106/A XXI.GP

 

Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Kostelka, Schieder

Genossinnen und Genossen

betreffend gemeinsame Maßnahmen aller im Nationalrat vertretenen Parteien zur Beendigung

der weitgehenden außenpolitischen Isolation Österreichs

 

Am Montag, den 31. Jänner 2000 erließ die Portugiesische EU - Ratspräsidentschaft im Namen

von 14 Staats - und Regierungschefs der Europäischen Union eine Stellungnahme zur

Regierungsbildung in Österreich, wonach mit einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen

Partei Österreichs seitens der Regierungen der 14 Mitgliedstaaten bilaterale offizielle

Kontakte auf politischer Ebene ausgesetzt werden, österreichische Kandidaten in

internationalen Organisationen von den 14 EU - Regierungen keine Unterstützung erfahren und

österreichische Botschafter in den EU - Hauptstädten nur noch auf technischer Ebene

empfangen werden sollen.

 

Einen in dieselbe Richtung weisenden Beschluß faßte auch das Europäische Parlament sowie

die Kommission der Europäischen Union. Letztere wies in diesem Zusammenhang daraufhin,

daß sie sich als,, Hüterin der EU - Verträge“ verstünde. Einige nicht der Europäischen Union

angehörende Staaten, wie die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan erklärten, teilweise

in wesentlich zurückhaltenderen Worten, ihr Verhalten an jenem der 14 EU - Mitgliedsstaaten

orientieren zu wollen. In einer Resolution des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten

von Amerika wurde die Ablehnung einer österreichischen Koalitionsregierung unter

Beteiligung der ,,extremistischen, rassistischen und fremdenfeindlichen FPÖ unter Jörg

Haider“ zum Ausdruck gebracht.

 

Die Reaktion der 14 EU - Mitgliedsstaaten und jener Staaten, die sich dieser Vorgangsweise

angeschlossen haben, ist eine Folge der Beteiligung der FPÖ an der Bundesregierung, einer

Partei, die bei diesen Staaten dafür bekannt ist, daß führende Repräsentanten sich nicht in

eindeutiger Weise von den Geschehnissen während des Nationalsozialismus und der Haltung

vieler Österreicher während des Nationalsozialismus distanziert haben. Weiters wurde im

Ausland mit Aufmerksamkeit registriert, daß die FPÖ ihren Wähleranteil dadurch versucht

hat zu erhöhen, daß sie in populistischer Weise gegen Ausländer hetzt und Stimmung gegen

die EU zu machen versucht. Sie ist mit falschen Behauptungen sowohl gegen den Beitritt zur

EU als auch gegen den EURO und die Osterweiterung aufgetreten.

Die Staats- und Regierungschefs der 14 EU - Staaten definierten die gegen Österreich

verhängten Sanktionen als „bilaterale Maßnahmen“. Entgegen dieser Definition kam es

dennoch im Rahmen von EU - Gremien (z.B. Ratssitzungen) zu Maßnahmen gegen Österreich,

in dem z.B. die Stellungnahmen Österreichs von manchen EU - Mitgliedstaaten bewußt

boykottiert wurden. Andererseits wird Österreich im Meinungsbildungs - und

Entscheidungsprozeß gehindert, da durch die Herabstufung der bilateralen Kontakte

Österreich gegenüber den anderen EU - Mitgliedstaaten gezielt benachteiligt wird.

 

Die Beschlüsse der 14 EU - Mitgliedsstaaten, aber auch die darauf erfolgte Reaktionen aus der

Völkerfamilie haben Österreich in die größte außenpolitische Isolation seit Bestehen der

Zweiten Republik gebracht. Besonders besorgniserregend ist, daß Vertreter einzelner

Regierungen, aber auch staatliche und nichtstaatliche Organisationen und Einzelpersonen in

ihren Äußerungen weit über jene Maßnahmen hinausgegangen sind, die von den 14 EU -

Mitgliedsstaaten beschlossen wurden. Führen die bereits eingangs erwähnten Beschlüsse der

EU - Staaten zu einer nicht unbeträchtlichen Einschränkung der internationalen

Handlungsfähigkeit Österreichs und damit zur Schädigung österreichischer Interessen, so ist

dies in weitaus größerem Maße bei den genannten darüber hinausgehenden Äußerungen und

Ankündigungen der Fall. Dem ist entschieden entgegenzutreten und alle politischen Kräfte

müssen versuchen, den bereits eingetretenen großen Schaden für Österreich zu beheben zu

versuchen.

