277 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 18. 9. 2000

Regierungsvorlage


PROTOKOLL

ZUR ABÄNDERUNG DES AM 30. JÄNNER 1974 IN WIEN UNTERZEICHNETEN ABKOMMENS ZWISCHEN DER REPUBLIK ÖSTERREICH UND DER SCHWEIZERISCHEN EIDGENOSSENSCHAFT ZUR VERMEIDUNG DER DOPPELBESTEUERUNG AUF DEM GEBIETE DER STEUERN VOM EINKOMMEN UND VOM VERMÖGEN


Die Republik Österreich und die Schweizerische Eidgenossenschaft,

VON DEM WUNSCHE GELEITET, ein Protokoll zur Abänderung des am 30. Jänner 1974 in Wien unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossen­schaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des Protokolls vom 18. Jänner 1994 (im Folgenden als “Abkommen” bezeichnet) abzuschließen,

haben Folgendes vereinbart:

Artikel I

Artikel 10 Absatz 2 des Abkommens wird aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt:

“(2) Diese Dividenden dürfen jedoch in dem erstgenannten Vertragsstaat, in dem die die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz oder Geschäftsleitung hat, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber 15 von Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen. Diese Dividenden sind jedoch im erstgenannten Vertragsstaat von der Steuer befreit, wenn der Empfänger eine Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die unmittelbar über mindestens 20 von Hundert des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt.”

Artikel II

Artikel 11 des Abkommens wird durch folgenden Artikel ersetzt:

“Artikel 11

(1) Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, dürfen nur in dem anderen Staat besteuert werden.

(2) Der in diesem Artikel Verwendete Ausdruck “Zinsen” bedeutet Einkünfte aus öffentlichen Anleihen, aus Obligationen, auch wenn sie durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet sind, und aus Forderungen jeder Art sowie alle anderen Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, aus dem sie stammen, den Einkünften aus Darlehen gleichgestellt sind.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Empfänger der Zinsen in dem anderen Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, eine Betriebsstätte hat und die Forderung, für die die Zinsen gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. In diesem Fall ist Artikel 7 anzuwenden.

(4) Zinsen gelten auch dann als aus einem Vertragsstaat stammend, wenn der Schuldner dieser Staat selbst, eine seiner Gebietskörperschaften oder eine in diesem Staat ansässige Person ist. Hat aber der Schuldner der Zinsen, ohne Rücksicht darauf, ob er in einem Vertragsstaat ansässig ist oder nicht, in einem Vertragsstaat eine Betriebsstätte und ist die Schuld, für die die Zinsen gezahlt werden, für Zwecke der Betriebsstätte eingegangen worden und trägt die Betriebsstätte die Zinsen, so gelten die Zinsen als aus dem Vertragsstaat stammend, in dem die Betriebsstätte liegt.


(5) Bestehen zwischen Schuldner und Gläubiger oder zwischen jedem von ihnen und einem Dritten besondere Beziehungen und übersteigen deshalb die gezahlten Zinsen, gemessen an der zugrunde­liegenden Forderung, den Betrag, den Schuldner und Gläubiger ohne diese Beziehungen vereinbart hätten, so wird dieser Artikel nur auf diesen letzten Betrag angewendet. In diesem Fall kann der übersteigende Betrag nach dem Recht jedes Vertragsstaates und unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen dieses Abkommens besteuert werden.

Artikel III

1. Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden so bald wie möglich in Wien ausgetauscht.

2. Das Protokoll tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und ist anzuwenden:

           a) vorbehaltlich des Buchstabens b) auf die an der Quelle erhobenen Steuern von den Dividenden und Zinsen, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Protokolls folgenden Kalenderjahres zufließen;

          b) auf die an der Quelle erhobenen Steuern von den im letzten Satz von Artikel I erwähnten Dividenden, die am oder nach dem 1. Januar 2000 zufließen.

ZU URKUND DESSEN haben die Bevollmächtigten der beiden Staaten dieses Protokoll unter­zeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

GESCHEHEN ZU Zürich am 20. Juli 2000, in zweifacher Ausfertigung.

Für die Republik Österreich:

Karl-Heinz Grasser

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft:

Kaspar Villiger

Vorblatt

Problem:

Die bestehenden steuervertraglichen Beziehungen zwischen Österreich und der Schweiz auf der Grund­lage des Abkommens vom 30. Januar 1974, BGBl. Nr. 64/1975 in der Fassung des Abänderungsproto­kolls vom 18. Januar 1994, BGBl. Nr. 161/1995 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen entsprechen nicht mehr den Anforderungen des modernen Steuervertragsrechts und bedürfen daher einer Neuregelung.

Ziel:

Durch ein Abänderungsprotokoll zum österreichisch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen sollen die Benachteiligungen des Wirtschaftsstandortes Österreich gegenüber anderen EU-Staaten beseitigt werden.

Inhalt:

Das Abänderungsprotokoll entlastet konzerninterne Gewinnausschüttungen in die Schweiz in gleicher Weise von der österreichischen Quellenbesteuerung wie Gewinnausschüttungen in EU-Staaten.

Alternativen:

Beibehaltung des alten, aber nicht mehr befriedigenden Rechtszustandes, der aber die wirtschaftlichen Beziehungen zur Schweiz belastet hätte.

Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich:

Die Standortqualität wird verbessert.

Kosten:

Es sind infolge der korrespondierenden Quellensteueranhebung bei Portfoliodividenden und des Wegfalls der bisherigen Anrechnungsverpflichtung für schweizerische Zinsenquellensteuern keine nennenswerten Kosten zu erwarten.

Konformität mit EU-Recht:

Die Vereinbarkeit mit EU-Recht ist gegeben, da die Mitgliedstaaten weiterhin grundsätzlich zum Abschluss solcher Abkommen zuständig sind. Ein den Gegenstand des Abkommens abdeckendes Übereinkommen der EU besteht nicht.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das derzeit mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft bestehende Abkommen zur Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen stammt aus dem Jahr 1974 (Abkommen vom 30. Januar 1974, BGBl. Nr. 64/1975 in der Fassung des Abänderungsprotokolls vom 18. Januar 1994, BGBl. Nr. 161/1995). Es sieht unter anderem für grenz­überschreitende Gewinnausschüttungen im internationalen Konzern eine Quellensteuerbelastung mit 5% vor.

Da mittlerweile mehrere Staaten der Europäischen Union (Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Nieder­lande und Schweden) in ihren Abkommen mit der Schweiz für Konzerndividenden den Nullsteuersatz vorgesehen haben und da weiters aus Österreich in die EU-Staaten abfließende Dividenden auf Grund der EG-Mutter-Tochterrichtlinie in Österreich keiner Quellenbesteuerung mehr unterzogen werden dürfen, hat die gegenwärtige Abkommenslage mit der Schweiz einerseits zu Steuerumgehungen durch Umweg­konstruktionen über die genannten EU-Länder und andererseits zu Beteiligungsverlagerungen in andere EU-Staaten Anlass gegeben. Im Interesse des Wirtschaftsstandortes Österreich ist daher eine ent­sprechende Revision des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz erforderlich geworden.

Am 9. und 10. Dezember 1999 sind in Bern Verhandlungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft aufgenommen worden, die zur Paraphierung des vorliegenden Entwurfes des Revisionsprotokolls geführt haben.

Das Revisionsprotokoll ist ein gesetzändernder Staatsvertrag und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Überdies ist gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Es hat nicht politischen Charakter und enthält weder verfassungsändernde noch verfassungsergänzende Bestimmungen. Alle seine Bestimmungen sind zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert, sodass eine Beschluss­fassung gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Mit dem Inkrafttreten des Staatsvertrages werden im Wesentlichen keine finanziellen und keine personellen Auswirkungen verbunden sein.

Besonderer Teil

Zu Artikel I:

Im Fall von Schachteldividenden ab einem Beteiligungsausmaß von mindestens 20% wird das im bisherigen Abkommen bestehende 5% Quellenbesteuerungsrecht auf 0% herabgesetzt und damit das ausschließliche Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat überlassen. Diese Quellensteuerentlastung bleibt auch dann erhalten, wenn der Ansässigkeitsstaat auf Grund seines innerstaatlichen Rechtes keine Besteuerung der Konzerndividende vornimmt.

Im Fall von Portfoliodividenden (Dividenden unterhalb der 20%-Grenze) wird das Quellenbe­steuerungsrecht von bisher 5% korrespondierend auf das Niveau des OECD-Musterabkommens von 15% angehoben.

Zu Artikel II:

Das im derzeit geltenden Abkommen bestehende 5% Quellenbesteuerungsrecht für Zinsen wird auf 0% reduziert, womit dem Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers das alleinige Besteuerungsrecht verbleibt. Diese Veränderung wird sich ausschließlich zugunsten der österreichischen Haushaltseinnahmen aus­wirken, da einerseits die aus Österreich in die Schweiz abfließenden Zinsen bereits nach geltendem innerstaatlichen Recht keiner Quellensteuerbelastung unterworfen sind und andererseits für die aus der Schweiz nach Österreich fließenden Zinsen künftig keine 5%ige schweizerische Verrechnungssteuer mehr anzurechnen sein wird.

Zu Artikel III:

Dieser Artikel betrifft den zeitlichen Anwendungsbereich des Revisionsprotokolls.

Der für den konzerninternen Dividendenfluss vorgesehene Nullsatz gilt für Dividenden, die nach dem 31. Dezember 1999 zufließen. Für Dividenden im Streubesitz und Zinsen ist das Protokoll auf jene Erträge anwendbar, die am oder nach dem 1. Jänner des auf das Inkrafttreten des Protokolls folgenden Kalenderjahres zufließen.