139/A XXI.GP

 

                               Antrag

 

 

der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Jarolim

und Genossen

betreffend ein Bundesgesetz über ein Bundes - Heimvertragsgesetz

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz über ein Bundes - Heimvertragsgesetz

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Art. I

Bundes - Heimvertragsgesetz

 

§ 1 Anwendungsbereich

 

(1) Dieses Gesetz regelt den Vertragsschluss zwischen Heimen für alte oder pflege -

bedürftige oder behinderte volljährige Personen* und ihren Bewohnern.

(2) Heime sind Einrichtungen, die wenigstens drei Personen auf Dauer oder be -

stimmte Zeit aufnehmen und sich verpflichten, im Bedarfsfall Betreuungsleistungen

auch selbst zu erbringen.

(3) Die vertragliche Vereinbarung betrifft die Aufnahme, das Überlassen von Unter -

kunft sowie die Betreuung und Verpflegung alter oder pflegebedürftiger oder behin -

derter Bewohner.

(4) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Krankenanstalten und Rehabilitati -

onseinrichtungen, soferne diese nicht der Betreuung alter oder pflegebedürftiger oder

behinderter Personen dienen.

 

§ 2 Zweck des Gesetzes

 

(1) Zweck dieses Gesetzes ist es, die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner

zu schützen. Selbständigkeit und Selbstverantwortung von Heimbewohnern sind zu

_________________________

* Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

fördern und der Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte (§§ 10 und 11) zu garantieren. Die

Rechtsbeziehung zwischen Heimträger und Heimbewohner soll durch den Heimver -

trag auf eine feste Grundlage gestellt werden, um eine Betreuung auf hohem Niveau

zu sichern.

(2) Die Rechtsstellung von Heimträgern hinsichtlich ihrer landesgesetzlich geregelten

Zielsetzungen und Aufgaben wird von diesem Gesetz nicht berührt.

 

§ 3 Heimvertrag

 

(1) Heimverträge sind privatrechtliche Verträge zwischen Heimträgern und Heimbe -

wohnern im Sinne des § 1. Der Heimvertrag ist ein entgeltlicher Vertrag mit beider -

seitigen Rechten und Pflichten.

(2) Heimverträge sind schriftlich abzuschließen. Jeder Vertragsteil erhält ein unter -

fertigtes Vertragsexemplar. Im Heimvertrag sind die Vertragspartner zu benennen

und die beiderseitigen Rechte und Pflichten verständlich zu regeln. lnsbesonders ist

darin das von Bewohnern zu entrichtende Entgelt, aufgeschlüsselt nach einzelnen

Leistungen, anzugeben.

(3) Von diesem Gesetz abweichende Vereinbarungen zum Nachteil der Bewohner

sind unwirksam. Sondervereinbarungen für Kurzzeitpflege bis zu drei Monaten sind

aber gestattet. Kurzzeitpflege kann in einer Ausführungsverordnung geregelt werden.

 

§ 4 Vertragsanbahnung - lnformationspflicht

 

Heimträger trifft die Pflicht, schon Interessenten für Abschlüsse von Heimverträgen

schriftlich oder mündlich über ihre künftigen Rechte und Pflichten sowie über die vom

Heimträger zu erbringenden Leistungen aufzuklären. Heimträger haben Interessen -

ten über die Zielsetzungen und Möglichkeiten sowie die Organisation des Heims ver -

ständlich zu informieren. Dabei ist auf die besondere Situation alter oder pflegebe -

dürftiger oder behinderter Menschen Rücksicht zu nehmen. - Jedes Heim hat Warte -

listen anzulegen.

 

§ 5 Leistungsanpassungspflicht

 

(1) Heimträger trifft im Rahmen ihrer Tätigkeit die grundsätzliche Pflicht, ihre Leistun -

gen dem Gesundheitszustand des Heimbewohners anzupassen. Änderungen sind in

einem Nachtrag zum Heimvertrag schriftlich zu vereinbaren.

(2) Der Leistungskatalog von Alten - , Pflege - und Behindertenheimen in Bezug auf

das Wohnen, die Betreuung und die Pflege ist im Sinne von Leistungs - und Betreu -

ungs - Mindeststandards in einer Ausführungsverordnung zu regeln.

 

§ 6 Entgelt und Entgelterhöhung

 

(1) Das dem Heimträger zustehende Entgelt muss angemessen sein. Es hat den

vom Heimträger zu erbringenden Leistungen zu entsprechen.

(2) Die Grundsätze der Entgeltbestimmung sollen in einer Entgeltrichtlinienverord -

nung festgelegt werden. Dabei ist anzuführen, welche Leistungen durch ein Verein -

bartes Pauschalentgelt abgegolten sind und welche detailliert anzuführenden Lei -

stungen zu welchem Preis zusätzlich verrechnet werden.

(3) Eine Entgelterhöhung durch den Heimträger ist zulässig, wenn sich die bisherige

Berechnungsgrundlage nachweislich um wenigstens 3 % verändert hat, im Einklang

mit der Valorisierung der Pensionen (gem. § 108 ASVG) erfolgt und das erhöhte

Entgelt angemessen ist. Die Erhöhung ist zu begründen. In die Kalkulationsgrundla -

gen ist auf Wunsch dem Bewohner oder dessen bestelltem Vertreter Einsicht zu ge -

währen.

(4) Jede Entgelterhöhung bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Heimbewohners.

Heimträger trifft die Pflicht, Heimbewohner auf geplante Entgelterhöhungen minde -

stens einen Monat im Voraus schriftlich aufmerksam zu machen.

(5) Im Heimvertrag kann aber vereinbart werden, dass der Heimträger Erhöhungen

und Senkungen des Entgelts durch einseitige Erklärung vornehmen kann. Abs 1 ist

dabei zu beachten. Entgeltsenkungen sind vom Heimträger unverzüglich zu berück -

sichtigen und können auch von Heimbewohnern verlangt werden. Eine Kündigung

des Heimvertrags durch den Heimträger zum Zwecke der Entgelterhöhung ist aus -

geschlossen.

 

§ 7 Leistungen des Heimträgers

 

(1) Die Leistungen des Heimträgers haben folgenden Grundsätzen zu entsprechen:

     1. Sie sind einzeln und übersichtlich zu umschreiben, wobei die jeweils dafür an -

         gesetzten Entgelte, soweit sie nicht durch ein Pauschalentgelt abgegolten sind,

         auszuweisen sind. Allgemeine Pflege - und Betreuungsleistungen, wie zum Bei -

         spiel Waschen, Anziehen, Toilette, Hilfe bei der Einnahme von Essen und Ge -

         tränken oder soziale Betreuung sind im Rahmen der Grundbetreuung ohne zu -

         sätzliche Entgeltleistung zu erbringen.

     2. Die Benützung der allgemeinen Räumlichkeiten des Heims und der Unterkunft

         des Bewohners ist genau zu regeln. Die Haus - oder Heimordnung bildet einen

         Bestandteil des Vertrages und ist Interessenten rechtzeitig vor Vertragsschluss

         auszuhändigen.

     3. Die einzelnen Pflege - und Betreuungsleistungen sind genau anzuführen und mit

         Entgeltansätzen zu versehen. Die Abwesenheit von Heimbewohnern ist finan -

         ziell angemessen zu berücksichtigen. Der Heimträger ist verpflichtet, eine Pfle -

         gedokumentation zu führen, in die dem Heimbewohner und bei dessen Einver -

         ständnis auch dessen Angehörigen sowie einem bestellten gesetzlichen Ver -

         treter Einsicht zu gewähren ist. Auf Verlangen sind daraus Kopien anzufertigen.

     4. Die Verpflegung von Heimbewohnern ist hinsichtlich der Zahl der Mahlzeiten,

         der Art und Qualität der angebotenen Speisen, des Ortes und der Zeiträume ih -

         res Verabreichens flexibel zu regeln. Verschiedene Kosiformen sind anzubie -

         ten. Hilfe bei der Einnahme aller Mahlzeiten ist sicherzustellen.

     5. Der Heimträger hat die Voraussetzungen der Inanspruchnahme sowie Art und

         Qualität der von ihm entgeltlich oder unentgeltlich angebotenen therapeutischen

         und medizinischen Leistungen anzuführen.

(2) Im Falle mangelhafter Leistungserbringung oder anderen Leistungsstörungen, die

vom Heimträger zu vertreten sind, stehen Heimbewohnern die Möglichkeiten des

bürgerlichen Rechts offen. § 9 KSchG ist entsprechend anzuwenden.

 

§ 8 Pflichten der Heimbewohner

 

(1) Heimbewohner haben ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen und dabei darauf zu

achten, dass der Heimbetrieb von jedem Einzelnen die Rücksichtnahme auf berech -

tigte Interessen anderer Heimbewohner und des Heimträgers erfordert.

(2) Der Heimträger ist berechtigt, im Falle von schweren Verletzungen der heimver -

traglichen Beziehung eine Ermahnung auszusprechen und auf mögliche Folgen ei -

nes solchen Verhaltens hinzuweisen; § 12 Abs 2.

 

§ 9 Persönlichkeitsschutz von Heimbewohnern

(1) Der Heimträger hat die Persönlichkeitsrechte des Heimbewohners zu gewährlei -

sten. Er hat dabei die Persönlichkeitsrechte des Privatrechts (insbesonders die §§

16, 17 ABGB) ebenso zu achten wie die verfassungsrechtlich gewährleisteten

Grundrechte sowie straf - und verwaltungsrechtliche Schutzbestimmungen.

(2) Der Heimträger ist verpflichtet insbesonders folgende Rechte der Heimbewohner

zu gewährleisten. Das Recht auf:

   1. freie Entfaltung der Persönlichkeit; freiheitsbeschränkende Maßnahmen dür -

       fen nur nach Maßgabe gesetzlicher Vorschriften gesetzt werden;

   2. anständige Begegnung;

   3. Individualität, Selbstbestimmung und Achtung des Privatlebens im Heim

       (Schutz der Wohnung);

   4. Schutz des Brief - , Post - und Fernmeldegeheimnisses;

   5. administrative Unterstützung;

   6. politische und religiöse Selbstbestimmung;

   7. Einrichtung unabhängiger Beschwerdeinstanzen inner - oder außerhalb des

       Heimes;

   8. eine zeitgemäße medizinische Versorgung, freie Arzt - und Therapiewahl (Ku -

       rierfreiheit) sowie eine adäquate Schmerzbehandlung;

   9. Kontakte zur Außenwelt: insbesonders Besuchsrecht und Telefon;

 10. Benennung einer persönlichen Vertrauensperson, der besondere Rechte auch

       im Heim zustehen sollen und die in wichtigen Belangen zu verständigen ist,

       insbesonders bei Vertragsabschluss oder Vertragsänderung hinzuzuziehen

       ist;

 11. Achtung der Intimsphäre und Verschwiegenheit durch das Heim personal;

 12. Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes: Geschlecht, Abstammung, Sprache,

       politische Überzeugung oder religiöses Bekenntnis dürfen kein Grund von Be -

       nachteiligungen sein;

 13. freie Meinungsäußerung und das Recht, sich zu versammeln und Vereinigun -

       gen zu bilden;

 14. Verfügung über personenbezogene Daten (Recht auf informationelle Selbst -

       bestimmung);

 15. persönliche Kleidung und

 16. das Recht, im Rahmen bestehender Möglichkeiten, eigenes Mobiliar oder

       Haustiere mitzunehmen.

(3) Vereinbarungen über freiheitsbeschränkende Maßnahmen können nicht Gegen -

stand des Heimvertrags sein.

 

§ 10 Mitbestimmung von Heimbewohnern

 

(1) Heimbewohnern ist die Möglichkeit zu einer wirkungsvollen Mit - und Selbstbe -

stimmung ihrer Interessen im Heim zu eröffnen. Dies gilt insbesonders für das Er -

stellen und Abändern der Haus - oder Heimordnung. - Es ist eine Heimbewohneran -

waltschaft einzurichten.

(2) Weitergehende Regelungen betreffend die Mitbestimmung und den Persönlich -

keitsschutz in Heimen für alte oder pflegebedürftige oder behinderte Heimbewohner

sind in einer Ausführungsverordnung zu regeln.

 

§ 11 Vertragsbeendigung

 

(1) Heimverträge können durch einvernehmliche Erklärung der Vertragsparteien je -

derzeit beendet werden. Auf bestimmte Zeit abgeschlossene Heimverträge enden

grundsätzlich durch Zeitablauf; eine Kündigung aus wichtigem Grund innerhalb der

vereinbarten Dauer bleibt aber möglich. Gleiches gilt für Kurzzeitpflege; § 2 Abs 2.

Der Heimvertrag wird auch durch den Tod des Heimbewohners beendet; § 15.

Für auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Heimverträge gelten die in § 12 ange -

führten Kündigungsbestimmungen.

(2) Heimbewohner können den Heimvertrag unter Einhaltung einer einmonatigen

Frist aufkündigen und aus wichtigem Grund auch ohne Einhaltung einer Frist kündi -

gen, wenn ihnen die Fortsetzung des Heimverhältnisses bis zum Ablauf der Kündi -

gungsfrist nicht zumutbar ist.

 

§ 12 Kündigung des Heimvertrags durch den Heimträger

 

(1) Heimträger können nur aus wichtigem Grund kündigen. Die Kündigung ist schrift -

lich auszusprechen und wirkt befristet auf zwei Monate.

(2) Voraussetzung einer Kündigung aus wichtigem Grund ist es, dass der Heimträger

den Heimbewohner von seiner Absicht wenigstens einen Monat vorher schriftlich in

Kenntnis gesetzt hat; Ermahnung (§ 8 Abs 2).

(3) Wichtige Kündigungsgründe sind insbesonders:

   1. das Einstellen oder ein wesentliches Verändern des Heimbetriebs;

   2. eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustands des Bewohners, der

       eine sachgerechte Betreuung im Heim künftig unmöglich macht;

   3. wenn ein Bewohner seine vertraglichen Pflichten insbesonders auch seine

       Entgeltzahlung - schuldhaft beharrlich gröblich verletzt, sodass dem Heimträger

       eine Fortsetzung des Vertrags nicht zugemutet werden kann. Verspätungen der

       Entgeltzahlung von Heimbewohnern, die von Sozialhilfeträgern zu vertreten

       sind oder auf verspätet ausgezahlten Pflegegeldleistungen beruhen, stellen

       keinen Kündigungsgrund dar.

 

§ 13 Nachweis anderweitiger Unterbringung

 

Hat ein Heimträger aus wichtigem Grund gekündigt und ist der Bewohner auf eine

Unterbringung angewiesen, hat der Heimträger dem gekündigten Bewohner eine

angemessene anderweitige Unterbringungsmöglichkeit anzubieten. Wird der Heim -

betrieb eingestellt, trägt der Heimträger die angemessenen Umzugskosten.

 

§ 14 Fortbestehen des Heimverhältnisses über den Tod hinaus

 

Zwischen Heimträger und Heimbewohner kann vereinbart werden, dass das Heim -

verhältnis bis zum Ende des Sterbemonats fortbesteht. In diesen Fällen ermäßigt

sich das bisher geleistete Entgelt um den Wert der vom Träger ersparten Aufwen -

dungen.

 

§ 15 Rückstellung der Wohneinheit und eingebrachter Habe

 

(1) Im Falle des Todes eines Heimbewohners ist die Wohneinheit unverzüglich, je -

denfalls aber binnen 14 Tagen zu räumen.

(2) Eingebrachte Sachen, die innerhalb der Räumungsfrist nicht abgeholt werden,

sind vom Heimträger einen weiteren Monat unentgeltlich und sicher zu verwahren.

Für eine längere Verwahrung bis zum Ende der Verlassenschaftsabhandlung kann

ein angemessenes Entgelt verlangt werden.

