2618/AB XXI.GP

Eingelangt am: 24.08.2001

BM für Justiz

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genos -

sen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „entschädigungslose Entei -

gung des Grundstückes GP 4594/7 KG St. Gallenkirch, LG für Zivilrechtssachen

Wien 34 R 183/00i“ gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Der Anfrage liegt die Rechtssache 34 C 800/99x des Bezirksgerichts Innere Stadt

Wien zugrunde, in der die in der Anfrage genannten Kläger den Bund auf Zahlung

von 95.094 S samt Anhang in Anspruch nahmen. Das Klagebegehren wurde mit

Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16.2.2000, 34 C 800/99x,

abgewiesen (bzw. zu einem geringfügigen Teil zurückgewiesen). Der von den

Klägern erhobenen Berufung hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als

Berufungsgericht mit 7.7.2000, 34 R 183/00i, nicht Folge gegeben. In dem

Rechtsstreit ist es um eine Grundabtretung im so genannten „vereinfachten

Verfahren“ nach den §§ 15 ff. Liegenschaftsteilungsgesetz (im Folgenden LiegTeilG)

gegangen. Die Ergebnisse der Grundabtretung zugunsten eines Straßen -  bzw.

Brückenbaus in Gargellen wurden aufgrund eines Anmeldungsbogens des

Vermessungsamts Bludenz vom Bezirksgericht Montafon zu Nc 38/83 mit Beschluss

vom 22.12.1983 verbüchert. Die Kläger haben im Wesentlichen behauptet, dass

bisher weder eine Entschädigung für das Grundstück gezahlt noch der entgangene

Mietzins ersetzt worden sei. Der Grundbuchsbeschluss sei ihnen nicht zugestellt

worden. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat in seinem Urteil - entgegen dem

Prozessstandpunkt der Kläger - festgestellt, dass zwischen einem Voreigentümer

der betroffenen Liegenschaft und dem Land Vorarlberg privatrechtliche

Vereinbarungen getroffen worden seien. Auch sei ihnen der Grundbuchsbeschluss

zugestellt worden. Die von den Klägern gegen diese Feststellungen in ihrer

Berufung vorgebrachten Argumente erachtete das Landesgericht für

Zivilrechtssachen Wien nicht als entscheidungswesentlich, da der

Schadenersatzanspruch der Kläger gemäß § 20 LiegTeilG bereits verjährt sei.

 

Nach § 20 LiegTeilG in der derzeit noch geltenden Fassung verjähren

Schadenersatzansprüche der Eigentümer, Buchberechtigten oder sonstiger

Beteiligter, die aus Anlass der bücherlichen Durchführung der durch eine Anlage

verursachten Änderung erhoben werden, längstens innerhalb von drei Jahren nach

dem Tag, an dem der Beschluss erlassen wurde. Auf die Kenntnis des Schadens

durch den Eigentümer oder sonst Berechtigten und die Zustellung des

Grundbuchsbeschlusses stellt das Gesetz in seiner derzeitigen Fassung nicht ab.

 

Dieses Verjährungsregime und der damit verbundene Ausschluss weitergehender

Ansprüche der Buchberechtigten entsprechen nach meinem Dafürhalten nicht mehr

den zeitgemäßen Anforderungen an ein solches Verfahren. Daher habe ich - wie in

meinem Schreiben an die Obfrau des Justizausschusses angekündigt - den

Sachverhalt zum Anlass genommen, eine entsprechende Änderung der

Bestimmung des § 20 LiegTeilG im Rahmen des 1. Euro - Umstellungsgesetzes -

Bund vorzuschlagen. Im Einzelnen darf ich dazu auf Art. 66 Z 4 des

1. Euro - Umstellungsgesetzes - Bund, BGBl. I Nr. 9812001, verweisen. Demnach

orientieren sich die Verjährungsvorschriften für Schadenersatzansprüche aus dem

so genannten vereinfachten Verfahren in Hinkunft an der sachlich verwandten

Regelung des § 6 Abs. 1 AHG. Die Verjährung soll nicht mit der Erlassung des

Grundbuchsbeschlusses, sondern mit der Kenntnis des Schadens und des

Schädigers beginnen. Zudem soll eine „lange“ Verjährungsfrist von zehn Jahren für

den Fall eingezogen werden, dass dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt

geworden oder der Schaden aus einem Verbrechen entstanden ist. Die

Neuregelung wird - entsprechend den Schluss- und Übergangsbestimmungen des

Art. 96 des 1. Euro - Umstellungsgesetzes - Bund - mit 1. Jänner 2002 in Kraft treten.

Im Übrigen ist zu den einzelnen Fragen aus der Sicht des Bundesministeriums für

Justiz noch Folgendes auszuführen:

 

Zu 1 und 2:

Die Bestimmungen der Geschäftsordnung für die Gerichte erster und zweiter Instanz

(Geo.) über die Aufbewahrung von Akten kennen den Begriff „Enteignungsakten“

nicht. Festzuhalten ist, dass von den ordentlichen Gerichten auch keine

Enteignungsverfahren durchgeführt werden. "Enteignung“ ist die gänzliche oder

teilweise Entziehung des Eigentums im öffentlichen Interesse. Sie findet nur „in den

Fällen und in der Art“ statt, „die das Gesetz bestimmt“ (Art. 5 StGG). Die danach

erforderlichen sondergesetzlichen Grundlagen für Enteignungen finden sich etwa in

Regelungen für den Eisenbahn - , Straßen -  und Bergbau, für die

Elektrizitätswirtschaft sowie die Luftfahrt. Diese Sondergesetze enthalten dabei für

das „Enteignungsverfahren“ auch besondere (Verwaltungs - )

Verfahrensbestimmungen. Sieht ein Enteignungsgesetz keine besonderen

Verfahrensregeln vor, ist nach dem Verwaltungsentlastungsgesetz das

Eisenbahnenteignungsgesetz anzuwenden.

 

Von der Enteignung des Grundstücks strikt zu trennen ist die - durch die Gerichte -

vorzunehmende Verbücherung des Ergebnisses dieses Vorgangs. Hinsichtlich der

aktenmäßigen Behandlung dieser Verbücherung ist festzuhalten, dass es sich bei

allen Eingaben, mit denen eine grundbücherliche Einverleibung in Folge einer

(behaupteten) Enteignung beantragt wird, regelmäßig um Grundbuchsstücke (§ 448

Geo.) handeln wird. Die Aufbewahrungsfrist für solche Akten beträgt 30 Jahre (§ 74

Abs. 1 Z 4 Geo.). Die Grundbuchsakten sind in der Geschäftsabteilung bzw. im

Aktenlager bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist aufzubewahren. Im Übrigen

verweise ich im gegebenen Zusammenhang auf die Beantwortung der Fragen 4.

und 5.

 

Zu 3:

Ob der Verbücherung der Straßenanlage im vereinfachten Verfahren ein

Enteignungsverfahren vorangegangen ist und - falls ein solches stattgefunden

haben sollte - ob zwischen diesem und der Erlassung des gegenständlichen

Grundbuchsbeschlusses 14 Jahre vergangen sind, ist dem Bundesministerium für

Justiz nicht bekannt. Das Grundbuchsgericht hätte darauf jedenfalls keinen Einfluss,

da es mit der Angelegenheit erst durch den sogenannten Anmeldungsbogen des

Vermessungsamtes befasst wird, der die Grundlage der Verbücherung ist.

 

In dem der Anfrage zugrundeliegenden Verfahren ist der Anmeldungsbogen, mit

dem das Vermessungsamt Bludenz die Verbücherung der durch die Straßenanlage

herbeigeführten Eigentumsänderungen beantragt hat, beim Bezirksgericht Montafon

am 16.1.1980 eingegangen; dieses hat darüber mit Grundbuchsbeschluss vom

22.12.1983 entschieden.

Der Grund für die bis zum Einlangen des Anmeldungsbogens bei Gericht

verstrichene Zeit kann anhand der beigeschafften Gerichtsakten nicht beurteilt bzw.

festgestellt werden. Ein Aspekt könnte aber in der rechtlichen Bedeutung der

Sonderbestimmungen der §§ 15 if. LiegTeilG liegen. Diese dienen primär dazu, die

zahlreichen, aber geringfügigen Besitzänderungen, die im Rahmen von Straßen - ,

Weg -, Eisenbahn -  und Wasserbauten - sei es durch Einigung der Parteien, sei es

durch Ersitzung oder Enteignung - bereits vollzogen sind, im Grundbuch

durchzuführen. Regelmäßig kann dies erst nach Abschluss der betreffenden

Arbeiten und damit erst nach Vornahme der betreffenden Grundeinlösungen

erfolgen.

 

Zu 4 und 5:

Das Bundesministerium für Justiz ist bei der Vorbereitung meiner Stellungnahme an

die Vorsitzende des Justizausschusses davon ausgegangen, dass die

Grundbuchsakten des Bezirksgerichts Montafon bereits skartiert wurden. Das ergibt

sich aus einem Vermerk in den Akten 34 C 800/99x des Bezirksgerichts Innere Stadt

Wien.

Weitere vom Bundesministerium für Justiz veranlasste Erhebungen haben allerdings

ergeben, dass nicht die gesamten Grundbuchsakten, sondern nur die

Zustellausweise skartiert worden sind. Aus den mittlerweile vorliegenden Akten Nc

38/83 des Bezirksgerichts Montafon ergibt sich, dass die Zustellung des

Beschlusses vom 22.12.1983, mit dem aufgrund des Anmeldungsbogens des

Vermessungsamts Bludenz die entsprechenden Grundbuchseintragungen

angeordnet worden sind, zu eigenen Händen an „G... Herbert, Gargellen Xx, und

Mitbesitzer: G... Lore, G... Josefa, G... Gernold“ verfügt worden ist. Daneben wurde

weiters eine Zustellung an Oswald G... und Josefine G..., jeweils per Adresse

Gargellen Xx, als Buchberechtigte verfügt. Nach dem Abfertigungsvermerk wurden

die betreffenden Schriftstücke am 10.1.1984 abgefertigt. Nähere Angaben über

allfällige Zustellmängel sind im Hinblick auf die seither verstrichene Zeit nicht mehr

möglich, zumal die Zustellausweise gemäß § 174 Abs. 1 Z 7 Geo nach Ablauf der

Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren vernichtet wurden.

 

Zu 6:

Wer von den Erledigungen der Grundbuchsgesuche zu verständigen ist, ergibt sich

primär aus § 119 des Allgemeinen Grundbuchsgesetzes 1955. Insbesondere sind

danach - neben dem Antragsteller jene Personen zu verständigen, deren

bücherliche Rechte durch die Eintragung berührt werden. Eine ausdrückliche

gesetzliche Anordnung, dass von Eintragungen im Grundbuch jeweils auch die

Finanzbehörden zu verständigen wären, fehlt.

 

Die Grundbuchsgerichte sind zwar durch einen Erlass des Bundesministeriums für

Justiz angewiesen worden, von allen Grundbuchsbeschlüssen, mit denen (unter

anderem) eine Eintragung des Eigentumsrechts bewilligt wird, eine Ausfertigung

dem nach Lage des Grundstücks zuständigen Finanzamt zuzustellen; ohne dass

dies im Erlass ausdrücklich gesagt wird, ist der Eintragung des Eigentumsrechts die

Zuschreibung eines Grundstücks zur Grundbuchseinlage eines anderen

Eigentümers gleichzuhalten. Diese Zustellung dient jedoch der bloßen Information

des Finanzamts und kann ohne Zustellnachweis vorgenommen werden. Im

gegenständlichen Akt des Bezirksgerichts Montafon findet sich kein Hinweis, dass

eine solche Verständigung des Finanzamts stattgefunden hat, sie kann aber auch

nicht ausgeschlossen werden.

 

Zu 7 bis 11:

Im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleistete Unabhängigkeit der

Gerichte kommt es mir nicht zu, das Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens, vor

allem die Beweiswürdigung des Gerichtes, zu kommentieren. Insbesondere kann ich

aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles zur Frage, ob das Grundrecht

auf Eigentum verletzt worden ist, nicht Stellung nehmen. Die im Anlassverfahren

befassten Gerichte sind jedenfalls von einer privatrechtlichen Vereinbarung zur

Grundablöse mit den damaligen Grundeigentümern ausgegangen.

Zum Verfahren nach dem § 15 ff. LiegTeilG ist festzuhalten, dass es sich dabei um

ein Urkundenverfahren handelt. Im Fall der Verbücherung der durch den

Anmeldungsbogen von der Vermessungsbehörde mitgeteilten Besitzänderungen

bildet dieser Anmeldungsbogen als öffentliche Urkunde die Grundlage der

Verbücherung. Damit kommt der Vermessungsbehörde die wichtige und schwierige

Aufgabe zu, die Besitzänderungen, denen die verschiedensten Rechtstitel zugrunde

liegen können, der bestehenden Rechtslage gemäß im Anmeldungsbogen

mitzuteilen. Zur Tätigkeit der Vermessungsbehörden muss ich aber auf die

Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit verweisen.

 

Dem Grundbuchsgericht ist im Verfahren nach den § 15 if. LiegTeilG die Prüfung

der Richtigkeit der vorgelegten Urkunden oder des vorangegangenen

Verwaltungsverfahrens verwehrt. Nur zur Wertermittlung im Sinn des § 17 leg.cit.

hat das Grundbuchsgericht über die vorgelegten Urkunden hinausgehende einfache

Erhebungen zu pflegen. Dieser Umstand erklärt sich daraus, dass das vereinfachte

Verfahren nach den § 15 if. LiegTeilG grundsätzlich nur dann durchgeführt werden

darf, wenn der Wert der von jedem Grundbuchskörper abzuschreibenden

Grundstücke einen bestimmten Wert (zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des

Bezirksgerichts Montafon 30.000 S) nicht übersteigt. Das Bezirksgericht Montafon

hat diese Werterhebung im vorliegenden Fall durch die Vernehmung des

Bürgermeisters durchgeführt.

 

Der damalige oder heutige Wert des gegenständlichen Grundstücks kann aufgrund

der zur Verfügung stehenden Informationen nicht verlässlich festgestellt werden.

 

Zu 12:

Das über die Berechtigung eines Anspruchs auf Entschädigung nach den

Bestimmungen des Liegenschaftsteilungsgesetzes vor dem Bezirksgericht Innere

Stadt Wien bzw. dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien geführte Verfahren

ist rechtskräftig abgeschlossen. Die damit befassten Gerichte haben unter Hinweis

auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs den Anspruch der Kläger unter

Bezugnahme auf die besondere Verjährungsregelung des § 20 LiegTeilG

abgewiesen. Aus der Sicht des Bundesministeriums für Justiz besteht keine weitere

gesetzliche Grundlage für die Zahlung einer Entschädigung.

 

Zu 13:

Dazu darf ich auf meine einleitenden Ausführungen verweisen.