570/A/E XXI.GP

Eingelangt am: 12.12.2001

 

 


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Freundinnen und Freunde

betreffend Rücknahme der im Sinne der Verkehrssicherheit untragbaren
Neuregelung für Gefahrguttransporte in Straßentunneln

Am 16.11.2001 wurde die „Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und
Technologie über Beschränkungen für Beförderungseinheiten mit gefährlichen Gütern beim
Befahren von Autobahntunneln", BGBI.
II Nr. 395/2001 veröffentlicht; sie ist per 1.12.2001 in
Kraft getreten. Die bisherige Verordnung, die 1999 nach den Tunnelkatastrophen am
Montblanc und im Tauerntunnel entstand und trotz einzelner sachlicher Schwachstellen, zB
der ungeregelten Qualifikation von Begleitern, insgesamt ein großer Sicherheitsfortschritt
gegenüber der „Straßentunnelverordnung" aus 1987 war, ist im Gegenzug entfallen.

Die neue Verordnung versucht den vorhersehbar zulasten der Verkehrssicherheit
ausgehenden Spagat zwischen einzelnen inhaltlichen Verbesserungen und grundlegenden
Entschärfungen und Aushöhlungen der geltenden Regelung. Die Aufweichung steht zum Teil
im Zusammenhang mit einem von der EU-Kommission gegen Österreich angestrengten
Verfahren wegen behaupteter Binnenmarktbeeinträchtigung der bisherigen Verordnung, geht
jedoch wesentlich über diese EU-Forderungen hinaus. Insgesamt stellt die neue Verordnung
einen Freibrief für das erleichterte Befahren österreichischer Autobahntunnel mit
Gefahrguttransporten dar, im krassen Widerspruch zu zahlreichen Ankündigungen von BM
Forstinger, so nach der 3. Sitzung der Tunnelsicherheitskommission am 7.11. und bei ihrer
Jubiläums-Feier am 15.11., daß eine „strengere Regelung" käme.

Im Ergebnis steht zwei Verbesserungen, nämlich der Regelung der bisher ungeregelten
Qualifikation der Lenkerinnen von Begleitfahrzeugen und der Ausdehnung der Geltung von
Gegenverkehrstunneln auf alle Tunnel, eine lange Liste gravierender Verschlechterungen
und neuer Risken für die Verkehrssicherheit gegenüber. Unter anderem gilt nun anstelle der
bisher für alle Tunnel gleich strengen Regelung bis 1000m Länge gar keine eigene Regelung
mehr, von 1001-5000m Länge eine viel weniger strenge Regelung (nur mehr orange
Dachdrehleuchte muß eingeschaltet sein), erst ab 5001m gibt es eine Regelung inklusive
Begleitpflicht. Auch diese Regelung ist aber in der Substanz viel schwächer als bisher. So
entfällt die Anmeldepflicht bei der Tunnelwarte, die bisher der Tunnelwarte zu meldenden
Informationen über Beförderungsgut etc. müssen nun nur mehr beim Fahrpersonal im
Begleitfahrzeug vorliegen. Sollte dieses in einen Unfall verwickelt sein, herrscht daher
Informationsnotstand. Die Pflicht der Erlaubnis durch die Tunnelwarte entfällt. Die bisherige
Abstandsverpflichtung von mindestens 100m zum vorausfahrenden KfZ entfällt. Die gerade
in Gegenverkehrstunneln wichtige Absicherung des Gefahrguttransports nach vorne fehlt mit
Ausnahme des Drehlichts. Zu alledem kommt noch die den EU-Vorstellungen überschießend
entgegenkommende „Generalausnahme", wonach Gefahrguttransporte ohne Kennzeichnung
des konkreten Stoffes und der konkreten Gefährdung auch die Tunnel über 5000m Länge
ohne Begleitpflicht etc. befahren dürfen.


Die Neuregelung bringt somit massive Verschlechterungen in Sachen Verkehrssicherheit.
Einseitigen Vorteilen für die Transportwirtschaft stehen zusätzliche Risken für die
Verkehrsteilnehmer, die Tunnelerhalter und - im Fall eines Unfalls - die
Rettungsmannschaften gegenüber. Bei einem Unfall ist das Risiko massiv größer als bisher,
daß weniger oder nichts über die transportierten Güter und daher über die bestehenden
Gefahren bekannt ist. Die Verantwortung wird vom Nutznießer Transportunternehmer zum
schwächsten Glied der Kette, nämlich dem Lenker/der Lenkerin des Begleitfahrzeugs,
verlagert. In verkehrspolitischer Hinsicht wird eine weitere Verbilligung und Beschleunigung
für den Transport auf der Straße gegenüber der Schiene herbeigeführt. Die
„Generalausnahme" ist eine Einladung zum ungekennzeichneten Durchfahren.Und
schließlich entfällt mit der Abstandsregelung die Regelung eines Problems, dem sich die
Bundesregierung zugleich intensiv widmet - Ankauf von Abstandsmeßgeräten -, und die
andere von Tunnelsicherheitsfragen stark betroffene Staaten wie die Schweiz oder
Frankreich gerade einführen. Die Bedenken der Tunnelsicherheitskommission, die auch in
einer Resolution klar zum Ausdruck gebracht wurden, und vielfältige Kritik selbst aus der
Partei von BM Forstinger wurden ignoriert.

Die Verordnung ist ein Anschlag auf die Tunnelsicherheit im österreichischen Straßennetz
und schwächt die internationale Glaubwürdigkeit Österreichs in dieser Frage massiv. Sie
muß daher schnellstmöglich zurückgezogen und durch eine geeignetere Regelung ersetzt
werden. Die Sicherheit des Lebens, der Gesundheit und der Lebensgrundlagen muß weit
über wirtschaftlichen Einzelinteressen stehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die
aus dem Blickwinkel der Verkehrssicherheit völlig unzureichende „Verordnung über
Beschränkungen für Beförderungseinheiten mit gefährlichen Gütern beim Befahren
von Autobahntunneln", BGBI.
II Nr. 395/2001, umgehend zurückzuziehen und durch
eine Verordnung zu ersetzen, die nicht nur einzelnen Sicherheitserfordernissen
nachkommt und die der unter anderem in der Tunnelsicherheitskommission und von
den Autofahrerorganisationen artikulierten Kritik gerecht wird.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuß vorgeschlagen.