721/AE XXI.GP

Eingelangt am: 09.07.2002

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alfred Gusenbauer, Heidrun Silhavy
und GenossInnen

betreffend die Konsolidierung der sozialen Krankenversicherung und die
Weiterentwicklung des Gesundheitswesens

Die vorläufigen Erfolgsrechungen der Krankenversicherungsträger für das Jahr 2001
ergeben einen kumulierten Abgang von 149 Mio. €. Allein die Krankenversicherung
der Bauern erzeugte fast ein Viertel (23,5 %) des gesamten KV-Abganges im Jahr

2001 obwohl nur 4,9 Prozent aller Krankenversicherten bei der SVB versichert sind.
Der gesamte Mehraufwand der Krankenversicherung ist zu 41 Prozent unmittelbar
durch Maßnahmen der Bundesregierung verursacht. Die Voranschläge für das Jahr

2002 prognostizieren einen Abgang von 214 Mio. €, wovon mehr als ein Viertel durch
Regierungsmaßnahmen verursacht wird. Gemäß der gesetzlich vorgeschriebenen
Gebarungsvorschaurechnung wird sich der Abgang der Kassen unter Annahme
unveränderter Rahmenbedingungen bis 2004 auf 530 Mio. € erhöhen.

Die bis heute von der Bundesregierung unter dem Titel der „Kassensanierung"
gesetzten Maßnahmen haben außer einer massiven Belastung der Patienten durch
die Einführung oder die Erhöhung von Selbstbehalten keinen Konsolidierungseffekt
gebracht.

Die dramatische Verschlechterung des Ergebnisses der Kassen ab 1997 ist
ausgabenseitig primär durch den extremen Anstieg der Medikamentenausgaben und
einnahmenseitig durch die Beitragseinnahmenerosion verursacht. Die Ausgaben für
Leistungen wachsen ähnlich wie das BIP, die Beitragseinnahmen sind jedoch an die
sinkende Lohnquote gekoppelt.

Eine der Hauptursachen für den Abgang der Kassen in den Jahren 2001 und 2002
sind die Maßnahmen der Bundesregierung. Ab dem Jahr 2001 schlagen diese
Maßnahmen voll zu Lasten der Krankenversicherung durch. Dazu einige Beispiele:

>  Die Kassen müssen mehr in die Spitalsfinanzierung einzahlen, damit der Bund
seine Zahlungen in gleicher Höhe reduzieren kann (lediglich marginale
Kompensation).

>   Die Kassen wurden gesetzlich verpflichtet, den Betreibern von
Privatkrankenanstalten zusätzliche Mittel zukommen zu lassen.

>   Die Gebietskrankenkassen müssen heuer zur Sanierung der

Bauemkrankenkasse beitragen, damit der Bund sich seinen bisher geleisteten
Zuschuß sparen kann.

>  Zinsenentgang durch die gesetzlich verfügte Verlängerung der Frist für
Arbeitgeber zur Zahlung der KV-Beiträge.


>  Abschöpfung der Steuer für die explodierenden Heilmittelaufwendungen durch
den Finanzminister und Verweigerung des versprochenen Steuerausgleiches.

>  Senkung des Arbeitgeberbeitrages zur Krankenversicherung der Arbeiter ohne
ausreichende Kompensation (ARÄG 2000).

Summiert man alle die Krankenversicherung belastenden Maßnahmen der
Bundesregierung und zieht man jene Maßnahmen der Regierung ab, die durch
Belastung der Versicherten Geld zu den Kassen leiten (Ambulanzgebühr, erhöhter
Spitalskostenbeitrag, erhöhte Rezeptgebühr, Zusatzbeitrag für die Mitversicherung,
etc.), ergibt sich eine Nettobelastung der Kassen von rund 63,4 Mio. € im Jahr 2001
und ca. 65,4 Mio. € im Jahr 2002. Dabei ist der Beitragseinnahmenentfall durch die
Pauschalierung der Krankenversicherungsbeiträge für Arbeitslose noch gar nicht
mitgerechnet.

Das Geld - insgesamt rund 185,3 Mio. € - das den Versicherten und den Kassen
entzogen wird, fließt zum überwiegenden Teil an den Bund, um dem Fetisch
„Nulldefizit" gerecht zu werden und damit aus dem Gesundheitswesen ab.

Dabei werden die Patienten doppelt belastet: Sie müssen nicht nur die neuen
Selbstbehalte tragen, sondern auch noch Leistungskürzungen hinnehmen. Die
Regierungsfraktionen und das Ministerium haben durch Gesetze und Erlässe die
Kürzung der Krankengeldbezugsdauer und die Einschränkung bei den
Ermessensausgaben (vorwiegend präventionsorientierte Leistungen) erzwungen.

Der vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen am 25. Mai
2002 in die Begutachtung geschickte Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem der
Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger neu geordnet werden soll, stellt
weder eine geeignete Grundlage für die nachhaltige Konsolidierung der sozialen
Krankenversicherung noch eine Maßnahme zur notwendigen Weiterentwicklung des
Gesundheitswesens dar.

Durch die vorübergehende Anhebung des Beitragssatzes zum Ausgleichsfonds und
die Abschöpfung von Rücklagen einzelner Träger im Rahmen eines
Darlehensmodelles werden die Ursachen für den Abgang der Kassen in keiner
Weise behoben. Es werden lediglich Einmaleffekte zur kurzfristigen optischen
Verbesserung der Erfolgsrechnungen einzelner Träger erzielt. Der Preis dafür ist,
dass die noch ausreichend liquiden Kassen noch schneller in die Illiquidität geführt
werden.

Das Darlehensmodell führt zu einer extremen Verschuldung des Ausgleichsfonds der
Krankenversicherungsträger beim Hauptverband. Da dieser Fonds - so wie der
gesamte Hauptverband - keine eigenen direkten Einnahmen hat, sondern
ausschließlich von den Trägern finanziert wird, ist auch nicht erkennbar, wie der
Fonds die ihm gewährten Darlehen an die Träger je wieder zurückzahlen kann.

Durch die geplanten Bilanztricks und Umschuldungsmodelle wird die
Mangelwirtschaft der Bundesregierung im Gesundheitswesen fortgeführt. Die
ursächlichen Probleme der sozialen Krankenversicherung bleiben ungelöst. Eine
nachhaltige Konsolidierung oder gar eine patientenorientierte Weiterentwicklung des
Leistungsangebotes im Gesundheitswesen wird von den Regierungsparteien
überhaupt nicht angestrebt.


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis zum xx. xx. 2002 eine
Regierungsvorlage zuzuleiten, die insbesondere folgende Punkte betreffend die
Konsolidierung der sozialen Krankenversicherung und die Weiterentwicklung des
Gesundheitswesens enthält:

1. Vollständiger Ausgleich des Mehraufwandes der Krankenversicherungsträger bis
Ende des Jahres 2002 durch folgende Maßnahmen:

>   Die am Ende des Jahres 2002 im Ausgleichsfonds der

Krankenversicherungsträger beim Hauptverband gesammelten Rücklagen
werden an die Kassen entsprechend ihres relativen Mehraufwandes
ausgeschüttet. Gleichzeitig erfolgt eine solidarische Unterstützung der in der
Krankenversicherung positiv gebarenden Sozialversicherungsanstalt der
gewerblichen Wirtschaft für die mit einem extremen Abgang ringende
Sozialversicherungsanstalt der Bauern.

>   Senkung der Spannen im Arzneimittelhandel auf europäisches

Durchschnittsniveau durch Verordnung des Bundesministers für soziale
Sicherheit und Generationen. Verzicht des Finanzministers auf sein
"Körberlgeld" aus dem unvollständigen Steuerausgleich bei den Heilmitteln.

2.  Nachhaltige Konsolidierung der Krankenversicherung, Schaffung von mehr

Finanzierungsgerechtigkeit und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens durch
folgende Maßnahmen:

>   Streichung der Ambulanzgebühr und der Krankenscheingebühr.

>   Einführung notwendiger neuer bzw. ergänzender Leistungen unter besonderer
Berücksichtigung

der Zahnmedizin (leistbare Kieferregulierungen, Erweiterung der
Leistungspalette beim Zahnersatz),

der Prävention (z.B. betriebliche Gesundheitsförderung, Gesunde Gemeinde,
Zahngesundheitsförderung),

der Rehabilitation (ambulante Rehabilitation, stationäre Kinderrehabilitation,
Lymphologie, Neurorehabilitation, Psychosomatik, psychiatrische
Rehabilitation, stationäre Betreuung von Alzheimerpatienten, geriatrische
Remobilisation),

der Sterbebegleitung (Hospizbetten und mobile Betreuung),
der Psychotherapie (flächendeckende Versorgung),


der Verbesserung der ambulanten Versorgung in strukturschwachen
Regionen (u.a. durch Gruppenpraxen), sowie

der Ausweitung von regionalen Schnittstellenprojekten zur besseren
Verzahnung der intra- und extramuralen Angebote im Gesundheits- und
Sozialwesen.

Die Finanzierung der neuen Leistungen sowie der Streichung der Ambulanz-
und Krankenscheingebühr soll über folgende Maßnahmen sichergestellt
werden:

Einnahmenseitig durch einen gerechten Steuerausgleich bei den
Medikamenten (1:1 Ausgleich wie bei den Krankenanstalten), ein
Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der
Beitragsschulden der Arbeitgeber, die Anerkennung einer
Gesundheitskomponente bei der Tabaksteuer und die schrittweise
Verbreiterung der Beitragsgrundlage.

Ausgabenseitig durch die Fortführung und Intensivierung der Maßnahmen
zur Dämpfung der Heilmittelaufwendungen, mehr Kostenwahrheit und
Kostentransparenz bei der Finanzierung von arbeitsmarktbezogenen und
familienbezogenen Fremdleistungen (Lehrlingspaket, Wochengeld, etc.) sowie
durch weitere Effizienzsteigerungsmaßnahmen in der Verwaltung der
Sozialversicherungsträger.

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales