14 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 17. 1. 2000

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 69/1998, wird wie folgt geändert:

1. § 171 Abs. 2 lautet:

“(2) Mitgliedstaaten im Sinne des V. Teiles sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die anderen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.”

2. Dem § 206 werden folgende Abs. 7 und 8 angefügt:

“(7) Die Bestimmungen des V. Teiles gelten nicht für Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen,

           1. die erst im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 171 Abs. 2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes in den Geltungsbereich des V. Teiles fallen, und

           2. in denen vor dem 15. Dezember 1999 eine für alle im Unternehmen bzw. in der Unter­nehmensgruppe in den Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmer geltende Vereinbarung abge­schlossen wurde, die eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vorsieht.

(8) Auf Vereinbarungen gemäß Abs. 7 sind die Abs. 2 bis 6 anzuwenden, wobei an die Stelle des in Abs. 1 genannten Stichtages der in Abs. 7 genannte Stichtag tritt.”

3. Dem § 208 wird folgender Abs. 10 angefügt:

“(10) Die §§ 171 Abs. 2 und 206 Abs. 7 und 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/XXXX treten mit 15. Dezember 1999 in Kraft.”

Vorblatt


Problem:

Die Richtlinie 97/74/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zur Ausdehnung der Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen auf das Vereinigte Königreich ist von Österreich bis zum 15. Dezember 1999 umzusetzen.

Lösung:

Umsetzung der Richtlinie 97/74/EG.

Inhalt:

Zur Verwirklichung des genannten Zieles enthält der Entwurf Bestimmungen über:

1.  Ausdehnung des Geltungsbereiches der Europäischen Betriebsverfassung auf das Vereinigte König­reich.

2.  Absicherung der bis zum Inkrafttretensdatum abgeschlossenen eigenständigen Vereinbarungen über eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer.

Alternativen:

Keine.

Die Richtlinie 97/74/EG dehnt den Geltungsbereich der Richtlinie 94/45/EG auf das Vereinigte Königreich aus. Da schon die Richtlinie 94/45/EG durch eine Novelle zum Arbeitsverfassungsgesetz umgesetzt wurde, hat auch die Ausdehnung ihres Geltungsbereiches im Arbeitsverfassungsgesetz zu erfolgen.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

1. Auswirkungen auf die Beschäftigung in den direkt bzw. indirekt betroffenen Betrieben bzw. Branchen:

Die Novelle dehnt den Geltungsbereich des V. Teiles des Arbeitsverfassungsgesetzes (Europäische Betriebsverfassung) auf das Vereinigte Königreich aus und stellt insoweit gemeinschaftsweit operierende Unternehmen und Unternehmensgruppen (Konzerne), die einen Betrieb oder ein Unternehmen im Vereinigten Königreich haben, mit anderen gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen gleich.

Transnationale Informations- und Beratungsrechte der Arbeitnehmer ermöglichen die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen bei wichtigen Unternehmensentscheidungen und können daher beschäftigungswirksam sein, wobei eine Berechnung dieser Auswirkungen im Einzelnen nicht möglich ist.

2. Allfällige administrative, preis- und kostenmäßige Be- oder Entlastungen für Unternehmen, Kunden, Bürger und/oder Verwaltungsbehörden (Bund, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen):

Die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates oder eines anderen Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer ist für das Unternehmen mit der Pflicht zur Tragung der Kosten der Geschäftsführung dieser Einrichtung verbunden; diese Kostentragungspflicht entspricht den Anforderungen der Richtlinie, gilt also im gesamten Anwendungsbereich der Richtlinie, das ist der Europäische Wirtschaftsraum.

Diese Pflicht trifft grundsätzlich das leitende Unternehmen; aus dem vorliegenden Entwurf entsteht daher eine Kostenbelastung für ein in Österreich ansässiges Unternehmen nur dann, wenn es ein Unternehmen mit Niederlassungen im Vereinigten Königreich ist.

3. Wettbewerbsfähigkeit (Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Österreich):

Im Hinblick auf die europaweite Geltung der Europäischen Betriebsrats-Richtlinie ist mit besonderen Auswirkungen auf Österreich nicht zu rechnen.

Finanzielle Auswirkungen:

Die Vollziehung des Arbeitsverfassungsgesetzes liegt im Wesentlichen bei den Gerichten, sodass allenfalls Belastungen durch entsprechende Prozessführungen eintreten könnten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Regelung der Mitbestimmungsrechte nur einen Rahmen vorgibt, ihre konkrete Ausgestaltung jedoch den Parteien überlässt. Es ist daher zu erwarten, dass Streitigkeiten aus dem Arbeitsverfassungsgesetz – wie auch schon die bisherige Erfahrung beweist – zum Großteil auf dem Verhandlungsweg und nur selten vor den Gerichten ausgetragen werden.


Kosten für den Bund oder ein Land könnten insoweit entstehen, als der Bund oder das Land als Inhaber von dem Arbeitsverfassungsgesetz unterliegenden Unternehmen unmittelbar aus dem Gesetz verpflichtet wird; insoweit ist er aber jedem anderen Unternehmen gleichgestellt.

EG- (bzw. EU-)Konformität:

Der vorliegende Entwurf setzt die Richtlinie 97/74/EG (CELEX Nr.: 397L0074) um.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Die Richtlinie 97/74/EG des Rates zur Ausdehnung der Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen auf das Vereinigte Königreich wurde am 15. Dezember 1997 verabschiedet; sie verpflichtet Österreich zur innerstaatlichen Umsetzung bis zum 15. Dezember 1999.

Dementsprechend sieht der vorliegende Entwurf die Ausdehnung des Geltungsbereiches der Europäischen Betriebsverfassung auf das Vereinigte Königreich vor.

Unternehmen und Unternehmensgruppen, die mit der Einbeziehung des Vereinigten Königreichs erstmals in den Geltungsbereich der Europäischen Betriebsverfassung fallen und in denen bereits vor dem 15. Dezember 1999 (Zeitpunkt des Inkrafttretens der Umsetzungsvorschriften) eine für alle im Unternehmen bzw. in der Unternehmensgruppe beschäftigten Arbeitnehmer geltende Vereinbarung abgeschlossen wurde, die eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vorsieht, sind vom Anwendungsbereich der Europäischen Betriebsverfassung ausgenommen.

Zu den Bestimmungen im Einzelnen siehe die folgenden Erläuterungen.

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung der Regelungen des Entwurfs gründet sich auf den Kompetenztatbestand “Arbeitsrecht” (Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG).

Besonderer Teil

Die Änderungen dienen der Umsetzung der Richtlinie 97/74/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zur Ausdehnung der Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen auf das Vereinigte Königreich. Die genannte Richtlinie bestimmt in ihrem Art. 4 Abs. 1, dass sie spätestens binnen zwei Jahren, also bis zum 15. Dezember 1999, in innerstaatliches Recht umzusetzen ist; dementsprechend sieht § 208 Abs. 10 ArbVG auch das Inkrafttreten der Umsetzungsvorschriften zu diesem Zeitpunkt vor. Eine ähnliche – kurze – Rückwirkung war auch mit der Umsetzung der “Stamm-Richtlinie” (RL 94/45/EG) verbunden; diese hat in der Praxis zu keinen Schwierigkeiten geführt.

Anpassungsbedarf ist in zwei Punkten gegeben: Erstens ist der Geltungsbereich der Europäischen Betriebsverfassung durch die Einbeziehung des Vereinigten Königreichs in die Definition der Mitgliedstaaten in § 171 Abs. 2 auszudehnen; dies erfolgt durch die Streichung der Bezugnahme auf das Abkommen über die Sozialpolitik im Anhang des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, das das Vereinigte Königreich als einziger Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht unterzeichnet hat.

Zweitens ist Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen, die mit der Einbeziehung des Vereinigten Königreichs, also mit 15. Dezember 1999, erstmals in den Geltungsbereich der Europäischen Betriebsverfassung fallen würden, die Möglichkeit zu geben, durch Abschluss einer Vereinbarung die Anwendung dieser Bestimmungen für ihren Bereich auszuschließen. Eine solche Vereinbarung ist nach § 206 Abs. 7 aber nur dann gültig, wenn sie vor dem 15. Dezember 1999 abgeschlossen wurde, für alle im Unternehmen bzw. in der Unternehmensgruppe in den Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmer gilt (vgl. aber die Möglichkeit der nachträglichen Einbeziehung von Arbeitnehmern gemäß § 206 Abs. 3) und eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vorsieht. Im Übrigen sind auf diese Vereinbarung die schon für Vereinbarungen nach § 206 Abs. 1 geltenden Bestimmungen anzuwenden (§ 206 Abs. 8).

 

 

 

 


Textgegenüberstellung

                                                      Geltende Fassung:                                                                                                           Vorgeschlagene Fassung:      


Z 1:

Z 1:


§ 171. (1) …

§ 171. (1) …


(2) Mitgliedstaaten im Sinne des V. Teiles sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die das Abkommen über die Sozialpolitik im Anhang des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet haben, sowie die Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes.

(2) Mitgliedstaaten im Sinne des V. Teiles sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die anderen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.


(3) bis (6) …

(3) bis (6) …


 

Z 2:


 

§ 206. (1) …


 


 

(7) Die Bestimmungen des V. Teiles gelten nicht für Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen,

                                                                                               1.                                                                                               die erst im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 171 Abs. 2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes in den Geltungsbereich des V. Teiles fallen, und

                                                                                               2.                                                                                               in denen vor dem 15. Dezember 1999 eine für alle im Unternehmen bzw. in der Unternehmensgruppe in den Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmer geltende Vereinbarung abgeschlossen wurde, die eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vorsieht.


 

(8) Auf Vereinbarungen gemäß Abs. 7 sind die Abs. 2 bis 6 anzuwenden, wobei an die Stelle des in Abs. 1 genannten Stichtages der in Abs. 7 genannte Stichtag tritt.


 

Z 3:


 

§ 208. (1) …


 


 

(10) Die §§ 171 Abs. 2 und 206 Abs. 7 und 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/XXXX treten mit 15. Dezember 1999 in Kraft.