552/A XXI.GP

Eingelangt am: 23.11.2001

 

 


Antrag

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Cap

und GenossInnen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXI. Gesetzgebungsperiode des

Nationalrates vorzeitig beendet wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz vom ..., mit dem die XXI. Gesetzgebungsperiode des
Nationalrates vorzeitig beendet wird.

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Der Nationalrat wird gem. Art. 29 Abs. 2 B-VG vor Ablauf der XXI.
Gesetzgebungsperiode aufgelöst.

Artikel II

Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesregierung betraut.


Begründung:

Die österreichische Wirtschaft schlittert gegenwärtig in eine tiefe Rezession.
Nach Berechnungen des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung
wird das reale Bruttoinlandsprodukt zumindest in diesem und im folgenden
Quartal gegenüber dem Vorjahr schrumpfen. Das gesamte Wachstum wird
heuer höchstens l % betragen. Der Zuwachs der privaten Konsumausgaben
geht deutlich zurück, die Bruttoanlageinvestitionen sinken, die Zahl der
Arbeitslosen steigt dramatisch an (im kommenden Winter wird die Zahl der
Arbeitslosen um 35.000 höher liegen als im Vorjahr) und die Inflationsrate
erreicht Rekordniveau.

Während die Bundesregierung sich auf die internationale wirtschaftliche
Entwicklung herausreden und den Konjunktureinbruch verdrängen will, zeigen
die Analysen der Wirtschaftsforscher eindeutig, dass die österreichische
Rezession überwiegend hausgemacht ist. Wäre die Rezession vorwiegend durch
den internationalen Wirtschaftseinbruch verursacht, dann müsste man diesen
Einfluss an der Entwicklung der österreichischen Exporte erkennen können.
Die Exporte steigen aber heuer real um 4,5 % und wachsen daher wesentlich
rascher als die privaten Konsumausgaben, während die Investitionen sogar
sinken. Der tiefe Einbruch bei den Bauinvestitionen (2. Quartal 2001: real - 5,5
%) und die Halbierung des Wachstums des privaten Konsums zeigen, dass die
Rezession das Ergebnis der extrem restriktiven Budget- und Wirtschaftspolitik
ist. Dazu kommt, dass alle relevanten österreichischen Wirtschaftsdaten
erstmals schlechter als im Durchschnitt der EU sind. Das Herbstgutachten der
Europäischen Kommission zeigt, dass Österreich Schlusslicht bei der
Schaffung neuer Arbeitsplätze und Spitzenreiter beim Nettoverlust von
Arbeitsplätzen ist.

Entgegen den Ankündigungen in ihrem Regierungsprogramm („ausgabenseitige
Budgetkonsolidierung") hat die blau-schwarze Koalition ihr einziges
wirtschaftspolitisches Ziel - das gesamtstaatliche „Null-Defizit" - überwiegend
durch drastische Steuererhöhungen, Einmaleffekte und Budgettricks erreicht.
Die EU-Kommission hat nachgewiesen, dass die Bundesregierung durch


einnahmenseitige Maßnahmen das Steuerniveau allein heuer um ca. 50 Mrd.
ATS angehoben hat. Die Steuer- und Abgabenquote in Österreich (die 1997 bis
1999 rückläufig war) steigt allein in einem Jahr von 43,5 % (2000) auf den
historischen Höchstwert von 45,6 % (2001). Diese drastische
Einnahmen Steigerung führt zu spürbaren Realeinkommensverlusten für die
große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung.

Zu diesem globalen restriktiven Effekt kommen die negativen
Umverteilungswirkungen der Budgetpolitik der blau-schwarzen
Bundesregierung, die die Konsummöglichkeiten der Österreicher und damit die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter verschlechtern. Die
Belastungsmaßnahmen treffen in erster Linie die unteren und mittleren
Einkommensschichten, die weniger sparen können als obere
Einkommensschichten. Durch die Belastungspakete - von der Erhöhung
indirekter Steuern über den Sozialabbau bis zur Einführung von
Studiengebühren - verlieren die Arbeitnehmer heuer ca. 33 Mrd. ATS, im
nächsten Jahr 37 Mrd. ATS und 2003 40 Mrd. ATS.

