317/AE XXI.GP

Eingelangt am:30.10.2000

 

ENTSCH LIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

betreffend einer Österreichischen Initiative für EU - Projekte zur Sanierung nuklearer

Altlasten auf der Halbinsel Kola und in der Barents - See

 

Der Untergang des Atom - U - Bootes ‚,Kursk“ hat die massiven Umweltgefahren durch

nukleare Altlasten erneut ins Bewußtsein der internationalen Öffentlichkeit gerückt.

Die Kursk ist als eines der modernsten U - Boote der russischen Flotte nur die ‚Spitze

des Eisberges‘ eines riesigen Problembergs an radioaktiv verstrahlten Altlasten.

Diese Altlasten sind nicht zuletzt eine Folge des Kalten Krieges und sie stellen eine

Gefahr für ganz Europa dar, die nur gemeinsam und kooperativ abgebaut werden

können.

 

Besonders dramatisch ist die Situation auf der nordwestrussischen Halbinsel Kola,

die direkt an der EU Grenze liegt, an reiche Fischgründe grenzt und auch für

Russlands wirtschaftliche Entwicklung als einziger eisfreier Hafen im Norden von

grosser Bedeutung ist. Ein Fünftel aller Atomreaktoren der Welt lagern in diesem

Gebiet, das von 600.000 Menschen bewohnt wird. Von insgesamt 110 ausgedienten

Atom - U - Booten der russischen Nordmeerflotte haben noch 72 hochradioaktiven

Nuklearbrennstoff an Bord. Zehntausende Atombrennstäbe werden auf diese

hochriskante Weise direkt im Wasser der Arktik gelagert. Jeder Unfall wird

automatisch zu einem globalen Problem. Noch einmal so viele Brennstäbe befinden

sich in seit Jahren nicht mehr gewarteten Lagern direkt am Ufer.

 

Laut Expertenmeinung sind Unfälle nur eine Frage der Zeit. Die bis zu 25 Jahre alten

U - Boote sind oft in katastrophalem Zustand. Viele müssen mittels Kompressoren

ständig mit Luft „aufgeblasen“ werden, um sie am Sinken zu hindern. Zusätzlich zu

den Brennstäben lagern auf der Kola - Halbinsel Tonnen radioaktiven Mülls. Dieser

befindet sich größtenteils in rostigen Containern oder Betontanks, die unter freiem

Himmel gelagert werden. Seit 1996 steht kein Geld mehr für nötige Reparaturen

dieser „Zwischenlager“ zur Verfügung. In Nordwestrussland befinden sich dutzende

‚Tschernobyls in Zeitlupe‘, tickende Zeitbomben, die ohne große Anstrengung früher

oder später explodieren werden.

 

Derzeit sind die Vorraussetzungen für eine kostengünstig Lösung dieses für

Westeuropa relevanten Problems äußerst günstig. Zahlreiche Probleme, die oft

Projekte mit Russland begleiten, könnten unter den aktuellen Umständen vermieden

werden. Das Abrüstungsprogramm Cooperative Threat Reduction (CTR) nähert sich

seinem Ende, da die strategischen Atom - U - Boote, die dieses Programm entsorgt,

innerhalb der nächsten Jahre alle per Vertrag einer Abwrackung und Entsorgung

zugeführt werden. CTR verfügt über eine einzigartige Infrastruktur in Russland.

Befürworter im US, Kongress wollen das Programm auf taktische Atom - U-Boote

ausweiten.

 

Der US Kongress ist allerdings nicht bereit, US Gelder allein für Europas

Umweltsicherheit auszugeben, und die amerikanische Diskussion ist daher auf etwa

50 der 110 taktischen Boote beschränkt, die noch zumindest theoretisch - durch ihre

Fähigkeit, Cruise Missiles abzufeuern - eine militärische Gefahr für die USA

darstellen. In diesem Zusammenhang wäre eine europäische Beteiligung an der

Entsorgung der russischen Nuklearaltlasten betreffend ca. 60 taktische Atom - U -

Boote ein wichtiger Schritt. Eine europäische Beteiligung an einem Programm,

welches Russland selbst als eine Priorität betrachtet, könnte in großen Ausmaß dazu

beitragen, die Beziehungen zwischen Ost und West nach Ende des Kalten Krieges

weiter zu verbessern und würde gleichzeitig ein drohendes Umweltproblem von

Europa abwenden.

 

Das Programm ist vergleichsweise kostengünstig, weil die USA bereits die gesamte

Infrastruktur vor Ort aufgebaut haben und diese auch für ein europäisches Projekt

zur Verfügung stellen würde. Die USA würden außerdem fast die halben Kosten für

die Entsorgung der taktischen U - Boote aufbringen. Zusätzlich beinhaltet CTR auch

über die nötigen Rechtsabkommen mit Russland, deren Fehlen in der Vergangenheit

in vielen Fällen zum Hindernis für Projekterfolge geworden sind. Für die

Ausverhandlung von dementsprechenden Rechtsabkommen zwischen der EU und

Russland wären die unter CTR bestehenden Abkommen eine gute Ausgangsbasis.

 

Experten beziffern die nötigen kosten zur Abwrackung dieser 110 Boote und zur

Lagerung des entstehenden Atombrennstoffs und Mülls insgesamt mit ca. einer

Milliarde US$. Die Kosten für ein Zwischenlager auf der Kola - Halbinsel werden von

Experten auf ca. 400 bis 600 Millionen US$ geschätzt. Pläne für ein Zwischenlager

für die nuklearen Altlasten auf der Kola - Halbinsel exisieren bereits, auch mögliche

Standorte sind bereits definiert. Die politische Zustimmung für ein Zwischenlager in

der Region wurde bereits erreicht. Die genauen Kosten für die Entladung der noch in

den U - Booten gelagerten atomaren Brennstäbe können erst nach einer ausführlichen

Analyse über den Zustand der U - Boote ermittelt werden.

 

Für einen österreichischen Vorstoß auf EU - Ebene für die Übernahme der finanziellen

Verantwortung für die Abwrackung von ca. 60 taktischen russischen Atom - U - Booten

durch die Europäische Kommission wäre jetzt nach der schrecklichen Katastrophe

des russischen Atom - U - Bootes ,,Kursk“ ein günstiger Zeitpunkt. Ein österreichischer

Vorstoß wäre auch ein wichtiger Beweis der Glaubwürdigkeit der österreichischen

Anti - Atom - Politik. Österreich setzt bei Temelin auf die Unterstützung der anderen

europäischen Staaten. Es ist ein Gebot der gegenseitigen Solidarität, daß Österreich

in der Frage der atomaren Altlasten auf der Halbinsel Kola die besonders betroffenen

skandinavischen Staaten und die russische Föderation unterstützt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

1. Die Aussenministerin wird ersucht, sich bei den Institutionen der Euro päschen

    Union gemeinsam mit den in dieser Frage besonders betroffenen und

    engagierten skandinavischen Mitgliedsstaaten für die Erstellung einer

    umfassenden Schadensanalyse in der Barents - See und auf der Kola - Halbinsel

    gemeinsam mit Rußland vorzunehmen und auf höchster Ebene zwischen EU

    und Russland gemeinsame Problemlösungsstrategien zu vereinbaren.

2. Die Aussenministerin wird dazu ersucht, sich bei der EU - Kommission für die

    rasche Erstellung einer Studie einzusetzen7 um den genauen zeitlichen,

    technischen und finanziellen Umfang eines EU - Projekts zu definieren.

3. Die Aussenministerin wird ersucht1 an die EU - Kommission mit dem

    dringenden Ersuchen heranzutreten, rasch und auf höchster Ebene in

    Verhandlungen mit den USA und Russland einzutreten, um ein EU - Projekt zur

    Sanierung der nuklearen Altlasten zu formulieren.

4. Die Aussenministerin wird ersucht, sich in Folge auf EU - Ebene dafür

    einzusetzen, daß ein vollständig durchfinanziertes EU - Projekt inklusive der

    dafür nötigen Abkommen zur Abwrackung und Entsorgung von ca. 60

    ausgedienten russischen, sogenannten taktischen Atom - U - Booten formuliert,

    mit Russland verhandelt und durchgeführt wird.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen