404 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 18. 1. 2001

Bericht

des Justizausschusses

 

über den Antrag 311/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden

und

über die Regierungsvorlage (345 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetz­buch geändert wird

 

Die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Michael Krüger und Genossen haben den gegen­ständlichen Initiativantrag am 19. Oktober 2000 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Erläuterungen

I. Allgemeines

Die Regierungsvorlage zur Neuordnung des Kindschaftsrechtes, 296 BlgNR XXI. GP, sieht ua. eine Herabsetzung des Volljährigkeitsalters vom 19. auf das 18. Lebensjahr vor. Dieser Vorschlag wirft die Frage auf, ob die derzeit gleichfalls mit der Vollendung des 19. Lebensjahres festgesetzte obere Altersgrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechts ebenfalls um ein Jahr gesenkt werden soll, zumal die mit dem Jugendgerichtsgesetz 1988 vorgenommene Anhebung dieser Altersgrenze (§ 1 Z 2 JGG) – wenngleich nur unter anderem – auch mit einem Gleichziehen mit dem bereits seit 1973 geltenden Volljährigkeitsalter von 19 Jahren begründet worden ist. Ein Auseinanderfallen der beiden Altersgrenzen würde nun dazu führen, dass es einen Altersjahrgang Jugendlicher gäbe, die bereits volljährig sind, daher keine gesetzlichen Vertreter mehr haben und bei denen auch Familien- und jugendwohlfahrtsrechtliche Verfügungen in der Regel nicht mehr getroffen werden können. Ein Teil der Bestimmungen des JGG wird daher für diesen Jahrgang jedenfalls unanwendbar werden.

Andererseits ist zu bedenken, dass Österreich im Gegensatz zur deutschen und zahlreichen anderen Rechtsordnungen kein ,Heranwachsendenstrafrecht‘ als Zwischenstufe zwischen dem Jugendstrafrecht und der uneingeschränkten Anwendung des allgemeinen Strafrechts kennt. Die Anhebung der oberen Altersgrenze des Jugendstrafrechts auf das 19. Lebensjahr war daher seinerzeit auch als eine Art Kompensation dafür zu sehen. Schließlich ist allgemein anerkannt, dass die – gerade zwischen dem 18. und dem 20. Lebensjahr seit jeher deutlich ansteigende und danach wieder sinkende – ,Jugend‘-Kriminalität überwiegend kein Anzeichen für den Beginn ,krimineller Karrieren‘ darstellt, sondern viel­mehr Ausdruck vorübergehender Probleme bei der Anpassung an die Erwachsenenwelt ist (so genannte Adoleszenzkrise), die in aller Regel bald überwunden werden können. Auf solche Erscheinungen passagerer Verstöße gegen die Rechtsordnung sollte daher nach kriminologischen Erkenntnissen nicht mit eingreifenden Strafsanktionen, sondern mit Zurückhaltung reagiert werden, um nicht durch strafrechtliche Stigmatisierung das Fortkommen junger Erwachsener unangemessen zu beeinträchtigen und damit – in Anbetracht der präventiven Zwecke des Strafrechts – kontraproduktiv zu wirken.

Der vorliegende Entwurf schlägt (unter Berücksichtigung dieser einander zum Teil entgegengesetzten Erwägungen) vor, die beiden Altersgrenzen für die zivilrechtliche Volljährigkeit und für den Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenstrafrecht weiterhin übereinzustimmen und daher auch die Anwendung des Jugendstrafrechts künftig mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, also auf 14- bis 17-jährige, zu begrenzen. Damit folgt der Entwurf dem Beispiel fast aller anderen europäischen Rechtsordnungen und nimmt ferner darauf Bedacht, dass die Anzahl der bekannt gewordenen (in der Polizeilichen Kriminal­statistik aufscheinenden) Straftaten Jugendlicher in den letzten Jahren merklich angestiegen ist – wenngleich nur im unteren Kriminalitätsbereich und nicht etwa bei den Verbrechen (§ 17 StGB).

Zugleich soll, wiederum dem Beispiel der überwiegenden Zahl vergleichbarer Rechtsordnungen (ein­schließlich der Reformstaaten in Ost- und Mitteleuropa) folgend, ansatzweise auch dem erwähnten Umstand Rechnung getragen werden, dass die Kriminalität junger Menschen zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr vielfach nicht nach denselben Maßstäben zu messen ist wie die älterer Personen, ohne jedoch ein eigenständiges ,Heranwachsendenstrafrecht‘ zu schaffen. Vielmehr sollen lediglich die schon in geltenden Bestimmungen des Straf- und Strafvollzugsrechtes (vgl. §§ 34 Abs. 1 Z 1, 36 StGB) vorzufindenden Ansätze für eine besondere Behandlung junger Erwachsener etwas erweitert werden.

In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich ferner, Strafsachen gegen junge Beschuldigte jedenfalls bis zum 19., gegebenenfalls bis zum 21. Lebensjahr – ungeachtet der (etwas modifizierten) Anwendung des allgemeinen materiellen Strafrechts grundsätzlich in der Zuständigkeit der für Jugendstrafsachen zuständigen Geschäftsabteilungen (Gerichte) zu belassen bzw. in diese zu übertragen. Dies erleichtert es auch, jene besonderen Verfahrensbestimmungen des 5. Abschnitts des JGG, die auch bei volljährigen Beschuldigten anwendbar erscheinen, für den Jahrgang der 18-jährigen beizubehalten sowie auf 19- und 20-jährige auszudehnen.

Im Begutachtungsverfahren zum Ministerialentwurf wurde von mehreren Seiten Kritik an den Vor­schlägen des Entwurfes geübt. Ein Teil dieser kritischen Stimmen wollte die seit 1988 geltende Alters­grenze für den Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenstrafrecht (19. Lebensjahr) beibehalten, ein anderer Teil anerkannte zwar die Plausibilität einer Herabsetzung auf das 18. Lebensjahr zugleich mit der Absenkung des Volljährigkeitsalters, sprach sich jedoch für die Schaffung eines Heranwachsenden­strafrechts als eigenständiger Mittelstufe zwischen dem Jugend- und dem allgemeinen Strafrecht aus oder verlangte die Einleitung einer umfassenden Fachdiskussion in dieser Richtung.

Der vorliegende Entwurf folgt dieser Kritik zwar weder in der einen noch in der anderen Richtung, kommt den kritischen Stimmen aber insoweit entgegen, als er die oben erwähnten mildernden Ansätze des geltenden Rechtes für junge Erwachsene etwas erweitert (vor allem durch die Schaffung eines neuen Falles außerordentlicher Strafmilderung für Straftaten junger Erwachsener, die auf mangelnde Reife der Täterpersönlichkeit bzw. entwicklungsbedingtes Verhalten zurückzuführen sind) und überdies für die Übertragung der Führung von Strafverfahren gegen junge Menschen bis zum 19., allenfalls bis zum 21. Lebensjahr an die Gerichtsabteilungen für Jugendstrafsachen bzw. selbständigen Jugendgerichte am Wohnort des Beschuldigten Vorsorge trifft. Dies erleichtert ferner eine erweiterte Anwendung der bewährten verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen des JGG.