 

Zahlreiche ÖsterreicherInnen empfinden die Sorgen der anderen Staaten zwar als

verständlich, aber als ungerecht und in ihrer Wirkung für alle Österreicherinnen und

Österreicher nicht gerechtfertigt. Treffend hat dies die Initiative von Karl Schwarzenberg

zum Ausdruck gebracht, die dies in folgende Worte faßt:

 

Mit großer Besorgnis haben wir den Eintritt der Partei von Jörg Haider in die österreichische

Regierung beobachtet - einer Partei, die sich wiederholt - auch im letzten Wahlkampf -

fremdenfeindlicher und manchmal sogar rassistisch wirkender Rhetorik bedient hat. Damit

weckt sie Erinnerungen an eine noch nicht so weit zurückliegende Vergangenheit: an die

Herrschaft des Nationalsozialismus und seine Greueltaten. Der Gebrauch einer solchen

Rhetorik in Österreich oder in Deutschland nötigt zu einer noch größeren Wachsamkeit als in

anderen Ländern. Wir begreifen die Besorgnisse vieler Menschen im In - und Ausland, daß

eine Partei, die eine solche Sprache in ihr Repertoire aufnimmt, zu einer Gefahr für die

demokratische Ordnung und für den sozialen Frieden werden könnte.

 

Angesichts dessen finden wir die Erklärung der 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union

verständlich, in denen sie ihre Ablehnung von Ausländerfeindlichkeit und Rassismus

unterstreichen und auf die Gefahren hinweisen, die eine Regierungsbeteiligung der

Freiheitlichen Partei Österreichs mit sich bringen kann. Doch zugleich erfüllen uns die über

Österreich verhängten Sanktionen mit Sorge. Die aus diesen Sanktionen resultierende

Isolierung Österreichs schwächt, so befürchten wir, eben jene gesellschaftlichen und

politischen Kräfte in Österreich, welche in der Lage sind, den möglichen Gefahren zu

begegnen.

Österreich ist heute ein stabiles und demokratisches Land, das ganz und gar zur europäischen

Familie gehört. Unleugbar gehören Rassismus und Verfolgung Andersdenkender zu seinem

Erbteil, jedoch steht dem längst eine Tradition von Toleranz und Offenheit, nach innen wie

nach außen, gegenüber. Einige der Unterzeichneten erinnern sich noch an die Naziherrschaft,

unter der sie litten oder die sie in die Emigration getrieben hat, andere sind sich bewußt, daß

sie in ihrer Not von Österreich aufgenommen wurden.

 

Dieses Land verdient Vertrauen und Dialog - und keinen Ausschluß aus der europäischen

Familie. Österreichs demokratisch gesinnte Mehrheit und seine starken demokratischen

Institutionen machen uns zuversichtlich, daß es mit seinen Problemen fertig werden kann.“

 

Ein wirksames Entgegentreten setzt jedoch voraus, daß die Ursachen der internationalen

Kritik an Österreich weitgehend ausgeräumt werden. So wie auch in den übrigen Staaten der

Europäischen Union darf es auch in Österreich keinen Platz für positive oder verständnisvolle

Äußerungen gegenüber dem NS - Regime oder Teilen seiner Politik geben. So wie auch alle

Vertreter anderer Staaten, haben auch österreichische Repräsentanten aller

Gebietskörperschaften die Politik Hitlers und seiner Unrechtsherrschaft zu verurteilen.

Darüber hinaus sind in Zukunft alle fremdenfeindlichen oder gar rassistischen Töne, auch in

Wahlkämpfen, nicht nur zu verurteilen, sondern von vornherein zu unterlassen. In gleicher

Weise dürfen, wie in der vorn Herrn Bundespräsidenten Präambel vorgesehen,

ungerechtfertigte Angriffe auf die Europäische Union und unsachliche Agitation gegen die

Osterweiterung kein Mittel der Politik sein. Dazu gehört auch, daß kein Repräsentant einer im

österreichischen Nationalrat vertretenen Partei mit unsachlichen und verächtlichen

Äußerungen über die Repräsentanten anderer Staaten diese vor den Kopf stößt. Alle

Mitglieder der Bundesregierung müssen sich nicht nur zum Buchstaben der Präambel

bekennen, sondern in ihren Worten und Taten jenen europäischen Geist vertreten, auf dem

letztlich die Europäische Union beruht.

 

Um die anderen Staaten vom guten Willen der österreichischen Bundesregierung überzeugen

zu können, schlagen die Antragsteller die Bildung einer über jeden Zweifel erhabenen

österreichischen Beobachtergruppe vor, die über die Einhaltung der Präambel wacht und

hierüber den anderen Staaten berichtet. Sie soll aus neun Personen bestehen, und zwar zu

einem Drittel aus vom Bundespräsidenten ernannten, angesehenen und unabhängigen

Persönlichkeiten, zu einem Drittel aus Vertretern der derzeitigen Regierungsparteien und

letztendlich aus einem Drittel von Mitgliedern, die von der Opposition nominiert werden.

Aufgabe dieser Beobachtergruppe soll es sein, über die Einhaltung jener Prinzipien zu

wachen, die für einen demokratischen Rechtsstaat am Beginn des 21. Jahrhunderts

Selbstverständlichkeit sein sollten und die in der Präambel im Arbeitsübereinkommen der

derzeit im Amt befindlichen Bundesregierung niedergelegt sind. Die Tätigkeit dieser

Beobachtergruppe soll enden, sobald die Sanktionsbeschlüsse der 14 EU - Staaten aufgehoben

sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den nachstehenden

 

 

Entschließungsantrag

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Nationalrat verurteilt in voller Übereinstimmung mit dem Herrn Bundespräsidenten jede

rassistische, extremistische oder fremdenfeindliche Äußerung von Repräsentanten der im

Nationalrat vertretenen Parteien oder von irgendeiner anderen Person,

 

Er teilt die Besorgnisse, die den Herrn Bundespräsidenten veranlaßt haben, bestimmte

Repräsentanten der Freiheitlichen Partei für ein Ministeramt nicht in Erwägung zu ziehen.

Weiters bedauert der Nationalrat jede Äußerung von Politikern des Bundes, der Länder oder

der Gemeinden, mit denen Vertreter anderer Staaten verächtlich gemacht oder in rüder Weise

attackiert werden und weist solche Äußerungen, die außerdem den Interessen Österreichs

schaden, mit Entschiedenheit zurück.

 

Gleichzeitig ist der Nationalrat aber der Meinung, daß die klare und verständliche Ablehnung

von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit durch die 14 anderen EU - Staaten und durch die EU -

Kommission nicht dazu führen darf; daß Österreich als EU - Mitglied zweiter Kategorie

behandelt wird, oder daß Maßnahmen getroffen werden, die Österreich, einzelne Gruppen von

Österreichern, einzelne Wirtschaftszweige oder einzelne Institutionen in pauschaler Weise

benachteiligen.

 

Der Nationalrat ist der Auffassung, daß zum Wiederaufbau des Vertrauens zwischen allen

EU - Staaten von allen Seiten Beiträge geleistet werden müssen.

 

Der Nationalrat ersucht daher die Bundesregierung, alles in ihrer Macht Stehende zu tun,

damit die in der Präambel zum Regierungsprogrannn enthaltenen Grundsätze und

Verpflichtungen in jedem einzelnen Punkt genauestens verwirklicht werden und daher auch

Äußerungen von Repräsentanten Österreichs, insbesondere auch des Landeshauptmannes von

Kärnten, die diesen Grundsätzen widersprechen, mit Entschiedenheit entgegengetreten wird.

 

Um dieser Absicht in konkreter Weise zu dienen, tritt der Nationalrat dafür ein, daß in

Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem Nationalrat eine hochrangige

österreichische Beobachtergruppe gebildet wird, die über die Einhaltung jener Prinzipien zu

wachen hat, die in der Präambel zum Arbeitsübereinkommen der derzeitigen

Regierungsparteien formuliert wurden.

 

Diese Beobachtergruppe soll aus drei von den Regierungsparteien nominierten Vertretern, aus

drei von den Oppositionsparteien nominierten Vertretern und aus drei vom Herrn

Bundespräsidenten nominierten Vertretern bestehen.

 

Sobald diese Beobachtergruppe nach angemessener Frist zu dem Ergebnis gelangt, daß die

Präambel zum Regierungsübereinkommen nach Geist und Buchstaben eingehalten wird,

möge die Bundesregierung - gestützt auf die Legitimierung durch einen solchen Bericht - an

die Konferenz der Staats - und Regierungschefs der EU bzw. an die EU - Kommission mit dem

Vorschlag herantreten, die am 31. Jänner 2000 beschlossenen Maßnahmen zu beenden oder

einzuschränken.

 

Die Bundesregierung wird schließlich beauftragt, im Falle von eindeutigen

Rechtsverletzungen gegen Österreich geeignete gerichtliche Schritte im europäischen und

internationalen Rahmen zu unternehmen.

 

Alle vorstehend genannten Maßnahmen sollen von der Bundesregierung gemeinsam mit allen

im österreichischen Nationalrat vertretenen Parteien vorbereitet und durchgeführt werden, um

an der Wiederherstellung des Ansehens Österreichs in Europa und in der Welt auf breiter und

überparteilicher Basis zu arbeiten und den durch die Regierungsbildung eingetretenen

Schaden zu beseitigen.

 

Der Nationalrat ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, daß ein gesamteuropäisches -

eben nicht nur gegen ein bestimmtes Land gerichtetes - Monitoring hinsichtlich der Gefahren

von Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und hinsichtlich der Einhaltung der

Menschenrechte einen weiteren konkreten Schritt zur Verwirklichung der Grundsätze der

Europäischen Union bilden könnte.

 

 

Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuß