69/A XXI.GP
ANTRAG
der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Jarolim
und Genossen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz vom............................, mit das Strafgesetzbuch geändert wird.
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 153/1998,
wird wie folgt geändert:
§ 209 entfällt.
(1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Mai 2000 in Kraft.
(2) Mit der Vollziehung des Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.
Es wird ersucht, diesen Antrag unter Verzicht auf die 1. Lesung dem Justizausschuss
zuzuweisen.
Begründung:
Der geltende § 209 StGB ist einer der am heftigsten umstrittenen Paragraphen des
Strafgesetzbuches, wahrscheinlich der umstrittenste. Und dies mit gutem Grund, da diese
Bestimmung eindeutig nicht dem europäischen Rechtsstandard entspricht, Menschen
ausschließlich auf Grund ihrer geschlechtlichen Orientierung höchst unsachlich diskriminiert,
wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht und eine Schande für die österreichische
Rechtsordnung darstellt.
Diese Bestimmung „widerspricht der Konzeption eines modernen Strafrechts, der zufolge nur
sozialschädliches Verhalten unter Strafe gestellt und das Strafrecht nicht zur Durchsetzung
moralischer Wertvorstellungen mißbraucht werden darf" (Petition Österreichischer
Jugendorganisationen an den Nationalrat 1989).
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat bereits 1981 den Mitgliedsstaaten
empfohlen, für homosexuelle und heterosexuelle Handlungen dieselbe „Altersgrenze der
Mündigkeit“ vorzusehen (Empfehlung 924). Auch das Europäische Parlament hat bereits
mehrmals einen vergleichbaren Standpunkt eingenommen, zuletzt in seinem
Menschenrechtsbericht für das Jahr 1995, in dem das EP Österreich ausdrücklich aufforderte,
§ 209 unverzüglich zu streichen.
In keinem europäischen Staat mit vergleichbarer Rechtskultur gibt es eine Strafbestimmung,
die dem § 209 StGB entsprechen würde. Von den Mitgliedsstaaten des Europarates hat nur
Liechtenstein eine vergleichbare Regelung. Die österreichische Rechtsordnung sollte im
Bereich des Sexualstrafrechtes keine geringere Menschrechtskonformität aufweisen, als dies
in den meisten anderen Staaten der Fall ist.
Die Strafrechtsreformen am Beginn der 70er Jahre hatten damals die sexuelle
Diskriminierung Homosexueller zwar entscheidend gemildert, aber nicht vollkommen
beseitigt.
Wenn es 1971 ein vermutlich noch vertretbares politisches Argument war, dass die
Bevölkerung die Beseitigung aller Sondertatbestände für Homosexuelle nicht verstanden und
akzeptiert hätte, so triffi dies heute sicher nicht mehr zu. Inwischen ist die Toleranz der
Gesellschaft Homosexuellen gegenüber deutlich größer geworden und ebenso die
Empfindlichkeit für die Diskriminierung
von Minderheiten. Es scheint in hohem Maße
angebracht, homosexuelle und heterosexuelle Handlungen strafrechtlich einander gleich zu
stellen.
Am 10. Oktober 1995 hat in einem Unterausschuss des Justizausschusses, welcher zur
Behandlung von Anträgen eingesetzt worden ist, die auf eine Abschaffung der
diskriminierenden homosexuellen Bestimmungen des Strafgesetzbuches gerichtet waren, ein
Hearing mit hochqualifizierten Experten stattgefunden. An diesem auf hohem Niveau
stehendem Hearing nahmen insbesondere Experten aus dem Bereich der Neuropsychiatrie,
der Sexualforschung, der evangelischen und der katholischen Theologie, vom Institut für
Staats - und Verwaltungsrecht der Universität Wien, der Psychotherapie, der
Entwicklungspsychologie, der Rechtsanwaltskammer sowie Betroffene teil. Die
überwältigende Mehrheit der Teilnehmer dieses Hearings hat sich mit überzeugenden
Argumenten für die Abschaffung der §§ 209, 220 und 221 des StGB ausgesprochen.
Während der Nationalrat im November 1996 die Abschaffung der § § 220 und 221 (Verbot der
„Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechtes“ und von „Verbindungen zur
Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht“) beschloss, fand sich für die Beseitigung des §
209 StGB - wenn auch äußerst knapp - keine Mehrheit im Nationalrat.
Es scheint hoch an der Zeit, in der neuen XXI. Gesetzgebungsperiode die unmenschliche und
letzte Sonderstrafbestimmung des StGB möglichst rasch zu beseitigen.