397/A XXI.GP

Eingelangt am: 12 03 2001

 

DRINGLICHER ANTRAG

 

der Abgeordneten Van der Bellen, Brosz, Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

betreffend “Bildungsoffensive jetzt!”

 

An den Schulen und Universitäten kocht der Zorn. Die Bundesregierung drischt Phrasen und

faselt von einer Bildungsoffensive; vor Ort wissen die Betroffenen, wie die Wirklichkeit

aussieht.

 

Schulen

 

Ein Lehrer aus Oberösterreich schreibt uns:

 

Ich bin Lehrer an einer Volksschule. An unserer Schule wurden per September 2000

fünfzehn Stunden ‚gekürzt”. Es gibt daher heuer bei ca. 200 Kindern keine einzige

Flötenstunde (im Vorjahr hatten wir vier Gruppen), kein Haltungsturnen (ist plötzlich die

Vorbeugung gegen Haltungsschäden sinnlos?), kein Schulspiel (Sie werden wissen, was für

Lernerfolge beim Einüben von Theaterstücken erzielt werden können - die Regierung nicht!)

und es gibt auch keine Spielmusikgruppe mehr (im Vorjahr hatten wir drei große Gruppen -

und Musik ist ja ohnehin nur unnötige Spielerei, oder?). Diese Stunden wurden nicht den

Lehrern “genommen "! Nein, sie wurden den Kindern weggenommen! Und genau deshalb

ärgert mich “meine oberste Chefin” ganz besonders! In den Medien verkündet sie, dass die

Bildungsausgaben erhöht worden seien. Ich als Lehrer an der Basis - mache mich mit

diesem Satz lächerlich, denn ich muss den Eltern sagen, dass es genannte Stunden

aufgrund von Kürzungen nicht mehr gibt.

 

Die Situation ist nicht nur in Oberösterreich so - und ab Herbst 2001 wird es noch viel

schlimmer werden. Die öffentlichen Ausgaben für die Schulen sollen 2002 sinken. Die

VolksschuldirektorInnen können den Müttern und Vätern, die jetzt ihre Kinder für die erste

Klasse anmelden, nicht sagen, wie das Lehrangebot der Schule ab Herbst aussehen wird.

Das einzige, was sicher ist: Das Angebot wird sinken. Stellen werden gekürzt, Stunden

werden gestrichen. Zulasten der LehrerInnen? Ja, aber vor allem zulasten der Kinder.

 

Ausgaben des Bundes für “Erziehung und Unterricht” (Schulen, Akademien, HTL, usw.)

1993 - 2002

 

Jahr

 Mrd. Euro

Änderung (in %)

 in%desBIP

BIP (Mrd. Euro)

1993

 4,487

 

 2,91

 154,4

1994

 4,771

 6,33

 2,93

 162,8

1995

 4,903

 2,77

 2,89

 169,6

1996

 4,918

 0,31

 2,76

 178,1

1997

 4,959

 0,83

 2,71

 182,7

1998

 5,233

 5,53

 2,75

 190,0

1999

 5,460

 4,34

 2,77

 197,1

2000

 5,563

 1,89

 2,70

 206,3

2001

 5,625

 1,11

 2,64

 213,3

2002

 5,515

 -1,96

 2,47

 223,5

 

 

Anm.:1 Euro = 13,7603 Schilling.

Quelle: Übersicht 20, Budgetrede BM Grasser, März 2001.

So sieht die angebliche Bildungsoffensive an den Schulen in Wirklichkeit aus:

 

* Im Jahrzehnt 1993 - 2002 sinken die Bildungsausgaben an den Schulen von 2,9 auf

    2,5% des BIP.

* Im wesentlichen hat die schwarz - blaue Bundesregierung diese Entwicklung zu

    verantworten: von 1999, dem letzten Jahr von Rot - Schwarz, bis 2002 sinken die

    Bildungsausgaben von 2,8 auf 2,5% des BIP.

* Ein Promille des BIP 2002 sind rund 224 Mio Euro bzw. 3,08 Mrd. ATS. Das bedeutet:

    Würde der Bund 2002 gleich viel für Bildung ausgeben wie 1993 - 95 (in Relation zum

    BIP), so müssten die Schulen 2002 um 12 Mrd. ATS mehr erhalten als von BM Gehrer

    und BM Grasser vorgesehen. Bezogen auf 1999 macht der Fehlbetrag 9 Mrd. ATS

    aus.

 

Deutlich wird das schwarz - blaue Bildungsdebakel auch, wenn man die Personalausgaben

für LandeslehrerInnen betrachtet, die vom Bund zu tragen sind (betrifft v.a. Volks - und

Hauptschulen):

 

1999:       37.305                          Mio ATS

2000:       38.553                                                                               (+1.248 Mio ATS)

2001:       39.457                                                                               (+ 9O4MioATS)

2002:       38.657                                                                               (- 8OOMioATS)

 

Bei gegebenem Personalstand steigt der Personalaufwand jährlich durch den sog.

Struktureffekt (Vorrückungen im Gehaltsschema u.dgl.) automatisch an. Dazu kommen

allfällige generelle Gehaltserhöhungen je nach Ergebnis der Verhandlungen mit den

Gewerkschaften. Vor einem Jahr hat BM Gehrer den reinen Struktureffekt mit 3% beziffert

(apa, 6.3.2000). Das war wahrscheinlich etwas zu hoch gegriffen. Rechnet man vorsichtig

mit 34% für Struktureffekt plus Gehaltserhöhungen zusammengenommen, so ergibt sich die

bei konstantem Personalstand - ohne dass eine einzige LehrerIn zusätzlich aufgenommen

worden wäre - erforderliche jährliche Erhöhung des Personalaufwands (in Mio ATS):

 

 

 

erforderlich

 tatsächlich

 Lücke

2000

 bei 3%

 1.119

 1.248

 +129

 

 bei 4%

 1.492

 1.248

 -244

 

 

 

 

 

2001

 bei 3%

 1.157

 904

 -253

 

 bei 4%

 1.542

 904

 -638

 

 

 

 

 

2002

 bei 3%

 1.184

 -800

 -1.984

 

 bei 4%

 1.578

 -800

 -2.378

 

 

Welche politischen Entscheidungen von ÖVP und FPÖ stecken hinter diesen dürren Zahlen?

Im Jahr 2000 hat der für LandeslehrerInnen budgetierte Personalaufwand knapp nicht mehr

ausgereicht, um den Personalstand zu finanzieren. 2001 und 2002 ist die finanzielle Lücke

eindeutig, mit drastischem Anstieg von 2001 auf 2002. Daher wird die Bundesregierung

Dienstposten in Pflichtschulen streichen und Einkommen von LehrerInnen kürzen, um diese

Budgets über die Runden zu bringen.

 

Im Klartext: Rechnet man grob mit 500.000 ATS Jahreskosten pro Lehrerin, so fehlt 2001 die

Finanzierung von 500 - 1300 Lehrerstellen, und 2002 fehlt die Finanzierung von zusätzlichen

(!) 3900 - 4700 Stellen im Pflichtschulbereich allein. Diese Zahlen sind noch unterschätzt, falls

wir die Jahreskosten pro Lehrerin zu hoch angesetzt haben.

Schwarz - blaue Schulpolitik heißt daher:

 

1. LehrerInnen müssen in Zukunft länger unterrichten. Dadurch reichen weniger

    LehrerInnen aus, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.

 

2. Lehrerinnen müssen Gehaltseinbußen in Kauf nehmen. Trotz einer Steigerung der reinen

    Unterrichtszeit sinkt die Entlohnung.

 

3. Mehrere tausend LehrerInnenposten werden in den nächsten Jahren nicht nachbesetzt.

    Genaue Zahlen können nicht genannt werden, da die Regierung bislang keinerlei

    Detailinformationen veröffentlicht hat.

    Während die Pflichtschullehrer - Gewerkschaft bei ihrer fragwürdigen Urabstimmung damit

    argumentierte, dass ihr Modell den Abbau von 2.900 PflichtschullehrerInnen auf Grund

    der Finanzausgleichsverhandlungen nicht verhindern kann, aber der zusätzliche Abbau

    von weiteren 2.000 PflichtschullehrerInnen auf Grund der im Budgetbegleitgesetz 2001

    beschlossenen Maßnahmen verhindert werden könne, meinte Ministerin Gehrer

    nunmehr, dass durch dieses Modell anstatt von 2.900 “nur” 2.118 Dienstposten nicht

    nachbesetzt würden.

 

    Fest steht: Wenn die Regierung die Ankündigung wahr macht, die Personalausgaben in

    dieser Legislaturperiode auf dem Niveau des Jahres 2000 einzufrieren, werden die von

    Ministerin Gehrer genannten Zahlen sicher nicht ausreichen.

 

4. Die Klassenschülerzahlen steigen. Während dieser Effekt zunächst in Abrede gestellt

    wurde, ist nunmehr davon die Rede, dass die Klassenschülerzahlen im Schnitt um einen

    Schüler pro Klasse steigen werden. Die Zahlen verteilen sich schon jetzt sehr

    unterschiedlich. In vielen berufsbildenden und allgemein bildenden höheren Schulen

    werden die gesetzlich vorgesehenen Klassenschülerhöchstzahlen bereits überschritten.

    Laut der letzten österreichischen Schulstatistik gab es mehr als 3.300 Klassen, in denen

    die Klassenschülerzahl über der im Gesetz genannten Höchstzahl lag. Das ist möglich,

    weil das Gesetz einen Passus enthält, dass zur Vermeidung von Abweisungen die Zahl

    um maximal 20 % überschritten werden darf. Dies wurde aber nicht zum Anlass

    genommen, Gegenmaßnahmen einzuleiten, sondern aus Kosten - und

    Bequemlichkeitsgründen zum Dauerzustand gemacht.

 

    Eine Steigerung um einen Schüler pro Klasse darf man sich nicht so vorstellen, dass

    dann in jeder Klasse eine/r mehr drinnen sitzt. Diese durchschnittliche Steigerung wird

    sich nur durch Brachialmethoden wie Klassenzusammenlegungen erzielen lassen. Erste

    Fälle von Maturaklassenzusammenlegungen gab es bereits.

   

    Solche Klassenzusammenlegungen werden auch jahrgangsübergreifend erfolgen. Allein

    in Niederösterreich sollen davon im nächsten Schuljahr 100 Klassen betroffen sein. Die

    Führung jahrgangsübergreifender Klassen kann als pädagogisches Modell durchaus

    sinnvoll sein. Solche Modelle funktionieren allerdings nur mit einer intensiven Betreuung.

    Eine zweite Lehrkraft ist unerläßlich. ÖVP und FPÖ sehen das offenbar anders.

 

    Ländliche Kleinschulen sind durch den Sparzwang durch Schließungen bedroht. Wird die

    im Gesetz definierte Mindestzahl nicht erreicht, entscheidet der Landesschulrat über die

    Weiterführung. Wenn die erforderlichen finanziellen Mittel den Ländern nicht mehr zur

    Verfügung gestellt werden, führt dies zwangsläufig zu Schließungen.

 

    Die finanziellen Vorgaben werden auch dazu führen, dass die vor allem im

    Fremdsprachenunterricht vorgesehenen Klassenteilungen nicht mehr möglich sein

    werden.

5.  Am massivsten werden schulische Zusatzangebote von den Kürzungen betroffen sein.

     Unverbindliche Übungen wurden bereits in den letzten Jahren reduziert. Es steht zu

     befürchten, dass sie bald nur mehr eine Erinnerung an bessere Zeiten sein werden.

   

     An den Pflichtschulen wird es zu Einschränkungen bei den Stützlehrerstunden für

     lernschwache SchülerInnen, bei den TeamlehrerInnen insbesondere im Bereich des

     muttersprachlichen Unterrichts, bei den Förderstunden für lernschwache oder

     überdurchschnittlich begabte Schülerinnen kommen.

 

     Die schulische Integration behinderter Kinder wurde bereits in den letzten Jahren

     eingeschränkt. So wurde der sonderpädagogische Förderbedarf für Sinnes - und

     körperbehinderte SchülerInnen nach der Volksschule gesetzlich zurückgenommen.

     Bisher war es aber meist noch möglich, zumindest reduzierte Förderungen anzubieten.

     Durch die Budgetkürzungen wird es diese Möglichkeiten nicht mehr geben.

 

     Im Regierungsübereinkommen war noch von 2.000 Planstellen die Rede, die im Bereich

     der sprachlichen Integration eingesetzt werden sollten. Ob es diese Planstellen noch gibt

     und wie sie verwendet werden ist unklar.

 

     Neue Lernformen und Projektunterricht werden unter den verschärften Bedingungen

     kaum mehr möglich sein.

 

6.  Im Informationstechnologiebereich ist von einer Bildungsoffensive bzw. der propagierten

     Computermilliarde nichts zu sehen. Tausende InteressentInnen werden abgewiesen, weil

     es nicht genügend Ausbildungsplätze gibt. Die Angebotserweiterung in den letzten

     Jahren war marginal. Abgesehen von fehlenden räumlichen Ressourcen wird der

     Lehrermangel im IT - Bereich immer gravierender. Auch im Bereich der Lehreraus - und -

     weiterbildung bestehen gravierende Defizite. Angebote fehlen, Kurse sind meist nur mit

     beträchtlichen Kostenbeteiligungen zu absolvieren. Von lnfrastrukturanschaffungen ist

     wenig zu sehen. Musterprojekte wie Laptopklassen führen zu sozialen

     Teilnahmebarrieren. Die Teilnahme an einer Laptopklasse erfordert Anschaffungskosten

     zwischen 30.000 und 45.000 Schilling. Ein Ausgleich für Kinder aus finanziell weniger gut

     situierten Familien ist nicht vorgesehen.

 

7.  Die schwarz - blaue Schulpolitik ist Teil einer unsozialen Sparpolitik, die einerseits bei

     Investitionen in die Zukunft unseres Landes und andererseits bei den sozial

     Schwächsten spart, wie zB den BezieherInnen von Unfallrenten.

Universitäten

 

Wie die Schulen werden die Universitäten in die blau - schwarze Zange genommen: erstens

durch eine unzureichende budgetäre Dotierung, zweitens durch eine “Dienstrechtsreform”,

die den Erfordernissen der Institution nicht gerecht wird.

                                                  

Ausgaben des Bundes für Universitäten, 1993 - 2002

                                     

Jahr

 

 Mio. Euro

 

 in % des BIP

1993

 

 1.449

 

 0.94

1994

 

 1.511

 

 0.93

1995

 

 1.585

 

 0.93

1996

 

 1.313

 

 0.74

1997

 

 1.184

 

 0.65

1998

 

  1.223

 

  0.64

1999

 

  1.278

 

  0.65

2000

 

 1.555

 

  0.75

2001

 

 1.633

 

 0.77

2002

 

 1.654

 

 0.74

 

 

Anm.: 1 Euro = 13,7603 Schilling

Quelle: Übersicht 20, Budgetrede BM Grasser, März 2001

 

Die Mittel für Lehre und Forschung an den Universitäten sind zuletzt gestiegen - verglichen

mit den katastrophalen Jahren 1997 - 99. Kein Wunder, dass die Bundesregierung immer

diese Jahre als Vergleichsgröße wählt. Aber in Relation zur Wirtschaftsleistung bzw. zum

BIP sind die Ausgaben 2002 nicht höher als im Sparpaketjahr 1996. Würde der Bund 2002

relativ gleich viel für die Universitäten ausgeben wie 1993, d.h. um 0,2% des BIP mehr, dann

müssten die Universitäten um 6 Mrd. ATS mehr erhalten.

 

Die Erhöhungen 2000 - 02 betreffen im wesentlichen den Nachholbedarf im Sachaufwand

(Ersatz ausgedienter PC`s u.dgl.); dramatisch ist hingegen die Entwicklung des

Personalaufwands im Budgetkapitel 14:

 

1999:

 

 13.264

 

 Mio. ATS

 

 

2000:

 

 14.088

 

 

 

 (+824 Mio ATS)

2001:

 

 14.232

 

 

 

 (+144 Mio ATS)

2002:

 

 14.232

 

 

 

 ( 0)

 

Rechnet man wiederum mit einem Struktureffekt plus Gehaltserhöhungen von 34%

zusammengenommen, so ergibt sich die bei konstantem Personalstand erforderliche

jährliche Erhöhung des Personalaufwands (in Mio ATS):

 

 

 

erforderlich

 tatsächlich

 Lücke

2000

 bei3%

 398

 824

 +426

 

 bei4%

 531

 824

 +293

2001

 bei3%

 423

 144

 -279

 

 bei4%

 564

 144

 -420

2002

 bei3%

 427

 0

 -427

 

 bei 4%

 569

 0

 -569


 

Im Jahr 2000 reicht das Budget aus, um den von 1999 übernommenen Personalstand zu

finanzieren. 2001 / 2002 dreht sich die Lage völlig: Die Bundesregierung beabsichtigt

offensichtlich, Dienstposten an den Universitäten zu streichen und Einkommen des

Universitätspersonals zu kürzen, um diese Budgets über die Runden zu bringen.

 

Die Personalkosten pro Jahr und Person sind uns nicht bekannt. Größenordnungsmäßig

dürfte 2001 die Finanzierung von 500 - 700 Stellen fehlen, und 2002 von zusätzlichen (!)700 -

900 Stellen.

 

Beispiel: An der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft und Informatik der Universität Wien

sind acht ordentliche Professuren vakant (daher auch die entsprechenden Assistenten - und

Sekretariatsstellen). Gemäß Nachricht des Rektorats können davon eine oder maximal zwei

besetzt werden, für alle anderen ist kein Geld da. In der Terminologie von BM Grasser

handelt es sich nicht um “Orchideenfächer‘: die acht vakanten Professuren betreffen die

Fachgebiete Betriebswirtschaft, Statistik und Volkswirtschaft.

 

Es rundet das Bild ab, wenn von 2001 auf 2002 die Universitäten vom Bund 21 Mio. Euro

mehr erhalten sollen, allein der Anstieg des Aufkommens aus Studiengebühren aber mit 71

Mio. Euro budgetiert ist.

 

Damit nicht genug: Die Entwürfe zu einem neuen Dienstrecht sind für den wissenschaftlichen

Nachwuchs demotivierend und bieten keinerlei Anreiz sich dem Risiko nachhaltiger

Forschung auszusetzen. Denn durch die geplante Dienstrechtsreform wird für den Großteil

aller ForscherInnen ihre wissenschaftliche Karriere nach spätestens 15 Jahren zu Ende sein,

ohne wirklich reale Ausstiegsmöglichkeiten in die Wirtschaft vorzufinden. Auch den Großteil

des Personals im vierjährigen Wechsel auszutauschen ist mit einem effizienten und

kalkulierbaren Forschungs - und Studienbetrieb nicht zu vereinbaren. Dies bedeutet nicht nur

eine existentielle Gefährdung der Betroffenen, sondern letztlich auch einen Anschlag auf die

Universitäten und ihre Aufgabe Wissen zu vermehren, Wissen zu erhalten und Wissen

weiterzugeben. Mangelnde Karriereperspektiven werden nicht zu großem Engagement und

notwendiger Risikofreude in Forschung und Lehre führen, was wiederum eine

Verschlechterung der Qualität in der Betreuung von Studierenden und der

wissenschaftlichen Leistung zur Folge haben wird. Was ein solches ,,Hire and Fire” - Modell

auch für Frauen in wissenschaftlichen Karrieren, die mehrheitlich in befristeten

Dienstverhältnissen arbeiten, bedeuten wird, ist klar.

 

Unsere volle Solidarität gehört den Angehörigen der Universitäten, die unter solchen

Rahmenbedingungen lernen, lehren und forschen sollen.

 

Forschung

 

Einhellig sind alle Parlamentsparteien der Auffassung, dass die Forschungstätigkeit in

Österreich intensiviert werden und insbesondere die sog. F & E - Quote (Ausgaben für

Forschung und Entwicklung in % des BIP) erhöht werden muß. Der Industrieausschuss hat

im Rahmen seiner Befassung mit Technologiepolitik schon 1999 einen Zielwert von 2.5% für

die F & E - Quote beschlossen. BM Grasser hat in seiner Budgetrede vom 1. März 2001

erneut bekräftigt, “dass die österreichische Forschungsquote bis zum Jahr 2002 auf 2% und

bis zum Jahr 2005 auf 2.5% angehoben wird.”

 

Die Zahlen des Budgets 2002 lassen das nicht erkennen.

 

Die Budgetansätze für die Universitäten sind nicht verwendbar, weil diese auch die Kosten

für die Lehre enthalten. Umgekehrt wird Forschung nicht nur an den Universitäten betrieben.

Übersicht 25 der Anlagen zur Budgetrede gibt jedoch Aufschluss über die Ausgaben des

Bundes für die Forschung 1993 - 2002:

                              Bundesausgaben                                             davon: Universitäten

 

 

 in Mio. Euro

 in % des BIP

 

 in Mio. Euro

 in % des BIP

1993

 1.038

 0.67

 

 626

 0.41

1994

 1.152

 0.71

 

 659

 0.41

1995

 1.148

 0.68

 

 691

 0.41

1996

 1.118

 0.63

 

 511

 0.29

1997

 1.133

 0.62

 

 499

 0.27

1998

 1.145

 0.60

 

 528

 0.28

1999

 1.260

 0.64

 

 561

 0.29

2000

 1.230

 0.60

 

 877

 0.33

2001

 1.408

 0.66

 

 711

 0.33

2002

 1.435

 0.64

 

 719

 0.32

 

 

Anm.: Der rücklagen fähige Betrag von 509 Mio. Euro im BVA 2001 für die drei Jahre 2001 -

2003 wird zu je einem Drittel den Jahren 2001 bis 2003 zu gerechnet (1. Spalte der Tabelle).

 

Bei den Universitäten zeigt sich das gleiche Bild wie beim Gesamtbudget der Universitäten:

die Forschungsdotierung 2000 - 2002 ist höher als in den Katastrophenjahren 1996 - 99,

aber niedriger als 1993 - 95 (in % des BIP).

 

Bei den Forschungsausgaben des Bundes insgesamt (2.13. Spalte der Tabelle) lässt sich

beim besten Willen nicht erkennen, worin der Beitrag des Bundes zu einer Erhöhung der

F & E - Quote liegt. Die Bundes - Quote pendelt seit 1996 zwischen 0.60 und 0.66% und ist

auch 2001/2002 niedriger als 1993 - 95.

 

Die OECD (Science, Technology and Industry Outlook 2000) weist für Österreich 1999 eine

F & E - Quote von 1.63% des BIP aus; die Hälfte davon entfällt auf den

Unternehmenssektor. Wenn die Bundesregierung nach eigenen Angaben eine F & E -

Quote von 2% für 2002 anstrebt, die Bundesquote 2002 aber mit 0.64% exakt jener von

1999 entspricht, so hofft sie offenbar, dass der Unternehmenssektor die Differenz wettmacht;

dafür müssten aber die Forschungsausgaben der Unternehmen um 50% höher sein als 1999

(in Relation zum BIP, das entspricht zusätzlichen 12 Mrd. ATS). Die reale Basis für diese

Hoffnung ist nicht bekannt.

 

Postscriptum: Deutschland hat eine F & E - Quote von 2.3% (1999), Finnland 3.1%,

Schweden 3.7%. Der OECD - Durchschnitt beträgt 2.2%.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert eine

Bildungsoffensive einzuleiten und umzusetzen, die folgende Maßnahmen enthält:

 

1) Absenkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25 Schüler pro klasse statt der derzeit

stattfindenden Erhöhung der Klassenschülerzahl.

 

2) Verbesserung der Integration Behinderter im Pflichtschulbereich und Ausweitung auf alle

Bereiche des Schulsystems.

 

3) Weiterer Ausbau statt Einschränkung der sprachlichen Integration sowie des

Förderunterrichts, mit dem Ziel, echte Dreisprachigkeit von Kindern mit nicht - deutscher

Muttersprache (Deutsch, Muttersprache, Englisch) herzustellen.

 

4) Rascher Ausbau der IT - Arbeitsplätze in Schulen, Universitäten und Fachhochschulen.

Sofortmaßnahmen in der LehrerInnenaus - und - weiterbildung, um dem

LehrerInnenmangel in diesem Bereich entgegenzuwirken.

 

5) Ersatzlose Streichung der Studiengebühren genannten ‚Bildungssteuer‘ und damit

Wiedereinführung des offenen und gebührenfreien Hochschulzugangs.

 

6) Ausweitung des BezieherInnenkreises von und Erhöhung der Studienbeihilfen auf ein

Niveau, das den Lebensunterhalt sichert und zur Verkürzung der Studienzeiten führt.

 

7) Erweiterung der Universitätsautonomie unter Wahrung demokratischer Strukturen und

der Mitbestimmung aller Universitätsangehörigen.

 

8) Eine innovative Universitätsreform, die

 - leistungsorientierte, kontinuierliche Karrieren an den Universitäten gewährleistet, und

 - die mit verbindlichen Zusagen über zusätzliche Budgetmittel verknüpft ist und eine

langfristige Planung ermöglicht.

 

9) Zusätzliche budgetäre Vorsorge für den Forschungsbereich, sodass eine schrittweise

Erhöhung der F&E - Quote auf 2,5 Prozent des BIP bis 2005 tatsächlich gewährleistet

wird.

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieses Antrages gem §74a iVm §93

Abs2 GOG verlangt.