2439/AB XXI.GP

Eingelangt am:10.07.2001

 

DER BUNDESKANZLER

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag Plank, Genossinnen und Genossen haben

am 10. Mai 2001 unter der Nr. 2432/J an mich eine schriftliche parlamentarische

Anfrage betreffend die Erweiterung des Angebots für Gehörlose im ORF gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

 

Zu Frage 1:

 

Ich möchte darauf hinweisen, daß in der Regierungsvorlage zu einem neuen ORF -

Gesetz (§ 5 Abs. 3) der ORF dazu verhalten wird, Informationssendungen für

Gehörlose bzw. Gehöhrbehinderte entsprechend aufzubereiten. Als technische Mittel

kommt hierbei sowohl die besagte Untertitelung oder auch die

Gebärdensprachenverdolmetschung in Frage.

 

Zu Frage 2:

 

Ich gehe davon aus, daß das gegenwärtige untertitelte Angebot bereits sehr vielfältig

und umfangreich ist, sodaß von einer weitergehenden gesetzlichen Verpflichtung

Abstand genommen wurde. Auch ohne gesetzliche Verpflichtung hat der ORF schon

bisher den Gehörlosen Fernseh - Unterhaltung im weitesten Sinne zugänglich

gemacht. Pro Monat werden rund 30 Spielfilme mit Teletext - Untertiteln ausgestrahlt,

dazu kommen vom ORF selbst produzierte oder federführend co - produzierte Serien

und andere Sendungen. Insgesamt bietet der ORF den Gehörlosen derzeit pro

Monat etwa 170 Stunden Fernsehen mit Untertiteln an, er gibt dafür pro Jahr rund

13 Millionen Schilling aus.

Zu Frage 3:

 

Eine Reihe von Bestimmungen in der Regierungsvorlage zum neuen ORF - Gesetz

dienen der Umsetzung des Artikels 7 B - VG im Hinblick auf das Bekenntnis zur

Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen:

 

    • § 4 Abs. 1 Z 10 sieht die angemessene Berücksichtigung der Anliegen

      behinderter Menschen vor

 

    • § 5 Abs. 3 sieht die Untertitelung von Informationssendungen des Fernsehens

      „nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen

      Tragbarkeit“ vor

 

    • § 28 Abs. 4 sieht die Entsendung eines Behindertenvertreters in den

      Publikumsbeirat vor.

 

Diese Bestimmungen, die sich im geltenden Rundfunkgesetz nicht finden, sollen

somit eine wesentliche Verbesserung hinsichtlich der Berücksichtigung der Anliegen

behinderter Menschen und somit auch Gehörloser bewirken.

 

Zu Frage 4:

 

Die gesetzlichen Regelungen sind in diesem Bereich von Land zu Land ebenso

verschieden, wie der Umgang mit Minderheiten und behinderten Mitmenschen von

Land zu Land generell ganz unterschiedlich ist. So schreibt beispielsweise in

Großbritannien ein Gesetz den privaten Fernseh - Betreibern vor, das Untertitel -

Angebot von Jahr zu Jahr um mindestens 5 Prozent zu vergrößern. Die öffentlich -

rechtliche BBC zieht freiwillig mit und ist derzeit bei 60 bis 65 Prozent des Outputs im

analogen und bei 10 bis 15 Prozent im digitalen Fernsehen. Allerdings, und das

sollte in diesem Zusammenhang bedacht werden, zahlen die Gehörlosen in

Großbritannien Fernsehgebühren wie jeder andere auch.

 

Ein anderes Beispiel: In der Schweiz gibt es derzeit keine gesetzliche Verpflichtung,

Fernsehsendungen zu untertiteln, aber das Bundesamt für Sozialversicherung

finanziert mit jährlich 1,2 Millionen Schweizer Franken einen Großteil der

Untertitelung. Dennoch ist das Angebot des ORF für die Gehörlosen beträchtlich

größer als jenes der SRG. Auch ARD und ZDF in Deutschland untertiteln wesentlich

weniger als der ORF.

Zu Frage 5:

 

Für Gehörlose erscheint es mir in erster Linie wichtig, daß diesen ausreichende

Gelegenheit gegeben wird, "herkömmliche“ Sendungen durch Untertitelung bzw.

Verdolmetschung entsprechend zu verfolgen. Im übrigen glaube ich, daß die

Bedürfnisse von Behinderten mit jenen der Volksgruppen nicht vergleichbar sind.

 

Zu Frage 6:

 

Das einfache Festschreiben von Quoten ersetzt nicht die notwendige

Bewußtseinsbildung. Es ist - im europäischen Vergleich betrachtet - mit wenigen

Ausnahmen, wie dem Vereinigten Königreich, auch nicht üblich. Ich glaube, daß die

im neuen ORF - Gesetz: vorgesehene Verankerung von Behindertenanliegen im

Programmauftrag (§ 4 Abs. 1 Z 10) sowie bei den besonderen Aufträgen (§ 5 Abs. 3)

durchaus geeignete Maßnahmen darstellen. Zum Anteil der untertitelten Sendungen

beim ORF wurde bereits bei den Punkten 1 und 2 Stellung genommen. Zum Privat

TV verweise ich auf die Beantwortung zu Frage 7.

 

Was eigene Sendeflächen für Gehörlose und Menschen mit anderen Behinderungen

betrifft, wäre zu prüfen, ob derlei Sendungen tatsächlich eine integrative Wirkung

haben können, oder ob solche Sendungen mehr oder wenigen "nur“ die Betroffenen

erreichen. Die Integration in bestehende Informationssendungen findet bereits statt

und wird durch das neue ORF - Gesetz noch verstärkt werden.

 

Zu Frage 7:

 

Das neue Privatfernsehgesetz soll in Österreich terrestrisches Privatfernsehen rasch

ermöglichen; die gesetzlichen Vorgaben sind somit im Rahmen der Möglichkeiten

sehr liberal gehalten. Von einer gesetzlichen Verpflichtung zur Untertitelung wurde

dementsprechend - schon aus Kostengründen für private Betreiber - Abstand

genommen. Weiters betreiben, wie sich bei bisherigen privaten Veranstaltern nach

dem Kabel - und Satellitenrundfunk - Gesetz zeigt, diese in der Startphase keinen

Teletextdienst, welcher die Untertitelung ermöglichen würde.

Zu Frage 8:

 

In der derzeitigen Hörer - und Sehervertretung ist kein Behindertenvertreter

vorgesehen. Daher sehen § 28 Abs. 4 und 11 der Regierungsvorlage zum ORF -

Gesetz vor, daß im neuen Publikumsrat auch behinderte Menschen eine Vertretung

finden

 

Zu Frage 9:

 

Die Führung des ORF fällt nicht in die Vollziehungskompetenz des Bundeskanzlers,

da die Organe des ORF kraft Verfassung unabhängig und weisungsfrei sind. Eine

diesbezügliche Intervention beim ORF würde somit den gesetzlichen

Rahmenbedingungen nicht entsprechen.

 

Mir ist jedoch bekannt, daß der ORF zur Zeit gemeinsam mit der "Arbeitsgruppe

behinderte Menschen und Medien" ein Projekt zur Ausbildung von behinderten

Menschen zu Medien - Mitarbeiterinnen auf seine Realisierungsmöglichkeit prüft und

stehe diesem Projekt äußerst positiv gegenüber.

 

Zu Frage 10:

 

Die vermehrte selbstverständliche Präsenz behinderter Menschen im Fernsehen

trägt zweifelsfrei zur Bewußtseinsbildung bei. Der Programmauftrag des ORF wurde

daher auch - auf Wunsch der behinderten Menschen - erweitert, die

Informationspflicht gilt jetzt auch für alle wichtigen sozialen Fragen (§ 4 Abs. 1 Z 1).

Anders als in der bisherigen Hörer - und Sehervertretung werden im neuen

Publikumsrat jedenfalls auch behinderte Menschen vertreten sein. Ich bin überzeugt,

daß dies in Summe auch eine integrationsfördernde Wirkung haben wird.