202 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht

des Ausschusses für Menschenrechte

 

über die Regierungsvorlage (127 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

und

über den Antrag 164/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

und

über den Antrag 13/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz idF von 1929 geändert wird

 

Der Regierungsvorlage 127 der Beilagen waren folgende Erläuterungen beigegeben:

“Am 24. Juni 1997 haben die Volksgruppenbeiräte für die kroatische Volksgruppe, die slowenische Volksgruppe, die ungarische Volksgruppe, die tschechische Volksgruppe, die slowakische Volksgruppe und die Volksgruppe der Roma der Bundesregierung und dem Nationalrat das ,Memorandum der öster­reichischen Volksgruppen‘ überreicht. In diesem wird unter anderem die Annahme einer Staatsziel­bestimmung im Verfassungsrang gefordert, welche ein Bekenntnis der Republik Österreich zu ihrer historisch gewachsenen, kulturellen, sprachlichen und ethnischen Vielfalt enthalten soll.

Nach der vorgeschlagenen Bestimmung bekennt sich die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Die Formulierung dieser Staatszielbestimmung folgt vergleichbaren Vorbildern (vgl. Art. 7 Abs. 1 und 2 B-VG, Art. 13 B-VG und § 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. Nr. 491/1984). Der Begriff ,Volksgruppen‘ ist im Sinne des § 1 Abs. 2 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976, zu verstehen. Für diese autochthonen Volks­gruppen in ihren angestammten Heimatgebieten wurden bereits auf Grund des Volksgruppengesetzes durch die Verordnung der Bundesregierung vom 18. Jänner 1977, BGBl. Nr. 38, in der Fassung der Verordnungen BGBl. Nr. 452/1992 und BGBl. Nr. 895/1993 Volksgruppenbeiräte eingerichtet.

Die vorgeschlagene Novelle soll dem im Zuge der Begutachtung zum Ausdruck gebrachten Anliegen Rechnung tragen, das Bekenntnis zum Schutz der Volksgruppen deutlicher im Wortlaut der Bestimmung zum Ausdruck zu bringen; er folgt – mit geringfügigen sprachlichen Modifikationen – § 1 Abs. 1 des Volksgruppengesetzes.”

Die Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen haben den Initiativantrag 164/A am 16. Mai 2000 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Vom offiziellen Österreich wurde des Öfteren die Wichtigkeit der österreichischen Volksgruppen für die Identität unseres Staates hervorgestrichen.

In den letzten Jahren haben zahlreiche Organisationen der Volksgruppen ein Bekenntnis der Republik Österreich zu ihren autochthonen Volksgruppen durch eine entsprechende Staatszielbestimmung ge­fordert.

In einem ,Memorandum der österreichischen Volksgruppen‘, welches von repräsentativen Vertretern aller sechs österreichischen Volksgruppen ausgearbeitet worden ist und welches am 24. Juni 1997 an Vertreter der Bundesregierung und im Nationalrat überreicht worden ist, wird die ,Annahme einer Staats­zielbestimmung im Verfassungsrang, welche ein Bekenntnis der Republik Österreich zu ihrer historisch gewachsenen, kulturellen, sprachlichen und ethnischen Vielfalt enthalten soll,‘ gefordert.

In der XX. Gesetzgebungsperiode hat die Sozialdemokratische Paralamentsfraktion bereits einen ähnlich lautenden Antrag ausgearbeitet und der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieser Antrag wurde damals der ÖVP übermittelt und von dieser nicht mitgetragen.

Es scheint nunmehr in der neuen XXI. Gesetzgebungsperiode in hohem Maße politisch angebracht, dem genannten Anliegen der österreichischen Volksgruppen näher zu treten und es bietet sich legistisch an, eine diesbezügliche Bestimmung im Art. 8 B-VG zu verankern. Über den rein rechtlichen Gehalt der Novellierung hinaus scheint es auch als Signal von Bedeutung, dass der österreichische Verfassungs­gesetzgeber sich eindeutig in dieser Form zu den österreichischen Volksgruppen bekennt.

Bei der Formulierung der Bestimmung wurde ausdrücklich auf den Begriff ,Volksgruppen‘ Bezug ge­nommen, weil dieser Begriff im geltenden Volksgruppengesetz klar definiert ist.”

Die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen haben den Initiativantrag 13/A am 29. Oktober 1999 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Obwohl die Volksgruppen in Österreich einen bedeutenden Beitrag für die Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt Österreichs leisten, gibt es bis jetzt kein eigenständiges Bekenntnis der Republik zu ihren Minderheiten in der Bundesverfassung.

Verfassungsrechtliche Regelungen zur Frage der Volksgruppen stammen einerseits aus der Monarchie und finden sich im Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, Artikel XIX. Diese Bestimmung wurde durch Art. 149 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zum Verfassungsgesetz erklärt.

Andererseits hat sich Österreich in völkerrechtlichen Verträgen zur Gewährung bestimmter Minder­heitenrechte verpflichtet, und zwar jeweils gegenüber den siegreichen Alliierten der Weltkriege: im Staatsvertrag von St. Germain Art. 66 bis 68, und im Staatsvertrag von Wien, 1955, Artikel 7.

Ein eigenständiges Bekenntnis der Republik Österreich zur Achtung, Bewahrung, Förderung und zum Schutz der sprachlichen und kulturellen Vielfalt fehlt.

Durch eine Staatszielbestimmung an prominenter Stelle in der Bundesverfassung (Artikel 8) soll kultu­relle und sprachliche Vielfalt per se als Interesse der Republik definiert werden. Erhalt und Ausbau dieser Vielfalt wären Gesamtanliegen des Staates und nicht defensive Rechte einer bestimmten Gruppe. Die Republik insgesamt übernimmt mit einer derartigen Staatszielbestimmung einen Teil der Verantwortung zur Achtung, Bewahrung, Förderung und zum Schutz der sprachlichen und kulturellen Vielfalt.

Durch Jahrhunderte gemeinsamer Entwicklung von Menschen mit verschiedenen Sprachen, Kulturen und Religionen wurde die Republik Österreich geprägt. Wir Österreicherinnen und Österreicher können mit Recht stolz auf diese Vielfalt sein.

Doch dieser Reichtum ist keine Selbstverständlichkeit. Im Dritten Reich wurden Juden und Roma und Sinti von den Nazis fast ausgerottet. Nationalistische Bombenanschläge haben vier Roma das Leben gekostet, weitere Menschen wurden teilweise schwer verletzt.

Echten Schutz kann hier nur die Gesellschaft als Ganzes bieten, indem sie die Minderheiten in die Mitte der Gesellschaft holt, indem klar gemacht wird, dass Minderheiten ein Teil von uns, ein Teil Österreichs sind.

Eine Staatszielbestimmung zur Achtung, Bewahrung, Förderung und zum Schutz der sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Republik Österreich an prominenter Stelle in der Bundesverfassung stellt einen geeigneten Schritt in diesem Sinne dar.

An dieser Staatszielbestimmung haben sich in weiterer Folge auch einfachgesetzliche Regelungen zu orientieren.”

Der Ausschuss für Menschenrechte hat den Initiativantrag 13/A am 19. Jänner 2000 erstmals in Ver­handlung genommen und nach der Berichterstattung durch die Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits und Wortmeldungen der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Mag. Walter Posch, Mag. Terezija Stoisits und Mag. Ulrike Lunacek einstimmig beschlossen, die Verhandlungen zu vertagen.

Am 30. Mai 2000 hat der Ausschuss für Menschenrechte den Initiativantrag 164/A erstmals in Ver­handlung genommen sowie die Verhandlungen zum Initiativantrag 13/A wieder aufgenommen. Gemäß § 41 Absatz 2 GOG wurden die Verhandlungen über diese beiden Anträge zusammengefasst.

Berichterstatter für den Initiativantrag 164/A war Abgeordneter Mag. Walter Posch.

Nach der gemeinsamen Debatte, in der die Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Dr. Christof Zernatto, Mag. Walter Posch, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Martin Graf, Mag. Barbara Prammer, Matthias Ellmauer, Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Brunhilde Plank und Dr. Gertrude Brinek das Wort ergriffen, beschloss der Ausschuss einstimmig die Einsetzung eines Unterausschusses zur Vorbehandlung der beiden Initiativ­anträge.

Weiters beschloss der Ausschuss einstimmig, die Vorsitzenden der sechs Volksgruppenbeiräte als Ex­perten gemäß § 40 Absatz 1 GOG zur mündlichen Äußerung für die nächste Sitzung des Unteraus­schusses einzuladen.

 

Diesem Unterausschuss gehörten von der Sozialdemokratischen Fraktion die Abgeordneten Inge Jäger, Mag. Brunhilde Plank, Mag. Walter Posch, Gerhard Reheis und Dr. Peter Wittmann, vom Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs die Abgeordneten Dr. Martin Graf, Dr. Michael Krüger – vertreten in der Sitzung vom 20. Juni 2000 durch den Abgeordneten Bernd Brugger –, Dr. Harald Ofner und Mag. Rüdiger Schender, vom Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Matthias Ellmauer, Erwin Hornek und Dr. Christof Zernatto und vom Grünen Klub die Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits an.

Bei der Konstituierung am 30. Mai 2000 wurden die Abgeordnete Mag. Terezija Stoistis zur Obfrau, die Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Matthias Ellmauer und Mag. Walter Posch zu Obfraustellvertretern sowie die Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Mag. Rüdiger Schender zu Schrift­führern gewählt.

Am 20. Juni 2000 nahm der Ausschuss für Menschenrechte die Regierungsvorlage 127 der Beilagen erstmals in Verhandlung.

Nach der Berichterstattung durch die Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek wurde einstimmig beschlossen, den bereits zur Vorbehandlung der Anträge 13/A und 164/A bestehenden Unterausschuss auch mit der Vorbehandlung der gegenständlichen Regierungsvorlage zu betrauen.

Im Anschluss an diese Sitzung des Ausschusses nahm der Unterausschuss seine Verhandlungen zur Regierungsvorlage 127 der Beilagen sowie zu den beiden Anträgen 13/A und 164/A auf. Nach ein­leitenden Stellungnahmen der Vorsitzenden der sechs Volksgruppenbeiräte bzw. deren Stellvertreter Bürgermeister Leo Radakovits (Kroatische Volksgruppe), Rudolf Sarközi (Volksgruppe der Roma), Mag. Tatiana Benovsky (Slowakische Volksgruppe), Dr. Marjan Sturm (Slowenische Volksgruppe), Mag. Paul Roth (stellvertretender Beiratsvorsitzender der Tschechischen Volksgruppe) und Dr. Ernst Deak (stellvertretender Beiratsvorsitzender der Ungarischen Volksgruppe) ergriffen in der darauf­folgenden Debatte die Abgeordneten Mag. Walter Posch, Mag. Brunhilde Plank, Matthias Ellmauer, Dr. Harald Ofner, Inge Jäger, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Christof Zernatto sowie die Experten Rudolf Sarközi und Leo Radakovits sowie der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak das Wort.

Ein Einvernehmen konnte im Unterausschuss nicht erzielt werden.

Im Anschluss an diese Sitzung des Unterausschusses fand eine weitere Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte statt, in der die Regierungsvorlage sowie die beiden Anträge 13/A und 164/A gemeinsam in Verhandlung genommen wurden und die Regierungsvorlage 127 der Beilagen einstimmig der Debatte und der Abstimmung zu Grunde gelegt wurde.

Die Obfrau des Unterausschusses Mag. Terezija Stoistis berichtete über das Ergebnis der Unteraus­schussberatungen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Matthias Ellmauer, Mag. Walter Posch, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Christof Zernatto, Dr. Martin Graf, Mag. Brunhilde Plank, Dr. Harald Ofner und Dieter Brosz.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage 127 der Beilagen in der Fassung eines gesamtändern­den Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Dr. Harald Ofner, Matthias Ellmauer und Mag. Terezija Stoisits einstimmig angenommen.

Ein von der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits eingebrachter Entschließungsantrag fand keine Mehr­heit.

Durch die Annahme des angeschlossenen Gesetzentwurfes gelten auch die Anträge 13/A und 164/A als miterledigt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Menschenrechte somit den Antrag, der Natio­nalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2000 06 20

                                  Anton Wattaul                                                             Mag. Terezija Stoisits

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau

Anlage

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 148/1999, wird wie folgt geändert:

1. Art. 8 lautet:

Art. 8. (1) Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundes­gesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.

(2) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.”

2. Dem Art. 151 wird folgender Abs. 24 angefügt:

“(24) Art. 8 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 tritt mit 1. August 2000 in Kraft.”