479 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 15. 3. 2001

Regierungsvorlage


VERTRAG


zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden

Die Republik Österreich,

die Schweizerische Eidgenossenschaft

und

das Fürstentum Liechtenstein

in der Absicht, zum Zwecke der Wahrnehmung gemeinsamer Sicherheitsinteressen zusammenzu­arbeiten,

in der Absicht, insbesondere die enge polizeiliche und grenzpolizeiliche Zusammenarbeit umfassend weiterzuentwickeln,

in der Absicht, den grenzüberschreitenden Gefahren sowie der internationalen Kriminalität durch ein kooperatives Sicherheitssystem wirksam zu begegnen,

im Bestreben nach einer weiteren Entwicklung des polizeilichen Amtshilfeverkehrs

sind wie folgt übereingekommen:

Kapitel I

Grundsatzbestimmungen

Artikel 1

Gemeinsame Sicherheitsinteressen

Die Vertragsstaaten unterrichten einander über die Schwerpunkte ihrer Kriminalitätsbekämpfung so­wie über bedeutsame Vorhaben auf polizeilichem Gebiet mit Auswirkungen auf die Belange der anderen Vertragsstaaten. Sie tragen bei der Erarbeitung polizeilicher Konzepte und der Durchführung polizeilicher Maßnahmen den gemeinsamen Sicherheitsinteressen angemessen Rechnung. Ist ein Vertragsstaat der Auffassung, daß die anderen Vertragsstaaten bestimmte Schritte zur Gewährleistung der gemeinsamen Sicherheit ergreifen sollen, kann er dazu einen Vorschlag unterbreiten.

Artikel 2

Gemeinsame Sicherheitsanalyse

Die Vertragsstaaten streben einen möglichst einheitlichen Informationsstand über die polizeiliche Sicherheitslage an. Zu diesem Zweck tauschen sie periodisch und anlaßbezogen nach festgelegten Kriterien erstellte Lagebilder aus und analysieren mindestens einmal jährlich gemeinsam die Schwer­punkte der Sicherheitslage.

Artikel 3

Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung

Die Vertragsstaaten verstärken die Zusammenarbeit bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie zur Kriminalitätsbekämpfung und handeln dabei unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der anderen Vertragsstaaten. Dies geschieht im Rahmen des nationalen Rechts, soweit sich aus diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt. Die Regelungen über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung durch nationale Zentral­stellen, insbesondere im Rahmen der internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO-Interpol), werden durch die nachfolgenden Bestimmungen ergänzt.

Kapitel II

Allgemeine Bestimmungen über die Zusammenarbeit

Artikel 4

Zusammenarbeit auf Ersuchen

(1) Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten leisten einander im Rahmen ihrer jeweiligen Zustän­digkeiten zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten Amtshilfe, soweit ein Ersuchen oder dessen Erledigung nach nationalem Recht nicht den Justizbehörden vorbehalten ist. Ist die ersuchte Behörde für die Erledigung nicht zuständig, leitet sie das Ersuchen an die zuständige Behörde weiter.

(2) Ersuchen nach Absatz 1 zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten und die Antworten werden grundsätzlich zwischen den nationalen Zentralstellen der Vertragsstaaten übermittelt. Ersuchen sind unmittelbar an die nationalen Zentralstellen der Vertragsstaaten zu richten und von diesen zu beantworten.

Eine Übermittlung und Beantwortung von Ersuchen unmittelbar zwischen den zuständigen Sicherheits­behörden der Vertragsstaaten kann erfolgen, soweit

           a) sich der grenzüberschreitende Dienstverkehr auf Straftaten bezieht, bei denen der Schwerpunkt der Tat und ihrer Verfolgung in den Grenzgebieten im Sinne des Absatzes 9 liegt, oder

          b) die Ersuchen nicht rechtzeitig über den Geschäftsweg zwischen den nationalen Zentralstellen gestellt werden können oder

           c) eine direkte Zusammenarbeit auf Grund von tat- oder täterbezogenen Zusammenhängen im Rahmen abgrenzbarer Fallgestaltungen zweckmäßig ist und dazu die Zustimmung der jeweiligen nationalen Zentralstellen vorliegt.

(3) Ersuchen um Hilfe zur Abwehr von unmittelbar drohenden Gefahren für die öffentliche Sicher­heit und Ordnung werden unmittelbar zwischen den zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten übermittelt und beantwortet.

(4) Ersuchen nach den Absätzen 1 bis 3 können insbesondere betreffen:

           a) Halterfeststellungen und Fahrerermittlungen bei Straßen-, Wasser- und Luftfahrzeugen,

          b) Anfragen nach Führerscheinen, Schiffahrtspatenten und vergleichbaren Berechtigungen,

           c) Aufenthalts- und Wohnsitzfeststellungen, Aufenthaltsberechtigungen,

          d) Feststellung von Telefonanschlußinhabern,

           e) Identitätsfeststellungen,

           f) Informationen über die Herkunft von Sachen, beispielsweise Waffen, Kraftfahrzeugen und Wasserfahrzeugen (Verkaufsweganfrage),

          g) Abstimmung von und Einleitung erster Fahndungsmaßnahmen,

          h) grenzüberschreitende Observationsmaßnahmen, kontrollierte Lieferungen und verdeckte Ermitt­lungen,

            i) Informationen bei grenzüberschreitender Nacheile,

            j) Feststellung der Aussagebereitschaft eines Zeugen zur Vorbereitung eines Rechtshilfeersuchens,

           k) polizeiliche Vernehmungen,

            l) Spurenabklärungen.

(5) Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten übermitteln einander für fremdenrechtliche Zwecke einschließlich entsprechender polizeilicher Überprüfungen auf Anfrage in konkreten Einzelfällen per­sonenbezogene Daten von Fremden, die für die Beurteilung der Einreise- und Aufenthaltsberechtigung von Bedeutung sind. Die übermittelten Daten können den zur Regelung des Aufenthaltes und der Ertei­lung von Visa zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden.

(6) Die Sicherheitsbehörden können ferner einander Ersuchen im Auftrag der zuständigen Justiz­behörden stellen und gemäß Absatz 2 übermitteln und beantworten.

