439/AE XXI.GP

Eingelangt am:11.05.2001

 

Dringlicher Antrag

gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG - NR

 

der Abgeordneten Dr. Cap

und GenossInnen

betreffend Grundsätze einer Reformpolitik für die österreichischen Universitäten

 

Die SPÖ hat die Diskussion um die Weiterführung der Universitätsreform von Beginn an

aktiv geführt, weil sich gerade die Universitäten den Erfordernissen der Wissensgesellschaft

stellen müssen. Die SPÖ steht für Veränderungen, die die Qualität des Studiums in Österreich

steigern und die Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Forschung verbessern.

Eine Universitätsreform kann und darf nicht um ihrer selbst willen erfolgen, sondern dient der

Verwirklichung von konkreten Zielen. Solche Ziele sind insbesondere positive Auswirkungen

auf die Qualität des Studienangebots, die Verbesserung der Studienorganisation im Sinne der

Studierbarkeit in der Mindeststudienzeit, die Internationalisierung der Studien und der

Forschungskooperation, die Erhöhung der Frauenquoten insbesondere in wissenschaftlichen

und organisatorischen Führungspositionen sowie die Erhaltung des offenen

Hochschulzuganges unabhängig von der sozialen Herkunft und den finanziellen

Möglichkeiten der Studierenden. Die großen Reformen der Neunziger Jahre befinden sich zur

Zeit in ihrer Umsetzungsphase und erzeugen an den Universitäten einen positiven

Innovationsschub.

 

Dagegen bedroht die chaotische und restriktive Bildungspolitik der gegenwärtigen

Bundesregierung die Chancen der Studierenden die Weiterentwicklung von Wissenschaft und

Forschung in Österreich und damit auch die Innovationskraft unseres Landes.

 

So stellt etwa die überfallsartige Einführung der Studiengebühren offensichtlich den ersten

Schritt zur Einschränkung bzw. Abschaffung des offenen Universitätszugangs in Österreich

dar. Weitere Hürden sind im Zuge der von der Bundesregierung geplanten

"Vollrechtsfähigkeit“ der Universitäten zu erwarten. Dazu kommt die große Verunsicherung

der UniversitätslehrerInnen durch die unausgegorenen Vorschläge für ein neues Dienstrecht.

Darüber hinaus bedeuten die bisher bekanntgewordenen fragmentarischen Vorstellungen des

Bildungsressorts betreffend die Organisationsreform der Universitäten das Ende der

demokratischen Mitbestimmung aller Universitätsangehöriger.

 

Seit der am 15.12.2000 im Bildungsministerium erfolgten Präsentation der sogenannten

"Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Universitätsbereichs“ verstärkt sich die Kritik an der

chaotischen Wissenschaftspolitik dieser Bundesregierung durch die Universitätslehrer und die

Studierenden in Österreich. Große Teile des Mittelbaus werden durch die in Begutachtung

stehenden Dienstrechtsänderungen in ihrer beruflichen Existenz bedroht. Auch die

Ausgliederung der Universitäten und der damit verbundene Rückzug des Staates aus der

Hochschulpolitik soll nach jüngsten Aussagen von BK Dr. Schüssel ohne breite Diskussion

mit den davon betroffenen Gruppen durchgepeitscht werden. Noch dazu soll diese Reform

ohne Evaluierung des UOG 1993 erfolgen.

 

Es ist unbestreitbar, dass Probleme im universitären Bereich existieren, die weiterer

Reformschritte bedürfen. Dazu zählen unter anderem die überdurchschnittlich langen

Studienzeiten in Österreich, das Fehlen von ausreichenden Studienangeboten für Berufstätige,

die fehlende Abstimmung des Lehrangebots, der oft fehlende Arbeitsmarktbezug bei den

Studienplänen, Evaluierungsverfahren ohne Konsequenzen, unzureichende Investitionsmittel,

unzureichende Mittel für den Ausbau der Fachhochschulen usw. Außerdem fehlen moderne

Instrumente der Personalentwicklung. Über weitere Schritte der Universitätsreform kann aber

nur dann sinnvoll diskutiert werden, wenn ein konkreter Bezug zwischen den

vorgeschlagenen Reformen und den dadurch zu lösenden Problemen hergestellt wird. Dies ist

bei den bisher bekanntgewordenen Vorstellungen der Bildungsministerin nirgends der Fall.

Welche Probleme durch welche Reformschritte gelöst werden sollen, bleibt im

Schlagwortkatalog des Bildungsministeriums völlig im Dunkeln.

 

Dazu kommt die Tendenz, Fragen der Universitätsreform ausschließlich aus einer

wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu sehen. Offensichtlich soll ein möglichst hoher

,,Output“ an akademisch gebildeten Arbeitskräften für die Wirtschaft in möglichst kurzer Zeit

und zu möglichst geringen Kosten produziert werden. Dieser Ansatz ist völlig unzureichend

und geht an der gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung vorbei. Universitäten haben in

Lehre und Forschung eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung und können daher nicht

wie gewinnorientierte Unternehmen organisiert und geführt werden.

 

Studierende dürfen nicht auf „menschlichen Output“ oder auf eine Rolle als Kunden der

Universität reduziert werden. Die angehenden AkademikerInnen sind Teil der intellektuellen

Kraft einer Gesellschaft, sie lernen und forschen nicht nur für ihre berufliche Bildung sondern

sie bereichern die gesamte Gesellschaft durch ihr Wissen. Studierende sind keine Kunden, da

sie nicht nur Bildung konsumieren, sondern aktiv an der Weiterentwicklung der Universitäten

mitwirken.

 

Aus Anlass der bevorstehenden ÖH - Wahlen muss festgehalten werden, dass eine starke und

unabhängige Vertretung für alle Studierenden von größter Bedeutung ist. Die Unabhängigkeit

der Österreichischen HochschülerInnenschaft muss weiterhin gewährleistet werden. Für die

ÖH als Interessenvertretung ist es unverzichtbar, in sämtliche genannten Entscheidungs -

prozesse mit Sitz und Stimme eingebunden zu sein. Nur so kann eine echte

Interessenvertretung der Studierenden garantiert werden.

Die organisationsrechtlichen Vorstellungen der Bildungsministerin einschließlich der

Einführung von ,,Globalbudgets“ lassen das definitive Ende des freien Hochschulzuganges in

Österreich befürchten. Denn die Universitäten werden ,,Globalbudgets“ nur dann akzeptieren,

wenn die damit zu finanzierenden Studienplätze - wie bereits im Fachhochschulsektor -

streng kontingentiert werden. Das würde das Ende der seit den siebziger Jahren in Österreich

erfolgten Bildungsexpansion bedeuten. Die Bundesregierung strebt offensichtlich den Umbau

des freien und demokratischen Universitätssystems Österreichs in Bildungseinrichtungen für

gesellschaftliche Eliten an, die durch Studiengebühren und Aufnahmeprüfungen dafür sorgen

werden, dass der Anteil von Kindern aus Klein - und Mittelverdienerfamilien begrenzt bleibt.

 

Darüber hinaus gibt es aber offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen zwischen dem

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und dem Bundesministerium für

Finanzen darüber, was eine „vollrechtsfähige Universität“ sein soll und vor allem „kosten

darf": Während das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur noch davon

spricht, dass die „Vollrechtsfähigkeit“ nicht zu Einsparungen des Universitätsbudgets führen

kann und soll und sogar von einzelnen Spitzenbeamten und akademischen Funktionären

darauf hingewiesen wird, dass die ,,Vollrechtsfähigkeit“ zwangsläufig infolge der

Systemumstellung auf viele Jahre hinaus zusätzliche Mittel erfordert ehe der Staat eine

Kostenreduktion durch Abschaffung des Beamtenstatus von Universitätsangehörigen

lukrieren könnte, geht das Bundesministerium für Finanzen eindeutig von einer ,,Deckelung“

oder gar Kürzung des Universitätsbudgets aus. Mit solchermaßen mit den ‚,vollrechtsfähigen

Universitäten“ auszuhandelnden gedeckelten oder reduzierten ,,Globalbudgets“ könnte daher

keinesfalls auch nur annähernd die gegenwärtige Leistungserfüllung der Universitäten

ermöglicht werden. Dies würde zwingend zu Einschränkungen des Universitätsbetriebes

sowohl in Forschung wie Lehre führen. Überdies gibt es für fast alle Universitäten sowohl

vom Stand der wissenschaftlichen Entwicklung als auch eines immer noch bestehenden

Ausbaubedarfes ein viele Milliarden erforderliches Bau - und Investitionsprogrammes. Ohne

eine dezidierte und durch bindende Verträge zuzusichernde Investitionsvorsorge des Staates

würden die Universitäten - da sie derartige Investitionen aus ihren Budgets nicht finanzieren

könnten - zusätzlichen Einschränkungen unterliegen und könnten im internationalen

Wettbewerb nicht erfolgreich bestehen.

 

Verschärft werden die Probleme im Universitätsbereich durch die außerordentlich restriktive

Budgetpolitik, die sämtliche gesellschafts - und bildungspolitische Ziele dem „Mythos Null -

Defizit“ opfert. Laut Übersicht 20/2 der Beilagen zur Budgetrede 2002 des Finanzministers

werden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von 2.937 Millionen Euro (2001) auf

2.451 Millionen Euro (2002) sinken. Die mehrfach angekündigten zusätzlichen 7 Milliarden

ATS für Forschung und Entwicklung sind immer noch nicht in konkreten Einzelprojekten

realisiert. Entgegen der Ankündigung der Bildungsministerin in den Verhandlungen über den

Bundesvoranschlag 2000 wurden auch die damals um zwei Drittel gekürzten Investitions -

mittel für die Universitäten bis heute nicht kompensiert.

Das „Volksbegehren gegen Studiengebühren und für eine Bildungsoffensive“ der

überparteilichen Bildungsplattform „Recht auf Bildung“, das in seinem ersten Punkt „gegen

Kürzungen im gesamten Bildungsbereich und für ausreichende staatliche Finanzierung von

öffentlichen Bildungseinrichtungen, die ein vielfältiges Bildungsangebot gewährleistet“

eintritt, wird von der SPÖ ausdrücklich begrüßt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

               

Dringlichen Antrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Entschließung

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, sich in der

Bundesregierung für eine Weiterentwicklung des universitären Bereichs in Österreich nach

folgenden Grundsätzen einzusetzen:

 

• Der freie und offene Hochschulzugang ist auch weiterhin zu gewährleisten. Die

   Studiengebühren sind abzuschaffen, die Ansätze zu einer Studienplatzkontingentierung

   sind zurückzunehmen.

 

• Organisatorische Reformen der Universitäten dürfen zu keiner Einschränkung der

   Qualität der demokratischen Mitbestimmung aller Universitätsangehöriger führen.

 

• Die Reformen müssen positive Auswirkungen auf die Qualität des Studienangebots

   (erhöhte Lehrkapazitäten für die Betreuung der Studierenden, Studierbarkeit in der

   gesetzlichen Studiendauer, verbesserte Vereinbarkeit von Studium und Beruf) haben.

 

• Das Betreuungsverhältnis an den österreichischen Universitäten muss dringend

   verbessert werden. Erhöhte Lehrkapazitäten sind ausreichend zu finanzieren.

 

• Die Österreichische HochschülerInnenschaft muss als gesetzliche Interessenvertretung

   der Studierenden anerkannt bleiben. Die Mitgliedschaft ist auf Studierende an

   Fachhochschulen und Sozialakademien auszuweiten. Eine Universitätsreform darf zu

   keiner Beschneidung der Rechte der HochschülerInnenschaft führen.

 

• Die finanzielle Unabhängigkeit der Österreichischen HochschülerInnenschaft muss auch

   in Zukunft sichergestellt sein.

• Eine Ausweitung des BezieherInnenkreises von Stipendien und eine gerechte Verteilung

   unter den Einkommensgruppen ist anzustreben.

 

• Für ausländische Studierende soll das Arbeitsverbot zumindest in den Ferien und nach

   dem Studienabschluss aufgehoben werden. Auf den ATS 70.000, - Nachweis bei der

   Verlängerung des Aufenthalts ist zu verzichten. Das passive Wahlrecht für alle

    ausländischen Studierenden bei den ÖH - Wahlen ist umzusetzen.

 

• In allen wissenschaftlichen und organisatorischen Führungsbereichen der Universitäten

   muss es zu einer Erhöhung der Frauenquoten kommen.

 

• Aufgrund der gesamtstaatlichen Verantwortung und der überwiegenden Steuer -

   finanzierung der österreichischen Universitäten müssen sowohl auf parlamentarischer

   Ebene wie auf Regierungsebene entscheidende Steuerungsmöglichkeiten auch weiterhin

   gegeben sein.

 

• Reformen im Bereich des Dienstrechts dürfen nicht zu einer Verunsicherung

   der Universitätsangehörigen und zu einer Vergeudung des Humankapitals der

   österreichischen Universitäten führen.

 

• Ein reformiertes Dienstrecht soll zu einem international konkurrenzfähigen

   Laufbahnmodell für Neuaufnahmen führen (zB vermehrter Einsatz von Doktorats -

   stipendien und befristeten wissenschaftlichen MitarbeiterInnenstellen bis zum Erwerb des

   Doktorats; ab dem Doktorat ein Modell kontinuierlicher Qualifikation und Evaluation).

 

• Umwandlung der prekären Dienstverhältnisse im Bereich der Universitäten unter

   Berücksichtigung der ExistenziektorInnen.

 

• Evaluierung des UOG 1993 als Grundlage der Reformdebatte.

 

• Einbindung aller Betroffenen im Rahmen einer breiten Diskussion statt Durchpeitschen

   von gravierenden Dienstrechts - und Organisationsänderungen.

 

• Kein Einfrieren des Personalaufwands und dadurch bedingte Stellenkürzungen an den

   Universitäten.

 

• Langfristige Sicherung der Finanzierung für bereits seit langem feststehende und im

   Laufe etwa eines Jahrzehnts umzusetzende Bau - und Investitionsmaßnahmen für

   Universitäten.

 

• Erarbeitung eines Hochschulrahmenkonzeptes für den gesamten postsekundären Sektor

   im Hinblick auf Standorte, Finanzierung, Organisation und Studienangebote.

• Rasche Festlegung und Absicherung der Forschungsmittel für die nächsten fünf Jahre, um

   eine längerfristige Projektplanung zu ermöglichen.

 

• Sonderdotierung für Fachhochschul - Studiengänge im Sozial - , Gesundheits - und IKT -

   Bereich, damit die seit Jahren vorliegenden Anträge genehmigt und die Projekte

    umgehend gestartet werden können.

 

• Anerkennung des Fachhochschulabschlusses als Abschluss auf Hochschulniveau im

   öffentlichen Dienst.

 

• Zusätzliche Investitionsmittel für die Universitäten in der Höhe von 600 Millionen ATS

   als Kompensation der im Budget 2000 gestrichenen Investitionsmittel.

 

• Umsetzung des e - Europe - Programmes in Schulen, Universitäten und im Bereich der

   Erwachsenenbildung.

 

• Bereitstellung ausreichender budgetärer Mittel, um die Forschungsquote am BIP auf

   2,5 % zu erhöhen.

 

• Sicherung einer lobbyungebundenen Grundlagenforschung“

  

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1

   GOG - NR dringlich zu behandeln