13/A XXI.GP
ANTRAG
der Abgeordneten Mag. Terezija STOISITS, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem eine Staatszielbestimmung zur
Achtung, Bewahrung, Förderung und zum Schutz der sprachlichen und
kulturellen Vielfalt der Republik Österreich in das Bundes - Verfassungsgesetz idF
von 1929 eingefügt wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes - Verfassungsgesetz idF von 1929
geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel I
Das Bundes - Verfassungsgesetz in der zuletzt gültigen Fassung wird geändert wie folgt:
1. Artikel 8 wird geändert wie folgt:
„Die Republik Österreich bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und
kulturellen Vielfalt. Diese Vielfalt ist zu achten, zu bewahren, zu fördern und zu
schützen.“
2. Aus dem derzeitigen Artikel 8 (Staatssprache) wird Artikel 8a
3. Aus dem derzeitigen Artikel 8a (Fahne und Wappen) wird Artikel 8b
Artikel II
(1) Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit dem 1. Jänner 2000 in kraft.
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung
betraut.
ERLÄUTERUNG:
Obwohl die Volksgruppen in Österreich einen bedeutenden Beitrag für die
Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt Österreichs leisten, gibt es bis jetzt kein
eigenständiges Bekenntnis der Republik zu ihren Minderheiten in der
Bundesverfassung.
Verfassungsrechtliche Regelungen zur Frage der Volksgruppen stammen einerseits
aus der Monarchie und finden sich im Staatsgrundgesetz 1 vom 21.12.1867, Artikel XIX.
Diese Bestimmung wurde durch Art. 149 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zum
Verfassungsgesetz erklärt ².
Andererseits hat sich Österreich in völkerrechtlichen Verträgen zur Gewährung
bestimmter Minderheiten rechte verpflichtet, und zwar jeweils gegenüber den
siegreichen Alliierten der Weltkriege: im Staatsvertrag von St. Germain Art. 66 - 68 ³, und
im Staatsvertrag von Wien, 1955, Artikel 7 4 ,
Ein eigenständiges Bekenntnis der Republik Österreich zur Achtung, Bewahrung,
Förderung und zum Schutz der sprachlichen und kulturellen Vielfalt fehlt.
Durch eine Staatszielbestimmung an prominenter Stelle in der Bundesverfassung
(Artikel 8) soll kulturelle und sprachliche Vielfalt per se als Interesse der Republik
definiert werden. Erhalt und Ausbau dieser Vielfalt wären Gesamtanliegen des Staates
und nicht defensive Rechte einer bestimmten Gruppe. Die Republik insgesamt
übernimmt mit einer derartigen Staatszielbestimmung einen Teil der Verantwortung zur
Achtung, Bewahrung, Förderung und zum Schutz der sprachlichen und kulturellen
Vielfalt.
Durch Jahrhunderte gemeinsamer Entwicklung von Menschen mit verschiedenen
Sprachen, Kulturen und Religionen wurde die Republik Österreich geprägt. Wir
Österreicherinnen und Österreicher können mit Recht stolz auf diese Vielfalt sein.
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1 StGG, RGBl. 142/1867
² Die Geltung des Art. 19 StGG ist im Hinblick auf die Artikel 66 bis 68 des StV St. Germain iVm Art 8 B -
VG strittig. Es gibt sowohl bejahende als auch verneinende Erkenntnisse des
Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH Slg 2459/1952, 3509/1959, 4221/1962 und 9224/1981) sowie
Ermacora, Handbuch, 1963, 531 f.
³ StV St. Germain, StGBl. Nr. 303/1920
4 StV Wien, BGBl. 152/1955
Doch dieser Reichtum ist keine Selbstverständlichkeit. Im Dritten Reich wurden Juden
und Roma und Sinti von den Nazis fast ausgerottet. Nationalistische Bombenanschläge
haben vier Roma das Leben gekostet, weitere Menschen wurden teilweise schwer
verletzt.
Echten Schutz kann hier nur die Gesellschaft als Ganzes bieten, indem sie die
Minderheiten in die Mitte der Gesellschaft holt, indem klar gemacht wird, daß
Minderheiten ein Teil von uns, ein Teil Österreichs sind.
Eine Staatszielbestimmung zur Achtung, Bewahrung, Förderung und zum Schutz der
sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Republik Österreich an prominenter Stelle in
der Bundesverfassung stellt einen geeigneten Schritt in diesem Sinne dar.
An dieser Staatszielbestimmung haben sich in weiterer Folge auch einfachgesetzliche
Regelungen zu orientieren.
Behandlung des Antrages:
In formeller Hinsicht wird gemäß § 69 Abs. 4 GOG die Durchführung einer Ersten Lesung binnen 3
Monaten verlangt und die daran anschließende Zuweisung an den Verfassungsausschuß vorgeschlagen.