661/AE XXI.GP
Eingelangt am: 17.04.2002
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Maier, Lackner, Beate Schasching
und Genossinnen
betreffend „Nahrungsergänzungsmittel"
Mit der Änderung des
Arzneimittelgesetzes, des Rezeptpflichtgesetzes, des
Apothekengesetzes, des Medizinproduktgesetzes und des Arzneibuchgesetzes im
Dezember 2001 sollte auch die
Bekämpfung von Doping im Sport sowie im Freizeit-
und Jugendbereich sowie im
sportnahen Bereich (Fitness- und Bodybuilding-Studios)
sichergestellt
werden.
Dies war
einerseits zu begrüßen, die konkrete Regelung war jedoch aus
mehreren
Gründen kritisch zu hinterfragen. Diese Kritik wurde nun durch eine
Untersuchung
des Austria Research Center bestätigt.
Nicht wenige Nahrungsergänzungsmittel
sind in Österreich bzw. weltweit u.a. mit
anabolen Steroiden - die allesamt auf der Antidopingliste des IOC stehen -
verunreinigt. Gesundheitliche
Risiken, aber auch eine positive Dopingprobe können
bei Einnahme solcher Nahrungsergänzungsmittel nicht ausgeschlossen werden.
Durch Mitarbeiterinnen des Austrian
Research Center wurden insgesamt 54
Produkte auf Verunreinigungen auf anabole Steroide untersucht, die unter dem
Namen „Prohormone" bekannt sind. Diese Substanzen waren am Etikett
der
Produkte nicht ausgewiesen!
Vorgenommen wurde eine chemische Analyse
(Doping) und eine toxikologische
Bewertung dieser Verzehrprodukte, die als Nahrungsergänzungsmittel auch in
Österreich erhältlich sind - sie werden in erster Linie als
Gesundheits- und
Sportnahrung gehandelt. Dieser Bericht wurde im Oktober 2001 an das
zuständige
Bundesministerium übermittelt.
Nicht zuletzt auf Grund der zunehmenden
Bedeutung des Sports in unserer
Gesellschaft als Teil eines gesundheitsorientierten Lebensstils gewinnt sog.
Sporternährung eine immer größere Bedeutung. Es gibt einen Boom
der
unterschiedlichsten Produkte von Nahrungsergänzungsmittel, die sich am
österreichischen Markt befinden, wobei diese über den
Sportfachhandel,
Sporternährungsfachgeschäfte, Fitnesscenter,
Drogeriefachgeschäfte, Internet und
Postfachfirmen und vertrieben werden, obwohl in Österreich dafür noch
immer das
Versandhandelsverbot
gilt.
Die vorliegende
Untersuchung hat die drei letztgenannten Vertriebswege allerdings
nicht berücksichtigt.
Amerikanische Wissenschaftler haben in
einer Studie darauf hingewiesen, dass
diese Produkte weder auf ihre Sicherheit noch auf ihre Wirkung
überprüft wurden
und die Produktion und Herstellung nicht den Qualitätsstandards der
Arzneimittelindustrie entspricht (z.B. Gute Laborpraxis bzw. Gute
Herstellungspraxis).
Diese Produkte enthalten
neben den am Etikett ausgewiesenen Inhaltstoffen auch
Spuren bis größeren Mengen an anderen Stoffen, die sich entweder
durch
unkontrollierte
Produktionsprozesse in den Produkten wiederfinden oder bewusst -
aber nicht etikettiert - verarbeitet wurden.
Unter anderem handelt sich dabei um
anabole Steroide - rezeptpflichtige hormonell
aktive Substanzen, wie zum Beispiel Testosteron oder DHEA.
Es kann somit beim
Kaufeines solchen Produkts nicht von einer
gesundheitlichen
Unbedenklichkeit ausgegangen werden. Weiters kann ein
Athlet,
der diese im Sport erlaubten Produkte zu sich nimmt, durch Anabolika-
Kontaminationen
ein dopingpositives Ergebnis beim Dopingtest aufweisen.
Nach einer Untersuchung des
Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hätte die
Einnahme von 94 der 634 getesteten Nahrungsergänzungsmittel zu positiven
Dopingtests geführt. Dieses Ergebnis hat die Medizinische Kommission des
IOC am
04.04.02 in einer
Pressemitteilung zu einer Warnung an die Spitzenathleten
veranlasst. „Nach den Regeln der Olympischen Bewegung sind die Athleten
strikt
verantwortlich dafür, welche Substanzen in ihren Körpern gefunden
werden", heißt
es in
der Erklärung.
Die vom Kölner
Antidoping-Labor vorgenommenen Untersuchungen der 634
Nahrungsergänzungsmittel von 215 verschiedenen Anbietern in 13
Ländern
erstreckten sich vom Oktober 2000 bis zum November 2001. 91 Prozent der
Produkte wurden in Geschäften und über Internet angeboten, der Rest
direkt vom
Produzenten. 94 oder 14,8 Prozent der Nahrungsergänzungsmittel waren
verunreinigt, 23 davon enthielten Spuren von Nandrolon und Testosteron, 64
lediglich Testosteron und 7 allein Nandrolon.
International wie national
sind daher auf Grund dieser gesundheits- wie auch
dopingrelevanten Aspekte systematische Kontrollen der am Markt befindlichen
Produkte notwendig um das Ausmaß der kontaminierten Produkte und das
Risiko
abschätzen zu können.
Ergebnisse Österreich
•
Diese Verzehrprodukte wurden in Sporternährungsfachgeschäften und in
Apotheken gekauft, darüber hinaus wurden drei Produkte vom
Österreichischen
Verband für Kraftdreikampf zur Verfügung gestellt (nicht eingekauft
wurden
derartige Produkte in Fitnesscenter, Internet oder über Postfachfirmen).
•
Daher kann die vorliegende Untersuchung nicht für sich in Anspruch nehmen,
eine umfassende und systematische Qualitätskontrolle der am
österreichischen
Markt befindlichen Produkte sowie eine Bewertung des toxikologischen Risikos
beim widmungsgemäßen Verzehr dieser Produkte vorgenommen zu haben.
Einige konsumentenpolitisch bedenkliche Vertriebswege wurden dabei absolut
außer
Acht gelassen.
•
Untersucht wurden auch Steroide vom „Testosterontyp" und
„Nandrolontyp". Alle
Substanzen auf die getestet wurde stehen auf der Dopingliste des IOC in der
aktuellen
Version vom 1.9.2001.
•
In zwölf Produkten (22% aller untersuchten Produkte) konnte zumindest ein
Steroide nachgewiesen werden (in einem Fall wurden sogar vier verschiedene
Steroide festgestellt und
quantifiziert.
Die in den Apotheken
gekauften Proben waren alle negativ. Bei den Produkten
aus Sporternährungsfachgeschäften wurden ca. 20% positive Proben
gefunden.
Die drei Proben des Kraftdreikampfverbandes waren zu 100% positiv.
•
In zwölf Verzehrprodukten wurden insgesamt fünf anabole Steroide in
sehr
unterschiedlich hohen Konzentrationen gefunden. Dabei wurde versucht, das
Risiko einer toxischen Wirkung durch Einnahme der Steroide zu bewerten
(Analogieschlüsse auf Untersuchungsergebnisse in anderen Steroide und auch
mit Hilfe der bereits
erfolgten Bewertung eines der Steroide [DHEA] in einem
zugelassenen
Arzneimittel).
• Eine dieser Proben enthielt das Steroide DHEA in einer relativ hohen
Konzentration. Die
Steroidedosierung des Konsumenten des Verzehrproduktes
hängt damit vergleichsweise über der des zugelassenem Arzneimittel
„Gynodian
Depot - Spritzampullen). Gegenüber der Arzneimittelbehörde
müssen außerdem
strengere Maßstäbe bei der Risikobewertung des Verzehrproduktes
angelegt
werden, da es 1. für Verzehrprodukte keine medizinische Indikation (und
kein
Nutzen) gegeben ist und 2. die Einnahme wissentlich nicht nur von Männern
sondern auch von Frauen im gebärfähigen Alter erfolgen kann.
Wie aus der Fachinformation vom „Gynodian Depot-Spritzampullen"
hervorgeht,
ist Schwangerschaft eine Gegenanzeige für das Arzneimittel.
Bei
den Produkten Speed Creatin Kautabletten der Firma All Stars, sowie
Triplex Zell Maximizer der Firma All Stars befanden sich jedoch Mengen an
Nandrolontyp Steroiden in den untersuchten Proben, die bei einem Dopingtest
zu einem positiven Dopingbefund führen würden. Für
Spitzensportlerinnen mit
katastrophalen
Auswirkungen.
Wie in der ORF-Sendung
„Report" vom 9. April 2002 ersichtlich wurde, befanden sich
diese mit anabolen Steroiden verunreinigten Produkte weiterhin im Handel - sie
wurden demnach nicht aus dem Verkehr gezogen. Es gab auch keine
öffentliche
Information und Warnung gegenüber Sportlerinnen, Vereine und
Verbände.
Dazu kommt noch, dass das Anabolikaproblem
generell unterschätzt wird. In der
Bundesrepublik haben Experten bereits vor Monaten Alarm geschlagen. Laut einer
deutschen Studie nimmt jeder 5. Sportler (der regelmäßig in einem
Fitnessstudio
trainiert) Anabolika zur Leistungssteigerung. Das Problem: nur die wenigsten
wissen
über die fatalen Nebenwirkungen bescheid. Gerade auch aus diesem Grund
muss
das Verbot des Arzneimittelversandes aufrecht erhalten werden.
Der Missbrauch von Anabolika und
ähnlichen Verbotenen Substanzen (siehe
Antidopingkonvention) muss nicht nur im Spitzensport sondern auch im Freizeit-
und
Breitensport mit den notwendigen staatlichen Mitteln bekämpft werden.
Die wenigsten Sportlerinnen, die derartige Anabolika oder ähnliches
einnehmen
wissen über die möglichen gesundheitlichen Probleme Bescheid. Bislang
dürften
viele, die bislang verbotener Weise Anabolika verwendet und vertrieben haben,
dies
lediglich als Kavaliersdelikt angesehen haben.
Illegale Einfuhr sowie
Internetbestellungen von Fitnessinstituten oder anderen
Vertreibern stellen derzeit die Hauptprobleme dar. Zahlreiche Homepages bieten
derartige illegale Präparate an, wobei Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen
werden
können. Herkunftsländer sind vorwiegend die USA, aber auch Spanien,
Niederlande
und Tschechien sowie die Slowakei. Gesendet wird aus dem Ausland oder nach
illegalen Importen aus dem Inland versendet, wobei als Versender sehr oft eine
„Postfachfirma"
auftritt. Damit werden unter anderem das Arzneiwareneinfuhrgesetz
aber auch das Rezeptpflichtgesetz sowie auch zollrechtliche Bestimmungen
umgangen.
Über die Zollfahndungen wurden Ende
Jänner in Ostösterreich zwei enormgroße
Anabolikalager ausgehoben. Dabei wurden illegale Arzneimittel
(Freizeitdopingmittel)
sichergestellt, die offenbar aus Tschechien stammten. Verantwortlich für
diesen
Aufgriff war wieder einmal die Zollfahndung, die über längere
Observationen diese
Mittel sicherstellen bzw. beschlagnahmen konnte. Dies illegalen Arzneien wurden
nicht nur in Österreich an Betreiber von Fitnessklubs oder Personen
verkauft
sondern über ganz Europa versandt (Verstoß gegen das
Versandhandelsverbot). Die
Anabolika wurden beispielsweise an Bodybilder in ganz Europa weiterverkauft.
Besonders bedenklich ist, dass in diesen
Skandal zwei Mitglieder der WEGA - einer
Spezialeinheit der Polizei - involviert waren. Zwischenzeitig sind die beiden
in den
Anabolikaschmuggel involvierten Polizisten vom Dienst suspendiert worden. Die
beiden WEGA-Beamten haben bereits gestanden, die verbotenen Präparate von
Tschechien nach Österreich geschleust zu haben. Die beiden Beamten
wurden
sofort vom Dienst suspendiert. Dies wird auch Gegenstand eines
Disziplinarverfahrens bzw. eines Strafverfahrens sein.
Die beiden
WEGA-Polizisten haben bereits gestanden, bei 16 Fahrten insgesamt 3
Tonnen Anabolika aus Tschechien nach Österreich eingeführt zu haben,
wobei der
Schwarzmarktpreis
auf € 3,3 Mio. geschätzt wird.
Zu einem Großteil über Tschechien lief der illegale Import der aus Asien und dem
ehemaligen Ostblockstaaten stammenden - und dadurch verhältnismäßig billig
produzierten - Anabolika. In Österreich - dem Verteilzentrum - wurden diese
Produkte entsprechend etikettiert und weiter verkauft (EU).
Im Zuge der Ermittlungen wurden 45 Lieferungen mit insgesamt etwa 800 kg Inhalt
abgefangen, in zwei als Zwischenlager genutzten Wohnungen in Wien und im
Großraum Tulln fand die Zollwache ebenfalls große Mengen Anabolika, Tabletten
und Ampullen.
Insgesamt wurden 3 Tonnen der illegalen Ware mit einem Schwarzmarktwert von
etwa € 2.000.000,- (ATS 27,5 Mio.) sichergestellt.
Wie Profil aus WEGA-Kreisen
erfuhr, könnten derartige Pillen und Ampullen auch
unter der „Cornettofraktion" der Wiener Alarmabteilung kursiert
haben. Rapid auf-
und abschwellende Muskelberge und plötzliche Schwächeanfälle
besonders gut
gebauter Kollegen im Schwimm- oder Lauftraining lösten nämlich
Verwunderung
aus.
Bereits vor einem Jahr hat das Kölner Zollkriminalamt
vor vermehrt auftauchenden
illegalen Dopingmitteln gewarnt, so insbesondere von einem Wachstumshormon
(Somatotropin). Dies wurde in der deutschen Bodybuildingszene verkauft.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle
beschließen:
Die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport wird
aufgefordert:
1.
Gemeinsam mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
unter Einbeziehung aller bekannten - legalen wie illegalen - Vertriebswege eine
umfassende Untersuchung der in Österreich erhältlichen
Nahrungsergänzungsmittel
zu veranlassen.
2. Die diesbezüglichen Ergebnisse bis 31. 10. 2002 dem Parlament vorzulegen.
3. Auf
Grund dieser gesundheits- wie auch dopingrelevanten Aspekte weitere
systematische Kontrollen unter Einbeziehung anderer EU-Mitliedsstaaten der am
Markt befindlichen Produkte durchzuführen, um das Ausmaß der
kontaminierten
Produkte und das gesundheitliche Risiko abschätzen zu können.
4. Die
gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bei Nachweis von
pharmakologisch wirksamen Stoffen in derartigen Produkten öffentlich,
unter
vollständiger Namensnennung, über gesundheitliche Risken und
Dopingrelevanz
informiert und gewarnt werden kann.
5. Auf
Europäischer Ebene für die Durchsetzung der „guten
Herstellungspraxis" bei
der Herstellung von
sogenannten „Nahrungsergänzungen" (Verzehrprodukte),
eine umfassende Marktkontrolle sowie für ein gegenseitiges
Informationssystem
zum Schutz der Europäischen Bürger vor gesundheitlichen Risken
einzutreten.
6.
Gemeinsam mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
eine öffentliche
Kampagne über die gesundheitlichen und sportlichen Risken von
Anabolika in Österreich durchzuführen.
Zuweisung: Sportausschuss