88/AE XXI.GP
gemäß § 74a Abs. 1iVm § 93 Abs. 1 GOG - NR
der Abg. Ing. Westenthaler, Dr. Stummvoll
und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Kassasturz
„Sie brauchen sich daher auch gar nicht zu bemühen, im kommenden Wahlkampf eine
Argumentationslinie zu verfolgen, die die Frage stellt, wie hoch das Budgetloch ist. Es ist
nämlich gar keines vorhanden.“ Mit diesen Worten bekräftigte der ehemalige
Bundesminister für Finanzen Edlinger in der Sitzung des Nationalrates am 17.6.1999, daß
er die Budgetsituation unter Kontrolle habe.
Am 19. Oktober 1999 gab er entgegen seinen bisherigen Aussagen bekannt, daß für die
Einhaltung des Budgetrahmens 20 Mrd. Schilling notwendig sein werden, wobei ca. 5
Mrd. davon durch Kürzung von Ermessensausgaben hereinbringbar seien.
Am 21. Oktober 1999 bezifferte der ehemalige Finanzminister Edlinger den „Fehlbetrag
geringer als ein Prozent des Bruttoinlandproduktes“ (d.h. weniger als 25 Mrd. Schilling)
und schlug zusätzlich die Verwendung der Überschüsse aus Fonds (u.a. FLAF) zum
Absenken der Lohnnebenkosten vor.
Am 30. November 1999 erklärte er, daß die bisher bekanntgegebene Kürzung der
Ermessensausgaben von 5 Mrd. Schilling nicht ausreiche, sondern daß statt dessen die
Kürzung der Ermessensausgaben 20 Mrd. Schilling betragen müsse, um das Budget im
Rahmen zu halten.
Wegen der widersprüchlichen Aussagen wurde in der Sitzung des Nationalrates am
15.12.1999 eine Dringliche Anfrage der Abgeordneten Mag. Trattner und Kollegen
eingebracht, um vom ehemaligen Bundesminister Edlinger endlich eine vollständige
Aufklärung über die tatsächliche Budgetsituation Österreichs (inklusive möglicher
zukünftiger Belastungen des Budgets infolge der „grauen Finanzschulden“ und sonstiger
Schulden, für die der Bund Haftungen übernommen hat) zu erhalten. In seiner
Stellungnahme verwies der Genannte hinsichtlich des budgetären Fehlbetrages lediglich
darauf, daß alle seine bisherigen Budgets gehalten hätten und bezeichnete es als „wohl
bekanntes Ritual, daß vor Verhandlungen eines jeden Budgets Fehlbeträge bestehen, die
im Zuge diese Verhandlungen dann auf ein
vertretbares Ausmaß reduziert werden“. Eine
detaillierte und begründete Darstellung der tatsächlichen Budgetsituation erfolgte nicht.
Auch blieb Edlinger jegliche Auskunft über die sogenannten „grauen Finanzschulden“ und
sonstige Schulden, für die der Bund haftet, schuldig.
Im Zuge der später gescheiterten Regierungsverhandlungen zwischen der ÖVP und der
SPÖ erhärtete sich bereits der Verdacht, daß das tatsächliche Budgetloch ein Vielfaches
des bisher einbekannten Betrages von 20 Mrd. Schilling betragen dürfte, wobei die
Regierungsmitglieder der ÖVP weiterhin im unklaren über das tatsächliche Ausmaß der
Budgetsituation gelassen wurden.
Vielmehr bekräftigte Edlinger noch in der Nationalratssitzung am 26.1 2000, daß genau
der Betrag von 20 Milliarden Schilling das Budgetloch sei. Dies habe er schon lange Zeit
immer wieder gesagt.
Im Zuge der Umsetzung des Regierungsprogrammes der FPÖ - ÖVP Koalition wurde der
vorgesehene Kassasturz durchgeführt, dessen Ergebnis der Bundesminister für Finanzen
Grasser und der Staatssekretär Finz am 17.2.2000 vorstellten. Durch diesen Kassasturz ist
nunmehr offenkundig, daß der ehemalige Bundesminister für Finanzen Edlinger
gegenüber dem Nationalrat und der Öffentlichkeit die tatsächliche Budgetsituation
verschleiert hat. Feststeht, daß das Budgetdefizit 109 Mrd. Schilling ausmacht, und daß
sich unter Abzug des erlaubten Maastricht Defizits in der Höhe von max. 62 Mrd. Schilling
ein budgtärer Fehlbetrag von 47 Mrd. Schilling und nicht von 20 Mrd. Schilling ergibt, wie
dies Edlinger zuletzt noch am 26.1.2000 behauptet hat. Dies ist auch der nachfolgenden
Grafik zu entnehmen.
Grafik konnte nicht gescannt werden !!!
Wohin die Budgetpolitik des ehemaligen Finanzministers geführt hat, zeigt auch die Kritik
von Seiten der EU, OECD und IWF, wonach
• Österreich das bisher am wenigsten ambitionierte Budgetprogramm aller Euro - Länder
habe,
• die österreichische Abgabenquote zu hoch und
• die Steuerungsintensität der österreichischen Budgetpolitik viel zu gering seien.
Die OECD fordert daher auch eine raschere und ambitioniertere Budgetkonsolidierung.
Um den längst überfälligen und notwendigen Weg einer nachhaltigen Konsolidierung des
Budgets mit allen Mitteln sicherzustellen, ist ein Ausbau und eine Neuorganisation der
bestehenden Steuerungsinstrumente im Bundeshaushalt auch im Hinblick auf eine
jederzeitige Transparenz erforderlich. So ist ein umfassendes Budget - , Personal - und
Finanzcontrollingsystem auf EDV - Basis einzurichten, welches sich auch auf alle
ausgegliederten Rechtsträger des Bundes und auf alle Haftungsübernahmen erstreckt.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher gemäß § 74 a Abs. 1 iVm § 93 Abs.1
GOG - NR folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Nationalrat bis Ende September 2000
1) einen Bericht mit folgenden Elementen zu erstatten:
- Darstellung der bestehenden Instrumente des Budget - , Personal - und
Finanzcontrollings,
- Erfahrungsbericht, warum die bisherigen Instrumente des Controllings nicht den
Anforderungen einer modernen und leistungsfähigen Haushaltsführung gerecht
wurden.
2) ein Konzept mit folgenden Maßnahmen vorzulegen:
- Verbesserung des Controllingverfahrens als umfassendes Lenkungsinstrument für die
Budgetsteuerung, mit der Zielrichtung eines laufenden Soll - / Istvergleiches mit
Vorschau (Hochrechnung),
- Einführung eines Projektcontrollings,
- Ausbau eines Reportingsystems,
- Aufbau eines Controllingverfahrens
für alle ausgegliederten Rechtsträger,
- Aufbau eines Controllingverfahrens für alle Haftungsübernahmen des Bundes,
- Ausbau von Anreiz - und Sanktionsmechanismen im Haushaltsrecht.
In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74 a Abs. 1 iVm § 93
Abs. 1 GOG - NR dringlich zu behandeln.