376/A/E XXI.GP
Eingelangt am:02.01.2001
der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Petrovic, Moser, Freundinnen und Freunde
betreffend Maßnahmenpaket für eine Totalreform der Bereiche Konsumentenschutz,
Lebensmittelpolitik und Tiergesundheit
Die krassen Versäumnisse der Konsumentenschutz - Tierschutz und Lebensmittelpolitik der
letzten Jahrzehnte gipfeln in sich ständig wiederholenden Skandalen, die mit enormen
volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sind. BSE - Krise und Schweineskandal sind
Symptome eines kranken Systems, das unsere Lebensgrundlagen gefährdet. Gravierende
Gesetzeslücken haben den Mißbrauch von illegalen Tierarzneimitteln erleichtert. Die EU -
Kommission hat das österreichische Veterinärsystem in Kontrollberichten in den
vergangenen Jahren mehrfach gerügt. Das fehlorientierte Veterinär - und Agrarsystem bringt
auch unvorstellbares Tierleid mit sich.
Trotz wachsender Anforderungen ist die staatliche Lebensmittelkontrolle in den letzten
Jahren finanziell und personell kontinuierlich zurückgeschraubt worden. Die Anzahl der
amtlichen Futtermittelkontrollen ist seit 1999 rückläufig Immer noch erkranken in Österreich
jährlich über 7.000 Menschen an Salmonellenvergiftungen.
Der Umgang mit Tierarzneimitteln ist derzeit im allgemeinen Arzneimittelgesetz geregelt. Ein
eigenes Gesetz, das die Verwendung von Tierarzneimitteln regelt, fehlt. Nur die Anwendung,
nicht jedoch Besitz und Lagerung von illegalen Tierarzneimitteln sind strafbar. Täter müssen
also sozusagen ‚mit der Spritze in der Hand‘ auf frischer Tat ertappt werden. Kommt es zu
einer Verurteilung, erwarten Landwirt oder Tierarzt derzeit lediglich vergleichsweise geringe
Verwaltungsstrafen. Von jährlich 5,5 Mio. geschlachteten Schweinen werden lediglich 0,03%
auf Tierarzneimittelrückstände geprüft. Tierärzte üben gleichzeitig auch die Kontrollfunktion
auf den Höfen aus.
10% der Lebensmittel, die Soja enthalten, enthalten gentechnisch verändertes Soja, meist
ohne Kennzeichnung. Die Namen und Produkte rechtswidrig handelnder und verurteilter
Unternehmen, die ihre Produkte nicht kennzeichnen, obwohl sie gentechnisch veränderte
Bestandteile enthalten, werden nicht bekannt gegeben werden. Die Lebensmittelbehörde
deckt dadurch Rechtsbrüche der Produzenten. Die lächerliche geringen Strafen im
Lebensmittelgesetz, die im Durchschnitt 146 öS betragen, machen Verstöße gegen das
Lebensmittelgesetz zum
Kavaliersdelikt.
Die Lebensmittelpolitik der Zukunft muß konsumentenorientiert, umweltfreundlich und
tiergerecht sein. Basis einer solchen grundlegenden Veränderung ist in erster Linie das
Bündnis von KonsumentInnen mit den Bäuerinnen und Bauern. Umweltschutz,
KonsumentInnen - und Tierschutz müssen in Zukunft politisch eng miteinander verzahnt
werden.
Die staatliche Lebensmittelkontrolle muß nachhaltig gesichert und ausgebaut werden. Ein
jährlicher Lebensmittelbericht soll den Zustand des österreichischen Lebensmittelmarktes
kritisch beleuchten und dem Parlament zur Behandlung vorgelegt werden.
KonsumentInnen haben das Recht auf die hochwertigste Qualität von Lebensmitteln.
Naturbelassene, biologisch - erzeugte und verarbeitete Lebensmittel müssen daher auf allen
Ebenen der Verarbeitungs - und Vertriebskette gefördert werden. Grundvoraussetzung für die
freie Wahl des Konsumenten ist eine höchstmögliche Transparenz betreffend der
Rezepturen und vollständige Etikettierungspflichten, die über Art, Menge und Herkunft der
landwirtschaftlichen Rohstoffe unmißverständliche Aussagen zulassen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
1. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen wird aufgefordert, ein Maßnahmenpaket zum Ausbau der staatlichen
Lebensmittelkontrolle zu erstellen und implementieren, welches zumindest folgende
Punkte umfaßt:
• Koordinierung aller relevanten Bundes - und Landesstellen in einem Ministerium
• Evaluierung des Kontrollbedarfes und Kontrollumfanges
• Keine Ausgliederung und Privatisierung der Lebensmittelkontrolle
• Anhebung der Budgetmittel für die Bundesanstalten und Sicherung der
Ausstattung um den aktuellen Herausforderungen gewachsen zu sein
• Ausweitung der Lebensmittelüberwachung in Österreich (dies betrifft Personal,
Kontrolldichte und die Kontrollfrequenz, Ausbildungsprogramme
(Spezialisierungen), neue Kontrolleinrichtungen, Monitoring, und die erforderliche
Budgeterweiterung),
• Verschärfung des Lebensmittelgesetzes: höhere Strafen und Veröffentlichungen
von Informationen über Firmen und Produkte, die gegen lebensmittelrechtliche
Bestimmungen verstoßen
• Strengere Importkontrollen
• Österreichisches Salmonellenkontrollprogramm für Geflügel
2. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen wird aufgefordert, ein Maßnahmenpaket für eine klare Kennzeichnung von
Lebensmitteln zu erstellen, welches zumindest folgende Punkte umfasst
• Einführung einer verpflichtenden, klaren und transparenten
Produktkennzeichnung von allen tierischen Produkten (einschließlich
Verarbeitungsprodukte) nach Art der Haltung, Fütterung und Schlachtung
(Tiergerechtheitsindex)
• Etablierung einer Bio -Dachmarke in Österreich: Klare Hierarchisierung der
Qualitätsmarken anhand einer Skala: Premium - Qualität - Hohe Qualität -
Basisstandard
• Verbot aller irreführenden Gütesiegel (z.B. Österreich A“) die den fälschlichen
Eindruck erwecken, die Rohstoffe seien österreichischen Ursprungs
3. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen wird aufgefordert, ein Maßnahmenpaket zur Sicherung der Gentechnikfreiheit
von Lebensmitteln zu erstellen, welches zumindest folgende Punkte umfasst:
• Ausbau der Kontrolle von Lebensmittel auf GVO - Verunreinigungen
• Verzicht auf Gentechnik - Einsatz in Lebensmittel und Landwirtschaft
• Keine Freisetzung von Genpflanzen in Österreich
• Sicherung einer gentechnikfreien Zone „Österreich“ im Sinne der
Aufrechterhaltung der Gentechnikfreiheit des österreichischen Biolandbaus
4. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen wird aufgefordert, dem Parlament ein Tiergesundheitsgesetz vorzulegen,
welches zumindest folgende Punkte umfasst:
• Artgerechte Haltung als oberstes Grundprinzip. Optimale Haltungsbedingungen müssen
Vorrang vor Arzneimitteleinsatz haben. Reduktion des Einsatzes von Arzneimitteln durch
gesunde und artgerechte Haltung auf ein absolutes Minimum.
• Verschärfung des Kontrollsystems für den Einsatz von Arneimitteln und Schaffung
unabhängiger Kontrollinstanzen. Systematische und zentrale Erfassung der in Verkehr
gebrachten Mengen von Tierarzneimittel (Hersteller, Importeure, Großhändler). Erhöhung
der Stichprobenanzahl in der Rückstandskontrolle.
• Positivliste jener Arzneimittel, die für die Therapie in der Tierhaltung benötigt werden.
• Flächendeckende Erfassung und Auswertung der Resistenzsituation der
Krankheitserreger im Human - und Veterinärbereich.
• Forschungsschwerpunkt zur Risikoabschätzung über mögliche ökotoxikologische
Auswirkungen von Arzneimittelrückständen in der Umwelt
• Verschärfung der Strafbestimmungen für den Mißbrauch von Tierarzneimitteln: Unter
Strafe stellen von Besitz und Lagerung illegaler Arzneimittel. Drastische Erhöhung des
Strafausmaßes. Unerlaubter Besitz, Herstellung, Lagerung und Abgabe von
Tierarzneimitteln. soll mit einer Geldstrafe im Mehrfachen des Verkehrswertes der
Medikamente bestraft werden. In schweren Fällen und im Wiederholungsfall Haftstrafen.
• Verbot des präventiven Einsatzes von Antibiotika und Chemotherapeutika sowie der
Verwendung von synthetischen oder antibiotischen Leistungsförderern, Beruhigungs -
und Antistreßmittel in der Tierhaltung
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuß vorgeschlagen.