498/AE XXI.GP

Eingelangt am:06.07.2001

 

E N T S C H L I E S S U N G S A N T R A G

 

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Cap, Dr. Wittmann

und GenossInnen

betreffend Verfassungsinitiative Medien -  und Informationsfreiheit

 

Die politische Diskussion in Österreich seit dem Amtsantritt der blau/schwarzen

Bundesregierung hat gezeigt, dass bisher unbestritten geglaubte Grundsätze der

Meinungsfreiheit und der Freiheit und Vielfalt der Medien zunehmend gefährdet werden.

 

Begonnen hat dies mit dem vom Justizminister unterstützten Vorschlag des Kärntner

Landeshauptmannes, Oppositionspolitiker, die gegen die Bundesregierung auftreten

strafrechtlich zu verfolgen.

 

Der Weisenbericht hat an der größeren Regierungspartei, der FPÖ, massiv kritisiert, dass sie

versuche, Kritiker im Wege von Gerichtsverfahren mundtot zu machen. In diesem

Zusammenhang stellte der Weisenbericht auch fest, dass die ordentlichen Gerichte in ihrer

Rechtssprechung die Grundsätze des Art. 10 MRK zum Schutz der

Meinungsäußerungsfreiheit in politischen Zusammenhängen nicht ausreichend beachten.

 

Zusätzlich problematisiert wird dies durch die Tatsache, dass der für diese Rechtssprechung

zuständige Medienrichter Vertreter der FPÖ im ORF - Kuratorium war.

 

Auf die Journalisten des ORF wurde seitens der Regierungsparteien derartiger Druck

ausgeübt, dass sie sich mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit wandten.

 

Der gesamte Bereich der Ordnung der elektronischen Medien wurde einer dem Bundeskanzler

weisungsunterworfenen Medien unterstellt; der dort eingerichtete Grund vom Beirat wurde

mit drei Vertretern der ÖVP und drei Vertretern der FPÖ besetzt.

 

Mit dem neuen ORF - Gesetz soll ein fast direktes Durchgriffsrecht des Stiftungsrates auf den

künftigen Generaldirektor und im Wege dessen Weisungsrechtes auf die Redaktionen

geschaffen werden. Der Stiftungsrat wird wiederum zu zwei Dritteln von ÖVP und FPO

besetzt, wobei der ÖVP allein die absolute Mehrheit zukommt.

Zuletzt erregte der Justizminister mit dem Vorschlag Aufsehen, Journalisten mit Geld -  und

Haftstrafen zu bestrafen, die aus ihnen zugegangenen vertraulichen Unterlagen zitieren (§ 56

StPO)

 

Es ist daher hoch an der Zeit, dass die Medien -  und Informationsfreiheit verfassungsrechtlich

abgesichert wird. Dabei soll der Grundrechtsschutz nicht nur in seinen bisher praktizierten

Ausmaß verankert, sondern entsprechend den Anforderungen der modernen Medien -  und

Informationsgesellschaft ausgebaut werden. Da das gesellschaftliche Leben heute von der

Kommunikation beherrscht wird, ist es zur Sicherung einer freien und pluralistischen

Gesellschaft unbedingt erforderlich den Freiraum der Bürger durch entsprechende

Verfassungsrechte zu schützen. Dies bedingt nicht nur die positive Informationsfreiheit, das

Recht, Zugang zu Information zu erhalten, sondern auch die Negative in Gestalt des

informationellen Selbstbestimmungsrechtes: Jeder hat das Recht, von Informationen auch

verschont zu werden, die er nicht will, z.B. Postwurfsendungen, unerwünschte Anrufe, Junk -

Mails usw..

 

Die unterzeichneten Abgeordneten schlagen daher eine Verfassungsinitiative zur Medien -  und

Informationsfreiheit mit einem Runden Tisch aller im Nationalrat vertretenen Parteien sowie

aller betroffenen gesellschaftlichen Gruppen ein und beantragen daher folgende

 

Entschließung:

 

Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend einen Runden Tisch mit allen im Nationalrat

vertretenen Parteien und sowie aller betroffenen gesellschaftlichen Gruppen einzurichten, der

sich mit einem umfassenden verfassungsrechtlichen Schutz der Medien -  und

Informationsfreiheit beschäftigt und entsprechende Gesetzesvorschläge ausarbeitet;

insbesondere soll sich der Runde Tisch mit folgenden Themen beschäftigen:

 

1.Charta der Freiheit der Journalisten

 

•  Verankerung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf

   Berichterstattung

 

    - Journalisten dürfen nicht an der Berichterstattung gehindert werden; Beispiele:

       Berichterstattung von der Auflösung einer Demonstration (Journalist darf nicht

       weggewiesen werden bzw. gar am Filmen gehindert werden, bis die Auflösung der

       Demonstration beendet ist); Teilnahme an Verwaltungsverhandlungen, z.B. über

       Straßenbau usw.; sonstige Berichterstattung von öffentlichen Orten bzw. ohne

       Verletzung der Rechte von Privaten.

 

    - Verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht: Durchsetzbar vor dem VfGH.

• Verfassungsrechtlicher Schutz des Redaktionsgeheimnisses

 

    - Das Redaktionsgeheimnis ist zur Zeit nur einfachgesetzlich gewährleistet, und zwar

       insoweit, als sich Journalisten der Zeugenaussage entschlagen können; nunmehr soll

       es verfassungsrechtlich geschützt werden.

 

• Verfassungsrechtliche Verankerung des Redaktionsstatutes.

 

    - Das Redaktionsstatut soll verfassungsrechtlich verankert werden.

 

    - In allen Redaktionen soll ein Redaktionsstatut vereinbart werden.

 

• Verfassungsgesetzlich gewährleistetes Informationsrecht von Journalisten, soweit

   dem nicht zwingende öffentliche Interessen oder der Schutz der privaten

   Interessen entgegensteht.

 

    - Journalisten sollen das Recht haben, sich bei allen öffentlichen Einrichtungen und

       über alle öffentlich relevante Umstände zu informieren (auch gegenüber

       Unternehmen für Informationen, bei denen ein berechtigtes Interesse der

       Öffentlichkeit an Information besteht.)

 

    - Beschränkung: Eng definierte zwingende öffentliche Interessen sowie Schutz

       privater Interessen.

 

• Informationspflicht öffentlicher Einrichtungen, soweit dem nicht der Schutz

   privater Interessen oder zwingender öffentlicher Interessen entgegenstehen.

 

    - Vorbild: Freedom of Information Act (FOIA) der Vereinigten Staaten: In den USA

       hat jede staatliche Einrichtung ein eigenes Büro, das die Öffentlichkeit von sich aus

       mit Informationen versorgt.

 

    - Öffentliche Einrichtungen sind verpflichtet, von sich aus über Vorgänge zu

       berichten, an denen ein öffentliches Interesse besteht.

 

    - Grundsätzlich besteht das Recht, alle Informationen zu erhalten, soweit dem nicht

       der Schutz privater Interessen oder zwingende öffentliche Interessen entgegen

       stehen.

 

• Schutz vor ungerechtfertigter strafrechtlicher Verfolgung (Modifikation des § 301

   Strafgesetzbuch, Entfall des § 56 StPO - Reformgesetz)

 

    - § 301 StGB (Verbotene Veröffentlichung) soll dahingehend geändert werden, dass

       der Paragraph nicht zu einer Einschränkung der Presse -  und

       Meinungsäußerungsfreiheit verwendet werden kann.

     - Missbrauch von zufälligen Ergebnissen aus Telefonüberwachung oder Lauschangriff

        soll weiter hintangehalten werden.

 

     - Berichterstattung durch Journalisten wird nicht bestraft.

 

 

2. Ausbau der Meinungsfreiheit zu einer allgemeinen Informationsfreiheit

 

• Verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Information

 

    - Bisher ist explizit nur das Recht auf Meinungsäußerung verankert, nicht aber das

       Recht, Informationen aktiv zu sammeln.

  

    - Recht auf angemessenen Informationszugang.

 

    - Recht auf Zugang zu Informationen zu gleichen Bedingungen (z.B. Kabel - ,

       Satellitenfernsehen; allenfalls Kontrahierungszwang).

 

    - Recht, daß Ereignisse von besonderer öffentlicher Bedeutung kostenlos ausgestrahlt

       werden.

 

• Verfassungsrechtliche Garantie der Freiheit des Internet

 

   - Gesetzliche Beschränkungen des Internet sind unzulässig, soweit es nicht um

      allgemeine Beschränkungen der Rechtsordnung geht (z.B. Kinderpornographie,

      Neonazis usw.)

 

   - Kein Verbot von Verschlüsselungseinrichtungen.

 

   - Keine Einschränkung von Internetdiensten.

 

• Verpflichtung, allen Personen zu gleichen Bedingungen Zugang zum Internet zu

    gewähren

 

    - Die Telekommunikationsnetzbetreiber sind verpflichtet, auch einen Internet -

       Anschluß mit ausreichender Kapazität zur Verfügung zu stellen

       (Universaldienstverordnung).

 

    - Für Übergangszeit: Öffentliche Hand stellt einen kostengünstigen Zugang zum

       Internet zur Verfügung, z.B. in allen Gemeindeämtern.

 

• Verankerung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf

    „Informationelle Selbstbestimmung“

 

     - Dieses beinhaltet das Recht, selbst zu bestimmen, welche Informationen man erhält.

      - Recht, bestimmte Informationen nicht zu erhalten, z.B. Werbematerial an der Tür

        bestimmte Postwurfsendungen, E - Mails usw.

 

•     Umkehrung des Amtsgeheimnisses

 

     - Derzeitige Praxis (Verfassungswortlaut nicht so eng): Alles unterliegt dem

       Amtsgeheimnis, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, solange irgendein

       Interesse an der Geheimhaltung besteht; in der Praxis wird dies so verstanden, daß es

       Behörden für als an sich im öffentlichen Interesse gelegen erachten, daß niemand

       über ihre Tätigkeit erfährt.

 

    - Grundsätzlich sind alle Informationen öffentlich zugänglich, außer wenn aus eng

       umgrenzten zwingenden öffentlichen Interessen oder zum Schutz privater Interessen

       die Geheimhaltung geboten ist (sh. amerikanischen "Freedom of Information Act“,

       Beispiel skandinavische Staaten: der gesamte Postverkehr eines Ministers ist für

        jedermann zugängig).

 

•  Staatszielbestimmung zur Erhaltung der Medienvielfalt

 

    - Auftrag an Gesetzgebung und Vollziehung für eine Erhaltung der Medienvielfalt zu

       sorgen.

 

    - Aktive Maßnahmen zur Erhaltung der Meinungsvielfalt sowohl durch Private,

       nichtkommerzielle und - im Falle des Rundfunks - öffentlich - rechtliche Medien.

 

• Unvereinbarkeitsbestimmungen Medien/Politik

 

   - Unvereinbarkeit von Regierungsfunktionen mit dem Eigentum an Medien ab einer

      gewissen Reichweite. (Berlosconi wäre in Österreich auch möglich)

 

   - Unvereinbarkeit zwischen Abgeordneten und bestimmten journalistischen

      Funktionen in Medien ab bestimmter Reichweite (z.B. Abgeordneter zum

      Nationalrat/ORF - Moderator).

 

3. Reform des Medienrechtes

 

 • Verwirklichung der Forderungen des Weisenberichtes

 

    - Der Weisenbericht (RZ 102) hat festgestellt, daß in der Spruchpraxis der

       österreichischen Gerichte Artikel 10 MRK nicht gewährleistet ist: Die Grenzen der

       zulässigen Kritik sind bei Politikern weiter zu ziehen als bei Privatpersonen, und

       zwar im Interesse einer freien politischen Diskussion; die Freiheitlichen gefährden

       mit ihrer Klagspraxis dieses Grundrecht.

    - Forderung: Explizite Verankerung dieser Grundsätze nach der Rechtsprechung des

      Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Medienrecht.

 

• Beisitzer in Medienprozessen

 

    - Bei Medienprozessen sollen - entsprechend dem Muster der Arbeits -  und

       Sozialgerichte - Beisitzer zugezogen werden, von denen je einer aus dem Kreis der

       Journalisten und aus dem Kreis von Privaten (Medien, Konsumenten) stammt. Die

       Auswahl erfolgt nach dem Zufallsprinzip, ähnlich wie bei Schöffen.

 

• Ausbau des Schadenersatzes

 

     - Die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des Medienrechtes sollen für den Fall

        der Verletzung der Rechte von Privaten ausgebaut werden, insbesondere wenn nur

        ideeller Schaden entsteht.

 

4.Einrichtungen zur Selbstkontrolle der Medien

 

• Ausarbeitung eines „Code of Conduct“ durch Journalistenkongress bzw. sonstige

   Angehörige des Medienbereichs.

 

• Aufwertung des Presserates

 

• Mechanismus zur Durchsetzung der Regeln des „Code of Conduct“ (eventuell

   Bindung an Presseförderung)

 

• Einrichtung von innerbetrieblichen Kontrolleinrichtungen

 

    - Sicherung der Unabhängigkeit der Berichterstattung nach dem Muster der BBC.

 

    - Freiwillige Einrichtung von unabhängigen Beiräten, die innerhalb der Redaktionen

       über die Einhaltung der Regeln eines unabhängigen Journalisten wachen.

 

5. Reform der Presseförderung

 

• Ausbau der Presseförderung

 

    - Die Presseförderung soll zu einer allgemeinen Medienförderung ausgebaut werden.

 

    - Gilt auch für: Freie Radios, Anbieter von Internetprodukten, Plattformen für

       Privatfernsehen usw.

• Reform im Sinne des Dreisäulenmodells nach dem ,,Prognos“ - Gutachten

 

    - Vertriebsförderung

    - Operative Presseförderung

    - Innovations -  und Strukturförderung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss