387 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 1. 12. 2000

Regierungsvorlage


Bundesverfassungsgesetz über den Verfassungsrang bestimmter finanzausgleichs­rechtlicher Bestimmungen

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

§ 8 Abs. 6 Z 9a und 9b und § 10 Abs. 2 Z 3a des Finanzausgleichsgesetzes 1997 und § 10 Abs. 7 Z 11 und Z 12, § 10 Abs. 9 und § 12 Abs. 2 Z 4 des Finanzausgleichsgesetzes 2001 sind Verfassungsbestimmungen.

Artikel 2

Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit 1. Jänner 2000 in Kraft und tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft.

Vorblatt

Probleme:

Wechselseitige Klagen der Gebietskörperschaften gegen strittige Bestimmungen im Finanzausgleich bringen die Gefahr, dass eine seriöse Haushaltsplanung insbesondere der Gemeinden unmöglich wird.

Ziele und Inhalt:

Durch eine verfassungsrechtliche Absicherung der Bestimmungen über den abgestuften Bevölkerungs­schlüssel und die Verteilung der Werbeabgabe soll den betroffenen Gebietskörperschaften die erforder­liche Rechtssicherheit gegeben werden.

Alternativen:

Verzicht auf dieses Bundesverfassungsgesetz mit dem Risiko der negativen Begleiterscheinungen, die mit einer allfälligen Gesetzesprüfung verbunden sein können.

Finanzielle Auswirkungen:

Die verfassungsrechtliche Absicherung hat zwar keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen, aller­dings soll sie allfällige unnötige Belastungen der Gebietskörperschaften durch Unsicherheiten über ihre finanzielle Ausstattung vermeiden helfen.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG sind im Nationalrat die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mit­glieder und die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Als Teil des Ergebnisses der Verhandlungen über den Finanzausgleich ab dem Jahr 2001 wurde verein­bart, die Regierungsvorlage zum FAG 2001 derart zu gestalten, dass die Bestimmungen über den abge­stuften Bevölkerungsschlüssel einschließlich der Regelung über die Statutarstädte und die Bestimmungen über die Verteilung der Werbeabgabe in Verfassungsrang gehoben werden. Damit soll den Gebietskörper­schaften für den Geltungsbereich des Finanzausgleichsgesetzes 2001 besondere Sicherheit hinsichtlich der für ihre Haushaltsführung zu erwartenden finanziellen Mittel gewährleistet werden. Dies wurde aus folgenden Gründen für erforderlich erachtet:

Die Verteilung der Ertragsanteile, insbesondere soweit sie nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel erfolgt, ist einer der am meisten diskutierten Punkte des Finanzausgleiches, insbesondere hinsichtlich der unterschied­lichen Gewichtungen abhängig von der Größenklasse der Gemeinde und der Forderungen der Städte mit eigenem Statut nach Abgeltung ihrer zusätzlichen Aufgaben.

Der Bundesverfassungsgesetzgeber hat die Bestimmungen über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel erstmals im FAG 1993 als Verfassungsbestimmung erlassen, und zwar als Reaktion auf die zahlreichen Klagen, die während der Geltung des Finanzausgleichsgesetzes 1989 von Bund, Ländern und Gemeinden gegen die jeweils gegenbeteiligten Gebietskörperschaften beim Verfassungsgerichtshof eingebracht worden waren. Diese Klagen zielten unter anderem darauf ab, über eine Aufhebung der Bestimmungen über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel höhere Ertragsanteile zu erhalten (Klagen der Gemeinden gegen das jeweilige Land und gegen den Bund sowie Klagen der Länder gegen den Bund), oder darauf, von denjenigen Gemeinden, die vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel profitiert hatten, die allenfalls zu viel erhaltenen Ertragsanteile zurückzubekommen (Klagen des Bundes gegen Länder und Gemeinden sowie Klagen der Länder gegen ihre Gemeinden).

Auf Grund dieser Konstellation waren zum Ende des Jahres 1991 von 3 496 beim Verfassungsgerichtshof offenen Fällen 2 158 im Jahr 1990 eingebrachte Klagen mit wechselseitigen vermögensrechtlichen Ansprüchen aus dem Finanzausgleich (siehe die Ausführungen im Vorwort zum 56. Band der Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes). Diese Unzahl von Verfahren hat nicht nur den Verfassungsgerichtshof und die Behörden bei der Erfüllung ihrer sonstigen Aufgaben behindert, sondern für die Gemeinden auch zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit über die Höhe der ihnen zustehenden Ertragsanteile geführt. Diese Unsicherheit betraf nicht nur die Ertragsanteile des laufenden Jahres und der zukünftigen Jahre, sondern auch die der vergangenen Jahre, soweit nicht Verjährung eingetreten war, und machte eine seriöse Haushaltsplanung der Gemeinden unmöglich.

Aus diesem Grund werden trotz des Umstandes, dass der Verfassungsgerichtshof in mehreren Erkennt­nissen (VfSlg. 12.505/90 und zuletzt mit dem Erkenntnis vom 28. September 2000, A 10/00) den abgestuften Bevölkerungsschlüssel nicht als verfassungswidrig angesehen hat, die Bestimmungen über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel mit dem vorgeschlagenen „Bundesverfassungsgesetz über den Verfassungsrang bestimmter finanzausgleichsrechtlicher Bestimmungen“ in den Rang einer Verfassungs­bestimmung gehoben.

Vergleichbares gilt für die nunmehr erzielte Einigung über die Verteilung der Werbeabgabe auf die Länder und Gemeinden in den Finanzausgleichsgesetzen 1997 und 2001, weil dieser Teil des Finanz­ausgleichs bisher ausgesprochen umstritten war und die unterschiedliche Beteiligung der Länder und Gemeinden am Aufkommen zu Missverständnissen Anlass geben könnte, wenn nicht berücksichtigt wird, dass die Gebietskörperschaften umso höhere Ausfälle gegenüber den seinerzeitigen Erträgen an den Ankündigungs- und Anzeigenabgaben zu verkraften haben, je höher sie nunmehr an der Werbeabgabe beteiligt sind.

Die mit einer allfälligen neuerlichen Prüfung verbundenen negativen Begleiterscheinungen erscheinen als schwerwiegender als die mit dem Verfassungsrang bewirkte Einschränkung der Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes, umso mehr als die Bestimmungen über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel und die Verteilung der Werbeabgabe auf einem Vorschlag der Gemeinden, vertreten durch den Österreichischen Städtebund und den Österreichischen Gemeindebund, beruhen und diese von dieser Einschränkung betroffenen Gebietskörperschaften selbst eine verfassungsrechtliche Absicherung für notwendig erachten, um für den Geltungsbereich des Finanzausgleichsgesetzes 2001 die notwendige Sicherheit hinsichtlich der für ihre Haushaltsführung zu erwartenden finanziellen Mittel gewährleisten zu können.

Finanzielle Auswirkungen:

Die verfassungsrechtliche Absicherung hat zwar keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen, aller­dings soll sie allfällige unnötige Belastungen der Gebietskörperschaften durch Unsicherheiten über ihre finanzielle Ausstattung vermeiden helfen.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1:

Die Hebung der in Art. 1 zitierten Bestimmungen in Verfassungsrecht hat dieselben Auswirkungen, wie sie mit einer Bezeichnung der Bestimmungen als „(Verfassungsbestimmung)“ im jeweiligen Finanzaus­gleichsgesetz selbst verbunden wären. Die zitierten Bestimmungen umfassen den abgestuften Bevölke­rungsschlüssel (§ 10 Abs. 9 FAG 2001), die länderweise Verteilung der Anteile der Länder und Gemeinden an der Werbeabgabe (§ 10 Abs. 7 Z 11 und Z 12 FAG 2001 bzw. § 8 Abs. 6 Z 9a und 9b FAG 1997) und die gemeindeweise Verteilung des Gemeinde-Werbesteuernausgleiches (§ 12 Abs. 2 Z 4 FAG 2001 bzw. § 10 Abs. 2 Z 3a FAG 1997).

Zu Artikel 2:

Der zeitliche Geltungsbereich des Bundesverfassungsgesetzes stimmt mit dem der abzusichernden Bestimmungen überein und umfasst somit primär die Finanzausgleichsgesetzperiode 2001 bis 2004, hinsichtlich der Verteilung der Werbeabgabe auf Grund der finanzausgleichsrechtlichen Systematik, bei der die Jahresrechnungssummen von Abgabenerträgen verteilt werden, auch das Jahr 2000.