118 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP
Bericht
des Ausschusses für innere Angelegenheiten
über den Antrag 7/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 158/1998)
Die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen haben den gegenständlichen Antrag am 29. Oktober 1999 im Nationalrat eingebracht und wie folgt erläutert:
“1. Zur Familienzusammenführung
In den Erläuterungen wird im Zusammenhang mit dem Familiennachzug mehrfach auf den ,Anspruch‘ Bezug genommen. Die Qualität dieses Anspruches kann jedoch mit guten Gründen in Frage gestellt werden. Die derzeitige Quotenbewirtschaftung bewirkt, dass Familienangehörige Jahre auf ihre Niederlassungsbewilligung warten müssen und es für sie vor allem vollkommen ungewiß ist, ob sie in ein, zwei, drei oder vier Jahren eine Bewilligung erhalten werden. Diese Situation ist unmenschlich und untragbar. Außerdem wird nach den vorgeschlagenen Bestimmungen der Familiennachzug stark eingeschränkt. Es gibt keinen Familiennachzug mehr für Familienangehörige, die das 14. Lebensjahr überschritten haben, und auch nicht für Großeltern für Drittstaatsangehörige, die vor dem 1. Jänner 1998 nach Österreich eingereist sind. Damit sind diese Familienangehörigen klar benachteiligt. Gegen diese gleichheitswidrige Behandlung müssen verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet werden, da Familienangehörige, die nach dem 1. Jänner 1998 nachziehen, noch bis zur Volljährigkeit nach Österreich kommen können. Diese Regelung ist aber insofern auch im Sinne des Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich bedenklich, da behinderte Personen, die volljährig sind, nicht mehr zu ihren Eltern nach Österreich nachziehen dürfen. Wenn zB ein behindertes Kind im Heimatland bei den Großeltern bleibt und dort versorgt wird, können es die Eltern dann, auch wenn die Großeltern gestorben sind oder die Pflege nicht mehr übernehmen können, nicht mehr zu sich nach Österreich holen, wenn das Kind das 14. Lebensjahr überschritten hat. Diese Regelung ist im Sinne des Art. 8 EMRK nicht zu rechtfertigen.
Mit der Bestimmung, dass auf Grund einer Verpflichtungserklärung keine Niederlassungsbewilligung mehr erteilt werden darf, wird der Nachzug von Großeltern, aber auch für volljährige behinderte Kinder, für die Unterhalt gewährt wird, praktisch verunmöglicht, obwohl die ,Ankerfremden‘ unterhaltspflichtig sind und dem österreichischen Staat auch keine Belastung entstehen würde. Außerdem wird mit dieser Bestimmung verhindert, dass Personen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben, ihren Partner nach Österreich nachbringen können. Bis jetzt war dies auf Grund der Verpflichtungserklärung möglich. Europaweit sind gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften erlaubt. Es würde daher dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, wenn eine Niederlassungsbewilligung für Partner/innen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften auf diese Art und Weise praktisch ausgeschlossen würde.
Im Übrigen ist es unsinnig, Familienangehörige durch das Fremdengesetz von der Arbeit auszuschließen, da damit jede Integration verhindert wird. Da auch Familienangehörige nur dann einer Beschäftigung nachgehen können, wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländer-Beschäftigungsgesetz bekommen, gibt es keinen Grund, über den Aufenthaltszweck Personen auch noch über das Fremdengesetz vom Arbeitsmarkt auszuschließen.
2. Keine Diskriminierung per Gesetz
Bereits in den letzten Jahren wurde immer wieder heftig Krititk an negativen Bescheiden, insbesondere der MA 62, geübt, die den Nachzug von Familienangehörigen mit der Begründung der “Überfremdung” Wiens ablehnte. Von derselben Behörde wurden auch Bescheide ausgestellt, mit denen die Aufenthaltsbewilligung für Familienangehörige mit der Begründung abgelehnt wurde, dass bekannt sei, dass sich diese Familienangehörigen in Österreich nicht integrieren wollen (,Kopftuchbescheide‘). Es ist zu befürchten, dass durch die beiden Bestimmungen, deren Streichung verlangt wird, ein derartiges Vorgehen legalisiert wird. Angesichts der Tatsache, dass 1997 von der EU als Europäisches Jahr gegen den Rassismus ausgesprochen wurde, ist eine derartige gesetzliche Regelung wohl nicht tragbar. Wenn die Integration erreicht werden soll, dann sollen nach Möglichkeit Bestimmungen, die ein diskriminierendes Verhalten der Behörden fördern können, unter allen Umständen vermieden werden.
Nach den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes und der Verwaltungsverfahrensgesetze ist eine Identitätsfeststellung nur in bestimmten Situationen zulässig. Es müssen konkrete Gründe, die in § 35 SPG angeführt sind, vorliegen. § 32 ermächtigt die Sicherheitsbeamten, Personen, ,denen man ansieht, dass sie irgendwann einmal nach Österreich zugewandert sind,‘ aufzufordern, ihre maßgeblichen Dokumente, insbesondere den Reisepass vorzuweisen. Dies bedeutet praktisch eine Ausweispflicht für Personen, ,denen man ansieht …‘. Was passiert aber, wenn ein österreichischer Staatsbürger mit schwarzer Hautfarbe von einem Sicherheitsbeamten im Sinne § 32 Abs. 2 aufgefordert wird, sein Reisedokument vorzuweisen und er mit der Behauptung, dass er österreichischer Staatsbürger sei und kein Grund für eine Identitätsfeststellung vorliege, den Vorweis des Reisedokuments verweigert. Er wird vermutlich zur Feststellung der Identität festgenommen und auf das Polizeikommissariat gebracht werden. Das heißt, dass Personen, ,denen man ansieht, …‘, auch wenn sie österreichische Staatsbürger sind, verpflichtet sein werden, in Hinkunft immer ein Reisedokument bei sich zu führen. Dies ist eine klare Diskriminierung und daher der § 32 zu streichen, da die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung in den Verwaltungsverfahrensgesetzen und insbesondere im Sicherheitspolizeigesetz (§ 35 SPG) klar geregelt ist und darüber hinaus kein weiterer Bedarf besteht.
3. Schaffung einer wirklichen Aufenthaltsverfestigung
Diese Novellierung wurde unter dem Motto Integration vor Neuzuwanderung verkündet. In diesem Sinne sollten Personen, die sich bereits längere Zeit in Österreich aufhalten, nicht wegen jeder Kleinigkeit wieder ausgewiesen bzw. mit Aufenthaltsverbot belegt werden können. Außerdem ist die Regelung insgesamt unübersichtlich und unklar, sodass eine Vereinfachung der Bestimmungen wie vorgeschlagen zweckmäßig ist. Dadurch ist nicht nur den Behörden, sondern auch den Betroffenen geholfen, und außerdem können von vornherein eine Menge von Beschwerden ausgeschlossen werden. Die Bestimmungen betreffend die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot sollten im Übrigen an die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes angepaßt werden; demnach ist die Beschränkung der Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nur dann gerechtfertigt, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft vorliegt. Da davon auszugehen ist, dass die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bei Personen, die nicht EU-Bürger/innen sind, nicht geringer oder größer ist, sollten die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Sinne dieser Judikatur angepasst werden.
Bei Verurteilungen gegen die Prostitution ist weiters zu bedenken, dass es darum geht, den Prostituierten eine Möglichkeit zu eröffnen, sofern sie es wünschen, aus diesem Gewerbe auszusteigen und sich vom Einfluss allfälliger Zuhälter zu lösen. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes ist in der Regel kein Mittel dazu, sondern bewirkt in den meisten Fällen das Gegenteil. Im Übrigen ist es nicht gerechtfertigt, Prostituierte mit Zuhältern gleichzustellen.
Von einer Aufenthaltsverfestigung wird nur dann gesprochen werden können, wenn sichergestellt ist, dass Personen nicht wieder wegen jeder Kleinigkeit des Landes verwiesen bzw. mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden.
Es gibt unzählige Fälle, in denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung wegen Versäumung der Frist oder aus anderen Gründen, wegen der nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine Versagung nicht mehr möglich wäre, abgelehnt wurde und so die Personen in die Illegalität gedrängt wurden. Häufig handelt es sich hiebei um Personen, die sich schon seit Jahren in Österreich aufhalten. Im Sinne einer Rechtsbereinigung, aber auch Wiedergutmachung an diesen Personen sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass diesen Personen über Antrag eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen ist. Die Anträge sollen so behandelt werden, als wenn sie einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gestellt hätten.”
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 23. Mai 2000 in Verhandlung genommen.
In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Walter Murauer, Dr. Helene Partik-Pablé, Helmut Dietachmayr, Paul Kiss, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Karl Donabauer, Emmerich Schwemlein, Dipl.-Kfm. Dr. Günter Puttinger sowie der Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser und der Ausschussvorsitzende Abgeordneter Anton Leikam das Wort.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2000 05 23
MMag. Dr. Madeleine Petrovic Anton Leikam
Berichterstatterin Obmann