2606/AB XXI.GP

Eingelangt am: 23.08.2001

BM für Justiz

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Theresia Haidlmayr, Ulrike Lunacek, Freundin -

nen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Gleich viel

Recht für gleich viel Liebe“ gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Zu 1 bis 3:

Eingangs möchte ich festhalten, dass ich den in Ihrer Anfrage mehrfach verwende -

ten Begriff „diskriminierend“, der bereits eine - negative - Wertung zum Ausdruck

bringt, so verstehe, dass damit eine Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtferti -

gung zum Ausdruck gebracht wird. Nicht jede gesetzliche Ungleichbehandlung ist

nämlich schon eo ipso diskriminierend. Eine Verletzung des verfassungsrechtlich

verankerten Gleichheitsgrundsatzes liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Gesetz -

geber gleichartige Sachverhalte - ohne sachliche Rechtfertigung - ungleich behan -

delt. Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsge -

richtshofes, dem letztlich die Beurteilung der Verfassungskonformität oder der

Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Bestimmung obliegt, dass auch eine

zunächst gleichheitskonforme Regelung durch eine Änderung der „maßgeblichen

tatsächlichen Verhältnisse“ im Lauf der Zeit gleichheitswidrig werden kann.

 

Was nun die ersten drei Fragen anlangt, so kann meines Erachtens nicht davon

gesprochen werden, dass unsere Rechtsordnung homosexuelle Partnerschaften

grundsätzlich diskriminiert. Erst kürzlich hat der Gesetzgeber durch eine Erweiterung

des Angehörigenbegriffs nach § 72 StGB homosexuelle Lebensgemeinschaften

heterosexuellen Partnerschaften hinsichtlich straf— und strafverfahrensrechtlicher

Privilegierungen gleichgestellt, ihnen beispielsweise das Zeugnisentschlagungsrecht

(§ 152 StPO) eingeräumt. Ansonsten werden homosexuelle Partnerschaften - wie im

Übrigen auch verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften - im Vergleich zu

den in einer Ehe lebenden Partnern wegen der Wesenselemente dieser Institution

vielfach verschieden behandelt. Veränderungen dieser Rechtslage bedürfen - wie

gesellschaftlich relevante Rechtsreformen überhaupt - eines grundlegenden und

breiten politischen Diskurses und eines entsprechend gewandelten gesellschaftli -

chen Bewusstseins. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diese gesellschaftlichen

Entwicklungen aufmerksam zu beobachten und zu gegebener Zeit darauf entspre -

chend zu reagieren.

 

Zu 4:

In meinem Ressortbereich bestehen im Wesentlichen folgende - sowohl zivil -  als

auch strafrechtliche - im vorliegenden Zusammenhang relevante Regelungsbe -

reiche:

 

Im zivilrechtlichen Bereich können gemäß § 44 des Allgemeinen Bürgerlichen

Gesetzbuchs (ABGB) nur zwei Personen verschiedenen Geschlechts eine Ehe

eingehen. Eine Lebensgemeinschaft, egal, ob es sich um eine gleich -  oder verschie -

dengeschlechtliche handelt, hat keine den persönlichen Ehewirkungen entsprechen -

den gegenseitigen Rechte und Pflichten zur Folge. So kommt dem Lebensgefährten

ein gesetzliches Erbrecht nicht zu. Allerdings kann der Lebensgefährte durch letzt -

willige Verfügung bedacht werden. Gemäß § 179 Abs. 2 ABGB ist eine Adoption

durch mehr als eine Person nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander

verheiratet sind, das Bestehen einer Lebensgemeinschaft reicht nicht aus. Da weder

im Erbrecht noch im Bereich der Adoption unterschieden wird, ob es sich um eine

gleich -  oder verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft handelt, sind homose -

xuelle Partner in diesem Bereich nur insoweit schlechter gestellt, als es ihnen eben

nicht freisteht, durch die Schließung einer Ehe ihre rechtliche Stellung zu verändern.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) ist eine medizinisch unter -

stützte Fortpflanzung nur in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft

zulässig. Mit dem Wort "eheähnlich“ wird - entsprechend dem von der Judikatur

entwickelten Begriff der Eheähnlichkeit - klargestellt, dass das FMedG dezidiert

andere Formen außerehelichen Zusammenlebens - auch Geschwister und gleichge -

schlechtliche Beziehungen - aus dem Kreis der zulässigen Elternschaft ausschließt.

Gemäß § 8 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz 1975 darf der mit dem Wohnungsei -

gentum verbundene Mindestanteil während des aufrechten Bestands des

Wohnungseigentums außer zur Begründung des gemeinsamen Wohnungseigen -

tums von Ehegatten nicht geteilt werden. Ein Anfang Juli 2001 zur Begutachtung

ausgesendeter Ministerialentwurf für ein Wohnungseigentumsgesetz 2002 sieht

nunmehr die Möglichkeit der Begründung von gemeinsamem Wohnungseigentum

durch die neu eingeführte, sogenannte „Eigentümerpartnerschaft" vor, die aus zwei

natürlichen (voll -  oder minderjährigen) Personen bestehen soll, die gemeinsam

Miteigentümer eines Mindestanteils sind. Damit soll auch für - verschieden -  oder

gleichgeschlechtliche - Lebensgefährten die Möglichkeit zum Erwerb von gemeinsa -

mem Wohnungseigentum eröffnet werden.

 

Anders verhält es sich jedoch im Mietrecht, weil es hier nicht bloß um die Disposition

von Lebensgefährten geht, sondern auch die Rechtsposition eines Dritten, nämlich

des Vermieters, berührt wird.

 

Gemäß § 14 Abs. 3 Mietrechtsgesetz zählen zum Kreis der eintrittsberechtigten

Personen unter anderem der Ehegatte und der Lebensgefährte. „Lebensgefährte“

im Sinn dieser Bestimmung ist, wer mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod

durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher

Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat. Soweit

gleichgeschlechtlichen Partnern - anders als Ehegatten und verschiedengeschlecht -

lichen Lebensgefährten - ein Eintrittsrecht nicht zukommt, beruht dies auf der zu

dieser Frage bisher ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der

diese Frage nach dem Gesetzeswortlaut auch im Sinn eines Eintrittsrechts gleichge -

schlechtlicher Lebensgefährten lösen hätte können, sodass diesbezüglich die

weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten sein wird.

 

Gemäß § 321 Abs. 1 Z 1 Zivilprozessordnung darf die Aussage von einem Zeugen

zu jenen Fragen verweigert werden, deren Beantwortung unter anderem dem

Zeugen selbst, seinem Ehegatten oder einer Person, mit welcher der Zeuge in

gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwä -

gert ist, zur Schande gereichen oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung nach

sich ziehen würde.

 

Im strafrechtlichen Bereich ist die Bestimmung des § 209 Strafgesetzbuch („Gleich -

geschlechtliche Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren“) Gegenstand eines

derzeit beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Gesetzesprüfungsverfahrens. Der

Nationalrat war mehrmals mit der Frage einer ersatzlosen Aufhebung oder

Änderung des § 209 StGB befasst, wofür sich jedoch keine Mehrheit der Abgeord -

neten entschieden hat.

 

Zu 5 und 6:

Sollte es sich ergeben, dass sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen in

Bezug auf Partnerschaften in meinem Ressortbereich bestehen - wobei diese

Beurteilung, wie bereits erläutert, letztlich dem Verfassungsgerichtshof obliegt -,

werde ich selbstverständlich für deren Beseitigung eintreten.

 

Zu 7:

Zu dieser Frage verweise ich auf die Beantwortung der Anfrage zu Zahl

2604/J - NR/2001 durch die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

 

Zu 8 und 9:

Ich verweise zu diesen Fragen auf die Beantwortung der schriftlichen Anfrage zur

Zahl 2603/J - NR/2001 durch den Bundeskanzler.

 

Zu 10:

Wie in der Begründung Ihrer Anfrage ausgeführt, gibt es in einigen Staaten

Regelungen aus jüngerer und jüngster Zeit, die die Möglichkeit der Registrierung

von Partnerschaften vorsehen. Ich glaube, dass vorerst die Erfahrungen in diesen

Ländern im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz und die Zweckmäßigkeit

derartiger Regelungen abgewartet werden sollten. Im Übrigen darf das Ziel der

Beseitigung sämtlicher ungerechtfertigter Ungleichbehandlungen nicht mit der

Schaffung der rechtlichen Möglichkeit gleichgesetzt werden, für homosexuelle

Partnerschaften eigene Rechtsinstitute zu begründen. Die Zulassung „registrierter

Partnerschaften“ ist nämlich meines Erachtens nicht das Ziel, sondern nur einer von

mehreren denkbaren Wegen zu diesem Ziel. Unter diesem Aspekt sehe ich die

Schaffung eigener Rechtsinstitute zur Absicherung gleichgeschlechtlicher Lebens -

gemeinschaften nicht als „unumgängliche Notwendigkeit“ an.

 

Jedoch möchte ich noch einmal betonen, dass, sollten sachlich nicht gerechtfertigte

Ungleichbehandlungen in meinem Ressortbereich festgestellt werden, ich mich -

unter Berücksichtigung internationaler Entwicklungen und Erfahrungen - für deren

Beseitigung auf sachlich adäquate Weise einsetzen würde.

Zu 11:

 

Die Beschlussfassung über die Abhaltung einer parlamentarischen Enquete bzw die

Anhörung von Sachverständigen und anderen Aufkunstspersonen obliegt dem

Hauptausschuss des Nationalrates.