2041/AB XXI.GP

Eingelangt am:30.04.2001

 

BUNDESMINISTERIUM für

AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

haben am 2. März 2001 unter der Nr. 20467J - NR72001 an mich eine schriftliche

parlamentarische Anfrage betreffend die Menschenrechtssituation in der Türkei und den

fehlenden Druck Österreichs bzw. der Europäischen Union gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

 

Zu Frage 1:

Im Hinblick auf die Bedeutung der Menschenrechte für die Gestaltung der internationalen

Beziehungen sowie angesichts seines klaren Bekenntnisses zu diesen Grundwerten

thematisiert Österreich Fragen des Menschenrechtsschutzes regelmäßig bei bilateralen

Kontakten auch mit der Türkei. In den Besprechungen mit Außenminister Cem in Ankara

Ende Februar d. J. standen daher auch aktuelle Menschenrechtsfragen auf der

Tagesordnung. In der Türkei müssen in diesem Bereich tiefgreifende Reformen im

legistischen Bereich, aber vor allem auch in der Praxis Platz greifen, die mit einer

Modernisierung der Türkei sowie einer Stärkung von Demokratie und Zivilgesellschaft

einher gehen müssen. Solche tiefgreifende Veränderungen können nicht unter Zeitdruck

vonstatten gehen, wenn sie dauerhaft sein sollen.

Zu Fragen 2, 3 und 8:

Ich habe diese Problematik gegenüber AM Cem deutlich angesprochen und dabei betont,

mit welcher Sensibilität auch die österreichische Öffentlichkeit die jüngsten Entwicklungen

in der Türkei verfolgt. Das Gespräch machte deutlich, daß sich die türkische Regierung

der internationalen Kritik an der Vorgangsweise der türkischen Ordnungskräfte gegen die

Gefängnisrevolte bewußt ist. AM Cem brachte seine Erwartung zum Ausdruck, daß der

Annäherungsprozess der Türkei an die EU eine schrittweise Verbesserung der

Menschenrechtssituation bewirken würde.

 

Zu Fragen 4 und 5:

Auch diese Thematik ist mit AM Cem in Ankara erörtert worden, wobei die türkische Seite

als Erklärung für die bestehenden Defizite im Menschenrechtsbereich stets das Problem

des Terrorismus im Südosten des Landes anführt. Der Außenminister räumte allerdings

ein, daß die Gefahr des Terrorismus zurückgegangen sei und damit größerer Spielraum

für Reformen im Menschenrechtsbereich bestehe. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß

die Türkei bei der Umsetzung der notwendigen politischen Reformen auf große interne

Schwierigkeiten stößt, wie in letzter Zeit auch von Kommissionsseite festgestellt wurde:

die Europäische Kommission plädiert daher angesichts der derzeit für Reformprogramme

in der Türkei nicht günstigen Lage dafür, das Schwergewicht weniger auf Kritik als

vielmehr auf Ermutigung der reformfreudigen Kräfte zu legen.

 

Zu Frage 6:

Weder bei meinen Gesprächen, noch bei anderer Gelegenheit habe ich „Verständnis für

Menschenrechtsverletzungen in der Türkei“ bekundet. Hingegen erscheint mir

bedeutungsvoll, daß eine öffentliche Diskussion in der Türkei über den Themenbereich

Menschenrechte, der in der Vergangenheit weitgehend tabuisiert war, nun in Gang

gekommen ist. Gerade aus demokratiepolitischer Sicht ist eine solche Diskussion

Voraussetzung für erfolgreiche und anhaltende Reformen in diesem Bereich.

 

Zu Fragen 7 und 9:

Das Nationale Programm, mit dem die Türkei sozusagen als Antwort auf die

Beitrittspartnerschaft der Europäischen Union darstellt, wie und in welchem zeitlichen

Rahmen sie zur Erfüllung der Kopenhagener Kriterien gelangen will, war zum Zeitpunkt

meines Türkei - Besuchs inhaltlich noch nicht bekannt. Meine Äußerung war daher lediglich

eine, wie sich aus heutiger Sicht bestätigt realistische, politische Prognose, nicht jedoch

Ausdruck von Hoffnung oder Genugtuung.

 

Zu Fragen 10 und 11:

Ja. Ich habe gegenüber AM Cem deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die

Beitrittskriterien für die Türkei identisch mit jenen sind, die auch gegenüber allen anderen

Beitrittskandidaten gelten. Bei der Achtung der Menschenrechte gibt es keine

Kompromisse.