 

§ 16 Gerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung - Klageberechtigung

 

(1) Für die Streitbeilegung zwischen Heimträger und Heimbewohner sowie von

Heimbewohnern untereinander sind, wenn es sich um Heimangelegenheiten handelt,

die Sozialgerichte zuständig. Zuständig ist das sachlich zuständige Gericht des Ortes

oder Bezirkes, in dem das Heim liegt.

(29 Vor Anrufung des Gerichts, soll ein außergerichtlicher Streitbeilegungsversuch

(Schlichtung, Mediation) unternommen werden, der jedoch abgelehnt werden kann.

(3) Klageberechtigt sind neben Heimbewohnern und den für sie rechtsgeschäftlich

oder gesetzlich bestellten Vertretern auch der Österreichische Seniorenrat und die im

§ 3 Bundes - Seniorengesetz genannten Seniorenorganisationen, ferner Organisatio -

nen, die im Bundesbehindertenbeirat nach § 10 Abs 1 Z 6 Bundesbehindertengesetz

(BBG) vertreten sind sowie vom Justizministerium gemäß § 1 des Vereinssachwalter -

und Patientenanwaltsgesetzes als geeignet anerkannte Sachwaltervereine und der

Verein für Konsumenteninformation. Diese Organisationen sind im Sinne des

§ 29 KSchG zur Verbandsklage berechtigt. § 28 Abs 2 KSchG (Abmahnung) ist sinn -

gemäß anzuwenden.

 

§ l7 Vergebührung

 

Der Abschluss von Heimverträgen samt allfälligen Nachträgen ist gebühren - und ab -

gabenfrei.

Art. II

Inkrafttreten, Übergangsbestimmungen, Vollzugsklausel

 

(1) Dieses Bundesgesetz tritt am 1.1.2001 in Kraft. Es ist auf Sachverhalte, die sich

vor seinem Inkrafttreten ereignet haben, nicht anzuwenden.

(2) Bestehende Rechtsbeziehungen sind binnen sechs Monaten ab Inkrafttreten die -

ses Gesetzes an die in diesem Gesetz getroffenen Regelungen anzupassen.

(3) Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.

Erläuternde Bemerkungen

 

Zu Art. I:

 

Für die Regelung dieser Rechtsbeziehung durch ein Bundesgesetz spricht ei -

ne Reihe von Gründen (dazu ausführlicher: Barta / Ganner, Rechtspolitische und

legistische Gründe für ein bundeseinheitliches Heimvertragsgesetz

(B - HeimVG), Soziale Sicherheit 2000, Maiheft): Zunächst die kompetenzrechtli -

che Überlegung, dass für das Regeln der heimvertraglichen Beziehung auch

nach dem Verfassungsgerichtshof - Erkenntnis vom 16. Oktober 1992

(VsSlg 13.237; GZ K 11 - 2191 - 53), die Zivilrechtskompetenz des Artikels 10 Z 6

B -VG zur Verfügung steht. Aber auch das funktionale Zusammenwirken von

Bund und Ländern zum Wohle der betroffenen Personengruppe kann dadurch

gefördert werden; das betrifft etwa den schwierigen Bereich freiheitsbeschrän -

kender Maßnahmen, der einer einheitlichen Lösung bedarf; und auch die Per -

sönlichkeitsrechte und die Mitbestimmung im Heim sollen österreichweit gesi -

chert werden; eine einheitliche Regelung erscheint auch für das Pflegepersonal

unverzichtbar, zumal dieser Personengruppe nicht länger die derzeit bestehen -

de - insbesonders zivil - und strafrechtliche - Rechtsunsicherheit zugemutet

werden kann. Das legistische Instrumentarium der Ausführungsverordnung, das

mehrfach ins Gesetz eingebaut wurde, soll auf der einen Seite das Gesetz

überschaubar und „schlank“ halten und auf der anderen Seite für ein flexibles

Berücksichtigen von Träger und Länderinteressen sorgen. Dieses Instrumenta -

rium ermöglicht inhaltlich und zeitlich ein realistisches Anpassen der Länderin -

teressen an das neue Bundesgesetz.

