388/AE XXI.GP

Eingelangt am: 2001.03.01

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

 

 

Die BSE - Krise stellt die Gemeinsame Agrarpolitik der EU erneut auf den Prüfstand. Die

Gefährdung der VerbraucherInnen, die wirtschaftlichen Nöte der Bäuerinnen und Bauern, die

bisher kaum absehbaren Folgekosten der Rinderseuche, und die kulturelle Dimension der

Massenvernichtungen verlangt nach einem Paradigmenwechsel: Die Gemeinsame

Agrarpolitik muss vorsorgenden Verbraucherschutz in die gesamte Lebensmittelerzeugung

integrieren und neue Rahmenbedingungen für einen Wettbewerb um Qualität schaffen.

 

Die Gemeinsame Agrarpolitik dient heute ihren erklärten Zielen nicht mehr. Die Einkommen

der Mehrheit der Bauern sind nicht mehr gesichert. Die Verbraucher zahlen für Lebensmittel

mehr denn je, wenn man die Folgekosten der industrialisierten Landwirtschaft und ihrer

Lebensmittelskandale einrechnet, die aus Steuergeldern aufgebracht werden.

 

Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik einschliesslich der in Berlin 1999 verabschiedeten

„Agenda 2000“ zielten im Wesentlichen auf eine Begrenzung der Agrarausgaben, eine

Senkung der Garantiepreise, und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der

Agrarwirtschaft auf den Weltmärkten. Die Qualität der Lebensmittel, Umweltschutz und die

nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums spielten demgegenüber eine untergeordnete

Rolle.

 

Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU muss aufhören Qualität und Preis, Umweltschutz und

Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb und Einkommenssicherung gegeneinander auszuspielen. Statt

Produktion, Vernichtung und Export von Überschüssen zu subventionieren, muss die neue

Gemeinsame Agrarpolitik Lebensmittelqualität, Erhaltung der natürlichen Ressourcen und

Entwicklung der ländlichen Wirtschaft ins Zentrum der politischen Rahmenbedingungen

stellen. Die Qualität von Agrarprodukten muss vor dem Hintergrund der Wirkungen und

Nebenwirkungen ihres gesamten Erzeugungsprozesses beurteilt werden.

 

1. Integration des Vorsorgeprinzips in die Lebensmittelerzeugung

 

BSE ist nur die Spitze des Eisbergs. Dioxin, PCB, Hormone, Antibiotika, gentechnisch

veränderte Organismen (GMO) und viele andere gesundheitsgefährdende Stoffe konzentrieren

sich zunehmend in Futter- und Lebensmitteln. Dies ist die Folge einseitiger Förderung

intensiver Tierhaltungs- und Erzeugungsmethoden, die ohne billige Rohstoffe und

Medikamente nicht auskommen. Die Verfütterung von Tierkadavern und Klärschlamm ist

auch Ausdruck des zerstörerischen Preisdrucks, den die bisherige Agrarpolitik und die

zunehmend konzentrierte Ernährungsindustrie auf die Landwirtschaft ausüben.

 

Die Anwendung des Vorsorgeprinzips in der Lebensmittelerzeugung darf sich nicht allein auf

verschärfte Kontrollen beim Endprodukt beschränken. Für den gesamten Produktionsprozess

von der Pflanzen- und Futtermittelherstellung bis zur Endverarbeitung müssen prüfbare

Kriterien eingehalten werden, die gesunde Lebensmittel garantieren. 

 

Die neue Gemeinsame Agrar- und Verbraucherschutzpolitik muss alle Ausgangsstoffe, den

Erzeugungsprozess und das Endprodukt nach vergleichbaren, positiv definierten Kriterien

bewerten. Die Qualität landwirtschaftlicher Produkte wird damit über die Festlegung von

zugelassenen Rohstoffen und Erzeugungsmethoden erfasst, statt allein über Grenzwerte von

Schadstoffen. Damit wird auch das bisher praktizierte Mischen von mehr und weniger

belasteten Stoffen bis zur Höhe der zugelassenen Grenzwerte ausgeschlossen.

 

Die Verantwortung für die Verwirklichung des Vorsorgeprinzips in der

Lebensmittelproduktion muss in der Praxis von Erzeugern und Verbrauchern übernommen

werden. VerbraucherInnen sollten die Kaufentscheidung auch vor dem Hintergrund von

Herkunft, Haltungsbedingungen der Tiere und Erzeugungsweise treffen; Bäuerinnen und

Bauern sollten sich weniger auf staatliche Marktintervention verlassen und sich mehr um ihre

regionalen Qualitätsmärkte kümmern.

 

2. Qualitätssichernde, soziale und ökologische Rahmenbedingungen für öffentliche

Förderung

 

Die derzeitige Gemeinsame Agrarpolitik gewährt öffentliche Förderungen an die

Ernährungsindustrie und die landwirtschaftlichen Erzeuger auf der Grundlage bereits

erzeugter, verarbeiteter oder eingelagerter Mengen, der Zahl gehaltener Tiere und der Grösse

bewirtschafteter oder nicht bewirtschafteter Flächen. Die Verletzung bestehender Gesetze im

Bereich des Verbraucher-, Gewässer- und Naturschutzes hat derzeit keine einschränkende

Wirkung auf die Auszahlung der Agrarförderung.

 

Die neue Gemeinsame Agrarpolitik muss die Einhaltung vorhandener Gesetze zum Schutz der

Verbraucher, der Umwelt und des Tierschutzes zur Bedingung machen und zusätzliche

Leistungen für die Gesellschaft belohnen. Gute landwirtschaftliche Praxis ist deshalb als

Regel - nicht als Ausnahme - klar EU - weit zu definieren und an die regionalen

Besonderheiten anzupassen. Beiträge zur Qualitätsverbesserung, zum Umweltschutz, und zur

Beschäftigung müssen messbar sein, wie es die EU - Kommission und das Europäische

Parlament in der Agenda 2000 ursprünglich gefordert hatten.

 

3. Agrarpreise und Wettbewerbspolitik: Wettbewerb um Qualität.

 

Agrarüberschüsse in der EU sind die Folge der gegenwärtigen Gemeinsamen Agrarpolitik.

Die EU importiert grosse Mengen Futtermittel für die Fleischproduktion und zahlt

Exporterstattungen für eigene auf dem Binnenmarkt unverkäufliche Erzeugnisse. Der grösste

Teil des Agrarhaushalts wird immer noch für den Aufkauf, die Lagerung und Verarbeitung

von Überschüssen verwendet.

 

Die neue Gemeinsame Agrarpolitik muss Rahmenbedingungen für Wettbewerb um Qualität

schaffen. Das bedeutet schrittweisen Abbau der Marktintervention und Überfahrung der

Mittel in eine Strukturpolitik, die die Erzeugung von gesunden Lebensmitteln über

Umstellungs- und Vermarktungshilfen fördert, die Konzentration und Markmacht der

Ernährungsindustrie beschränkt und kurzen Wegen und regionalen Märkten durch Qualitäts-

und Herkunftszeichen Vorrang einräumt.


 

4. Aktuelle Umsteuerungsmöglichkeiten: Horizontale Massnahmen, ländliche

Entwicklung, Agrarumweltprogramme

 

Die zur Zeit in der Umsetzung befindliche Reform der Agrarpolitik „Agenda 2000“ folgt zwar

immer noch der alten Logik von Produktionssteigerung und Konkurrenzfähigkeit auf den

Weltmärkten. Sie hat aber eine neue Ausrichtung auf den Weg gebracht, die einen Neuanfang

begünstigt. Rund 10% des Agrarhaushalts stehen für die integrierte ländliche Entwicklung

bereit, die sogenannte „2. Säule“. Die Mitgliedstaaten haben darüber hinaus die Möglichkeit,

einen Maximalbetrag für die Förderung pro Betrieb festzulegen (Modulation nach Arbeit,

Grösse, und Umweltmassnahmen) und die so eingesparten Mittel für Agrarumweltprogramme

zu verwenden. Diese Möglichkeit zur Umsteuerung der öffentlichen Förderung wird aber

bisher von Österreich nicht genutzt. Einige Mitgliedstaaten wie z.B. Frankreich haben im

Rahmen der neuen ländlichen Entwicklungspolitik bereits Rahmenbedingungen für Verträge

mit Bauern und anderen ländlichen Akteuren geschaffen, die z.B. Vertragsnaturschutz (auch

im Rahmen von Natura 2000 bzw. FFH), Erhaltung der Biodiversität, Direktvermarktung etc.

einschliessen.

 

5. Mittelverteilung/Osterweiterung: Die Krise verlangt nach einer Neufassung der

Agenda 2000

 

Die Bewältigung der BSE - Krise wird die Haushalte der EU und der Mitgliedstaaten schwer

belasten. Noch ist das Ausmass nicht abzuschätzen. Die nationale Kofinanzierung der BSE

Folgekosten sollte im Hinblick auf die Anwendung der BSE Vorsorgemassnahmen

differenziert werden. Was aber heute für das Krisenmanagement zur Verfügung gestellt

werden muss, fehlt bei der Förderung des Neuanfangs. Es ist deshalb notwendig, sofort an

einer Umwidmung der Agrargelder für eine neue Politik zu arbeiten. Insbesondere im

Hinblick auf die Erweiterung der EU ist eine Umverteilung der Mittel des Agrarhaushalts

dringend erforderlich. Die ausschliesslich für die jetzigen Mitgliedstaaten vorgesehenen

Ausgleichszahlungen sollten den Beitrittsstaaten bereits in der Vorbeitrittsphase für die

Förderung von Qualitätserzeugung, Umweltmassnahmen und ländlicher Entwicklung zur

Verfügung stehen. Dagegen sollten keine Fördermassnahmen für agrarindustrielle

Erzeugungsweisen mehr bereitgestellt werden.

 

Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments

hat bereits eine eigene Evaluierung der Agenda 2000, auch im Hinblick auf die Erweiterung,

begonnen, die Ende 2001 vorliegen soll.

 

6. Politik zur allgemeinen Anhebung der Lebensmittelqualität und der Förderung des

biologischen Landbaus

 

Eine greifbare Verbesserung der Lebensmittelqualität ist auf drei Elemente angewiesen:

Transparenz über Zusammensetzung und Herkunft der Futter- und Lebensmittel, ihre

Rückverfolgbarkeit, und die Produkthaftung. Für Futtermittel beispielsweise muss gelten, dass

die Futtermittelhersteller alle Inhaltsstoffe und ihre Anteile am Futter angeben müssen

(„Offene Deklaration“), sich zur Eigenkontrolle über die Herkunft ihrer Rohstoffe

verpflichten und für die Folgekosten der Beimischung oder Verunreinigung

gesundheitsgefährdender Stoffe aufkommen müssen. Die Transportwege, vor allem die

Transporte von Tieren und Grundstoffen müssen auf die Einhaltung der Schutzbestimmungen

(auch im Hinblick auf den Tierschutz) und mögliche Verunreinigungen kontrolliert werden.

Für frische oder verarbeitete Lebensmittel müssen die gleichen Regeln gelten. Die

VerbraucherInnen müssen über möglicherweise gesundheitsgefährdende Stoffe (Anwendung

von Pestiziden, Hormonen, GMO) informiert werden, aber auch über die

gesundheitsfördernden Eigenschaften.

 

Die Förderung des ökologischen Landbaus als Produktionsweise, die am konsequentesten den

Umwelt- und Gesundheitsansprüchen entgegenkommt, ist beizubehalten und auszubauen.

Gleichzeitig sind agrarindustrielle Produktionsweisen in einem Stufenplan über mehrere Jahre

abzustocken.

 

7. Mengenregulierung und Eiweissbilanz: Flächengesundung statt Flächenstillegung

 

Seit Anbeginn der gemeinsamen Agrarpolitik in den sechziger Jahren hat sich die EU

gegenüber den USA und anderen Handelskonkurrenten auf die zollfreie Einfuhr von

Eiweisspflanzen und Ölsaaten festgelegt, um im Gegenzug die eigene Getreideerzeugung zu

schützen. Die BSE - Krise und das Tiermehlverbot machen das Defizit an pflanzlichem Eiweiss

besonders deutlich. Zur Regulierung der Getreideüberschüsse hat die EU seit 1992

Flächenstillegungen eingeführt, und nur die Herstellung von Non - food auf diesen Flächen

zugelassen. Die neue Gemeinsame Agrarpolitik muss die BSE - Krise nutzen, um das

Eiweissdefizit abzubauen.

 

8. Internationale Handelsbeziehungen und WTO

 

Die BSE - Krise stellt das sogenannte europäische Agrarmodell in Frage. Die Ausbreitung der

Rinderseuche bis in entlegendste Regionen zeigt, wie sehr auch die bäuerliche Landwirtschaft

mittlerweile der agrarindustriellen Logik ausgeliefert ist. Diese Praxis entwertet die

Besonderheit der vielfältigen Agrar - und Ernährungskultur. Die EU wehrt sich gegen den

Import von Hormonfleisch und Gentech - Soja, kann wegen der Rinderseuche aber selbst kein

Rindfleisch mehr exportieren.

 

Die sogenannte „Multifunktionalität“ der europäischen Landwirtschaft wird als

Verhandlungskonzept keinen Erfolg haben, solange keine konkreten von der

Produktionssteigerung abgekoppelten Fördermassnahmen angewandt werden. Die

Ausweitung von Agrarumweltmassnahmen, Extensivierungsprogrammen, Erhaltung und

Nutzung der Biodiversität und der Vielfalt von Nutzpflanzen und Tieren, artgerechte Haltung

und die Einsparung von Wasser und Pestiziden, aber auch erneuerbare Energien und

Diversifizierung der Beschäftigung im ländlichen Raum sind überzeugendere Argumente für

ein Abkommen, das die Sonderstellung der Landwirtschaft anerkennen muss.

 

Europa erzeugt ohne den derzeit praktizierten massiven Import von Futtermitteln keine

Überschüsse. Es macht deshalb keinen Sinn, den Kampf um Weltmarktanteile um jeden Preis

zu verschärfen. Das erste Ziel der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik besteht heute darin, die

Voraussetzungen für eine dauerhaft gesunde Ernährung der europäischen Bevölkerung,

einschliesslich der neuen Mitgliedstaaten, sicherzustellen.

 

9. Demokratische Kontrolle und Mitentscheidung des EP in der Gemeinsamen

Agrarpolitik

 

Die alte Gemeinsame Agrarpolitik hat deshalb zahlreiche Reformen überlebt, weil viele

Mitgliedstaaten Nettoempfänger aus EU - Mitteln sind und weder die nationalen Parlamente

noch das Europäische Parlament die Entscheidungen des Agrarrates beeinflussen können.

Die BSE - Krise ist auch ein Ergebnis dieses Demokratiedefizits. Die zahlreichen

Entschliessungen des EP seit Ende der 80er Jahre und vor allem die Empfehlungen des vom

EP 1996 eingerichteten BSE - Untersuchungsausschusses wurden von vielen Mitgliedstaaten

über Jahre ignoriert. Sie werden erst jetzt, mit inzwischen grossen Schäden und Kosten für die

Allgemeinheit in die Tat umgesetzt.

 

10. Agrarforschung, Ausbildung, Kulturdialog zwischen Stadt und Land

 

Agrarforschung dient der Landwirtschaft zur Weiterentwicklung und Innovation. Sie hat

bisher die Intensivierung und arbeitssparende Rationalisierung aller Produktionsbereiche

vorangetrieben. Auch die Ausbildung an Landwirtschaftsschulen ging in diese Richtung.

Dabei hat sich der bäuerliche Umgang mit Naturkreisläufen in eine unternehmerische

Ertragsmaximierung verwandelt. Die Folge ist Konzentration der Produktion in wenigen

begünstigten Gebieten und Entvölkerung benachteiligter Regionen.

 

Weiterentwicklung und Innovation der Landwirtschaft muss heute den geänderten

Ansprüchen der Gesellschaft entgegenkommen. Deshalb brauchen Forschung und Ausbildung

neue Ziele. Die von der Gesellschaft geforderten vielfältigen Leistungen, von

Qualitätsprodukten bis hin zum ländlichen Tourismus und Naturschutz muss sich in der

Forschung und Ausbildung niederschlagen.

 

Auch Entfremdung, Sprachlosigkeit und gegenseitige Vorwürfe zwischen Menschen in Stadt

und Land müssen überwunden werden. An ihre Stelle muss mehr Kommunikation und

Verständigung treten. Die neue Gemeinsame Agrarpolitik muss Raum schaffen für die aktive

Beteiligung und Mitentscheidung aller Akteure, die sich für eine neue Qualität der ländlichen

Wirtschaft und der Lebensmittelsicherheit einsetzen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die österreichische Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Land- und

Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft möge sich im Rahmen der

Mitgestaltungsmöglichkeiten der Europäischen Union für eine Reform der Gemeinsamen

Agrarpolitik einsetzen, die folgende Maßnahmen vorsieht:

 

1.   Vollständige Entfernung sämtlicher BSE - Risikomaterialien (aller Nutztiere) aus der

      Nahrungskette; Einführung von Positivlisten bei der Zulassung von Futtermitteln,

      Zusatzstoffen, Pflanzenschutz- und Reinigungsmitteln; Verbot bestimmter

      gesundheitsgefährdender Stoffe wie Antibiotika, vor allem in ihrer prophylaktischen

      Anwendung in der industriellen Tierhaltung; Verbot von Pestiziden und Masthilfsstoffen,

      bei denen begründeter Verdacht auf Gesundheitsgefährdung besteht;

2.   Öffentliche Förderung darf nicht mehr allein auf Betriebsvergrösserung und

      Produktivitätssteigerung ausgerichtet sein; sie muss nachweislich umweltschonende

      Bewirtschaftung und Qualitätsverbesserung bewirken. Das heisst für die Tierhaltung: keine

      weitere Förderung von Spaltenböden, Güllewirtschaft und Intensivhaltung; Flächenbindung

      mit 2GVE/ha; Mindestraum, Bewegung und Tageslicht für jede Tierart; Förderung der

      betrieblichen Integration von Futtererzeugung, Tierhaltung und Nutzung tierischer Dünger

      in der Pflanzenproduktion. Entschädigungszahlungen für auftretende Seuchen werden

      gebunden an Kriterien für umweltverträgliche und artgerechte Tierhaltung, sowie

      Begrenzung der Überschussproduktion (Extensivierung).

 

3.   Abbau der staatlichen Intervention und Abschaffung der Exporterstattungen

      (einschliesslich Lebendtiertransporte); Ergänzung und Neubestimmung von

      Herkunftsbezeichnungen und Etikettierung im Hinblick auf Pflanzenerzeugungs- und

      Tierhaltungsbedingungen; Anpassung der Hygieneverordnungen im Hinblick auf

      Frischprodukte für die lokale und regionale Vermarktung; Abschaffung von Privilegien für

      Betriebe mit agrarindustrieller Produktion ( z.B. Käfighaltung etc.).

 

4.   Die neue Gemeinsame Agrarpolitik sollte diese neue Strukturpolitik für den ländlichen

      Raum für eine Qualifizierung und Differenzierung der Förderung nutzen. Die

      Marktinterventionslogik könnte so schrittweise in eine Entwicklungsstrategie für

      Qualitätsmärkte umgewandelt werden. Nach der BSE - Krisenbewältigung darf nicht mehr

      zur alten Interventionslogik zurückgekehrt werden. Über Extensivierungsmassnahmen und

      Begrenzung der Tierprämien pro Betrieb (obligatorische 90 Bullen - Grenze) wird eine

      Reduzierung des Fleischangebots bewirkt; das regionale Angebot kann durch lokale und

      regionale Spezialprodukte diversifiziert werden.

 

5.   Umstellungsförderung auf umweltfreundliche und schadstoffarme Produkte und auf

      ressourcensparende Erzeugungsweisen (Energie, Wasser, Dünger, Chemie);

      Absatzförderung zur Einführung von ökologisch erzeugten und gesundheitsfördernden

      Produkten in Babykost, Schulen, Krankenhäusern und öffentlichen Kantinen.

 

6.   Schrittweise Überführung der Mittel aus dem Überschussmanagement in die ländliche

      Strukturpolitik, einschliesslich Förderung von Qualitätserzeugnissen und deren

      Kennzeichnung; Anbindung der Prämien an Ökologie und Arbeit (Modulation)

      obligatorisch in allen Mitgliedstaaten.

 

7.   Umwandlung der Flächenstillegung in eine Massnahme zur Erweiterung der Fruchtfolgen:

      Statt den Anbau von Eiweiss - und Ölpflanzen als Massenprodukt und Marktfrucht über

      Flächen- oder Mengenprämien zu fördern, sollte der betriebliche Futterbau auf der Basis

      von Kleegras, Ackerbohnen und Erbsen aufgewertet werden. Die obligatorische Ergänzung

      des Getreideanbaus durch Leguminosen und Futterpflanzen als Fördervoraussetzung

      (cross - compliance) kann ökologische Kreisläufe schliessen und trägt zur Bodengesundung

      bei. Statt eine Flächenprämie zu gewähren, die Maissilage und Stallfütterung bevorzugt

      (derzeit 400€/ha), sollte die Weidehaltung bzw. Grünlandnutzung vor allem in

      benachteiligten Gebieten gefördert werden.

 

8.   Der vorsorgende Verbraucherschutz muss als Schutzklausel in den WTO-

      Agrarverhandlungen festgeschrieben werden, um eine Wiederholung des Hormonstreits zu

      vermeiden. Darüber hinaus muss die EU ihre Verhandlungsstrategie rasch überarbeiten und

      auf eine gestärkte Umwelt- und Strukturpolitik für den ländlichen Raum ausrichten.

 

9.   Die Agrarforschung soll anstelle ihrer einseitigen Ausrichtung auf Biotechnologie und

      Ertragssteigerung Schwerpunkte setzen für die Innovation im biologischen Landbau, die

      Nutzung genetischer Ressourcen, die naturverträgliche Bewirtschaftung. Die Programme

      zur ländlichen Entwicklung müssen Platz schaffen für Foren der lokalen Mitentscheidung,

      den Dialog zwischen Erzeugern und Verbrauchern und interregionale und internationale

      Kommunikation im ländlichen Raum fördern.

 

10. Die neue Gemeinsame Agrarpolitik gehört als integrierte Politik für Verbraucherschutz

      und ländliche Entwicklung in die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments. Das

      Parlament kann ausserdem gemeinsam mit der Kommission dafür sorgen, dass

      europäisches Recht in den Mitgliedstaaten konsequent angewandt wird. Die langwierigen

      Verfahren gegen Mitgliedstaaten, die Umwelt- und Verbraucherschutzgesetze der EU nicht

      umsetzten, müssen beschleunigt werden und die Kommission sollte bei konkreter

      Gefährdung der VerbraucherInnen mit einstweiligen Verfügungen handeln können.   

               

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft

vorgeschlagen.