Trotz der unübersehbaren negativen Auswirkungen ihrer restriktiven
Budgetpolitik, die sämtliche sozial- und wirtschaftspolitische Ziele dem PR-Gag
„Null-Defizit" unterordnet, ist die Regierung nicht bereit, ihren verhängnisvollen
Kurs aufzugeben. Da sie ihre Budgetziele - abgesehen von den enormen
Steuererhöhungen - überwiegend durch Einmaleffekte erreicht, wird die blau-
schwarze Bundesregierung zu zusätzlichen restriktiven Maßnahmen greifen
müssen, die den Sozialstaat und die Finanzierungsbasis der Pensionen weiter
gefährden werden. Die Null-Defizit-Politik führt nicht nur zu Null-Wachstum
der Wirtschaft, sondern zur Unfinanzierbarkeit des österreichischen
Sozialstaats.

Daher fordert die Sozialdemokratie die sofortige Realisierung eines
umfassenden Wachstumsprogrammes, um die Rezession zu bekämpfen
und Beschäftigung, Wohlstand und Zukunftschancen für alle
Österreicherinnen und Österreicher zu sichern.


Dieses Wachstumsprogramm soll

•    durch eine Steuersenkung für die unteren und mittleren

Einkommensbezieher (Erhöhung der Absetzbeträge und der „Negativsteuer")
Inlandsnachfrage sichern,

•    durch eine Verbesserung der Investitionsstruktur (Schwerpunktsetzung
Innovation) den Strukturwandel begünstigen,

•    durch ein Infrastrukturpaket den heimischen Betrieben Aufträge und damit
den Beschäftigten Arbeit und Einkommen geben,

•    durch eine breite Bildungsoffensive unsere Zukunftschancen wahren,

•    durch einen Stopp des Ausverkaufs unserer Industrie-Flaggschiffe an
ausländische Anleger, österreichische Headquarters, österreichische
Handlungsspielräume und den heimischen Klein- und Mittelbetrieben damit
ihre Aufträge sichern,

•    durch die Verstärkung aktiver Arbeitsmarktprogramme Sicherheit und

Flexibilität vereinen und den Menschen Chancen auf Beschäftigung wahren,

•    durch die Wiedereinführung des Investitionsfreibetrages in der Höhe von 9
% Zukunftsinvestitionen und damit Beschäftigung in den Betrieben
anregen,

•    durch Intensivierung der Vorbereitungsarbeiten für die EU-Erweiterung
zukünftige Wachstumschancen für Österreich nützen und

•    durch die Einrichtung eines Liquiditätsfonds die Klein- und

Familienbetriebe bei ihren notwendigen Investitionen unterstützen.

Im Gegensatz dazu vermindert die Bundesregierung durch eine völlig verfehlte
Privatisierungspolitik die zukünftigen Wachstumschancen der österreichischen
Wirtschaft. Große österreichische Industriebetriebe wurden zu
Schlussverkaufspreisen an ausländische Anleger verschleudert, dilettantisch
durchgeführte Börsegänge haben zehntausende österreichische Anleger
finanziell geschädigt. Aus den ehemaligen Flaggschiffen der österreichischen
Industrie werden verlängerte Werkbänke ausländischer Konzerne, was zu
weniger Investitionen in Forschung und Entwicklung und weniger


hochqualifiziertem Personal führen muss.

Die völlig verfehlte Budget- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, deren
Ziel nicht die Wohlfahrtssteigerung für alle Österreicher, sondern die
größtmögliche Umverteilung von unten nach oben darstellt, gefährdet in
unverantwortlicher Weise die Grundlagen des österreichischen
Wohlfahrtsstaates. Die Zurückdrängung der österreichischen Kernaktionäre im
industriellen Bereich, die Verringerung der Infrastrukturinvestitionen, die
drastische Senkung der Zahl der Studierenden als Folge der Studiengebühren,
die Senkung der Ausgaben für Bildung und Weiterbildung verringern das
mittelfristige Wachstumspotential der österreichischen Wirtschaft und die
zukünftigen Beschäftigungs- und Einkommenschancen der österreichischen
Bevölkerung.

Aber auch das Modell des österreichischen Sozialstaates mit seinem
solidarischen Lastenausgleich zwischen Reich und Arm, Gesund und Krank
wird von dieser Regierung in seinen Grundfesten erschüttert. Durch die
Maßnahmen der Bundesregierung droht es zu einer Zwei-Klassen-Medizin zu
kommen. Das bewährte Gesundheitssystem Österreichs, das hohes
internationales Ansehen genießt, wird damit insgesamt in Frage gestellt und die
Krankenkassen werden in ein finanzielles Desaster geführt. Neueste Gutachten
ergeben einen jährlichen Abgang von über 3,7 Mrd. ATS.