 

Das B - HeimVG will die Rechtsbeziehung zwischen allen Arten von Heimen

für alte oder pflegebedürftige oder behinderte Personen und deren Be -

wohnern auf eine neue feste rechtliche Grundlage stellen. Dies vor allem da -

durch, dass diese Rechtsbeziehung durch einen privatrechtlichen Vertrag, der

die Gleichheit der Vertragspartner ausdrückt, geregelt wird. Keine Anwendung

soll das Gesetz auf Krankenanstalten und Rehabilitationseinrichtungen finden,

soferne diese nicht der Betreuung alter oder pflegebedürftiger oder behinderter

Personen dienen; § 1 Abs 4. - Erfasst werden sollen durch das neue Gesetz

demnach alle Arten von Heimen und Trägern: private ebenso wie öffentliche

oder gemeinnützige Einrichtungen.

 

Es ist auch beabsichtigt, das Gesetz - in Bezug auf die Größe von Heimen -

auf möglichst viele Heime anwenden zu können; § 1 Abs 2 sieht daher nur eine

Untergrenze von drei betreuten Personen vor. Ziel der gesetzlichen Regelung

ist es darüber hinaus, die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner, ihre

Selbständigkeit und Selbstverantwortung zu fördern.

Die in manchen Bundesländern durch Landes - Heimgesetze geregelte Rechts -

stellung von Heimträgern wird durch dieses Bundesgesetz nicht berührt. Beab -

sichtigt ist vielmehr ein effizientes Zusammenwirken zwischen dieser bundes -

gesetzlichen Regelung und bestehenden Landes - Heimgesetzen oder sonstigen

landesrechtlichen Vorschriften; § 2 Abs 2.

§ 3 stellt klar, dass privatrechtliche Heimverträge von allen Heimträgern ab -

zuschließen sind, gleichgültig ob es sich um öffentliche oder prIvate oder ge -

meinnützige Träger handelt. Schriftlichkeit des Vertragsschlusses ist dabei

vorgesehen; § 3 Abs 2.

Wichtiges Ziel der gesetzlichen Regelung ist es ferner, die gegenseitigen

Rechte und Pflichten von Heimträgern und Heimbewohnern klar anzuführen

und insbesonders auch das zu entrichtende Entgelt, das - bei allen Unterschie -

den der Höhe nach - eine beträchtliche Höhe erreicht, nach einheitlichen Ge -

sichtspunkten aufzuschlüsseln und transparent zu machen. Das Gesetz ist als

Schutzgesetz (nach dem Vorbild des KSchG 1979) konzipiert, was zur Folge

hat, dass abweichende Vereinbarungen zum Nachteil von Bewohnern unwirk -

sam sind; § 3 Abs 3.

Ursprünglich war überlegt worden, Aussagen über den bislang gesetzlich nicht

geregelten Vertragstypus Heimvertrag, in dieses Gesetz aufzunehmen. Da -

von wurde aber wieder Abstand genommen, weshalb die folgenden Ausführun -

gen angezeigt erscheinen: Heimverträge kommen in der Praxis in unterschiedli -

cher Ausgestaltung vor, nämlich als Heimwohn - und als Heimpflegevertrag.

Beide Vertragsformen unterstehen diesem Gesetz. Beide Arten des Heimver -

trags sind sogenannte Mischverträge: Beim Heimwohnvertrag überwiegt, trotz

Vorhandenseins einer Betreuungskomponente, das mietvertragliche, beim

Heimpflegevertrag ein werkvertragliches Erfolgs - oder Leistungselement. Die

Qualifikation des Heimpflegevertrags als Werkvertrag ist praktisch von Bedeu -

tung, weil dadurch das Herausbilden administrierbarer Leistungsstandards er -

leichtert wird.

§ 4 Abs 1 behandelt die für alte oder pflegebedürftige oder behinderte Men -

schen wichtige Frage der Vertragsanbahnung und sieht eine funktional be -

deutsame lnformationspflicht von Heimträgern gegenüber ihren Vertragspart -

nern vor, ohne dabei die Trägerpflichten zu überspannen. Nach dieser Bestim -

mung haben Heime auch Wartelisten zu führen. - Ein im Rahmen landesrecht -

licher Vorschriften allenfalls bestehender Abschlusszwang wird von diesem Ge -

setz nicht berührt; vgl § 2 Abs 2.

Praktisch bedeutsam erscheint auch die in § 5 erstmals festgelegte Leistungs -

anpassungspflicht der Heime, wobei der Leistungskatalog im Rahmen einer

Ausführungsverordnung flexibel - Raum für das Einfließen von Länderinteres -

sen lassend - als Mindeststandard geregelt wird; § 5 Abs 2.

§ 6 betrifft die für jede Vertragsregelung zentrale Entgeltvereinbarung und den

wichtigen Mechanismus der Entgelterhöhung, der gegenwärtig immer wieder

Probleme bereitet. Hier wurde versucht einen gerechten Ausgleich zwischen

den Interessen der Heimbewohner und Heimträger zu finden.

§ 7 geht näher auf die Grundsätze der Leistungserbringung der Heimträger

ein. Auch hier wurde ein angemessener lnteressensausgleich zwischen der

Bewohner - und der Trägerseite angestrebt.

§ 8 stellt klar, dass nicht nur Heimträger sondern auch Heimbewohner Pflich -

ten haben und dass schwere Verletzungen derselben rechtliche Konsequenzen

nach sich ziehen können; § 8 Abs 2: Ermahnung.

§ 9 regelt erstmals den Persönlichkeitsschutz von Heimbewohnern. Dabei

wird klargestellt, dass der verfassungsrechtliche Grundrechts - und der privat -

rechtliche Persönlichkeitsschutz (zusammen mit straf- und verwaltungsrechtli -

chen Regelungen) eine Einheit bilden. Diese Bestimmung versucht erstmals,

einen "Kern" der wichtigsten Persönlichkeitsrechte für alte oder pflegebedürftige

oder behinderte Menschen zu schaffen, was rechtspolitisch nötig erscheint,

zumal in Österreich für die betroffene Personengruppe derzeit kein expliziter

und fasslicher Grundrechtsschutz existiert.

§ 10 gewährt Heimbewohnern ein angemessenes Recht auf Mitbestimmung.

Dieses Instrumentarium erscheint für die Zukunft von Bedeutung, zumal sich

abzeichnet, dass sich die bedingungslose "Dulderhaltung" alter Menschen künf -

tig ändern wird.

Die §§ 11 bis 15 gehen auf verschiedene Fragen der Vertragsbeendigung

ein. Die Kündigung in ihren unterschiedlichen Ausgestaltungen wird hier einge -

hend geregelt, wobei das Prinzip eines sozial ausgestalteten Kündigungsschut -

zes zugunsten alter oder pflegebedürftiger oder behinderter Menschen im Vor -

dergrund steht. Auch dabei wurden ausländische Erfahrungen berücksichtigt.

§ 16 regelt die gerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung und ver -

weist allfällige Auseinandersetzungen in die Zuständigkeit der Sozialgerichte,

wobei - dieser vorgeschaltet - eine außergerichtliche Streitbeilegung angeregt

wird. Klagslegitimiert sollen die Heimbewohner selbst und allfällige bestellte ge -

setzliche Vertreter, aber auch der Österreichische Seniorenrat und die in ihm

vertretenen Verbände sowie Organisationen, die im Behindertenbeirat vertre -

ten sind und gesetzliche Sachwaltervereine sein. Als Vorbild für diese Lösung

diente das KSchG und dessen Rechtsschutzinstrumentarien in Form der lndivi -

dual - und Verbandsklage samt Abmahnungsverfahren.

§ 17 regelt gezielt die wichtige Frage der Vertragsvergebührung, zumal die in

der Praxis in manchen Bundesländern anfallende hohe Vertragsvergebührung

derzeit ein Grund dafür ist, keine Heimverträge abzuschließen.

 

Zu Art. II:

 

Art. II sieht als Übergangsbestimmung in Abs 2 eine Anpassungspflicht für

bestehende Heimverträge innerhalb eines halben Jahres vor. Das erscheint

sinnvoll, da es sich beim Heimvertrag um eine existentielle Dauerrechtsbezie -

hung für alte oder pflegebedürftige oder behinderte Personen handelt.