31 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 28. 2. 2000

Regierungsvorlage


Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union samt Erklärungen der Republik Österreich


ÜBEREINKOMMEN

auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN dieses Übereinkommens, nämlich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union –

UNTER BEZUGNAHME auf den Rechtsakt des Rates vom 10. März 1995,

IN DEM WUNSCH, die justitielle, strafrechtliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowohl bei der Strafverfolgung als auch bei der Strafvollstreckung zu verbessern,

IN ANERKENNUNG der Bedeutung der Auslieferung im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit für die Verwirklichung dieser Zielsetzungen,

IN DER ÜBERZEUGUNG, daß es erforderlich ist, das Auslieferungsverfahren zu vereinfachen, soweit dies mit den wesentlichen Grundsätzen ihres innerstaatlichen Rechts und den Prinzipien der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vereinbar ist,

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, daß die Person, gegen die sich das Ersuchen richtet, in zahlreichen Auslieferungsverfahren der Übergabe nicht widerspricht,

IN ANBETRACHT DESSEN, daß es in diesen Fällen wünschenswert ist, die Dauer des Auslieferungsverfahrens und der Auslieferungshaft auf ein Mindestmaß zu verringern,

IN DER ERWÄGUNG, daß es daher zweckmäßig ist, die Anwendung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 durch Vereinfachung und Verbesserung des Auslieferungsverfahrens zu erleichtern,

IN DER ERWÄGUNG, daß die Bestimmungen des Europäischen Auslieferungsübereinkommens für alle Fragen, die nicht in diesem Übereinkommen geregelt werden, weitergelten –

SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1

Allgemeine Bestimmungen

(1) Mit diesem Übereinkommen soll die Anwendung des Europäischen Auslieferungsübereinkom­mens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch Ergänzungen der Vorschriften jenes Übereinkommens erleichtert werden.

(2) Absatz 1 berührt nicht die Anwendung günstigerer Bestimmungen zwei- oder mehrseitiger Abkommen, die zwischen den Mitgliedstaaten in Kraft sind.

Artikel 2

Verpflichtung zur Übergabe

Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, einander die Personen, nach denen zum Zwecke der Ausliefe­rung gefahndet wird, in dem vereinfachten Verfahren, wie es in diesem Übereinkommen vorgesehen ist, zu übergeben, sofern diese Personen und der ersuchte Staat gemäß diesem Übereinkommen hierzu ihre Zustimmung gegeben haben.

Artikel 3

Bedingungen der Übergabe

(1) Nach Artikel 2 ist jede Person, gegen die ein Ersuchen um vorläufige Verhaftung nach Artikel 16 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vorliegt, nach Maßgabe der Artikel 4 bis 11 sowie des Artikels 12 Absatz 1 zu übergeben.

(2) Für die Übergabe nach Absatz 1 bedarf es nicht der Vorlage eines Auslieferungsersuchens und der erforderlichen Unterlagen gemäß Artikel 12 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens.

Artikel 4

Zu übermittelnde Informationen

(1) Für die Unterrichtung der in Haft genommenen Person gemäß den Artikeln 6 und 7 sowie der zuständigen Behörde gemäß Artikel 5 Absatz 2 werden folgende vom ersuchenden Staat zu übermittelnde Informationen als ausreichend angesehen:

           a) die Identität der verfolgten Person,

          b) die um die Festnahme ersuchende Behörde,

           c) das Bestehen eines Haftbefehls oder einer Urkunde mit gleicher Rechtswirkung oder eines rechtskräftigen Urteils,

          d) die Art und die rechtliche Würdigung der strafbaren Handlung,

           e) die Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, einschließlich der Zeit, des Ortes und der Art der Täterschaft der verfolgten Person,

           f) soweit möglich, die Folgen der Straftat.

(2) Erweisen sich die in Absatz 1 vorgesehenen Informationen als unzureichend für die Geneh­migung der Übergabe durch die zuständige Behörde des ersuchten Staates, so kann ungeachtet des Absatzes 1 um ergänzende Informationen ersucht werden.

Artikel 5

Zustimmung und Genehmigung

(1) Die in Haft genommene Person gibt ihre Zustimmung gemäß den Artikeln 6 und 7.

(2) Die zuständige Behörde des ersuchten Staates erteilt ihre Genehmigung gemäß ihren innerstaat­lichen Verfahren.

Artikel 6

Unterrichtung der Person

Wird eine Person, nach der zum Zwecke der Auslieferung gefahndet wird, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats in Haft genommen, so unterrichtet die zuständige Behörde nach ihrem innerstaat­lichen Recht diese Person über das gegen sie gerichtete Ersuchen sowie über die ihr gebotene Möglich­keit, ihrer Übergabe an den ersuchenden Staat im vereinfachten Verfahren zuzustimmen.

Artikel 7

Entgegennahme der Zustimmung

(1) Die in Haft genommene Person erklärt ihre Zustimmung und gegebenenfalls ihren ausdrücklichen Verzicht auf den Schutz des Grundsatzes der Spezialität vor den zuständigen Justizbehörden des ersuchten Staates nach dessen innerstaatlichem Recht.

(2) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit die Zustimmung und gegebenen­falls der Verzicht nach Absatz 1 unter Bedingungen entgegengenommen werden, die erkennen lassen, daß die Person sie freiwillig und in vollem Bewußtsein der sich daraus ergebenden Folgen bekundet hat. Zu diesem Zweck hat die in Haft genommene Person das Recht, einen Rechtsbeistand beizuziehen.

(3) Die Zustimmung und gegebenenfalls der Verzicht nach Absatz 1 werden nach dem im innerstaat­lichen Recht des ersuchten Staates vorgesehenen Verfahren zu Protokoll genommen.

(4) Die Zustimmung und gegebenenfalls der Verzicht nach Absatz 1 sind unwiderruflich. Die Mit­gliedstaaten können bei Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkun­den in einer Erklärung darauf hinweisen, daß die Zustimmung und gegebenfalls der Verzicht nach den anwendbaren Vorschriften des innerstaatlichen Rechts widerruflich sein können. In diesem Fall wird der Zeitraum zwischen der Mitteilung der Zustimmung und ihres Widerrufs bei der Berechnung der in Artikel 16 Absatz 4 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vorgesehenen Fristen nicht berück­sichtigt.

Artikel 8

Mitteilung der Zustimmung

(1) Der ersuchte Staat teilt dem ersuchenden Staat unverzüglich die Zustimmung der Person mit. Damit der ersuchende Staat gegebenenfalls ein Auslieferungsersuchen stellen kann, teilt ihm der ersuchte Staat spätestens zehn Tage nach der vorläufigen Festnahme mit, ob die Person ihre Zustimmung erteilt hat oder nicht.

(2) Die Mitteilung nach Absatz 1 erfolgt unmittelbar zwischen den zuständigen Behörden.

Artikel 9

Verzicht auf den Schutz des Grundsatzes der Spezialität

Jeder Mitgliedstaat kann bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde oder zu jedem anderen Zeitpunkt erklären, daß die Bestimmungen des Artikels 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens nicht gelten, wenn die Person gemäß Artikel 7 dieses Über­einkommens

           a) ihre Zustimmung zu der Auslieferung gegeben hat; oder

          b) ihre Zustimmung zu der Auslieferung gegeben und ausdrücklich auf den Schutz des Grundsatzes der Spezialität verzichtet hat.

Artikel 10

Mitteilung der Auslieferungsentscheidung

(1) Abweichend von Artikel 18 Absatz 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens erfolgen die Mitteilung über die nach dem vereinfachten Verfahren getroffene Auslieferungsentscheidung sowie die Übermittlung von Informationen betreffend dieses vereinfachte Verfahren unmittelbar zwischen der zuständigen Behörde des ersuchten Staates und der Behörde des Staates, der um vorläufige Verhaftung ersucht hat.

(2) Die Mitteilung gemäß Absatz 1 erfolgt spätestens 20 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem die Person zugestimmt hat.

Artikel 11

Übergabefrist

(1) Die Übergabe der Person erfolgt spätestens 20 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem die Entschei­dung über die Auslieferung im vereinfachten Verfahren nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 2 mitgeteilt worden ist.

(2) Wird die Person in Haft gehalten, so wird sie nach Ablauf der in Absatz 1 vorgesehenen Frist im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates freigelassen.

(3) Kann die Person aus Gründen höherer Gewalt nicht innerhalb der in Absatz 1 vorgesehenen Frist übergeben werden, so teilt die in Artikel 10 Absatz 1 genannte betroffene Behörde dies der anderen Behörde mit. Sie vereinbaren einen neuen Zeitpunkt für die Übergabe. In diesem Falle findet die Über­gabe innerhalb von 20 Tagen nach dem vereinbarten neuen Zeitpunkt statt. Befindet sich die betreffende Person nach Ablauf dieser Frist weiterhin in Haft, so wird sie freigelassen.

(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten nicht, wenn der ersuchte Staat Artikel 19 des Europäischen Auslie­ferungsübereinkommens anwenden möchte.

Artikel 12

Zustimmung nach Ablauf der in Artikel 8 vorgesehenen Frist oder unter anderen Umständen

(1) Gibt die Person ihre Zustimmung nach Ablauf der in Artikel 8 vorgesehenen Frist von zehn Tagen, so

            – führt der ersuchte Staat das vereinfachte Verfahren wie es in diesem Übereinkommen vorgesehen ist durch, wenn ihm noch kein Auslieferungsersuchen im Sinne von Artikel 12 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens zugegangen ist;

            – kann der ersuchte Staat dieses vereinfachte Verfahren anwenden, wenn ihm in der Zwischenzeit ein Auslieferungsersuchen im Sinne von Artikel 12 des Europäischen Auslieferungsübereinkom­mens zugegangen ist.

(2) Ist ein Ersuchen um vorläufige Verhaftung nicht gestellt worden oder ist die Zustimmung nach Eingang des Auslieferungsersuchens erklärt worden, so kann der ersuchte Staat das vereinfachte Verfah­ren wie es in diesem Übereinkommen vorgesehen ist anwenden.

(3) Jeder Mitgliedstaat gibt bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in einer Erklärung an, ob und unter welchen Bedingungen er beabsichtigt, Absatz 1 zweiter Gedankenstrich und Absatz 2 anzuwenden.

Artikel 13

Weiterlieferung an einen anderen Mitgliedstaat

Findet der Grundsatz der Spezialität entsprechend der Erklärung des Mitgliedstaats gemäß Artikel 9 auf die ausgelieferte Person keine Anwendung, so gilt Artikel 15 des Europäischen Auslieferungsüberein­kommens nicht für die Weiterlieferung dieser Person an einen anderen Mitgliedstaat, sofern in der genannten Erklärung nicht etwas anderes bestimmt ist.

Artikel 14

Durchlieferung

Für die Durchlieferung im Sinne des Artikels 21 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens gilt, wenn es sich um eine Auslieferung nach dem vereinfachten Verfahren handelt, folgendes:

           a) in Dringlichkeitsfällen kann das Ersuchen zusammen mit den in Artikel 4 genannten Informa­tionen dem Durchlieferungsstaat durch jedes Nachrichtenmittel, das Schriftspuren hinterläßt, übermittelt werden. Der Durchlieferungsstaat kann seine Entscheidung auf demselben Wege mitteilen;

          b) die in Artikel 4 genannten Informationen reichen aus, um der zuständigen Behörde des Durch­lieferungsstaats die Möglichkeit zu geben festzustellen, daß es sich um ein vereinfachtes Aus­lieferungsverfahren handelt, und um gegenüber der ausgelieferten Person die zur Durchführung der Durchlieferung erforderlichen Zwangsmaßnahmen zu treffen.

Artikel 15

Bestimmung der zuständigen Behörden

Jeder Mitgliedstaat teilt bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in einer Erklärung mit, welches die zuständigen Behörden im Sinne der Artikel 4 bis 8, 10 und 14 sind.

Artikel 16

Inkrafttreten

(1) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung. Die Rati­fikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretariat des Rates der Euro­päischen Union hinterlegt. Der Generalsekretär des Rates notifiziert die Hinterlegung dieser Urkunden allen Mitgliedstaaten.

(2) Dieses Übereinkommen tritt 90 Tage nach der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde durch den Mitgliedstaat, der diese Förmlichkeit als letzter vornimmt, in Kraft.

(3) Jeder Mitgliedstaat kann bis zum Inkrafttreten dieses Übereinkommens bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde oder zu jedem anderen Zeitpunkt erklären, daß dieses Übereinkommen für ihn gegenüber den Mitgliedstaaten, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben, 90 Tage nach der Hinterlegung seiner Erklärung anwendbar wird.

(4) Jede nach Artikel 9 abgegebene Erklärung wird 30 Tage nach ihrer Hinterlegung, frühestens jedoch am Tage des Inkrafttretens dieses Übereinkommens oder seiner Anwendung gegenüber dem betroffenen Mitgliedstaat, wirksam.

(5) Dieses Übereinkommen gilt nur für Ersuchen, die nach dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens oder der Anwendung zwischen dem ersuchten und dem ersuchenden Staat vorgelegt werden.

Artikel 17


Beitritt

(1) Dieses Übereinkommen steht allen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union werden, zum Beitritt offen.

(2) Der Wortlaut dieses Übereinkommens, der vom Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union in der Sprache des beitretenden Staates erstellt und von allen Mitgliedstaaten gebilligt wird, ist gleichermaßen verbindlich wie die übrigen authentischen Fassungen. Der Generalsekretär übermittelt jedem Mitgliedstaat eine beglaubigte Abschrift dieses Wortlauts.

(3) Die Beitrittsurkunden werden beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union hinterlegt.

(4) Dieses Übereinkommen tritt für jeden Staat, der ihm beitritt, 90 Tage nach der Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde oder aber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens in Kraft, wenn dieses beim Ablauf des genannten 90-Tage-Zeitraums noch nicht in Kraft getreten ist.

(5) Ist dieses Übereinkommen zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Beitrittsurkunde noch nicht in Kraft getreten, ist Artikel 16 Absatz 3 auf die beitretenden Mitgliedstaaten anwendbar.

ZU URKUND DESSEN haben die unterzeichneten Bevollmächtigten ihre Unterschriften unter dieses Übereinkommen gesetzt.

GESCHEHEN zu Brüssel am zehnten März neunzehnhundertfünfundneunzig in einer Urschrift in dänischer, deutscher, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, nieder­ländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; die Urschrift wird im Archiv des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Union hinterlegt. Der Generalsekretär übermittelt jedem Mitgliedstaat eine beglaubigte Abschrift dieser Urschrift.


ERKLÄRUNGEN DER REPUBLIK ÖSTERREICH

zu dem Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

1. Gemäß Artikel 9 erklärt Österreich, daß die Bestimmungen des Artikels 14 des Europäischen Aus­lieferungsübereinkommens nicht gelten, wenn die Person gemäß Artikel 7 dieses Übereinkommens ihre Zustimmung zu der Auslieferung gegeben hat.

2. Gemäß Artikel 12 Absatz 3 erklärt Österreich, daß es das in dem Übereinkommen vorgesehene vereinfachte Auslieferungsverfahren auf die Fälle anwenden wird, in denen ein Auslieferungsersuchen nach Artikel 12 Absatz 1 zweiter Spiegelstrich und Absatz 2 gestellt worden ist.

3. Gemäß Artikel 15 erklärt Österreich, daß die zuständigen Behörden im Sinne des Übereinkom­mens die folgenden sind:

           a) im Sinne der Artikel 6 bis 8 und 10:

               – der Gerichtshof erster Instanz, in dessen Sprengel die Person ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat,

               – in Ermangelung eines solchen Wohnsitzes oder Aufenthaltes: der Gerichtshof erster Instanz, in dessen Sprengel die Person betreten wurde oder sich in gerichtlicher Haft befindet;

          b) im Sinne der Artikel 4, 5 Absatz 2 und 14: der Bundesminister für Justiz.

4. Gemäß Artikel 16 Absatz 3 erklärt Österreich, daß dieses Übereinkommen bis zu seinem Inkraft­treten gegenüber den Mitgliedstaaten, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben, anwendbar ist.

Vorblatt

Problem:

Im Rahmen der Europäischen Union wurde das Übereinkommen über das vereinfachte Auslieferungs­verfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erarbeitet, welches am 10. März 1995 von sämtlichen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde. Dieses Übereinkommen sieht im wesentlichen vor, daß die Auslieferung mit Zustimmung der auszuliefernden Person bereits auf der Grundlage des Fahndungsersuchens bewilligt werden kann. Eine derartige Möglichkeit besteht nach österreichischem Recht bereits auf der Grundlage des § 32 Abs. 1 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes, BGBl. Nr. 529/1979, idF BGBl. Nr. 762/1996. Daneben wird die Durchführung des Auslieferungsverfahrens und die Übergabe der gesuchten Person an den ersuchenden Staat durch das erwähnte Übereinkommen an kurze Fristen gebunden, wodurch die Dauer der Auslieferungshaft verringert werden kann. Derartige Regelungen bestehen nach österreichischem Recht bisher nicht.

Problemlösung:

Ratifikation des Übereinkommens über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitglied­staaten der Europäischen Union durch Österreich.

Ziel:

Verringerung der Dauer der Auslieferungsverfahren und der in diesem Zusammenhang verhängten Auslieferungshaft durch Schaffung der Möglichkeit der Bewilligung der Auslieferung bereits auf der Grundlage des Fahndungsersuchens im Fall der Zustimmung der auszuliefernden Person; Einführung des unmittelbaren Geschäftsweges zwischen den zuständigen Behörden.

Alternativen:

Keine.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Sonderkundmachung gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG.

EU-Konformität:

Ist gegeben.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine. Durch die zu erwartende Verringerung der Dauer der Auslieferungsverfahren und der in diesem Zusammenhang verhängten Auslieferungshaft im Fall der Zustimmung der auszuliefernden Person zur vereinfachten Auslieferung wird vielmehr eine gewisse Budgetentlastung eintreten, welche allerdings durch die raschere Überstellung der von Österreich gesuchten Personen aufgewogen werden dürfte.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Das vorliegende Übereinkommen (ABl. C 78, 30. 3. 1995, S 2) ist gesetzändernd und gesetzesergänzend und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung des Nationalrats. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Das Übereinkommen enthält keine verfassungsändernden oder -ergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Nach Abschluß eines Fehlerberichtigungsverfahrens (siehe Berichtigungsprotokoll in Anlage zu den Erläuterungen), das zu einer Unterbrechung der Ratifikationsvorbereitung geführt hat, liegt nunmehr die deutsche Fassung des Übereinkommens vor.

Das Übereinkommen und die Erklärungen der Republik Österreich werden in deutscher Sprache im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Hinsichtlich der ebenfalls authentischen Textfassungen des Überein­kommens in dänischer, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, nieder­ländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache wäre vom Nationalrat anläßlich der Genehmigung zu beschließen, daß dieses gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundgemacht werden, daß sie im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Die Justizminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich auf der Ministertagung vom 28. September 1993 in Limelette auf eine Erklärung geeinigt, in der sie Leitlinien für die Verbesserung der Regelungen betreffend die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten festgelegt haben. Diese Erklärung wurde vom Rat (Justiz und Inneres) auf seiner Tagung am 29. und 30. November 1993 angenommen. In der erwähnten Erklärung wurde den nach Titel VI des Vertrages über die Europäische Union zuständigen Arbeitsgremien unter anderem der Auftrag erteilt, die mögliche Vereinfachung und Beschleunigung der Auslieferungsverfahren im Einklang mit den Grundprinzipien des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten zu prüfen.

Auf Grund dieses Auftrages wurde das Übereinkommen über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erarbeitet, welches vom Rat (Justiz und Inneres) mit Rechtsakt vom 10. März 1995 angenommen und am selben Tag von den Vertretern der Regierungen sämtlicher Mitgliedstaaten der Union unterzeichnet wurde.

Bisher haben sechs Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Dänemark, Deutschland, Finnland, Portugal, Schweden, Spanien) das Übereinkommen ratifiziert.

Diesem Übereinkommen liegen folgende Überlegungen zugrunde: aus den statistischen Angaben, die im Laufe der Beratungen bei den Mitgliedstaaten eingeholt wurden und die (unter Zugrundelegung des Bezugsjahres 1992) die Anzahl der Auslieferungsfälle und die durchschnittliche Dauer der Auslieferungs­verfahren zwischen den Mitgliedstaaten betrafen, ging hervor, daß bei den etwa 700 Auslieferungs­ersuchen, die die damaligen Mitgliedstaaten untereinander abwickelten, in mehr als 30% der Fälle die Person, gegen die das Ersuchen gerichtet war, ihrer Auslieferung zustimmte. Trotz dieser Zustimmung dauerte das Auslieferungsverfahren auch in jenen Fällen, in denen gegen die betreffende Person im ersuchten Staat kein Strafverfahren anhängig war, relativ lange. Angesichts dieser Feststellungen hielt es der Rat für wünschenswert, in derartigen Fällen die Dauer des Auslieferungsverfahrens und der Ausliefe­rungshaft auf ein Mindestmaß zu verringern. Dementsprechend gelangte der Rat zu der Schlußfolgerung, daß ein angemessenerer Rechtsrahmen festgelegt werden sollte, um eine raschere Auslieferung für den Fall zu ermöglichen, daß die betreffende Person ihrer Auslieferung zustimmt.

Hiebei wird von folgendem Grundsatz ausgegangen: Liegen die Zustimmung der betroffenen Person und die Genehmigung der zuständigen Behörde des ersuchten Staates vor, so erfolgt die Übergabe der Person, ohne daß ein Auslieferungsersuchen gestellt werden muß und ohne daß das förmliche Auslieferungs­verfahren zur Anwendung gelangt. Die Übergabe der gesuchten Person an den ersuchenden Staat hat spätestens 40 Tage nach dem Tag zu erfolgen, der auf den Zeitpunkt der Zustimmung der betreffenden Person zur Auslieferung folgt.

Das gegenständliche Übereinkommen bietet einen flexiblen Rechtsrahmen, da das vorgesehene Verfahren in jedem Fall der Genehmigung durch die zuständigen Behörden des ersuchten Staates und deren Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit bedarf.

