Zu 69 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Alexander Van der Bellen und Werner Kogler


zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag gemäß § 27 GOG der Abgeordneten Dipl.-Kfm. Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner auf Erlassung eines Bundesgesetzes, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird

Im Zuge der Verhandlungen zum Budgetbegleitgesetz wurde gemäß § 27 GOG ein Antrag zur Änderung des Zivildienstgesetzes eingebracht. Mit dieser Gesetzesnovelle steht dem österreichischen Zivildienst­system eine grundlegende Änderung bevor. Es ist höchst bedenklich, dass eine derart weitreichende Gesetzesänderung ohne Begutachtungsverfahren einem parlamentarischen Schnellverfahren unterzogen wurde. Kurz nach Einbringung und Kenntnisnahme durch die Oppositionsparteien wurde der Antrag zur Abstimmung gebracht. Eine seriöse Diskussion im Ausschuss und in der Öffentlichkeit war unter diesen Rahmenbedingungen nicht möglich. Es ist zu befürchten, dass diese parlamentarische Vorgangsweise einen Testfall für das weitere Agieren diese Regierungskoalition darstellt.

Die Zivildienstgesetznovelle legt einen “Prioritätenkatalog” fest: Demnach sollen Organisationen des Rettungswesens, der Sozial- und Behindertenhilfe und der Katastrophenhilfe bevorzugt Zivildiener zugeteilt bekommen. Das bedeutet in der Praxis, dass alle anderen Bereiche (Krankenanstalten, Landwirtschaft, die Betreuung von Alten, Kranken, Flüchtlingen und Drogenabhängigen und der Gedenkdienst in inländischen Gedenkstätten sowie auch Dienste im Ausland) von der Zuteilung von Zivildienern praktisch ausgeschlossen werden. Dadurch werden einige Organisationen in ihrer Tätigkeit existentiell gefährdet. Zusätzlich verschärft wird das Problem durch die Reduktion der Anzahl der Zivildiener um 1 000 bis 1 500.

Weiters werden § 10 Abs. 1 und 2 außer Kraft gesetzt. Damit wird das Recht des Zivildienstpflichtigen beseitigt, die Zuweisung zur gewünschten Stelle innerhalb eines Jahres zu erhalten. Andererseits kann nun auch eine Zivildienststelle einen von ihr gewünschten Zivildiener (mit dem diese Zuweisung bereits vereinbart wurde) nicht mehr anfordern. Dies ist ein gravierender Einschnitt in die Lebensplanung der Zivildienstpflichtigen, die nicht mehr darauf vertrauen können, innerhalb eines Jahres zugewiesen zu werden.

Der für die Zivildiener gravierendste Punkt ist die ersatzlose Streichung des § 28, der die unentgeltliche Verpflegung der Zivildienstleistenden vorsieht. Dadurch entfällt die Pflicht der Trägerorganisationen, die Verpflegung der Zivildiener sicherzustellen. Jetzt bleiben den Zivildienern netto – also nach dem Abzug der bisherigen Pauschalentschädigung – 43 S pro Tag für den Erwerb von Verpflegung übrig. Dieser Betrag deckt nicht einmal ansatzweise die Kosten für Lebensmittel eines durchschnittlichen Österreichers ab. Dies kann zur Folge haben, dass sich die Zivildiener entweder verschulden oder auf Kosten ihrer Eltern ernähren müssen. Diese Ungleichbehandlung von Zivil- und Wehrdienern ist geeignet, dass sich junge Österreicher gezwungen sehen, aus ökonomischen Gründen den Wehrdienst zu leisten. Damit steht das Grundrecht auf Zivildienst in Frage (siehe § 2 Abs. 1 Zivildienstgesetz).

Aus den genannten Gründen wird der gegenständliche Antrag von der grünen Fraktion abgelehnt.