Der wesentliche Inhalt des Entwurfes lässt sich wie folgt zusammenfassen:

 1.  Absenkung der oberen Altersgrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechts vom 19. auf das 18. Lebensjahr;

 2.  Übertragung der vollzugsgerichtlichen Zuständigkeit für die Justizanstalt Gerasdorf an den Jugend­gerichtshof Wien;

 3.  Führung der Strafverfahren gegen junge Menschen bis zum 19., allenfalls bis zum 21. Lebensjahr durch die für Jugendstrafsachen zuständigen Gerichtsabteilungen bzw. selbständigen Jugendgerichte am Wohnort des Beschuldigten;

 4.  erweiterte Anwendung der bestehenden verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen des JGG;

 5.  Einschränkung der abgesonderten Führung von Strafsachen gegen Erwachsene, die grundsätzlich gemeinsam mit Jugendstrafsachen zu führen sind;

 6.  Ermächtigung des Bundesministers für Justiz zum Abschluss von Verträgen mit gemeinnützigen therapeutischen Einrichtungen oder Vereinigungen über die Höhe der nach § 46 JGG vom Bund zu übernehmenden Kosten bei Therapieweisungen;

 7.  Einbeziehung junger Erwachsener in die Möglichkeit eines längeren Aufschubs des Strafvollzuges zum Zweck des Abschlusses einer Berufsausbildung;

 8.  Herabsetzung der strengsten Strafdrohungen (zehn bis 20 Jahre Freiheitsstrafe bzw. zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Freiheitsstrafe) sowie Absenkung des Mindestmaßes aller sonst angedrohten Freiheits­strafen auf höchstens ein Jahr bei jungen Menschen bis zum 21. Lebensjahr;

 9.  Erweiterung der außerordentlichen Strafmilderung (im Sinne des § 41 StGB) in Fällen mangelnder Reife bzw. entwicklungsbedingten Verhaltens sowie Ermöglichung eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe für eine Probezeit (§ 13 JGG) in solchen Fällen;

10.  Verkürzung der für den Fall der bedingten Entlassung aus einer wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Tat verhängten Freiheitsstrafe mindestens zu verbüßenden Strafzeit von drei Monate auf einen Monat.

II. Zu den finanziellen Auswirkungen:

Die Überstellung des Jahrganges der 18-jährigen in den Wirkungsbereich des Erwachsenenstrafrechts wird vor allem beim Vollzug von Haftstrafen zu Mehraufwand führen. Dieser wurde in dem zur Be­gutachtung versendeten Ministerialentwurf mit 9 000 zusätzlichen Hafttagen bzw. einem Kostenaufwand von rund 11 Millionen Schilling jährlich eingeschätzt. Im Hinblick auf die mit dem vorliegenden Entwurf vorgeschlagene Verstärkung der Ansätze zu einer Abmilderung des Übergangs zum Erwachsenenstraf­recht (insbesondere Erweiterung der außerordentlichen Strafmilderung in Fällen mangelnder Reife) kann davon ausgegangen werden, dass sich die durch den vorliegenden Entwurf bewirkte Mehrbelastung des Strafvollzuges auf etwa 3 000 zusätzliche Hafttage bzw. 3 bis 4 Millionen Schilling jährlich reduziert.

Ein begrenzter Mehraufwand durch die Einbeziehung der 19- und 20-jährigen Verurteilten mit Therapie­weisung in die Kostenübernahmeverpflichtung nach § 46 JGG sollte durch die voraussichtlich kosten­senkende Wirkung der Ermächtigung des Bundesministers für Justiz zum diesbezüglichen Abschluss von Verträgen (§ 46 Abs. 2 neu) kompensiert werden.

Die mit der Gesetzwerdung des Entwurfes verbundenen zusätzlichen Kosten von 3 bis 4 Millionen Schilling werden durch Mehreinnahmen im Ressortbereich zu bedecken sein.

III. Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Art. I (Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes 1988):

Zu Z 1 (§ 1 Z 2 JGG):

Im Sinne der allgemeinen Begründung des Entwurfes sollen künftig schon mit Vollendung des 18. statt bisher des 19. Lebensjahres grundsätzlich die Strafdrohungen des allgemeinen Strafrechts zur Anwendung gelangen. Der Begriff ,Jugendlicher‘ soll daher künftig nur noch die Altersgruppe der 14- bis einschließ­lich 17-jährigen umfassen und mit dem zivilrechtlichen Begriff des mündigen Minderjährigen überein­stimmen.

Zu Z 2 (Entfall des § 22 JGG):

Auf die Erläuterungen zu Art. II Z 5 (§ 50 Abs. 1a StGB) wird verwiesen.

Zu Z 3 (§ 23 Z 2 und 3 JGG):

Der Jugendgerichtshof Wien, dem schon bisher auch die Funktion des Vollzugsgerichtes für die Justizanstalt Wien-Erdberg zukommt, soll künftig auch als Vollzugsgericht für die einzige Justizanstalt Österreichs, die ausschließlich für den Jugendstrafvollzug (an männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen) bestimmt ist (Gerasdorf), fungieren. Damit soll auch der Umstand, ob der Entlassungs­vollzug in der JA Gerasdorf oder in der JA Wien-Erdberg durchgeführt wird (§ 56 Abs. 3 JGG), keinen Einfluss mehr auf die vollzugsgerichtliche Zuständigkeit haben.

Zugleich empfiehlt es sich klarzustellen, dass dem Jugendgerichtshof Wien auch die vollzugsgerichtliche Kompetenz für jene von ihm ausgesprochenen Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen zukommt, die in einer anderen Wiener Justizanstalt (JA Josefstadt, JA Simmering, JA Favoriten, JA Mittersteig), vollzogen werden.

Zu den Z 4 bis 6 (§§ 26, 27 und 29 JGG):

Die sachliche Zuständigkeit für das Strafverfahren gegen junge Menschen wegen einer vor Vollendung des 19. Lebensjahres begangenen Straftat soll (wie bisher) den für Jugendstrafsachen zuständigen Geschäftsabteilungen der Bezirks- und Landesgerichte, gegebenenfalls den bestehenden selbständigen Jugendgerichten, zugewiesen werden. Diese Zuständigkeitskonzentration (die auch die bisher bestehende Auslastung dieser Geschäftsabteilungen und Gerichte aufrecht erhält) soll ferner – soweit das gerichtsorganisatorisch und geschäftsverteilungsmäßig möglich ist – auf Strafsachen junger Beschuldigter ausgedehnt werden, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres strafbare Handlungen begangen haben (vgl. die mit Art. IV dieses Entwurfes vorgeschlagenen Änderungen des Gerichtsorganisationsgesetzes). Zugleich soll die in Jugendstrafsachen herkömmliche und zweckmäßige örtliche Zuständigkeit jenes Gerichtes, in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit der Verfahrenseinleitung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, künftig ebenfalls auf Strafsachen wegen Straftaten erweitert werden, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen worden sind.

Die Zuständigkeit des Geschworenengerichtes auf Grund hoher Strafdrohung soll gleichfalls – wie schon bisher in Jugendstrafsachen – auch bei Straftaten junger Erwachsener auf Fälle einer zehn Jahre überschreitenden Freiheitsstrafdrohung beschränkt sein.

Zu Z 7 (§ 34 Abs. 2 JGG):

Die im Gesetz als Grundsatz vorgesehene Verbindung von Jugendstrafsachen und Strafsachen gegen Erwachsene, die sich auf die Beteiligung an derselben strafbaren Handlung beziehen, soll weiter verstärkt werden: zum einen sollen die beiden auf Zweckmäßigkeitsgründe zurückzuführenden Ausnahmen des Abs. 2 Z 1 und 2 (Beteiligung an überwiegend unterschiedlichen strafbaren Handlungen, Auseinander­fallen der Gerichtszuständigkeit) nicht mehr zwingend zu einer getrennten Führung der Verfahren gegen den Jugendlichen und gegen den Erwachsenen führen und soll die im Abs. 2 Z 3 enthaltene Ausnahme (Besorgnis eines unverhältnismäßigen Nachteils für einen der Beschuldigten) ganz entfallen. Dabei ist zu berücksichtigten, das die auf § 57 StPO gestützte Möglichkeit der Verfahrenstrennung ohnehin bestehen bleibt. Zum anderen sollen künftig auch Strafsachen wegen strafbarer Handlungen, an denen junge und ältere Erwachsene beteiligt waren, grundsätzlich von dem für den jüngeren Beschuldigten zuständigen Gericht gemeinsam geführt werden (vgl. § 46a Abs. 2 JGG idF des Entwurfes).

Zu Z 8 (§ 46 Abs. 2 JGG):

Die Bestimmung der in Fällen einer gerichtlichen Therapieweisung vom Bund zu übernehmenden Kosten wird dadurch erschwert, dass die Gerichte in der Regel nicht über ausreichende Informationen zur Beurteilung von Art, Qualität und Intensität der von therapeutischen Einrichtungen jeweils angebotenen Behandlungsmaßnahmen verfügen. Da diese Einrichtungen nur zum Teil einer Anstaltspflege im Sinne der §§ 66 ff B-KUVG vergleichbare Leistungen erbringen, fehlt es an entsprechenden Gebührenrege­lungen.

Der Entwurf sieht daher nach dem Vorbild des § 41 Abs. 3 SMG eine Ermächtigung des Bundesministers für Justiz vor, mit einzelnen gemeinnützigen therapeutischen Einrichtungen Vereinbarungen über die Höhe der vom Bund zu übernehmenden Kosten abzuschließen. Dabei soll die Vereinbarung von Pauschalbeträgen (etwa für Therapieeinheiten ambulant durchgeführter Psychotherapie) zulässig sein. Die Grundsätze der Pauschalierung können durch Verordnung des Bundesministers für Justiz festgesetzt werden. Dabei werden leistungsbezogene Parameter (Qualifikation des Betreuungspersonals, zahlen­mäßiges Verhältnis von Betreuungspersonal und betreuten Personen, ärztliche Versorgung, psychothera­peutische Behandlung usw.) zu bewerten sein.

Zu Z 9 (§ 46a JGG):

Auch in Strafsachen wegen strafbarer Handlungen, die von unter 21-jährigen jungen Menschen begangen wurden, sollen künftig die besonderen Verfahrensbestimmungen des fünften Abschnitts des JGG anzuwenden sein, soweit sie nicht ihrer Natur nach nur bei Minderjährigen in Betracht kommen (Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters) oder sonst bei über 18-jährigen nicht erforderlich scheinen. Die anzuwendenden Bestimmungen betreffen: den Ausschluss eines Protokollvermerks im Fall eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe (§ 32 Abs. 2), das allgemeine Beschwerderecht (§ 32 Abs. 3), die gemeinsame Verfahrensführung mit Strafsachen (älterer) Erwachsener (§ 34), die Beschränkung der Verhängung der Untersuchungshaft (§ 35 Abs. 1 zweiter Satz), Sonderbestimmungen für die Anhaltung in Untersuchungshaft (§ 36), die Beiziehung einer Vertrauensperson zu Befragungen und Vernehmungen (§ 37), die Mitwirkung eines bestellten Bewährungshelfers in der Hauptverhandlung (§ 40), die Verhand­lung in vorübergehender Abwesenheit des Beschuldigten (§ 41), den Ausschluss der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung (§ 42), die Verfahrenskosten (§ 45) sowie die subsidiäre Kostenübernahme durch den Bund bei Weisungen zu einer psychotherapeutischen, medizinischen oder Entwöhnungsbehandlung (§ 46).

Zu Z 10 (§ 52 JGG):

Die im Jugendstrafrecht vorgesehene Möglichkeit eines längeren (ein Jahr übersteigenden) Aufschubs des Strafvollzuges (§ 6 StVG) zum Zweck der Ermöglichung des Abschlusses einer Berufsausbildung soll künftig auch bei Personen offenstehen, die wegen Straftaten verurteilt wurden, die sie als junge Er­wachsene begangen haben.

Zu Artikel II (Änderungen des StGB):

Zu Z 1 und 2 (§§ 34 und 36 StGB):

Die Ahndung von Straftaten junger Erwachsener bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (einschließlich des Altersjahrganges der 18-jährigen, die bisher als Jugendliche anzusehen waren) soll grundsätzlich nach den Bestimmungen des allgemeinen Strafrechts erfolgen. Hievon soll es jedoch nachstehende – zum Teil bereits im geltenden Recht angelegte – Ausnahmen geben:

1.  Der schon jetzt bis zum 20. Lebensjahr festgelegte Ausschluss der lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 36 StGB) soll künftig bis zum 21. Lebensjahr gelten. An die Stelle der Androhung einer solchen Strafe (allein oder zusammen mit einer zeitlichen Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren) soll bei jungen Erwachsenen eine Strafdrohung von fünf bis zu zwanzig Jahren treten.

2.  Bei den strengsten Strafdrohungen (zehn bis 20 Jahre, fünf bis 15 Jahre und fünf bis zehn Jahre) soll für Straf­taten junger Menschen jeweils ein Mindestmaß von einem Jahr (unter Beibehaltung der Obergrenze des Strafsatzes) gelten.

3.  Die Begehung einer Straftat vor Vollendung des 21. Lebensjahres stellt schon bisher einen allgemeinen Milderungsgrund dar (§ 34 Abs. 1 Z 1 StGB).

Zu Z 3 (§ 41b StGB):

Von der Möglichkeit der außerordentlichen Strafmilderung nach Maßgabe des § 41 StGB soll bei jungen Menschen, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres eine strafbare Handlung begangen haben, auch in Fällen Gebrauch gemacht werden können, in denen die Tatbegehung auf eine noch nicht voll ausgereifte Täterpersönlichkeit (verzögerte bzw. ,defizitäre‘ Reife) oder auf entwicklungsbedingtes Verhalten (beispielsweise bei Normverstößen im Rahmen der Aktivitäten von Gruppen Heranwachsender) zurück­geführt werden kann.

In solchen Fällen soll ausnahmsweise der sonst nur im Jugendstrafrecht zulässige Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 JGG) auch bei jungen Erwachsenen möglich sein. Die Zitierung des § 13 JGG verweist auch auf alle damit verbundenen Folgebestimmungen (§§ 14 bis 16 und 18 JGG, 50 StGB, 494a ff StPO).

Zu Z 4 (§ 46 Abs. 2a StGB):

Die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe wegen einer von einem jungen Erwachsenen began­genen Straftat soll im Rahmen der Bestimmungen des § 46 Abs. 1 bis 4 StGB mit der Maßgabe zulässig sein, dass das absolute Mindestmaß der zu verbüßenden Strafzeit einen Monat (statt drei Monate) beträgt.

Zu Z 5 (§ 50 Abs. 1a StGB):

Die Bestimmung des § 22 JGG (Erweiterung des Anwendungsbereiches von Weisungen und Bewäh­rungshilfe auf die Fälle eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe nach § 13 JGG sowie eines Aufschubs des Strafvollzuges zur Förderung des Fortkommens des Verurteilten) soll in die Grundsatz­bestimmung des § 50 StGB übernommen und ihre Anwendbarkeit auch auf Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen worden sind, ausgedehnt werden.

Zu Art. III (Änderungen des Gerichtsorganisationsgesetzes):

Siehe die Erläuterungen zu Art. I Z 4 bis 7.

Zu Art. IV (Inkrafttreten):

Die vorgeschlagenen Änderungen sollen zugleich mit dem neuen Kindschaftsrecht am 1. Juli 2001 in Kraft treten.“

Die Regierungsvorlage 345 der Beilagen dient der Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 29. Mai 2000 über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro.

Der Entwurf schlägt vor, einzelne Straftatbestände im 13. Abschnitt des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches auszuweiten, und zwar die §§ 232, 233, 237, 239 und 241.

Durch diese Maßnahmen wird ein (EU-weit einheitlicher) hoher Standard des strafrechtlichen Schutzes von Geld gegen Fälschungen und verwandte Delikte erreicht. Anlass für die Rechtsangleichung in der EU ist die Einführung des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel zum 1. Jänner 2002.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 16. November 2000 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war der Abgeordnete Dr. Michael Krüger.

Um ein Expertenhearing zum Gegenstand durchführen zu können, wurde der Antrag einstimmig vertagt.

Dieses Expertenhearing wurde im Rahmen der Enquete-Kommission zum Thema „Die Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich, ihre Angemessenheit, ihre Effizienz, ihre Ausgewogenheit“ am 12. Dezember 2000 durchgeführt.

Folgende Experten gaben ihre Statements ab:

Dr. Manfred Ainedter (Rechtsanwalt, Wien), Dr. Wolfgang Aistleitner (Vizepräsident der Vereinigung der österreichischen Richter, Senatspräsident des Oberlandesgerichts Linz), ordentlicher Univ.-Prof. Dr. Christian Bertel (Leopold-Franzens-Universität Innsbruck), Dr. Alois Birklbauer (Universität Linz), Dr. Sepp Brugger (Grüner Klub im Parlament), ordentlicher Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Manfred Burgstaller (Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien), Dr. Siegfried Dillersberger (Rechtsanwalt, Kufstein), ordentlicher Univ.-Prof. Dr. Helmut Fuchs (Universität Wien), Dr. Norbert Gerstberger (Jugendgerichtshof Wien, Obmann der Fachgruppe Jugendrichter), Dr. Elisabeth Grabner-Tesar (Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit, Wien), ordentlicher Univ.-Prof. Dr. Frank Höpfel (Universität Wien), Präsident HonProf. Dr. Udo Jesionek (Jugendgerichtshof Wien), HonProf. Dr. Heimo Lambauer (Leitender Oberstaatsanwalt, Graz), Dr. Brigitte Loderbauer (Staatsanwältin, Linz), Hofrat Dr. Friedrich Matousek (Präsident der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte, Leitender Staatsan­walt, Wiener Neustadt), Dr. Wolfgang Moringer (Rechts­anwalt, Linz), Dr. Otto F. Müller (Generalpro­kurator a. D., Wien), Dr. Gerhard Reissner (Vizepräsident der Vereinigung der österreichischen Richter, Vorsteher des Bezirksgerichts Wien-Floridsdorf), HonProf. Dr. Herbert Steininger (Präsident des OGH
i. R., Wien).

An der sich anschließenden Diskussion mit den Experten beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Johann Maier, Mag. Dr. Josef Trinkl, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Michael Krüger, Werner Miedl, Inge Jäger, Edith Haller und die Ausschussobfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer.

Der Justizausschuss nahm am 12. Dezember 2000 seine Verhandlungen über den gegenständlichen Initiativantrag wieder auf.

Die Verhandlungen über diesen Antrag sowie über die Regierungsvorlage 345 der Beilagen wurde zusammengefasst, wobei der Debatte und der Abstimmung der Antrag 311/A zu Grunde gelegt wurde.

Berichterstatter über die Regierungsvorlage war der Abgeordnete Werner Miedl.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Michael Krüger, Mag. Johann Maier, Mag. Dr. Josef Trinkl, Edith Haller, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Walter Tancsits, Inge Jäger und die Ausschussobfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

Die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Michael Krüger brachten einen umfassen­den Abänderungsantrag ein.

Bei der Abstimmung wurde der Initiativantrag 311/A in der Fassung des Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit angenommen.

Die Regierungsvorlage 345 der Beilagen ist somit miterledigt.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Werner Miedl gewählt.

Ferner wurden folgende Ausschussfeststellungen getroffen:

Zu Art. I Z 7a (§ 42 Abs. 1 JGG):

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 3. Oktober 2000 im Beschwerdefall EISENSTECKEN (BNr. 29477/95) den von Österreich seinerzeit zu Art. 6 EMRK hinsichtlich der Öffentlichkeit von Verhandlungen erklärten Vorbehalt für unwirksam erklärt. Da § 42 Abs. 1 zweiter Satz JGG (Ausschluss der Öffentlichkeit auch von der Urteilsverkündung) mit Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht vereinbar ist, hätte diese Bestimmung (von der in der Praxis nur selten Gebrauch gemacht wird) zu entfallen.

Zu Art. I Z 9 (§ 46a JGG):

Über den Vorschlag des Initiativantrages hinaus sollen die für Jugendstrafsachen zuständigen Gerichte (Gerichtsabteilungen) künftig für alle Strafsachen wegen Taten zuständig sein, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen werden.

Die Bestimmungen über die Durchführung besonderer Jugenderhebungen bzw. über die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe (§§ 43 Abs. 1, 48 Z 1 und 4 JGG) sollen auch bei jungen Erwachsenen anwendbar sein. Dagegen sollen bei diesen Beschuldigten sowohl Abwesenheitsurteile als auch die Möglichkeit der Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten (Angeklagten) entfallen (§§ 32 Abs. 1, 41 JGG).

Auf die (grundsätzlich zwingende) Verbindung von Strafsachen gegen junge Erwachsene mit solchen gegen ältere Beschuldigte (vgl. § 34 JGG) soll verzichtet werden.

Zu Art. II Z 2 (§ 36 StGB):

An Stelle des im Initiativantrag vorgeschlagenen besonderen Falles außerordentlicher Strafmilderung bei noch nicht 21-jährigen Rechtsbrechern wird eine Herabsetzung bzw. bei fünf Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafdrohungen ein Entfall von Untergrenzen des Strafsatzes vorgeschlagen.

Zu Art. II Z 3 (§ 41 Abs. 3 StGB):

Seit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/1997 sieht § 41 Abs. 3 StGB vor, dass die §§ 43 und 43a (bedingte und teilbedingte Strafnachsicht bzw. Strafenkombination nach § 43a Abs. 2) in den Fällen der außerordentlichen Strafmilderung (§§ 41, 41a) auch angewendet werden können, wenn auf höhere Freiheitsstrafen als solche von zwei bzw. drei Jahren erkannt wird oder zu erkennen wäre. Die höchstgerichtliche Judikatur ist sich nicht einig darüber, ob diese Möglichkeit zur Verhängung bedingter und teilbedingter Strafen unbeschränkt zulässig ist oder aber nur dann besteht, wenn die Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe in Betracht kommt (siehe einerseits 13 Os 111/98 = EvBl. 1999/43, andererseits 12 Os 122/99 ÖJZ-LSK 2000/78).

Diese Streitfrage soll dahin klargestellt werden, dass einerseits die erweiterte Anwendung (teil-)bedingter Strafen auch ohne Unterschreitung des gesetzlichen Mindestmaßes der Strafdrohung zulässig sein, andererseits aber auf die Verhängung von Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren bechränkt werden soll.

Zu Art. II Z 5 (§ 50 Abs. 1 StGB):

Es wird nicht selten beklagt, dass der Anteil jener Fälle, in denen einem Verurteilten nach bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe kein Bewährungshelfer bestellt wird, zu hoch sei. Es empfiehlt sich, zumindest bei jungen Menschen, die eine Freiheitsstrafe verbüßen und aus dieser bedingt entlassen werden, dadurch ein Signal in der aufgezeigten Richtung zu setzen, dass die Anordnung von Bewährungs­hilfe vom Gesetzgeber als Normal- bzw. Regelfall festgelegt wird. Von der Beigebung eines Bewäh­rungshelfers soll bei jungen Rechtsbrechern demnach nur dann ausnahmsweise abzusehen sein, wenn das Risiko neuerlicher Straffälligkeit im Einzelfall tatsächlich zu vernachlässigen bzw. als ganz gering einzuschätzen ist.

Zu Art. II Z 6 (§ 74 StGB):

Im Hinblick auf die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters vom 19. auf das 18. Lebensjahr durch das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 (366 der Beilagen) bedarf es einer entsprechenden Anpassung auch der Begriffsbestimmung des § 74 Z 3 StGB („minderjährig“). Der Begriff „jugendlich“ wird als solcher im Strafgesetzbuch nicht mehr verwendet, sodass die Begriffsbestimmung des § 74 Z 2 entfallen kann.

Zu Art. II Z 7 (§ 197 StGB):

Die Strafbestimmung des § 197 StGB (Verlassen eines Unmündigen) wurde mit dem StGB im Jahre 1974 eingeführt. Davor wurden Sachverhalte der „Kindesweglegung“ im Wesentlichen durch § 149 StG erfasst, wonach ein Verbrechen beging, „wer ein Kind in einem Alter, da es zur Rettung seines Lebens sich selbst Hilfe zu verschaffen unvermögend war, weglegt, um dasselbe der Gefahr des Todes auszusetzen oder auch nur, um seine Rettung dem Zufall zu überlassen“. Diese Bestimmung wurde im Zuge der Strafrechts­reform in Anlehnung an das deutsche und schweizerische Strafrecht im Sinne des heutigen § 82 StGB (Aussetzung) erweitert und abgeändert. Zum heutigen § 197 StGB führte die Regierungsvorlage zum StGB aus, dass eine Kindesweglegung, die bloß in der Absicht geschieht, sich des Kindes zu entledigen, ohne dass aber eine Gefährdung des Lebens dieses Kindes in den Vorsatz des Täters aufgenommen wäre, sowohl nach § 149 StG als auch nach der (neuen) Bestimmung der „Aussetzung“ straflos wäre; es bestehe somit eine Strafbarkeitslücke. In der Bewertung des Unrechtsgehaltes wurde dieser neu geschaffene Tatbestand des „Verlassens eines Unmündigen“ als Zwischenstufe zwischen der „Aus­setzung“ und der „Verletzung der Unterhaltspflicht“ angesiedelt.

Die Praxis seit Inkrafttreten dieser Bestimmung zeigt, dass die Strafverfolgung in diesem Bereich sehr wenig in Anspruch genommen wird; so hat es zB in den Jahren von 1992 bis 1997 österreichweit insgesamt 28 Verfahren wegen der §§ 82 bzw. 197 StGB gegeben, wobei es zu keiner einzigen Verurteilung gekommen ist.

Am 22. September 2000 wurde eine parlamentarische Enquete zum Thema „Babyklappe und Babynest“ unter Teilnahme von Experten und Expertinnen aus Deutschland und Österreich durchgeführt, bei der neben Initiatoren des Hamburger Babyklappen-Projektes „Sternipark“ und einer Vertreterin des deutschen Bundesministeriums der Justiz österreichische Experten und Expertinnen aus den Bereichen des Jugendwohlfahrtsrechts, des Strafrechts und der Medizin mit den Abgeordneten über die rechtlichen und faktischen Probleme mit der Einführung von Aufnahmestellen für „Findelkinder“ diskutierten.

Als Ergebnis dieser parlamentarischen Enquete und nachfolgender Beratungen kann festgehalten werden, dass ein gesellschaftliches Strafbedürfnis gegenüber den (häufig sehr jungen) Müttern in Notsituationen, die sich aus irgendeinem Grund nicht im Stande sehen, ihre Kinder in der rechtlich vorgesehenen Form zur Adoption freizugeben, oder die in einer nachgeburtlichen Panikreaktion handeln (ohne das Kind zu gefährden), kaum besteht. Insbesondere aber sollte grundsätzlich jede Maßnahme ergriffen werden, um das Leben weggelegter Kinder zu erhalten bzw. gesundheitliche Probleme bei diesen Kindern zu vermeiden. Nach Vorbildern aus Deutschland wurde erwogen, auch in Österreich speziell eingerichtete und anonyme Aufnahmestellen für Säuglinge in solchen Notfällen zu schaffen, sogenannte „Baby­klappen“ oder „Babynester“, mit deren Einrichtung zum Teil schon begonnen wurde.

 

Stellt die öffentliche Hand jedoch solche Einrichtungen zur Verfügung, so kann – unabhängig von der Beurteilung einer Strafbarkeit nach geltendem Recht – eine drohende Bestrafung von Personen, die solche Einrichtungen in Anspruch nehmen oder zur Verfügung stellen, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Wie praktische Erfahrungen zeigen, waren in aller Regel Säuglinge von der Weglegung betroffen, auch wenn der Tatbestand grundsätzlich „Unmündige“ erfasst. Da diese Konstellation auch den Regelfall der Verwendung einer Babyklappe darstellt, soll in Hinkunft eine Strafbarkeit nach § 197 StGB generell entfallen. Der Justizausschuss geht im Übrigen davon aus, dass die mit einer solchen „Kindesweglegung“ gegebenenfalls zusätzlich im Raum stehenden Verletzungen von § 198 StGB (Verletzung der Unter­haltspflicht) und § 195 StGB (Kindesentziehung) im Sinne ihrer Subsidiarität in den Fällen, in denen sich Frauen in Notsituationen eines Säuglings entledigen, ebenfalls nicht mehr zur Anwendung gelangen werden.

Mit der Aufhebung des Straftatbestandes des § 197 StGB soll allerdings auch ein Signal in der Richtung gesetzt werden, dass verwaltungsrechtliche Vorschriften nicht mehr dahin ausgelegt werden können, werdenden Müttern in anerkannten Notsituationen sei der Weg zu einer so genannten „anonymen Geburt“ völlig versperrt. Wenn daher junge Mütter, die wegen einer besonderen Notsituation unerkannt bleiben möchten, ihr Kind einer Einrichtung – wie etwa einer Krankenanstalt – mit dem Ziel in die Obhut übergeben, dass für das Kind bestmöglich gesorgt werde, vor allem eine qualifizierte Adoptionsver­mittlung stattfinde, so sollen diese Frauen vor der Aufdeckung ihrer Identität, sei es zum Ziel der Feststellung des Personenstandes des Kindes, sei es wegen des Ersatzes der Kosten der Geburt oder der Betreuung des Kindes, sicher sein, weil nur so der Schutz des Kindes erreicht werden kann. Die Überlassung des Kindes an eine hiefür bereite Einrichtung stellt nämlich die konkludente Überlassung des Kindes an den Jugendwohlfahrtsträger dar, der nach § 211 ABGB Amtsvormund (nach Inkrafttreten des KindRÄG 2001 mit der Obsorge Betrauter) wird. In der Zusammenarbeit zwischen einer zur Auf- bzw. Übernahme von Kindern in derartigen Situationen bereiten Einrichtung und dem Jugendwohlfahrtsträger bildet das Fehlen von Daten betreffend die Identität der Kindesmutter kein Hindernis, zumal der Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 211 ABGB nur Amtsvormund wird bzw. mit der Obsorge betraut wird, wenn die Identität der Eltern des Minderjährigen unbekannt ist. Aus diesem Grund scheinen auch weitergehende Änderungen in anderen Rechtsbereichen, wie dem Krankenanstaltenrecht, dem Jugend­wohlfahrtsrecht oder dem Personenstandsrecht, nicht erforderlich.

Zu Art. II Z 8 bis 12 (§§ 232 Abs. 3, 233 Abs. 1, 237, 239 und 241 StG):

Die Regierungsvorlage 345 der Beilagen enthält Änderungsvorschläge zur Verbesserung des strafrecht­lichen Schutzes von Geld gegen Fälschungen und verwandte Delikte zur Umsetzung des Rahmenbe­schlusses des Rates vom 29. Mai 2000 über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro. ABl. L 140 vom 14. Juni 2000. Der Inhalt dieser Regierungsvorlage soll in den vorliegenden Abände­rungsantrag übernommen werden, um alle derzeit zur Diskussion stehenden Änderungen des Strafgesetz­buches in einer Gesetzesänderung zu konzentrieren.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Justizausschuss den Antrag, der Nationalrat wolle dem ange­schlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2000 12 12

                                  Werner Miedl                                                    Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau

Anlage

Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes

Das Jugendgerichtsgesetz 1988, BGBl. Nr. 599, zuletzt geändert durch das  Bundesgesetz BGBl. I Nr. 55/1999, wird wie folgt geändert:

1. § 1 Z 2 hat zu lauten:

         „2. Jugendlicher: wer das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat;“.

2. § 22 und seine Überschrift entfallen.

3. § 23 wird wie folgt geändert:

a) In der Z 2 tritt an die Stelle des Strichpunktes am Ende der lit. b ein Punkt; lit. c entfällt.

b) Folgende Z 3 wird angefügt:

         „3. zur Ausübung der Aufgaben des Vollzugsgerichtes für das Gefangenenhaus des Jugendgerichts­hofes Wien sowie für Freiheitsstrafen und vorbeugende Maßnahmen, auf die vom Jugendge­richtshof Wien erkannt worden ist und die in einer anderen im Sprengel des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gelegenen Justizanstalt vollzogen werden.“

4. § 26 und seine Überschrift entfallen.

5. § 27 wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift hat zu lauten:

„Sachliche Zuständigkeit“

b) Abs. 1 hat zu lauten:

„(1) In Jugendstrafsachen und in Strafsachen wegen Straftaten, die vor Vollendung des einundzwan­zigsten Lebensjahres begangen worden sind, obliegt dem Geschworenengericht die Hauptverhandlung und Urteilsfällung

           1. wegen der im § 14 Abs. 1 Z 1 bis 10 StPO angeführten strafbaren Handlungen und

           2. in den Fällen, in denen auf eine mehr als zehnjährige Freiheitsstrafe erkannt werden kann.“

6. § 29 hat zu lauten:

§ 29. Für Jugendstrafsachen und für Strafsachen wegen Straftaten, die vor Vollendung des einund­zwanzigsten Lebensjahres begangen worden sind, ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“

7. § 34 Abs. 2 hat zu lauten:

„(2) Wenn aber

           1. beide Strafsachen nicht ausschließlich oder überwiegend die Beteiligung an derselben strafbaren Handlung betreffen oder

           2. die Strafsache gegen den Erwachsenen vor ein Gericht höherer Ordnung gehört,

kann die Strafsache gegen den Erwachsenen abgesondert geführt werden.“

7a. Im § 42 Abs. 1 entfällt der zweite Satz.

8. Dem § 46, dessen bisheriger Inhalt die Absatzbezeichnung „(1)“ erhält, wird folgender Abs. 2 angefügt:

„(2) Der Bundesminister für Justiz kann mit gemeinnützigen therapeutischen Einrichtungen oder Vereinigungen über die Höhe der nach Abs. 1 vom Bund zu übernehmenden Kosten Verträge nach bürgerlichem Recht abschließen. Die Vereinbarung von Pauschalbeträgen ist zulässig. Der Bundes­minister für Justiz kann die Grundsätze der Pauschalierung mit Verordnung festlegen. Dabei ist insbesondere das Betreuungsangebot der Einrichtung oder Vereinigung zu berücksichtigen.“

9. Nach dem § 46 wird folgender § 46a samt Überschrift eingefügt:

„Verfahrensbestimmungen für Strafsachen junger Erwachsener

§ 46a. (1) Das Strafverfahren wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Tat obliegt dem die Gerichtsbarkeit in Jugendstrafsachen ausübenden Gericht. § 28 ist anzuwenden.

(2) die §§ 31, 32, 35 Abs. 1 zweiter Satz, 36, 37, 40, 42, 43 Abs. 1, 45, 46 und 48 Z 1 und 4 gelten in allen Fällen, in denen die Tat vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen wurde beziehungsweise der Beschuldigte im Zeitpunkt der Verfahrenshandlung das einundzwanzigsten Lebens­jahr noch nicht vollendet hat, entsprechend.“

10. § 52 hat zu lauten:

„§ 52. Einem Jugendlichen oder einem Erwachsenen vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres ist unter den Voraussetzungen des § 6 des Strafvollzugsgesetzes ein Aufschub des Vollzuges der Freiheitsstrafe zur Förderung des späteren Fortkommens (§ 6 Abs. 1 Z 2 lit. a des Strafvollzugsgesetzes) auch für die Dauer von mehr als einem Jahr zu gestatten, wenn dies notwendig ist, um dem Verurteilten den Abschluss seiner Berufsausbildung zu ermöglichen.“

Artikel II

Änderungen des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2000, wird wie folgt geändert:

1. Im § 34 Abs. 1 Z 1 wird das Wort „neunzehnten“ durch das Wort „achtzehnten“ ersetzt.

2. § 36 und seine Überschrift haben zu lauten:

„Verhängung von Freiheitsstrafen über Personen unter einundzwanzig Jahren

§ 36. Gegen eine Person, die zur Zeit der Tat das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, darf auf keine strengere als eine Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren erkannt werden. An die Stelle der Androhung einer lebenslangen Freiheitsstrafe und der Androhung einer Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe tritt die Androhung einer Freiheitsstrafe von fünf bis zu zwanzig Jahren. Ein ein Jahr Freiheitsstrafe übersteigendes Mindestmaß der Strafdrohung wird auf dieses Maß, ein Mindestmaß von einem Jahr auf sechs Monate herabgesetzt. Soweit jedoch keine strengere Strafe als eine fünfjährige Freiheitsstrafe angedroht ist, entfällt das Mindestmaß.“

3. § 41 Abs. 3 hat zu lauten:

„(3) Die §§ 43 und 43a können auch angewendet werden, wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei beziehungsweise drei, aber nicht mehr als fünf Jahren erkannt wird oder zu erkennen wäre, sofern die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und begründete Aussicht besteht, dass der Täter auch bei Verhängung einer solchen Strafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.“

4. Dem § 46 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Ist die Freiheitsstrafe wegen einer vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangenen Tat verhängt worden, so beträgt die mindestens zu verbüßende Strafzeit (Abs. 1 und 2) einen Monat.“

5. § 50 wird wie folgt geändert:

a) Im Abs. 1 wird nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:

„Wird ein Rechtsbrecher wegen einer vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangenen Tat bedingt entlassen, so ist stets Bewährungshilfe anzuordnen, es sei denn, dass nach der Art der Tat, der Person des Rechtsbrechers und seinem Vorleben anzunehmen ist, dass er auch ohne eine solche Anordnung keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.“

b) Folgender Abs. 1a wird eingefügt:

„(1a) Abs. 1 gilt entsprechend, wenn der Ausspruch der Strafe für eine Probezeit vorbehalten wird (§ 13 des Jugendgerichtsgesetzes 1988) oder die Einleitung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe, die wegen einer vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangenen Tat verhängt worden ist, nach § 6 Abs. 1 Z 2 lit. a des Strafvollzugsgesetzes oder nach § 52 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 für die Dauer von mehr als drei Monaten aufgeschoben wird.“

6. § 74 wird wie folgt geändert:

a) Z 2 entfällt.

b) Z 3 hat zu lauten:

         „3. minderjährig: wer das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat;“

7. § 197 entfällt.

8. Dem § 232 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Als Nachmachen von Geld gilt auch die Herstellung unter Nutzung der zur rechtmäßigen Herstellung bestimmten Einrichtungen oder Materialien, jedoch unter Missachtung der Rechte oder der Bedingungen, nach denen die zuständigen Stellen zur Geldausgabe befugt sind, und ohne die Zustimmung dieser Stellen.“

9. § 233 Abs. 1 hat zu lauten:

„(1) Wer nachgemachtes oder verfälschtes Geld

           1. mit dem Vorsatz, dass es als echt und unverfälscht ausgegeben werde, einführt, ausführt, befördert, außer dem im § 232 Abs. 2 genannten Fall von einem anderen übernimmt oder sich sonst verschafft oder

           2. als echt und unverfälscht ausgibt,

ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.“

10. In § 237 werden die Worte „Staats- oder Banknoten“ durch die Worte „Banknoten oder Geldmünzen“ ersetzt.

11. § 239 hat zu lauten:

§ 239. Wer mit dem Vorsatz, sich oder einem anderen die Begehung einer der nach den §§ 232, 234, 237 oder 238 mit Strafe bedrohten Handlungen zu ermöglichen, ein Mittel oder Werkzeug, das nach seiner besonderen Beschaffenheit ersichtlich zu einem solchen Zweck bestimmt ist, ein Hologramm oder einen anderen der Sicherung gegen Fälschung dienenden Bestandteil von Geld, eines besonders geschützten Wertpapieres oder eines amtlichen Wertzeichens anfertigt, von einem anderen übernimmt, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt oder sonst besitzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.“

12. § 241 hat zu lauten:

§ 241. Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten auch für Geld, Wertpapiere, Wertzeichen sowie zur Ausgabe als gesetzliches Zahlungsmittel bestimmte Banknoten und Geldmünzen des Auslands.“

Artikel III

Änderungen des Gerichtsorganisationsgesetzes

Das Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896, zuletzt geändert durch das  Bundesgesetz BGBl. I Nr. 164/1999, wird wie folgt geändert:

1. Dem § 26 wird folgender Abs. 7 angefügt:

„(7) Die Vormundschafts- und Pflegschaftssachen von Minderjährigen, die Jugendstrafsachen und die Jugendschutzsachen sind derart denselben Gerichtsabteilungen zuzuweisen, dass alle dieselben Minderjährigen betreffenden Angelegenheiten zu einer Gerichtsabteilung gehören.“

2. Dem § 32 wird folgender Abs. 6 angefügt:

„(6) Jugendstrafsachen und Jugendschutzsachen sind derselben Gerichtsabteilung, nach Maßgabe des Geschäftsumfanges auch zwei oder mehreren Gerichtsabteilungen, zuzuweisen.“

3. Dem § 98 wird folgender Abs. 8 angefügt:

 

„(8) Die §§ 26 Abs. 7 und 32 Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/xxxx treten mit 1. Juli 2001 in Kraft.“

Artikel IV

Inkrafttreten

Die durch Art. II Z 3 und 7 bis 12 geänderten Bestimmungen treten mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag, die übrigen durch Art. I und II dieses Bundesgesetzes geänderten Bestimmungen mit 1. Juli 2001 in Kraft.“

 

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

zum Bericht des Justizausschusses über den Initiativantrag 311/A der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Krüger und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden

Zur Vorgangsweise:

Im Ministerialentwurf zum Kindschaftsrechtsänderungsgesetz sollte das Jugendstrafrecht, somit die Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes, auf Personen bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres nicht geändert werden. Erst in der Regierungsvorlage zum Kindschaftsrechtsänderungsgesetz wurde vorge­schlagen, die Altersgrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechts auf das 18. Lebensjahr zu senken. Gleichzeitig wurde ein Entwurf zur Novellierung des Jugendgerichtsgesetzes zur Begutachtung versandt. In den Stellungnahmen zu diesem Entwurf wurde heftige Kritik geübt und insbesondere von den mit dieser Materie beschäftigten Fachleuten festgehalten, dass für eine Herabsenkung der oberen Altersgrenze von 19 auf 18 Jahre für die Anwendung des Jugendstrafrechtes keinerlei Notwendigkeit besteht. Einige der Kritikpunkte fanden Eingang in den Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Krüger und Kollegen, über den dann im Justizausschuss verhandelt wurde. Nachdem sich gegen den Willen der Koalitionsparteien – insbesondere auch auf Grund meiner Fragen – viele ExpertInnen in den Sitzungen der Strafrechts-Enquete-Kommission sehr kritisch zum Jugendgerichtsgesetz geäußert haben, wurde in der Sitzung der Enquete-Kommission am 12. Dezember 2000 ein Hearing über das JGG durchgeführt. Die Ergebnisse des Hearings haben dann schließlich auch dazu geführt, dass doch noch wesentliche Verbesserungen an dem Gesetzentwurf vorgenommen wurden.

Grundsätzliches:

Laut Begründung des Initiativantrages ist die „Jugendkriminalität“ vor allem ein Ausdruck vorüber­gehender Probleme bei der Anpassung an die Heranwachsenden-Welt, die in aller Regel bald überwunden werden können. Es soll daher trotz der Absenkung der Altersgrenze für die Anwendung des Jugend­strafrechtes (auf 18 Jahre) zu einer erweiterten Anwendung verfahrensrechtlicher Sonderbestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes kommen. Außerdem sind Sonderbestimmungen für die strafrechtliche Be­handlung von Personen unter 21 Jahren im Strafgesetzbuch (insbesondere der Ausschluss der lebens­langen Freiheitsstrafe, eine Herabsetzung bzw. bei fünf Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstraf­drohungen ein Entfall, der Untergrenzen des Strafsatzes sowie eine erweiterte Anwendung der bedingten Strafnachsicht) vorgesehen. Entgegen dem ursprünglichen Vorschlag sollen nun auch die Jugendgerichte für Straftaten von Personen bis zum 21. Lebensjahr sachlich zuständig sein. Der Gesetzentwurf enthält also durchaus einige positive Ansätze eines Heranwachsenden-Strafrechtes.

Auf halbem Weg zu einem Heranwachsenden-Strafrecht stehen geblieben:

Insbesondere von den RichterInnen und StaatsanwältInnen, aber auch von mehreren Universitätsprofes­soren wurde die Bedeutung des Jugendstrafrechtes für Personen bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres herausgestrichen und die Notwendigkeit einer Änderung verneint. Es bestand einhellige Meinung darüber, dass für den Fall der Herabsetzung der Altersgrenze auch in Österreich, wie in den meisten europäischen Ländern ein Heranwachsenden-Strafrecht geschaffen werden sollte. Ich bedaure es daher, dass man meinen Vorschlag nicht aufgegriffen hat, die derzeit geltenden Regelungen des Jugendstrafrechtes vorläufig beizubehalten und gemeinsam mit den Fachleuten einen umfassenden Entwurf für ein Heranwachsenden-Strafrecht zu erarbeiten. Mit der Beschlussfassung über ein solches Heranwachsenden-Strafrecht für Personen von der Vollendung des 18. bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres – könnte dann auch im Strafrecht die Anwendung des Jugendstrafrechtes auf Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres beschränkt werden. Die im Ausschuss beschlossenen Regelungen bringen zwar eine Verbesserung für Personen vom 19. bis zum 21. Lebensjahr, aber eine erhebliche Verschlechterung für Personen im 19. Lebensjahr. Damit werden vor allem jene Personen getroffen, die am häufigsten Probleme mit der Anpassung an die Erwachsenenwelt haben.

Der Gesetzentwurf sieht zwar die Anwendung wesentlicher Verfahrensbestimmungen des Jugendgerichts­gesetzes auch für Personen bis zum 21. Lebensjahr vor, es gibt aber kaum materielrechtliche Sonderbe­stimmungen für diese Personengruppe. So wird zwar die lebenslange Freiheitsstrafe ausgeschlossen und eine Höchststrafe von 20 Jahren festgeschrieben, eine generelle Absenkung des Strafrahmens um ein Drittel wurde aber leider abgelehnt. Wenn wir aber konsequent auf die Adoleszenzkrise reagieren wollen, dann dürfen nicht nur die Verfahrensbestimmungen, sondern müssen auch die materiellrechtlichen Be­stimmungen des Jugendgerichtsgesetzes wie der Verfolgungsverzicht der Staatsanwaltschaft (§ 6 JGG), der außergerichtliche Tatausgleich (§ 7 JGG), die Regelung betreffend den Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§§ 12, 13 JGG) sowie die Berücksichtigung besonderer Gründe (§ 14 JGG) und die Bestim­mungen betreffend die bedingte Entlassung und die Möglichkeit der Erteilung von Weisungen (§§ 17, 19 JGG) auch für diese Personen zur Anwendung kommen. Insbesondere die erweiterte Anwendung des außergerichtichen Tatausgleiches nach dem Jugendgerichtsgesetz ist, wie RichterInnen und Staatsan­wältInnen darlegten, von enormer Bedeutung bei Heranwachsenden, um diese von einer „Kriminalitäts­karriere“ abzuhalten. Gerade der außergerichtliche Tatausgleich hat bei Jugendlichen einen enormen Erfolg gezeigt, Österreich internationales Ansehen in der Strafrechtspflege gebracht und auch zur Herausbildung des außergerichtlichen Tatausgleiches für Erwachsene geführt. Die Nichtanwendung des erweiterten Tatausgleiches, wie er im Jugendgerichtsgesetz vorgesehen ist, bedeutet, dass auch für
19-Jährige in Hinkunft der außergerichtliche Tatausgleich nicht mehr angewandt werden kann bei einem Strafrahmen von mehr als fünf Jahren. Damit darf bei Raub in Hinkunft kein außergerichtlicher Tatausgleich bei diesen Personen durchgeführt werden. Selbstverständlich ist jeder Raub zu verurteilen. Es ist jedoch zu bedenken, dass Personen in diesem Alter einen Raub in der Regel nicht dadurch begehen, dass sie mit einer Waffe eine Bank überfallen, sondern unter Anwendung von Drohungen meistens gleichaltrigen Personen Geldbeträge (in der Regel geringfügige) abnötigen. Gerade in solchen Fällen, die häufig ein Ausdruck der Adoleszenzkrise sind, sollte auch in Hinkunft der außergerichtliche Tatausgleich anwendbar sein. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass dies die beste Möglichkeit ist, um Heranwachsende vor weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Der Gesetzentwurf sieht zwar den Aufschub des Vollzuges der Freiheitsstrafe auch für Personen bis zum 21. Lebensjahr vor, um den Verurteilten den Abschluss einer Berufsausbildung zu ermöglichen, die Anwendung des beschränkten Auskunftsrechts, wie im Tilgungsgesetz für Jugendliche vorgesehen, wurde jedoch unverständlicherweise nicht beschlossen. Dabei wäre insbesondere diese Bestimmung für die berufliche Weiterentwicklung von Heranwachsenden von enormer Bedeutung. Unberücksichtigt bleiben leider auch die Auswirkungen auf andere Gesetze, wie zB das Mediengesetz (§ 7a), das eine Veröffentlichung von Personen, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig sind, verbietet, wenn es sich um Jugendliche handelt. Auch eine notwendige Anpassung des Finanzstrafgesetzes erfolgte nicht.

Terezia Stoisits