2746/AB XXI.GP

Eingelangt am: 12.09.2001

 

BUNDESMINISTERIUM

FÜR SOZIALE SICHERHEIT UND GENERATIONEN

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage der

Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend Verbesserung

der Situation von Aphasikern, Nr. 2793/J, wie folgt:

 

Einleitend wird aus medizinischer Sicht Folgendes angemerkt:

Bei Aphasie handelt es sich grundsätzlich um das Unvermögen zu Sprechen auf

Grund eines cerebralen Geschehens. Von Aphasie spricht man im medizinischen

Sprachgebrauch nicht, wenn die Ursache Störungen oder Krankheiten der unmittel -

baren Sprechorgane (Stimmbänder, Kehlkopf) sind. Es gibt zwei grundlegend unter -

schiedliche Aphasieformen, deren Ursache immer ein cerebrales Geschehen

(Schlaganfall bzw. Gehirnblutung) ist.

 

M o t o r i s c h e   A p h a s i e: Bedingt durch Ausfälle der zentralen Steuerung kann der

Sprechvorgang nicht ausgeführt (gesteuert) werden, obwohl die unmittelbaren

Sprechorgane unversehrt und grundsätzlich funktionstüchtig sind. Der Befehl, einen

bestimmten Laut zu Formen, kann nicht erzeugt oder weitergeleitet werden. Das

Erfassen der Worte und deren Sinnes, das passive Verstehen oder auch das Lesen

und Schreiben ist üblicherweise uneingeschränkt erhalten.

S e n s o r i s c h e   A p h a s i e (Wortfindungsstörung): Bedingt durch eine Schädigung

des zentralen Sprachzentrums verliert der Betroffene die Fähigkeit, den Sinn von

Worten zu erfassen. Laute und auch Worte können an sich geformt und "ausgespro -

chen" werden, sind jedoch sinnlos. Auch das passive Wortverständnis, Lesen und

Schreiben fehlen oder sind schwer beeinträchtigt.

Logopädische Behandlungen können vorwiegend bei Erkrankungen der motorischen

Aphasie als Therapieversuch angewendet werden. Der Erfolg hängt jedoch weitge -

hend von der Restitutio der geschädigten Gehirnzellen bzw. dem Erlernen neuer

Wege des Gehirns ab.

Frage 1:

Da im Bereich der sozialen Krankenversicherung keine Erfassung aller Krankheits -

fälle nach Diagnosen erfolgt und über die Häufigkeit von Aphasien in Österreich

auch keine epidemiologischen Daten vorliegen, können keine gesicherten Daten zur

Verfügung gestellt werden. Aus Vergleichsdaten kann man grobe Schätzungen an -

stellen, wonach in Österreich jährlich 1750 Menschen vorwiegend im Rahmen von

Schlaganfällen eine Aphasie erleiden. Zum Zeitpunkt der Spitalsaufnahme besteht

bei knapp 40 % der Patienten mit Schlaganfällen eine Aphasie (siehe Ann. Neurol.

38(4)659 - 666,1995). Bei der Entlassung weisen ca. 50 % dieser Patienten noch

eine Restaphasie auf.

 

Fragen 2 und 3:

Die Frage nach der Anzahl der Menschen, die an Aphasie leiden und Pflegegeld

beziehen, kann nicht mit konkreten Zahlen beantwortet werden, da die Pensionsver -

sicherungsträger bei Auszahlung des Pflegegeldes nicht erfassen, welche Krankheit

der Grund für die Pflegebedürftigkeit des Versicherten ist. Dies deshalb, weil das

Pflegegeld als pauschalierte pflege - und bedarfsbezogene Leistung bis auf einige

definierte Ausnahmen nicht in Bezug zu einer definierten Diagnose steht. Da Apha -

sien im Regelfall nicht als isolierte Erkrankung, sondern im Zusammenhang mit

anderen Ausfallserscheinungen nach Schlaganfällen oder Hirnblutungen auftreten,

erscheint es auch nicht zweckmäßig, einen direkten Zusammenhang zwischen dem

Bezug von Pflegegeld und einer Aphasie herzustellen, zumal meist - insbesondere

im Hinblick auf eine allfällige Pflegebedürftigkeit - die anderen Ausfallserscheinungen

im Vordergrund stehen.

Aus den genannten Gründen ist es auch nicht sinnvoll, Aphasie von den übrigen

Ausfallerscheinungen isoliert zu betrachten.

 

Frage 4:

Der in den §§ 40 if des Bundesbehindertengesetzes (BBG) vorgesehene Behinder -

tenpass dient allgemein als Nachweis einer Behinderung. Auf diesen Lichtbildaus -

wels, der auf Antrag von den Bundessozialämtern ausgestellt wird, haben Personen

mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. einen Anspruch. Die

Schaffung eines gesonderten Ausweises für bestimmte Behinderungsformen

erscheint nicht zielführend.

 

Fragen 5 und 6:

Die logopädische Versorgung erfolgt zumeist im Rahmen der Rehabilitation durch

die Pensionsversicherungsträger. Ambulante Logopädie wird einerseits von Spe -

zialorganisationen und andererseits von freiberuflichen, diplomierten Logopäden

erbracht. Da die Versorgung vielfach im Wege von Hausbesuchen erfolgt, werden

auch Patienten außerhalb von Ballungszentren erfasst. Im Rahmen der Erstellung

des österreichischen Gesundheitsplans wird eine umfassende Planung der Versor -

gungsinfrastruktur auch unter Berücksichtigung der regionalen Erreichbarkeit der

Leistungsangebote betrieben.

Für Patienten nichtösterreichischer Muttersprache gibt es z.B. im Raum Wien,

Niederösterreich und Burgenland Angebote einer nicht deutschsprachigen Aphasie -

therapie (siehe www.logopaedie - wnb.at).

Frage 7:

Manche Versicherungsträger haben die Möglichkeit der Verlängerung des Kranken -

geldbezuges von 52 Wochen auf 78 Wochen satzungsmäßig geregelt. Vorausset -

zung für eine Verlängerung des Krankengeldbezuges in diesen Fällen ist, dass auf -

grund einer chef(kontroll)ärztlichen Begutachtung das Erreichen der Arbeitsfähigkeit

des Versicherten bzw. dessen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu erwar -

ten ist. Dabei kann die Aphasle nicht getrennt von anderen Problemen der Neurore -

habilitation betrachtet werden. In Österreich besteht auf diesem Gebiet, vor allem

auch was die Betreuung geriatrischer Patienten betrifft, ein gewisser Nachholbedarf,

wobei diese Frage in Zukunft einen wichtigen Punkt bei der Färderung der geriatri -

schen Versorgung bilden wird.

 

Frage 8:

Es ist davon auszugehen, dass die behandelnden Ärzte nach der Akutversorgung

auch die notwendigen Schritte in Richtung einer nachfolgenden Rehabilitation ein -

leiten.

Zusätzlich wurde im österreichischen Krankenanstaltenplan durch die Einrichtung

von so genannten „stroke units“ eine spezialisierte Betreuung von Schlaganfallpati -

enten sichergestellt. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt in einer optimierten

Akuttherapie, deren Ziel es ist, das betroffene Areal im Gehirn möglichst klein zu

halten. Die Behandlung liegt in intensiven und ausreichend lang andauernden Reha -

bilitationsmaßnahmen, wobei für die Aphasiebehandlung die logopädische Betreu -

ung ausschlaggebend ist.

Die soziale Krankenversicherung informiert und berät ihre Versicherten ebenfalls im

Rahmen des Kundenservices. Die Koordination der meist umfassend notwendigen

Krankenbehandlung wird für die soziale Krankenversicherung durch die niedergelas -

senen Vertragspartner wahrgenommen. Durch diese Maßnahme ist eine ausrei -

chende Information von Patientinnen mit jeglicher Behinderung sichergestellt.

 

Frage 9:

Für die betroffenen PatientInnen und ihre Angehörigen wäre es sicher von Vorteil,

wenn in der Öffentlichkeit mehr Verständnis für Probleme im Zusammenhang mit

Aphasie geschaffen werden könnte. Dies stellt einen Aufgabenbereich der entspre -

chenden Arbeitskreise auf universitärer und wissenschaftlicher Ebene dar, wobei

auch das Engagement von Selbsthilfegruppen in diesem Bereich positiv hervorzuhe -

ben ist.

Informationen über Schlaganfälle, Erkennung, Behandlung, Rehabilitation inklusive

der Aphasie sowie Adressen von Selbsthilfegruppen finden sich auf der Homepage

der österreichischen Gesellschaft für Schlaganfallforschung (www.schlaganfall -

info.at).