesminister Bartenstein unserer Jugend geben, auch die Einbegleitung unserer Jugend in Partnerschaft, mit schulischen und außerschulischen Möglichkeiten Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikationstraining und Streitkultur zu üben. Wir brauchen dies sehr, sehr dringend!

Was mit der Forderung nach "Karenzgeld für alle" ebenfalls verbunden ist, ist die absolute Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf. Erst letztes Wochenende fand in Deutschland in Kontinuität zu dem, was Bundesminister Bartenstein in Österreich schon begonnen hatte – Chancengleichheit in einer familienfreundlichen Arbeitswelt –, die Weiterführung dieses Themas in Düsseldorf statt. Sie hätten vielleicht auch anwesend sein sollen, um weitere Möglichkeiten zu erfahren, was es da zu erfahren gilt.

Das Anliegen, Familie und Beruf besser vereinbar zu machen, kommt auch in einer deutlichen Punktation in diesem Papier zum Ausdruck: zusätzlichen Verdienst ermöglichen; nicht nur de facto ein Berufsverbot erteilen, wenn Karenzgeld bezogen wird; die optionale Pensionsvorsorge, wie zum Beispiel auch bei den geringfügig Beschäftigten. Warum soll nicht auch eine Frau – in Klammern: ein Mann; nur 1 Prozent, ich weiß das – die Möglichkeit haben, in dieser Hinsicht optional eine Pensionsvorsorge zu treffen?

Wir wissen alle, daß die Arbeitssituation und die Lebenssituation keine hundertprozentige Versorgung bieten. Also muß die Bewußtseinsbildung weitgehend dahin gehen, daß die Frauen wissen, wofür sie selbst zu sorgen und wofür sie selbst einzutreten haben. Das ist auch die Situation der Frau.

Fortbildungs- und Wiedereinstiegskurse sind vermehrt anzubieten! Durchgehend, auch in der Karenzzeit, soll dieses Miteinander gepflogen werden, und dann die Kinderbetreuung in den Firmen selbst oder die entsprechende Kooperation mit benachbarten Kinderbetreuungseinrichtungen. Gott sei Dank unterziehen sich immer mehr Firmen dieser Zertifizierung des Familiengütesiegels oder des Familienaudits. Es ist absolut wichtig, daß die Möglichkeiten, die Frauen mit Kindern haben, auch entsprechend genützt werden.

Es gibt drei bestimmte Punkte im Leben eines kleineren Kindes mit seinen Eltern, die Schwierigkeiten machen können. Das zeigt sich bei Krankheit, beim Eintritt in den Kindergarten und beim Eintritt in die Schule. Was die Krankheiten betrifft, besteht die Möglichkeit, daß entsprechende Zeiten angeboten werden, um diese Betreuung vorzunehmen. Beim Eintritt in den Kindergarten und beim Schuleintritt wiederum sind die Firmen gefordert, in diesen Fällen Familienfreundlichkeit in der Arbeitswelt zu zeigen.

Dem Antrag 753/A kann ich im Sinne der Gleichberechtigung nur voll und ganz zustimmen. Ich weiß, daß ich noch vor zwei Sitzungen – Herr Öllinger hat mich dafür auch angeprangert – einen sprachlichen Heiße-Kohlen-Tanz habe aufführen müssen, um dem zu entgehen. Aber ich habe gewußt, daß es in Bad Aussee ein ausverhandeltes Familienpaket gab, und zudem habe ich gewußt, daß es zu diesen weiteren Ausverhandlungen kommen wird.

Wie schon in Sparzeiten gesagt wurde: Aus dieser Mauer sollte kein Ziegelstein gebrochen werden, oder an diesem Paket sollte kein Ritz gemacht werden. Nun haben wir es, und ich war Gott sei Dank im Vorfeld informiert. Wenn einem Mann geglaubt wird, daß er innerhalb von 30 Jahren das bevorschußte Karenzgeld zurückzahlen kann, so kann das sehr wohl auch einer Frau zugetraut werden. Die Umsetzung dieses kleinen Familienpakets von Bad Aussee freut mich ganz besonders. (Abg. Dr. Khol: Sonja, schon 10 Minuten!)

Ja, ich weiß! Aber wenn es nicht läutet und nicht leuchtet, kann ich sprechen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Es wurde ursprünglich keine Beschränkung der Redezeit verlangt, und es waren 20 Minuten angezeigt. (Abg. Schwemlein: Reden Sie ruhig weiter! Aber das mit dem "Ötzi" müssen Sie mir noch einmal erklären!) Auf dem Bildschirm scheinen erst jetzt 8 Minuten auf. Aber ich schalte gerne sofort das rote Licht ein, Frau Kollegin.

Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach (fortsetzend): Schalten Sie es ein, ich bin gleich fertig.

Wir sollten nicht Frauen gegen Frauen ausspielen. Aber das liegt bereits an unserer politischen Kompetenzverteilung: Frauenministerium, Familienministerium – wir bräuchten eines für alle Menschen! (Beifall bei der ÖVP.)

20.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

20.11

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin zu heftig attackiert worden, als daß ich nicht ein paar Dingen widersprechen müßte.

Zum ersten – Karenzgeld für alle, die es brauchen – eine ganz einfache Beantwortung, Herr Klubobmann Khol: Jene, die erwerbstätig waren, auf eine bestimmte Zeit zu Hause bleiben und deswegen auf Erwerbseinkommen verzichten müssen, brauchen es. Das ist die ganz einfache Antwort auf die Frage, wer das Karenzgeld braucht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Tichy-Schreder: Das ist blamabel! – Abg. Dr. Khol: Die geringfügig Beschäftigten brauchen es nicht? Die Bauern brauchen es nicht? Die Studierenden brauchen es nicht? Eine Schande!)

Wir alle miteinander wissen um den Dialekt in diesem Lande. Ich glaube nicht, daß es uns nicht allen durchaus locker von der Zunge kommt, wenn wir sagen: Ich gehe arbeiten, oder ich gehe nicht arbeiten, ich bin zu Hause, ich bin nicht zu Hause. Ich habe erst vor kurzem in diesem Hohen Haus mit großer Aufmerksamkeit einer Rede der Frau Abgeordneten Moser gelauscht; sie hat genau das gesagt: "eine Frau, wenn sie nicht gearbeitet hat". Es ist eben eine ganz klare Sache: Wenn wir von Arbeit reden, reden wir in diesem Land von Erwerbsarbeit. Wir alle in diesem Land wissen, wieviel nicht bezahlte Arbeit hierzulande verrichtet wird. Diese Arbeit anerkennen wir vor allen Dingen auch deswegen, weil sie meistens von Frauen verrichtet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters bin ich Frau Abgeordneter Brinek sehr dankbar für den Hinweis, mit dem sie uns auf die richtige Fährte führt, was das Karenzgeld für alle betrifft. Denn ich bin erst vor kurzem gemeinsam mit Kollegen Bartenstein hier auf der Regierungsbank gesessen. Damals hat er sehr ausführlich geschildert, wie toll das Karenzgeld für alle ist, weil man weiterarbeiten könne, keine Beschränkungen habe und sich aussuchen könne, wie man arbeitet: zu Hause, nicht zu Hause, erwerbstätig, nicht erwerbstätig. – Gut.

Daraufhin habe ich ihn gefragt, wie das ist, wenn sie eine gutbezahlte Kraft ist, wenn auch er eine gutbezahlte Kraft ist und wenn sie miteinander vielleicht 100 000 S verdienen: Um die 6 000 S an Karenzgeld für alle kaufen sie sich ein Au-pair-Mädchen ein, das ist doch hervorragend! Darauf hat er mir geantwortet: Das ist nicht sein Modell, das ist nicht das "Karenzgeld für alle". (Abg. Tichy-Schreder: Seit wann "kaufen" Sie Menschen, Frau Mag. Prammer? Seit wann "kaufen" Sie Menschen? Es ist peinlich, wenn man Menschen "kauft"!)

Deshalb möchte ich gerne wissen, was jetzt wirklich das Modell der ÖVP für das "Karenzgeld für alle" ist. Muß man zu Hause bleiben, oder muß man nicht zu Hause bleiben? (Abg. Dr. Graf: Jetzt stellen die Minister schon Fragen von der Regierungsbank!) – Diese interessante Geschichte wäre es wert beantwortet zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist das SPÖ-Modell eingefordert worden, ich habe die Antwort gegeben. Ich wünsche mir auch die Klarstellung des ÖVP-Modells. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Sie sollen Fragen beantworten und nicht Ihr Privileg, daß Sie unbeschränkt reden dürfen, ausnützen!)

20.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise folgende Anträge dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu: 751/A, 752/A, 753/A, 754/A und 755/A.

16. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden soll (1038/A)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung. (Abg. Dr. Khol – in Richtung Bundesministerin Mag. Prammer –: Ein peinlicher Beitrag, Frau Prammer!)

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Öllinger. (Abg. Öllinger – auf dem Weg zum Rednerpult –: Bitte auf 5 Minuten!) 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.15

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Graf: Wenn man auch nicht mit Öllinger einverstanden ist: Aber er ist kompetent!) Danke. – Im Jänner 1999 hat die Wahlkommission bei den Arbeiterkammerwahlen für das Land Vorarlberg getagt, um zu entscheiden, ob türkische Staatsangehörige zugelassen werden. Die Entscheidung war eindeutig, Kollege Kaufmann kennt sie: Sie lautete auf 15 Stimmen zu 1 Stimme gegen das Wahlrecht für ausländische Staatsangehörige, im konkreten Fall gegen das passive Wahlrecht für türkische Staatsangehörige.

Diese eine Stimme, die dagegen gestimmt hat, war die Stimme des Bezirkshauptmannes. Natürlich war es auch für mich verwunderlich, daß es in Vorarlberg, im Bezirk Feldkirch, einen gibt, der dagegen gestimmt hat. (Abg. Dr. Feurstein: Ich kenne ihn gut!) Ich habe versucht, mich kundig zu machen, und bin dabei fündig geworden. Mir wurde von Vorarlbergern, von Journalisten erklärt: Bei uns sind die Beamten im EU-Recht gut ausgebildet. – Dort weiß jeder und jede, was es geschlagen hat und daß das EU-Recht in dieser Frage unzweifelhaft eindeutig ist. Nur die 15 Mitglieder der Wahlkommission, SPÖ, ÖVP und Freiheitliche, diese drei haben "Nicht wissen, nicht hören, nicht sehen" gespielt: "Wir wissen von nichts."

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, spielen dieses Spiel auch. Sie wissen, daß es seit dem Jahre 1994 einen Beschluß des Europäischen Gerichtshofes gibt, in dem Luxemburg verurteilt wurde, weil es den EU-Staatsbürgern nicht das passive Wahlrecht einräumt. – Kollege Kaufmann! Sie wissen, daß Sie mit Ihrer Stimme im vorigen Jahr eine Novelle zum Arbeiterkammerwahlrecht beschlossen haben, die den EU-Staatsbürgern wiederum nicht das passive Wahlrecht einräumt. (Abg. Mag. Kaufmann schüttelt verneinend den Kopf.) Selbstverständlich, lesen Sie es doch!

Beim Wirtschaftskammergesetz wurde es immerhin gemacht, beim Arbeiterkammergesetz wegen des Herrn Khol und seiner ÖVP-Riege nicht. Das war der Grund. (Abg. Dr. Khol: Beim Wirtschaftskammergesetz auch nicht!) Selbstverständlich! Lesen Sie nach, Herr Kollege Khol! Das Wirtschaftskammergesetz hat es eingeräumt, das Arbeiterkammergesetz nicht. (Abg. Mag. Kaufmann: Das ist sowieso klar!)

Sie wissen, daß es zwei Schreiben der EU-Kommission an Österreich gibt und daß die Kommission Österreich um Stellungnahme gebeten hat. Wir werden sehen, was die Antwort ergibt – es gibt auch eine Anfrage von uns zu diesem Thema –, aber ich würde meinen, die österreichische Bundesregierung hat Besserung zugesagt. Die Besserung steht jedoch aus! Österreich ist EU-Rechts-säumig. "Vertragswidrig" heißt das auch. Wir geben den EU-Staatsangehörigen bei den Arbeiterkammerwahlen nicht das passive Wahlrecht. Es ist so, lesen Sie die Arbeiterkammergesetz-Novelle: Sie haben Gegenteiliges beschlossen, Herr Kollege Kaufmann! Ich habe das sehr aufmerksam studiert: Es wird ihnen nach wie vor verweigert.

Es geht mir natürlich nicht nur um die EU-Staatsbürger und EU-Staatsbürgerinnen. Denn selbstverständlich – Assoziationsvertrag hin und her – sind zumindest die türkischen Staatsangehörigen nach dem Assoziationsvertrag gleichzustellen, und weil Sie wissen, daß damit eine Kette losgetreten werden würde, verweigern Sie das. Denn Sie wissen: Wenn es die türkischen Staatsangehörigen bekommen, dann müßten es eigentlich auch die marokkanischen, algerischen und tunesischen Staatsangehörigen – wiederum gemäß Assoziationsvertrag – ebenfalls bekommen.

Dann aber müßten es eigentlich alle bekommen, weil es immerhin noch Diskriminierungsbestimmungen, auch im Verfassungsrang, in Österreich gibt, die verbieten, daß die eine Gruppe von ausländischen Staatsangehörigen – Nicht-EU-Bürger – den anderen gegenüber ungleich gestellt wird.

Das alles wissen Sie. Sie wissen um jene zwei Schreiben, Sie wissen, daß Österreich ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu erwarten hat, Sie wissen, daß Luxemburg schon im Jahre 1994 verurteilt worden ist – und trotzdem machen Sie nach wie vor das gleiche wie vor vier, fünf Jahren, als diese Fragen von uns zum ersten Mal eingebracht wurden: Sie verweigern sich! Sie sind nicht bereit, den ausländischen Staatsangehörigen diese Rechte zuzugestehen, obwohl sie ihnen zustehen, ganz egal, ob es dabei um EU-Staatsbürger geht oder um Nicht-EU-Staatsbürger. Sie brechen europäisches Recht, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien!

Wir haben Ihnen das schon oft gesagt. Sie haben die Konsequenzen zu ziehen. Deshalb halten wir die erste Lesung für sinnvoll.

Wäre die EU-Kommission im Moment nicht in einer dermaßen bedauernswerten Lage, weil sie mit sich anstelle mit den Problemen Europas beschäftigt ist, ich glaube, die Strafe für Österreich würde auf den Fuß folgen. Die Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof ist so sicher wie das Amen im Gebet. (Beifall bei den Grünen.)

20.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.21

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Öllinger! Sie haben mit den Ereignissen in der Hauptwahlkommission in Vorarlberg begonnen. Es geht aber jetzt eigentlich um die erste Lesung eines Antrages betreffend das generelle – wie ich Ihrem Antrag entnehme – Ausländerwahlrecht bei der Arbeiterkammerwahl. (Abg. Dr. Kier: Ja, das stimmt!)

Ich muß einmal einräumen, daß dieser Sachverhalt nicht ganz einfach ist und daß es dabei sehr viele Für und Wider gibt. (Abg. Öllinger: Nein!) O ja, ich werde Ihnen das sofort auseinandersetzen. Erstens einmal teile ich Ihre Meinung, daß klar ist, daß EU-Staatsbürger und in weiterer Folge ... (Abg. Öllinger: Sie haben Gegenteiliges beschlossen!) Eben nicht! Ich werde das sofort ausführen.

Ich teile Ihre Meinung, daß klar ist, daß EU-Staatsbürger und EWR-Staatsbürger das passive Wahlrecht bei der Arbeiterkammer haben. Warum? – Es gibt das Luxemburger Urteil, wie Sie selbst erwähnt haben, und es ist klar, daß immer das gesamte Gesetzeswerk und nicht ein einzelnes Gesetz zu sehen ist. Wenn man das gesamte Gesetzeswerk sieht, so kann man, wie Sie es ohnehin getan haben, daraus ableiten, daß natürlich EWR-Staatsbürger und EU-Staatsbürger das passive Wahlrecht haben. (Abg. Öllinger: Aus dem Arbeiterkammergesetz kann man das ableiten? Sicher nicht!) Aus dem gesamten Regelwerk – Arbeiterkammergesetz plus dazugehörige EU-Bestimmungen plus Luxemburger Urteil –, aus all diesen Rechtswerken ergibt sich dieses Wahlrecht, auch wenn es nicht explizit im Gesetz steht. (Abg. Öllinger: Warum schreiben Sie es dann nicht hinein?) – Soviel erstens.

