327 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht

des Finanzausschusses


über die Regierungsvorlage (104 der Beilagen): Bundesgesetz über die Beteiligung Öster­reichs an der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries Initiative – Initiative zur Schuldenreduktion für die ärmsten Entwick­lungsländer) im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF)


Der Internationale Währungsfonds ist neben der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO) eine der Säulen der weltweiten wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Zielsetzung der drei Institutionen ist der möglichst reibungslose Ablauf der Weltwirtschaft. Dies soll durch Stabilität und gute wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern (Weltbank), durch klare und für alle anwendbare Regeln des internationalen Handels (WTO) und durch ein möglichst stabiles weltweites Finanzsystem (IWF) erreicht werden. Der weltweite Wohlstandszuwachs der letzten 50 Jahre, der in signifikantem Ausmaß auf der Zunahme des internationalen Handels gründet, ist ein klarer Beweis für die grundsätzlich richtige Linie, auch wenn in einigen Fällen Kurskorrekturen und Reformen notwendig geworden sind.

Eine dieser Kurskorrekturen stellt die vorliegende Initiative dar:

Es wurde erkannt, dass ärmste Entwicklungsländer von den Vorteilen der Teilnahme am weltweiten Handel kaum profitieren können, teilweise auf Grund zu hoher Zutrittsbarrieren (zum Beispiel Zölle, Quoten, technische und administrative Anforderungen), teilweise auch auf Grund von wirtschaftlichen und politischen Lasten aus vergangenen Jahrzehnten, deren Ausräumung die Möglichkeiten mancher jungen Demokratie mit geringer Verwaltungsexpertise überfordert.

Eine dieser „Altlasten“ stellt in einigen dieser Länder die Auslandsverschuldung dar, die auch bei makelloser Wirtschaftspolitik und idealen Rahmenbedingungen auf längere Sicht jede nachhaltige Entwicklung blockiert, da die Wirtschaftskraft des Landes nicht für die Erwirtschaftung der für einen Schuldenabbau notwendigen Gelder ausreicht. Die Konsequenz daraus ist vielfach, dass Investitionen in Grundschulbildung und medizinische Mindestversorgung und Umweltschutz, aber auch in wichtige Vorhaben der Infrastruktur hintangestellt werden müssen, um den Schuldendienst zu ermöglichen.

Um diese Länder zu entlasten, erarbeiteten IWF und Weltbank einen neuen Schuldenreduktionsansatz, die HIPC-Initiative, die ua. darauf abstellt, dass alle Schulden solcher Länder (insbesondere bilaterale, multilaterale, kommerzielle) gesamtheitlich betrachtet und Lösungen unter Einbeziehung aller Gläubiger erreicht werden, also sowohl der multilateralen Institutionen als auch der bilateralen Gläubiger.

Auf Grund detaillierter Analysen – hauptsächlich der Schulden und der Exportmöglichkeiten – wurden schließlich die Kandidaten für eine Schuldenreduktion identifiziert; zum überwiegenden Teil handelt es sich um Länder in Afrika südlich der Sahara.

Diesen Ländern soll – nach erfolgter Analyse des Schuldenstandes und des bisherigen und künftigen Wirtschaftsprogrammes der Regierung – sowohl bilateral als auch multilateral bis zu 90% (in Einzelfällen auch darüber) ihrer Schulden erlassen werden. Voraussetzung hiefür ist eine Verpflichtung zur Fortsetzung eines nachhaltig wohlstandsfördernden wirtschaftspolitischen Kurses.

Die Gesamtkosten der Initiative, die über die nächsten Jahre realisiert werden soll, werden folgender­maßen geschätzt:

                                      Gesamtkosten in US-Dollar                          28,2 Milliarden

                                      multilaterale Geber                                        14,1 Milliarden

                                      Weltbank/IDA                                                  6,3 Milliarden

                                      IWF                                                                     2,3 Milliarden

                                      AfEB                                                                   2,2 Milliarden

                                      IAEB                                                                   1,1 Milliarden

                                      sonstige MDBs                                                 2,2 Milliarden

                                      bilaterale Geber                                              14,1 Milliarden

Jede Organisation (Weltbank, Internationaler Währungsfonds, Afrikanische Entwicklungsbank) und jeder bilaterale Geber – bei Entwicklungshilfekrediten oder im Rahmen des Pariser Clubs – trägt prinzipiell selbst die Kosten der Schuldenreduktion, die von ihm gewährt wird.

Die multilateralen Institutionen sind jedoch nicht in der Lage, aus eigener Kraft sämtliche Zusatzkosten zu übernehmen, ohne ihre eigentlichen Aufgaben in der Programm- und Projektfinanzierung bzw. ihre finanzielle Integrität zu gefährden.

Daher deckt der Internationale Währungsfonds seinen Teil der Kosten der Initiative, die oben angeführten 2,3 Milliarden US-Dollar, zur Hälfte aus der Neubewertung seiner Goldreserven, also aus eigener Kraft, und zur Hälfte durch Beiträge seiner Mitgliedstaaten, die ihren Anteil an einem Wertberichtigungskonto (SCA-2), das im IWF für gewisse Risiken angelegt wurde, teilweise oder ganz zur Verfügung stellen.

Österreich hat – vorbehaltlich parlamentarischer Genehmigung – erklärt, seinen Anteil am SCA-2, einem Wertberichtigungskonto, zu einem Großteil für HIPC zur Verfügung zu stellen; exakt handelt es sich um einen Beitrag von 9,56 Millionen SZR (in etwa 168,4 Millionen Schilling).

Die Überlassung des quotengerechten österreichischen SCA-Anteils erfolgt im Rahmen der internationa­len Schuldeninitiative, die von allen EU-Mitgliedstaaten unterstützt wird. Dies wurde am Europäischen Rat von Köln im Juni 1999 festgelegt. Die Beteiligung Österreichs an der HIPC-Initiative ist daher nicht bloß eine IWF-, sondern auch eine europäische Angelegenheit und Verpflichtung. Daher geschieht sie im Gleichklang und in vergleichbarem Ausmaß mit den meisten EU-Ländern und zahlreichen anderen Industrieländern sowie im Sinne der Diskussionen zu „Financing for Development“ im Rahmen der Vereinten Nationen.

Österreich gehört zu jenen Ländern, die bei der Lastenaufteilung der Schuldeninitiative im IWF für einen gerechten, dh. an den IWF-Quoten orientierten Schlüssel eintraten und einen solchen Burden-Sharing-Maßstab erstmals durchsetzten. Dementsprechend wird Österreich nicht seinen gesamten SCA-Beitrag dem HIPC-Treuhandfonds zur Verfügung stellen, sondern den über seinen „gerechten“ Anteil hinaus­gehenden Teil einbehalten und den Währungsreserven der Oesterreichischen Nationalbank zuführen.

Schließlich wird die internationale Schuldeninitiative auch in einer breiten Bewegung von zahlreichen nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen getragen. Die öffentliche Diskussion, in der auch die Kirchen eine aktive Rolle einnahmen, lief unter anderem unter dem Schlagwort „Jubilee 2000“. Dahinter steht ein breiter Konsens der zivilen Gesellschaft der Welt.

Ein weiterer Vorteil der Schuldennachlassdiskussion ist die Rückführung der Arbeit zahlreicher Orga­nisationen in der Entwicklungszusammenarbeit zu ihrer ursprünglichen Aufgabe, nämlich zur Be­kämpfung der Armut. Diese wichtige Fokussierung auf die zentrale Frage aller Entwicklungszusammen­arbeit war in den letzten Jahren etwas zurückgedrängt worden und erhält so wieder die Bedeutung, die ihr zukommen sollte. Eine Konsequenz davon war die Besinnung des IWF auf diese Zielsetzung seiner Strukturverbesserungsprogramme, die sich bereits in der Namensänderung der ESAF (Enhanced Structural Adjustment Facility) in PRGF (Poverty Reduction und Growth Facility) widerspiegelt.

Die Zuständigkeit des Bundes zu Gesetzgebung und Vollziehung stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 5 B-VG.

Der Gesetzesbeschluss fällt nicht unter die Bestimmung des Art. 42 Abs. 5 B-VG und bedarf daher der Mitwirkung des Bundesrates.

Der Finanzausschuss hat die Regierungsvorlage erstmals in seiner Sitzung am 25. Mai 2000 in Verhand­lung genommen und nach Berichterstattung durch den Abgeordneten Jakob Auer und einer Wortmeldung des Abgeordneten Hermann Böhacker beschlossen, die Verhandlung über diesen Gegenstand zu vertagen.

Der Finanzausschuss hat die erwähnte Regierungsvorlage neuerlich am 12. Oktober 2000 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligte sich die Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek sowie der Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig ange­nommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (104 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zu­stimmung erteilen.


Wien, 2000 10 12

                                 Andreas Sodian                                                                  Dr. Kurt Heindl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann