2608/AB XXI.GP

Eingelangt am: 23.08.2001

BM für Justiz

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Posch und Genossen haben an mich eine

schriftliche Anfrage betreffend „antisemitische Äußerungen von LH Dr. Jörg Haider“

gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Zu 1 bis 3:

Die Staatsanwaltschaft Wien legte die Strafanzeige gegen Dr. Jörg Haider wegen

angeblicher strafbarer Handlungen gegen Dr. Ariel Muzicant unter Berücksichtigung

folgender Gesichtspunkte, die von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung

entwickelt wurden, zurück:

 

Unter „Auffordern" im Sinne des § 283 Abs. 1 StGB ist eine Äußerung, die darauf

gerichtet ist, bei jemandem nicht bloß feindselige Gefühle, sondern den Entschluss

zur Vornahme einer feindseligen Handlung hervorzurufen, unter „Aufreizen" eine

gesteigerte Form einer solchen Einwirkung auf andere zu verstehen. Bei der

Äußerung, deren Eignung, die öffentliche Ordnung zu gefährden, in Frage zu stellen

ist, kann von einem solchen „Auffordern“ bzw. „Aufreizen“ nicht gesprochen werden.

 

„Hetzen“ (Abs. 2 leg. cit.) bedeutet eine in einem Appell an Gefühle und

Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zum Hass und zur Verachtung.

Bloß abfällige Herabsetzungen, ja selbst beleidigende und verletzende Äußerungen

genügen zur Erfüllung des Tatbildes nicht. Das Ziel eines Angriffes nach § 283 StGB

muss eine in dieser Bestimmung genannte Gruppe in ihrer Gesamtheit sein. Zwar

können Angriffsobjekte auch einzelne Angehörige der Gruppe sein, allerdings nur

insoferne, als dieser Einzelne nicht allein in seiner Individualität, sondern als

Repräsentant der Gruppe (und damit diese selbst) getroffen werden soll. In einer die

Menschenwürde verletzenden Weise erfolgt eine Beschimpfung dann, wenn sie den

unverzichtbaren Kernbereich der Persönlichkeit trifft. Der Täter muss etwa durch

seinen Angriff der Gruppe unmittelbar oder mittelbar das Recht auf eine ihrer

Menschenwürde entsprechende Behandlung, insbesondere auf Behandlung als

Mensch schlechthin, absprechen. Richtet sich der Angriff bloß gegen einzelne

Persönlichkeitsrechte (z.B. die Ehre), so wird damit noch nicht die Menschenwürde

verletzt.

 

Außerdem hat die Staatsanwaltschaft Wien die Äußerung auch unter dem Gesichts -

punkt einer allfälligen von Amts wegen zu verfolgenden Ehrenbeleidigung gemäß

§§ 115 Abs. 1,117 Abs. 3 StGB geprüft. Sie erachtete dieses Ermächtigungsdelikt

schon deshalb als nicht verwirklicht, weil die zu beurteilende Handlung weder als

Misshandlung oder Bedrohung mit einer Misshandlung noch als Beschimpfung bzw.

Verspottung in einer die Menschenwürde verletzenden Weise (im oben

dargelegten Sinn) zu werten sei.

 

Auf Grund dieser rechtlichen Beurteilung veranlasste die Staatsanwaltschaft Wien

keine Erhebungen in dieser Angelegenheit.

 

Somit lässt sich resümierend festhalten, dass die inkriminierten Äußerungen zwar

nicht den Charakter eines Offizialdeliktes aufweisen, die Möglichkeit einer Strafver -

folgung mittels Privatanklage hievon jedoch unberührt bleibt.

 

Zu 4 bis 6:

Da ich weder persönlich in die Causa eingegriffen noch eine Weisung erteilt habe,

ist im vorliegenden Fall kein Zusammenhang mit dem Weisungsrecht des Bundes -

ministers für Justiz gegenüber den Anklagebehörden gegeben.