Die Ratifikation des Übereinkommens wird auf den Bundeshaushalt keine belastenden Auswirkungen haben.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1:

Abs. 1 stellt den ergänzenden Charakter des gegenständlichen Übereinkommens zum Europäischen Aus­lieferungsübereinkommen vom 13. 12. 1957, BGBl. Nr. 320/1969, (in der Folge: Auslieferungsüberein­kommen) klar. Daraus ergibt sich, daß dessen Bestimmungen für sämtliche Fragen, die in dem vorliegen­den Übereinkommen nicht geregelt werden, weitergelten. Dies gilt insbesondere für die Voraussetzungen der Auslieferung.

In Abs. 2 wird festgelegt, daß Abs. 1 nicht die Anwendung günstigerer Bestimmungen zwei- oder mehr­seitiger Abkommen, die zwischen einigen Mitgliedstaaten in Kraft stehen, berührt.

Zu Artikel 2:

In diesem Artikel ist das Grundprinzip des Übereinkommens festgelegt, nämlich die Verpflichtung zur Übergabe der Personen, nach denen zum Zweck der Auslieferung gefahndet wird, im vereinfachten Verfahren, sofern die Zustimmung der betreffenden Personen nach Art. 5 ff. des Übereinkommens und die Genehmigung der zuständigen Behörde des ersuchten Staates gemäß Art. 5 Abs. 2 leg. cit. vorliegen.

Zu Artikel 3:

Abs. 1 betrifft den Fall, auf den das Übereinkommen in erster Linie abstellt, nämlich die Auslieferung im vereinfachten Verfahren im Anschluß an die Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft über eine Person auf der Grundlage eines Ersuchens gemäß Art. 16 des Auslieferungsübereinkommens beziehungs­weise auf Grund einer Ausschreibung im Schengener Informationssystem (in der Folge: SIS) gemäß Art. 95 des Schengener Durchführungsübereinkommens (in der Folge: SDÜ).

Abs. 2 stellt klar, daß es für die Übergabe im vereinfachten Verfahren nicht der Übermittlung eines formellen Auslieferungsersuchens und der erforderlichen Unterlagen nach Art. 12 des Auslieferungsüber­einkommens bedarf. Die Übergabe erfolgt vielmehr auf der Grundlage der in Art. 4 des Übereinkommens angeführten Informationen, die in dem Ersuchen um Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft bzw. in der Ausschreibung einer Person im SIS zur Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung gemäß Art. 95 SDÜ enthalten sind.

Zu Artikel 4:

Diese Bestimmung enthält die vom ersuchenden Staat zu übermittelnden Informationen, welche die Anwendung des vereinfachten Auslieferungsverfahrens ermöglichen. Sie entsprechen im wesentlichen denjenigen, die für die Ausschreibung einer Person im SIS erforderlich sind. Zusätzlich aufgenommen wurden Informationen zur Identität der verfolgten Person.

Diese Informationsübermittlung bezweckt einerseits die Unterrichtung der verhafteten Person, um die Grundlage für deren Zustimmung zur Übergabe zu schaffen, und andererseits die Unterrichtung der zuständigen Behörde des ersuchten Staates, um diesem die Entscheidung über die Bewilligung der Auslieferung im vereinfachten Verfahren zu ermöglichen.

Abs. 2 dieses Artikels sieht allerdings vor, daß die zuständige Behörde des ersuchten Staates um ergänzende Informationen ersuchen kann, wenn sich die übermittelten Informationen als unzureichend für die Genehmigung der Übergabe erweisen. Diese Ausnahmeregelung darf jedoch keinesfalls zu einer Beeinträchtigung der Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens führen, wonach im Rahmen des vereinfachten Verfahrens die Vorlage der nach Art. 12 des Auslieferungsübereinkommens erforderlichen Unterlagen nicht verlangt werden darf.

Zu Artikel 5:

In diesem Artikel wird geregelt, auf welche Weise die Zustimmung der gesuchten Person zur Aus­lieferung im vereinfachten Verfahren und die Genehmigung durch die zuständige Behörde des ersuchten Staates zu erteilen sind. Die Zustimmung der betroffenen Person ist dabei nach Maßgabe der Art. 6 und 7 des Übereinkommens zu erteilen. Abs. 2 stellt klar, daß hinsichtlich der Genehmigung der zuständigen Behörde des ersuchten Staates dessen innerstaatliches Verfahren zur Anwendung kommt.

Zu Artikel 6:

Nach diesem Artikel müssen die Mitgliedstaaten eine in Auslieferungshaft genommene Person über das gegen sie gerichtete Fahndungs- oder Auslieferungsersuchen und über die bestehende Möglichkeit, ihrer Übergabe im vereinfachten Verfahren zuzustimmen, unterrichten. Diese Unterrichtung erfolgt durch die “zuständige Behörde”, für Österreich durch den nach § 26 Abs. 1 des Auslieferungs- und Rechtshilfe­gesetzes (in der Folge: ARHG) zuständigen Gerichtshof erster Instanz.

Zu Artikel 7:

Diese Bestimmung legt die Modalitäten fest, nach denen die Zustimmung der in Haft genommenen Person zu ihrer Auslieferung im vereinfachten Verfahren erteilt werden kann. Er gilt auch für den Verzicht auf den Schutz des Grundsatzes der Spezialität nach Art. 14 des Auslieferungsübereinkommens für den Fall, daß das Recht des ersuchten Staates einen solchen – getrennt von der Zustimmung zur Auslieferung im vereinfachten Verfahren erfolgenden – Verzicht vorsieht. Nach § 32 Abs. 2 ARHG ist die Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung stets mit einem Verzicht auf den Spezialitätsschutz verbunden, worüber die auszuliefernde Person durch den Untersuchungsrichter zu belehren ist.

Im Übereinkommen ist nicht geregelt, zu welchem Zeitpunkt die Zustimmung der betreffenden Person zur vereinfachten Auslieferung einzuholen ist. Diesbezüglich wird vielmehr auf das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates verwiesen. Befindet sich die auszuliefernde Person in Auslieferungshaft, so sieht § 32 Abs. 1 ARHG vor, daß sie die Zustimmung frühestens in der gemäß § 181 Abs. 2 Z 1 der Strafprozeß­ordnung 1975 durchzuführenden Haftverhandlung wirksam abgeben kann. Die Einwilligung wird jeden­falls nur dann rechtsgültig, wenn sie gerichtlich zu Protokoll gegeben wird.

Abs. 2 stellt klar, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, damit die Zustimmung unter Bedingungen entgegengenommen wird, die erkennen lassen, daß die Person sie freiwillig und in vollem Bewußtsein der sich daraus ergebenden Folgen bekundet hat. Zu diesem Zweck hat die betreffende Person das Recht, einen Rechtsbeistand beizuziehen. Diese Bestimmung impliziert, daß der Betreffende umfassend über die Rechtsfolgen seiner Zustimmung zur Auslieferung im vereinfachten Verfahren informiert wird. Dies ist nach österreichischem Recht durch die oben erwähnte Bestimmung des § 32 Abs. 2 ARHG gewährleistet. In der dort erwähnten ersten Haftverhandlung muß der Betreffende den Beistand eines Verteidigers erhalten.

Nach Abs. 4 ist die Zustimmung (und gegebenenfalls der Verzicht auf den Schutz des Grundsatzes der Spezialität) unwiderruflich. Um der Rechtslage in einigen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, eröffnet dieser Absatz jedoch eine Vorbehaltsmöglichkeit, in deren Rahmen die Mitgliedstaaten angeben können, daß die Zustimmung (und gegebenenfalls der Verzicht auf den Schutz des Grundsatzes der Spezialität) nach den anwendbaren Vorschriften des innerstaatlichen Rechts widerrufen werden kann. Zwar sieht § 32 Abs. 2 letzter Halbsatz ARHG vor, daß die Zustimmung der auszuliefernden Person zur vereinfachten Auslieferung bis zur Anordnung der Übergabe durch den Bundesminister für Justiz widerrufen werden kann, doch ist die Abgabe eines Vorbehaltes durch Österreich gemäß Art. 7 Abs. 4 des Übereinkommens nicht in Aussicht genommen. Da nach § 1 ARHG die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nur insoweit Anwendung finden, als in zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist, wird somit die Widerrufsmöglichkeit nach § 32 Abs. 2 letzter Halbsatz ARHG auf Grund des Übereinkommens ausgeschlossen.

Damit der allfällige Widerruf der Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung durch die betreffende Person die reibungslose Abwicklung des Auslieferungsverfahrens nicht beeinträchtigt, ist in Abs. 4 weiters vorgesehen, daß der Zeitraum zwischen der Mitteilung der Zustimmung und ihrem etwaigen Widerruf bei der Berechnung der Fristen der vorläufigen Auslieferungshaft von 18 bzw. 40 Tagen nach Art. 16 Abs. 4 des Auslieferungsübereinkommens nicht berücksichtigt wird. Wenn daher eine Person, welche zunächst ihrer vereinfachten Auslieferung zugestimmt hat, diese Zustimmung widerruft, was in Österreich nicht möglich sein wird (siehe oben), so tritt das Verfahren in den Stand, in dem es sich zu demjenigen Zeitpunkt befand, zu welchem dem ersuchenden Staat die Zustimmung der Person zur vereinfachten Auslieferung mitgeteilt wurde. Dieser hat daher für die dementsprechend notwendig gewordene Übermittlung des formellen Auslieferungsersuchens denselben Zeitraum zur Verfügung wie zu jenem Zeitpunkt, zu welchem ihm die (ursprüngliche) Zustimmung der auszuliefernden Person mitgeteilt wurde.

Zu Artikel 8:

Nach diesem Artikel teilt der ersuchte Staat dem ersuchenden Staat die Zustimmung der betroffenen Person zur Auslieferung im vereinfachten Verfahren unverzüglich mit. In einem solchen Fall kann der ersuchende Staat die Vorbereitung der Unterlagen nach Art. 12 des Auslieferungsübereinkommens einstellen.

Um dem ersuchenden Staat für den Fall der Nichtzustimmung der betroffenen Person zur vereinfachten Auslieferung die Übermittlung des formellen Auslieferungsersuchens innerhalb der in Art. 16 des Auslieferungsübereinkommens vorgesehenen Frist von 40 Tagen zu ermöglichen, sieht Art. 8 vor, daß der ersuchte Staat dem ersuchenden Staat spätestens zehn Tage nach Verhängung der vorläufigen Ausliefe­rungshaft mitzuteilen hat, ob die Person ihrer vereinfachten Auslieferung zustimmt oder nicht. Eine spätere Zustimmung des Betreffenden zur vereinfachten Auslieferung wird dadurch allerdings nicht ausgeschlossen (siehe Art. 12 des Übereinkommens). Die in Art. 8 Abs. 1 vorgesehene Zehntagesfrist bedingt, daß die erste Haftverhandlung (vgl. § 29 Abs. 4 in Verbindung mit § 32 Abs. 1 ARHG) – abweichend von der Bestimmung des § 181 Abs. 2 Z 1 StPO – innerhalb einer Woche durchzuführen ist.

Nach Abs. 2 erfolgt die Mitteilung der Zustimmung unmittelbar zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die von jedem Mitgliedstaat bei der Ratifikation bestimmt werden. Für Österreich handelt es sich dabei um die Gerichtshöfe erster Instanz, bei denen das Auslieferungsverfahren anhängig ist.

Zu Artikel 9:

Nach dieser Bestimmung kann jeder Mitgliedstaat erklären, daß der Grundsatz der Spezialität der Auslie­ferung im Sinne des Art. 14 des Auslieferungsübereinkommens im Falle der vereinfachten Auslieferung keine Anwendung findet.

Zur Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten sind zwei Erklärungen möglich: entsprechend der einen Erklärung gilt der Grundsatz der Spezialität nicht, wenn die Person ihrer vereinfachten Auslieferung zustimmt, da diese Zustimmung automatisch den Verzicht auf den Schutz des Grundsatzes der Spezialität beinhaltet. Dies ist nach § 32 Abs. 2 ARHG der Fall. Österreich wird daher eine Erklärung gemäß Art. 9 lit. a des Übereinkommens abgeben. Gemäß der anderen Erklärung gilt der Grundsatz der Spezialität dann nicht, wenn die Person, die ihrer Auslieferung im vereinfachten Verfahren zugestimmt hat, daneben ausdrücklich auf den Spezialitätsschutz verzichtet hat.

Zu Artikel 10:

Abs. 1 dieser Bestimmung sieht vor, daß die Mitteilung über die im vereinfachten Verfahren getroffene Auslieferungsentscheidung sowie die Übermittlung von Informationen betreffend dieses Verfahren – abweichend von Art. 18 Abs. 1 des Auslieferungsübereinkommens – unmittelbar zwischen den zustän­digen Behörden erfolgt.

Die Regelung des § 32 ARHG wird durch diese Bestimmung allerdings nicht berührt. Dementsprechend kann der Gerichtshof erster Instanz im Fall der Zustimmung der auszuliefernden Person zur vereinfachten Auslieferung nicht selbst deren Übergabe an den ersuchenden Staat anordnen. Vielmehr hat er die Akten zu diesem Zweck nach wie vor dem Bundesministerium für Justiz vorzulegen, welches die materiellen Voraussetzungen der Auslieferung überprüft und sodann die Überstellung anordnet.

Nach Abs. 2 dieses Artikels erfolgt die Mitteilung über die Auslieferungsentscheidung spätestens 20 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem die betreffende Person ihrer vereinfachten Auslieferung zugestimmt hat. Dabei handelt es sich um eine Höchstfrist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Mitteilung nach Rücklangen der Akten vom BMJ mit dem Beifügen, daß die Übergabe angeordnet wurde, unverzüglich erfolgt.

Wird der Auslieferung im vereinfachten Verfahren von der zuständigen Behörde des ersuchten Staates ungeachtet der erfolgten Zustimmung der betroffenen Person nicht zugestimmt, so bleibt dem ersuchenden Staat durch das Zusammenwirken der beiden Fristen nach Art. 8 Abs. 1 und 10 Abs. 2 vor Ablauf der 40tägigen Frist nach Art. 16 des Auslieferungsübereinkommens auf jeden Fall eine Mindest­frist von zehn Tagen, um ein formelles Auslieferungsersuchen nach Art. 12 des Auslieferungsüberein­kommens zu stellen.

Zu Artikel 11:

Nach Abs. 1 dieser Bestimmung erfolgt die Übergabe der betroffenen Person an den ersuchenden Staat spätestens 20 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung über die Bewilligung der Auslieferung mitgeteilt worden ist. Auch hiebei handelt es sich um eine Höchstfrist. Die Übergabe kann erfolgen, sobald sie angeordnet und die zuständige Behörde des ersuchenden Staates hievon in Kenntnis gesetzt wurde.

Abs. 2 sieht die Freilassung der Person vor, falls sie innerhalb der Frist nach Abs. 1 nicht dem ersuchen­den Staat übergeben worden ist. Allerdings kann nach Abs. 3 von dieser Frist abgewichen werden, wenn die Übergabe aus Gründen höherer Gewalt nicht fristgerecht erfolgen kann. Dies ist der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates mitzuteilen, wobei ein neuer Zeitpunkt für die Übergabe zu vereinbaren ist. Die Übergabe hat in der Folge innerhalb von 20 Tagen nach dem vereinbarten neuen Zeitpunkt stattzufinden. Sollte die betreffende Person dem ersuchenden Staat nicht innerhalb dieser Frist übergeben worden sein, ist sie freizulassen.

Abs. 4 sieht vor, daß die Abs. 1 bis 3 nicht gelten, wenn gegen die betreffende Person im ersuchten Staat ein Strafverfahren anhängig ist oder sie dort eine Strafe verbüßt und der ersuchte Staat Art. 19 des Auslieferungsübereinkommens über die aufgeschobene oder bedingte Übergabe anwendet. In einem solchen Fall finden die Vorschriften des Auslieferungsübereinkommens Anwendung.

Zu Artikel 12:

Diese Bestimmung behandelt den Fall, daß die Person ihre Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung nach Ablauf der in Art. 8 Abs. 1 enthaltenen Frist von zehn Tagen erteilt. Wird die Zustimmung dabei vor Übermittlung des formellen Auslieferungsersuchens nach Art. 12 des Auslieferungsübereinkommens gestellt, so hat der ersuchte Staat das vereinfachte Verfahren durchzuführen. Erteilt die betroffene Person ihre Zustimmung jedoch erst nach Übermittlung des formellen Auslieferungsersuchens durch den ersuchenden Staat, so ist die Anwendung des vereinfachten Verfahrens durch den ersuchten Staat fakultativ.

Jeder Mitgliedstaat hat zum Zeitpunkt der Ratifikation anzugeben, ob und unter welchen Bedingungen er beabsichtigt, das vereinfachte Verfahren in letzterem Fall anzuwenden. Österreich wird das vereinfachte Verfahren auch dann anwenden, wenn ein Ersuchen um Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft nicht gestellt worden ist oder wenn die Zustimmung der betreffenden Person erst nach Übermittlung des formellen Auslieferungsersuchens erklärt wurde.

Zu Artikel 13:

Mit diesem Artikel, der sich logisch an Art. 9, in dem ein etwaiger Verzicht auf den Grundsatz der Spezialität vorgesehen ist, anschließt, werden die Auswirkungen dieses Verzichts auf die Bedingungen für die Weiterlieferung an einen anderen Mitgliedstaat geregelt. Hiebei gilt folgendes: Kommt der Grundsatz der Spezialität gemäß Art. 9 der Person nach ihrer Auslieferung an den ersuchenden Staat nicht mehr zugute, so ist in einem solchen Fall abweichend von Art. 15 des Auslieferungsübereinkommens die Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates zur Weiterlieferung an einen anderen Mitgliedstaat nicht mehr erforderlich.

Dieser Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, daß der ersuchende Staat bei Nichtgeltung des Grund­satzes der Spezialität befugt ist, Strafverfahren wegen anderer Handlungen als derjenigen, die dem Auslieferungsersuchen und der in diesem Zusammenhang erteilten Auslieferungsbewilligung zugrunde liegen, durchzuführen (und folglich im Wege der Weiterlieferung an Strafverfahren in anderen Staaten mitzuwirken).

Zu Artikel 14:

Mit diesem Artikel werden die Bedingungen für die Durchlieferung gegenüber der Bestimmung des Art. 21 des Auslieferungsübereinkommens vereinfacht.

Abweichend von Art. 21 Abs. 3 des erwähnten Übereinkommens kann das Ersuchen um Durchlieferung durch jedes Nachrichtenmittel, das Schriftspuren hinterläßt (insbesondere per Telefax und E-mail) übermittelt werden, und der um Durchlieferung ersuchte Staat kann seine Entscheidung auf demselben Weg mitteilen. Die in Art. 12 Abs. 2 des Auslieferungsübereinkommens vorgesehenen Unterlagen brauchen nicht beigefügt zu werden; vielmehr genügen die in Art. 4 des gegenständlichen Überein­kommens genannten Informationen. Diese müssen vom Durchlieferungsstaat auch als ausreichend angesehen werden, um die zur Durchführung der Durchlieferung erforderlichen Zwangsmaßnahmen zu treffen.

Zu Artikel 15:

Nach diesem Artikel geben die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Ratifikation ihre zuständigen Behörden im Sinne der Art. 4 bis 8, 10 und 14 des Übereinkommens bekannt.

Österreich wird als zuständige Behörden im Sinne der Art. 6 bis 8 und 10 des Übereinkommens die Gerichtshöfe erster Instanz bekanntgeben, in deren Sprengel die auszuliefernde Person ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat, in Ermangelung eines solchen den Gerichtshof erster Instanz, in dessen Sprengel sie betreten wurde oder sich in gerichtlicher Haft befindet.

Als zuständige Behörde im Sinne der Art. 4, 5 Abs. 2 und 14 des Übereinkommens wird der Bundes­minister für Justiz notifiziert werden.

Zu Artikel 16:


Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten des Übereinkommens entsprechend den vom Rat der Europäischen Union hiefür festgesetzten Regeln. Danach tritt das Übereinkommen 90 Tage nach Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde in Kraft.

Damit das Übereinkommen zwischen interessierten Staaten jedoch so rasch wie möglich angewandt werden kann, ist in Abs. 3 vorgesehen, daß die Mitgliedstaaten bei der Ratifikation oder zu einem späteren Zeitpunkt erklären können, daß sie das Übereinkommen bis zu dessen Inkrafttreten gegenüber anderen Mitgliedstaaten anwenden, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben. Diese Erklärung wird 90 Tage nach ihrer Hinterlegung wirksam. Österreich wird eine Erklärung entsprechend Art. 16 Abs. 3 des Übereinkommens abgeben.

Zu Artikel 17:

Nach diesem Artikel steht das Übereinkommen allen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union werden, zum Beitritt offen. Ferner werden in diesem Artikel die Modalitäten für den Beitritt geregelt.


PROTOKOLL ÜBER DIE BERICHTIGUNG

des Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

DAS GENERALSEKRETARIAT DES RATES DER EUROPÄISCHEN UNION in seiner Eigen­schaft als Verwahrer des am 10. März 1995 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, im folgenden “Übereinkommen” genannt –

IN ANBETRACHT DESSEN, daß der Text des Übereinkommens, das den Unterzeichnerstaaten am 29. März 1995 in beglaubigter Abschrift notifiziert worden ist, in seiner deutschen Fassung einen Fehler enthält,

NACH UNTERRICHTUNG der Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens über diesen Fehler sowie nach Übermittlung des Berichtigungsvorschlags,

IN ANBETRACHT DESSEN, daß keiner der Unterzeichnerstaaten Einspruch erhoben hat –

HAT am heutigen Tage die Berichtigung des Fehlers VORGENOMMEN und dieses Protokoll über die Berichtigung erstellt und diesem die Berichtigung der deutschen Fassung des Übereinkommens beigefügt. Das Protokoll über die Berichtigung wird den Vertragsstaaten in Abschrift übermittelt.

GESCHEHEN zu Brüssel am siebten Mai neunzehnhundertneunundneunzig.


Annex

Berichtigung der deutschen Fassung des Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Artikel 16 Absatz 5

Statt:

“(5) Dieses Übereinkommen gilt nur für Ersuchen, die nach dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens oder der Anwendung zwischen dem ersuchten oder dem ersuchenden Staat vorgelegt werden.”

muß es heißen:

“(5) Dieses Übereinkommen gilt nur für Ersuchen, die nach dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens oder der Anwendung zwischen dem ersuchten und dem ersuchenden Staat vorgelegt werden.”


Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anläßlich der Genehmigung des vorliegenden Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, daß das Übereinkommen in dänischer, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen ist, daß es zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen.

Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf.