306/A XXI.GP

 

ANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner - Gabitzer, Dr. Michael Krüger

und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes - Verfassungsgesetz und das

Verfassungsgerichtshofgesetz geändert werden

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Bundes - Verfassungsgesetz und das Verfassungs -

gerichtshofgesetz geändert werden

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

 

Artikel 1

(Verfassungsbestimmung)

 

Das Bundes -Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesverfas -

sungsgesetz BGBl. I Nr. XXXXX, wird wie folgt geändert:

 

1.   Art. 139 Abs. 6 zweiter Satz lautet:

      „Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des

      Anlaßfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern nicht

      der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes

      ausspricht oder in dem in Art. 148 vorgesehenen Bundesgesetz anderes

      bestimmt ist.“

 

2.   Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz lautet:

      „Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des

      Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern nicht der

      Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes aus -

      spricht oder in dem in Art. 148 vorgesehenen Bundesgesetz anderes

      bestimmt ist.“

Artikel II

 

Das Verfassungsgerichtshofgesetz - VerfGG 1953, BGBl.Nr. 85, zuletzt geän -

dert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXXXXX, wird wie folgt geändert:

 

Nach § 19 wird folgender § 19a eingefügt:

,,§ 19a. (1) Geben Anträge nach § 15 Grund zur Annahme, daß gegen eine sich

auf die Pflicht zur Zahlung von Abgaben, Beiträgen oder Gebühren oder auf

deren Höhe beziehende Rechtsvorschrift, hinsichtlich welcher ein Verfahren

nach Art. 139 bis 140a B - VG anhängig ist oder voraussichtlich eingeleitet

werden wird, eine erhebliche Anzahl von Beschwerden zu erwarten ist, so

verlautbart dies der Verfassungsgerichtshof aufgrund eines in nicht öffentlicher

Sitzung gefaßten Beschlusses unter Bezeichnung der Rechtsvorschrift, auf

welche diese Voraussetzungen zutreffen, im Bundesgesetzblatt. Wenn eine in

oberster Instanz zur Entscheidung berufene Behörde oder der Verwaltungsge -

richtshof diese Rechtsvorschrift anzuwenden hatte, so ist das Verfahren bis zur

Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes unterbrochen, sofern die Partei

nicht ausdrücklich die Fortsetzung verlangt. Während das Verfahren unter -

brochen ist, dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Entscheidungen

und Verfügungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfas -

sungsgerichtshofes nicht beeinflußt werden können oder die die Frage nicht

abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten. Wird die Rechtsvorschrift

vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, so ist sie im fortgesetzten Verfahren

unabhängig von einer allfälligen Fristsetzung für das Außerkrafttreten der auf -

gehobenen Rechtsvorschrift nicht anzuwenden.

 

(2) Wird hinsichtlich einer im Sinn des Abs. 1 verlautbarten Rechtsvorschrift

vom Verfassungsgerichtshof ein Verfahren nicht eingeleitet, die Rechtsvor -

schrift nicht aufgehoben und auch nicht ausgesprochen, daß sie rechtswidrig

war, so ist dies vom Verfassungsgerichtshof im Bundesgesetzblatt zu verlaut -

baren.“

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Verfassungsausschuß

zuzuweisen.

Begründung:

 

Im Herbst 1996 sah sich der Verfassungsgerichtshof einer außergewöhnlichen

Belastung ausgesetzt, als bei ihm mehr als 11.000 Beschwerden eingebracht

wurden, die sich gegen ein und dieselbe Regelung richteten. In seinem Tätig -

keitsbericht für das Jahr 1996 führte der Verfassungsgerichtshof dazu folgen -

des aus:

 

„Mit einer Beschwerdeserie dieser Größenordnung sah sich der Verfassungs -

gerichtshof im Berichtsjahr erstmals konfrontiert. Es ist jedoch zu befürchten,

daß das in diesem Verfahren erprobte Instrument der „Musterbeschwerde“

auch in künftig anhängig werdenden Fällen erneut eingesetzt wird, mit der

Gefahr, den Verfassungsgerichtshof lahm zu legen.

 

Um diesen rechtsstaatlich überaus bedenklichen Entwicklungen zu begegnen,

sind legistische Maßnahmen erforderlich, die bereits den Anfall tausender

gleichartiger Beschwerden entbehrlich machen, ohne den Rechtsschutz zu

beeinträchtigen.

 

Zu denken wäre dabei vor allem an einen Ausbau des derzeit schon in gewis -

sem Umfang bestehenden Rechtsinstitutes der Aussetzung des Verfahrens, das

im Zusammenhang mit den dem Verfassungsgerichtshof eingeräumten Mög -

lichkeiten zur Gestaltung der Anlaßfallwirkung zu setzen wäre. Einzelheiten

einer solchen Regelung sollten mit den zuständigen gesetzlichen Interessen -

Vertretungen besprochen werden, der Verfassungsgerichtshof ist gerne selbst

zur Mitwirkung bereit.“

 

Diese Anregung des Verfassungsgerichtshofes wurde aufgenommen. Es

fanden Gespräche zwischen Vertretern des Verfassungsgerichtshofes, der

Bundesverwaltung und der in Frage kommenden gesetzlichen Interessenver -

tretungen statt, die letztlich zu einem Begutachtungsentwurf geführt haben.

Auf Grund der Ergebnisse der Begutachtungen wurde der Entwurf im Jahre

1998 nochmals angepaßt, jedoch nicht weiter verfolgt.

 

Der Grundgedanke des Entwurfes besteht darin, daß dann, wenn vor dem Ver -

fassungsgerichtshof ein eine bestimmte Rechtsvorschrift betreffendes Massen -

verfahren zu erwarten ist, der Verfassungsgerichtshof dies verlautbart. Dies hat

die Wirkung, daß letztinstanzliche Verwaltungsverfahren und Verfahren vor

dem Verwaltungsgerichtshof, in denen die betreffende Norm anzuwenden ist,

unterbrochen werden. Alle diese Verfahren kommen, ohne daß ein Verfahren

vor dem Verfassungsgerichtshof eingeleitet werden müßte, in den Genuß der

Anlaßfallwirkung, mit anderen Worten, in diesen Verfahren ist auf der Grund -

lage der allenfalls durch den Verfassungsgerichtshof bereinigten Rechtslage zu

entscheiden.