646/AE XXI.GP
Eingelangt am: 21.03.2002
gemäß §§ 74a Abs.1 iVm 93 Abs.1 GOG-NR
der Abgeordneten Dr. Krüger, Ellmauer
und Kollegen
an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten
betreffend Verbesserung des rechtlichen
Status von Angehörigen der Exekutive und
Zivilpersonen im
Rahmen von UN-Missionen
Seit vielen Jahren unterstützt Österreich
friedensstiftende, friedenssichernde und
humanitäre Aktionen der Vereinten Nationen. Tausende österreichische
Soldaten haben
im Rahmen dieser Einsätze
eine wichtige Rolle gespielt. In diesen Einsätzen werden in
letzter Zeit immer
häufiger Angehörige der Exekutive, aber auch Lehrer und andere
Beamte eingesetzt.
Der Dienst im Rahmen von UN-Einsätzen ist eine schwierige und
gefährliche
Aufgabe, die für
die betroffenen Personen eine besondere Herausforderung darstellt,
weil sie in einer
fremden Umgebung, konfrontiert mit unbekannten kulturellen
Gegebenheiten, ihren
verantwortungsvollen Dienst versehen müssen. In dieser Situation
müssen sich die
Beamten darauf verlassen können, dass die Rahmenbedingungen ihres
Einsatzes in ihrem Interesse klar geregelt sind und sie nicht mit
zusätzlichen Gefahren
rechnen müssen.
So ist es besonders wichtig, dass sie nicht durch Willkür von
Behörden
bedroht sind, deren Handeln oft nicht einmal den Grundsätzen der
Europäischen
Menschenrechtskonvention entspricht. Eine solche Absicherung soll und kann
nicht
bedeuten, dass die Beamten für den Fall eines Fehlverhaltens nicht zur
Verantwortung
gezogen werden
können: sie sind als Österreicher in jedem Fall der
österreichischen
Gerichtsbarkeit
unterworfen und müssen schon auf Grund des strafrechtlichen
Offizialprinzips in Österreich auch tatsächlich verfolgt werden.
Soldaten unterstehen auch bei UN-Einsätzen normalerweise
weiterhin der
Strafgerichtsbarkeit ihres Heimatstaates; dies wird im sogenannten
Truppenstatusabkommen (Status of Forces-Agreements) festgelegt; bei
Angehörigen der
Exekutive sowie bei
Zivilpersonen ist dies derzeit nicht der Fall.
Zivilpersonen haben meist nur sogenannte „funktionelle"
Immunität, also nur
Immunität für Handlungen, die sie in Wahrnehmung ihrer offiziellen
Aufgaben gesetzt
haben, während Soldaten auch Immunität für alle Handlungen
„absolute" Immunität
genießen
können.
Auf die Immunität von Angehörigen der Exekutive kann der
Generalsekretär der
Vereinten Nationen ohne Konsultation und Zustimmung des Entsendestaats
verzichten,
bei Soldaten hingegen entscheidet allein der Entsendestaat über einen
allfälligen
Verzicht auf die Ausübung seiner Gerichtsbarkeit und eine Unterstellung
unter die lokale
Gerichtsbarkeit.
Die österreichische Beteiligung an internationalen
Friedensoperationen beruht auf
dem Prinzip der Freiwilligkeit. Wenn der Rechtsschutz und die gesundheitliche
Betreuung der österreichischen Teilnehmer an diesen Missionen nicht
garantiert wäre,
bestünde die Gefahr, dass sich nicht mehr genügend
österreichische Freiwillige für
derartige internationale Einsätze finden. Damit wäre Österreichs
Engagement im
Rahmen der Friedensmaßnahmen der Vereinten Nationen ernsthaft
gefährdet. Es ist
daher notwendig, den im Rahmen von UN-Einsätzen tätigen
Österreichern unabhängig
von ihrem dienstrechtlichen Status in Österreich volle Immunität zu
garantieren. Wenn
nämlich auch nur
die Möglichkeit der Aufhebung der Immunität durch die Vereinten
Nationen besteht, werden von lokalen Behörden ohne eine
diesbezügliche Anfrage
vorzunehmen, in Verletzung der bestehenden Immunität unzulässige
freiheitsbeschränkende Maßnahmen ergriffen, wie der konkrete Fall
zeigt:
Am 26. Februar 2002 wurde der österreichische Polizist Martin
A. im UNO-Einsatz
im Kosovo beschuldigt, beim Verhör eines Kosovo-Albaners, der im Verdacht
schwerer
Gewalttaten steht,
Übergriffe begangen zu haben. Martin A. wurde zuerst am
Vormittag des 26.
Februar von UNMIK-Polizisten festgenommen, um nur wenige
Minuten später wieder freigesetzt zu werden. Er wurde nicht über den
Grund dieser
kurzfristigen
Festnahme unterrichtet, sondern nur instruiert, seinen Aufenthaltsort nicht
zu verlassen. Am Abend
des 26. Februar wurde vom UNMIK-Polizeikommandanten von
Prizren die weitere Festnahme von Martin A. unter Berufung auf Art. 190 des
jugoslawischen Strafgesetzbuches verfügt. Nach den einschlägigen
Bestimmungen über
den rechtlichen Status von UNMIK-Angehörigen (UNMIK Regulation no. 2000/47
vom
18. August 2000 über den Status, die Privilegien und Immunitäten der
KFOR und der
UNMIK) waren diese Festnahmen unrechtmäßig und damit rechtlich
unwirksam, da die
Immunität,
über die der Beamte Martin A. als UNMIK-Polizist verfügte, zum
Zeitpunkt
der Festnahme nicht aufgehoben war.
Das Bundesministerium für Inneres ersuchte am 27. Februar um
Repatriierung des
Polizisten Martin A.,
wobei seitens Österreich garantiert wurde, dass die Vorwürfe
gegen den Beamten geprüft werden, um in Österreich ein entsprechendes
strafrechtliches und disziplinarrechtliches Verfahren einzuleiten. Unterdessen
verschlechterte sich
der Gesundheitszustand des Beamten rapide, was auch von zwei
Ärzten der UNMIK
bestätigt wurde. Am Abend des 27. Februar wurde Martin A. in das
Feldhospital der KFOR
in Suvar-Reka überstellt und am Morgen des 28. Februar wurde
Martin A. mitgeteilt,
dass er nicht mehr länger unter (dem rechtlich unwirksamen) Arrest
stehe. Aufgrund der weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes, der
mittlerweile eingetretenen lebensbedrohenden Situation im Kosovo sowie im
Hinblick
auf die gravierenden
Verfahrensmängel der UNMIK gegen den österreichischen
Polizisten Martin A. wurde dann auf Ersuchen des Bundesministeriums für
Inneres im
Einvernehmen mit dem
Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten die
unverzügliche Repatriierung des Beamten vorgenommen.
Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten hat
in dieser
Angelegenheit eine einvernehmliche Vorgangsweise mit den Instanzen der
Vereinten
Nationen angestrebt und insbesondere die Einsetzung einer unabhängigen UN-
Untersuchungskommission
verlangt. Mittlerweile wurde dem Generalsekretär der
Vereinten Nationen
auch eine Sachverhaltsdarstellung über die unrechtmäßige
Vorgangsweise der UNMIK-Behörden gegenüber dem österreichischen
Beamten Martin
A.
übermittelt.
Der
Fall des österreichischen UN-Polizisten Martin A. hat somit aufgezeigt,
dass
Angehörige der Exekutive und Zivilpersonen, die im Ausland im Rahmen von
UN-
Missionen zum Einsatz kommen, aufgrund der für sie geltenden rechtlichen
Regelungen
der Gefahr ausgesetzt
sind, der lokalen Strafgerichtsbarkeit unterworfen zu werden. Das
bedeutet, dass
Polizisten im internationalen Einsatz jederzeit damit rechnen müssen,
lokalen Kräften und Institutionen ausgeliefert zu sein, die durchaus auch
in einem
Konflikt- oder Spannungsverhältnis zu den internationalen Einheiten stehen
können und
deren Standards nicht
jenen des Entsendelandes entsprechen.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
DRINGLICHEN ANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„1.
Der Nationalrat begrüßt die von der Bundesministerin für
auswärtige
Angelegenheiten eingeleiteten Bemühungen, eine Verbesserung des
Immunitätsschutzes von Angehörigen der Exekutive im UN-Einsatz zu
erreichen
und ersucht sie, im
Lichte der Erfahrungen des Falls von Martin A. alle erforderlichen
Schritte zur Verbesserung der rechtlichen Situation von Angehörigen der
Exekutive
und von Zivilpersonen
durch Angleichung deren immunitätsrechtlicher Stellung an
jene von Soldaten im
UN-Einsatz zu setzen.
2. Die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten wird ferner ersucht, im
Rahmen der
Europäischen Union dafür einzutreten, dass ein gemeinsames
Abkommen der
EU-Staaten mit den Vereinten Nationen zum höchstmöglichen
Schutz aller
Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen aus EU-Staaten im Rahmen
von internationalen
UN-Einsätzen getroffen wird.
3. Die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten wird schließlich ersucht, an
den Generalsekretär der Vereinten Nationen mit dem dringenden Wunsch
Österreichs heranzutreten, eine bis zum Inkrafttreten einer gemeinsamen
Regelung
für alle EU-Staaten geltende Vereinbarung über die Entsendung
österreichischer
Einheiten im Rahmen von UN-Missionen zu treffen, mit der der bestmögliche
Schutz
aller Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im friedenserhaltenden,
friedenssichernden und humanitären Einsatz im Falle des Vorwurfes
strafbarer
Handlungen garantiert
wird."
Die unterfertigten Abgeordneten verlangen, diesen Antrag
gemäß §§ 74a Abs. 1 in
Verbindung mit 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner
Gelegenheit zur Begründung zu geben.