Doppelt getroffen werden Österreichs Pensionisten, die nicht nur höhere
Leistungen für die Gesundheitsversorgung zu erbringen haben, sondern auch
noch mit Pensions"erhöhungen" deutlich unter der Inflationsrate abgespeist
werden.

Ein besonderer Akt der Ungerechtigkeit stellt das Vorhaben der
Bundesregierung dar, Beamten einen Pensionsantritt mit 55 Jahren und 80
Prozent ihres Letztbezuges zu ermöglichen, andere Bevölkerungsgruppen
jedoch einen Pensionsantritt mit 65 zuzumuten und mit hohen
Pensionsabschlägen zu bedrohen. Auch hier wird der Grundsatz der
Gleichbehandlung von der Regierung auf das schwerste verletzt.


Aber nicht nur im Bereich der Wirtschafts-, Gesundheits- und Sozialpolitik
zeigen sich die verhängnisvollen Auswirkungen der Regierungspolitik, auch in
anderen Politikbereichen gefährdet die chaotisch agierende Bundesregierung
die fundamentalen Interessen der Österreicher.

Bei den ungelösten Sicherheitsproblemen des tschechischen AKW Temelin ist
die Bundesregierung hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise vor allem aber
hinsichtlich der Frage der Sinnhaftigkeit eines Vetos gegen den Beitritt der
tschechischen Republik völlig uneinheitlicher Meinung. Während die FPÖ mit
einem Veto droht, lehnen Teile der ÖVP das Veto ab. Bundesminister Molterer
drängt, den Melker Prozeß und die Verhandlungen über das Energiekapitel
rasch abzuschließen, gewichtige Landeshauptleute der ÖVP hingegen
sympathisieren mehr oder weniger offen mit der Vetodrohung. Die
Distanzierung des Bundeskanzlers von der "Vetokeule" wird dadurch in Frage
gestellt. Erfolgreiche Verhandlungen mit der tschechischen Republik über eine
Lösung der Sicherheitsprobleme Temelins werden durch die permanenten
Vetodrohungen der FPÖ, die einem Mißtrauen gegenüber den verhandelnden
VP-Regierungsmitgliedern gleichkommen, erschwert, wenn nicht
verunmöglicht. Das legitime Sicherheitsbedürfnis der österreichischen
Bevölkerung droht dabei auf der Strecke zu bleiben. Zudem ist es der
österreichischen Bundesregierung nicht gelungen, bei den EU-Partnern
Unterstützung für Österreichs berechtigte Sicherheitsinteressen zu finden
geschweige denn einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie zu
forcieren.

Ebenso wie bei Temelin wird nun auch bei der Transitfrage von Teilen der
Regierungsparteien mit einem Veto gegen die EU-Erweiterung gedroht. Auch
hier wird versucht, durch Drohungen die eigene Säumigkeit, eine
Nachfolgelösung für den Transitvertrag zu verhandeln, vergessen zu machen.
Und so wie bei Temelin droht auch hier durch die Veto-Drohung eine
Schwächung der Verhandlungsposition Österreichs und kommt der Zeitpunkt
unaufhaltsam näher, wo Österreich sowohl in der Nord-Süd- als auch der Ost-
West-Richtung von einer Verkehrslawine überrollt zu werden droht.


Die historische Chance Österreichs bei der Erweiterung der EU eine zentrale
Rolle einzunehmen, wird von dieser Regierung nicht nur verspielt, sondern sie
gefährdet dieses auch friedenspolitisch wichtige Jahrhundertprojekt insgesamt.

Auch mit ihrem aufgeblähten, hochbezahlten und ständig fluktuierendem
Mitarbeiterstab gelingt es dieser Regierung nicht, professionell zu agieren. Zur
gesamtwirtschaftlichen Verschwendung durch die Vernichtung von
Wachstums- und Beschäftigungschancen kommt damit die Verschwendung im
Bereich der öffentlichen Verwaltung hinzu, die durch die chaotische Politik
ausgelöst wird.

Aus all diesen angeführten Gründen muss so rasch wie möglich ein
grundlegender Wandel in der Politik herbeigeführt werden, was nur durch
rasche Neuwahlen zu verwirklichen ist.

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss