119 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über den Antrag 8/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 41/1999)


Die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen haben den gegenständlichen Antrag am 29. Oktober 1999 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Auch wenn Flüchtlinge an der Grenze einen Asylantrag stellen, sollten sie unverzüglich den Asylbe­hörden zwecks Einvernahme vorgeführt werden. Die Verweigerung der Einreise führt dazu, dass die betroffenen Flüchtlinge in Zukunft unter allen Umständen versuchen werden, auf irgendeine Art und Weise nach Österreich zu gelangen, um zu vermeiden, dass sie im Niemandsland vorerst eine Wahrscheinlichkeitsprüfung ihres Antrages abwarten müssen. Dies bringt nur einen zusätzlichen Umsatz für die Schlepperunternehmen und ist im Sinne eines fairen Asylverfahrens nicht zu rechtfertigen.

Gemäß § 4 besteht ein sicherer Schutz in einem Drittstaat regelmäßig dann, wenn dieser die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und ein Asylverfahren entsprechend den Grundsätzen der Konvention eingerichtet hat. Wie der Innenminister in Vorträgen bestätigt hat, sind diese Voraussetzungen in allen österreichischen Nachbarländern gegeben. Dies bedeutet, dass auf dem Landweg praktisch kein politischer Flüchtling mehr nach Österreich kommen kann. Eine derartige Praxis ist unverantwortlich. Die Regelung betreffend der Drittlandsicherheit sollte daher dahingehend abgeändert werden, dass das Konzept ,sicheres Drittland‘ nur dann zur Anwendung kommt, wenn in jedem Fall auch geprüft wird, ob der Asylwerber in dem sogenannten sicheren Drittland, in das er zurückgeschickt werden soll, auch aufgenommen wird und seine Fluchtgründe in einem fairen, effizienten Asylverfahren inhaltlich und individuell geprüft werden.

Bei Asylverfahren an der Grenze ist sicherzustellen, dass

           1. keine Zurückweisung vor Prüfung der Verfolgungssicherheit erfolgt;

           2. die Prüfung der direkten Anreise durch das Bundesasylamt vorgenommen wird;

           3. eine persönliche Anhörung des Asylwerbers durch das Bundesasylamt ermöglicht wird;

           4. Zugang zu asylrechtskundiger Beratung gewährleistet wird, der Hinweis auf die Möglichkeit, mit caritativen Organisationen Kontakt aufzunehmen, reicht keineswegs aus;

           5. allenfalls Vertreter des UNHCR miteinbezogen werden, so dass ein faires Asylverfahren gewährleistet ist.

Wie aus den Mindestgarantien für Asylverfahren hervorgeht, ist für ein faires Asylverfahren unerlässlich, dass Personen, solange noch keine Entscheidung über den Asylantrag getroffen wurde, in dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, sich aufhalten dürfen. Vor einer endgültigen Entscheidung über einen Asylantrag ist dem Asylwerber Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit der Asylbehörde einzuräumen.

Dem Asylwerber ist außerdem über eine hinreichende Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels zur Vorbereitung seiner Argumentation, wenn er die Überprüfung der Entscheidung beantragt, zu gewähren. Eine Zweitagesfrist zur Einbringung einer Berufung kann nicht als hinreichende Frist im Sinne der Mindestgarantien angesehen werden. Außerdem ist diese Regelung verfassungsrechtlich problematisch, da sie eine Überschreitung der Bedarfskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG bedeutet. Bei einer Berufungsfrist ist effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet, wie auch der deutsche Bundesgerichtshof feststellte.

Die Möglichkeit eines Asylerstreckungsantrages sollte auf nahe Angehörige, die in einem Abhängigkeits­verhältnis zu dem anerkannten Flüchtling stehen, ausgedehnt werden. Es ist nicht zu begründen, dass zwar minderjährigen Kindern schon, aber volljährigen behinderten Kindern und Großeltern, denen Unterhalt gewährt wird, kein Aufenthaltsrecht auf Grund eines Asylerstreckungsantrages eingeräumt werden kann. Dazu sei erwähnt, dass auch nach dem Fremdengesetz eine Familienzusammenführung für diese Personen nicht möglich ist.

Schutz für Frauen auf der Flucht!

Frauen, die vor Verfolgung und menschenunwürdigen Verhältnissen geflohen sind, benötigen einen viel besseren Schutz, als ihnen derzeit geboten wird. Beispiele belegen, dass geschlechtsspezifische Ver­folgung von Frauen, wie sie derzeit in Afghanistan nachweisbar ist, in Österreich nur in Ausnahmefällen als asylrelevanter Verfolgungsgrund anerkannt wird.

