314/A XXI.GP

Eingelangt am:30.10.2000

 

ANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Jarolim

und Genossen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsanwaltschaftsgesetz durch Bestimmungen für

den Fall der Befangenheit des Bundesministers für Justiz ergänzt wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Staatsanwaltschaftsgesetz durch Bestimmungen für den Fall

                               der Befangenheit des Bundesministers für Justiz erginzt wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Staatsanwaltschaftsgesetz BGBl. Nr. 164/1986, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz

BGBl. I Nr. 5/1999, wird wie folgt geändert:

 

1. (Verfassungsbestimmung). Dem § 2 werden folgende Absätze 3 bis 6 angefügt:

 

                „(3) (Verfassungsbestimmung). In Strafsachen, in denen die Person des

Bundesministers für Justiz

 

                a) selbst Verdächtigter oder Beschuldigter in einem Strafverfahren ist, oder

                b) als Zeuge oder Sachverständiger vernommen wird oder worden ist oder als

                     Verteidiger, als Vertreter des Privatanklägers oder Privatbeteiligten tätig gewesen

                      ist, oder

                c) mit dem Beschuldigten oder dessen Verteidiger oder dem durch das Verbrechen

                    oder Vergehen Verletzten oder dem Privatankläger in einem in § 67

                    Strafprozessordnung erwähnten Verhältnis steht, oder

                d) wegen eines Zusammenhanges mit einer Strafsache gem. lit. b) oder c) befangen

                     sein könnte

gehen die Aufgaben des Bundesministers für Justiz nach diesem Bundesgesetz auf den

Generalprokurator über und sind die Oberstaatsanwaltschalten dem Generalprokurator

untergeordnet.

 

                (4) (Verfassungsbestimmung). Der Generalprokurator ist in Erfüllung der Aufgaben

gem. Abs. 3 frei von Weisungen und unabhängig. Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen

ihm gegenüber die Rechte gem. Art. 52 B - VG zu. Der Generalprokurator ist bei Erfüllung der

Aufgaben gem. Abs. 3 hinsichtlich der Verantwortlichkeit gem. Art. 142 und 143 B - VG den

Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt.

 

                (5) (Verfassungsbestimmung). Der Generalprokurator hat das Vorliegen eines Falles

gem. Abs. 3 sofort dem Bundespräsidenten zu berichten, der den Übergang der Zuständigkeit

vom Bundesminister für Justiz auf den Generalprokurator festzustellen hat. Diese

Entschließung ist vom Bundespräsidenten dem Bundesminister für Justiz mitzuteilen und

kundzumachen.

 

                (6) (Verfassungsbestimmung). Nach Abschluss eines Strafverfahrens im Sinne des

Abs. 3 hat der Generalprokurator einen Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat zu

erstatten.“

 

2. Nach § 8 Abs. 1 wird folgender Abs. la eingefügt:

 

                „(1 a) Über Strafsachen im Sinne des § 2 Abs. 3 haben die Staatsanwaltschaften sofort

der Oberstaatsanwaltschaft und diese sofort dem Generalprokurator zu berichten.“

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss

Begründung

 

 

Wie Medienberichten zu entnehmen ist, stehen erstmals in der 2. Republik strafrechtliche

Ermittlungen gegen den amtierenden Bundesminister für Justiz im Raum. Da aber die

ermittelnden Staatsanwälte gegenüber dem Bundesminister für Justiz weisungsgebunden sind,

liegt auf der Hand, dass sowohl der Bundesminister für Justiz selbst, als auch die tätig

werdenden Staatsanwälte in eine Pflichtenkollision geraten könnten.

 

Diese Situation wird dadurch verschärft, dass derzeit nicht - wie in einer langjährigen

bewährten Praxis - ein unabhängiger Justizminister amtiert, sondern der vormalige

langjährige Rechtsvertreter von FPÖ - Obmann Jörg Haider, der mitten in den Spitzeiskandal

involviert zu sein scheint, deretwegen auch Erhebungen gegen den Justizminister bevorstehen

könnten. Dessen Tätigkeit als Rechtsvertreter Jörg Haiders hat schon die von der

Europäischen Union bestellten „drei Weisen“ veranlasst, in ihrem Bericht über das Verhalten

des Justizministers im Hinblick auf die gemeinsamen europäischen Werte Besorgnis

auszudrücken.

 

Der Justizminister hat diese Problematik vorerst selbst erkannt und in der Öffentlichkeit

behauptet, er verzichte in dieser Angelegenheit auf das Weisungsrecht gegenüber den

staatsanwaltschaftlichen Behörden. In weiterer Folge hat er aber wiederum öffentlich

bemerkt, dass es durchaus Weisungen, etwa zur „Beschleunigung“ der Verfahren, geben

könne.

 

Diese Situation ist rechtsstaatlich unerträglich. Es muss die Garantie bestehen, dass die

Staatsanwaltschaften unbeeinflusst von jeder Einflussnahme von politischer Seite ihren

Aufgaben nachgehen können. Auch die derzeitige in dieser Angelegenheit nach dem

Staatsanwaltschaftsgesetz bestehende Berichtspflicht gegenüber dem Bundesminister für

Justiz - auf die er auch gar nicht verzichten kann (vgl. Univ. - Prof. Dr. Heinz Mayer, Profil

44/2000) - ist nicht akzeptabel, weil dadurch der Justizminister über allfällige Erhebungen

gegen ihn, aber auch gegen seine Parteifreunde zu informieren ist. Auf diese Weise könnten

diese Erhebungen vereitelt oder erschwert werden, welche Möglichkeit im Interesse aller von

vornherein ausgeschlossen werden muss.

 

Mit dem gegenständlichen Gesetzesantrag sollen daher stets dann, wenn strafrechtliche

Erhebungen gegen den Justizminister erfolgen, die Aufgaben des Justizministers auf den

Generalprokurator übergehen. Vergleichbare Fälle der Befangenheit lösen ebenfalls diesen

Zuständigkeitsübergang aus.

 

Der Generalprokuratur werden in diesen Angelegenheiten die Oberstaatsanwaltschaften und

Staatsanwaltschaften unterstellt. Diese haben über solche Fälle sofort dem Generalprokurator

zu berichten, wodurch ex lege die Zuständigkeit auf ihn übergeht. Damit in rechtsstaatlich

einwandfreier Weise dieser Zuständigkeitsübergang beurkundet wird, hat der

Generalprokurator sofort den Bundespräsidenten zu informieren, der den

Zuständigkeitsübergang dem Bundesminister für Justiz mitteilt und diese Entschließung

kundmacht, und zwar entsprechend den allgemeinen Regeln im Amtsblatt zur Wiener Zeitung

und in anderer geeigneter Weise. Selbstverständlich hat der Bundesminister für Justiz sich

auch schon vor dem Bekanntwerden des Zuständigkeitsüberganges jeglicher Tätigkeit in

eigener Sache zu enthalten.

 

Da alle Aufgaben des Bundesministers für Justiz im gegebenen Zusammenhang auf den

Generalprokurator übergehen, sind selbstverständlich die sonstigen Vorschriften des

Staatsanwaltschaftsgesetzes einzuhalten. Dies betrifft insbesondere die Berichte der

Staatsanwaltschaften, die an den Generalprokurator zu ergehen haben, die Vorschriften über

Weisungen, die nunmehr vom Generalprokurator ausgehen und die Möglichkeit nach

Abschluss eines Strafverfahrens über diese Weisungen der Öffentlichkeit zu berichten (§ 31

StAG).

 

Ergänzend wird vorgesehen, dass der Generalprokurator nach Abschluss des Strafverfahrens -

also auch bei dessen Einstellung - einen Bericht über dieses Verfahren und aller dabei

vorgenommenen Ermittlungsschritte an den Nationalrat und den Bundesrat zu erstatten hat.

 

Da in diesem Umfang dem Generalprokurator die Stellung eines Obersten Organes zukommt,

und zwar in einem extrem politisch sensiblen Bereich, wird er insoweit in der

Verantwortlichkeit einem Mitglied der Bundesregierung gleichgestellt.

 

Dies bedeutet, dass Nationalrat und Bundesrat die politischen Kontrollrechte gem. Art. 52 B -

VG ausüben können und der Nationalrat wegen jeder schuldhaften Rechtsverletzung vor dem

Verfassungsgerichtshof Anklage gem. Art. 142 bzw. 143 B - VG erheben kann.