655/A XXI.GP

Eingelangt am: 17.04.2002

ANTRAG

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung geändert wird


Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Strafprozessordnung, BGBI. Nr. 631/1975, in der letztgültigen Fassung wird wie
folgt abgeändert:

1.     § 393a Abs. 1 lautet neu wie folgt:

"(1) Wird ein nicht lediglich auf Grund einer Privatanklage oder der Anklage eines
Privatbeteiligten (§ 48) Angeklagter freigesprochen und das Strafverfahren nach
Durchführung einer Hauptverhandlung gemäß § 227 oder nach einer gemäß den §§
353, 362 oder 363a erfolgten Wiederaufnahme oder Erneuerung des
Strafverfahrens eingestellt, so hat ihm der Bund auf Antrag alle Kosten der
Verteidigung und der Vertretung zu ersetzen."

2.     Nach Abs. 1 werden folgende neue Abs. 1a und Abs. 1b eingefügt:
"(1a) Bei der Bemessung der Gebühren ist zu prüfen, ob die vorgenommenen
Vertretungshandlungen notwendig waren oder sonst nach der Beschaffenheit des
Falles gerechtfertigt sind.

(1b) Für die Entlohnung solcher Leistungen der in der Verteidigerliste eingetragenen
Vertreter, die eine durchschnittliche Bewertung zulassen, kann das
Bundesministerium für Justiz einen Tarif aufstellen. Der Tarif kann örtlich
verschieden sein."

3. In Abs. 2 letzter Teilsatz entfällt die Wendung "Z 1, 2 oder 3".


Begründung:

Mit einer Änderung des Gehaltsgesetzes will die Bundesregierung die rechtliche
Grundlage für den Abschluss einer Gruppenrechtsschutzversicherung für
Beamtinnen des Exekutivdienstes schaffen. Die Versicherung soll die Kosten für die
Verteidigung von Exekutivbeamtlnnenen übernehmen, wenn gegen diese Anzeigen
aufgrund des Verdachts einer in Ausübung des Dienstes begangenen strafbaren
Handlung erstattet wurde, wobei die Versicherungsleistung den Erläuterungen
zufolge nur dann gebühren wird, wenn die Anzeige von der Staatsanwaltschaft
zurückgelegt, das strafgerichtliche Verfahren eingestellt oder die
Exekutivbeamtinnen freigesprochen wurden. Begründet wird die Gesetzesänderung
damit, dass es aus der Fürsorgepflicht des Dienstgebers heraus nicht vertretbar und
aus wirtschaftlichen Gründen auch den Exekutivbeamtinnen nicht zumutbar ist, dass
sie die Auslagen für eine Rechtsverteidigung gegen ungerechtfertigte Anzeigen
selbst tragen.

Die in diesem Gesetzesvorschlag angesprochene Problematik betrifft aber nicht nur
Exekutivbeamtinnen, sondern die gesamte Bevölkerung. Jedem Menschen kann es
widerfahren, unschuldig in ein Strafverfahren involviert zu werden. Aufgrund des
unzureichenden Kostenbeitrags nach der derzeitigen Regelung in § 393a StPO
werden unschuldige Personen, deren Strafverfahren mit Zurücklegung der Anzeige
gemäß § 90 StPO, Einstellung oder Freispruch endet, letztlich durch beträchtliche
Verteidigerinnenkosten und Aufwendungen belastet.

Diese Belastungen können je nach Umfang des Verfahrens (insbesondere im
Schöffen- und Geschworenengerichtsverfahren) mehrere € 10.000,-- betragen. Der
Kostenersatz hingegen ist abhängig von der Verfahrensart gesetzlich limitiert: die
Bandbreite reicht von € 364,-- im bezirksgerichtlichen Verfahren bis zu € 4.361,-- im
Verfahren vorm Geschworenengericht. In der Praxis werden diese sehr niedrigen
Maximalbeträge nur äußerst restriktiv zugesprochen. Bei einfachen
Verteidigungsfällen werden als "Einstieg" etwa nur zehn Prozent des jeweiligen
Pauschalbetrages zugesprochen.

Mit der unzureichenden Regelung des derzeitigen § 393a StPO werden die
Betroffenen letztlich doch noch "bestraft", indem sie auf dem Großteil der
Verteidigungskosten "sitzen" gelassen werden. Es sind nicht wenige Fälle, in denen
das eingeleitete Strafverfahren neben dem persönlichen beruflichen Ruin des
Unschuldigen auch die Familie, die alles "zusammengekratzt" hat, um die
Verteidigung zu finanzieren, wirtschaftlichen schwerste Mitleidenschaft gezogen
wird.

Die geltende Regelung führt zu einem Rechtsschutzdefizit. Dabei ist auch zu
bedenken, dass Art. 6 MRK ein Recht auf eine Verteidigerin menschenrechtlich
verankert, welches durch die unzureichenden Pauschalkostenbeiträge nach § 393a
StPO tendenziell gefährdet ist.

Die restriktive Praxis der Gerichte zum Ersatz der Verteidigerinnenkosten bei einem
Freispruch steht in einem Spannungsverhältnis zur österreichischen Verfassung und
Menschenrechtskonvention, wenn nicht einmal die für die Vertretung in der
Hauptverhandlung und die Ausführung eines Rechtsmittels nach den Allgemeinen


Honorarrichtlinien der Rechtsanwaltskammer (AHR) vorgesehenen Kosten erstattet
werden. Doch auch bei der Beurteilung der darüber hinausgehenden Kosten sollten
das Grundrecht auf Verteidigung extensiv verstanden werden und lediglich völlig
aussichtslose bzw. das Verfahren verzögernde Leistungen von der Rückerstattung
ausgeschlossen sein. Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und der Rechtskultur
soll auf die derzeitigen Höchstbeiträge verzichtet werden und der volle Ersatz der
Verteidigerkosten im Falle eines Freispruchs gewährt werden.

Mit ihrer Gesetzesinitiative zur Einführung einer Gruppenrechtsschutzversicherung
hat die Bundesregierung verkannt, dass sie nicht nur als Dienstgeberin eine
Verpflichtung für einen Teil der BeamtInnenschaft, sondern eine Schutzpflicht für die
gesamte österreichische Bevölkerung hat. Diese Gesetzesinitiative führt zu einer
Diskriminierung der österreichischen Bevölkerung gegenüber der Polizei. Dies ist
mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 7 B-VG nicht vereinbar. Damit bringt die
Bundesregierung auch zum Ausdruck, dass ihr ein effektiver Rechtsschutz für
unschuldig angeklagte Menschen kein vordringliches Anliegen ist.

Als Alternative zum vollen Kostenersatz musste jedenfalls sicher gestellt werden,
dass durch eine erhebliche Anhebung der bisherigen Obergrenzen der
Pauschalbeiträge künftig zumindest ein größerer Anteil der typischen
Verteidigerleistungen ersetzt wird.

In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine 1. Lesung die Zuweisung an den
Justizausschuß vorgeschlagen.