714/A XXI.GP

Eingelangt am: 13.06.2002

Antrag

der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dr. Günter Stummvoll
und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:

Art I
Änderung des Bankwesengesetzes

Das Bankwesengesetz, BGBl. Nr. 532 /1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/xxxx
wird wie folgt geändert:

1. Im § 30 wird nach Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

"(2a) Ergänzend zu Abs. l und 2 liegt eine Kreditinstitutsgruppe vor, wenn sich ein Zentralinstitut und Insti-
tute, die dem Zentralinstitut im Sinne des § 23 Abs. 13 Z 6 angeschlossen sind, vertraglich verpflichtet haben,

1 ein Früherkennungssystem in sinngemäßer Anwendung des § 61 Abs. l für wirtschaftliche Fehlentwick-
lungen einzurichten,

2. einander bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch finanzielle oder sonstige Maßnahmen zu unterstüt-
zen,

3. ihre Geschäfts- und Marktpolitik zu vereinheitlichen, insbesondere durch die gemeinsame Planung und
Entwicklung sowie das einheitliche Anbot von Bankdienstleistungen, die Abstimmung des Marktauftritts
und der Werbelinie im Rahmen einer koordinierten Marketingplanung, die Vereinheitlichung von Ge-
schäftskonzepten und -programmen sowie die Bündelung wesentlicher Abwicklungsfunktionen, und

4. das den einzelnen Mitgliedsinstituten eingeräumte Kündigungsrecht nur unter Einhaltung einer
Kündigungsfrist von mindestens zwei Jahren auszuüben.

Die Errichtung des Früherkennungssystems und die Unterstützung bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten ha-
ben ausschließlich über eine zu diesem Zweck in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft
errichteten Haftungsgesellschaft zu erfolgen, an der nur das Zentralinstitut, dieses mehrheitlich, und die ihm ange-
schlossenen Institute, bei Genossenschaften zusätzlich auch die Organmitglieder der Haftungsgenossenschaft,
beteiligt sind und in der das Zentralinstitut die Möglichkeit hat, die Haftungsgesellschaft erheblich zu beeinflus-
sen. Die Funktion der Haftungsgesellschaft kann auch durch einen Verein ausgeübt werden, sofern dem Zentralin-
stitut bei der Führung des Vereins erheblicher Einfluss zusteht."

2. Dem § 30 Abs. 5 wird folgender Satz angefügt:

"Übergeordnetes Kreditinstitut einer Kreditinstitutsgruppe gemäß Abs. 2a ist das Zentralinstitut."

3. Dem § 73 wird folgender Abs. 7 angefügt:

"(7) Das übergeordnete Kreditinstitut nach § 30 Abs. 5 hat der FMA die vertragliche Verpflichtungsvereinba-
rung, die Satzung der Haftungsgesellschaft oder des Vereins, die nachgeordneten Kreditinstitute sowie jede Ände-
rung der anzeigepflichtigen Sachverhalte unverzüglich schriftlich anzuzeigen."

4. Dem § 107 wird folgender Abs. 33 angefügt:

"(33) Die Bestimmungen der §§ 30 Abs. 2a und 5 sowie 73 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes
BGBl. I
Nr. xxx/2002 treten mit 1. September 2002 in Kraft."


„Art. II
Änderung des Kartellgesetzes

Das Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz 1988 - KartG
1988), BGBl. Nr. 600/1988, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 62/2002, wird geändert wie
folgt:

1. § 5 Abs. 3 hat zu lauten:

"(3) Die Abschnitte II und IIa sind vorbehaltlich des § 7 nicht anzuwenden auf Wettbewerbsbeschränkungen

1. zwischen Genossenschaftsmitgliedern sowie zwischen diesen und der Genossenschaft, soweit diese Wett-
bewerbsbeschränkungen durch die Erfüllung des Förderungsauftrags von Genossenschaften (§ 1 des Ge-
setzes über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, RGBl. Nr. 70/1873) berechtigt sind;

2. zwischen den Mitgliedern einer Kreditinstitutsgruppe im Sinn des § 30 Abs. 2a BWG."

2. Nach § 41 Abs. 2 ist der folgende Abs. 2a einzufügen:

"(2a) Als Zusammenschluss gilt auch der Abschluss vertraglicher Verpflichtungen durch Kreditinstitute im
Sinn des § 30 Abs. 2a BWG."

Art. III
Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zu Art. II

(1) Art. II dieses Bundesgesetzes tritt mit dem 1. September 2002 in Kraft.

(2) § 41 Abs. 2a KartG in der Fassung dieses Bundesgesetzes ist auf vertragliche Verpflichtungen nicht an-
zuwenden, die vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens abgeschlossen worden sind.

In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Finanzaus-
schuss zuzuweisen.


Begründung
Zu Artikel I, Änderung des Bankwesengesetzes

Nach der Richtlinie 2000/12/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute kann bei
Vorliegen eines erheblichen Einflusses eines Kredit- oder Finanzinstitutes auf ein oder mehrere Kredit- oder Fi-
nanzinstitute eine Konsolidierung dieser Institute angeordnet werden. Insbesondere im Bereich der dezentralen
Sektoren der Kreditwirtschaft werden Einflussrechte verstärkt durch vertragliche und satzungsmäßige Bindungen
und weniger durch gesellschaftsrechtliche Verflechtungen begründet.

Banken in anderen Rechtsformen können im Wege von Beteiligungsübernahmen Kreditinstitutsgruppen bilden.
Diese Möglichkeit steht den dezentralen Sektoren ohne die gegenständliche Rechtsänderung nicht in diesem Um-
fang offen, was bedeutet, dass durch das Vorhaben Wettbewerbsgleichheit hergestellt werden wird.

Aus Sicht der Finanzmarktaufsicht ist das Vorhaben positiv zu beurteilen, weil damit die Einleger besser abgesi-
chert werden.

Eine Sektorkonsolidierung setzt nach geltendem EU-Recht (Art. 54 Abs. 4 der Kodifizierten Richtlinie
2000/12/EG) erhebliche Einflussrechte voraus, um auch materiell und nicht nur formell Platz greifen zu können.
Dieses Erfordernis wird durch die Anforderungen gemäß § 30 Abs. 2a erfüllt.

Durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Finanzierungskraft der österreichischen Bankenwirtschaft
sind neben den positiven Auswirkungen auf den Einlegerschutz auch unmittelbar positive Einflüsse auf die öster-
reichische Volkswirtschaft zu erwarten. Ein starkes und stabiles Finanz- und Bankensystem stärkt das Vertrauen
von inländischen und international tätigen Investoren nicht nur in die österreichische Finanz- sondern darüber
hinaus in alle Bereiche der österreichischen Volkswirtschaft. Dies führt wiederum mittel- bis langfristig zu positi-
ven Auswirkungen in den makroökonomisch wichtigen Bereichen, wie Beschäftigung, Kaufkraft und Wirt-
schaftswachstum. Ein gestärkter und stabiler Kredit- bzw. Finanzsektor ist weiters eine der Voraussetzungen für
eine Steigerung der Attraktivität des österreichischen Kapitalmarktes.

Die mit dieser Änderung definierten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Kreditinstitutsgruppe erfordern
auch eine Berücksichtigung dieser Kreditinstitutsgruppe im Kartellgesetz. Diese soll durch eine Novellierung des
Kartellgesetzes erfolgen.

Zu Z 1:

Die in den Z 1 bis 4 angeführten Voraussetzungen für die Bildung einer Kreditinstitutsgruppe entsprechen den
typischen Merkmalen einer Gruppe im Bereich der dezentralen Sektoren. Das Erfordernis der Errichtung einer
Haftungsgesellschaft bzw. von Vereinen mit gleichen Funktionen und die zweijährige Mindestkündigungsfrist
entsprechen einerseits der Systematik der bisherigen solvenzrechtlichen Bestimmungen des BWG, die eine gesell-


schaftsrechtliche Mindestverknüpfung vorsehen, und dienen andererseits dem Schutz und dem Vertrauen der
Einleger und sonstigen Vertragspartner in einen erhöhten Bestandsschutz dieser Kreditinstitutsgruppe.

Zu Z 2:

Dem Aufbau und der Konzeption dezentraler Sektoren gerecht werdend, wird das Zentralinstitut als übergeordne-
tes Kreditinstitut von Kreditinstitutsgruppen gemäß Abs. 2a definiert.

Zu Z 3:

Die Anzeigepflicht gewährleistet die Kontrollmöglichkeit der Finanzmarktaufsichtsbehörde bezüglich der Einhal-
tung der Voraussetzungen zur Bildung einer Kreditinstitutsgruppe gemäß Abs. 2a.

Zu Artikel II, Änderung des Kartellgesetzes

Art. II enthält die in der Begründung zu § 30 Abs. 2a BWG angesprochenen flankierenden Änderungen im Be-
reich des Kartellrechts. Der Grundgedanke dieser Regelung besteht darin, dass die Mitglieder einer Kreditinsti-
tutsgruppe im Sinn des § 30 Abs. 2a BWG, obwohl diese Voraussetzungen nach den geltenden Bestimmungen
des Kartellgesetzes in der Regel nicht vorliegen werden, so behandelt werden, als ob sie sich zu einem Konzern
zusammengeschlossen hätten.

Der Abschluss vertraglicher Verpflichtungen im Sinn des § 30 Abs. 2a BWG, durch den eine Kreditinstitutsgrup-
pe im Sinn dieser Bestimmung zustande kommt, wird in § 41 Abs. 2a einem Zusammenschluss im Sinn der ein-
schlägigen Bestimmungen des Kartellgesetzes gleichgestellt. Er ist - unter den sonstigen allgemeinen Vorausset-
zungen - daher beim Kartellgericht anzumelden, kann von diesem geprüft und gegebenenfalls untersagt werden.
Der Besonderheit dieser rechtlichen Situation wird dadurch Rechnung getragen, dass die Mitglieder einer Kredit-
institutsgruppe in der Folge, ähnlich wie derzeit schon die Mitglieder einer Genossenschaft, von der Anwendung
der kartellrechtlichen Vorschriften über Kartelle und über vertikale Vertriebsbindungen befreit werden; dies ge-
schieht durch eine Ergänzung des § 5 Abs. 3 KartG.

Zu Art. III (Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zu Art. II):

Mit Beziehung auf die Ausweitung der Zusammenschlusskontrolle auf Kreditinstitutsgruppen im Sinn des § 30
Abs. 2a BWG war auch eine Übergangsregelung notwendig, die der einschlägigen Bestimmung anlässlich der
Einführung der Zusammenschlusskontrolle durch die Kartellgesetznovelle 1993 nachgebildet worden ist. Danach
unterliegen Kreditinstitute, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung die Voraussetzungen einer Kredit-
institutsgruppe im Sinn des § 30 Abs. 2a BWG bereits erfüllen, die dort vorgesehenen vertraglichen Verpflichtun-
gen also schon vor dem fraglichen Zeitpunkt abgeschlossen haben, nicht mehr der Zusammenschlusskontrolle.