289 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht

des Justizausschusses


über den Antrag 209/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden


Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 18. September 2000 in Verhandlung genommen. Dieser Gesetzesvorschlag deckt sich inhaltlich mit dem vom Bundesministerium für Justiz am 20. Juni 2000 zu JMZ 578.018/2-II.3/2000 zur allgemeinen Begutachtung versandten Entwurf einer Strafprozessnovelle 2000. In seiner Begründung bemerkt der Initiativantrag, dass den Ergebnissen des diesbezüglichen Begutachtungsverfahrens nicht vorgegriffen, sondern bloß das gleich­zeitige Inkrafttreten, insbesondere des vorgeschlagenen § 145a StPO, mit der Abschaffung der Anonymi­tät von Bankkonten am 1. November 2000 (vgl. § 103b BWG idF BGBl. I Nr. 33/2000) sichergestellt werden soll. Der erwähnte Entwurf sowie der auf ihn gestützte Initiativantrag beinhalten im Wesent­lichen folgende Vorschläge:

–   Keine Ausnahme von der Anzeigepflicht der Leiter von Behörden und öffentlichen Dienststellen, wenn die Anzeige zum Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor weiterer Gefährdung erforderlich ist (§ 84 Abs. 2a StPO);

–   Festlegung von Reichweite und Umfang der Durchbrechung des Bankgeheimnisses nach § 38 Abs. 2 Z 1 BWG durch ausdrückliche Anordnung eines richterlichen Beschlusses (§ 145a StPO);

–   Einführung der Möglichkeit einer Verlängerung für die Fristen zur Rechtsmittelausführung und Gegenausführung in Extremfällen sowie Vereinheitlichung der Rechtsmittelfristen durch Anordnung einer vierwöchigen Frist für die Gegenausführung auch im bezirksgerichtlichen Verfahren (§§ 285, 467 Abs. 5 und 489 Abs. 1 StPO);

–   Regelung der amtswegigen Vorführung des verhafteten Angeklagten zum Gerichtstag zur öffent­lichen Verhandlung über die Berufung (§§ 294 Abs. 5, 296 Abs. 3 und 471 Abs. 3 StPO).

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Johann Maier, Dr. Sylvia Papházy, Dr. Michael Krüger, Dr. Harald Ofner und die Ausschussobfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer.

Auf Grund der Ergebnisse des vorerwähnten Begutachtungsverfahrens und der Beratungen des Aus­schusses brachten die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Harald Ofner im Zuge der Debatte einen gesamtändernden Abänderungsantrag ein. Dieser enthält zusammengefasst folgende Vor­schläge:

–   Zustellung des “Croquis” der Oberstaatsanwaltschaft zur Äußerung auch im Verfahren auf Grund eines Rechtsbehelfs (§ 35 Abs. 2 StPO);

–   verstärkte Berücksichtigung von Opferinteressen im Rahmen der Beurteilung der Notwendigkeit einer Anzeige durch öffentliche Dienststellen (§ 84 Abs. 2a StPO);

–   Festlegung von Reichweite und Umfang der Durchbrechung des Bankgeheimnisses nach § 38 Abs. 2 Z 1 BWG durch ausdrückliche Anordnung eines richterlichen Beschlusses (§ 145a StPO);

–   Einführung der Möglichkeit einer Verlängerung für die Fristen zur Rechtsmittelausführung und
-gegenausführung in Extremfällen
sowie Vereinheitlichung der Rechtsmittelfristen durch Anordnung einer vierwöchigen Frist für die Gegenausführung auch im bezirksgerichtlichen Verfahren (§§ 285, 294 Abs. 2, 467 Abs. 5 und 489 Abs. 1 StPO);

–   Regelung der amtswegigen Vorführung des verhafteten Angeklagten zum Gerichtstag zur öffent­lichen Verhandlung über die Berufung (§§ 294 Abs. 5, 296 Abs. 3 und 471 Abs. 3 StPO);

–   Veröffentlichung des Edikts im sogenannten Bedenklichkeitsverfahren in der elektronischen Edikts­datei (§ 376 Abs. 1 StPO);

–   Verständigung des Freigesprochenen, wenn der Freispruch wegen Rückziehung eines durch die Staatsanwaltschaft angemeldeten Rechtsmittels rechtskräftig wird ( 396 Abs. 2 StPO).

Zu den finanziellen Auswirkungen:

Die Neuregelung der (amtswegigen) Vorführung verhafteter Angeklagter zu Berufungsverhandlungen (Art. I Z 7c, 8 und 12) wird im Hinblick auf vermehrte Vorführungen von Untersuchungshäftlingen zum OGH zu einem gewissen personellen Mehraufwand im Bereich der Justizwache führen (der sich mit durchschnittlich etwa 4 000 S pro Vorführung bewerten lässt). Hiebei ist mit bis zu 100 zusätzlichen Vorführungen jährlich zum OGH zu rechnen. Geringer ist der Mehraufwand bei den Oberlandesgerichten zu veranschlagen, weil diese verhaftete Beschuldigte schon bisher vielfach vorführen ließen und der zeitliche Aufwand überdies wegen der geringeren räumlichen Distanz im Einzelfall niedriger ist. Insgesamt werden die mit der erwähnten Neuregelung verbundenen Mehrkosten eine Million Schilling nicht übersteigen.

Die übrigen Bestimmungen des Entwurfs werden keinen wesentlichen personellen oder sachlichen Mehraufwand verursachen; die Bestimmung des § 143 Abs. 3 StPO enthält bloß eine ausdrückliche Verrechtlichung des nach der Judikatur ohnedies bereits auf Grund geltender Rechtslage zustehenden Kostenersatzes.

Von den Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Terezija Stoisits wurden ebenfalls zwei gemein­same umfassende Abänderungsanträge eingebracht.

Bei der Abstimmung wurde der im Antrag 209/A enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des erwähnten umfassenden Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Harald Ofner in der diesem Bericht beige­druckten Fassung mit Mehrheit angenommen. Die beiden Abänderungsanträge der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Terezija Stoisits hingegen fanden nicht die Mehrheit des Ausschusses.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl gewählt.

Zu den einzelnen Bestimmungen des vom Justizausschuss angenommenen Gesetzesvorschlags ist Folgendes zu bemerken:

Zu Art. I Z 1 (§ 35 Abs. 2 StPO):

§ 35 Abs. 2 StPO idF des Strafprozessänderungsgesetzes 1993, BGBl. Nr. 526, und des Strafrechtsände­rungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 762, ordnet an, dass das Rechtsmittelgericht Stellungnahmen der Staatsan­waltschaft zu einer Nichtigkeitsbeschwerde, einer Berufung oder einer Beschwerde dem Angeklagten mit dem Bedeuten mitzuteilen hat, dass er sich binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist hiezu äußern könne. Diese im Interesse zweckmäßiger Verteidigung zur Wahrung des Grundsatzes der Kontradiktorie­tät des Strafverfahrens geschaffene Regelung trägt der Judikatur des EGMR Rechnung, wonach das Fairnessgebot das Grundrecht auf ein zweiseitiges Strafverfahren in Bezug auf die Entscheidung über die Schuldfrage und bei Prüfung der Haftfrage umfasst (vgl. RV StPÄG 1993, 924 BlgNR XVIII. GP, 14 ff).

Mit Urteil vom 27. Juni 2000, GZ 11 Os 33/00-7, hat der OGH eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes verworfen. Die Generalprokuratur hatte bemängelt, dass ein Oberlandesgericht eine Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft zum Einspruch des Beschuldigten gegen die Anklage nicht dem Beschuldigten zugestellt hatte. Der OGH hingegen hat § 35 Abs. 2 StPO nicht auf diesen Vorgang bezogen, weil der Einspruch gegen die Anklageschrift ein Rechtsbehelf (und damit weder eine Nichtigkeitsbeschwerde noch eine Berufung oder Beschwerde) ist und keine planwidrige Regelungslücke vorliege, weil dieser Einspruch weder eine Entscheidung über die Schuld herbeizuführen vermöge noch irgendeine Bindungswirkung für das nachfolgende, den Garantien des Art. 6 EMRK unterliegende Verfahren entfalte.

Aus Sicht des Justizausschusses hingegen kommt der Versetzung in den Anklagestand – insbesondere im Hinblick auf die damit ausgesprochene Verdachtslage – wesentliche Bedeutung zu, zumal sie den Übergang vom Vorverfahren in das Stadium der Hauptverhandlung kennzeichnet. Das Verfahren auf Grund eines Einspruchs gegen die Anklage – ein ordentlicher Rechtsbehelf gegen unbegründete Verfolgungsanträge des Anklägers (vgl. FOREGGER/FABRIZY, StPO8, Rz 3 zu § 208) – soll daher ebenso wie etwa eine Beschwerde gegen die Verlängerung der Untersuchungshaft dem Grundsatz der Waffengleichheit verpflichtet sein.

Zur Vermeidung künftiger Streitfragen und zur vollständigen Umsetzung der “Zweiseitigkeit” des Straf­verfahrens, insbesondere in jenen Fällen, in denen eine Entscheidung in nicht öffentlicher Sitzung ergeht, soll mit der vorgeschlagenen Wendung “… zu einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf” allgemein gewähr­leistet werden, dass der Betroffene im Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht rechtzeitig die Möglichkeit erhält, dem gegen sein Begehren gerichteten Standpunkt der Anklagebehörde entgegen zu treten.

Zu Art. I Z 2(§ 84 Abs. 2a StPO):

Aus Sicht des Justizausschusses besteht Anlass, größere Anstrengungen zu unternehmen, um Opfern strafbarer Handlungen – insbesondere im Bereich von Kindesmisshandlungen und des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen – staatliche Hilfestellung zu bieten und ihnen glaubwürdig zu vermitteln, dass ihr Anspruch auf staatliche Schutzgewährung vorrangig ist. Der Initiativantrag hat daher ebenso wie der Ministerialentwurf vorgesehen, dass unabhängig vom Bestehen eines Vertrauensver­hältnisses und von der Wirksamkeit amtlicher Tätigkeit (Abs. 2 Z 1) Anzeige zu erstatten ist, wenn der Schutz des Verletzten (des Opfers) oder einer anderen Person vor (weiterer) Gefährdung dies erforderlich macht.

Im Begutachtungsverfahren geäußerte Bedenken, dass eine verstärkte Anzeigepflicht sowohl für den Opferschutz als auch für das Strafverfahren kontraproduktiv sei, zu übereilten Anzeigen bzw. zu verfrühtem Abschieben der Verantwortung und zu sekundärer Viktimisierung führen würde, sind jeden­falls ernst zu nehmen. Mit der nun vorgeschlagenen Formulierung soll – im Sinne der im Regierungspro­gramm vereinbarten Zielsetzung verstärkten Schutzes von Kindern und Jugendlichen – das Anliegen des Justizausschusses verdeutlicht werden, ein starkes Signal für den Opferschutz zu setzen. Daher soll noch deutlicher dem Missverständnis begegnet werden, dass § 84 Abs. 2 Z 1 StPO primär dem Schutz des Vertrauensverhältnisses jener Behörden und öffentlichen Dienststellen diene, deren Mitarbeiter vielfach deswegen früher als Sicherheitsbehörden und Staatsanwaltschaft von einem strafrechtlich relevanten Fehlverhalten erfahren, weil sie auf Grund berufsrechtlicher Bestimmungen zur Verschwiegenheit ver­pflichtet sind. Schon aus dem Gesetzeswortlaut soll ersichtlich sein, dass die auf ein Vertrauensverhältnis aufbauende Beratungs- und Betreuungstätigkeit nicht von sachfremden Überlegungen abhängig sein darf und beamtete Berater wie Betreuer jedenfalls verpflichtet sind, alles in ihrem jeweiligen Fachbereich Erforderliche zu veranlassen, um mögliche (weitere) Gefährdungen von Opfern strafbarer Handlungen abzuwenden. Das Vertrauensverhältnis wird daher nur so weit geschützt, als es dem wohlverstandenen Interesse des Verletzten dient, primär jenem, vor ähnlichen Angriffen geschützt zu sein; Richtlinie für das weitere Vorgehen der betroffenen Behörde oder Dienststelle müssen jedenfalls die Interessen des Opfers sein. Das Vertrauensverhältnis darf somit keineswegs Selbstzweck, sondern immer nur ein Mittel sein, das die adäquate und bestmögliche Betreuung und Hilfestellung für die in ihren Rechten verletzte Person sowie die Möglichkeit des Aufbaus eines neuen Vertrauensverhältnisses zu künftigen Opfern und deren Umgebung zum Ziel hat.

Dabei bildet auch die Anzeige an die Sicherheitsbehörde oder Staatsanwaltschaft eine Möglichkeit staatlicher Schutzgewährung, auf die grundsätzlich Anspruch besteht (vgl. in diesem Sinne auch § 22 Abs. 4 SPG). Die Anzeigeerstattung ist daher als eines der Instrumente, die dem Schutz von Opfern dienen können, bei der Abwägung der Interessen des Opfers in den Kreis der Überlegungen einzube­ziehen. In diesem Sinne ist daran zu erinnern, dass bereits der Bericht des Justizausschusses zur Regie­rungsvorlage eines Strafprozessänderungsgesetzes 1993 (924 BlgNR XVIII. GP), 1157 BlgNR XVIII. GP, 8, festgehalten hat, dass – insbesondere im Interesse des Schutzes gefährdeter Personen – dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung Vorrang (gegenüber der unbeeinträchtigten Ausübung jener amtlichen Tätigkeit, die eines Vertrauensverhältnisses bedarf) einzuräumen sein wird.

Obgleich in erster Linie an den Schutz hilfsbedürftiger Personen, insbesondere von Kindern und Jugend­lichen, zu denken ist, verzichtet der Vorschlag darauf, die vorgesehene Einschränkung der Ausnahme von der Anzeigepflicht auf diesen Personenkreis einzuengen, weil jeder durch eine strafbare Handlung Verletzte grundsätzlich Anspruch auf gleichen staatlichen Schutz haben soll.

Eine Anzeige wird zum Schutz des Verletzten insbesondere in Situationen erforderlich sein, in denen ansonsten (dh. ohne Maßnahmen der Strafverfolgung, wie zB Verhängung der Untersuchungshaft) eine Trennung der Lebensbereiche des Verdächtigen vom Verletzten nicht möglich erscheint oder im Haushalt oder in einer sonstigen sozialen Nahebeziehung des Verdächtigen weitere Personen wohnen, die gefährdet sein könnten. Die nun vorgeschlagene Formulierung des Abs. 2a erlaubt aber auch eine besondere Bedachtnahme auf die Interessen des Verletzten, die unter Umständen auch darin bestehen kann, (vorläufig) auf eine Anzeige zu verzichten, um dem Opfer eine – insbesondere durch die Pflicht zur Aussage als Zeuge im Strafverfahren veranlasste – sekundäre Viktimisierung zu ersparen. Eine solche (vorläufige) Entscheidung kann insbesondere bei Kindern und Jugendlichen auch darauf aufbauen, dass seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 153, die Zeit bis zur Erreichung der Volljährigkeit des Opfers bei Delikten nach den §§ 201, 202, 205, 206, 207, 212 und 213 StGB in die Verjährungsfrist (§ 57 StGB) nicht eingerechnet wird, die Frist daher erst mit Vollendung des 19. (bzw. künftig: 18.) Lebensjahres des Opfers zu laufen beginnt. Bei derartigen Überlegungen wird auch angemessen zu berücksichtigen sein, ob und inwieweit sich der zuständige Jugendwohlfahrtsträger oder eine andere anerkannte Opferschutzeinrichtung bereits mit der Beratung und Betreuung des Opfers befasst. Deren Entscheidung über die Notwendigkeit bzw. den richtigen Zeitpunkt einer Anzeige sollte grundsätzlich nicht durch die Anzeige einer anderen Behörde (etwa des mit dem Verdacht konfrontierten Schulleiters) unterlaufen werden. In diesem Sinne ist auch auf die Warnung anerkannter Experten auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu verweisen, wonach sich Interventionsfehler für das Kind bzw. den Jugendlichen verhängnisvoll und für die beabsichtigte strafrechtliche Verfolgung des Täters behindernd auswirken können. Umsicht und Besonnenheit bei der Aufdeckung werden für die therapeutische Aufar­beitung eines traumatischen Erlebnisses des Opfers als besonders wichtig beschrieben (vgl. FRIEDRICH, Tatort Kinderseele – Sexueller Missbrauch und die Folgen [1998], 99f).

Abs. 2a beinhaltet aber auch den deutlichen Hinweis, dass eine Anzeige zum Schutz des Verletzten erforderlich und in seinem Interesse liegen kann. So kann sich etwa die möglichst rasche Durchführung einer schonenden Vernehmung nach § 162a StPO als für die Aufnahme und den ungestörten Verlauf einer Therapie erforderlich erweisen. Da Opfer sexuellen Missbrauchs einen Rechtsanspruch auf Durchführung einer solchen Vernehmung haben und sich danach jeder weiteren Aussage entschlagen können (vgl. §§ 152 Abs. 1 Z 2a und 3, 162a Abs. 3), wird dieser Umstand ebenso in die Abwägung über die Notwendigkeit einer Anzeigeerstattung einzubeziehen sein wie die Tatsache, dass solche Verfahren in speziellen Gerichtsabteilungen, deren Leiterinnen und Leiter entsprechend geschult sind und über einschlägiges Erfahrungswissen verfügen, abzuführen sind (vgl. §§ 26 Abs. 6 und 32 Abs. 5 GOG; §§ 13 Abs. 5 und 300 Abs. 2a StPO). Die in den letzten Jahren vorgenommenen rechtlichen Verbesserungen im Bereich der prozessualen “Behandlung” von kindlichen Tatopfern und Personen, die in ihrer Geschlechts­sphäre verletzt worden sein könnten (vgl. insbesondere §§ 152 Abs. 1 Z 2a und 3, 162a Abs. 3 und 4 StPO; Förderung der bundesweiten Einrichtung einer “Opferbegleitung”), sollen verstärkt genützt werden. Die durch die Verpflichtung, als Zeuge vor Gericht über traumatische Erlebnisse berichten zu müssen, verursachten Belastungen besonders betroffener, verletzbarer Personen müssen reduziert und die in diesem Zusammenhang bestehenden rechtlichen und faktischen Möglichkeiten verstärkt in das Bewusst­sein beratender und betreuender Berufsgruppen transportiert werden.

Im Übrigen ist auf Einwendungen privater Einrichtungen zur Beratung und Betreuung von Verbrechens­opfern zu erwidern, dass die Anzeigepflicht nur strafbare Handlungen erfasst, die den gesetzlichen Wirkungsbereich der Behörde oder Dienststelle betreffen, die also in amtlicher Eigenschaft in der Hoheitsverwaltung und der Gerichtsbarkeit wahrgenommen wurden (vgl. FOREGGER/FABRIZY, StPO8, Rz 4 zu § 84). Regelungen für bestimmte Berufsgruppen, wie etwa § 7 Abs. 2 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, BGBl. I Nr. 108/1997, und § 54 Abs. 4 Z 2 und Abs. 5 des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, die unter engen Voraussetzungen eine Ausnahme von der sonst für diese Berufsgruppen bestehenden Anzeigepflicht vorsehen, werden daher durch den vorgeschlagenen Abs. 2a nicht berührt. Gleiches gilt grundsätzlich auch für den Jugendwohlfahrtsträger, dem im Übrigen nach § 37 Abs. 2 und 3 des Jugendwohlfahrtsgesetzes, BGBl. I Nr. 53/1999, drohende oder bereits eingetretene Gefährdungen des Kindeswohles von Angehörigen der erwähnten Berufsgruppen und sonst in der Jugend­wohlfahrt tätigen Personen zu melden sind, soweit die Information der Abwendung oder Beseitigung der Gefährdung dient.

Das Dienstrecht des Bundes und mehrerer Länder ermöglicht jedenfalls insofern ein Vorgehen nach dem vorgeschlagenen Abs. 2a, als es der Leitung der jeweiligen Behörde oder Dienststelle anheim stellt, Beamte generell zur Meldung zu verpflichten, also auch in solchen Fällen, die infolge § 84 Abs. 2 Z 1 StPO keiner unbedingten Anzeigepflicht unterliegen (vgl. §§ 45 Abs. 3 und 53 BDG; als Beispiel aus der Landesgesetzgebung: §§ 45 Abs. 4, 58 Abs. 1a und 1b Kärntner Dienstrechtsgesetz 1994, LGBl. Nr. 71).

Zu Art. I Z 3, 4 und Art. II (§§ 143 Abs. 3, 145a StPO und § 55 Abs. 1 ARHG):

1. Nach oberstgerichtlicher Judikatur (EvBl. 1990/167) umfasst die Herausgabepflicht nach § 143 Abs. 2 erster Satz StPO auch die Pflicht, beweiserhebliche Gegenstände (Urkunden) – nach Möglichkeit – von anderen zu sondern. Ist eine derartige Mitwirkung mit einem wirtschaftlich nicht ganz unerheblichen Aufwand für den Betroffenen verbunden, so könne sie nur für den Fall des Ersatzes der durch den gerichtlichen Auftrag entstehenden Kosten zugemutet werden. Der Justizausschuss will diese Grundsätze im Gesetz verankern, indem dem § 143 StPO ein neuer Abs. 3 angefügt wird. Dem Editionsverpflichteten soll demzufolge ausschließlich jener Aufwand zu ersetzen sein, der ihm durch den gerichtlichen Auftrag konkret entstanden ist, also vor allem die Personal- und Sachaufwendungen für das Anfertigen von Ablichtungen. Im Übrigen soll es dabei bleiben, dass dieser Aufwand – sofern er den Betrag von 1 000 S übersteigt – gemäß § 381 Abs. 1 Z 5 StPO zu den gegebenenfalls zu ersetzenden Kosten des Verfahrens gehört.

2. Gemäß § 38 Abs. 2 Z 1 BWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses (unter anderem) nicht im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafge­richten. Die Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit der Einleitung eines gericht­lichen Strafverfahrens im Sinne des § 38 Abs. 2 Z 1 BWG wirft jedoch eine Reihe von Fragen praktischer Umsetzung auf. Schon der genaue Zeitpunkt der Aufhebung des Bankgeheimnisses ist umstritten. Darüber hinaus ist unklar, unter welchen Voraussetzungen eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses im gericht­lichen Strafverfahren zulässig ist. Vorliegender Entwurf macht es sich zur Aufgabe, diese Unklarheiten zu bereinigen und eine klare und eindeutige Regelung über die Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Strafverfahren auf Grundlage der bisherigen Judikatur des OGH und VwGH zu schaffen. Folgende Grundsätze der Regelung sind hervorzuheben:

2.1. Die Voraussetzungen der Durchbrechung des Bankgeheimnisses sollen im Sinne der Judikatur des OGH (EvBl. 1987/151, JBl. 1996, 535) unter Beibehaltung der Systematik der StPO und des § 38 Abs. 2 Z 1 BWG präzisiert werden, wobei die materiellen Voraussetzungen der letztgenannten Bestimmung unver­ändert beibehalten werden. Die vorgeschlagenen Abs. 1 und 3 der neuen Bestimmung des § 145a StPO sehen daher vor, dass eine “Kontoöffnung” einen Beschluss des Untersuchungsrichters voraussetzt, in dem die Voraussetzungen der Durchbrechung des Bankgeheimnisses und der Umfang der dem Kreditinstitut und seinen Mitarbeitern auferlegten Herausgabe- bzw. Offenbarungspflichten festzustellen sind. Vor Beschlussfassung hat der Untersuchungsrichter daher im Sinne des § 38 Abs. 2 Z 1 BWG zu prüfen, ob ein “eingeleitetes” Strafverfahren und ob ein unmittelbarer und ausreichend konkreter Konnex zwischen dem Verdacht einer strafbaren Handlung in diesem Verfahren und den Informationen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, vorliegt (vgl. FREMUTH – LAURER – LINC – PÖTZELBERGER – RUESS, BWG, § 38 Rz 11 mwN; EvBl. 1987/151, JBl. 1996, 535).

2.2. “Eingeleitet” ist ein gerichtliches Strafverfahren im Sinne des § 38 Abs. 2 Z 1 BWG dann, wenn irgendeine strafgerichtliche Maßnahme gegen einen bekannten oder unbekannten Täter ergriffen wird; dass zugleich auch ein Prozessrechtsverhältnis begründet wird, ist nicht erforderlich (EvBl. 1989/99; 15 Os 126, 127/4). Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht daher gegenüber dem Strafgericht dann nicht (mehr), wenn gegen einen Bankkunden (oder gegen eine andere Person, die Verfü­gungsmöglichkeiten über das offen zu legende Bankkonto hat – vgl. JBl. 1987, 596 = EvBl. 1987/151 = RZ ÖBA 1987, 654 = RdW 1987, 198) ein gerichtliches Strafverfahren (zumindest in Form gerichtlicher Vorerhebungen; vgl. EvBl. 1989/99 = JBl. 1989, 454 = ÖZW 1989/60) eingeleitet wurde. Ein auslän­disches Ermittlungsverfahren entspricht einem inländischen, zumindest in Form von Vorerhebungen geführten und damit eingeleiteten Strafverfahren im Sinne des § 38 Abs. 2 Z 1 BWG.

2.3. Mit der Einleitung eines Strafverfahrens sind aber noch nicht alle Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Z 1 BWG erfüllt: Die Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit eingeleiteten gericht­lichen Strafverfahren setzt ferner eine zwischen dem offen zu legenden Bankkonto und dem Beschul­digten bestehende Verbindung voraus, die den Verdacht zu begründen vermag, diese Person habe sich die aus dieser speziellen Verbindung erwachsende Verfügungsmöglichkeit bei Begehung der Straftat zunutze gemacht (vgl. EvBl. 1987/151, JBl. 1996, 535). Die Durchbrechung des Bankgeheimnisses umfasst jedoch auch Konten anderer Bankkunden, wenn der Verdächtige über sie verfügen konnte und das offen zu legende Konto mit dem Tatverdacht in sachlichem Zusammenhang steht (vgl. ecolex 1997, 697).

2.4. Der Untersuchungsrichter muss daher prüfen, ob und hinsichtlich welcher Tatsachen der geforderte Zusammenhang besteht und wie weit demgemäß die Aufhebung des Bankgeheimnisses reicht. Dabei kann zwischen der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs (Konnex mit der gegenständlichen Straftat) und der Prüfung des persönlichen Zusammenhangs (Konnex mit der der Tat verdächtigen Person) unterschieden werden. Der Nachweis des sachlichen Zusammenhangs setzt jedenfalls voraus, dass bereits wegen einer bestimmten Straftat ermittelt wird, wobei ein hinreichender Verdacht wegen der Begehung einer be­stimmten Straftat zu fordern ist, um eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses zur bloßen Beschaffung von Verdachtsgründen (einen reinen “Erkundungsbeweis”) zu vermeiden. Nur unter dieser Voraussetzung und nur hinsichtlich jener Tatsachen, für die dieser Zusammenhang besteht, kann die Einleitung des gerichtlichen Strafverfahrens eine Aufhebung des Bankgeheimnisses bewirken. Ein sachlicher Zu­sammenhang besteht mit jenen dem Bankgeheimnis unterliegenden Tatsachen, für die das Gericht Anhaltspunkte dafür vorfindet, dass sie Aufschluss über die Schuldfrage im gegenständlichen Verfahren geben können. Der Justizausschuss stellt in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich fest, dass ge­richtliche Vorerhebungen (und diesen entsprechende Rechtshilfehandlungen) zwangsläufig auch Erkundi­gungen darüber bedingen, ob ein bereits bestehender Tatverdacht eine weitere Verfolgungsschritte recht­fertigende Konkretisierung erwarten lässt (vgl. 11 Os 125/91); das Verbot des sogenannten Erkundungs­beweises kann insoweit daher nicht wirksam werden.

2.5. Bei der Prüfung des persönlichen Zusammenhangs ist zu unterscheiden: Soll auf das Konto eines Dritten (zB einer juristischen Person) zugegriffen werden, so ist nach der bereits erwähnten Judikatur des OGH erforderlich, dass zwischen dem offen zu legenden Bankkonto und der wegen einer bestimmten Straftat in Untersuchung gezogenen Person eine rechtliche oder tatsächliche Verbindung (zB Zeichnungs­berechtigung, sonstige faktische Zugriffsmöglichkeit) besteht, die dem Betreffenden eine spezielle Verfügungsmöglichkeit über das Konto eröffnet hat. Sinngemäß lässt sich das auch auf die Öffnung von Konten übertragen, die (formell) dem Beschuldigten gehören oder von diesem, zB für (regelmäßige) Überweisungen, genutzt werden. In aller Regel wird der geforderte Zusammenhang aber vorliegen, wenn der Verdächtige zugleich der berechtigte Bankkunde, also der Geheimnisherr (§ 38 Abs. 2 Z 5 BWG) ist. Hervorzuheben ist, dass die Feststellung eines persönlichen Zusammenhangs prinzipiell auch im Rahmen einer Ermittlung gegen unbekannte Täter möglich ist (vgl. SCHÜTZ, Die Aufhebung des Bankgeheim­nisses auf Grund eines ausländischen Rechtshilfeersuchens in Strafsachen; Überlegungen aus Anlass der E 15 Os 126, 127/94 und 13 Os 34/95, JBl. 1996, 502).

Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend soll ausdrücklich klargestellt werden, dass ein Zu­sammenhang im Sinne des § 38 Abs. 2 Z 1 BWG auch besteht, wenn die Voraussetzungen des § 20 bzw. des § 20b StGB (Abschöpfung der Bereicherung bzw. Verfall) zu prüfen sind, dh. wenn der Verdacht besteht, dass Transaktionen über Verbrechensgewinne oder über Vermögenswerte durchgeführt wurden, die der Ver­fügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen. Aus dieser “Erweiterung” des Zusammenhangs zwischen Straftat und Bankverbindung kann andererseits abgeleitet werden, dass der im § 145a Abs. 1 verlangte, mehrfach erwähnte sachliche und persönliche Zusammenhang (im Übrigen) ein bestimmter und konkreter sein muss.

2.6. Die Bestimmungen des vorgeschlagenen § 145a sollen grundsätzlich auch für die Vernehmung von Mitarbeitern der Kreditinstitute als Zeugen gelten, wobei an die derzeit geübte Praxis angeknüpft wird. Danach ergeht regelmäßig ein sogenannter Kontoöffnungsbeschluss, in dem das Gericht feststellt, dass das Bankgeheimnis ihm gegenüber nicht mehr besteht. Bankangestellte können danach als Zeugen ver­nommen und von Strafverfolgungsorganen zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Verdachts aufgefor­dert werden. Stellt sich das Erfordernis einer “Entbindung vom Bankgeheimnis” erst während der Verneh­mung heraus, kann der Beschluss dem Zeugen freilich auch mündlich bekannt gemacht werden.

2.7. Im Abs. 2 soll der Umfang der Herausgabepflicht definiert werden; die Formulierung bezüglich der Geschäftsvorgänge und Geschäftsvorfälle sowie hinsichtlich der Herausgabe von auf Datenträgern (Mikrofilm u. dgl.) gespeicherten Informationen orientiert sich an jener des § 131 Abs. 3 BAO. Die neue Regelung des § 143 Abs. 3 über den Kostenersatz (vgl. oben zu 1.) soll auch in diesem Zusammenhang gelten.

2.8. Im Sinne der einleitenden Bemerkungen soll festgehalten werden, dass der Beschluss des Unter­suchungsrichters die Durchbrechung des Bankgeheimnisses festzustellen und die herauszugebenden Unterlagen genau zu bezeichnen hat. Der erforderliche Inhalt des Beschlusses wird im Abs. 3 definiert, wobei insbesondere vorgeschrieben wird, den Zusammenhang des offen zu legenden Kontos mit dem Strafverfahren eingehend zu begründen. Mit der in der Z 1 angesprochenen Bezeichnung der Strafsache soll unter anderem unterstrichen werden, dass die Anordnung auch im Verfahren gegen unbekannte Täter (siehe diesbezüglich die Formulierung des Abs. 3 Z 1, zB “… In der Strafsache gegen … wegen …”) möglich ist. Im Sinne höherer Bestimmtheit des Beschlusses soll auch der Zeitraum, in dem die betroffenen Transaktionen durchgeführt wurden, angeführt werden; die im Initiativantrag im Abs. 3 Z 2 enthaltene Wendung “… die für die Erfüllung seiner Verpflichtung unerlässlichen Angaben” hingegen kann als redundant entfallen.

2.9. In Abs. 4 wird ausdrücklich angeordnet, an wen ein Beschluss über das Bestehen der Verpflichtung eines Kreditinstitutes oder eines seiner Mitarbeiter zuzustellen ist. Während dem Kreditinstitut der Beschluss jedenfalls bekannt zu machen ist, um dessen Verpflichtungen nach Abs. 1 und 2 auszulösen, können es kriminaltaktische Gesichtspunkte rechtfertigen, den Beschuldigten oder andere über die Ge­schäftsverbindung Verfügungsberechtigte zunächst nicht von den laufenden Erhebungen zu unterrichten (vgl. die verwandten Regelungen der §§ 45 Abs. 2, 149b Abs. 4, 149f Abs. 2 und 149j Abs. 2 StPO). Über einen solchen Aufschub der Zustellung wird das Kreditinstitut schon deswegen zu informieren sein, damit es seiner Verpflichtung zur Geheimhaltung gegenüber Kunden und Dritten nachkommen kann (vgl. § 41 Abs. 4 BWG).

2.10. Schon bisher wurde ein Beschluss auf Öffnung eines bestimmten Kontos bzw. auf Herausgabe von Kontenblättern usw. auf die nach § 143 Abs. 2 StPO für jedermann bestehende Herausgabepflicht beweiserheblicher Gegenstände gestützt. In Beibehaltung dieser Systematik wird im Abs. 5 angeordnet, dass nach den §§ 143 Abs. 2 und 145 Abs. 2 StPO vorzugehen ist, wenn das Kreditinstitut bestimmte Unterlagen nicht herausgeben oder durchsuchen lassen will. Die Mitwirkungspflichten können daher durch Hausdurchsuchung bzw. Anwendung von Beugemitteln erzwungen werden. Wird nicht die Herausgabe bestimmter Unterlagen, sondern nur deren Durchsuchung verweigert, so sind die Papiere vor ihrer Durchsuchung zu versiegeln. Sodann ist eine Entscheidung der Ratskammer einzuholen, ob sie durchsucht werden können (§ 145 Abs. 2).

2.11. Der Rechtszug gegen Beschlüsse des Untersuchungsrichters nach § 145a soll sich – ebenso wie jener gegen die vergleichbaren Grundrechtseingriffe einer Hausdurchsuchung oder Beschlagnahme – nach der allgemeinen Bestimmung des § 113 StPO richten, sodass eine ausdrückliche Regelung über Be­schwerde und Rechtsmittellegitimation entbehrlich ist.

3. Hat eine ausländische Strafverfolgungsbehörde im Rechtshilfeverkehr um die Anordnung der Durch­brechung des Bankgeheimnisses ersucht, so war bislang je nach Formulierung des Rechtshilfeersuchens das Bezirksgericht oder das Landesgericht – dieses dann, wenn ausdrücklich um die Beschlagnahme bestimmter Unterlagen ersucht wurde – zur Leistung der Rechtshilfe zuständig. Zur Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregelung und zur Vermeidung von Zuständigkeitskonflikten, aber auch zur Gewährleistung einheitlicher Vorgangsweisen soll daher durch eine Änderung des § 55 Abs. 1 ARHG die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz um die Beschlussfassung nach § 145a StPO erweitert werden und dieser Gerichtshof daher insbesondere auch dann zuständig sein, wenn die begehrte Rechtshilfehandlung in der Vernehmung “informierter Vertreter” eines bestimmten Kreditinstituts besteht.

Zu Art. I Z 5, 6, 7 lit. a und b, 11 und 13 (§§ 285 Abs. 1, 285c, 294 Abs. 2, 467 Abs. 5 und 489 Abs. 1 StPO):

Mit Erkenntnis vom 16. März 2000, GZ G 151/99-13 ua., hat der VfGH die beiden Wortfolgen “binnen vier Wochen” in § 285 Abs. 1 erster Satz wegen Verletzung des in Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK iVm Art. 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK garantierten Rechts, über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vor­bereitung der Verteidigung zu verfügen, mit Wirkung ab Ablauf des 30. Juni 2001 als verfassungswidrig aufgehoben (vgl. Kundmachung des  Bundeskanzlers, BGBl. I Nr. 19/2000). Nach der Begründung dieses Erkenntnisses diene die Festlegung von Fristen für Rechtsmittel nicht nur dem wichtigen öffentlichen Interesse der Rechtssicherheit und insoweit auch den Interessen anderer Verfahrensbeteiligter (zB im Strafverfahren der durch die Tat Geschädigten in ihrer Eigenschaft als Privatbeteiligte), sondern – wegen des Zusammenhangs mit den für andere Verfahrensparteien, hier insbesondere der Staatsanwaltschaft, geltenden Fristen – auch einem objektiv wichtigen Interesse des Beschuldigten, nämlich der Anforderung des Art. 6 EMRK, dass seine Sache in angemessener Zeit erledigt wird. Mögen auch die Verfahrens­garantien des Art. 6 Abs. 3 EMRK der Festlegung von Rechtsmittelfristen in der Regel nicht entgegen­stehen, so sei es andererseits offenkundig, dass eine vierwöchige Frist zur Ausführung einer Nichtigkeits­beschwerde in Extremfällen zu einer Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten führen könne. Eine (an sich zulässigerweise) am Regelfall orientierte gesetzliche Bestimmung sei auch dann wegen Verstoßes gegen Art. 6 EMRK verfassungswidrig, wenn sie für einen solchen besonderen Extremfall keine Aus­nahmemöglichkeit zur Sicherstellung der in Rede stehenden Verfahrensgarantie bereithalte.

Vorliegender Gesetzesvorschlag orientiert sich an diesen das Erkenntnis tragenden Erwägungen und schlägt vor, schon vor dem 30. Juni 2001 für Extremfälle – die jenem vergleichbar sind, der dem Erkenntnis des VfGH zugrunde lag – eine Möglichkeit vorzusehen, die Frist für die Ausführung bestimmter Rechtsmittel gegen Urteile durch eine Entscheidung des Erstgerichts zu verlängern.

Das hiefür einzuhaltende Verfahren soll in den neuen Abs. 2 bis 4 des § 285 StPO geregelt werden. Nach Abs. 2 soll die vierwöchige Frist zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde (Berufung im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz) auf Antrag des Beschwerdeführers durch einen keinem weiteren Rechtszug unterliegenden Beschluss des Vorsitzenden (bzw. des Einzel­richters) um die angemessene Zeit verlängert werden können, die im Hinblick auf den extremen Umfang des Verfahrens zur ausreichenden Vorbereitung und Gelegenheit der Verteidigung (im Rechtsmittel­verfahren) erforderlich ist. Mit der aus der Begründung des Erkenntnisses des VfGH entlehnten Wortfolge “extremen Umfangs oder extremer Schwierigkeiten” wollten der Ministerialentwurf und der darauf ge­stützte Initiativantrag zum Ausdruck bringen, dass die Möglichkeit der Fristverlängerung auf Ausnahme­fällen nach Art und Umfang des dem Erkenntnis des VfGH zugrunde liegenden oder eines diesem nahe kommenden Verfahrens beschränkt bleibt (sogenanntes “WEB-Verfahren” mit einem tausende Seiten umfassenden Hauptverhandlungsprotokoll und einer – damals – zu erwartenden Urteilsausfertigung von nicht unter tausend Seiten). Dieser Gedanke einer deutlichen Beschränkung der Möglichkeit, eine längere Frist zur Ausführung des Rechtsmittels zu erwirken, soll jedoch – Anregungen im Begutachtungsver­fahren folgend – durch eine demonstrative Aufzählung der hiefür maßgeblichen Beurteilungskriterien (außergewöhnliche Dauer der Hauptverhandlung und Umfang des Hauptverhandlungsprotokolls) in eine näher bestimmte Fassung gebracht werden.

Wenngleich sich das Erkenntnis des VfGH auf die Rechte der Verteidigung beschränkt, soll – aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen (vgl. auch die Gleichstellung der Interessen der Strafverfolgung und der Rechte nach Art. 6 EMRK in § 281 Abs. 1 Z 4 StPO) – auch der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit offen stehen, in einem solchen Ausnahmefall eine Fristverlängerung für die Ausführung eines von ihr angemeldeten Rechtsmittels zu erwirken.

Gegen die im Abs. 3 des Ministerialentwurfs und des Initiativantrages vorgesehene Verpflichtung, den Antrag auf Fristverlängerung bei sonstigem Ausschluss innerhalb der für die Anmeldung des Rechts­mittels zur Verfügung stehenden Frist zu stellen, wurden im Begutachtungsverfahren Bedenken sowohl von Seiten der Lehre als auch der Gerichte und staatsanwaltschaftlichen Behörden geäußert. Der Justizausschuss teilt diese Bedenken, weil der Rechtsmittelwerber erst im Zeitpunkt der Zustellung der Urteilsausfertigung einigermaßen verlässlich beurteilen kann, ob und unter welchen Voraussetzungen die besonders arbeitsintensive Ausführung der Nichtigkeitsgründe möglich ist und welchen Zeitraum er – nach den im Abs. 2 genannten Kriterien – dafür voraussichtlich benötigen wird. Es soll ihm daher die gesamte Ausführungsfrist für die Stellung des Antrages zustehen. Aussichtslosen oder mutwilligen Anträ­gen, die etwa erst am letzten Tag der Ausführungsfrist erhoben werden, soll dadurch entgegengewirkt werden, dass lediglich der – kurze – Zeitraum vom Einlangen des Antrages bis zur Zustellung des Beschlusses nicht in die laufende Rechtsmittelfrist eingerechnet wird. Die Zustellung eines abweisenden Beschlusses soll somit nicht neuerlich die gesamte Ausführungsfrist auslösen, sondern bloß deren unterbrochenen Ablauf fortsetzen; andernfalls würde schon die bloße Antragstellung in der Praxis dazu führen, dass die Frist zur Ausführung des Rechtsmittels nahezu verdoppelt würde. Im Regelfall wird der Rechtsmittelwerber seinen Antrag im eigenen Interesse daher so rasch wie möglich einbringen. Geschieht dies noch vor Zustellung einer Urteilsausfertigung, so beginnt die Frist des Abs. 1 oder – im Fall der Stattgebung – die nach Abs. 2 richterlich bestimmte Frist erst mit der Bekanntmachung des Beschlusses an den Antragsteller zu laufen.

Über den Antrag soll der Vorsitzende des erkennenden Gerichts nach den im Abs. 2 genannten Voraus­setzungen entscheiden, wobei er im Fall der Stattgebung bei Ausmessung der konkreten Frist auch den Anspruch aller Beschuldigten auf angemessene Verfahrensdauer zu wahren hat.

Im Begutachtungsverfahren wurde mehrfach die Forderung erhoben, gegen den Beschluss über die Verlängerung der Frist eine Beschwerde einzuräumen. Dies ist aus Sicht des Justizausschusses schon im Hinblick auf die gegenüber dem Ministerialentwurf und dem Initiativantrag inhaltlich stärker determi­nierte Fassung der Abs. 2 und 3 des § 285 StPO und die nun verlängerte Antragsfrist nicht erforderlich. Eine solche Beschwerde würde auch – vor allem im Hinblick auf die gebotene Zweiseitigkeit des Verfahrens – nicht nur in den wenigen für eine Verlängerung in Betracht kommenden, sondern in allen Fällen, in denen ein Antrag gestellt wird, kaum zu rechtfertigende Verfahrensverzögerungen befürchten lassen und damit Möglichkeiten des Missbrauchs eröffnen. Eine allfällige Berechtigung der Staatsanwalt­schaften, gegen zu großzügige Fristverlängerungen Beschwerden zu erheben, erscheint hingegen von geringer praktischer Relevanz und würde das Problem aufwerfen, ob und inwieweit das Rechtsmittel­gericht eine vom Erstgericht verlängerte Frist wieder verkürzen können sollte.

Die Frist zur Gegenausführung soll grundsätzlich auf vier Wochen beschränkt bleiben. Da freilich die das Erkenntnis des VfGH tragenden Erwägungen in gleicher Weise auf die Gegenausführung zutreffen können, soll auch dem Gegner des Beschwerdeführers ein Antrag auf Fristverlängerung zustehen, über den in sinngemäßer Anwendung der Abs. 2 und 3 zu entscheiden wäre.

Hat der Beschwerdeführer mit der Nichtigkeitsbeschwerde eine Berufung verbunden, so soll eine ihm gewährte längere Frist auch für die Ausführung der Berufung gelten (§ 294 Abs. 2 StPO).

Zur Vereinheitlichung der Fristen sollen auch die Fristen zur Gegenausführung gegen eine Berufung im Verfahren vor dem Geschworenen- und dem Schöffengericht und im bezirksgerichtlichen Verfahren auf vier Wochen verlängert werden (§§ 294 Abs. 2, 467 Abs. 5 StPO). Die Möglichkeit einer selbständigen Verlängerung der Berufungsfrist hingegen wurde nicht in Erwägung gezogen, weil im bezirksgericht­lichen Verfahren Extremfälle der erwähnten Art nicht bekannt sind.

Anderes gilt jedoch – wie Einzelfälle indizieren (“Konsum-Verfahren”; “Lassing-Verfahren”) – für das Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz, weshalb auch in diesem – nicht zuletzt auch wegen der weiter gehenden Anfechtungsmöglichkeiten – die Möglichkeit der Fristverlängerung eingeräumt werden soll (§ 489 Abs. 1 zweiter Satz StPO). Dabei wird freilich zu berücksichtigen sein, dass einem solchen Antrag für eine lediglich gegen die Strafe gerichteten Berufung kaum stattzugeben sein wird, zumal auch im schöffen- und geschworenengerichtlichen Verfahren für eine nicht gleichzeitig mit einer Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführte Berufung (§§ 294 Abs. 2, 344) keine Fristverlängerung gewährt werden kann.

Der Justizausschuss hat im Sinne einer flexiblen, den Umständen des Einzelfalles angepassten Lösung davon Abstand genommen, bestimmte Fristen – etwa in Intervallen – vorzuschreiben oder die Antrag­steller zu verpflichten, eine Frist bestimmter Länge zu begehren, weil er davon ausgeht, dass die Gerichte – vor allem im Zuge der Urteilsausfertigung – am Besten werden abschätzen können, welche Frist im Einzelfall zur Ausführung des Rechtsmittels erforderlich sein werde. Die für die Urteilsausfertigung erforderliche Dauer könnte dabei eine Orientierung bieten.

Zu Art. I Z 7 lit. c, 8 und 12 (§§ 294 Abs. 5, 296 Abs. 3 und 471 Abs. 3 StPO):

Nach ständiger Judikatur des EGMR erfordert Art. 6 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. c EMRK, dass der verhaftete Angeklagte zur mündlichen Berufungsverhandlung dann vorzuführen ist, wenn die Möglichkeit besteht, dass seine charakterlichen Eigenschaften, sein psychischer Zustand zur Tatzeit, die Beurteilung des Motivs der Tat und ähnliche Gesichtspunkte zu einer Änderung des Ausspruches über die Strafe (einer Neubemessung des Strafausmaßes) führen könnten oder wenn sonst eine aus Sicht des Angeklagten gewichtige Strafzumessungsentscheidung zu treffen ist. Insbesondere dann, wenn eine Verschärfung der Strafe in Betracht kommt, wird die Sicherstellung der persönlichen Anwesenheit des verhafteten Ange­klagten in der Berufungsverhandlung als unerlässlich angesehen. Diese Judikatur wurde in Folge des Urteils des EGMR in der Causa KREMZOW gegen Österreich (vgl. ÖJZ 1994/15 [MRK]) den Gerichten und staatsanwaltschaftlichen Behörden bereits mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 29. Jänner 1994, JMZ 64.008/25-II.3/94, JABl. Nr. 15/1994, bekannt gegeben. Nachdem jedoch Österreich mit Urteil des EGMR vom 8. Februar 2000 in der Causa Michael Edward COOKE gegen Österreich, BNr. 25878/94, neuerlich wegen einer Verletzung der erwähnten Verfahrensgarantien verurteilt wurde und in weiteren, ähnlich gelagerten Fällen die Feststellung einer Konventionsverletzung droht, erscheint es geboten, eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung zur Beseitigung der bestehenden Unsicherheiten vorzunehmen.

Nach den vorgeschlagenen Bestimmungen soll der verhaftete Angeklagte daher stets von Amts wegen zum Gerichtstag über die öffentliche Verhandlung vorzuführen sein, soweit er nicht ausdrücklich auf sein Anwesenheitsrecht verzichtet hat. Dieser Verzicht soll für seine Wirksamkeit einer Erklärung durch den Verteidiger bedürfen, um die Möglichkeit einer vorhergehenden rechtlichen Beratung des Angeklagten zu gewährleisten.

Zu Art. I Z 9 (§ 376 Abs. 1 StPO):

Das im sogenannten Bedenklichkeitsverfahren zu erlassende Edikt soll künftig ausschließlich in der elektronischen Ediktdatei (§ 89j GOG) veröffentlicht werden, in die jedermann Einsicht nehmen kann bzw. in die jedermann Einsicht zu gewähren ist (§ 89k GOG). Dadurch können einerseits die Information der Allgemeinheit verbessert, andererseits Kosten vermindert werden, weshalb die Regelung bereits in der Regierungsvorlage eines Budgetbegleitgesetzes 2000, 61 BlgNR XXI. GP, enthalten war (Art. 5 Z 2). Da die erforderliche technische Ausrüstung den Gerichten jedoch erst ab dem Jahr 2002 zur Verfügung stehen wird, sollte die Beschlussfassung über die vorgeschlagene Bestimmung zur Vermeidung einer allzu langen Legisvakanz einer späteren Novellierung der StPO vorbehalten bleiben und wird daher in den vorliegenden Entwurf aufgenommen.

Zu Art. I Z 10 (§ 396 Abs. 2 StPO):

Die Volksanwaltschaft ist in einem von ihr eingeleiteten Prüfungsverfahren an den Bundesminister für Justiz herangetreten, weil ein Angeklagter erst nach Monaten und nur zufällig durch mediale Bericht­erstattung von der Rechtskraft des in seinem Verfahren ergangenen Freispruchs erfahren hatte. Dies war darauf zurückzuführen, dass die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel angemeldet und später zurückge­zogen hatte. Aus Sicht des Justizausschusses scheint es tatsächlich nicht angebracht, es in derartigen Fällen den Angeklagten zu überlassen, sich laufend über den Stand des Verfahrens zu erkundigen. Es wird daher vorgeschlagen, eine entsprechende Verständigungspflicht in das Gesetz aufzunehmen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss den Antrag, der Nationalrat wolle dem ange­schlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2000 09 18

                           Mag. Dr. Josef Trinkl                                             Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau

Anlage

Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechts­hilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung der Strafprozeßordnung 1975

Die Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2000, wird wie folgt geändert:

1. Im § 35 Abs. 2 wird die Wendung “zu einer Nichtigkeitsbeschwerde, einer Berufung oder einer Be­schwerde” durch die Wendung “zu einem Rechtsmittel oder einem Rechtsbehelf” ersetzt.

2. Dem § 84 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

“(2a) Die Behörde oder öffentliche Dienststelle hat jedenfalls alles zu unternehmen, was zum Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist; erforderlichenfalls ist auch Anzeige zu erstatten.”

3. Dem § 143 wird folgender Abs. 3 angefügt:

“(3) Der zur Herausgabe verpflichteten Person sind, soweit sie nicht selbst der Tat verdächtig ist, auf ihren Antrag die angemessenen und ortsüblichen Kosten zu ersetzen, die ihr durch die Trennung von Urkunden oder sonstigen beweiserheblichen Gegenständen von anderen oder durch die Ausfolgung von Ablichtungen (Kopien, Wiedergaben) notwendigerweise entstanden sind.”

4. Nach dem § 145 wird folgende Bestimmung eingefügt:

§ 145a. (1) Soweit Kreditinstitute das Bankgeheimnis nicht auch im Strafverfahren zu wahren haben (§ 38 Abs. 2 Z 1 des Bankwesengesetzes, BGBl. Nr. 532/1993), sind sie und für sie tätige Personen verpflichtet, alle Urkunden und anderen Unterlagen über Art und Umfang der Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle herauszugeben, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, die Geschäftsverbindung einer Person mit dem Kreditinstitut stehe mit der Begehung einer strafbaren Handlung im Zusammenhang. Ein solcher Zu­sammenhang liegt auch vor, wenn die Geschäftsverbindung für die Transaktion eines Vermögensvorteils benutzt wird, der durch strafbare Handlungen erlangt oder für sie empfangen wurde (§ 20 StGB) oder der der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegt (§ 20b StGB). Unter denselben Voraus­setzungen haben für das Kreditinstitut tätige Personen über solche Geschäftsvorfälle als Zeugen auszusagen.

(2) Anstelle der Originale von Urkunden und anderen Unterlagen können Ablichtungen herausge­geben werden, sofern deren Übereinstimmung mit dem Original außer Zweifel steht. Werden Datenträger verwendet, so hat das Kreditinstitut dauerhafte und ohne weitere Hilfsmittel lesbare Wiedergaben auszu­folgen oder herstellen zu lassen. § 143 Abs. 3 gilt sinngemäß.

(3) Das Bestehen der Verpflichtungen nach Abs. 1 hat der Untersuchungsrichter mit Beschluss festzustellen. Dieser Beschluss hat zu enthalten:

           1. die Bezeichnung des Verfahrens und der Tat, die der Untersuchung zu Grunde liegt,

           2. das Kreditinstitut,

           3. den Zeitraum, innerhalb dessen die betroffenen Transaktionen stattgefunden haben,

           4. die Tatsachen, aus denen sich der Zusammenhang zwischen der Geschäftsverbindung und dem Gegenstand der Untersuchung ergibt, und

           5. die Bezeichnung der herauszugebenden Unterlagen und der zu erteilenden Informationen.

(4) Ein Beschluss nach Abs. 3 ist dem Kreditinstitut, dem Beschuldigten und den aus der Geschäfts­verbindung verfügungsberechtigten Personen, sobald diese dem Gericht bekannt geworden sind, zuzu­stellen. Die Zustellung an den Beschuldigten und die Verfügungsberechtigten kann aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck der Untersuchung gefährdet wäre. Hierüber ist das Kreditinstitut zu informieren, das alle mit der gerichtlichen Anordnung verbundenen Tatsachen und Vorgänge gegenüber Kunden und Dritten vorläufig geheim zu halten hat.

(5) Will das Kreditinstitut bestimmte Unterlagen nicht herausgeben oder bestimmte Informationen nicht erteilen, so ist im Sinne der §§ 143 Abs. 2 und 145 Abs. 2 vorzugehen.”

5. § 285 wird wie folgt geändert:

a) Im Abs. 1 entfällt der letzte Satz.

b) Der bisherige Abs. 2 erhält die Absatzbezeichnung “(5)”; folgende Abs. 2 bis 4 werden eingefügt:

“(2) Im Falle extremen Umfangs des Verfahrens hat der Gerichtshof erster Instanz die in Abs. 1 genannte Frist auf Antrag des Beschwerdeführers um den Zeitraum zu verlängern, der – insbesondere im Hinblick auf eine ganz außergewöhnliche Dauer der Hauptverhandlung, einen solchen Umfang des Hauptverhandlungsprotokolls, des übrigen Akteninhalts und der Urteilsausfertigung – erforderlich ist, um eine ausreichende Vorbereitung der Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. b der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und Art. 2 des 7. Zusatzprotokolls, BGBl. Nr. 628/1988) oder der Verfolgung der Anklage zu gewährleisten.

(3) Ein Antrag nach Abs. 2 ist beim Gerichtshof erster Instanz innerhalb der zur Ausführung der Beschwerde ansonsten zur Verfügung stehenden Frist mündlich zu Protokoll zu geben oder schriftlich einzubringen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende nach Maßgabe der in Abs. 2 genannten Kriterien und unter Bedachtnahme auf das Erfordernis einer angemessenen Dauer des Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958); gegen seinen Beschluss steht eine Beschwerde nicht zu. Die Zeit von der Antragstellung bis zur Bekanntmachung des Beschlusses wird in die Frist zur Ausführung der Gründe der Nichtigkeitsbe­schwerde nicht eingerechnet; diese beginnt jedenfalls nicht zu laufen, ehe der Beschluss über den Antrag bekannt gemacht ist.

(4) Hat der Beschwerdeführer eine Beschwerdeschrift eingebracht, so ist sie seinem Gegner mit der Belehrung zuzustellen, dass er binnen vier Wochen seine Gegenausführung überreichen könne. Diese Frist kann unter sinngemäßer Anwendung der Abs. 2 und 3 verlängert werden.”

6. Im § 285c wird das Zitat “§ 285 Abs. 2” durch das Zitat “§ 285 Abs. 5” ersetzt.

7. § 294 wird wie folgt geändert:

a) Im Abs. 2 wird nach dem zweiten Satz folgender Satz eingefügt:

“Wurde dem Beschwerdeführer für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 Abs. 2 eine längere Frist gewährt, so gilt diese auch für die Ausführung der Berufung.”

b) Im letzten Satz des Abs. 2 werden die Worte “vierzehn Tagen” durch die Worte “vier Wochen” ersetzt.

c) Im Abs. 5 hat der zweite Satz zu lauten:

“Für die Anberaumung und Durchführung des Gerichtstages gelten die Bestimmungen der §§ 286 und 287 dem Sinne nach mit der Maßgabe, dass der nicht verhaftete Angeklagte vorzuladen und auch die Vorführung des verhafteten Angeklagten zu veranlassen ist, es sei denn, dieser hätte durch seinen Verteidiger ausdrücklich darauf verzichtet.”

8. Im § 296 Abs. 3 hat der zweite Satz zu lauten:

“In diesem Fall ist zum Gerichtstag der nicht verhaftete Angeklagte vorzuladen und die Vorführung des verhafteten Angeklagten zu veranlassen, es sei denn, dieser hätte durch seinen Verteidiger ausdrücklich darauf verzichtet.”

9. § 376 Abs. 1 hat zu lauten:

“(1) Eine solche Beschreibung ist durch Aufnahme in die Editktsdatei öffentlich bekannt zu machen (§ 89j Abs. 1 GOG). In diesem Edikt ist der Eigentümer aufzufordern, sich binnen eines Jahres ab Bekanntmachung zu melden und sein Recht nachzuweisen.”

10. Der bisherige Inhalt des § 396 erhält die Absatzbezeichnung “(1)”; folgender Abs. 2 wird angefügt:

“(2) Der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte ist von der Rechtskraft zu verständigen, sobald der Ankläger ein angemeldetes Rechtsmittel zurückgezogen hat.”

11. Im § 467 Abs. 5 wird die Wortfolge “vierzehn Tagen” durch die Wendung “vier Wochen” ersetzt.


12. § 471 Abs. 3 hat zu lauten:

“(3) Ist der Angeklagte verhaftet, so hat der Gerichtshof seine Vorführung zu veranlassen, es sei denn, der Angeklagte hätte durch seinen Verteidiger ausdrücklich darauf verzichtet.”

13. Im § 489 Abs. 1 hat der zweite Satz zu lauten:

“Für das Verfahren gelten dem Sinne nach die Vorschriften der §§ 464 bis 477 und 479 mit Ausnahme des zweiten Satzes im § 468 Abs. 2; die Frist zur Ausführung der Berufungsgründe sowie der Gegenausführung (§ 467 Abs. 1 und 5) kann jedoch in sinngemäßer Anwendung des § 285 Abs. 2 bis 5 verlängert werden.”

Artikel II

Änderung des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes

Das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, BGBl. Nr. 529/1979, zuletzt geändert durch das Bundes­gesetz BGBl. Nr. 762/1996, wird wie folgt geändert:

Im § 55 Abs. 1 erster Satz werden die Worte “oder einstweilige Verfügung” durch die Wendung “ , einst­weilige Verfügung oder einen Beschluss nach § 145a StPO” ersetzt.

Artikel III

Inkrafttreten und Schlussbestimmungen

Art. I Z 8 tritt mit 1. Jänner 2002, die übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten mit 1. November 2000 in Kraft.

 

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

zum Bericht des Justizausschusses über den selbständigen Antrag 209/A der Abgordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Genossen: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafpro­zessnovelle 2000)

Zur Novellierung der Fristen in der StPO

Dieser Initiativantrag war wieder einmal geprägt von der bereits bekannten Praxis der Koalitionsregierung “hauptsächlich schnell, der Inhalt ist nicht so wichtig”. Der Verfassungsgerichtshof hatte der Regierung zur Novellierung der StPO eine Frist bis Ende Juni 2001 eingeräumt. Wie wir in der Sitzung des Justiz­ausschusses erfahren haben, soll bis 31. März 2001 eine umfangreiche Novelle zum strafprozessualen Vorverfahren vorgelegt werden. Es wäre also durchaus sinnvoller gewesen, auch die Fristen in diesem Zusammenhang neu zu regeln. Außerdem gab es auch keine Dringlichkeit, die Bestimmungen betreffend die Anzeigepflicht wieder zu ändern.

Die Rechtsanwälte Univ.-Doz. Dr. Peter Lewisch, Dr. Rudolf Zitta und Univ.-Doz. Dr. Richard Soyer haben im Auftrag des Rechtsanwaltskammertages einen Entwurf zur generellen Novellierung der Fristen in der StPO ausgearbeitet. Dieser Entwurf ist bereits im Sommer 2000 dem Ministerium und den einzelnen Parlamentsklubs vorgelegt worden. Wie auch die Abgeordneten der ÖVP und der FPÖ sowie Bundesminister Dr. Böhmdorfer bestätigten, ist der vorgelegte Gesamtvorschlag ein höchst fundierter Entwurf zur generellen Novellierung der Fristen in der StPO. Es wäre also ausreichend Zeit vorhanden gewesen, diesen fundierten Novellierungsvorschlag in den Ministerialentwurf bzw. dann in den Initiativ­antrag einzuarbeiten, wenn tatsächlich der Wille vorhanden gewesen wäre. Wenn die Koalitionsparteien von einer gut fundierten Arbeit sprechen, müssen sie sich die Frage gefallen lassen, warum dann diese Vorschläge nicht berücksichtigt wurden. Dies zeigt wieder einmal, dass man nicht gewillt ist, vom Grundsatz “speed kills quality” abzugehen.

Zur Einschränkung der Ausnahmen von der Anzeigepflicht

Mit dieser vorgezogenen Novelle zur StPO wird ohne ersichtlichen Grund und entgegen der ExpertInnen­meinung die Ausnahme der Anzeigenpflicht der Behörden und öffentlichen Dienststellen (§ 84 Abs. 2 StPO) wieder eingeschränkt. Erst 1993 wurde mit dem Strafprozessänderungsgesetz die Anzeigepflicht von Behörden und öffentlichen Dienststellen präzisiert und inhaltlich eingeschränkt. Nach § 84 StPO ist der Leiter einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle dann nicht mehr zur Anzeige verpflichtet, “wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigten würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf”. Mit dieser Einschränkung sollte der Schutz vertraulicher Informationen, der Fundament jeder Beratungs- und Betreuungstätigkeit ist, verwirklicht werden, um insbesondere eine freiwillige Inanspruchnahme von Hilfsangeboten zu ermöglichen und zu fördern.

Wie aus den Erläuterungen hervorgeht, hat sich diese Regelung bewährt. Befürchtungen, wonach die Einschränkung der Anzeigenpflicht zu einem Rückgang der Anzeigen im Bereich des sexuellen Miss­brauchs von Kindern führen würde, haben sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, seit Einschränkung der Anzeigenpflicht ist ein stetiger Anstieg der Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs zu vermerken. Auch aus dem Zwischenbericht der Begleitforschungsstudie zur Reform der Anzeigenpflicht im Ärztegesetz 1989 geht hervor, dass die Einschränkung der Anzeigenpflicht eine Sensibilisierung der betroffenen Berufsgruppen und die beträchtliche Erweiterung der Möglichkeit zur Beratung, Betreuung und Präven­tion und damit eine Hinwendung zur effizienten Hilfestellung gebracht hat. Gerade mit der bestehenden Regelung wurde ein System geschaffen, das vor allem den Schutz der Minderjährigen vor weiterer Gefährdung in den Vordergrund stellt und das Hauptinteresse der Angehörigen von Berufsgruppen, die mit der Begutachtung, Betreuung und Behandlung Minderjähriger befasst sind, auf effektive Hilfe für das betroffene Kind und den betroffenen Jugendlichen berücksichtigt. Anerkannte ExpertInnen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie weisen auf die Wichtigkeit hin, bei der Aufdeckung der thera­peutischen Aufarbeitung eines traumatischen Erlebnisses des Opfers mit besonderer Umsicht und Besonnenheit anzugehen.

All diese positiven Erfahrungen und Empfehlungen werden nun mit der Einführung des § 84 Abs. 2a zunichte gemacht. Die Regierungskoalition hat nun zwar den ursprünglichen Vorschlag abgeschwächt, aber an der Festschreibung der Erforderlichkeit der Anzeigenpflicht festgehalten. Diese Erforderlichkeit, wenn wohl verstanden, ist aber ohnehin Bestandteil der berufsspezifischen Abwägung, zumal wenn diese Abwägung unter dem Leitgedanken der Wahrung des Kindeswohls bzw. der Hilfestellung für und des Schutzes der Klienten, die Opfer einer Verletzung oder eines Missbrauchs geworden sind, steht (siehe auch Stellungnahme des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie).

Das Hauptinteresse der Regierung liegt aber offensichtlich nicht am Wohlergehen des Opfers, sondern an einer Strafverfolgung ohne Rücksicht auf das Befinden des Opfers. Diese Gesetzesinitiative ist auch in erster Linie von einem Misstrauen gegenüber allen SozialarbeiterInnen und anderen betreuenden Berufsgruppen sowie von einer staatsautoritären Ideologie geprägt. Nur so wird es verständlich, warum in diesem Bereich wieder der Rückwärtsgang eingeschlagen wird, obwohl allen Fachleuten klar ist, dass die Lösung der Probleme nicht im Bereich der Gesetzgebung liegt, und es unsinnig ist, eine Konkurrenz zwischen dem Schutz des Vertrauensverhältnisses von Betreuern und ihren Klienten einerseits und dem Schutz der Klienten vor weiteren Übergriffen andererseits zu konstruieren. Eine derartige Justizpolitik wird von den Grünen massiv abgelehnt.

 

Mag. Terezija Stoisits