2652/AB XXI.GP

Eingelangt am: 03.09.2001

BM für soziale Sicherheit und Generationen

 

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage der

Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde, betreffend die psycho -

therapeutische Versorgung in Österreich sowie die Etablierung und Aus -

breitung von privaten Versorgungsvereinen nach dem Wiener Muster,

Nr. 2615/J, wie folgt:

 

Zunächst darf ich auf die in Kopie beiliegenden Stellungnahmen der Wiener Gebiets -

krankenkasse und des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungs -

träger verweisen die die Rechtsmeinung der Sozialversicherung zu den vorliegen -

den Fragen umfassend darlegen.

 

Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die Rechtsauffassung von Univ. Prof.

Dr. Mazal innerhalb der Sozialversicherung keineswegs unbestritten ist und auch die

gerichtlichen Verfahren derzeit noch kein eindeutiges Ergebnis zeigen. Wenngleich

ich Verständnis für die Position des ÖBPV habe wonach die in Rede stehenden

Vereinslösungen nicht zulässig seien, hat mein Haus die von Seiten der Sozial -

versicherung vorgebrachten Argumente nicht als denkunmöglich bezeichnet. in

Anbetracht der gesundheitspolitischen Bedeutung dieser Verträge zur Ermöglichung

bzw. Verbesserung der Inanspruchnahme von Psychotherapieleistungen als Sach -

leistung habe ich es daher für angebracht gehalten, die von der Berufsvertretung der

Psychotherapeuten formulierten Bedenken zunächst zurückzustellen. Die derzeit in

Geltung stehenden Vertragslösungen haben jedenfalls einen kostendämpfenden

Effekt auf alle psychotherapeutischen Leistungen, und zwar nicht nur hinsichtlich der

Versicherten bei jenen Krankenversicherungsträgern, die eine solche Vereinbarung

geschlossen haben, sondern auch auf die Versicherten anderer Krankenversiche -

rungsträger.

 

Ich halte gerade angesichts knapper finanzieller Ressourcen die Effektuierung

maximaler Versorgungspotenziale durch die Implementierung innovativer Modelle mit

günstiger Kostenrelation für diskussionswürdig. Ich gehe davon aus, dass das ur -

sprünglich vorgesehene Budgetvolumen für die psychotherapeutische Versorgung

von den Krankenversicherungsträgern bereitgestellt wird.

 

Selbstverständlich bin ich der Meinung, dass die primäre Lösung in dieser Frage der

Abschluss eines Gesamtvertrages zwischen den vom Gesetzgeber hiefür vorge -

sehenen Vertragspartnern wäre. Ich bin auch gerne bereit, im Rahmen meiner Mög -

lichkeiten eine derartige Lösung zu unterstützen, wenngleich die diesbezüglichen

Erwartungen angesichts der langen und wechselvollen Vorgeschichte der Vertrags -

verhandlungen nicht überspannt werden sollten, zumal ich eine Einigung der Ver -

tragsparteien weder substituieren noch erzwingen kann. Als Alternativszenario lasse

ich derzeit eine Bereinigung respektive Fortentwicklung der Rechtslage zur Klar -

stellung der im Gegenstand strittigen Vertragsrechtsfragen prüfen.

HAUPVERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNGSTRÄGER

 

      Der Gesamtvertrag über die Psychotherapie mit dem Vertragspartner Öster -

reichischer Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) ist letztlich daran gescheitert,

dass die Sozialversicherung mit dem ÖBVP keine Vertrauensbasis mehr hatte. Be -

kanntlich wurde in der Gremiumssitzung des ÖBVP gleichzeitig mit der (knapp zu -

standegekommenen) Zustimmung zum Gesamtvertragsentwurf eine Resolution be -

schlossen, jene Vertragsbestimmungen, die für die Sozialversicherung im Patien -

teninteresse als unabdingbar gelten, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu be -

kämpfen.

 

     Die - rechtlich umstrittene - formale Zurücknahme des Resolutionsbeschlus -

ses änderte nichts am Zweifel an einer konsequenten Vertragsumsetzung im ÖBVP

und an der Vertragstreue des ÖBVP. Die ablehnende Haltung einzelner Krankenver -

sicherungsträger war aber auch geprägt von der Sorge um die Finanzsituation der

sozialen Krankenversicherung, für die bis heute noch keine ausreichende politische

Lösung in Sicht ist.

 

      In den Jahren 1993 und 1997 ist ein Gesamtvertrag in den Gremien des

ÖBVP gescheitert. Inzwischen haben einige Träger flächendeckende Versorgungs -

strukturen aufgebaut.

 

      Das mittlerweile neue Präsidium des OBVP steht keineswegs zum bisher er -

zielten Verhandlungsergebnis - wesentliche Teile des Gesamtvertragsentwurfes

werden dezidiert abgelehnt. Statt dessen wird vom ÖBVP der Sozialversicherung

das Vereinsmodell in Tirol als neue Verhandlungsbasis vorgeschlagen.

 

     Nach dem Nichtzustandekommen des Gesamtvertrages hat die Sozialversi -

cherung bereits etablierte Wege der Sachleistungsversorgung weiter ausgebaut und

konnte etwa mit den Wiener Vereinsverträgen eine substantielle Versorgungsver -

besserung erreicht werden.

 

      Die Psychotherapie als Sachleistung wird sehr gut angenommen, die Verei -

ne in Wien sorgen für eine rasche und effiziente Abwicklung. Eine Versorgungsver -

schlechterung durch Beendigung der Vereinsarbeit wäre nicht nur eine Katastrofe für

die behandelten Patienten, sondern auch ein grosser Rückschlag für die Psychothe -

rapie in Österreich.

 

      Der ÖBVP ist über die Landesverbände in Wien, Oberösterreich, Burgenland

und Tirol längst in die Vereinslösungen aktiv miteingebunden. Sollten daher Vereins -

verträge - wie im Übrigen nicht zu erwarten ist - als wettbewerbswidrig gerichtlich

verboten werden, träfe dies die Psychotherapeuten und ihre Berufsvertretung selbst.

Auch das vom ÖBVP propagierte Vereinsmodell in Tirol wäre sohin zu Ende.

 

      Wir wiederholen die schon bekannte Auffassung, dass die umfassende

Rechtsfähigkeit der Krankenversicherungsträger diesen auch ermöglicht, Versor -

gungsverträge mit Leistungserbringern abzuschließen, die als „andere Vertragspart -

ner“ nicht explizit im ASVG angeführt sind. Für den Fall, dass kein Gesamtvertrag

zustandekommt liegt es im Versorgungsinteresse, Verträge über andere Versor -

gungsformen abzuschließen (vgl. Anfrage, Pkt. 1).

      Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, sind diese Verträge keinesfalls wett -

bewerbswidrig, weil der wesentliche Beweggrund, warum die Krankenversicherungs -

träger nach Scheitern des Abschlusses eines Gesamtvertrages das Vereinsmodell

forcieren, in der Absicht liegt, die Versorgung zu verbessern (vgl. den in den Verfah -

ren zuletzt ergangenen letztinstanzlichen [nur mehr mit a.o. Revisionsrekurs be -

kämpfbaren] Beschluss des OLG Graz vom 13. Juni 2001, 6 R 92/01 y).

 

      MAZAL (in: RdM 2001, S.35 ff) begründet seine Meinung, wonach den

Krankenversicherungsträgern ausschließlich die Gesamtvertrags -  bzw. Schablonen -

vertrags (Schablone für Einzelverträge) - schiene zur Verfügung stünde, nicht. Alleine

die Detailliertheit des Regelungswerks des ASVG zeige seiner Ansicht nach die ad -

äquate Beachtung verteilungs -  und wettbewerbspolitischer Aspekte (vgl. MAZAL,

aao, S.37 letzter Absatz, ohne Nachweise).

 

      Die - wie sich in den bisherigen Verfahrensergebnissen vor den Gerichten

gezeigt hat - angesichts der Versorgungsnotwendigkeiten überhaupt erst sekundäre

Frage der formalen Zulässigkeit von Vereinsverträgen ist in den Hauptverfahren

noch nicht ausjudiziert.

 

      Wir erlauben uns daher, unseren Standpunkt zusammenzufassen:

 

      Die Krankenversicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts

mit eigener Rechtspersönlichkeit können grundsätzlich (nach allgemeinen privat -

rechtlichen Grundsätzen) zur Erbringung der gesetzlich vorgesehenen Leistungen

Verträge mit allen Anbietern abschließen, welche aufgrund der berufsrechtlichen

Vorschriften die Leistungen erbringen dürfen.

 

      So hat auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einem an das

Amt der Kärntner Landesregierung gerichteten Schreiben vom 17. März 1992,

Zl. 26.105/3 - 5/92, Folgendes festgehalten: „Die Träger der gesetzlichen Krankenver -

sicherung sind in ihrer Eigenschaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit

eigener Rechtspersönlichkeit und grundsätzlicher autonomer und eigenverantwortli -

cher Geschäftsführung prinzipiell zum Abschluss von privatrechtlichen Verträgen

jedweder Art berechtigt, wenn ein solcher Vertragsabschluss unter Beachtung der

gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen des Vollzuges ihrer Aufgaben erfolgt".

      Für bestimmte Vertragspartnergruppen enthält das Gesetz Vorschriften, in

welcher Art diese Verträge abzuschließen sind (§ 338 Abs. 1 ASVG: „nach Massga -

be der folgenden Bestimmungen"). Hinsichtlich der Institutionenverträge besteht da -

her Vertragsfreiheit nach allgemeinem Zivilrecht.

 

      Wir weisen darauf hin, dass sich im niederösterreichischen (Provison -

al)verfahren das LG St. Pölten unserer Rechtsmeinung angeschlossen hat (vgl. Be -

schluss vom 20. Februar 2001,1 Cg 33/01h, 5. 17f). Das den erstinstanzuchen Be -

schluss aus formellen Gründen (wegen Nichtbeachtung von angebotenen Beschei -

nigungsmitteln) aufhebende OLG Wien (Beschluss v. 25.5.2001, 4 R 69/01y) unter -

lässt rechtliche Darstellungen zur formellen Zulässigkeit von Vereinsverträgen. Das

Gericht deutet an, dass nach ständiger Rspr. des OGH selbst bei - keineswegs noch

erwiesener - Unzulässigkeit ein Wettbewerbsverstoß nur dann vorliegt, wenn die Ge -

setzesverletzung in subjektiv vorwerfbarer Missachtung des Gesetzes verwirklicht

wird.

 

      Die nunmehr jüngste Entscheidung in den vom ÖBVP angestrengten Ge -

richtsverfahren, nämlich jene o.g. des OLG Graz bestätigt nicht die im erstinstanzli -

chen Beschluss des LG Graz genannte Rechtsmeinung, wonach es sich bei den (in

der Steiermark geplanten) Vereinsverträgen um „Umgehungsgeschäfte“ handeln

würde.

 

     Das OLG Graz hält vielmehr fest, dass der ÖBVP auf das Argument der

(fehlenden) Wettbewerbsabsicht nicht eingeht und daher schon aus folgendem

Grund der Rekurs des ÖBVP abzuweisen war:

 

     Der wesentliche Beweggrund, das Vereinsmodell nach Scheitern des Ab -

schlusses eines Gesamtvertrages durchzuführen, liegt für die Steiermärkische Ge -

bietskrankenkasse darin, die (möglichst kostengünstige) Verbesserung der Versor -

gung der Bevölkerung mit psychotherapeutischen Leistungen entsprechend dem

gesetzlichen Leistungsauftrag zu gewährleisten. Es ist dabei nicht beabsichtigt, ein -

zelne bzw. Gruppen von PsychotherapeutInnen zu bevorzugen oder zu benachteili -

gen.

     Der Vollständigkeit halber wird vom OLG Graz auch die Aktivlegitimation des

ÖBVP als nicht gegeben erachtet.

 

     Die kommenden Entscheidungen in den Verfahren werden daher abzuwar -

ten sein. Derzeit besteht keinerlei Veranlassung, an den Vereinslösungen zu rütteln.

Es gibt sogar laut den bisherigen Beschlüssen gute Gründe, dass die Rechtsstand -

punkte der beklagten Krankenversicherungsträger (und der beklagten Vereine) ver -

treten werden können.

 

     Abschließend merken wir zur Anfrage an:

 

     Neben dem berufspolitischen Interesse des ÖBVP (vgl. Anfrage, Pkt. 3) hat

im Vordergrund das Interesse nach Deckung des Bedarf der Patienten an psycho -

therapeutischer Versorgung zu stehen. Einige Landesverbände des ÖBVP haben

beiden Interessen Rechnung getragen und tragen die Vereinslösungen mit. Der

ÖBVP selbst propagiert das Vereinsmodell in Tirol.

 

     Es gibt keine Zweckbindung der Mittel für bestimmte Teilbereiche der sozia -

len Krankenversicherung; die gesetzlichen Aufgaben sind im Rahmen des Möglichen

umfassend wahrzunehmen (vgl. Anfrage, Pkt. 5).

 

     Aus Sicht des Hauptverbandes ist das BMSG weiterhin bestrebt, Chancen

für neuerliche Gesamtvertragsverhandlungen auszuloten und zu fördern (vgl. Anfra -

ge, Pkt. 2 u. 4).

Wiener Gebietskrankenkasse

 

Bezugnehmend auf die gegenständliche Parlamentarische Anfrage, deren wesentlichste

Inhalte nicht von der Wiener Gebietskrankenkasse, sondern vom Bundesministerium beant -

wortet werden müssen, ergänzen wir Ihrem Wunsch entsprechend unsere bisherigen aus -

führlichen rechtlichen Erläuterungen zur Frage der Zulässigkeit der von der Wiener Gebiets -

krankenkasse getroffenen Vereinbarungen.

 

Rechtsausführungen im Gutachten

 

Bei der rechtlichen Betrachtung muss vorausgeschickt werden, dass das von

Univ. - Prof. Mazal verfasste Rechtsgutachten vom Österreichischen Bundesverband für Psy -

chotherapie privat in Auftrag gegeben wurde und diesem nach herrschender Lehre zur ZPO

(Fasching, Gaisbauer, u.a.) im Prozess nicht der objektive Beweiswert eines Sachverständi -

gengutachtens zukommen kann. Es ist zwar verständlich, dass sich einer der mit diesem

Rechtsproblem konfrontierten Richter - vielleicht vor allem der Komplexität dieser Materie

wegen - den Ausführungen des Gutachters angeschlossen hat; dass die Ausführungen des

Gutachters deshalb auch einer Überprüfung durch die letzte Instanz standhalten können, ist

damit aber nicht gesagt.

Dies umso weniger, als dabei ein zentraler Punkt, auf dem das vorliegende Gutachten auf -

baut, ohne ihn überhaupt hinterfragt zu haben ebenso ungeprüft übernommen wird: nämlich

die Frage, wann ein Umgehungsgeschäft vorliegt.

 

Nach gängiger Rechtsprechung liegt das Wesen eines Umgehungsgeschäftes darin, dass

durch seinen Abschluss im Ergebnis der Zweck, den ein Gesetz mit bestimmten Geboten

bzw. Verboten zu erreichen versucht, vereitelt wird (OGH in 1Ob 201/99m).

 

Die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu den gemäß § 135 ASVG infrage

kommenden Leistungserbringern sind laut § 338 Abs 1 ASVG durch privatrechtliche Verträge

zu regeln. Der Zweck dieser Verträge ist durch § 338 Abs. 2 ASVG klar determiniert: „Durch

die Verträge nach (§ 333) Abs. list die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer

anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehen Lei -

stungen sicherzustellen.

 

Alle gemäß den Bestimmungen des 6. Teiles des ASVG vom Versicherungsträger abge -

schlossenen Verträge (egal, ob Gesamtvertrag oder Einzelvertrag etc.) haben somit nur ein

Ziel: die Sicherstellung der gesetzlich vorgegebenen Leistungen.

 

Deklariertes Ziel eines zwischen dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversiche -

rungsträger und dem ÖBVP abgeschlossenen potentieller Gesamtvertrages sowie der von

der Wiener Gebietskrankenkasse abgeschlossenen Vereinsverträge ist die Sicherstellung

psychotherapeutischer Behandlung für die Versicherten im Sinne des gesetzlichen Auftrages

als Sachleistung.

 

Sowohl ein potentieller Gesamtvertrag als auch die abgeschlossenen Vereinsverträge errei -

chen damit das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel gleichermaßen was das Vorliegen

eines Umgehungsgeschäftes im Sinne der ständigen Rechtsprechung ausschließt.

 

Anzumerken ist nicht zuletzt, dass von einem Umgehungsgeschäft überhaupt wohl nur die

Rede sein kann, wenn dieses von denselben Parteien (Beteiligten, Vertragspartnern) getätigt

würde wie das vom Gesetzgeber eigentlich erwünschte und vorgegebene Rechtsgeschäft.

 

Dies trifft im gegenständlichen Fall allerdings nicht zu: Vertragspartner der Vereinsverträge

sind die Wiener Gebietskrankenkasse und die beiden Vereine - der durch den Abschluss

dieser Verträge nach Ansicht des Gutachters umgangene Gesamtvertrag hätte nach dem

Gesetz zwischen dem Hauptverband und dem ÖBVP abgeschlossen werden müssen.

Gleichsam als Alternative zum Gesamtvertrag ist vom Gesetzgeber der Abschluss Einzel -

verträgen mit freiberuflich tätigen Psychotherapeuten vorgesehen. Diese können jedoch -

ebenso wie der Gesamtvertrag - für den Sozialversicherungsträger (konkret die Wiener Ge -

bietskrankenkasse) nur durch den Hauptverband abgeschlossen werden. Sollte die Möglich -

keit der Sachleistungsversorgung für psychotherapeutische Behandlung durch die einzelnen

Sozialversicherungsträger tatsächlich, wie im Gutachten festgestellt wird, auf die in

§ 349 ASVG enthaltenen Regelungen beschränkt werden müssen und andersartige Vertrag -

liche Konstrukte nicht zulässig sein, würde dies einen Widerspruch in sich ergeben; die So -

zialversicherungsträger hätten einen gesetzlichen Leistungsauftrag zu erfüllen, was aber im

konkreten Fall ohne Mitwirkung des Hauptverbandes jedoch nicht möglich ist.

 

Es liegt hier eine offensichtliche planwidrige Unvollständigkeit der gesetzlichen Bestimmun -

gen (Gesetzeslücke) vor, die nur durch Analogie zu lösen ist - nämlich durch Bezugnahme

auf § 338 ASVG und damit durch den Abschluss eines Vertrages zwischen dem betreffen -

den Sozialversicherungsträger und einem anderen Vertragspartner im Sinne der genannten

Gesetzesstelle. § 349 Abs. 2 gibt keine Auskunft auf die Frage, wie der Sozialversiche -

rungsträger vorzugehen hat, wenn er wegen der Nichteinigung der vom Gesetz zum Ge -

samt -  bzw. Einzelvertragsabschluss autorisierten Partner gleichsam „blockiert“ ist.

 

Da der Gesetzgeber in § 349 Abs. 2 ASVG lediglich vorgesehen hat, dass der Hauptverband

für den Fall, dass der Abschluss eines Gesamtvertrages scheitert, Einzelverträge abschlie -

ßen kann, andererseits aber in § 338 Abs. 2 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht wird,

dass eine ausreichende Versorgung der Versicherten durch privatrechtliche Verträge sicher -

zustellen ist, ergibt sich als argumentum e contrario folgende Konsequenz: Hat der Haupt -

verband von dem ihm gemäß § 349 Abs. 2 ASVG eingeräumten Ermessensspielraum keinen

Gebrauch gemacht und ist daher der Aufbau einer Sachleistungsversorgung für die An -

spruchsberechtigten unterblieben, so muss es wohl zulässig sein, dass der betreffende So -

zialversicherungsträger hier „einspringt“ und seinem gesetzlichen Leistungsauftrag mit den

ihm gemäß § 338 ASVG eingeräumten Mitteln des Privatrechtes nachkommt; dies gilt im

Übrigen umso mehr, als sich aus der Systematik des Gesetzes ergibt, dass gerade die in

§ 338 ASVG bezeichneten privatrechtlichen Verträge von den einzelnen Sozialversiche -

rungsträgern jeweils selbst (also ohne Mitwirkung des Hauptverbandes) abzuschließen sind.

 

An dieser Stelle muss nochmals betont werden, dass die vorliegenden Vereinsverträge auch

nach ihrem Inhalt keine Gesamtverträge darstellen; § 342 Abs. 1 ASVG enthält eine Auf -

zählung jener Regelungsinhalte, welche - sinngemäß - in jedem Fall vorliegen müssen, um

den betreffenden Vertrag als Gesamtvertrag qualifizieren zu können.

Weder die Anzahl der beteiligten Therapeuten (§ 341 Abs. 1 Z 1), noch deren Auswahl sowie

mit diesen zu treffende Abmachungen (§ 341 Abs. 1 Z 2) sind im Vereinsvertrag geregelt und

es liegt auch zwischen dem Therapeuten und dem Sozialversicherungsträger abgeschlosse -

ner Einzelvertrag vor - was für die Qualifikation als Gesamtvertrag absolut essentiell wäre.

Die vertraglichen Beziehungen zwischen Therapeuten und Verein liegen außerhalb des

Einfussbereiches der Wiener Gebietskrankenkasse und können grundsätzlich alle privat -

rechtlich zulässigen und zu den Vereinsverträgen nicht kontraproduktiven Regelungen tref -

fen.

 

Zu dem vom Gutachter ins Treffen geführten Argument, ein Verein könne kein „anderer Ver -

tragspartner“ i.S § 338 Abs. 1 ASVG sein, ist folgendes zu bemerken: Der Terminus „anderer

Vertragspartner" wird im ASVG nicht näher bestimmt, was bedeutet, dass als solcher grund -

sätzlich jede zum Abschluss von privatrechtlichen Verträgen berechtigte natürliche oder juri -

stische Person, die Leistungen aus dem Titel der gesetzlichen Krankenversicherung erbrin -

gen kann, dafür infrage kommt.

 

Es gibt kein nachvollziehbares Argument dafür, warum ein Verein als zum Abschluss privat -

rechtlicher Verträge berechtigte juristische Person nicht als „anderer Vertragspartner“ im

Sinne der zitierten gesetzlichen Bestimmung qualifiziert werden sollte.

 

Die vom Gutachter als Beleg für seine Einschätzung herangezogenen Bestimmungen über

die Kostenerstattung (§§ 131a und b ASVG) stehen in keinerlei Bezug zu § 338 ASVG; ein

Verein könne kein „anderer Vertragspartner“ sein, nicht zielführend begründet werden (Sei -

ten 5/6 des Gutachtens): In diesem Zusammenhang wird im Gutachten lediglich gezeigt,

dass die Gesetzessystematik zum Begriff „anderer Vertragspartner“ offenbar nicht konse -

quent ist, was gerade die vom Gutachter vorgeschlagene weite Auslegung des § 131b ASVG

auch für § 338 Abs. 1 ASVG zulässt und daher möglich macht, einen Verein als „anderen

Vertragspartner“ anzusehen. Unterstützt werden kann diese Auffassung auch durch den

funktionalen Aspekt, dass ein gemeinnütziger Verein (wie die Vertragspartner der Wiener

Gebietskrankenkasse) ja nicht auf Gewinn ausgerichtet sein darf und daher auch aus diesem

Grund nichts gegen die Einbeziehung von Vereinen in die Reihe der als juristische Personen

möglichen Vertragspartner der Sozialversicherungsträger spricht.

 

Wenn vom Gutachter schließlich in Punkt 4.4 des Gutachtens die Ansicht vertreten wird,

dass ein Verein auch deshalb nicht als „anderer Vertragspartner“ angesehen werden könne,

weil dies „absurd“ sei, so muss dem entgegengehalten werden, dass diese „Absurdität“ in -

nerhalb des derzeitigen Sachleistungsversorgungssystemes aller Sozialversicherungsträger

auch vom Bundesministerium anerkannte gängige Praxis und es auch nicht anzunehmen ist,

dass der Aufbau einer adäquaten Sachleistungsversorgung der Versicherten mit einer so

wichtigen Leistung wie der Psychotherapie letztlich an einer offensichtlichen Planwidrigkeit

im Gesetz scheitern sollte.

 

Auf die im Gutachten angestellten Mutmaßungen über die angebliche Absicht, Schablonen -

verträge vermeiden zu wollen bzw. über die Effekte der Vereinsverträge auf Krankenversi -

cherungsträger bzw. im Verein zusammengeschlossener Psychotherapeuten (Seiten 17 - 19),

ist hier mangels rechtlicher Relevanz nicht einzugehen.

 

Dem Vorwurf, dass die Vereinstherapeuten durch den Vertrag einen Wettbewerbsvorteil

hätten, muss in diesem Zusammenhang entschieden entgegengetreten werden: Ein Thera -

peut, welcher einem der beiden Vereine angehört, erhält von der Wiener Gebietskranken -

kasse etwa die Hälfte des Honorares, das bei freier Honorarvereinbarung von psychothera -

peutischen Patienten üblicherweise pro Stunde bezahlt werden muss. Wo hier der

Wettbewerbsvorteil für die im Verein zusammengeschlossenen Therapeuten liegen soll,

bleibt völlig im Dunkeln.

 

Zusammenfassend ergibt sich nun folgendes Bild: Durch den Abschluss der Verträge mit

den beiden Vereinen erfolgte keineswegs die Umgehung der ASVG - Bestimmungen zum

Vertragspartnerrecht; vielmehr wurde der seit 1992 existierende Geseztesauftrag „Psycho -

therapie auf Krankenschein“ sicherzustellen erfüllt.

 

Gerichtsentscheidungen

 

Was die bisher vorliegenden Entscheidungen der Gerichte anlässlich der in der Steiermark

und Niederösterreich laufenden Verfahren (in Wien gibt es bis dato keine Entscheidung) an -

geht, ist folgendes festzustellen.

 

Das OLG Graz hat dem vom ÖBVP gegen den Beschluss des LG für ZRS Graz, mit dem die

Klageslegitimation des ÖBVP verneint wurde, erhobenen Rekurs durch Beschluss vom

13. Juni 2001 nicht stattgegeben; auf den Inhalt des Klagebegehrens (die Frage der Recht -

mäßigkeit der Vereinsverträge) wurde darin nicht Bezug genommen.

Das LG für ZRS Graz seinerseits hatte sich in rechtlicher Hinsicht den Ausführungen des

Gutachtens angeschlossen und wie folgt argumentiert:

 

Der Vertrag Krankenversicherungsträger - Verein ist ein Dienstverschaffungsvertrag und

„zweifellos kein Gesamtvertrag iSv § 349 Abs. 2 ASVG. Dieser Vertrag könnte seinem Inhalt

nach ohne weiters als Schablonenvertrag oder als Einzelvertrag auf Grundlage eines Ge -

samtvertrages fungieren. Faktum ist jedoch auch hier, dass die gesetzlichen Vorausset -

zungen für das Zustandekommen jenes Vertrages, dem der vorliegende Vertrag seinem In -

halt nach entspricht, nicht gegeben sind: Ein Schablonenvertrag liegt nicht vor, weil als Ver -

tragspartner nicht der Träger der Krankenversicherung agiert und der Vertrag nicht unter

Mitwirkung des Hauptverbandes zustande gekommen ist; und ein Einzelvertrag

iSv § 349 iVm §§ 343 ff ASVG liegt nicht vor, weil kein Gesamtvertrag existiert, auf dem der

Einzelvertrag basieren könnte.“

 

Die vom Gericht wie vom Gutachter aus dieser Feststellung gezogene Schlussfolgerung,

dass damit eine Umgehung des Vertragspartnerrechts erfolge, kann von der Wiener Ge -

bietskrankenkasse aus den zuvor genannten Gründen nicht nachvollzogen werden.

 

Die bloße Existenz des Dienstverschaffungsvertrages (die ja nirgendwo bestritten wird - we -

der ein Gericht noch der Gutachter stellen die Existenz der Vereinsverträge infrage) kann

dessen Gesetzwidrigkeit wohl nicht indizieren. Im Gegenteil: Sollte man die Rechtsnorm, auf

deren Grundlage der Dienstverschaffungsvertrag abgeschlossen wird, bezeichnen, kommt

dafür wohl nur § 338 ASVG infrage - woraus erkennbar ist, dass die von den Krankenversi -

cherungsträgern gewählte Vorgangsweise dem ASVG eben nicht widerspricht.

 

Das OLG Wien, welches mit Beschluss vom 25. Mai 2001 die Entscheidung des LG St. Pöl -

ten aus formalen Gründen aufgehoben hat, hat die Rechtsausführungen des LG St. Pölten

übernommen und festgestellt, dass „der Hauptverband der Sozialversicherungsträger bei

Abschluss vom im Gesetz vorgesehen Gesamtverträgen privatrechtlich“ handle. „Ähnliches

müsse auch für die einzelnen Träger der Krankenversicherung, hier für die beklagte Partei

(i.e. die NÖGKK), dann gelten, wenn beabsichtigt sei, mit schon gegründeten oder noch zu

gründenden Vereinen Verträge zu schließen.“

 

Auch aus dieser Feststellung ergibt sich klar, dass die den Krankenversicherungsträgern

vom ÖBVP vorgeworfene Rechtswidrigkeit von Vereinsverträgen nicht besteht, da das vom

Gericht konstatierte und auf den konkreten Fall bezogene privatrechtliche Handeln (der Ab -

schluss eines Vertrages zwischen Krankenversicherungsträger und Verein) durch

§ 338 ASVG legitimiert ist.

 

Aus Sicht der Wiener Gebietskrankenkasse besteht daher kein Grund, sich den rechtlichen

Ausführungen des Gutachters (der was nicht zu vergessen ist  - im Auftrag des ÖBVP tätig

ist) anzuschließen.

 

Für die Wiener Gebietskrankenkasse besteht nach derzeitiger Rechtslage vielmehr keine

andere Möglichkeit, den gesetzlichen Auftrag, eine Sachleistungsversorgung für psychothe -

rapeutische Behandlung der Versicherten sicherzustellen, zu erfüllen, als die zur Diskussion

stehenden Vereinsverträge abzuschließen.