Während die Männer entführt werden oder sich bewaffneten Gruppen anschließen, bleibt Frauen und ihren Kindern oft nur die Flucht. Flüchtende Frauen werden besonders leicht Opfer von Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen durch Armeeangehörige und andere bewaffnete Männer. Schaffen es Frauen und Kinder, ein Flüchtlingslager zu erreichen, so sind sie in keiner Weise sicher. Mädchen, die allein sind, werden von Lageraufsehern oder männlichen Flüchtlingen oft als ,gemeinschaftliches sexuelles Eigen­tum‘ betrachtet. Frauen, die auf ihrer Flucht bereits Opfer von Vergewaltigung wurden, werden als ,beschmutzt‘ angesehen und dienen Männern als ,legitimes Opfer‘ für weitere Übergriffe und Vergewalti­gungen. Frauen, die auf ihrer Flucht alles verloren haben und auf Hilfe bei der Nahrungsmittelbe­schaffung angewiesen sind, werden besonders häufig von Männern ausgebeutet.

Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) hat mittlerweile erkannt, dass Flüchtlingsfrauen besondere Schutzbedürfnisse haben, und hat ein Bündel an Richtlinien zum Schutz von Flüchtlingsfrauen erstellt. Eine Berücksichtigung dieser Richtlinien würde die Sicherheit von Flüchtlings­frauen vor weiteren Menschenrechtsverletzungen wesentlich erhöhen. Die Richtlinien sehen insbesondere vor, dass Flüchtlingsfrauen selbst entscheiden können, wann und wie sie in ihr Land zurückkehren möchten. Solange die Vergewaltiger und Peiniger auf freiem Fuß sind – wie derzeit in Bosnien-Herzegowina –, kann es Frauen nicht zugemutet werden, in ihr ehemaliges Heimatland zurückzukehren. Nach den Richtlinien des UNHCR zum Schutz von Frauen liegt ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus auch dann vor, wenn Regierungen nicht in der Lage oder Willens sind, Frauen vor Misshandlungen zu schützen.

Genitale Verstümmelung von Frauen ist einer der weitverbreitesten Angriffe auf die Menschenrechte von Frauen. Man schätzt, dass allein in Afrika etwa 130 Millionen Frauen und Mädchen genital verstümmelt sind. Genitale Verstümmelung bedeutet die Entfernung von Teilen der sämtlichen äußeren Geschlechtsorgane einer Frau. Der Eingriff ist extrem schmerzhaft und kann tödlich sein. Die Folgen der Misshandlung bleiben für jede Frau ihr Leben lang bestehen. Die genitale Verstümmelung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen bei der Geburt eines Kindes sterben oder dass es zu einer Totgeburt kommt, um ein Mehrfaches. In der Deklaration und Aktionsplattform der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 haben die Regierungen zugestimmt, Gesetze zum Verbot genitaler Verstümmelung von Frauen zu schaffen und all jene, die derartige Misshandlungen durchführen, vor Gericht zu bringen.

Der Missbrauch von Frauen und Kindern sollte konkret als Asylgrund festgeschrieben werden. Die Notwendigkeit einer derartigen Regelung hat sich im Zusammenhang mit den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien deutlich gezeigt. Darüber hinaus sollte bezüglich des Asylverfahrens festgelegt werden, dass Frauen und Kinder nicht noch einmal über die Missbrauchshandlungen befragt werden, wenn diese von einem Arzt, Psychologen oder einer anderen Person als unzweifelhaft festgestellt wurden. Es ist unzumutbar, missbrauchten Personen noch einmal der Tortur der Befragung auszusetzen, auch wenn diese nun von Personen gleichen Geschlechts durchgeführt werden soll.

Im Sinne dieser internationalen Bestimmungen soll daher das Asylgesetz wie vorgeschlagen ergänzt werden.”

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 23. Mai 2000 in Verhandlung genommen.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Walter Murauer, Dr. Helene Partik-Pablé, Helmut Dietach­mayr, Paul Kiss, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Karl Donabauer, Emmerich Schwemlein, Dipl.-Kfm. Dr. Günter Puttinger sowie der Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser und der Ausschuss­vorsitzende Abgeordneter Anton Leikam das Wort.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehr­heit.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2000 05 23

                    MMag. Dr. Madeleine Petrovic                                                      Anton Leikam

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann