70 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht

des Familienausschusses


über das Familien-Volksbegehren (1 der Beilagen)


Das vom Österreichischen Familienbund initiierte Familien-Volksbegehren wurde von 183 154 Öster­reicherInnen unterstützt. Das entspricht einem Stimmen­anteil von 3,17% der Stimmberechtigten. Folgende Forderungen werden von den UnterzeichnerInnen aufgestellt: sofortige Einführung von “Karenzgeld für alle”, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sekten und vor Gewalt in den Medien, Auszahlung von Kinderbetreuungsgeld, Schülerfreifahrt auch für Schüler und Lehrlinge in Internaten, voller Kostenersatz für Zahnspangen.

Der Familienausschuss hat das gegenständliche Volksbegehren in seiner Sitzung am 10. Dezember 1999 in Verhandlung genommen.

Als Berichterstatterin für den Ausschuss fungierte die Ausschussobfrau Dr. Ilse Mertel.

Im Rahmen einer Debatte über die weitere Vorgangsweise ergriffen die Abgeordneten Edith Haller, Ridi Steibl, Rosemarie Bauer, Franz Riepl sowie der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein das Wort.

Die nächste Sitzung des Familienausschusses fand am 3. Februar 2000 statt. Es handelte sich hiebei um eine öffentliche Generaldebatte im Sinne des § 37 Abs. 3a des Geschäftsordnungsgesetzes, zu der gemäß § 37 Abs. 3 des Geschäftsordnungsgesetzes der Bevollmächtigte im Sinne des Volksbegehrensgesetzes 1973, Landtagsabgeordneter Mag. Otto Gumpinger, sowie zwei weitere, von diesem nominierte Stellvertreter, Alice Pitzinger-Ryba und Peter Pitzinger, beigezogen wurden.

Im Zuge dieser Generaldebatte wurden Mag. Alois Guger (Wirtschaftsforschungsinstitut), Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal (Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien), Mag. Ingrid Moritz (Arbeiterkammer Wien), Barbara Moser (Familienakademie Oberes Drautal), Mag. Katharina Novy (Soziologin), Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmuth Schattovits (Österreichisches Institut für Familienforschung) und Univ.-Prof. Dr. Herbert Vonach (Freiheitlicher Familienverband Österreich) als ExpertInnen gehört.

Nach Wortmeldungen der Abgeordneten Ridi Steibl, Dr. Ilse Mertel, Mag. Walter Tancsits, Edith Haller, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Andrea Kuntzl, Sigisbert Dolinschek, Gabriele Binder, Dieter Brosz, Theresia Zierler, Matthias Ellmauer, Gerhard Reheis und dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein wurde einstimmig beschlossen, zur Vorbehandlung des Volksbegehrens einen Unterausschuss einzusetzen.

Diesem Unterausschuss gehörten von Seiten der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeord­neten Gabriele Binder, Mag. Andrea Kuntzl, Dr. Ilse Mertel, Gerhard Reheis und Heidrun Silhavy, seitens des Klubs der Freiheitlichen Partei Österreichs die Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Edith Haller, Mag. Rüdiger Schender und Theresia Zierler, seitens des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Rosemarie Bauer, Matthias Ellmauer, Nikolaus Prinz und Ridi Steibl sowie seitens des Grünen Klubs der Abgeordnete Karl Öllinger an.

Zur Obfrau des Unterausschusses wurde die Abgeordnete Dr. Ilse Mertel, zu den Obfraustellvertre­terinnen wurden die Abgeordneten Edith Haller, Ridi Steibl und Gabriele Binder sowie zu den Schrift­führerinnen die Abgeordneten Rosemarie Bauer, Heidrun Silhavy und Theresia Zierler im Rahmen der Konstituierung des Unterausschusses am 3. Februar 2000 gewählt.

Der Unterausschuss führte seine Beratungen in Teilen und darüber hinaus hinsichtlich folgender Themen­bereiche durch: 23. Februar 2000 (voller Kostenersatz für Zahnspangen, Schülerfreifahrt auch für Schüler und Lehrlinge in Internaten sowie Kinder und Jugendliche vor Sekten und Gewalt in den Medien schützen) und 16. März 2000 (Familie und Beruf besser vereinbar machen, Karenzgeld für alle sofort einführen und Familien stärken durch Kinderbetreuungsgeld).

Im Zuge dieser Beratungen, die im Sinne des § 37 Abs. 3a des Geschäftsordnungsgesetzes öffentlich unter Beiziehung von Sachverständigen oder Auskunftspersonen durchgeführt wurden, wurden folgende ExpertInnen gehört: Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Bantleon (Universitäts-Zahnklinik), Meinhard Egger (Katholischer Familienverband Tirol), Dr. Eduard Gugenberger, Monika Kemperle (ÖGB-Frauen), Mag. Irene Kernthaler (Österreichisches Institut für Familienforschung), Dr. Alois Kogler (Institut für Psychosomatik und Verhaltenstherapie), Dr. Gerhard Kucher (Verein der österreichischen Kiefer­orthopäden), Direktor Friedrich Lennkh (Institut für Gewaltverzicht-BeratungsgmbH.), Albert Maringer (ÖGB-Jugend), Dr. German Müller (Bundesstelle für Sektenfragen), Mag. Katharina Novy (Soziologin), Sissi Potzinger (Katholischer Familienverband Steiermark), Dr. Adolf Rausch (Treuhand Partner Austria), Dr. Wolfgang Ritter (Oberösterreichische Gebietskrankenkasse), Univ.-Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger (Institut für Politikwissenschaft), Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmut Schattovits (Österreichisches Institut für Familienforschung), Vizepräsident Hofrat Mag. Wilhelm Schneider (Finanzlandesdirektion Oberösterreich), Mag. Johannes Spitzer (Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche), Univ.-Prof. Dr. Herbert Vonach (Vorsitzender des Freiheitlichen Familienverbandes), Waltraud Witowetz-Müller (Österreichische Kinderfreunde) und Dr. Christoph Wolf (Rechtsanwalt).

Nach einleitenden Stellungnahmen der genannten ExpertInnen hatten die Mitglieder des Unterausschusses sowie der Bevollmächtigte des Volksbegehrens, Landtagsabgeordneter Mag. Otto Gumpinger, bzw. dessen von ihm nominierte Stellvertreter, Alice Pitzinger-Ryba und Peter Pitzinger, die Möglichkeit, sich direkt mit ihren Fragen an die ExpertInnen zu wenden.

Der Unterausschuss, an dessen Sitzungen auch die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Dr. Elisabeth Sickl teilnahm, konnte kein Einvernehmen über die gegenständliche Vorlage erzielen.

Der Familienausschuss beschäftigte sich in seiner Sitzung am 6. April 2000 erneut mit dem Familien-Volksbegehren, wobei die Abgeordnete Edith Haller als Obfraustellvertreterin des Unterausschusses über das Ergebnis der Unterausschussverhandlungen berichtete.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Ridi Steibl, Karl Öllinger, Gabriele Binder, Ing. Wilhelm Weinmeier, Franz Riepl, Mag. Barbara Prammer, Dieter Brosz, Edith Haller, Heidrun Silhavy, Karl Donabauer, Nikolaus Prinz, Rosemarie Bauer, Theresia Zierler, Sigisbert Doninschek, der Bevoll­mächtigte des Volksbegehrens, Landtagsabgeordneter Mag. Otto Gumpinger, sowie die Bundes­ministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl das Wort.

Ein Antrag der Abgeordneten Edith Haller und Ridi Steibl auf Ausschussfeststellung wurde mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Familienausschuss stellt fest:

Drei Jahre Kinderbetreuungsgeld für alle:

–   Der Anspruch auf Karenzgeld soll von der Erwerbstätigkeit abgekoppelt und in ein Kinder­betreuungsgeld für alle Mütter und Väter umgewandelt werden, die sich der Kinderbetreuung widmen. Die Dauer des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld soll im Anschluss an das Wochengeld bis zum dritten Geburtstag des Kindes bestehen, wenn eine Aufteilung der Kinderbetreuung zwischen den Elternteilen erfolgt. Dabei kann ein Elternteil das Kinderbetreuungsgeld maximal bis zu 24 Monaten in Anspruch nehmen.

–   Bis zum 18. Lebensmonat des Kindes beträgt das Kinderbetreuungsgeld nach dem Wochengeld 6 250 S pro Monat, wobei davon monatlich ein Betrag von 250 S an die Pensionsversicherung überwiesen wird, um die Anrechnung als pensionsbegründende Beitragszeit sicherzustellen. Dies gilt auch für Kinderbetreuungsgeld-Bezieher, die keinen Anspruch auf Wochengeld haben.

–   Damit wird eine volle Anrechnung dieser Kindererziehungszeit als pensionsbegründende Beitragszeit bis zum 18. Lebensmonat des Kindes erreicht.

–   Die Anspruchsvoraussetzungen für das Kinderbetreuungsgeld sollen analog jenen der Familienbeihilfe sein und an die Durchführung der vorgeschriebenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gekoppelt werden.

–   Das Kinderbetreuungsgeld soll nicht wie das bisherige Karenzgeld als Versicherungsleistung, sondern als reine Familienleistung gelten, das zur Gänze aus Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds getragen wird.

–   Gesetzliche Trennung des Kinderbetreuungsgeldes von der bisherigen Karenzgeldregelung und Verankerung des Kinderbetreuungsgeldes in einem eigenen Bundesgesetz. Weiters werden die im Zuge des Inkrafttretens des Kinderbetreuungsgeld-Gesetzes erforderlichen Anpassungen anderer Rechtsvor­schriften vorgenommen werden.

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf:

–   Durch unbürokratische Anmeldung soll der Arbeitsplatz Haushalt dadurch gefördert werden, dass die Beschäftigung von Arbeitskräften in privaten Haushalten (Kinderbetreuung, Reinigungspersonal, Altenpflegerinnen und Altenpfleger usw.) erleichtert wird.

–   Unterstützung von gemeinnützigen “Dienstleistungszentren” (Home-Service-Agenturen) zur Ver­mittlung von zuverlässigem und qualifiziertem Personal für Familienaufgaben (Kinderbetreuung, Krankenbetreuung, Seniorenservice, Haushaltshilfe).

–   Spezifische Fördermaßnahmen für Frauen und Männer während der Familienphase und für WiedereinsteigerInnen. Die in der Familienphase erworbenen unterschiedlichen Schlüsselqualifi­kationen sollen als Potential für den Beruf bzw. Wiedereinstieg in den Beruf anerkannt und genutzt werden.

–   Die Länder werden aufgefordert, die Teilzeitregelungen (Recht auf Teilzeit) im öffentlichen Dienst jedenfalls auf das Niveau der bundesrechtlichen Regelung anzuheben.

–   Weitere Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten und des Arbeitsortes und Beseitigung familiendiskriminierender Arbeitszeitregelungen.

–   Erweiterung der Betriebsvereinbarungskompetenzen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

–   Evaluierung der Wiedereinstellungsbeihilfe und anderer zu diesem Zweck geschaffener Maßnahmen und Umgestaltung zu einer effizienten Unterstützung für jene Personen, die nach einer Familienphase wieder in den Arbeitsprozess einsteigen möchten unter besonderer Berücksichtigung von Teilzeit­arbeitswünschen von WiedereinsteigerInnen.

–   Schaffung eines vielfältigen Angebots mit vielfältiger Trägerschaft von Kinderbetreuungsein­richtungen, vom traditionellen Kindergarten über den Betriebskindergarten bis hin zu Tagesmüttern und der Nachmittagsbetreuung für jüngere Schulkinder.

–   Angebot der sozialrechtlichen Absicherung von Tagesmüttern erweitern.

Kinder und Jugendliche vor Sekten schützen:

–   Sicherstellung der finanziellen Ausstattung der Bundesstelle für Sektenfragen (mit besonderer Beto­nung der Verstärkung der internationalen Aktivitäten), Verstärkung der Koordination mit den Sekten­einrichtungen anderer Ministerien und Behörden.

–   Förderung, Schulung und Qualifizierung von Familienberatungsstellen mit dem Schwerpunkt Sekten­beratung sowie regionaler Informations- und Beratungsstellen.

–   Erstellung spezifischer Informationsbroschüren zum Thema “Sekten” zur Verstärkung der Prävention.

Kinder und Jugendliche vor Gewalt in den Medien schützen:

–   Durch die neu zu schaffende unabhängige Medienbehörde wird ua. der Schutz der Kinder und Jugend­lichen vor Gewalt in den Medien wesentlich verbessert werden. Dabei soll den Familienorganisa­tionen ein Begutachtungsrecht zukommen.

–   Überprüfung von Möglichkeiten für eine Prädikatisierung von Computerspielen unter besonderer Berücksichtigung der pädagogischen und altersadäquaten Eignung.

Wiedereinführung der Heimfahrtbeihilfe für Schüler und Lehrlinge:

–   Die Wiedereinführung der Heimfahrtbeihilfe für Schüler und Lehrlinge soll in Form einer Beihilfe, gestaffelt nach der Entfernung nach Kilometern, gewährt werden.

Kostenersatz für Zahnspangen:

–   Schaffung von Tarifpositionen abhängig vom Grad der Kieferanomalie für festsitzende und abnehm­bare Zahnspangen und Schaffung entsprechender Qualitätskriterien in der Kieferorthopädie.

Schlussbemerkung:


Alle angeführten Maßnahmen stellen aus familienpolitischer Sicht ein Förderungspaket dar, welches mittelfristig nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten umgesetzt werden soll. Hiebei ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes vordringlich, nämlich mit 1. Jänner 2002, zu realisieren ist. Im Gleichklang hiemit sind jene Maßnahmen zu setzen, die eine bessere Verein­barkeit vom Familie und Beruf fördern.

Auf Grund der Komplexität des hier beschriebenen Themenbereichs und um einen abschließenden Standpunkt zur vorliegenden Materie erarbeiten zu können, gehen die unterfertigten Abgeordneten davon aus, dass die Vorlage vom Plenum wieder an den Familienausschuss rückverwiesen wird.

Ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Binder fand nicht die Zustimmung der Ausschuss­mehrheit.

Der Bevollmächtigte im Sinne des Volksbegehrensgesetzes 1973 legte eine abweichende persönliche Stellungnahme im Sinne des § 42 Abs. 1 des Geschäftsordnungsgesetzes vor, die dem Ausschussbericht in der Anlage angeschlossen ist.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Familienausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen im Sinne des § 24 Abs. 2 des Geschäftsordnungsgesetzes erstatteten Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2000 04 06

                                      Ridi Steibl                                                                          Edith Haller

                                 Berichterstatterin                                                               Obfraustellvertreterin

 

Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 1 GOG

des Bevollmächtigten des Volksbegehrens im Sinne
des § 3 Abs. 4 lit. b des Volksbegehrensgesetzes 1973
Mag. Otto Gumpinger

Die Beratungen des Volksbegehrens haben generell zu einem sehr erfreulichen Ergebnis mit voraus­sichtlich sensationellen Verbesserungen für die österreichischen Familien insbesondere im Bereich des Kinderbetreuungsgeldes geführt. Im Detail wäre es jedoch erforderlich, noch folgenden Anliegen des Volksbegehrens zu entsprechen:

1.  Österreich soll eine Richtlinie der Europäischen Union anregen, mit der die negativen Auswirkungen von Gewalt in den Medien reduziert werden. Dazu gehören sowohl eine wirksamere Kennzeichnung als auch tageszeitbezogene und generelle Einschränkungen vor allem im Bereich der Satelliten­programmanbieter. Darüber hinaus sollte auch der Bereich des Internets erfasst und auf Basis dieser EU-Richtlinie eine weltweite Initiative ergriffen werden. Rein nationale Maßnahmen sind für die Lösung dieses Problems nicht ausreichend.

2.  Im Bereich der Sekten soll es zu mehr Transparenz und einem verbesserten Konsumentenschutz kommen. Konkret müssen Behörden die Möglichkeit einer Einschau in die Arbeitsweise und finanzielle Gebarung von Vereinigungen erhalten, deren Aktivität als Aktivität einer Sekte erkannt oder begründet vermutet werden. Das Ergebnis solcher Einschauen soll im Fall einer tatsächlichen Gefährdung veröffentlicht werden.

3.  Teilzeitarbeitsplätze sollen im Rahmen einer Senkung von Lohnnebenkosten überproportional begünstigt werden.

 

Minderheitsbericht

gemäß § 42 Abs. 4 GOG

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Katharina Pfeffer, Franz Riepl und GenossInnen


Vorwort:

In Österreich, wie in allen entwickelten Industriestaaten, ist ein rasanter Wandel und eine Pluralisierung der Lebens- und Familienformen zu verzeichnen. Neben die traditionelle Kernfamilie tritt eine Vielfalt von Formen des Zusammenlebens wie Alleinerziehende, Fortsetzungsfamilien, Teilzeitgemeinschaften oder Lebensabschnittsbeziehungen. Daher sind die notwendigen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Lebensbedingungen aller Familienformen weiter verbessert werden und alle Familien an der allgemeinen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung teilnehmen können. Das Familien­förderungssystem muss daher dem Strukturwandel Rechnung tragen und entsprechend angepasst werden.

Österreich verfügt über ein umfangreiches und differenziertes System der Familienförderung und zählt im internationalen Vergleich zu den Staaten mit einem hohen Niveau an familienpolitischen Leistungen.

Mit dem schrittweisen Inkrafttreten des im Jahr 1998 beschlossenen zusätzlich jährlich 12 Milliarden Schilling umfassenden Familienpakets wurde die herausragende Stellung Österreichs noch weiter gestärkt. Das Familienförderungssystem weist zwar ein hohes Transfer- oder Geldleistungsniveau, aber ein niedriges Dienstleistungsniveau auf.

In der vergangenen Legislaturperiode wurden zwei Mal je 1,2 Milliarden Schilling (Bund und Länder) zur Errichtung von zusätzlichen Kinderbetreuungsplätzen aufgewendet. Mit der ersten Tranche wurden rund 20 000 zusätzliche Plätze geschaffen. Der Schwerpunkt des Ausbaus bei der zweiten Kindergarten­milliarde, die 1998 beschlossen worden ist, wird für Kinder unter drei Jahren und Kinder ab sechs Jahren (Nachmittagsbetreuung) liegen. Damit wurden bisher rund 10 000 Betreuungsplätze eingerichtet. Die für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf so wichtige flächendeckende und bedarfsgerechte Ausstattung mit Kinderbetreuungsplätzen ist in Österreich nach wie vor deutlich niedriger als im EU-Durchschnitt. Insbesondere für die unter dreijährigen und ab sechsjährigen Kinder besteht ein großer Nachholbedarf.

Neben den generellen Zukunftsperspektiven bilden heute Maßnahmen zur leichteren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie Betreuungseinrichtungen, das Recht auf Teilzeitbeschäftigung und ein garantierter Wiedereinstieg in den Beruf die wichtigsten Voraussetzungen zur Erfüllung des Kinderwunsches, aber auch zur Stabilisierung der Finanzen des gesamten Sozial-, Familienförderungs- und Pensionssystems. Insbesondere gilt es daher, die Erwerbsbeteiligung der Frauen zu sichern und weiter auszubauen.

Im österreichischen Familienförderungssystem dominiert das horizontale Verteilungsprinzip – von den kinderlosen zu den kinderbetreuenden Haushalten –, davon gehen aber auch vertikale Umverteilungs­effekte aus. Rund 40% der Mittel fließen ins Drittel mit den niedrigsten Einkommen, 34% ins mittlere und 25% ins obere Einkommensdrittel. Die Alleinerziehenden sind nach wie vor jene Gruppe, die besonders armutsgefährdet ist.

Das gesamte Familienförderungssystem muss in Zukunft mehr als bisher die einkommensschwachen Familien, insbesondere AlleinerzieherInnen und Mehrkindfamilien mit niedrigem Einkommen, bevor­zugen und damit sozial gerechter und treffsicherer werden. Auch beim Finanzierungsaufkommen der Familienförderungsmittel ist mehr auf soziale Gerechtigkeit Bedacht zu nehmen und ein neues Finanzierungsinstrument – wie zB wertschöpfungsbezogene Komponenten – heranzuziehen.

Die zur Verfügung stehenden Budget- bzw. FLAF-Mittel müssen vor allem auf Infrastrukturmaßnahmen, die dringend notwendig sind, und jene Bevölkerungsgruppen, die sie auf Grund ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation brauchen, konzentriert werden.

Die Position der SPÖ zu den einzelnen Forderungen des Familien-Volksbegehrens:

“Karenzgeld für alle sofort einführen/Familien stärken durch Kinderbetreuungsgeld”

Diese Forderungen sind aus frauen-, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischer Sicht der falsche Weg. Vor allem würden sie den derzeitigen Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt enorm verschärfen. Bei Einführung dieser Maßnahmen würden Frauen überhaupt keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz erhalten, sie würden bei der Arbeitssuche mit dem Hinweis, sie beziehen ohnehin ein “Kinderbetreuungs­geld” abgewiesen werden. Ohne auf die soziale Situation und Bedürftigkeit Rücksicht zu nehmen, sind “Karenzgeld für alle – Kinderbetreuungsgeld” auch aus verteilungspolitischer Sicht abzulehnen. Immer mehr wird ein größerer Teil der Lohnkosten an Haushalte von Selbständigen umverteilt. Dafür müsste ein eigenes Finanzierungsinstrument – wie etwa wertschöpfungsbezogene Komponenten – herangezogen werden.

Die neue Regelung würde den Anteil, der an selbständige Haushalte fließt, fast verdoppeln. Jener Anteil für Arbeitslosen-, Hausfrauen- und ArbeiterInnenhaushalte würde nur gering ansteigen. Die Maßnahmen sind nicht nachhaltig wirksam und leisten keinen Beitrag zur Verbesserung der Situation für Kinder, Frauen und Familien. Mit der Aufrechterhaltung des Karenzgeldes auf einem niedrigen Niveau wird eine Weiterentwicklung des Karenzgeldes in Richtung existenzsichernder Leistung verhindert. Darüber hinaus bietet es keinen Anreiz für eine partnerschaftliche Aufteilung der Karenzinanspruchnahme und für die Familienarbeit. Auf Grund der nach wie vor großen Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern werden in Zukunft bei Einführung dieser Leistungen nach wie vor Frauen die Karenzleistung in Anspruch nehmen. Damit zementiert das “Karenzgeld für alle” die traditionelle Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern ein. Darüber hinaus wird der Familienlastenausgleichsfonds mit zusätzlich bis zu 7 Milliarden Schilling (die neuen Leistungen sollen ja zur Gänze aus dem FLAF finanziert werden) belastet. Die Finanzierung anderer wichtiger familienpolitischer Leistungen, wie zB Familienbeihilfe, Schüler- und Lehrlingsfreifahrten und Fahrtenbeihilfen sowie die Schulbuchaktion, ist daher in Zukunft nicht gesichert.

“Familie und Beruf besser vereinbar machen”

Eine der wesentlichsten Voraussetzungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die flächendeckende und vor allem bedarfsgerechte Ausstattung (Öffnungszeiten, die sich nach den Bedürfnissen der Berufstätigen orientieren – ganztägig und während der Ferien) von Kinderbetreuungs­plätzen. Österreich hat bei der Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen nach wie vor einen großen Nachholbedarf. Es fehlen rund 110 000 Kinderbetreuungsplätze.

In Österreich liegt der Besuch in öffentlichen Betreuungseinrichtungen deutlich unter dem EU-Durch­schnitt, vor allem bei den bis zu dreijährigen und ab sechsjährigen Kindern. Während im EU-Durchschnitt 18% der unter Dreijährigen versorgt sind, sind es in Österreich lediglich 3,7% der Kinder. Bei den Sechs- bis Zehnjährigen liegt der EU-Durchschnitt bei 29% und in Österreich bei nur 6%. Aus den Untersuchun­gen geht hervor, dass 85% der jungen Frauen sowohl eine Familie gründen wollen, aber auch gleichzeitig einen Beruf ausüben wollen. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, die für das “Karenzgeld für alle – Kinderbetreuungsgeld” aufgewendet werden, könnte die Lücke bei den Kinderbetreuungseinrichtungen leicht geschlossen werden.

Kinderbetreuungsplätze erfüllen auch eine wichtige pädagogische und bildungspolitische Aufgabe, wie soziales Lernen, das Erlernen der Teamfähigkeit, die Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft usw., Qualifikationen, die im späteren Leben dringend gebraucht werden.

Jedes Kind hat ein Recht auf eine qualifizierte, außerfamiliäre Betreuung mit hohem, klar definiertem, bundeseinheitlichem Qualitätsstandard. Die betroffenen Eltern haben ein Recht auf Teilzeitarbeit  mit dem Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz, die Wiedereinstiegshilfen nach familienbedingten Unter­brechnungen müssen ausgebaut werden, die Behaltefrist (Kündigungsschutz) nach der Karenzzeit von 4 auf 26 Wochen muss verlängert werden, familienfreundliche Arbeitszeiten, mit einem Mitspracherecht der Betroffenen, müssen von der Wirtschaft verstärkt angeboten und die partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit und die Väterkarenz in der Öffentlichkeit stärker bewusst gemacht werden.


“Kinder und Jugendliche vor Sekten und Gewalt in den Medien schützen”

Die bereits gesetzten und beschlossenen Maßnahmen der vergangenen Legislaturperiode zum Bereich “Gewalt in den Medien” müssen umgesetzt und ausgebaut werden. Dabei geht es vordringlich um eine Positivkennzeichnung von Medienprodukten. Ein erster Schritt dazu sollte die Ausarbeitung von Empfehlungslisten für Computerspiele und Videos sowie von Internetangeboten (Internet Impressum) sein. Nicht nur die Anbieter sind in diesem Zusammenhang an ihre Pflicht zu erinnern, sondern auch die Medienkompetenz der Medien und Kinder ist zu stärken sowie die Ausbildung von eigenen Medien­pädagogen zu forcieren. Ein eigenes österreichisches bzw. die Initiierung eines EU-weiten Jugend­medienschutzgesetzes sowie die Einrichtung einer Medienkommission, die die Einhaltung der Verein­barungen kontrollieren soll, sind weitere Schritte, um Kinder und Jugendliche vor Gewalt in den Medien zu schützen.

In den vergangenen Jahrzehnten haben neue gesellschaftlich-religiöse Phänomene und Ausdrucksformen wie “New Age”, “Esoterik”, “Okkultismus” und die gefährlichere Ausprägung, der “Satanismus”, ver­stärkten Zulauf vor allem bei Jugendlichen gefunden. Die Gesellschaft ist heute von einem “religiösen Pluralismus” geprägt, ein verstärktes Interesse für Sekten ist zu registrieren. Dabei sind auch die bereits erfolgten Maßnahmen in der vergangenen Legislaturperiode, wie die Auflage einer “Sekten-Broschüre” und die Einrichtung einer “Bundesstelle für Sektenfragen”, hervorzuheben.

In Zukunft geht es darum, die Aufklärung in Schulen, Jugendorganisationen und Erwachsenenbildungs­einrichtungen und in Familienberatungsstellen sowie die Prävention und Krisenintervention weiter auszu­bauen.

“Schülerfreifahrt auch für Schüler und Lehrlinge in Internaten”

Jene Schüler und Lehrlinge, die außerhalb des Wohnortes eine Zweitunterkunft haben (Internat­schülerInnen und Lehrlinge), sind zur Zeit gegenüber den anderen Schülern und Lehrlingen benachteiligt. Darum geht es, den BezieherInnenkreis auszuweiten und die Mittel dafür aus dem Familienlastenaus­gleichsfonds, der bereits Überschüsse aufweist, bereitzustellen. Gleichzeitig soll auch die Fahrtenbeihilfe für jene, die kein öffentliches Verkehrsmittel benützen können, eine Fahrtenbeihilfe in der Höhe der tatsächlichen Kosten für den Transport, gewährt werden. Die Freifahrt muss auch für Jugendliche gewährt werden, deren Ausbildungsverhältnis nicht im Berufsausbildungsgesetz geregelt ist, wie zB Prakti­kanntInnen, zahnärztliche AssistentInnen usw. Wenn mehrere Fahrausweise (für die Fahrt in den Betrieb, für die Fahrt in die Berufsschule und für die Fahrt an einen anderen Lernort) benötigt werden, sollte der Selbstbehalt nur einmal bezahlt werden müssen.

“Voller Kostenersatz für Zahnspangen”

Die für Kinder und Jugendliche anfallenden Kosten für Zahnspangen und Zahnregulierungen, die derzeit von den Familien zu tragen sind, stellen eine große finanzielle Belastung für die Betroffenen dar. Die geschätzten Gesamtkosten für die Kassen bei etwa gleichbleibender Patientenanzahl liegen bei rund 500 Millionen Schilling, wobei der Familienlastenausgleichsfonds durch die vorhandenen Überschüsse in der Lage ist, zur Mitfinanzierung herangezogen zu werden.