Der zweite Punkt – und um diese Frage geht es in Wirklichkeit in Vorarlberg – ist das passive Wahlrecht für Drittstaatenangehörige. Da muß man wieder auf der einen Seite Drittstaatenangehörige, die Staatsbürger eines Staates sind, mit dem Österreich ein Assoziationsabkommen abgeschlossen hat, und auf der anderen Seite Staatsbürger von Staaten, mit denen Österreich ein solches Abkommen nicht abgeschlossen hat, unterscheiden. Im ersten Fall, also in dem Fall, daß Österreich ein Assoziationsabkommen abgeschlossen hat – zum Beispiel im Fall der Türkei –, steht in diesem Abkommen, daß – in diesem Fall, als Beispiel nur – für türkische Staatsbürger die Arbeitsentgelte und die sonstigen Arbeitsbedingungen gleichrangig zu sein haben.

Die wirkliche Frage ist: Was sind "sonstige Arbeitsbedingungen"? (Abg. Öllinger: Das ist keine Frage mehr!) Das ist schon eine Frage! (Abg. Öllinger: Nur noch für Sie!) Das ist nicht ausjudiziert, und daher gibt es auch keine Sprüche, kein EuGH-Urteil et cetera. (Abg. Öllinger: Aber 14 europäische Länder, die das anders handhaben!) – Ist ja nicht wahr!

Nur für den Fall, daß "sonstige Arbeitsbedingungen" das passive Wahlrecht zum Beispiel bei Arbeiterkammern umschließt, hätten Sie recht. Aber das ist in Wirklichkeit nicht definitiv klargestellt und auch noch ausjudizierbar, ein Unterschied eben zum Wahlrecht der EU-Staatsbürger und der EWR-Staatsbürger, woraus sich das selbstverständlich ergibt. (Abg. Öllinger: Sie wollen es nicht!)

So wie Sie in Ihrem Antrag argumentieren, nämlich daß ausländische Staatsbürger aufgrund des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung das passive Wahlrecht bei der Arbeiterkammer hätten, muß ich sagen, das ist sicher keine richtige Rechtsansicht. Über den zweiten Punkt können wir noch streiten.

Aber der letzte Punkt stimmt ganz sicher nicht. Ich sage Ihnen dazu ein Beispiel. Wenn Ihnen das passive Wahlrecht ausländischer Arbeitnehmer wirklich am Herzen liegt – und ich glaube Ihnen das –, dann hätten Sie ja schon seit dem Jahre 1973 diese Bestimmung einsetzen können. Sie hätten seit 1973 Zeit gehabt, um das passive Wahlrecht aufgrund dieser Bestimmung, die Sie hier anführen, durchzusetzen. (Abg. Öllinger: Nein! Es ist klar, daß die Regelungslegitimation die Kammer hat!)

Das rote Licht blinkt; ich versuche, zum Schluß zu kommen. – Es ist also wirklich eine Frage, wie man in dieser Sache vorgeht. (Abg. Öllinger: Verzetnitsch ist ganz ruhig in seinen Sessel gesunken! Er weiß es!) Es gibt, wie gesagt, diese drei Kategorien, die ich erwähnt habe.

Aber besonders kommt es mir darauf an, festzustellen, daß es bei der Arbeiterkammer in Wirklichkeit darum geht, daß Leistungen angeboten werden. In Wirklichkeit geht es auch darum, daß die Arbeiterkammer ein riesiger Dienstleistungsbetrieb ist. Da aber gibt es überhaupt keine Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer. (Abg. Öllinger: Die sozialen Beiträge ...!)

Zum Beispiel gibt es im Falle der niederösterreichischen Arbeitnehmer pro Jahr 130 000 Beratungen, Interventionen oder Vertretungen vor Gericht im Konsumentenschutz, im Sozialrecht und im Arbeitsrecht. Insbesondere in arbeitsrechtlichen Belangen wird diese Leistung von ausländischen Arbeitnehmern sicher nicht unterproportional wahrgenommen (Abg. Öllinger: Vielleicht, weil deren Rechte öfter verletzt werden!) – genau! –, weil gerade sie in Dienstverhältnissen arbeiten, in denen arbeitsrechtliche Verletzungen relativ häufig sind.

Der wesentliche Punkt für mich ist daher – und das ist dabei das Wichtigste –, daß die Dienstleistungen der Arbeiterkammer, daß das gesamte Leistungsangebot der Arbeiterkammer allen, natürlich auch ausländischen, Arbeitskräften zur Verfügung stehen.

Die Frage des Wahlrechtes ist für den Bereich EU- und EWR-Staatsbürger meiner Meinung nach geklärt und muß für den Fall jener Staatsbürger, für die es ein Assoziationsabkommen gibt, oder möglicherweise darüber hinaus überhaupt erst geklärt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Öllinger: Was wollen Sie? Das hätten wir gern geklärt!)

20.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.27

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grunde geht es in dieser Diskussion um eine ganz einfache Frage. Sie lautet: Sollen die türkischen Staatsbürger in unseren gesetzlichen Interessenvertretungen vertreten sein, oder wollen wir weiterhin, daß in diesen gesetzlichen Interessenvertretungen Österreicherinnen und Österreicher Sitz und Stimme haben?

Darum geht es Ihnen. Es geht Ihnen um gar nichts anderes! Darum ging es Ihnen, als Sie bei der letzten Arbeiterkammergesetz-Novelle Anträge gestellt haben, und darum ging es Ihnen, als Sie in Vorarlberg einen Wahlvorschlag mit mehreren türkischen Staatsbürgern eingebracht haben. Im Grunde ging es Ihnen nur ums Provozieren und ums Ausprobieren, wie weit die anderen gehen!

Ein Beweis dafür ist meiner Ansicht nach auch die Klage, die Sie jetzt einbringen wollen oder eingebracht haben, Herr Abgeordneter Öllinger. Ich weiß nicht: Haben die Grünen diese Klage wirklich eingebracht, oder haben sie sie nicht eingebracht? – Das ist bis zur Stunde für mich nicht ganz klar. (Abg. Öllinger: Das werden Sie erfahren!)

Auf jeden Fall wollen Sie wahltaktisch agieren. Darum geht es Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen: wahltaktisch zu agieren! Dazu darf ich Ihnen aber noch etwas sagen. (Abg. Öllinger: "Wahltaktisch" mit Nichtwählern – ist das Ihr Argument?) Wahltaktisch zu agieren, um nichts anderes als darum geht es Ihnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt nenne ich Ihnen noch einen zweiten Punkt. Wir haben diese Frage im Rahmen des Arbeiterkammerwahlrechtes eingehend diskutiert. Ich stimme grundsätzlich der Rechtsauffassung meines Vorredners zu, die hier dargelegt worden ist. (Abg. Öllinger: Das ist eine bedenkliche Rechtsauffassung!) Ja, ich stimme der Rechtsauffassung zu, die hier dargelegt worden ist, weil das die Rechtsauffassung ist, die wir anläßlich der Behandlung des Arbeiterkammerwahlrechtes und Arbeiterkammergesetzes im Ausschuß und auch vor den Ausschußberatungen sehr eingehend erörtert haben. (Abg. Öllinger: Was ist mit dem Bezirkshauptmann von Feldkirch?)

Ich kenne den Bezirkshauptmann, ich habe diese Dinge mit dem Bezirkshauptmann von Feldkirch eingehend erörtert. Er hat sehr wohl die Stellungnahme des Verfassungsdienstes gekannt, aber aus persönlichen Überlegungen – aus rein persönlichen Überlegungen; nicht aus juristischen Überlegungen, sondern aus rein persönlichen Überlegungen (Abg. Öllinger: Ein Beamter?) – jawohl, weil er als Vorsitzender der Wahlkommission unabhängig sein und sich in die ganze Angelegenheit nicht einmischen wollte – hat er dieses Stimmverhalten an den Tag gelegt. Kein juristisches Stimmverhalten war maßgebend. (Abg. Gaugg: Aber teilen wird er sich nicht können, oder?)

Ich habe Ihnen jetzt seine Haltung erklärt. (Zwischenruf des Abg. Gaugg.) Er wollte in dieser Sache unabhängig sein, und als unabhängiger Vorsitzender kann er stimmen, wie er will, Herr Abgeordneter Gaugg! Ich würde ihm nie vorschreiben, wie er abzustimmen hat, meine Damen und Herren! Er kann als Vorsitzender abstimmen, wie er will. (Abg. Gaugg: Was Sie machen, ist Rechtsbeugung!)

Sie haben natürlich ein anderes Rechtsverständnis, Herr Abgeordneter Gaugg von den Freiheitlichen! Sie machen Vorschriften. Sie machen Ihren Abgeordneten Vorschriften! (Abg. Gaugg: Und Sie machen schlechte Gesetze, Herr Abgeordneter Dr. Feurstein!) Bei Ihnen gibt es für jeden Maulkorberlässe. Und wir wehren uns gegen diese Maulkorberlässe bei den Freiheitlichen! (Beifall bei der ÖVP.)

Letzter Punkt: Ein klares Bekenntnis ... (Zwischenruf des Abg. Gaugg.) Ja! Bei Ihnen gibt es Maulkorberlässe, das habe ich Ihnen gesagt! Ich sage meine persönliche Meinung. Ich meine, daß wir ganz klar zum Ausdruck bringen müssen, was die Staatsbürgerschaft bedeutet, was es bedeutet, Österreicherin oder Österreicher zu sein. Und für mich ist es ganz entscheidend, daß davon auch das Wahlrecht abhängt. Wenn jemand in unserem Staat und in unserer Gemeinschaft besondere Rechte haben will, dann soll er sich meiner Meinung nach voll dazu bekennen und soll um die Staatsbürgerschaft ansuchen. Und wenn er um die Staatsbürgerschaft ansucht, dann wird er sie, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, auch bekommen. Damit ist das klare und eindeutige Bekenntnis zum österreichischen Staat gegeben, und das passive Wahlrecht ist ein entscheidendes Recht für Österreicherinnen und Österreicher, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

20.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Gaugg. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.32

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Direktor Kaufmann hat – wie man landläufig sagt – hier am Rednerpult einen Eiertanz vollzogen, weil sich in Wirklichkeit die sozialistische Fraktion in der Arbeiterkammer darüber uneinig ist, wie sie sich verhalten soll. Das zeigt allein das Stimmverhalten: Die Arbeiterkammer Wien ist für ein passives Wahlrecht der türkischen Ausländer, und die Bundesarbeitskammer ist dagegen. Das zieht sich quer durch die gesamte Partei, aber nicht aus ideologischen oder rechtlichen Überlegungen, sondern ausschließlich deswegen, weil Sie Angst vor dem Wähler haben. Würden wir nicht unmittelbar vor Arbeiterkammerwahlen stehen, dann wäre die SPÖ meiner Meinung nach dazu geneigt, alle Rechte im Rahmen einer gesetzgebenden Körperschaft, wie sie die Arbeiterkammer darstellt, zu öffnen.

Ich halte es für bedenklich, daß wir in Österreich leichtfertig damit umgehen, daß es heute einzelne Gruppen gibt, die allen Ausländern dieselben Rechte wie der heimischen Bevölkerung einräumen wollen. Gegen Rechte der Ausländer ist so lange nichts zu sagen, als die österreichischen Arbeitnehmerrechte nicht eingeschränkt werden. Aber wenn wir dazu übergehen, die ethnischen Konflikte und die Sozialkonflikte, die nun einmal Realität sind, auch im Arbeitnehmerparlament zuzulassen, dann habe ich durchaus meine Bedenken.

Ich habe auch meine Bedenken gegen die Formation der Arbeiterkammer insgesamt. Herr Abgeordneter Kaufmann! Ein Argument sticht mit Sicherheit nicht: Wenn Sie sagen, daß 130 Beratungen alljährlich in der Arbeiterkammer Niederösterreich stattfinden, dann mag die Zahl zwar stimmen. Darunter sind aber sehr viele, die keinen Beitrag leisten und keine Mitglieder der Arbeiterkammer, sondern Pensionisten, Selbständige oder ehemalige Arbeitnehmer sind. Und ich meine, es wäre einmal an der Zeit, auch darüber nachzudenken! Denn Sie treten für die Zwangsmitgliedschaft ein, mißbrauchen diese aber letztlich dafür, um die Arbeiterkammer großzügig auftreten zu lassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kaufmann.)

Wir haben am Samstag ja die großzügigen Spendenaktionen des Arbeiterkammerpräsidenten und des ÖGB-Präsidenten miterleben dürfen! (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) Da war aber kein einziger Schilling aus der Tasche des Herrn Verzetnitsch, sondern das waren Beiträge von Zwangsmitgliedern, wobei Sie nicht ein einziges Mitglied gefragt haben, ob es in Ordnung ist, daß die Arbeiterkammer 600 000 S für den Kosovo spendet. (Abg. Verzetnitsch: Freiwillige Mitglieder!) Wenn Sie so großzügig sind, dann möchte ich meinen, daß Sie das aus Ihrer eigenen Tasche zahlen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mißbrauchen Sie nicht die Situation einer kriegerischen Auseinandersetzung dafür, PR für ein Unternehmen zu betreiben, das das überhaupt nicht notwendig hat, das seine Legitimation in der gegenwärtigen Form längst verloren hat. Denn erstens wäre es wichtig, die Zwangsmitgliedschaft aufzuheben. Denn dann würde sich wahrscheinlich auch das Problem jener bei den Wahlen ändern, die sicher durchaus freiwillig dazu bereit wären, Beiträge zu leisten. Dann kann man darüber nachdenken. Aber solange es Zwangsbeiträge in Österreich gibt, kann es nicht sein, daß Nicht-EU-Bürger ein passives Wahlrecht erhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

20.36

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Diese heutige erste Lesung ist so erhellend wie alle bisherigen ersten Lesungen zu diesem Gegenstand. Es ist keine besondere Leistung, vorherzusagen, daß diese Initiative dasselbe Schicksal erleiden wird wie ihre Vorgängerinnen, nämlich schlußendlich nach lustlosen Beratungen im zuständigen Ausschuß keine Mehrheit zu finden.

Ich bedauere jetzt schon, daß der Antrag des Kollegen Öllinger wahrscheinlich dasselbe Schicksal erleiden wird. Vielleicht hat er Glück, und es kommt im Ausschuß zu keiner Abstimmung mehr. Dann wird sich das durch den Ablauf der Legislaturperiode erledigen.

Aber es ist trotzdem wichtig und wertvoll, immer wieder darauf aufmerksam zu machen – und ich erinnere mich an die letzte Debatte betreffend einen Antrag der liberalen Fraktion ähnlicher Art, und wir werden auch noch weitere erleben –, bis sich diese völlig verhärteten Standpunkte endlich einmal auflösen. Denn es ist nicht einzusehen, was schlecht daran sein soll, wenn man den Menschen eine Stimme gibt. (Abg. Dr. Feurstein: Stimme darf er geben!) Kollege Feurstein hat das schon ausgeführt, und ich werde zeitökonomisch versuchen, darauf einzugehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein.) Mitglied sind sie. Stimmen dürfen sie ein bißchen. Aber wählen dürfen sie sich nicht lassen, und das, obwohl man weiß, daß die Durchflutung mit Demokratie ein Mittel ist, Konflikte vorbeugend zu lösen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Gerade wenn Sie Angst haben, daß Konflikte entstehen können, sage ich Ihnen: Geben Sie ihnen das volle Wahlrecht, das aktive und passive, dann können die Konflikte in den wahlwerbenden Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Dann gibt es ein Wahlergebnis, dann gibt es Mehrheiten – unterschiedliche, stabile, größere, kleinere –, und dann gibt es vor allem auch in den Parlamenten und in diesem Fall in den Vollversammlungen der Arbeiterkammer in der Debatte die Stimme dieser Leute. Denn das "Stimme-Geben" hat in diesem Fall einen Doppelsinn: Man darf stimmen, kann gewählt werden und darf dann in der Vollversammlung reden und mitsprechen. Auch wenn man in der Minderheit ist, kann man mitsprechen. Kollege Öllinger hat vorgeführt, wie das ist. Ich führe es Ihnen vor. Wir werden die Mehrheit nicht wenden, wenn wir hier sprechen. Aber immerhin ist das ein demokratiepolitisches Ventil. Und gerade dann, wenn Sie Konflikte befürchten, sollten Sie dieses Ventil nicht zuschrauben, noch dazu, als es ja Präjudizien in der Landschaft gibt! Ich erinnere an die Eisenbahner mit ihrem eigenen Betriebsverfassungsgesetz. Sie haben das eingeführt, und die Republik ist nicht zusammengebrochen. Es funktioniert!

Es war soviel vom europäischen Wirtschaftsraum und vom EU-Recht die Rede, nach welchem das an sich klar sei, daß das nur die anderen Ausländer betrifft, die Türken vielleicht, diese sind aber assoziiert, daher wisse man das nicht so genau: Verboten ist es gemäß EU-Recht jedenfalls nicht, die Demokratie auszuweiten. Verboten ist es nicht! Wir hätten keinen Konflikt, wenn wir das einführen und damit das machen, was in vielen anderen europäischen Ländern auch der Fall ist. Wir würden damit also nicht EU-Recht brechen. In der gegenwärtigen Situation verletzen wir es hingegen tendenziell, und das ist ungünstig, denn es ist peinlich genug, wenn wir bei anderen Gelegenheiten immer als diejenigen vorgeführt werden, die man erst auffordern muß!

Kollege Feurstein! Ich glaube nicht, daß Kollege Öllinger diesen Antrag ausschließlich wegen der Türken gestellt hat. (Abg. Dr. Feurstein: Natürlich! Warum hat er denn keine Deutschen auf der Liste?) Das glaube ich nicht. Ich glaube, er hat im Antrag klar zum Ausdruck gebracht, daß er möchte, daß das passive Wahlrecht unabhängig von der Staatsbürgerschaft allen zustehen sollte. Die Türken kommen darin gar nicht vor. Sie sind nur ein Sonderfall, weil sie durch die Assoziationsverträge mit der Union möglicherweise ohnedies jetzt schon Rechtsansprüche darauf hätten. Daß dieser Rechtsanspruch nur über europäische Instanzen durchgesetzt werden könnte, das ist vielleicht unangenehm. Alle anderen hätten es aber nicht. Es sei denn, die EU oder der EWR werden ausgeweitet. Aber das brauche ist jetzt nicht näher auszuführen.

Daher sage ich Ihnen: Die Eisenbahn fährt immer noch. Das Betriebsverfassungssystem ist noch nicht zusammengebrochen. – Vielleicht sollte man das doch in Erwägung ziehen, denn es ist eine logische Ableitung aus dem Konstrukt der gesetzlichen Mitgliedschaften, daß es nicht ohne weiteres gesetzliche Mitglieder zweier Kategorien geben kann.

Das gilt im übrigen auch für den Wirtschaftsbereich: Dort hat man das etwas besser gelöst. Wenn wir aber allgemein ernst genommen werden wollen, dann sollten wir eine so kleine Änderung doch eher bald vornehmen!

Ich hoffe, es kommt noch in dieser Legislaturperiode zu Beratungen im Ausschuß. Ich bin unverbesserlich und hoffe, daß es vielleicht doch irgendeinen Kippunkt und eine Mehrheit gibt. Wenn nicht, wird Ihnen auch in der nächsten Legislaturperiode dieses Thema nicht erspart bleiben.

Es trägt auch nicht besonders zur Popularität bei. (Zwischenruf des Abg. Jung.) Aber es gibt hinlänglich viele Wähler, die der Meinung sind, daß man, wenn man eine klare demokratiepolitische Meinung hat – und die Demokratie nicht ausschließlich aus Opportunitätsgründen so biegt, wie man es gerade braucht, Herr Kollege Jung! – , auch für das eintritt, was man meint. Sie dürfen für das eintreten, was Sie meinen, nämlich für die Ausgrenzung. Es ist nur manchmal schwer auszuhalten! (Abg. Jung: Demokratie ist Volksherrschaft)

Demokratie ist nicht nur, wenn man quasi den Meinungsumfragen nach dem Maule redet, sondern daß man seine Meinung einbringen und zur Kenntnis nehmen kann, wenn sie nicht mehrheitsfähig ist. (Abg. Jung: Es gelingt Ihnen offenbar nicht, Ihre Meinung einzubringen!) Herr Kollege Jung! Über meine Performance wird momentan nicht debattiert! (Abg. Jung: Aber abgestimmt!) Über meine Performance wird nicht abgestimmt, meine Performance wird hier nicht zur Diskussion gestellt, eher Ihre Auffassungsfähigkeit, ob das Argument richtig ist! Es wird eher über Ihre Auffassungsfähigkeit abgestimmt!

Und wenn der zitierte Bezirkshauptmann von seinem – in diesem Fall übrigens demokratisch gestützten – Recht Gebrauch gemacht hat, in seiner Eigenschaft als Angehöriger der Wahlkommission abzustimmen, wie er will, dann ist das bemerkenswert. Herr Kollege Feurstein hat das sofort eingeräumt. Er wollte nur sagen, daß das Stimmverhalten kein Rechtsgutachten war. Damit hat er schon recht! Aber es ist doch bemerkenswert, wenn ein immerhin hoher Beamter – und ein Bezirkshauptmann ist ein hoher Beamter, denn die Bezirkshauptmannschaft ist eine der wichtigsten autokratischen Behörden, die wir haben – seine Meinung durch sein Stimmverhalten so ausdrückt, dann ist das nicht nichts! Denn er ist ein öffentlich-rechtlicher Bediensteter, er hat für den ganzen Bezirk einiges zu leisten, und er positioniert sich damit, und zwar im demokratiepolitischen Sinne.

Ich bin froh darüber, daß es Bezirkshauptleute gibt, die sich demokratiepolitisch positionieren, auch wenn es jemandem wie Kollegen Jung nicht gefällt. – In Kärnten wird so etwas vielleicht in Zukunft nicht mehr stattfinden, weil der neue Landeshauptmann möglicherweise mit Weisung den Vorsitzenden der Wahlkommissionen mitteilen wird, wie sie als Beamte abzustimmen haben! Aber diese dritte Republik ist eine völlig andere Demokratiebaustelle! Daß man bei solchen Leuten kein Verständnis findet, wenn man gleiche Rechte für gleiche Pflichten fordert, das wundert uns nicht! – Danke schön.

20.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist noch Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Restredezeit Ihres Klubs: 15 Minuten. – Bitte.

20.43

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich als öffentlich Bedienstete eine Bemerkung mache, denn ich bin jetzt ganz verwirrt. Ich habe gehört, daß sich Herr Präsident Verzetnitsch, der immerhin der Präsident eines sehr mitgliederstarken Vereins ist, bei dem man ja das Privileg hat austreten zu können, für das passive Betriebsratswahlrecht einsetzt. Der Herr Kammeramtsdirektor hat hingegen hier versucht, irgendwie die Kurve zu kratzen, und zwar – wie ich meine – völlig unzulänglich. Denn er sitzt einer Institution vor, in der man nicht das Vergnügen hat, wenn einem etwas nicht paßt, austreten zu können, weil man verpflichtet ist, dafür Beiträge zu zahlen.

Herr Kaufmann! Ich muß Ihnen sagen: Ich verstehe das überhaupt nicht! Ich verstehe nicht, wie jemand, der – und das nehme ich von Ihnen an! – mit Leib und Seele Interessenvertreter ist, und zwar von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, hier überhaupt eine solche Argumentation bringen kann! Denn selbstverständlich wird die Arbeiterkammer Rechtsvertretungen machen. Ich gehöre zu jenen, die sich im Parlament über die Jahre massiv für die Pflichtmitgliedschaft eingesetzt haben, und zwar im Wissen darum, welche Dienstleistungen es dadurch für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gibt! Aber ich verstehe nicht, warum jemand hier juristisch so verbohrt zu argumentieren versucht, obwohl es kein Argument gibt. Der mir völlig unbekannte Bezirkshauptmann aus Feldkirch in Vorarlberg hat zumindest bewiesen, daß er Zivilcourage hat – was man in Vorarlberg zweifelsfrei auch braucht – und daß er wohl ein hervorragender Jurist ist. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kaufmann! Darum geht es: Der Wähler geht zum Schmidt und nicht zum Schmidl. Das wissen wir. Wenn Sie glauben, daß die Arbeiterkammer und all diese Bastionen insgesamt so, also in Ihren Händen, bleiben werden, wenn man in einer vorauseilenden Einschätzung eventuell Herrn Gaugg und seinen Freunden entgegenkommt, wenn auch nicht unbedingt inhaltlich, dann sind Sie am falschen Dampfer im wahrsten Sinne des Wortes! Denn die Arbeiterkammer soll ja ein Segelboot und kein Dampfer sein!

Deshalb meine ich: Tun Sie etwas! Seit dem Jahre 1990 sehe ich, daß alle irgendwie zerknirscht da sitzen, wenn es um dieses Thema geht und sich nichts ändert. An Herrn Feurstein kann ich mich nicht halten, denn er tritt für Rechte für Österreicher in Österreich ein und damit Sendepause. Und so kommen wir nicht weiter! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

20.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Es liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Der Antrag 1038/A wird dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zugewiesen.

17. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Ersten Bericht (III-177 der Beilagen) der Gentechnikkommission gemäß § 99 Abs. 5 des Gentechnikgesetzes, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (1737 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Petition (PET-30) betreffend "Der Gesetzgeber soll handeln, bevor es zu spät ist!", überreicht von der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat (1738 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 186/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Moratorium für Freisetzungsanträge von gentechnisch veränderten Organismen (1739 der Beilagen)

20. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 192/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG) und das Produkthaftungsgesetz, BGBl. Nr. 510/1994, geändert wird (1740 der Beilagen)

21. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 207/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (1741 der Beilagen)

22. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 208/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (1742 der Beilagen)

23. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 206/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz geändert wird (1743 der Beilagen)

24. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 213/A (E) der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Haftungsregeln für Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen (1744 der Beilagen)

25. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 399/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG), BGBl.Nr. 510/1994, geändert wird (1745 der Beilagen)

26. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 452/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird (1746 der Beilagen)

27. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Bürgerinitiative (BI-6) betreffend "Gentechnologie – nein danke!" (1747 der Beilagen)

28. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Bürgerinitiative (BI-13) betreffend "Klonierungsverbot von Tieren" (1748 der Beilagen)

29. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 757/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines eigenen Bundesgesetzes zur Regelung des Klonens beziehungsweise Klonierens von Menschen und Tieren (1749 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zu den Punkten 17 bis 29 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Haupt vor. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten wird angezeigt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.49

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur heutigen Debatte: Im Zusammenhang mit dem Gentechnik-Volksbegehren und den entsprechenden anderen Gesetzen und Initiativen, die im Ausschuß behandelt wurden, beziehungsweise mit den Berichten, die vorgelegt wurden, hat, glaube ich, die Parlamentarische Korrespondenz vom 15. April 1999 in ihrer kurzen Bemerkung eigentlich das Wesentliche zusammengefaßt: Während die österreichische Bevölkerung zu mehr als 70 Prozent der Meinung ist, daß Gentechnologie in Lebensmitteln nichts verloren hat, hat sie eigentlich die Praxis schon lange überholt.

1988/89 haben wir hier in der Enquete-Kommission noch einstimmig das Thema der Gentechnologie und deren Behandlung und die Verantwortlichkeit der gesetzgebenden Körperschaften und Verwaltungen im Hinblick auf die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung, aber auch im Hinblick auf die Freiheit von entsprechenden Lebensmitteln von Gentechnik diskutiert und verabschiedet. Inzwischen ist diese Allianz zwischen den vier damaligen Parlamentsparteien aber aufgebrochen. Die Regierungsparteien einerseits und die Oppositionsparteien anderseits sind mit ihren Vorschlägen tätig geworden, und es ist zur Kenntnis zu nehmen in einer Demokratie, daß die Regierungsparteien sämtliche Vorschläge der Oppositionsparteien abgelehnt haben. Diese Praxis müssen wir aber nicht hinnehmen.

Die Zusammensetzung der Gentechnikkommission ist aus meiner Sicht – und darüber sind sich die Oppositionsparteien einig – einseitig zu positiv wirtschaftlich orientiert und in ihrer Sicherheit nicht ausgewogen genug. Frau Bundesministerin! Sie haben zwar einige kleine Änderungen durchgeführt, wie wir sie im Ausschuß debattiert haben, aber es sollte nicht übersehen werden, daß die gesamte Zusammensetzung aus meiner Sicht und aus der Sicht der anderen Oppositionsparteien und vor allem aus der Sicht der Freiheitlichen Partei noch immer einseitig und nicht ausgewogen ist.

Ich glaube auch, daß wir mit der Einführung der Gentechnik und der gentechnologischen Forschung – sowohl in der Medizin und in der Veterinärmedizin als auch in der Landwirtschaft und in der Lebensmitteltechnologie sowie in allen anderen Bereichen von der Pharmazie bis hin zur Bearbeitung von Pflanzen mit industriellen Produktionstechniken, die heute auf der Gentechnik basieren – eine hohe Verantwortung übernommen haben. Auf der einen Seite steht die klassische Frage der Wissenschaft, was man erforschen darf, wie weit man forschen kann und inwieweit man als Wissenschafter auch bei allen Geboten betreffend Freiheit für Wissenschaft und Forschung für sein Handeln und für sein Tun verantwortlich ist. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage für die Politik und die Verwaltung, inwieweit man all das zulassen kann und inwieweit man verpflichtet ist, zum Schutz der Umwelt und der Bevölkerung einzugreifen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich glaube, daß die Regierung in den Bereichen des Schutzes der Umwelt, des Schutzes der Konsumenten und des Schutzes der österreichischen Bevölkerung eigentlich kläglich versagt hat. Ich glaube, daß sehr viele Vorschläge, die sowohl von seiten der Bürger über die Volksbegehren als auch von seiten der Oppositionsparteien gekommen sind, nicht nur diskussionswürdig, sondern auch annahmewürdig gewesen wären.

Es ist für uns die Tatsache festzustellen, daß bei mehr als 80 Prozent der Lebensmittel – und ich berufe mich jetzt auf eine Studie der Arbeiterkammer und nicht nur auf eigene Studien und Arbeiten – schon bei ihren Grundstoffen und Grundprodukten auf gentechnologisch vorbereitete Materialien zurückgegriffen werden muß. Daher stellt sich die Frage und muß geklärt werden, was heute überhaupt noch gentechnologisch frei und was gentechnologisch verändert ist beziehungsweise was in der heutigen Zeit zulässig und ungefährlich ist. Das ist eine spannende Frage, der sich aber der Ausschuß und in der Konsequenz auch die Regierung verweigert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich glaube, daß wir mehr leisten hätten können und daß wir Parlamentarier uns wieder einmal mit der unerquicklichen Frage beschäftigen müssen, ob wir überhaupt mit unserem Tempo der Erarbeitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen schnell genug sind, um parallel reagieren zu können, oder ob wir und die Verwaltung gerade bei diesen Themen, die sich einer rasanten Entwicklung erfreuen, so langsam sind, daß dann, wenn wir unsere Beschlüsse fassen, die wissenschaftliche Forschung eigentlich immer schon um zwei oder drei Schritte vor uns ist.

Ich glaube, daß der österreichische Konsument und die österreichische Bevölkerung auf diese entscheidenden Fragen eine Antwort bekommen sollten. – Aus meiner Sicht und aus der Sicht der freiheitlichen Fraktion ist die Antwort auf diese Frage eindeutig und klar negativ: Die Verwaltung und die Politik sind in diesem Bereich überfordert, sie haben zu langsam und zu zögerlich reagiert, vielleicht auch mit dem Willen, anderen Interessen und Lobbys Vorschub zu leisten. Auch das mag, Kollege Leiner, zugegeben sein. Ich glaube aber, daß wir im Interesse der Bevölkerung und im Interesse der Sicherheit unserer Umwelt sowie unserer Zukunft nicht immer weise Entscheidungen getroffen haben. Diese Kritik muß ich leider heute aufrechterhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.55

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zuerst möchte ich meinen Dank an alle Beteiligten für diesen interessanten und ausgewogenen Bericht aussprechen. Im Ausschuß wurden die Vorsitzenden und von meinem Vorredner wurde die ganze Kommission als zu gentechnikfreundlich abqualifiziert.

Ich kann im Bericht keine einseitige Haltung erkennen. Gerade diese Vorsitzenden, Sektionschef Dr. Bobek, ein profunder Kenner der Materie, der als Beamter zu höchster Objektivität verpflichtet ist, und mein sehr verehrter Lehrer, der hochgeschätzte, international anerkannte Wissenschafter und frühere Wissenschaftsminister Universitätsprofessor Dr. Tuppy, sind ebenso wie die anderen Mitglieder dieser Kommission Garanten für höchste Qualität, eingehende Prüfung und beste Ergebnisse. Ich gebe aber zu, daß mich persönlich kontroversielle Meinungen und Gegenstimmen bei nicht einstimmigen Beschlüssen interessieren.

In vielen Ausschußsitzungen und in der Plenardebatte haben wir uns eingehend mit vielen Aspekten der Gentechnik auseinandergesetzt. Ich stelle nochmals fest: Nur ein Fünftel der Wahlberechtigten stimmte für das Volksbegehren. Die restlichen vier Fünftel schienen keine so gravierenden Bedenken zu haben, um das Volksbegehren zu unterzeichnen. Wir haben derzeit eine ausgezeichnete Gesetzeslage im Bereich der Gentechnik, in der umfassend auf alle Bedürfnisse eingegangen wird. Eine Erweiterung ist daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht nötig! (Beifall bei der SPÖ.)

Als Ärztin sind mir in erster Linie alle mit der Gentechnik verknüpften medizinischen Fragen überaus wichtig. In der Medizin bieten Genanalysen und Gentherapie eine faszinierende Möglichkeit, Patienten zu helfen, und zwar gerade jenen, die die schwersten Leiden haben. Daß es vor allem im Bereich Genanalysen sehr ernste ethische Fragen gibt, ist allen klar. Trotzdem erachte ich die Möglichkeit, Bescheid zu wissen, welches Krankheitsrisiko man in sich birgt, als wichtig. Dies ist nach dem derzeitigen Wissensstand vielleicht bei der Chorea Huntington äußerst problematisch, bei der man zwar die Gewißheit des Krankheitsausbruchs, aber keine Möglichkeit der Verhinderung oder Heilung hat. Es ist aber sinnvoll, um eine Prädisposition für Brust-, Eierstock- und Darmkrebs festzustellen, denn derzeit ist Krebs nur bei Früherkennung und Operation heilbar.

Wer weiß, daß sein Erkrankungsrisiko höher ist, wird öfter zu den nicht immer angenehmen Vorsorgeuntersuchungen gehen und hat so bessere Überlebens- und Heilungschancen. Allen, die sagen, daß es so schrecklich ist, zu wissen, daß man ein erhöhtes Krankheitsrisiko hat, kann ich nur sagen: Der Tod ist für jeden von uns gewiß. Und man muß einem Patienten, wenn die Erkrankung manifest ist, dies auch mitteilen, und dann nämlich auch die oft viel schlechtere Prognose. Auch das müssen die Patienten psychisch verkraften.

Daß eine Pränataldiagnostik ein ethisches Problem darstellt, ist mir klar. Doch ich stimme mit dem Bericht überein, daß ein Verbot nicht sinnvoll ist.

Ich bin sehr froh, daß einige Zentren bereits die Genehmigung zur somatischen Gentherapie haben, obwohl ich gehört habe, daß die Dauer bis zur Genehmigung beträchtlich ist. Menschen, die schwerkrank sind oder solche Angehörige haben, hoffen auf diese Therapieform und fragen immer wieder danach. Bei wissenschaftlichen Vorträgen konnte man schon beeindruckende Erfolge sehen, der Durchbruch ist aber leider auch da noch nicht gelungen.

In meinem eigenen Fachgebiet, der Hämatologie, wäre eine exakte Diagnostik ohne molekularbiologische Untersuchungen unmöglich.

Zu einer Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen kam es jedoch bisher nicht. Das Vorsorgeprinzip wird immer penibelst eingehalten. Das Zukunftsprinzip sehe ich nicht immer im gleichen Maße so, hoffe aber auf eine positive Wende durch weitere Aufklärungen und Diskussionen, wie in diesem Bericht vorgeschlagen.

Stufenprinzip, demokratisches und ethisches Prinzip einzuhalten war nach dem vorliegenden Bericht immer möglich.

Interessant und gut zusammengefaßt war der Abschnitt über die Entwicklungen auf EU-Ebene. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Für die Zukunft wünsche ich mir ein Vorausblicken, wie es von unserer Frau Bundesministerin Mag. Prammer zum Beispiel im Bereich der Kennzeichnung praktiziert wird, jedoch keine generelle Verweigerung. In unserem Land wird gute Arbeit geleistet, nur mit hochwertiger Arbeit sind Arbeitsplätze zu halten und zu schaffen. Das Mitspracherecht der Bevölkerung, welches erst vor kurzem erweitert wurde, ist hervorragend. Die Bevölkerung muß jederzeit voll aufgeklärt sein, eine Manipulation über das Wecken von Emotionen ist hingegen undemokratisch.

Daher begrüße ich besonders die Schlußkapitel des Berichtes, die sich mit bildungs- und forschungspolitischen sowie wirtschaftlichen Konsequenzen befaßt haben. Sie berücksichtigen alle Aspekte, wollen aber Österreich nicht als Außenseiter sehen, sondern als Mitgestalter auf dem Weg ins dritte Jahrtausend.

Meine Fraktion nimmt daher diesen Bericht äußerst positiv zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

21.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. – Bitte.

21.00

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich darf mich zunächst gleich dem Bericht betreffend das Gentechnikgesetz zuwenden. Wir werden diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen, und zwar deshalb, weil er jede politisch konkrete Forderung vermissen läßt. Es ist ein Bericht, der das beschreibt, was wir nicht nur hier in den Debatten des Parlaments erlebt haben, und zwar begonnen mit der einstimmigen Annahme des Berichtes der Gentechnik-Enquetekommisssion bis hin zum Sündenfall der Schubladierung der Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens.

Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß in Wahrheit die eigentlichen Kernpunkte, die es im Bereich der Gentechnologie gibt – Kennzeichnung und Haftungsregeln –, bis heute mangelhaft geblieben sind. Solange das der Fall sein wird, gibt es in diesem Bereich keine ausgewogene Interessenvergleichung, sondern nur Lobbyismus. Das wird nicht nur der Entwicklung des Wirtschaftsstandortes nicht guttun – weil die Interessenkollision in Wirklichkeit außerhalb der Verfahren im freien Raum stattfindet –, sondern es wird insbesondere auch nicht dazu führen, daß in Österreich die Gentechnologie im besonderen und die Biotechnologie im weiteren als ein wichtiger Aspekt der Wirtschaft erkannt und durchgesetzt werden können.

Das sind Versäumnisse, die in den Rahmenbedingungen gemacht worden sind und die auch heute – wenn man sich die Anträge ansieht, die abgelehnt werden – offenbar noch bestehen. Es gibt keine Bereitschaft, da einen Schwenk zu machen und endlich zu fairen Bedingungen zu kommen.

Wir werden daher diesen Bericht ablehnen, insbesondere auch deshalb, weil es bis heute nicht möglich war, in den einzelnen Ausschüssen zu einer ausgewogenen Zusammensetzung zu kommen. Die wissenschaftlichen Ausschüsse sind nach wie vor von einseitiger – wenn auch durchaus wissenschaftlicher – Sicht dominiert. Es gibt in diesem Zusammenhang keine interessenausgleichende Beschickung, und das ist bei Ausschüssen, die eine Entwicklung betrachten sollen, einfach falsch. Es würde nicht schaden, dort auch sehr kritische Stimmen vertreten zu haben, weil die Mehrheit in der Zusammensetzung ohnehin anders aussieht. Das ist ein Versäumnis, zu dem man sich offenbar entschlossen hat, das man sehenden Auges in Kauf nimmt und für das es von den Regierungsfraktionen keine Bereitschaft zu einer Änderung gibt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte deshalb abschließend auf die Haftungsbestimmungen eingehen und Sie an folgendes erinnern: Als im Zuge des Gentechnik-Volksbegehrens die Haftungsbestimmungen geändert worden sind, war es so, daß ein Vorschlag, der vom Justizministerium gekommen ist und der durchaus zukunftsweisende Ansätze gehabt hat, nicht weiterentwickelt oder wenigstens in der bestehenden Form beschlossen worden ist. Statt dessen hat es einen 27a-Antrag gegeben, mit dem man diese Haftungsbestimmungen auch noch ausgehöhlt hat.

Es ist so, daß es heute noch eine zeitliche Begrenzung der Haftung bis zum faktischen Inverkehrbringen gibt. Es ist so, daß ein Haftungsausschluß für bloße Umweltschäden existiert. Es ist nach wie vor so, daß es einen Haftungsausschluß für den entgangenen Gewinn gibt, meine Damen und Herren! Man hat sich nicht dazu durchringen können, eine Beweiserleichterung für geschädigte Personen einzuführen.

Damit ist völlig klar, wie die Interessenlage auch in diesem Hause ist: Die Interessenlage dieses Hauses besteht in einer rechtlichen Bevorzugung derjenigen, die im Rahmen der Biotechnologie und der Gentechnologie wirtschaftlich aktiv sind. Man versäumt es nach wie vor, jene, die dadurch eventuell zu Schaden kommen oder die einen anderen Standpunkt vertreten, in den rechtlichen Rahmenbedingungen angemessen zu berücksichtigen.

Solange das nicht der Fall ist, sehen wir uns auch außerstande, einem solchen Bericht unsere Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

21.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte.

21.04

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, daß dieser Bericht im großen und ganzen eigentlich das darstellt, was heute Gentechnik vermag, und daß er auch die ethischen Aspekte mit einbringt. Ich glaube behaupten zu können, daß der Mensch niemals soviel technische Macht wie jetzt gehabt hat und demzufolge auch niemals zuvor in der Geschichte so viel Verantwortung zu tragen hatte wie heute.

Frau Primaria Pittermann hat diese Problemkreise sehr interessant und gut dargestellt, auch die Erfolge, die wir durch die Gentechnologie, die Gentechnik und die Biotechnik erreicht haben. Gentechnik im strengen Sinn liegt an sich erst dort vor, wo gezielt mit den einzelnen Elementen der Erbinformation, den Genen im Zellkern, diagnostizierend oder verändernd gearbeitet wird.

Sie haben auf die Genomanalyse hingewiesen. Ich sehe dort auch Gefahren. Wie Sie auch festgestellt haben, eröffnet sich damit die Gefahr der beruflichen und versicherungsmäßigen Selektion bis hin zur Ausgrenzung, ja zur Eliminierung.

Ebenfalls in Gebrauch sind gentechnische Verfahren bei der vorgeburtlichen Diagnostik. Verschiedene Erbkrankheiten – darauf haben Sie ebenfalls hingewiesen – werden diagnostiziert. In dieser Hinsicht bestehen selbstverständlich auch Probleme. Intensiv geforscht wird an gentechnischen Therapien von Erkrankungen wie der Leukämie. Neuerdings wird von ersten Erfolgen berichtet.

Die Gentechnik darf nicht allein aus ihrer spezifischen Natur heraus als unethisch bewertet werden. Technologie als solche ist wertfrei. Entscheidend ist eigentlich, wie wir damit umgehen (Abg. Ing. Langthaler: Das stimmt doch nicht!), wie wir Menschen sie verwenden und die Anwendungsmöglichkeiten entsprechend einsetzen. Diese müssen natürlich von Fall zu Fall im Hinblick auf ethische Werte beobachtet und geprüft werden.

Genauso wie es unethisch sein kann zu handeln, kann es unethisch sein, nicht zu handeln. Die Anstrengungen, mit Hilfe gentechnischer Methoden die Ernährungssituation in den Entwicklungsländern zu verbessern – zum Beispiel durch Entwicklung von schädlingsresistenten Pflanzen oder von Lebensmitteln mit verbesserter Nährstoffzusammensetzung –, dienen dem Ziel, Leiden zu vermindern.

Beiträge zur Reduktion von Energie- und Rohstoffverbrauch sowie Abfallmengen bei zahlreichen Herstellungsverfahren, Ersatzmöglichkeiten zur Beseitigung von Umweltverschmutzungen oder die Entwicklung von nachhaltigen Anbaumethoden in der Landwirtschaft beinhalten gentechnische Anwendungen zugunsten der Natur. Diese Möglichkeiten nicht zu nützen wäre unethisch – und nicht umgekehrt.

Übrigens verfolgt die Gentechnologie dieselben Ziele, wie sie mit den traditionellen Züchtungsmethoden seit Jahrtausenden angegangen werden. Sie werden nur gezielter, schneller und effizienter erreicht. Natürlich beinhaltet auch Gentechnologie das Potential des Mißbrauchs. (Abg. Ing. Langthaler: Ganz selten, daß man Kartoffeln mit Schneeglöckchen kreuzt!) Das ist gar keine Frage, Frau Abgeordnete. Daher bedarf es eben einer dauernden ethischen Begleitung, welche die Grenzen aufzeigen soll. Verwerfliche Zielsetzungen und gefährliche Anwendungen müssen unmöglich gemacht werden. Der sinnvolle und notwendige Einsatz jedoch soll unsere Unterstützung finden.

Ich möchte nur auf einen Antrag von Frau Dr. Petrovic – 399/A – hinweisen. Sie verlangt, daß § 70 des Gentechnikgesetzes entfallen sollte. Dieser Paragraph besagt, daß der die Genanalyse veranlassende Arzt, wenn zur Beurteilung des Ereignisses einer Genanalyse die Einbeziehung von Verwandten der untersuchten Person erforderlich ist oder wenn anzunehmen ist, daß die ernste Gefahr einer Erkrankung von Verwandten der untersuchten Person besteht, diesen Verwandten raten sollte, eine entsprechende gentechnische Untersuchung durchführen zu lassen. Wenn man das weggibt, dann nimmt man eigentlich auch dem Arzt seine Verantwortung, und das kann es doch nicht sein.

Ich glaube, daß dieser Bericht das Wesentliche beinhaltet. Wir stimmen diesem Bericht zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Langthaler. – Bitte.

21.09

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Leiner und Frau Dr. Pittermann! Ich möchte zu Beginn noch einmal – ich habe es von dieser Stelle aus schon so oft getan – folgendes feststellen: Die Grünen und auch die Umweltorganisationen haben in den letzten Jahren immer wieder zwischen dem Einsatz der Gentechnik in der Medizin und dem Einsatz der Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft unterschieden. (Abg. Dr. Nowotny: Früher nicht! Wir hatten noch diese Kämpfe! Früher nicht!)

Ich weiß nicht, was Sie mit "früher" bezeichnen. (Abg. Dr. Nowotny: Beim Gentechnikgesetz! Da waren Sie noch strikt dagegen!) Ich bin seit 1990 im Hohen Haus, ich spreche für die Zeit danach. (Abg. Dr. Nowotny: Aber Sie können mir dafür danken, daß wir Sie vor Fundamentalismus bewahrt haben!) Herr Dr. Nowotny! Ihre Zwischenrufe werden mit später Stunde auch nicht besser. (Abg. Dr. Nowotny: Aber wahr! – Heiterkeit.) Und auch nicht wahrer. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Rasinger: Nowotny bekommt ein Ehrendoktorat! Und freie Behandlung!)

Wir haben in der abweichenden Stellungnahme zur letzten Novelle des Gentechnikgesetzes, die gemeinsam von Liberalen und Grünen eingebracht worden ist, die ursprüngliche Forderung von Frau Ministerin Prammer unterstützt, daß sowohl die Gentechnikkommission als auch die wissenschaftlichen Ausschüsse anders – nämlich aus unserer Sicht objektiver – besetzt werden sollen. Bitte erinnern Sie sich: Im ursprünglichen Entwurf von Frau Ministerin Prammer war festgelegt, daß für die Kommission Wissenschaftler sowohl vom Forum österreichischer Wissenschaftler für den Umweltschutz als auch von der Akademie der Wissenschaften nominiert werden sollen.

Sinn und Ziel waren, daß gerade angesichts einer Technologie, die zu Recht kontroversiell ist und die aus meiner Sicht zu Recht als Risikotechnologie bezeichnet wird, und bei einem in der Öffentlichkeit so kontroversiell diskutierten Thema möglichst alle wissenschaftlichen Theorien vertreten sein sollen. Denn nur so kann man Konflikte und auch Ängste nehmen.

Leider hat die Gentechniklobby diesen Ansatz damals erfolgreich gekillt. Es wurde nicht erreicht, daß die Gentechnikkommission objektiver besetzt wurde, und das zieht sich aus meiner Sicht auch durch diesen Bericht. Wir werden ihm deshalb nicht zustimmen.

Ich halte es für falsch, was immer wieder behauptet wird: daß Wissenschaft per se wertneutral und objektiv sei. Das stimmt nicht! Wissenschaft und vor allem Wissenschaftler haben Interessen, und diese Interessen versuchen sie – auf welchen Gebieten auch immer – durch- und umzusetzen. Daran ist von vornherein nichts Verwerfliches, nur sollte man es endlich zur Kenntnis nehmen.

Jeder, der im Wissenschaftsbereich gearbeitet hat – vor allem in jenem Bereich, in dem es um das Sammeln von Daten geht –, weiß, daß die Datensammlung selbst an und für sich noch das Objektivste an der ganzen Sache ist. Man mißt, man analysiert, man hält die Daten fest. Aber dann kommt die wirklich schwierige Phase (Abg. Dr. Leiner: Die Interpretation!), die Interpretation, völlig richtig! Und da gibt es ganz erhebliche Spielräume.

Der Fall Pusztai, der vor wenigen Wochen in Großbritannien, aber auch darüber hinaus enorm hohe Wellen geschlagen hat, hat das hervorragend aufgezeigt. Dr. Pusztai ist immer ein überzeugter Gentechnikbefürworter gewesen. Er ist jetzt 68 Jahre alt und hat eine lange wissenschaftliche Laufbahn hinter sich. Er war, wie gesagt, immer ein Gentechnikbefürworter. Der Fall, daß er an Ratten transgene Kartoffeln verfüttert hat, denen zuvor ein Schneeglöckchen-Gen eingepflanzt wurde – etwas, Herr Abgeordneter Leiner, was in der Natur nicht wirklich, auch nicht im Lauf von 3000 Jahren, stattfindet –, hat dazu geführt, daß ein Lektin produziert wurde, das in der Folge bei den Ratten, an die es verfüttert wurde, entsprechende Schäden ausgelöst hat, nämlich Schäden am Immunsystem, aber auch – wie in der Folge festgestellt wurde – Schäden am Gehirn und Schäden an den Magenwänden.

Dr. Pusztai hat seine Ergebnisse lange nicht veröffentlicht, weil er versucht hat, zuerst intern auf das Problem aufmerksam zu machen. Ich kann Ihnen sagen, daß ich diese Debatte sehr genau verfolgt habe. Sie wurde vor allem in den kritischen Medien über Wochen breitest diskutiert – ich würde sagen: besser als in Österreich, weil alle Seiten sehr ausgeglichen zur Stellungnahme gebeten wurden. Dr. Pusztai war, glaube ich, am unglücklichsten über das, was er herausgefunden hat. Er hat immer wieder betont, daß er an und für sich die Gentechnik für ein vernünftiges Instrument hielte. Aber er kann auch nichts dafür, daß er in seinen Versuchen diese Krankheitsbilder festgestellt hat.

Es wurde in der internen Debatte in seinem Institut immer wieder versucht, diese Ergebnisse nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Denn das Institut hatte auch Gelder von der Industrie bekommen, und man hat eben deshalb immer wieder versucht, besser nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Erst als es aus seiner Sicht – das hat er auch in dem Hearing in den Ausschüssen in Westminster gesagt – einfach nicht mehr möglich war, überhaupt eine interne Debatte zu initiieren, ist er an die Öffentlichkeit gegangen und hat versucht, auf das Thema aufmerksam zu machen.

Die Folgen waren fatal, vor allem für die Gentechnikindustrie. Sie wurde dabei ertappt, wie sie nicht nur ein Ergebnis verhindern wollte, sondern wie sie auch einen Wissenschaftler persönlich, in seiner Existenz, in seiner gesamten wissenschaftlichen Karriere bedroht hat. Das hat dort einen so gegenteiligen Effekt gehabt, daß in Großbritannien ein Moratorium für Freisetzungen nicht nur sehr ernsthaft diskutiert, sondern auch für die nächsten drei Jahre noch einmal verlängert worden ist. Ähnlich liegt es, wie Sie wissen, in Frankreich und in Indien.

Da Sie auch die Frage der Entwicklungsländer kurz angesprochen haben: In Indien gibt es eine große Kampagne gegen Monsanto, und zwar deshalb, weil von der Gentechnikindustrie eben gerade nicht versucht wird, die von Ihnen angesprochenen Pflanzen zu züchten, die unter den besonderen Bedingungen in Indien – weniger Wasser oder weniger Rohstoffeinsatz oder weniger Pestizideinsatz et cetera – möglicherweise gedeihen würden, sondern weil dort im Gegenteil genau das gleiche wie in Westeuropa versucht wird: Saatgut plus Pestizid plus Vertrag mit dem Farmer und totale Abhängigkeit.

Das ist das Muster, vor dem wir stehen. Wir stehen derzeit im Lebensmittelbereich nicht einer Gentechnikindustrie gegenüber, die irgendwelchen altruistischen Zielen folgt. Nein, das Gegenteil ist der Fall! Es geht dort um Gewinnmaximierung, es geht um ziemlich große Macht gegenüber den Farmern, gegenüber den Bauern, und es geht darum, sie in starke Abhängigkeitsverhältnisse zu bringen. Das kann doch um Gottes willen nicht der richtige Weg sein! (Abg. Dr. Leiner: Aber das hat nichts mit der Gentechnik zu tun!) Das hat sehr viel mit der Gentechnik zu tun, denn da geht es genau um diesen Bereich, um Monsanto und so weiter. Es geht genau um den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft.

Deshalb ist unsere Forderung gerade aufgrund der Ereignisse, die in Großbritannien in den letzten Wochen stattgefunden haben, und deshalb sind auch die Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens umso berechtigter: keine Freisetzungen in Österreich, sondern ein Moratorium, nicht nur für heuer – das ist ein Wahljahr, ich weiß, heuer werden keine Freisetzungen in Österreich erfolgen –, sondern für mehrere Jahre, Frau Ministerin; kein Essen aus dem Genlabor – das war eine Forderung des Gentechnik-Volksbegehrens – und kein Patent auf Leben – das war eine weitere Forderung des Volksbegehrens, das heute aktueller denn je ist.

Ich bitte Sie wirklich, zu akzeptieren und zu respektieren, daß die Wissenschaft nicht interessenfrei ist und daß man deshalb, wenn man über ein Thema seriös diskutieren will – ich habe mich immer sehr bemüht, auch bei der Gentechnik, relativ emotionsfrei, rational und seriös zu diskutieren –, verschiedene Wissenschaftler braucht, die sich mit dem Thema beschäftigen: nicht nur Befürworter, sondern auch Kritiker, die von Anfang an in die entsprechenden wissenschaftlichen Ausschüsse eingebunden werden und die auch in die Gentechnikkommission mehr als bisher eingebunden werden.

Frau Ministerin! Ich hoffe sehr, daß es Ihnen gelingen wird – das wird nicht mehr in dieser Legislaturperiode sein, aber ich hoffe sehr, daß ein neuer Anlauf in der nächsten Legislaturperiode gelingen wird –, eine Gentechnikkommission zustande zu bringen, die ausgewogener zusammengesetzt ist und die ein Diskussionsniveau liefert, das es auch dem Hohen Haus erlaubt, mehr, rationaler, seriöser und weniger auf reine Populistik bedacht zu diskutieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

21.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

21.18

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute erstmals einen Bericht der Gentechnikkommission – ich finde, er ist sehr gut, sehr übersichtlich und absolut nicht einseitig –, die einhellige Annahme des Berichtes, aber gleichzeitig auch die Meldung des Vorsitzenden der Kommission, der ausdrücklich betont, daß einzelne Mitglieder nicht mit allen Ausführungen einverstanden waren. Warum betone ich das? – Einfach, weil es wichtig ist. Es ist für mich ein Beweis für die Seriosität und Objektivität im Umgang mit dieser komplexen Materie.

Wir haben in Österreich derzeit keine Freisetzungsversuche laufen. Hier möchte ich auf die Resolution zur Förderung der Sicherheitsforschung verweisen. Da gab es einen Vorschlag, auf einer kleinen, gekennzeichneten Fläche Freisetzungen einer geeigneten transgenen Pflanze vorzunehmen. Ich würde nur gerne wissen: Was ist aus der Sicht der Kommission eine "geeignete transgene Pflanze"? Soll eine Auswahl aus der Palette der bisher weltweit freigesetzten Pflanzen oder aus den bisher in Österreich gestellten Anträgen vorgenommen werden? Oder wie ist das sonst zu verstehen?

Gut finde ich aber den Vorschlag, begleitend dazu Versuche mit der Ausgangspflanze im konventionellen und im biologischen Landbau zu machen. Wie sonst sollte man wichtige Erfahrungen sammeln? – Da Frau Abgeordnete Langthaler diese Panne – wie ich meine – mit der Kartoffel angesprochen hat: Wie hätte man das je feststellen können, hätte man es nicht versucht?

Meine Damen und Herren! Gentechnik ist nach wie vor ein politisch brisantes Thema. Es ängstigt die Menschen, und Ängste kann man eigentlich nur durch Wissen und Aufklärung bekämpfen. Einer Zeitung war kürzlich zu entnehmen, daß wir in der Skepsis gegenüber Gentechnik europaweit Spitze sind, dabei aber einen vergleichsweise immer noch sehr niedrigen Wissensstand haben. Woher das kommt, ist mir ganz klar: Widersprüche in den Medien und Extrempositionen in einem gewissen Kleinformat, auf der anderen Seite Fachliteratur, die für Normalverbraucher kaum lesbar und verständlich ist. Trotzdem ist mehr und mehr auf bessere Information zu setzen.

In der Medizin gibt es eine relativ breite Akzeptanz; das hat Kollegin Pittermann schon erwähnt. Bei den Lebensmitteln ist es etwas anders. Ich selbst lehne Gentechnik zwar nicht grundsätzlich ab, bin aber kritisch vorsichtig, das muß ich sagen. (Abg. Dr. Pumberger: Können Sie das erkennen? Das können Sie beim Einkauf nicht unterscheiden!) Für Skeptiker ist es nicht beruhigend, wenn man liest, daß die Geldgeber der Forschung oft nicht bereit sind, Versuchsreihen voll auslaufen zu lassen, um alle Gefahrenelemente zu beseitigen. Genauso streut es Unsicherheit, wenn man sagt: Die Sicherheit im Genfood ist so leicht nicht testbar. – Fütterungsversuche – das hat man gerade in letzter Zeit bemerkt – sind oft unzureichend. So war das auch mit der Gen-Kartoffel in England.

Obwohl wir im Ausland kaum hinterfragen, was wir essen, bin ich für die Kennzeichnung. Ich bin froh darüber, daß Österreich hier eine gewisse Vorreiterrolle übernommen hat. Aber die Kennzeichnung "gentechnikfrei" oder "mit gentechnisch veränderten Organismen" ist mir zuwenig. Es gehört eine nähere Beschreibung dazu, um dem Konsumenten die Entscheidung leichter zu machen. Sonst wird nur die Verantwortung verlagert.

Was meine ich damit? – Nehmen wir als Beispiel die Sojabohne, das Gen der Paranuß und die darauf reagierende Nußallergie her. Es kommt zu einer Übertragung bekannter Allergene von einer Nutzpflanze auf die andere und dadurch plötzlich zu allergischen Reaktionen auf bisher unbekannte Lebensmittel. Wenn jemand nur den Nüssen ausweichen möchte, dann wird er verständlicherweise eine bessere Information wünschen. Das heißt nicht, daß er gentechnisch veränderte Lebensmittel generell ablehnen muß. Aber es soll ausgewogen sein.

Es freut mich trotzdem, daß kürzlich in einer Zeitung zu lesen war, daß Österreich bei den Biolebensmitteln die Nase vorn hat. Das ist positiv und öffnet uns Marktchancen. Aber das Problem wird sein: Werden wir auch künftig für den Bereich der Biolandwirtschaft genügend gentechnikfreies Saatgut haben? – Denn das ist dafür eine Voraussetzung.

Meine Damen und Herren! Ich bin für ein vernünftiges und maßvolles Nebeneinander mit einer noch stark zu verbessernden Konsumenteninformation. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was ist das Vernünftige und Maßvolle?) In Frankreich hat ein Umdenken in diese Richtung bereits stattgefunden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was verstehen Sie unter "maßvoll" und "vernünftig"?)

Sie wollen ohnehin nicht verstehen, was einer von den Regierungsparteien sagt. Sonst machen wir ein Privatissimum, Frau Kollegin. Ich habe eine beschränkte Redezeit. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Erklären Sie mir doch, was meinen Sie damit? Das sind nämlich Platitüden!)

Nach den Ausschußberichten war feststellbar, daß alle Fraktionen gegen das Klonen sind. Das halte ich für erfreulich. Denn im Hinblick darauf, die künstliche Produktion von Menschen hintanzuhalten, werden wir mit unserem Gentechnikgesetz noch relativ wenig das Auslangen finden. (Abg. Dr. Pumberger: Was ist mit Organen?) Denn wenn Forscher keine ethischen und moralischen Grenzen erkennen, wie, meine Damen und Herren, ist es dann mit der Freiheit der Wissenschaft? – Es konnten seinerzeit auch der Bau und die Anwendung der Atombombe, die Herstellung bakteriologischer Waffen und synthetischer Drogen nicht verhindert werden.

Meine Damen und Herren! Wissenschaft und Forschung tragen da eine sehr große Verantwortung. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.) Auch wenn Sie noch so keppeln, Frau Kollegin: Ich habe meine Rede trotz Ihrer Störungen ungestört zu Ende gebracht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Das ist aber nicht die feine englische Art: "keppeln"!)

21.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

21.25

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Reitsamer! Ich respektiere, daß Sie keine gentechnisch veränderten Lebensmittel essen wollen. Ich respektiere das genauso, wie ich es von 92 Prozent der Bevölkerung respektiere. Denn nur 8 Prozent haben laut Lebensmittelbericht auf die Frage, ob sie gentechnisch veränderte Lebensmittel essen würden, mit ja geantwortet. Sie sind daher eine von diesen 92 Prozent, Frau Reitsamer (Abg. Ing. Langthaler: Aber sie verhindert es nicht; leider!), und daher müssen Sie das auch wissen: Wie kaufe ich ein gentechnikfreies Lebensmittel?

Das geht nur, wenn eine lückenlose Kennzeichnung durchgeführt wird. Die lückenlose Kennzeichnung – die Kennzeichnungsfrage, um mit den Worten der Frau Bundesminister zu reden – ist die größte Herausforderung. Aber wir können nicht lückenlos kennzeichnen. Daher können Sie, auch wenn Sie es hundertmal wollen, so wie 92 Prozent der Bevölkerung keine gentechnikfreien Lebensmittel kaufen und essen. (Abg. Reitsamer: Man wird ja trotzdem noch wollen dürfen!) Aber es interessiert Sie überhaupt nicht, was die Wünsche der Bevölkerung sind, genauso wenig wie es die Neogesundheitssprecherin der SPÖ, Frau Primaria Pittermann, interessiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist geradezu unglaublich, was sie sagt. Erstens geht sie in ihrem Debattenbeitrag als führende Politikerin einer Regierungsfraktion und als Gesundheitssprecherin mit keinem einzigen Wort auf die zur Debatte stehenden Bürgerinitiativen und Petitionen ein, auch nicht auf die Unzahl von Oppositionsanträgen. (Abg. Dr. Nowotny: Sie hat eben eine eigene Meinung! – Abg. Reitsamer: Die darf man bei ihm nicht haben!) Sie macht eine Lobhudelei auf den Gentechnikkommissionsbericht, den sie kritiklos zur Kenntnis nimmt, obwohl Mitglieder der Gentechnikkommission selbst nicht damit einverstanden sind.

Und dann sagt sie: Das Volksbegehren ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Pittermann.) Frau Kollegin Pittermann! Was das Gentechnik-Volksbegehren betrifft, das zweiterfolgreichste Volksbegehren der Republik Österreich, der Zweiten Republik, wo sich 1,2 Millionen Menschen die Mühe gemacht haben, es zu unterzeichnen, sagen Sie: Das ist gar nichts, denn das ist nur ein Fünftel der Bevölkerung! Nur ein Fünftel ist hingegangen, um zu unterschreiben, vier Fünftel haben nicht unterschrieben. (Abg. Reitsamer: Das stimmt ja!) Das heißt, sie haben de facto nichts dagegen!

Frau Kollegin Pittermann! Wo bleibt Ihr Demokratieverständnis? (Abg. Dr. Pittermann: Wo bleibt Ihres?) Was ist das für eine Rechnung? – Das Niveau dieser Ihrer Rechnung ist weit unter dem eines Milchmädchens, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Pittermann.) Das ist ungeheuerlich! Ein bißchen mehr Demokratieverständnis – Sie sind die Tochter eines berühmten Vaters – würde man von Ihnen schon erwarten! (Abg. Dr. Nowotny: In Ihrer Partei können Sie damit nicht ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war ein Demokrat, der auch Oppositionspolitikern die Hand gegeben hat, zum Unterschied von Ihnen, die Sie sich manchmal weigern. (Abg. Dr. Pittermann: Da gab es noch andere Oppositionspolitiker!)

Die Kennzeichnungsfrage ist überhaupt nicht geregelt. Sie ist nicht geregelt, obwohl das der Wunsch der Bevölkerung ist. Daher hätten Sie von Anfang an sagen müssen, Frau Ministerin – ich habe es Ihnen gesagt, das hätte man der Bevölkerung gleich sagen können –: Dieses Volksbegehren, die drei Punkte, die Inhalt dieses Volksbegehrens sind, sind nicht durchsetzbar. Aber niemand von der Regierungsbank, auch niemand von den namhaften Politikern von Rot und Schwarz, hat die Bevölkerung informiert. Das wäre nämlich ein Eingeständnis der Machtlosigkeit gewesen, die in bezug auf die Gentechnologie besteht, seit wir bei der Europäischen Union sind!

Ich kann Ihnen ein Gutachten der namhaften Professoren Loibl und Stelzer vorlesen, die da schreiben, daß auf der Ebene der nationalen Gesetzgebung den vom Gentechnik-Volksbegehren erhobenen Forderungen nach einem Freisetzungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen sowie dem Verbot des Einsatzes der Gentechnik in der Nahrungsmittelproduktion aus völkerrechtlichen und europarechtlichen Gründen nicht entsprochen werden kann. – Das hätten Sie der Bevölkerung sagen müssen, und zwar vor der Volksabstimmung zum Beitritt zur Europäischen Union. Das wäre ehrlich gewesen!

Die Haftungsfrage muß ich ebenfalls erwähnen. Wir Freiheitliche wollen eine nach oben unbegrenzte, vom Verschulden unabhängige Gefährdungshaftung mit Beweiserleichterung für den Geschädigten sowie eine Vorsorgeverpflichtung des Betreibers. Aber was haben Sie in der Haftungsregelung drinstehen? – Ich habe das extra mitgenommen: Ausschluß aus der Haftung gilt auch dann, wenn der Betreiber die Rechtsvorschriften befolgt oder einer besonderen behördlichen Anordnung folgt und trotzdem etwas passiert. – Das heißt, das Verschulden ist dann auf der Seite des Geschädigten.

Zum zweiten: Es kommt auch dann zum Haftungsausschluß, wenn die Vermutung widerlegt wird und der Betreiber als wahrscheinlich dartut, daß der Schaden nicht durch diese Eigenschaften oder nicht durch diese Genveränderung entstanden ist. Er braucht es nur als wahrscheinlich darzutun, und schon ist er aus der Haftung befreit! Die Haftungsregelung ist zur Unzufriedenheit der Bevölkerung und des Konsumenten nicht geklärt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Frau Reitsamer jubelt!) Die Kennzeichnungsfrage ist nicht geregelt, und das Freisetzungsverbot läßt sich schon überhaupt nicht durchsetzen. Daher sind wir strikte Gegner dieses Gentechnikberichtes! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Her Abgeordneter Schuster. Er hat das Wort.

21.31

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der Nationalrat hat zur Vorberatung des Gentechnik-Volksbegehrens einen besonderen Ausschuß eingesetzt. Dieser wiederum hat sieben Monate lang unter Einbindung von über 60 anerkannten Experten aus dem In- und Ausland intensiv beraten. Das Ergebnis wurde von den Mitgliedern dieses Ausschusses einhellig gutgeheißen, wobei aber festgehalten wurde, daß das nicht unbedingt so zu verstehen sei, daß man auch mit dem Inhalt voll einverstanden ist. Und das verstehe ich, wenn man weiß, wie unterschiedlich die Mitglieder dieser Kommission sind. Meine Damen und Herren! Trotzdem ist das Fazit aus meiner Sicht, daß dabei ein Interessenausgleich zwischen ethischen und ökologischen Inhalten, den Sorgen und Ängsten der Bürger und den berechtigten Interessen der österreichischen Wirtschaft, die Arbeitsplätze sichert, erreicht werden konnte.

Wir wissen, daß die Bio- und die Gentechnologie in Medizin und Landwirtschaft als für Mensch und Umwelt nützlich betrachtet werden sollen. Meine Damen und Herren! Wissen braucht Verantwortung. Mit Hilfe der Gentechnik kommen wir immer mehr dahinter, wie die Natur in ihrem Innersten funktioniert. Das ist eine Erkenntnis, die uns wiederum dazu befähigt, sie immer mehr zu beeinflussen. Vor der Ermöglichung einer verantwortlichen Nutzung der Gentechnik, die riesige Chancen, aber auch Gefahren in sich birgt, dürfen sich aber speziell die Abgeordneten nicht drücken.

Meine Damen und Herren! Die neue Gentechnologie hat natürlich mit Umweltschutz allein nichts zu tun. Messen von Schadstoffen wäre zu wenig, denn Gentechnologie ist wesentlich mehr. Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist sehr groß, ob bei jung oder alt, bei Mann oder Frau. Es geht immerhin um Eingriffe in die subtilsten Lebenssteuerungen und um bewußte und gezielte Einflußnahmen auf die Erbmasse.

Meine Damen und Herren! Österreich hat ein Gentechnikgesetz, das sich international gesehen messen kann. Die Frage, ob das ausreicht, getraue ich mich nicht zu beantworten. Jedenfalls zählt dieses Gesetz aber zu den strengsten Gentechnikgesetzen international gesehen.

Uns muß klar sein: Der Konsument hat in Österreich ein Anrecht darauf, gentechnikfreie Lebensmittel kaufen zu können, und der Produzent hat sich auch sehr stark bemüht. Wir wissen, daß die Österreicherinnen und Österreicher mehrheitlich gentechnikfreie Nahrungsmittel haben wollen. Und die österreichische Landwirtschaft mit ihren 25 000 ökologisch wirtschaftenden Betrieben ist ein Garant dafür, daß gute, unbehandelte Lebensmittel auf den Tisch kommen.

Meine Damen und Herren! Ich halte es abschließend mit Dr. Wohlmayer, den ich hier zitieren darf. Er meinte: "Natürlich werde ich gegen Feuer Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, ich lasse aber trotzdem eine Feuerwehr zu."

Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei wird dem ersten Gentechnikbericht die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

21.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. Er hat das Wort.

21.35

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem im Jahre 1996 Freisetzungsanträge für gentechnisch veränderten Mais und gentechnisch veränderte Kartoffeln gestellt und gentechnisch veränderte Kartoffeln dann sogar illegal im Raume Tulln freigesetzt worden waren, kam es zu einem Proteststurm innerhalb der Bevölkerung und schlußendlich zur Einleitung des Gentechnik-Volksbegehrens. 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben dieses Volksbegehren unterschrieben und haben damit die Forderung nach einem gentechnikfreien Österreich gestellt. Es war damit das erfolgreichste Volksbegehren in der österreichischen Geschichte, welches nicht von einer Partei getragen wurde. Doch die Wünsche dieser 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher wurden bisher größtenteils ignoriert, und ihre Umsetzung wurde bisher verzögert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lediglich zu Punkt 2 des Volksbegehrens: "Keine Freisetzung genmanipulierter Organismen in Österreich!" wurden bisher konkrete Maßnahmen gesetzt. So wurde eine Parteistellung für Anrainer beschlossen, die Höchststrafen für illegale Freisetzungen wurden auf 300 000 S hinaufgesetzt, und die Haftungsregelungen wurden verabschiedet.

Punkt 1 "Kein Essen aus dem Genlabor in Österreich!" wurde bisher überhaupt nicht Rechnung getragen beziehungsweise konnte nicht Rechnung getragen werden. Zu Punkt 3 "Kein Patent auf Leben!" wurde zuerst bei den Verhandlungen Zustimmung signalisiert. Im entscheidenden Augenblick ist dann aber der ÖVP-Wirtschaftsminister – wie bei der ÖVP oftmals üblich – umgefallen und hat in Brüssel der Patentrichtlinie zugestimmt. Er hat dadurch die Patentierung von Pflanzen, Tieren und von Genen ermöglicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Während die Gentechnik in der Medizin ziemlich unbestritten und in vielen Bereichen sogar lebensnotwendig ist, ist sie in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion abzulehnen und in der heutigen Zeit mehr als kritisch zu hinterfragen. Denn in diesem Bereich dient die Gentechnik lediglich der Produktionssteigerung und der Vereinfachung von Verfahren zur industriellen Gewinnung und Verarbeitung von Lebensmitteln. Sie dient dabei hauptsächlich der Gewinnmaximierung auf Kosten der Umwelt und der Bevölkerung. Sie dient dazu, die Landwirtschaft in die Abhängigkeit von Saatgut- und Chemiemultis zu bringen. Es ist dies eine Entwicklung, die wir Freiheitliche nicht wollen. Und wir befinden uns hier in sehr guter Gesellschaft, denn über 80 Prozent der Bevölkerung wollen diese Entwicklung ebenfalls nicht. Die Österreicherinnen und Österreicher wollen diese Entwicklung nicht. Sie wollen aber eine umfassende Kennzeichnung, und zwar sowohl eine Negativ- als auch eine Positivkennzeichnung, letzteres bei gentechnisch veränderten Produkten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Konsument hat ein Recht auf diese Kennzeichnung. Er hat ein Recht auf ehrliche Information. Und wir Freiheitliche werden versuchen, ihm diesen Rechtsanspruch auch durchzusetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.

21.39

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Meine Hochachtung, Kollege Ofner! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger.) Wenn Sie, Herr Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, Zwischenrufe hier im Plenum machen, dann möchte ich schön darum ersuchen, daß diese wirklich sachlich fundiert sind, möglicherweise sachlicher fundiert als Ihre Vorsitzführung im Gesundheitsausschuß! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute den ersten Gentechnikbericht hier im Hohen Haus diskutieren, dann gehe ich davon aus, daß auch Kollege Pumberger, wenn er ihn sich angesehen hätte, feststellen hätte können, daß darin eine Reihe von Maßnahmen erwähnt sind, die in Österreich durchgeführt und auf europäischer Ebene von Österreich ausgehend umgesetzt wurden, und die auch von den Ausschüssen und von der Gentechnikkommission diskutiert wurden.

Es ist an der Zeit, hier festzustellen, daß es gelungen ist, nicht zuletzt ausgehend vom Gentechnik-Volksbegehren, das in einem besonderen Ausschuß – wie Kollege Schuster bereits ausgeführt hat – über Monate hinweg diskutiert und beraten wurde, was auch zu Ergebnissen geführt hat, für Österreich einen Mittelweg zwischen den beiden Extrempositionen der totalen Ablehnung und der totalen Befürwortung in rechtlicher Hinsicht umzusetzen, einen Rechtsschutz – Kollege Maier wird zur Frage des Haftungsbereiches noch sprechen – zu ermöglichen und zu verbessern und vor allem auch unsere Vorreiterposition in Europa klarzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Initiativen, die – wie auch aus dem Gentechnikbericht hervorgeht – von Frau Bundesministerin Prammer im Rahmen von Verordnungen, aber auch von Gesetzentwürfen und Vorlagen, die sie ins Haus gebracht hat, gesetzt wurden, ebenso wie ihre Bemühungen, in der Europäischen Kommission beziehungsweise in der Europäischen Union für die Position Österreichs entsprechende Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu finden, waren sehr erfolgreich. Wenn man bedenkt, wie vor einigen Monaten in Frankreich diskutiert wurde und wie heute diskutiert wird, dann gilt es, Frau Bundesministerin, hier und heute die Gelegenheit zu nützen, dir und deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ressort für diese Arbeiten sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene herzlichen Dank auszusprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn heute hier in der Debatte auch davon die Rede war, daß die Aufklärung und Information über das Thema Gentechologie/Biotechologie noch zu wünschen übrig läßt und der Informationsgrad der Bevölkerung gering ist, so gestatten Sie mir den Hinweis, daß es seit geraumer Zeit auch für unsere Schulen, und zwar für die Jüngsten unter uns, bereits Unterrichtsmittel gibt, die aus dem Ministerium der Frau Bundesministerin Prammer zur Verfügung gestellt werden und anhand derer die Schüler in verständlicher und guter Form – wie ich auch am Beispiel meiner eigenen Tochter feststellen kann – mit dem Thema Biotechnologie und Gentechnik in den verschiedensten Bereichen konfrontiert und darüber informiert werden. Ich bin überzeugt davon, daß auf diese Art und Weise für die Zukunft der Informationsgrad und das Verständnis verbessert werden und Ängste in vernünftige Argumentationen umgewandelt werden können. Wir werden, wie schon meine Vorrednerinnen gesagt haben, diesem Bericht zustimmen, und ich danke noch einmal der Frau Bundesministerin für ihre Tätigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil. – Bitte.

21.43

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es gab ein Gesellschaftsspiel in Amerika, in den USA, das wochenlang durch die Presse ging. Es nannte sich "Politiker-Klonen". Eine Frage dabei war zum Beispiel: Ist Al Gore, der bekanntlicherweise sehr hölzern wirkt, kein Original, sondern nur eine Kopie? Es wurde vorgeschlagen, John F. Kennedy und Martin Luther King zu klonen. Das genetische Material, so sagte man, sei in Form von Haarlocken vorhanden.

Meine Damen und Herren! Sind das Absurditäten oder echte Möglichkeiten? – In jedem Fall ist die Gentechnik, das Manipulieren mit Erbsubstanzen, also das Manipulieren und Verändern dessen, was ein Lebewesen wirklich einzigartig macht, ein Begriff, der die Menschen bewegt und beschäftigt. 1,3 Millionen Menschen haben das Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben, 1,3 Millionen Menschen, meine Damen und Herren, sind wißbegierig, und sie sind verunsichert. 1,3 Millionen Menschen wollen Richtlinien in der Gentechnologie, aufgrund derer sie die Sicherheit haben, daß mit dieser absolut tiefgreifenden Möglichkeit, in das Leben einzugreifen, verantwortungsvoll umgegangen wird. Aber Sie haben diese Menschen im Regen stehen gelassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht einen Punkt des Gentechnik-Volksbegehrens haben Sie klar und zukunftsorientiert festgelegt! Und was macht die Regierung, wenn sie sämtliche Lobbyisten, sämtliche Wirtschaftsinteressen und sämtliche Bürgerinteressen unter einen Hut bringen will? – Sie setzt natürlich eine Kommission ein!

Dieser Kommission gehören 30 Leute an, und diese Kommission hatte in den vergangenen drei Jahren ganze sechs Sitzungen. Jetzt frage ich Sie: Welche klaren Antworten auf Unsicherheiten und Ängste der Bevölkerung konnte diese Kommission wirklich geben? – Ein Beispiel: Klonen ist nicht gleich Klonen. Klonen ist zum einen das Horrorszenario der Kopie des Menschen, die wir alle nicht wollen. Klonen ist aber auch die Möglichkeit der Kopie einer menschlichen Stammzelle, einer Zelle, die jede andere Zelle im menschlichen Körper ersetzen kann. Man kann Depots dieser Zellen für jeden Menschen anlegen und sie verwenden, so er sie einmal braucht. Man kann damit möglicherweise sogar einmal Ersatzorgane züchten. Das bedeutet, daß ein Kind, welches an Leukämie erkrankt ist, durch eine eigene Stammzelle gesund werden könnte. Das bedeutet, daß ein schwer leberkranker Patient ein eigenes Lebertransplantat erhalten könnte, mit welchem die für ihn fürchterlich quälende Abstoßungsreaktion hintangehalten werden könnte.

In den USA gibt es bereits praktische Ansätze in Richtung Züchtung von Ersatzorganen wie Herzzellen und Nervenfasern. Und gegen geklontes Gewebe gibt es eben keine Abstoßungsreaktion, weil es eigenes Gewebe ist. Damit würden sich für die Patienten unzählige Qualen und Chemotherapien verhindern lassen!

Wo sind jetzt aber die Antworten der Politik, also die Antworten der Kommission auf diese Herausforderungen, die bereits bestehen und Bestandteil des medizinischen Fortschritts sind? – Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang sind pauschale ideologische, politische Statements nicht gefragt, denn die Gentechnologie ist nicht schwarz oder weiß und nicht gut oder böse. Gefragt ist hier ein ganz klares Abwägen von Risiken und Chancen, und zwar im Hinblick auf einzelne projektbezogene gentechnologische Herausforderungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Im Ausschuß wurden sämtliche Anträge der Oppositionsparteien zur Gentechnik und auch zur Haftungsfrage abgelehnt. Das ist keine verantwortungsvolle Politik für unsere Bürger! Und diese ignorierten Bürger, diese 1,3 Millionen Menschen werden Ihnen die Rechnung präsentieren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Das war bis jetzt die beste Rede!)

21.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sauer. – Bitte.

21.48

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte mit einem Satz einleiten, den Universitätsprofessor Dr. Helmut Renöckl gesagt hat:

"Die Gentechnologie weckt stärkste Emotionen in der ganzen Bandbreite von tiefsten Ängsten bis zu großen Hoffnungen. ... Die Folgen dieser Entwicklung sind ähnlich umfassend und unabsehbar wie seinerzeit die Bändigung des Feuers durch den Menschen." – Das stammt nicht von mir, sondern von Professor Dr. Helmut Renöckl.

Daß nun auf der einen Seite Befürworter zu Gegnern der Gentechnologie und auf der anderen Seite Gegner zu Befürwortern der Gentechnologie werden, ist unumstritten, weil es die Wissenschafter immer wieder drängt, Neues zu entdecken und zu erfahren. – So hat auch der Ökologe Klaus Ammann, der anfangs eine eher ablehnende Haltung zur Gentechnik einnahm, plötzlich einen Hang zur Befürwortung bekommen, also einen Sinneswandel durchgemacht. Im Gespräch mit der "Neuen Zürcher Zeitung" erklärte Klaus Ammann, heute Direktor des Botanischen Gartens der Universität Bern, er habe einen Lernprozeß durchgemacht und aufgrund dieses Lernprozesses erkannt, daß es sehr wohl auf der einen Seite eine gewisse berechtigte Skepsis gibt, daß es auf der anderen Seite aber ohne Gentechnologie keinen Fortschritt geben kann, sowohl auf der medizinischen Seite als auch im landwirtschaftlichen Bereich.

Ich möchte mit einem Satz schließen, den Hans Rauscher geschrieben hat: "Abgesehen von der enormen Bedeutung der Gentechnik auf dem Gebiet der Medizin – für die österreichische Landwirtschaft gilt demnach ...: bei der Gentechnik mitmachen oder nicht mitmachen und untergehen." (Beifall bei der ÖVP.)

21.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wenitsch, der schon beim Rednerpult ist. – Bitte.

21.51

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann meinem Vorredner leider nicht ganz recht geben oder zustimmen. Ich glaube, gerade im Bereich der Landwirtschaft und der Nahrungsmittel ist die Einbeziehung der Gentechnik sicher ein risikoträchtiges Spiel.

Meine Damen und Herren! Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen in der freien Natur ausgesetzt werden, dann gibt es kein Zurück. Wenn diese einmal freigesetzt sind, kann niemand mehr kontrollieren, was mit den gentechnisch veränderten Pflanzen geschieht, wie sie sich verhalten und welche langfristigen Folgen die Freisetzung mit sich bringt. Die neuen Eigenschaften der manipulierten Pflanzen können sich durch Pollenflug über große Entfernungen hinweg auf andere Pflanzen übertragen. Was dies für unsere Biobauern und für unseren sogenannten Feinkostladen bedeutet, kann sich, glaube ich, jeder selbst ausmalen. Diese veränderten Gene können aber auch auf Bodenbakterien übertragen werden und dort eine völlig unkontrollierte Kettenreaktion mit unabsehbaren Konsequenzen auslösen.

Frau Minister! Gentechnik in der Landwirtschaft nützt nur den Konzernen. Pflanzen sollen an industrielle Bedürfnisse angepaßt werden, um Fertigungsprozesse zu beschleunigen. Die Rationalisierung der Natur zur Gewinnsteigerung ist das erklärte Ziel. Für den Konsumenten und die Bauern bringen diese genmanipulierten Pflanzen keinerlei Vorteile. Im Gegenteil: Überproduktion – und dies ist auch an die Adresse der Agrarvertreter hier gerichtet – bringt sicherlich einen weiteren Preisverfall. Und bis heute konnte den Konsumenten eigentlich niemand plausibel erklären, wozu wir die neuen Gentech-Lebensmittel überhaupt brauchen und warum wir ein derart unkalkulierbares Risiko eingehen sollen.

Neue Jobs durch Gentechnik wird es vielleicht im Pharmabereich geben, aber sicherlich nicht in der Landwirtschaft. – Dies besagt eine Studie des renommierten Schweizer Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos. Würde man vergleichen, wie viele Arbeitsplätze durch Bio- und Gentechnik geschaffen und wie viele überflüssig werden, dann könnte man sagen, daß es im Prinzip bei der Gentechnik unter dem Strich um Arbeitsplatzvernichtung geht. – Das stammt nicht nur von mir. So argumentiert Studienautor Gerhard Becher, der das Beispiel der Stärkekartoffel anführt. Diese Stärkekartoffel enthält durch die Genmanipulation doppelt soviel industriell verwertbare Stärke wie herkömmliche Kartoffeln. Das sagt Herr Becher. Allerdings wird dann natürlich von der Anbaumenge her gesehen nur mehr die halbe Menge an Kartoffeln benötigt, und um diese in Zukunft zu erzeugen, braucht man natürlich auch nur mehr halb soviel Bauern. Das ist eine Kettenreaktion, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich als Bauernvertreter und als Vertreter aller Konsumenten – denn ich bin auch selbst ein Konsument – kann von diesem Risiko nicht sehr viel halten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ist eigentlich wirklich das erklärte Ziel dieser Agrarindustrie? – Man will die Konkurrenz ausschalten. Und die Regierungen aller Länder inklusive der österreichischen mit unserem Herrn Minister Molterer werden diesen Konzernen und dieser Agrarindustrie in letzter Zeit immer mehr hörig. Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist im Bereich der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie Schlimmes zu befürchten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kaipel. – Bitte.

21.55

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit meinen Ausführungen in die Reihe der Vorredner einordnen, die zum Thema Gentechnik gesprochen haben.

Dieser breite Themenkomplex, der auch in Österreich seit Jahren durchaus kontroversiell diskutiert wird, ist in diesem ersten Bericht der Gentechnikkommission erstmals zusammengefaßt und vorgelegt worden. Nicht sonderlich überraschend ist es daher, daß sich auch in den Ausführungen und Stellungnahmen der Mitglieder der Gentechnikkommission jene wesentlichen Auffassungsunterschiede widerspiegeln, die ich vorher betreffend die gesellschaftspolitische Diskussion bereits erwähnt habe. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die ausgewogene Besetzung dieser Kommission hinweisen. Dieses Faktum trägt meiner Ansicht nach nicht unwesentlich sowohl zur Akzeptanz als auch zur hervorragenden Qualität dieses Berichtes bei.

Die oppositionelle Kritik betreffend Einseitigkeit des Berichtes ist nicht nachvollziehbar, und ich halte dazu fest, daß die Arbeiten nicht abgeschlossen sind, sondern daß es weitere Beratungen und Berichte geben wird und daß die offenen Fragen der Gentechnik nicht so schnell umfassend beantwortet sein werden. Daher ersuche ich alle Kritiker, die Wissenschaftler arbeiten zu lassen, ohne permanent medialen Druck auf sie auszuüben!

Grundsätzlich muß man festhalten, daß Österreich in der Frage der Gentechnik wahrscheinlich sogar auch aufgrund der zum Teil sehr heftig geführten Diskussionen in unserem Land bisher einen sowohl konsequenten als auch erfolgreichen Weg gegangen ist. So ist Österreich neben Luxemburg der einzige Staat in der Europäischen Union, in dem keine Freisetzungen durchgeführt werden. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist nicht Verdienst der Regierung!) Darüber hinaus kann zweifelsfrei festgestellt werden, daß auch in einigen anderen europäischen Staaten ein Umdenken erfolgt. Beispielsweise führten Griechenland und Frankreich Verbote für gentechnisch veränderte Produkte ein, nachdem Österreich bereits vor zwei Jahren ein Importverbot für gentechnisch veränderten Mais verhängt hatte, welches nach wie vor aufrecht ist. Diese ausgewogene Haltung war nicht zuletzt auch ganz im Sinne der Unterzeichner des Gentechnik-Volksbegehrens. (Abg. Mag. Schweitzer: Aber nicht im Sinne der Regierung!)

Lassen Sie mich meine grundsätzliche Position zur Gentechnik in wenigen Punkten festhalten: Die Gentechnik ist eine Zukunftstechnologie, die bereits heute in vielen Bereichen der Forschung, insbesondere auch in der Grundlagenforschung, und Anwendung etwa in der Medizin oder für eine umweltfreundlichere Produktion zum Nutzen von Menschen eingesetzt wird. Selbstverständlich muß mit dieser Technik verantwortungsbewußt umgegangen werden. Es sind natürlich alle Vorkehrungen dafür zu treffen, daß die neuen Chancen der Gentechnik auch für den Wirtschaftsstandort Österreich, für seine Arbeitsplätze und für den Fortschritt der österreichischen Forschung und Entwicklung genutzt werden, und zwar ohne Gefahren für Menschen und Umwelt. (Abg. Mag. Schweitzer: Welche Bereiche meinst du?) Das Klonen von Menschen und der Eingriff in die menschliche Keimbahn sind verboten und müssen auch weiterhin verboten bleiben. Die Zukunft unserer Bauern liegt im biologischen Landbau. Daher kommt der Einsatz der Gentechnologie für die österreichische Landwirtschaft nicht in Frage.

Wir können – so meine ich – auch für die Zukunft mit der Rolle der österreichischen Bundesregierung, vertreten durch Ministerin Prammer, mehr als zufrieden sein, da Österreich in der sensiblen Frage der Kennzeichnung von Zusatzstoffen in der Person der Verbraucherschutzministerin innerhalb der europäischen Staaten die Vorreiterrolle übernommen hat. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

22.00

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ganz kurz einige Anmerkungen, Herr Kollege Schwemlein. Erstens: Mein Vorredner hat gesagt, daß die Gentechnikkommission hervorragend besetzt ist. – Wir würden uns wünschen, daß von jeder Fraktion ein Abgeordneter in der Gentechnikkommission sitzt, und zwar aus dem Grund, weil es viel informativer ist, näher an den Beratungen zu sein. Ich glaube, dadurch könnten einige Mißverständnisse schon im Vorfeld der parlamentarischen Debatten ausgeräumt werden. Daher ist die Anregung meines Kollegen Barmüller in bezug darauf, die Gentechnikkommission zu verändern, sicherlich ein diskussionswürdiger Vorschlag.

Zu dem, was schon mehrfach erwähnt worden ist: Erstens habe ich dem Debattenbeitrag der Kollegin Langthaler – sie ist momentan nicht anwesend – entnommen, daß sie die Schwierigkeit, die es in Indien gibt, daran erkannt oder festgemacht hat, daß eine Vermengung zwischen den Firmen vorliegt, die gentechnische Freisetzungen machen, aber gleichzeitig auch die Pestizide dazu liefern. Das heißt, es ist eine Wettbewerbsfrage, die sie stört, es geht aber nicht um die Substanzen an sich, die von Frau Kollegin Langthaler in Frage gestellt worden sind.

Ich glaube auch, daß man die Forschungsarbeiten einer auf den Philippinen tätigen Gruppe, die resistentere und wesentlich größere Reiskörner entwickelt hat, in einer Situation, in der es zu viele Menschen auf der Welt gibt, die hungern, ernst nehmen sollte. Daher sollten wir in dieser Beziehung wirklich keinen solchen Horror haben. Wir sollten auch deshalb keinen solchen Horror haben, weil die Mediziner interessanterweise Extrakte, die aus gentechnisch veränderten Kartoffeln gewonnen werden, spritzen dürfen, aber dieselben gentechnisch veränderten Kartoffeln nicht essen können.

Das halte ich für eine absurde Überlegung, wenn man andererseits sagt, daß die Gentechnik wahrscheinlich sehr viel Positives bringt. Man muß nur behutsam vorgehen, und man muß offensiv und aggressiv forschen, damit man wirklich alle Risiken rechtzeitig erkennen kann.

Ich muß jenen recht geben, die Bedenken dahin gehend äußern, daß der Pollenflug, der analysiert worden ist, nicht nur 200 Meter weit reicht, sondern Strecken bis zu zwei Kilometern erreichen kann. Das spielt in Amerika keine große Rolle, da wir wissen, daß dort ganze Regionen Monokulturen haben und aus diesem Grund der Einfluß von Gentechnik auf die umliegende andere Vegetation nicht analysierbar ist. Bei uns, sozusagen auf unserem Fleckerlteppich, sind die Auswirkungen ganz anders. Aber man kann nicht mit einem Verbot reagieren, sondern muß mit einem streng kontrollierten wissenschaftlichen Auftrag an unsere Forscherinnen und Forscher vorgehen. Das wäre vielleicht der Ansatz.

Zum Verbot des Klonens von Menschen: Ich halte das für eine wichtige Debatte, weil ich durchaus einsehe, daß man einen Menschen in seiner Totalität niemals klonen sollte. Ich kann Frau Kollegin Povysil beruhigen – wenn Sie ihr das freundlicherweise ausrichten –: Ich habe Herrn Kollegen Al Gore persönlich erlebt. Er, der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, ist kein geklonter Mensch, sondern er ist ein durchaus sehr lebhafter und anregender Mann, wenn man mit ihm über die Folgen der Gentechnologie diskutieren darf und privilegiert ist, mithören zu dürfen.

Eine andere Facette des Klonens sind die Möglichkeiten, die es gibt, wenn es darum geht, Krankheiten auszumerzen beziehungsweise Organe zur Verfügung zu stellen. Sie müssen sich nur die Anzahl der Leute vorstellen, die in dieser Stunde auf ein Herz oder auf eine Niere warten. Wenn diese Leute die Möglichkeit hätten, über einige Monate hinweg durch Zellenentnahme in spezialisierten Instituten entsprechende Organe bilden zu lassen, dann würde das einen Riesenfortschritt bedeuten in dem Drama, das sich abspielt, wenn Transplantationspatienten warten und ein entsetzliches Leben führen, bis sie endlich zu ihrem Organ kommen, aber dann noch dazu das ganze Leben lang immunsupprimiert bleiben. Diese Menschen hätten eine völlig andere Zukunft vor sich.

Deshalb sehe ich den Punkt des Klonens sehr differenziert. Man muß sehr genau aufpassen, und es muß äußerst genau definiert werden, was wir erreichen wollen. Aber ich glaube nicht, daß man das in seiner Totalität einfach ad acta legen kann. Man vertut sich da einiges. Cher chevalier, prenez place! (Abg. Dr. Khol: Officier, pas chevalier!) Ah, officier!

Zum Antrag Barmüller über die Haftungsfragen, die wir eingebracht haben: Ich glaube, daß Umweltanwälte oder ähnliche Einrichtungen der Bundesländer – wie das in den Artikeln 1 und 2 gefordert ist – Parteienstellung bei Gentechnikverfahren bekommen und ein Beschwerderecht bei Gerichtshöfen öffentlichen Rechts haben sollten. Das ist das wichtige Moment, das wir zu regeln haben. Haftungsfragen sind der Schlüssel zur gesamten Forschung, die wir betreiben müssen.

In Europa liegen wir mindestens zehn Jahre hinter Amerika zurück. Wenn wir nicht noch länger diskutieren, sondern bereit sind, sehr strenge Haftungsregeln einzuführen, sodaß kein Unfug mehr getrieben werden kann, dann werden wir diesen Nachholbedarf sicherlich sehr schnell wieder aufholen können. Wenn wir aber noch lange nicht bereit sind, entsprechende Haftungsregelungen einzuführen, und zwar europaweit, dann werden wir uns von dieser Technologie und dieser Entwicklung abkoppeln.

Ob das zum Wohle unserer Betriebe ist, ob das zum Wohle jener Arbeitsplätze ist, die durch diese Technologie eigentlich erst geschaffen werden können, möchte ich hier sehr in Frage stellen. Riesenmöglichkeiten vertun wir mit der Verunsicherung der Bevölkerung! Wir sollten den anderen Schritt gehen: Information ist besser als Desinformation! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

22.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

22.07

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Wer sich überhaupt nicht in der Gentechnologie auskennt und die heutige Debatte gehört hätte, der wäre schwer verunsichert gewesen. (Abg. Dr. Pumberger: Der wartet auf Ihr Referat!) Ich bin der Meinung, daß das unfair ist, weil Gentechnologie Chance und Risiko zugleich ist. Wenn wir nicht sorgsam auch die Chancen abwägen, dann vergeben wir uns sehr viel für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Abgeordnete Pittermann hat auch gesagt, daß der Segen in der Medizin offensichtlich ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Das hat schon Kollegin Povysil gesagt!) Abgeordneter Nowotony hat gesagt: Wenn die Grünen damals an der Regierung gewesen wären, dann hätten wir die Gentechnologie in der Medizin noch immer nicht. Ich sage nur: Mit Gentechnologie hätte die Bluterkatastrophe bei HIV überhaupt nicht passieren können.

Ich möchte aber über etwas ganz anderes berichten – ich habe sehr wenig Zeit –, und zwar über ein meiner Meinung nach schweres Polit-Foul, das diese "Jein-Strategie", diese Doppelbödigkeit unterstreicht. Unvorsichtigerweise wurden im Café Prückel Ihr Pressesprecher, Frau Minister, und Greenpeace-Leute Anfang April bei einer Sitzung ... (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident! Ich verstehe ihn nicht! Ich kann ihn akustisch nicht verstehen!) Was? (Abg. Mag. Schweitzer: Ich verstehe dich nicht! Sprich deutlich!) Ja, ich spreche deutlich.

Sie wurden bei einer Sitzung abgehört – oder es wurde zugehört – (Abg. Ing. Langthaler: Abgehört? Die ÖVP hört die SPÖ ab! – Abg. Hans Helmut Moser: Rasterfahndung!), in der eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit zwischen Greenpeace und Ihrem Ministerium besprochen wurde. Dabei beklagte Greenpeace, daß es in bisher schon vereinbarter Pressearbeit von Prammer-Seite Pannen gegeben hat und daß sich aufgrund dieser Aktionen viele landwirtschaftsnahe Firmen Freisetzungen einfach nicht erlauben würden, um die ÖVP nicht in Schwierigkeiten zu bringen.

Zum Schluß wünschte sich Greenpeace, daß Ministerin Prammer Greenpeace über Vorhaben und Meinungen von ÖVP-Ministern informieren sollte, falls intern etwas bekannt wird. Man brauche das für gezielte Aktionen. Derzeit wisse man nichts von ÖVP-Ministern; besonders Bartenstein sei interessant, besonders würden Infos aus dem Ministerrat interessieren.

Ich finde das unglaublich. (Abg. Ing. Langthaler: Ich finde es unglaublich, daß Sie einen Lauschangriff im "Prückel" machen!) Frau Minister! Ich möchte Sie gerne fragen: Hat es dieses Gespräch gegeben? Unterstützen Sie diese Vorgangsweise Ihres Pressesprechers? Stehen Sie noch zur gemeinsamen Regierungslinie?

Ich würde mir da eine Antwort erwarten. (Abg. Ing. Langthaler: Das ist unter Ihrem Niveau!) Ich glaube auch, daß wir insgesamt von dieser Doppelbödigkeit wegkommen müssen. Nicht Ängste schüren, nicht drüberfahren über Ängste, sondern sie ernst nehmen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das ist interessant! Das ist unerhört!)

22.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

22.09

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir diskutieren heute über einen Bericht, der zum ersten Mal vorliegt, und über Anträge, die im Unterausschuß des Gesundheitsausschusses bereits ausführlichst diskutiert worden sind. Daneben haben wir in unserem besonderen Ausschuß für Gentechnik genau diese Fragen, die heute diskutiert worden sind, ausführlichst besprochen, wobei die Anträge der Opposition keine Mehrheit gefunden haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gentechnik und Biotechnologie bergen Risken, aber auch Nutzen. Ich denke, daß wir nicht nur im nationalen Bereich, sondern insbesondere im europäischen Bereich für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen müssen. Kollegin Gredler hat davon gesprochen – ich zitiere sie –, daß Haftung der Schlüssel für alle Forschungsvorhaben ist. Ich meine: Haftung ist der Schlüssel für jede Risikotechnologie.

Es ist eine Illusion, zu glauben, daß die Fragen der Haftung allein in Österreich geregelt werden können. Was wir anstreben müssen – jetzt bin ich bereits bei einem Vorwurf der Opposition, dem Vorwurf der mangelnden und fehlenden Haftungsbestimmungen –, ist, daß diese Regelungen auf europäischer Ebene erzielt werden. Denn eines ist klar: Es muß eine Versicherung geben, die über eine Rückversicherung die entsprechenden Risken des Unternehmers abdeckt. Ich verhehle nicht – das möchte ich hier auch sagen –, daß auch im nationalen Bereich, insbesondere was die Fragen der Produkthaftung betrifft – was wiederum damit zusammenhängt, daß die Produkthaftungsrichtlinie überarbeitet wird –, eine Neuregelung notwendig sein wird. (Abg. Mag. Schweitzer: Welche Versicherung wirst du finden?)

Zur Kritik der Opposition in bezug auf ein Fünfjahresmoratorium hinsichtlich der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen ist eines anzuführen: Wir haben zwar nicht de jure, aber de facto ein Moratorium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis heute hat es noch keine legale und genehmigte Freisetzung gegeben.

Zur Kritik der Freiheitlichen, was die Kennzeichnung betrifft: Kollege Pumberger, es ist eben ein Problem, wenn man sich mit den Kennzeichnungsfragen nicht adäquat auseinandersetzt. Eine Positivkennzeichnung ist jederzeit möglich, wenn die Richtlinien der Kodexkommission eingehalten werden. Die Frage der Kennzeichnung ist nicht eine der gesetzlichen Regelung, sondern es ist eine Frage dessen, wie und ob sich die Unternehmer daran halten.

Damit bin ich beim Hauptproblem, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn ich im Bericht der Gentechnikkommission lese: Konsumenten werden wählen können zwischen Lebensmitteln mit Kennzeichnung oder ihre Entscheidung selbständig und bewußt treffen können!, dann muß ich sagen: Es hapert nicht an der gesetzlichen Regelung, sondern es liegt schlichtweg an den Unternehmern. Es gibt keine gaunersicheren Gesetze, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Unternehmer, die sich an die Kennzeichnungsbestimmungen halten, und es gibt andere, die sich nicht an die entsprechenden Bestimmungen halten.

In dieser Hinsicht haben wir – dazu gibt es einen Vorschlag von unserer Seite, auch an unseren Koalitionspartner – ein Defizit im Gentechnikgesetz. Es besteht nämlich nicht die Möglichkeit – weder nach dem Lebensmittelgesetz noch nach dem Gentechnikgesetz –, die Konsumenten darüber zu informieren, welches Unternehmen sich bei seinen Produkten nicht an die Kennzeichnungsbestimmungen hält. Ich denke, wir sind alle gefordert, da für eine entsprechende gesetzliche Regelung zu sorgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Österreich hat in Europa eine Vorreiterrolle eingenommen. Andere europäische Staaten haben sich unserer Position angeschlossen. Ich erinnere nur an die Verbotsregelung bei Mais, an die Zusatzstoffkennzeichnungsverordnung oder auch an die Diskussion um die Freisetzungsrichtlinie.

Frau Bundesministerin! Ich glaube, wir sollen diesen Weg weitergehen. Wir sollen einerseits auf nationaler Ebene, aber andererseits auch auf europäischer Ebene in Fragen Gentechnik unsere Vorreiterrolle weiter ausüben. (Beifall bei der SPÖ.)

22.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte.

22.14

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Dr. Rasinger! Es ist wirklich unglaublich, was Sie jetzt gesagt haben. (Hallo!-Rufe bei der ÖVP.) Lesen Sie bitte Zeitungen! (Abg. Dr. Khol: Keine Polemik von der Regierungsbank! – Abg. Dr. Kostelka: Warum nicht?) Also bitte, ich bin massivst angegriffen worden, und da darf ich mich schon zur Wehr setzen, auch von der Regierungsbank aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Erstens: Lesen Sie die Zeitungen (Abg. Dr. Fekter: Glauben Sie alles, was in der Zeitung steht?), und lesen Sie, wie gerade die Grünen ... Entschuldigung, die Umweltorganisationen, nicht die Grünen! Lesen Sie, wie die Umweltorganisationen immer wieder massive Kritik auch an meiner Politik üben. Immer wieder ist es auch notwendig, mit den Umweltorganisationen Gespräche zu führen, um ihnen zu sagen: Ich bin nicht das einzige Regierungsmitglied, das für die Gentechnik zuständig ist.

Aber offensichtlich nehmen die Umweltorganisationen nur mich wahr: etwa daß ich in der Gentechnik aktiv bin und daß ich in der Gentechnik auch versuche, Bestmögliches für die österreichische Bevölkerung zu bewerkstelligen. Das ist der Hintergrund derartiger Gespräche. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Pumberger hat hier am Rednerpult wiederholt, was er bereits im Gesundheitsausschuß gesagt hat (Abg. Dr. Pumberger: Weil es richtig ist!), nämlich daß auch ich vor dem Gentechnik-Volksbegehren die Bevölkerung hinters Licht geführt und ihr nicht gesagt hätte, daß das Gentechnik-Volksbegehren so, wie es gestellt wurde, nicht umgesetzt werden könnte. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger.) Nein, Sie haben pauschaliert, Sie haben gesagt: alle!

Ich habe Ihnen im Ausschuß schon gesagt – und muß es Ihnen jetzt wieder sagen –, ich habe immer eine konsequente Linie vertreten. Ich habe damals wie heute gesagt: Es ist – damals – notwendig, Maßnahmen zu setzen; heute haben wir die Maßnahmen gesetzt. Aber ich habe auch immer klar und deutlich gesagt: So, wie das Gentechnik-Volksbegehren formuliert war, konnte es nicht umgesetzt werden.

Das hat für mich aber nie geheißen, daß es nicht auch notwendig war, Dinge zu tun. Diese haben wir getan, und heute, nach zwei Jahren, können wir auf sehr vieles zurückschauen, von dem ich überzeugt bin, daß Österreich damit eine Vorreiterrolle auf europäischer Ebene spielt. Erst jetzt ist es soweit, daß innerhalb der Europäischen Union Vorsicht geübt wird, daß innerhalb der Europäischen Union mehr und mehr Transparenz verlangt wird (Abg. Dr. Pumberger: Das glauben Sie doch selbst nicht!) und daß es immer wieder – gerade auch was die Kennzeichnung betrifft – Fortschritte geben muß.

Ich sage auch ganz klar: Wir haben in Österreich versucht, die Zusatzstoffe in den Lebensmitteln, die gentechnisch verändert sind, zu kennzeichnen. Das ist von seiten der Europäischen Kommission derzeit sozusagen auf Eis gelegt worden, mit der klaren Absichtserklärung, daß bis zum September ein eigener Verordnungsvorschlag von seiten der Kommission kommen wird. Wenn das bis zum September von der Europäischen Kommission nicht erfüllt wird, dann kann Österreich eigenständig handeln. (Abg. Dr. Pumberger: Aber inzwischen muß Frau Reitsamer Generdäpfel essen!) Ich kann Ihnen versichern: Wir werden eigenständig handeln, weil wir das auch der Bevölkerung versprochen haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Weil wir Politik für Österreich machen!)

Mir hat der Redebeitrag der Frau Abgeordneten Povysil sehr gut gefallen. Denn sie hat als einzige ihrer Partei hier am Rednerpult gesagt, wie wesentlich und wichtig es ist, daß von Fall zu Fall entschieden und nicht schwarzweißgemalt wird. Das ist auch meine tiefste Überzeugung, weil wir bei allen neuen Technologien genau diesen Weg zu gehen haben: (Abg. Kopf: ... daß das im Gentechnikgesetz nicht schon vorgesehen ist!) die Herausforderung annehmen, aber mit aller Vorsicht, die dabei notwendig und geboten ist!

Dafür gibt es ein paar Grundprinzipien, die meiner Ansicht nach ganz besonders wichtig sind. Erstens die Transparenz: Nichts hinter verschlossenen Türen machen, nichts so machen, daß die Bevölkerung nicht weiß, was geschieht! Das macht nämlich Angst. (Abg. Dr. Pumberger: Warum haben 92 Prozent Angst? Weil Sie es so machen!) Das ist es, was Angst macht: daß irgendwo etwas entschieden werden könnte, was nicht nachvollziehbar ist.

Es bleibt immer wieder die große Herausforderung, wie Wirtschaft und Wissenschaft in den Dialog mit den Konsumentinnen und Konsumenten eintreten, und wie es möglich werden kann, Information auch so zu geben, daß sie verstanden wird. Ich versuche immer wieder, meinen Beitrag dazu zu leisten: durch eigene Broschüren, durch Veranstaltungen.

Ein paar Worte zur Gentechnikkommission: Ich war immer auch eine, die bis heute klarerweise die Meinung vertreten hat, daß Meinungsvielfalt wesentlich und wichtig ist. Das ist gerade auch durch die Veränderung des Gesetzes weitgehend und besser gewährleistet. Die Gentechnikkommission hat die Möglichkeit, auch Minderheitenmeinungen zu kommunizieren. Es ist von meiner Seite der klare Wunsch an sie herangetragen worden, das – in ihrem eigenen Interesse – auch zu tun und zu sagen, welche unterschiedlichen Meinungen es zu konkreten Problemstellungen gibt.

Ich habe im übrigen immer wieder versucht, außerhalb der Gentechnikkommission vielen die Möglichkeit zu geben, sich sowohl pro als auch kontra auszusprechen. Das ist es meiner Ansicht nach, was der Bevölkerung auch die Sicherheit geben kann, daß in dieser Hinsicht sorgfältig und mit Nachhaltigkeit gearbeitet wird.

Wir werden uns mit der Gentechnik noch viele, viele Jahre lang zu beschäftigen haben, weil sie trotz ihres Alters nach wie vor eine zu erforschende Technologie ist. Wenn wir weiter so vorgehen, wie Österreich das jetzt gemacht hat und wie Österreich seine Spuren auf der europäischen Ebene zieht, dann bin ich überzeugt davon, daß wir hier immer die besten Entscheidungen für die Bevölkerung treffen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

22.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt kein Wunsch auf ein Schlußwort seitens der Berichterstatter vor.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die einzelnen Anträge getrennt durchgeführt wird.

Als erstes stimmen wir ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, den vorliegenden Bericht III-177 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1738 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen bitten. – Dieser Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Als nächstes stimmen wir ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1739 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Die Kenntnisnahme des Berichtes 1739 der Beilagen erfolgt mehrheitlich.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1740 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier bitte ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Die Kenntnisnahme des Berichtes 1740 der Beilagen erfolgt mehrheitlich.

Der nächste Antrag, den der Gesundheitsausschuß gestellt hat und der hier auch diskutiert wurde, ist der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes 1741 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Die Kenntnisnahme des Berichtes 1741 der Beilagen erfolgt mit Mehrheit.

Wir stimmen ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1742 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte im Falle der Bejahung um ein Zeichen. – Der Bericht 1742 der Beilagen ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1743 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ebenfalls ein Zeichen. – Ich stelle auch hier fest: Zustimmung und Kenntnisnahme mit Mehrheit.

Als nächstes folgt die Abstimmung über den Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes 1744 der Beilagen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt mit Mehrheit.

Wir stimmen ab über den Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes 1745 der Beilagen aus dem Gesundheitsausschuß.

Auch hier bitte ich im Fall Ihrer Zustimmung um ein Zeichen. – Die Kenntnisnahme erfolgt mit Mehrheit.

Wir stimmen jetzt ab über den Bericht des Gesundheitsausschusses 1746 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Auch hier erfolgt die Kenntnisnahme mit Mehrheit.

Wir stimmen nun ab über den Bericht 1747 der Beilagen.

Ich bitte für den Fall Ihrer Zustimmung um ein Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt mit Mehrheit. Der Bericht ist zur Kenntnis genommen.

Der gleiche Vorgang folgt zu dem Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes des Gesundheitsausschusses 1748 der Beilagen.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein Zeichen. – Der Nationalrat nimmt diesen Antrag mit Mehrheit an.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1749 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Der Bericht des Gesundheitsausschusses 1749 der Beilagen ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, daß in dieser Sitzung – ihr wird gleich noch eine weitere kurze Sitzung folgen – die Selbständigen Anträge 1068/A bis 1078/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 6135/J bis 6169/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und der Zuweisung von Vorlagen dienen wird, berufe ich für jetzt – das ist im Anschluß an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.25 Uhr