687/A XXI.GP
Eingelangt am: 22.05.2002
Initiativantrag
der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Cap, Dr. Wittmann, Dietachmayr
und Genossen
betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Pensionen
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesverfassungsgesetz
über
die Sicherung der Pensionen
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel l
(1) Gesetzgebung und Vollziehung haben durch ein System der
Sozialversicherung ein
angemessenes
Einkommen der Menschen im Alter zu gewährleisten.
(2) Bei Beamten und Beamtinnen und diesen gleichgestellten Personen kann
das
Einkommen
im Alter anstelle durch ein System der Sozialversicherung auch durch
unmittelbare
Ansprüche gegenüber dem Rechtsträger gewährleistet werden.
Artikel 2
(1) Gesetzgebung und Vollziehung haben dafür zu sorgen, dass die
Pensionen gesichert
sind und
in angemessenem Ausmaß steigen.
(2) Die Steigerung der Pensionen hat jährlich zu erfolgen. Die
Steigerung ist so zu
bemessen,
dass zumindest die Inflationsrate abgegolten wird und darüber hinaus die
Pensionisten
und Pensionistinnen angemessen an der Steigerung des Volksein-
kommens
teilhaben.
(3) Ausnahmen von Abs. 2 sind nur zulässig, um schwere Störungen des
gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichtes abzuwenden, und nur dann, wenn auch alle
anderen gesellschaftlichen Gruppen entsprechende Beiträge zur
Wiederherstellung
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes leisten.
Artikel 3
(1) Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit 1. Juli 2002 in Kraft.
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die
Bundesregierung
betraut.
Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuß
Die Durchführung einer ersten Lesung wird verlangt
Begründung
Nicht zuletzt Dank
eines jahrzehntelangen politischen Konsenses über die Ziele der
Sozialpolitik besteht in Österreich bisher ein Pensionssystem, das jeder
Österreicherin und
jedem
Österreicher ein sicheres Einkommen im Alter gewährleistet. Bisher
war es auch
selbstverständlich,
dass die Pensionen in angemessenem Ausmaß erhöht werden.
Dieser
Konsens ist in der letzten Zeit verloren gegangen. Es ist das erste Mal zu
einer
drastischen
Verschlechterung des Pensionssystems gekommen, dabei wurde sogar erstmals in
bestehende
Pensionen eingegriffen; eine Steigerung der Pensionen zumindest im Ausmaß
der
Inflationsrate
ist nicht mehr gewährleistet. Dessen ungeachtet wird über weitere
Verschlechterungen
des bestehenden Pensionssystems diskutiert und steht die Forderung im
Raum,
überhaupt zu einem „Drei-Säulen-Modell" überzugehen.
Bei diesem „Drei-Säulen-
Modell"
hätte das Sozialversicherungssystem nur mehr die Aufgabe einer
Grundsicherung.
Die
Absicherung des einmal erreichten Lebensstandards und die Teilnahme an der
Steigerung
des
Volkseinkommens würde bei diesem Modell nur durch betriebliche
Pensionskassen und
private
Pensionsvorsorge erfolgen. Wie gerade die internationale Entwicklung seit dem
Wirtschaftseinbruch zeigt, hängt damit aber die Pension des Einzelnen
völlig von der
Börsenentwicklung
und dem zufälligen Veranlagungsgeschick der Pensionskassen ab. Eine
dauerhafte
Sicherung der Pensionen ist nur durch das solidarische Modell einer
Sozialversicherung möglich.
Diese Diskussionen
zeigen, dass es dringend erforderlich ist, das Recht alter Menschen auf
eine gesicherte Pension verfassungsgesetzlich zu gewährleisten. Auf diese
Weise wird diese
Angelegenheit der Tagespolitik entzogen. Die ältere Generation hat ein
Recht darauf, dass sie
von
gesicherten Rahmenbedingungen im Alter ausgehen kann.
Zu Artikel 1:
Durch
diese Bestimmung wird einerseits eine Garantie des Systems der Sozialversicherung
eingerichtet.
Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber für eine angemessene Altersversorgung
im
Wege
einer Sozialversicherung Vorsorge leisten muß. Die Sozialversicherung ist
dadurch
gekennzeichnet,
dass in ihr alle Versicherten zu einer solidarischen Riskengemeinschaft
zusammengefaßt
werden. Die Leistungen erfolgen nicht nach der individuellen
Leistungsfähigkeit
und dem individuellen Risiko, sondern in solidarischer Weise aufgeteilt
auf die
gesamte Versichertengemeinschaft.
Abs. 2
sieht als Ausnahme vor, dass für Angehörige des öffentlichen
Dienstes anstelle eines
Systems
der Sozialversicherung die angemessene Alterssicherung auch durch unmittelbare
Ansprüche gegenüber Bund, Ländern und Gemeinden
gewährleistet werden kann, wie es
derzeit
bei den Beamten und Beamtinnen der Fall ist. Die Wendung „diesen
gleichgestellten
Personen"
bezieht sich auf jene Personengruppen, die nach der gegenwärtigen
Rechtslage in
einem
pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis stehen und einen
unmittelbaren
Pensionsanspruch
gegen den jeweiligen Rechtsträger haben.
Wie die Verwendung
des Wortes „kann" in Abs. 2 zeigt, schließt diese Bestimmung
keineswegs aus, dass für alle Arbeitnehmerinnen einschließlich der
Beamtinnen eine
Pensionsversicherung
nach gleichen Grundsätzen geschaffen wird.
Zu Artikel 2:
Abs. 1
enthält zunächst einen Verfassungsauftrag an Gesetzgebung und
Vollziehung, dafür zu
sorgen,
dass die Pensionen gesichert sind und in angemessenem Ausmaß steigen.
Alle
Handlungen sowohl der Gesetzgebung als auch der Bundesregierung, die gegen
dieses Ziel
verstoßen,
sind verfassungswidrig.
Darüber
hinaus gewährleistet Abs. l in Verbindung mit Abs. 2 ein
verfassungsgesetzlich
gewährleistetes
Recht jedes Pensionisten auf Steigerung der Pensionen.
Diese Steigerung
hängt selbstverständlich vom wirtschaftlichen Umfeld ab. Jedenfalls
muß
aber
gesichert sein, dass zumindest die Inflationsrate abgegolten wird.
Sollte es zur
Behebung von Wirtschaftseinbrüchen, starker Arbeitslosigkeit oder
sonstigen
schweren
Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes erforderlich sein,
dass alle
gesellschaftlichen
Gruppen wirtschaftliche Beiträge leisten, sind selbstverständlich
auch die
Pensionisten bereit dazu. Dies freilich nur unter der Voraussetzung, dass dem
wirklich eine
gemeinsame
Anstrengung zugrunde liegt und nicht einseitig den alten Menschen Opfer
abverlangt
werden.