(7) Die Unterrichtung der nationalen Zentralstellen über ein- und ausgehende direkte Ersuchen erfolgt nach Maßgabe des nationalen Rechts.

(8) Im Verhältnis zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenos­senschaft gilt der direkte Dienstverkehr für alle polizeilichen Informationsübermittlungen.

(9) Als Grenzgebiete gelten

in der Republik Österreich die Zuständigkeitsbereiche der Sicherheitsdirektionen für die Bundesländer Vorarlberg und Tirol,

in der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Gebiete der Kantone St. Gallen und Graubünden sowie

im Fürstentum Liechtenstein das gesamte Hoheitsgebiet.

(10) Sicherheitsbehörden im Sinne dieses Vertrages sind

in der Republik Österreich der Bundesminister für Inneres, die Sicherheitsdirektionen, die Bundespolizei­direktionen und außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches der Bundespolizeidirektionen die Bezirksverwaltungsbehörden,

in der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Polizei-, Ausländer- und Zollbehörden des Bundes, die Polizei- und Fremdenpolizeibehörden der Kantone und das Grenzwachtkorps sowie

im Fürstentum Liechtenstein die Landespolizei und die Fremdenpolizei nach Maßgabe der innerstaat­lichen Kompetenzordnung.

Artikel 5

Informationsübermittlung im automatisierten Verfahren

(1) Das Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich, das Bundesamt für Polizeiwesen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein übermitteln einander für die jeweiligen nationalen Fahndungssysteme im automatisierten Verfahren bei ihnen ge­speicherte nationale Ausschreibungen

           a) zur Aufenthaltsermittlung und zur Ingewahrsamnahme von Abgängigen bzw. Vermißten,

          b) zur Aufenthaltsermittlung und zur Ingewahrsamnahme von Personen gemäß Absatz 5,

           c) zur Aufenthaltsermittlung für Zwecke der Strafverfolgung,

          d) zur verdeckten Registrierung,

           e) zur Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung gemäß Absatz 8.

Die Ausschreibungen gelten als Ersuchen um Durchführung der begehrten Maßnahmen.

Die Zentralstellen der Vertragsstaaten sind berechtigt, den Sicherheitsbehörden den Zugriff im automati­sierten Verfahren auf die so erlangten Daten zu ermöglichen.

(2) Es werden ausschließlich Daten zur Verfügung gestellt, die für die in Absatz 1 vorgesehenen Zwecke erforderlich sind. Der ausschreibende Vertragsstaat prüft, ob die Bedeutung des Falles eine Über­mittlung rechtfertigt.

(3) Datenkategorien sind Personendaten gemäß nachfolgender Aufzählung sowie im Einzelfall be­kannte Fahrzeugdaten.

In bezug auf Personen werden höchstens die folgenden Angaben mitgeteilt:

           a) Familienname und Vorname sowie gegebenenfalls frühere Namen und Aliasnamen,

          b) besondere unveränderliche physische Merkmale,

           c) erster Buchstabe des zweiten Vornamens oder weitere Vornamen,

          d) Geburtsort und -datum,

           e) Geschlecht,

           f) Staatsangehörigkeit,

          g) Vor- und Familiennamen der Eltern sowie gegebenenfalls deren frühere Namen,

          h) die personenbezogenen Hinweise „bewaffnet“ und „gewalttätig“,

            i) Ausschreibungsgrund,

            j) zu ergreifende Maßnahmen.

Andere Angaben, insbesondere die Daten, die in Artikel 6 Absatz 1 des Übereinkommens des Europarates vom 28. Januar 1981 zum Schutz der Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten erwähnt sind, sind nicht zulässig.

(4) Sofern der ersuchte Vertragsstaat eine Ausschreibung mit seinem nationalen Recht, mit inter­nationalen Verpflichtungen oder mit wesentlichen nationalen Interessen für nicht vereinbar hält, ist er berechtigt, die mit der Ausschreibung begehrten Maßnahmen in seinem Hoheitsgebiet nicht zu vollziehen. Hierüber ist der ersuchende Vertragsstaat unter Angabe von Gründen zu unterrichten.

(5) Die Vertragsstaaten teilen einander auf Grund der nach Absatz 1 lit. a und b übermittelten Ausschreibungen Informationen über den Wohnsitz oder Aufenthalt folgender Personen mit:

           a) volljährige Abgängige bzw. Vermißte,

          b) minderjährige Abgängige bzw. Vermißte,

           c) Personen, die im Interesse ihres eigenen Schutzes oder zur Gefahrenabwehr auf Ersuchen der zuständigen Behörde vorläufig in Gewahrsam genommen oder auf Grund einer Anordnung einer zuständigen Stelle zwangsweise untergebracht werden müssen.

Wird der Aufenthalt einer nach lit. a ausgeschriebenen Person im ersuchten Staat ermittelt, bedarf die Mitteilung an den ersuchenden Staat der Einwilligung des Betroffenen.

Die Sicherheitsbehörden nehmen Personen nach lit. b und c in Gewahrsam, wenn hierfür die Voraussetzungen nach nationalem Recht vorliegen.

(6) Die Vertragsstaaten teilen einander auf Grund der nach Absatz 1 lit. c übermittelten Ausschrei­bungen zur Aufenthaltsermittlung für Strafverfolgungszwecke Informationen über den Wohnsitz oder Aufenthalt folgender Personen mit:

           a) Zeugen,

          b) Personen, die im Rahmen eines Strafverfahrens als Verdächtigte, Beschuldigte oder Angeklagte vor Justizbehörden erscheinen müssen,

           c) Personen, denen ein Strafurteil oder die Ladung zum Antritt einer Freiheitsentziehung zugestellt werden muß.

(7) Die Vertragsstaaten teilen einander auf Grund der nach Absatz 1 lit. d übermittelten Ausschrei­bungen zur verdeckten Registrierung die anläßlich von Grenzkontrollen und sonstigen polizeilichen Überprüfungen oder Beobachtungen erlangten nachstehenden Informationen mit:

           a) Antreffen der ausgeschriebenen Person oder des ausgeschriebenen Fahrzeugs,

          b) Ort, Zeit oder Anlaß der Überprüfung,

           c) Reiseweg und Reiseziel,

          d) Begleitpersonen oder Insassen,

           e) Daten des benutzten Fahrzeugs,

           f) mitgeführte Sachen,

          g) Umstände des Antreffens der Person oder des Fahrzeugs.

Bei der Erhebung dieser Daten ist darauf zu achten, daß der verdeckte Charakter der Maßnahmen nicht gefährdet wird.

(8) Daten in bezug auf Personen, um deren Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung ersucht wird, werden auf Antrag der Justizbehörden des ersuchenden Vertragsstaates übermittelt. Jedes Ersuchen eines Vertragsstaates um Ausschreibung zur Verhaftung zum Zwecke der Auslieferung ist einem Ersuchen um vorläufige Festnahme im Sinne des Artikels 16 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 gleichgestellt.

Der ersuchende Vertragsstaat teilt dem ersuchten Vertragsstaat gleichzeitig mit der Ausschreibung auf möglichst schnellem Wege folgende für den zugrundeliegenden Sachverhalt wesentliche Informationen mit:

           a) die um die Festnahme ersuchende Behörde,

          b) das Bestehen eines Haftbefehls oder einer Urkunde mit gleicher Rechtswirkung oder eines rechtskräftigen Urteils,

           c) die Art und die rechtliche Würdigung der strafbaren Handlung,

          d) die Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde,

           e) soweit möglich die Folgen der Straftat.

Auf der Grundlage dieser Informationen kann der ersuchte Vertragsstaat in der Regel binnen 24 Stunden die Ausschreibung überprüfen. Er ist berechtigt, auf den Vollzug der begehrten Maßnahme in seinem Hoheitsgebiet so lange zu verzichten. Wird als Ergebnis dieser Prüfung auf den Vollzug der begehrten Maßnahme endgültig verzichtet, so ist dies dem ersuchenden Vertragsstaat unter Angabe der Gründe mitzuteilen.

Ersucht ein Vertragsstaat wegen besonderer Eilbedürftigkeit um eine Sofortfahndung, nimmt der ersuchte Vertragsstaat die Prüfung, wenn sie erforderlich ist, sofort vor und trifft die notwendigen Vorkehrungen, damit die begehrte Maßnahme für den Fall, daß die Ausschreibung gebilligt wird, unverzüglich vollzogen werden kann.

Ist eine Festnahme wegen einer noch nicht abgeschlossenen Prüfung oder wegen einer ablehnenden Entscheidung des ersuchten Vertragsstaates ausnahmsweise nicht möglich, so ist die Ausschreibung von diesem, soweit nach nationalem Recht zulässig, als Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung zu behandeln.

Der ersuchte Vertragsstaat trifft die auf Grund der Ausschreibung begehrten Maßnahmen auf der Grundlage der geltenden Auslieferungsübereinkommen und nach Maßgabe des nationalen Rechts. Unbeschadet der Möglichkeit, den Betroffenen nach Maßgabe des nationalen Rechts festzunehmen, ist er nicht verpflichtet, die Maßnahme zu vollziehen, wenn ein eigener Staatsangehöriger betroffen ist.

(9) Die nach Absatz 1 übermittelten Daten dürfen nur so lange gespeichert werden, wie dies das nationale Recht des übermittelnden Vertragsstaates gestattet. Bei der Übermittlung sind diese Fristen mitzuteilen. Eine Löschung der Ausschreibung im übermittelnden Vertragsstaat vor Ablauf dieser Frist wird dem anderen Vertragsstaat unverzüglich mitgeteilt. Dieser hat die entsprechende Ausschreibung unverzüglich zu löschen.

(10) Die Übermittlung personenbezogener Daten ist nur zulässig, wenn die übermittelten Daten zu keinen anderen als den der Übermittlung zugrundeliegenden Zwecken verwendet werden.

(11) Das Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich, das Bundesamt für Polizeiwesen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein halten bei ihnen gespeicherte Daten, die der Suche nach Sachen dienen (Sachfahndung), zum Abruf im auto­matisierten Verfahren für die jeweils andere Zentralstelle und die übrigen Sicherheitsbehörden bereit. Von den übrigen Sicherheitsbehörden gestellte Abfragen sind an die jeweilige nationale Zentralstelle zur Weiterleitung zu übermitteln. Die Zentralstellen der Vertragsstaaten sind berechtigt, den übrigen Sicher­heitsbehörden im automatisierten Verfahren den Zugriff auf die erlangten Daten zu ermöglichen.

Artikel 6

Austausch von Fahrzeug- und Halterdaten

(1) Auf Ersuchen eines Vertragsstaates übermittelt der ersuchte Vertragsstaat gespeicherte Daten über Kraftfahrzeuge, Schiffe sowie Halter beziehungsweise Zulassungsbesitzer und Eigner, wenn dies zur Feststellung oder Bestimmung einer Person in ihrer Eigenschaft als Halter von Fahrzeugen, der Fahrzeuge eines Halters oder der Fahrzeugdaten für Zwecke der Verhütung und Bekämpfung von Straftaten, der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Die Sicherheitsbehörden des ersuchenden Vertragsstaates können das Ersuchen an die Behörde, bei der die Kraftfahrzeugzulassungsdaten zentral erfaßt sind, oder bei Dringlichkeit sowie bei Auskünften aus amtlichen Verzeichnissen über Kennzeichen von Schiffen an eine Sicherheitsbehörde des ersuchten Vertragsstaates richten.

Artikel 7

Amtshilfe in dringenden Fällen

(1) In Fällen, in denen das Ersuchen nicht rechtzeitig über die zuständigen Justizbehörden gestellt werden kann, ohne den Erfolg der Maßnahme zu gefährden, können Ersuchen zur Spuren- und Beweissicherung einschließlich der Durchführung von körperlichen Untersuchungen sowie von Personen- und Hausdurchsuchungen oder Ersuchen um vorläufige Festnahmen von den zuständigen Sicherheits­behörden unmittelbar an die Sicherheitsbehörden in einem anderen Vertragsstaat gerichtet werden. Artikel 4 Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Sicherheitsbehörden unterrichten die zuständigen Justizbehörden im eigenen Land.

Artikel 8

Informationsübermittlung ohne Ersuchen

Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten teilen einander im Einzelfall ohne Ersuchen Informationen mit, die für den Empfänger zur Unterstützung bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten von Bedeutung sein können. Für die Durchführung des Informationsaustausches gilt Artikel 4, Absätze 2, 3 und 7 entsprechend.

Artikel 9

Aus- und Fortbildung

Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten arbeiten bei der Aus- und Fortbildung zusammen, indem sie insbesondere

           a) Lehrpläne für die Aus- und Fortbildung austauschen und die wechselseitige Übernahme von Ausbildungs- und Fortbildungsinhalten erwägen,

          b) gemeinsame Aus- und Fortbildungsseminare sowie grenzüberschreitende Übungen durchführen,

           c) Vertreter der anderen Vertragsstaaten als Beobachter zu Übungsveranstaltungen und besonderen Einsätzen einladen,

          d) Vertretern der anderen Vertragsstaaten die Teilnahme an Fortbildungslehrgängen ermöglichen.

Kapitel III

Besondere Formen der polizeilichen Zusammenarbeit

Artikel 10

Grenzüberschreitende Observation

(1) Organe der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates sind befugt, eine Observation im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen einer im ersuchten Staat auslieferungsfähigen Straftat auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates fortzusetzen, wenn dieser der grenzüberschreitenden Obser­vation auf der Grundlage eines zuvor gestellten Ersuchens zugestimmt hat; gleiches gilt für eine Observation mit dem Ziel der Sicherstellung der Strafvollstreckung. Die Zustimmung kann mit Auflagen verbunden werden. Auf Verlangen ist die Observation an Beamte des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie stattfindet, zu übergeben. Das Ersuchen nach dem ersten Satz ist an die durch den ersuchten Vertragsstaat bezeichnete Behörde zu richten, die befugt ist, die erbetene Zustimmung zu erteilen oder zu übermitteln. Die erteilte Zustimmung gilt jeweils für das gesamte Hoheitsgebiet. Das Überschreiten der Grenze darf auch außerhalb zugelassener Grenzübergänge und festgesetzter Verkehrsstunden erfolgen.

(2) Kann wegen der besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit eine vorherige Zustimmung des anderen Vertragsstaates nicht beantragt werden, darf eine Observation unter der Voraussetzung über die Grenze hinweg fortgesetzt werden, daß der Grenzübertritt noch während der Observation unverzüglich der zuständigen Behörde jenes Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation fortgesetzt werden soll, mitgeteilt wird.

Zuständige Behörden sind

in der Republik Österreich die Sicherheitsdirektionen für die Bundesländer Vorarlberg und Tirol,

in der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Polizeikommando St.Gallen oder das Polizeikommando Graubünden,

im Fürstentum Liechtenstein die Landespolizei.

Ein Ersuchen nach Absatz 1, in dem auch die Gründe dargelegt werden, die einen Grenzübertritt ohne vorherige Zustimmung rechtfertigen, ist unverzüglich nachzureichen. Die Observation ist einzustellen, sobald der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet sie stattfindet, auf Grund der Mitteilung oder des Ersuchens dies verlangt oder wenn die Zustimmung nicht zwölf Stunden nach Grenzübertritt vorliegt.

(3) Die Observation nach den Absätzen 1 und 2 ist ausschließlich unter den nachstehenden allgemeinen Voraussetzungen zulässig:

           a) Die observierenden Beamten sind an die Bestimmungen dieses Artikels und das Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie auftreten, gebunden; sie haben die Anordnungen der örtlich zuständigen Behörden zu befolgen.

          b) Die eingesetzten Fahrzeuge sind hinsichtlich der Befreiung von Verkehrsverboten und Verkehrs­beschränkungen den Fahrzeugen der Sicherheitsbehörden des Vertragsstaates gleichgestellt, auf dessen Hoheitsgebiet sie im Einsatz sind. Es können Signale gesetzt werden, soweit dies zur Durchführung der Observation geboten ist.

           c) Die observierenden Beamten müssen in der Lage sein, jederzeit ihre amtliche Funktion nachzu­weisen.

          d) Das Betreten von Wohnungen und öffentlich nicht zugänglichen Grundstücken ist nicht zulässig. Öffentlich zugängliche Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume dürfen während der Arbeits-, Betriebs- und Geschäftszeit betreten werden.

           e) Wird die zu observierende Person bei der Begehung von oder der Teilnahme an einer im ersuchten Staat auslieferungsfähigen Straftat betreten oder deswegen verfolgt, stehen den observierenden Beamten die Befugnisse zu, die sie im Fall der grenzüberschreitenden Nacheile haben.

           f) Über jede Observation wird den Behörden des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie stattgefunden hat, Bericht erstattet; dabei kann das persönliche Erscheinen der observierenden Beamten gefordert werden.

          g) Die Behörden des Vertragsstaates, aus dessen Hoheitsgebiet die observierenden Beamten kommen, unterstützen auf Ersuchen die nachträglichen polizeilichen und gerichtlichen Ermitt­lungen des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet observiert wurde.

          h) Zur Durchführung der Observation notwendige technische Mittel dürfen im erforderlichen Umfang eingesetzt werden, soweit dies nach dem Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheits­gebiet die Observation fortgesetzt wird, zulässig ist. Die zum Einsatz gelangenden technischen Mittel zur optischen und akustischen Überwachung von Personen sind im Ersuchen nach Absatz 1 anzuführen.

(4) Das Ersuchen gemäß Absatz 1 ist zu richten

in der Republik Österreich an das Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit,

in der Schweizerischen Eidgenossenschaft an die Strafverfolgungsbehörden des Bundes oder des Kantons, auf dessen Gebiet der Grenzübertritt voraussichtlich erfolgen soll,

im Fürstentum Liechtenstein an die Landespolizei.

(5) Grenzüberschreitende Observationen können, soweit das nationale Recht der beteiligten Ver­trags­staaten dies zuläßt, auch

           a) zur Abwehr auslieferungsfähiger Straftaten,

          b) um eine bestimmte von einer Person geplante auslieferungsfähige Straftat noch während ihrer Vorbereitung verhindern zu können, oder

           c) zur Abwehr bandenmäßiger oder organisierter Kriminalität durchgeführt werden. Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend.

(6) Observationen auf Grund einer vorherigen Zustimmung gemäß Absatz 5 sind nur zulässig,

           a) soweit ein Ersuchen nicht gemäß Absatz 1 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gestellt werden kann und

          b) wenn der Zweck der Observation nicht durch Übernahme der Amtshandlung durch Organe des anderen Vertragsstaates oder durch Bildung gemeinsamer Observationsgruppen (Art. 13) erreicht werden kann.

(7) Das Ersuchen ist bei Observationen gemäß Absatz 5 zu richten

in der Republik Österreich an das Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit,

in der Schweizerischen Eidgenossenschaft an die Strafverfolgungsbehörden des Bundes oder des Kantons, auf dessen Gebiet der Grenzübertritt voraussichtlich erfolgen soll,

im Fürstentum Liechtenstein an die Landespolizei.

Die nationalen Zentralstellen erhalten unverzüglich eine Kopie des Ersuchens.

Artikel 11

Grenzüberschreitende Nacheile

(1) Organe der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates, die in ihrem Land eine Person verfolgen, die

           a) bei der Begehung von oder der Teilnahme an einer im anderen Vertragsstaat auslieferungsfähigen Straftat betreten oder deswegen verfolgt wird,

          b) aus Untersuchungs- oder Strafhaft, die wegen einer im anderen Staat auslieferungsfähigen Straftat verhängt worden ist, geflohen ist,

sind befugt, die Verfolgung auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragsstaaten ohne deren vorherige Zustimmung fortzusetzen, wenn die zuständigen Behörden dieser Vertragsstaaten wegen der besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit nicht zuvor unterrichtet werden konnten oder nicht rechtzeitig zur Stelle sind, um die Verfolgung zu übernehmen. Die nacheilenden Beamten nehmen unverzüglich, im Regelfall bereits vor dem Grenzübertritt, Kontakt mit der zuständigen Behörde auf. Die Verfolgung ist einzustellen, sobald der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet die Verfolgung stattfinden soll, dies verlangt. Auf Ersuchen der nacheilenden Beamten ergreifen die örtlich zuständigen Behörden die betroffene Person nach Maßgabe des nationalen Rechts, um ihre Identität festzustellen oder die Festnahme vorzunehmen.

(2) Wird die Einstellung der Verfolgung nicht verlangt und können die örtlichen Behörden nicht rechtzeitig herangezogen werden, dürfen die nacheilenden Beamten die Person nach Maßgabe des nationalen Rechts des anderen Vertragsstaates festhalten, bis die Beamten des anderen Vertragsstaates, die unverzüglich zu unterrichten sind, die Identitätsfeststellung oder die Festnahme vornehmen.

(3) Die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehene Nacheile wird ohne räumliche oder zeitliche Begren­zung ausgeübt. Das Überschreiten der Grenze darf auch außerhalb zugelassener Grenzübergänge und festgesetzter Verkehrsstunden erfolgen.

(4) Die Nacheile darf nur unter folgenden allgemeinen Voraussetzungen ausgeübt werden:

           a) Die nacheilenden Beamten müssen als solche eindeutig erkennbar sein, wie zum Beispiel durch eine Uniform, besondere Kennzeichen oder durch an dem Fahrzeug angebrachte Zusatzeinrich­tungen; das Tragen von Zivilkleidung unter Benutzung eines getarnten Polizeifahrzeugs ohne die vorgenannte Kennzeichnung ist nicht zulässig.

          b) Die nach Absatz 2 ergriffene Person darf im Hinblick auf ihre Vorführung vor die örtlichen Behörden lediglich einer Sicherheitsdurchsuchung unterzogen werden. Es dürfen ihr während der Beförderung Handschellen angelegt werden. Die von der verfolgten Person mitgeführten Gegenstände dürfen bis zum Eintreffen der örtlich zuständigen Behörde vorläufig sichergestellt werden.

           c) Die nacheilenden Beamten melden sich nach jedem Einschreiten gemäß den Absätzen 1 und 2 unverzüglich bei den örtlich zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates und erstatten Bericht. Auf Ersuchen dieser Behörden sind sie verpflichtet, sich bis zur Klärung des Sach­verhalts an Ort und Stelle bereitzuhalten. Gleiches gilt auch, wenn die verfolgte Person nicht fest­genommen werden konnte.

          d) Das Betreten von Wohnungen ist nicht zulässig. Öffentlich zugängliche Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume dürfen während der Arbeits-, Betriebs- und Geschäftszeit betreten werden.

           e) Artikel 10 Absatz 3 lit. a, b, c, g und h gilt entsprechend.

(5) Die Person, die nach Absatz 2 durch Organe der zuständigen Behörden festgenommen wurde, kann nach Maßgabe des Rechts des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie aufgegriffen wurde, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit zum Zwecke der Vernehmung festgehalten werden. Hat die Person nicht die Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie aufgegriffen wurde, ist sie spätestens sechs Stunden nach ihrer Ergreifung freizulassen, wobei die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr nicht mitzählen, es sei denn, die örtlich zuständigen Behörden erhalten vor Ablauf dieser Frist ein Ersuchen um vorläufige Festnahme zum Zwecke der Auslieferung. Nationale Regelungen, die aus anderen Gründen die Anordnung von Haft oder eine vorläufige Festnahme ermöglichen, bleiben unberührt.

(6) In Fällen von übergeordneter Bedeutung oder wenn die Nacheile über das Grenzgebiet im Sinne von Artikel 4 Absatz 9 hinausgegangen ist, sind die nationalen Zentralstellen über die erfolgte Nacheile zu unterrichten.

(7) Entzieht sich eine Person im Rahmen der Fahndung wegen einer bestimmten auslieferungs­fähigen Straftat einer Grenzkontrolle oder innerhalb einer Entfernung von 30 km von der Staatsgrenze einer polizeilichen Kontrolle, gelten die vorstehenden Absätze sinngemäß.

(8) Für die Sicherheitsbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Fürstentums Liech­ten­stein ist die Nacheile auf dem Gebiet der Kantone St. Gallen und Graubünden sowie des Fürstentums Liechtenstein auch bei Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht zulässig. Die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein ist aus wichtigen Gründen befugt, für Dienstfahrten die Nationalstraße A 13 auf dem Staatsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft entlang der gemeinsamen Staatsgrenze zu benutzen. Die vorstehenden Absätze gelten sinngemäß.

Artikel 12

Kontrollierte Lieferung

(1) Auf Antrag des ersuchenden Vertragsstaates kann der ersuchte Vertragsstaat die kontrollierte Einfuhr in sein Hoheitsgebiet, die kontrollierte Durchfuhr oder die kontrollierte Ausfuhr, insbesondere bei unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln, Waffen, Sprengmitteln, Falschgeld, Diebesgut und bei Hehlerei sowie bei Geldwäscherei, gestatten, wenn nach Ansicht des ersuchenden Vertragsstaates auf andere Weise die Ermittlung von Auftraggebern und anderen Tatbeteiligten oder die Aufdeckung von Verteilerwegen aussichtslos wäre oder wesentlich erschwert würde. Artikel 11 Absatz 3 gilt entsprechend. Die kontrollierte Lieferung kann nach Absprache zwischen den Vertragsstaaten abgefangen und derart zur Weiterbeförderung freigegeben werden, daß sie unangetastet bleibt, entfernt oder ganz oder teilweise ersetzt wird. Wenn von der Ware ein nicht vertretbares Risiko für die am Transport beteiligten Personen oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, wird die kontrollierte Lieferung vom ersuchten Vertragsstaat beschränkt oder abgelehnt.

(2) Der ersuchte Vertragsstaat übernimmt die Kontrolle der Lieferung beim Grenzübertritt oder an einem vereinbarten Übergabepunkt, um eine Kontrollunterbrechung zu vermeiden. Er stellt im weiteren Verlauf des Transportes dessen ständige Überwachung in der Form sicher, daß er zu jeder Zeit die Möglichkeit des Zugriffs auf die Täter und die Waren hat. Beamte des ersuchenden Vertragsstaates können in Absprache mit dem ersuchten Vertragsstaat die kontrollierte Lieferung nach der Übernahme zusammen mit den übernehmenden Beamten des ersuchten Vertragsstaates weiter begleiten. Sie sind hierbei an die Bestimmungen dieses Artikels und das Recht des ersuchten Vertragsstaates gebunden; sie haben die Anordnungen der Beamten des ersuchten Vertragsstaates zu befolgen.

(3) Ersuchen um kontrollierte Lieferungen, die in einem Drittstaat beginnen oder fortgesetzt werden, wird nur stattgegeben, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Absatz 2 vom Drittstaat gewährleistet ist.

(4) Artikel 10 Absatz 3 lit. b, c, d, e, g und h gilt entsprechend.

(5) Ersuchen um kontrollierte Ausfuhr sind zu richten

in der Republik Österreich an die nationale Zentralstelle oder unter gleichzeitiger Unterrichtung der nationalen Zentralstelle an die Staatsanwaltschaft, in deren Sprengel der Transport beginnt,

in der Schweizerischen Eidgenossenschaft an die Strafverfolgungsbehörden des Bundes oder des Kantons, auf dessen Hoheitsgebiet der Grenzübertritt voraussichtlich erfolgen soll,

im Fürstentum Liechtenstein an die Landespolizei.

Artikel 13

Gemeinsame Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen; grenzüberschreitende Fahndungsaktionen

(1) Zur Intensivierung der Zusammenarbeit bilden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bei Bedarf gemischt besetzte Analyse- und sonstige Arbeitsgruppen sowie Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen, in denen Beamte eines Vertragsstaates bei Einsätzen auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates – vorbehaltlich eines Anwendungsfalls von Artikel 15 – ohne selbständige Wahr­nehmung hoheitlicher Befugnisse beratend und unterstützend tätig werden.

(2) Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten in den Grenzgebieten gemäß Artikel 4 Absatz 9 beteiligen sich an grenzüberschreitenden Fahndungsaktionen, wie zum Beispiel Ringalarmfahndungen nach flüchtigen Straftätern. In Fällen von überregionaler Bedeutung sind die nationalen Zentralstellen zu beteiligen.

Artikel 14

Entsendung von Verbindungsbeamten

(1) Ein Vertragsstaat kann mit Zustimmung der Zentralstelle eines anderen Vertragsstaates zu dessen Sicherheitsbehörden Verbindungsbeamte entsenden.

(2) Die Verbindungsbeamten werden ohne selbständige Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse unter­stützend und beratend tätig. Sie erteilen Informationen und erledigen ihre Aufträge im Rahmen der ihnen von den beteiligten Vertragsstaaten erteilten Weisungen.

(3) In einen anderen Vertragsstaat oder in einen Drittstaat entsandte Verbindungsbeamte können im gegenseitigen Einvernehmen der betroffenen Zentralstellen auch die Interessen eines anderen Vertrags­staates wahrnehmen.

Artikel 15

Entsendung von Beamten zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse

(1) Zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie zur Bekämpfung von Straftaten können Beamte der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates durch die Sicherheitsbe­hörden eines anderen Vertragsstaates mit polizeilichen Vollzugsaufgaben einschließlich der Wahr­nehmung hoheitlicher Befugnisse betraut werden, wenn der Erfolg einer erforderlichen polizeilichen Maßnahme ohne einen solchen Einsatz vereitelt oder ernsthaft gefährdet würde oder die Ermittlungen aussichtslos wären oder wesentlich erschwert würden.

(2) Die Betrauung setzt voraus, daß zwischen den Sicherheitsbehörden der beteiligten Vertrags­staaten Einvernehmen hergestellt wird.

(3) Die nach Absatz 1 betrauten Beamten dürfen nur unter der Leitung der einsatzführenden Stelle des anderen Vertragsstaates hoheitlich tätig werden. Sie sind dabei an dessen Recht gebunden. Der Gebrauch von Schußwaffen ist nur auf Anordnung der Einsatzleitung oder im Falle der Notwehr einschließlich der Nothilfe zulässig.

Artikel 16

Gemischter Streifendienst entlang der Grenze

(1) Zwecks Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, zur Bekämpfung von Straftaten sowie zur Grenzüberwachung können die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten bis zu einer Entfernung von 10 km entlang der Staatsgrenze einen gemischten Streifendienst durchführen.

(2) In Ausübung des gemischten Streifendienstes sind auch die Beamten der anderen Vertragsstaaten befugt, die Identität von Personen festzustellen und diese, sofern sie sich der Kontrolle zu entziehen suchen, nach Maßgabe des nationalen Rechts anzuhalten.

(3) Andere Zwangsmaßnahmen sind durch Beamte des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet eingeschritten wird, vorzunehmen, es sei denn, daß der Erfolg der Amtshandlung ohne Einschreiten der Beamten der anderen Vertragsstaaten gefährdet wäre oder erheblich erschwert würde.

(4) Bei Durchführung der Amtshandlungen gilt das Recht jenes Vertragsstaates, auf dessen Hoheits­gebiet die Beamten tätig werden.

Artikel 17

Hilfeleistung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen

(1) Die zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten unterstützen einander im Rahmen des nationalen Rechts bei Massenveranstaltungen und ähnlichen Großereignissen, Katastrophen sowie schweren Unglücksfällen, indem sie

           a) einander so früh wie möglich über entsprechende Lagen oder Ereignisse mit grenzüber­schreiten­den Auswirkungen und Erkenntnisse unterrichten,

          b) bei Ereignissen oder Lagen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen die auf ihrem Hoheits­gebiet erforderlichen polizeilichen Maßnahmen vornehmen und koordinieren,

           c) auf Ersuchen des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Lage oder das Ereignis eintritt, soweit möglich, mit Spezialisten und Beratern sowie mit Ausrüstungsgegenständen Hilfe leisten.

(2) In den Fällen von Absatz 1 lit. c kann die Grenze bei besonderer Dringlichkeit auch außerhalb der zugelassenen Grenzübergangsstellen und der festgesetzten Verkehrsstunden überschritten werden. Artikel 10 Absatz 3 lit. b gilt entsprechend.

Artikel 18

Einsatz von Luft- und Wasserfahrzeugen

(1) Im Rahmen der von diesem Abkommen umfaßten Einsätze dürfen auch Wasserfahrzeuge sowie nach Abstimmung der zuständigen Sicherheitsbehörden auch Luftfahrzeuge eingesetzt werden.

(2) Beim Einsatz von Luftfahrzeugen der Sicherheitsbehörden kann von den Bestimmungen betreffend kontrollierte Lufträume und Luftraumbeschränkungen abgewichen werden, soweit dies zur Erfüllung der Einsätze gemäß Absatz 1 unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Von den Vorschriften über das Verhalten im Luftraum darf nur abgewichen werden, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben zwingend notwendig ist. Jeder Vertragsstaat gestattet, daß die Luftfahrzeuge, die gemäß Absatz 1 vom Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aus eingesetzt werden, auch außerhalb von Zollflugplätzen und genehmigten Flugfeldern landen und abfliegen dürfen.

(3) Soweit möglich vor Beginn, spätestens aber während des Einsatzes von Luftfahrzeugen gemäß Absatz 1, sind der jeweils zuständigen Flugsicherungsstelle unverzüglich möglichst genaue Angaben über Art. und Kennzeichnung des Luftfahrzeuges, Besatzung, Beladung, Abflugzeit, voraussichtliche Route und Landeort mitzuteilen. Der jeweilige Flugplan hat einen Hinweis auf dieses Abkommen zu enthalten.

(4) Beim Einsatz von Wasserfahrzeugen sind die Beamten von den Verkehrsordnungen für die Binnenschiffahrt im selben Umfang wie die Beamten der Sicherheitsbehörden des Vertragsstaates befreit, auf dessen Hoheitsgebiet sie im Einsatz sind. Sie sind befugt, Signale zu setzen, soweit dies zur Erfüllung der in Absatz 1 genannten Aufgaben dringend geboten ist.

Kapitel IV

Datenschutz

Artikel 19

Grundsatz

(1) Soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, richtet sich die Bearbeitung personen­bezogener Daten, die auf Grund dieses Vertrages übermittelt werden, nach den angegebenen Zwecken, den von der übermittelnden Stelle allenfalls festgelegten Bedingungen sowie den im Empfängerstaat für die Bearbeitung von Personendaten maßgeblichen Vorschriften.

(2) Bearbeitung im Sinne dieses Vertrages ist jede Verwendung von Daten und schließt das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren, Löschen und jede sonstige Nutzung ein.

(3) Für das Hoheitsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft gelten die einschlägigen Bestim­mungen des Bundesrechts, soweit die Kantone nicht über eigene datenschutzrechtliche Regelungen verfügen.

(4) Das Bundesrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft gilt bis zum Inkrafttreten eigener daten­schutzrechtlicher Bestimmungen auch für das Fürstentum Liechtenstein, soweit eine Datenbearbeitung gestützt auf diesen Vertrag betroffen ist.

Artikel 20

Zweckbindung

(1) Personenbezogene Daten, die auf Grund dieses Vertrages übermittelt worden sind, dürfen vom Empfänger nur mit Zustimmung der übermittelnden Stelle zu anderen als den der Übermittlung zugrunde­liegenden Zwecken bearbeitet werden. Die Zulässigkeit der Erteilung einer Zustimmung richtet sich nach dem nationalen Recht der übermittelnden Stelle.

(2) Personenbezogene Daten, die zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ord­nung oder zur Verhütung von Straftaten übermittelt worden sind, dürfen ohne Zustimmung der über­mittelnden Stelle zur Verfolgung schwerer Straftaten bearbeitet werden. Ebenso dürfen personenbezogene Daten, die für Zwecke der Strafverfolgung übermittelt worden sind, ohne Zustimmung der übermittelnden Stelle zur Verhütung von schweren Straftaten und zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bearbeitet werden.

Artikel 21

Pflicht zur Richtigstellung und Vernichtung

(1) Personenbezogene Daten, die auf Grund dieses Vertrages übermittelt worden sind, sind zu ver­nichten, wenn

           a) sich die Unrichtigkeit der übermittelten Daten ergibt;

          b) die übermittelnde Sicherheitsbehörde dem Empfänger mitteilt, die Beschaffung oder Übermit­tlung der Daten sei rechtswidrig erfolgt;

           c) sich herausstellt, daß die Daten nicht oder nicht mehr zur Erfüllung der für die Übermittlung maßgeblichen Aufgabe benötigt werden, es sei denn, es liege eine ausdrückliche Ermächtigung zur Datenbearbeitung für andere Zwecke vor.

(2) Die übermittelnde Stelle teilt dem Empfänger allfällige besondere Aufbewahrungsfristen mit, an die sich der Empfänger zu halten hat.

Artikel 22

Verständigung

(1) Auf Ersuchen der übermittelnden Stelle erteilt der Empfänger Auskunft über jegliche Bearbeitung der übermittelten personenbezogenen Daten.

(2) Stellt die Sicherheitsbehörde eines Vertragsstaates, die Personendaten auf Grund dieses Vertrages übermittelt hat, fest, daß die übermittelten Daten unrichtig oder infolge unrechtmäßiger Bearbeitung richtigzustellen oder zu vernichten sind, hat sie den Empfänger unverzüglich darauf hinzuweisen.

(3) Stellt der Empfänger eine unrechtmäßige Bearbeitung übermittelter Daten fest, hat er die über­mittelnde Stelle ebenfalls unverzüglich darauf hinzuweisen.

Artikel 23

Protokollierung

(1) Die übermittelnde Sicherheitsbehörde und der Empfänger sind verpflichtet, mindestens Anlaß, Inhalt, Empfangsstelle und Zeitpunkt der Datenübermittlung festzuhalten. Übermittlungen im On-line-Verfahren sind automationsunterstützt zu protokollieren.

(2) Die Protokollaufzeichnungen sind mindestens drei Jahre aufzubewahren.

(3) Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zur Kontrolle, ob die maßgeblichen Datenschutzvor­schriften eingehalten worden sind, verwendet werden.

Artikel 24

Verfahren bei Auskunftserteilung

(1) Das Recht des Betroffenen, über die zu seiner Person bearbeiteten Daten Auskunft zu erhalten, richtet sich nach dem nationalen Recht des Vertragsstaates, in dem die Auskunft beantragt wird.

(2) Vor der Entscheidung über eine Auskunftserteilung hat der Empfänger der übermittelnden Stelle die Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.

Artikel 25

Datenbearbeitung auf fremdem Hoheitsgebiet

(1) Die Kontrolle der Bearbeitung personenbezogener Daten, die durch grenzüberschreitendes Ein­schreiten auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates beschafft worden sind, obliegt der zuständigen Behörde des Vertragsstaates, für dessen Zwecke sie beschafft worden sind und richtet sich nach dessen nationalem Recht. Dabei sind mit der Genehmigung verbundene Bedingungen sowie allfällige besondere Auflagen, die von der Genehmigungsbehörde festgelegt werden, zu beachten.

(2) Beamten, die auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates tätig werden, darf kein direkter Zugriff auf in diesem Vertragsstaat automationsunterstützt bearbeitete personenbezogene Daten gewährt werden.

Kapitel V

Rechtsverhältnisse bei Amtshandlungen in einem anderen Vertragsstaat

Artikel 26

Einreise, Ausreise und Aufenthalt

Für Beamte, die nach diesem Vertrag auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates tätig werden, genügt im Rahmen der geltenden Aufhebung des Paß- und Sichtvermerkszwangs zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein für den Grenzübertritt und den Aufenthalt ein gültiger, mit Lichtbild und Unterschrift versehener Dienstausweis.

Artikel 27

Uniformen und Dienstwaffen

(1) Werden Beamte nach diesem Vertrag auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates tätig, sind sie befugt, Uniform zu tragen und ihre Dienstwaffen sowie sonstige Zwangsmittel mitzuführen, es sei denn, der andere Vertragsstaat teilt im Einzelfall mit, daß er dies nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zuläßt.

(2) Der Gebrauch von Schußwaffen ist nur im Fall der Notwehr einschließlich der Nothilfe zulässig.

Artikel 28

Dienstverhältnisse

Die Beamten der Vertragsstaaten bleiben in bezug auf ihr Dienst- oder Anstellungsverhältnis sowie in disziplinarrechtlicher Hinsicht den nationalen Vorschriften unterworfen.

Artikel 29

Haftung

(1) Verursachen Beamte eines Vertragsstaates in Vollziehung dieses Abkommens auf dem Hoheits­gebiet eines anderen Vertragsstaates einen Schaden, haftet dieser gegenüber den geschädigten Dritten unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang, wie wenn eigene sachlich und örtlich zuständige Beamte den Schaden verursacht hätten.

(2) Der Vertragsstaat, der an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger Schadenersatz geleistet hat, erhält diesen vom anderen Vertragsstaat erstattet, es sei denn, daß der Einsatz auf sein Ersuchen erfolgt ist oder daß die Beamten den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben. Bei Schäden zu Lasten der Vertragsstaaten wird darauf verzichtet, den erlittenen Schaden geltend zu machen, es sei denn, daß die Beamten den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben.

Artikel 30

Rechtsstellung der Beamten im Bereich des Strafrechts

Die Beamten, die nach diesem Vertrag auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates tätig werden, sind in bezug auf Straftaten, die sie begehen oder die ihnen gegenüber begangen werden, den Beamten des Vertragsstaates gleichgestellt, auf dessen Hoheitsgebiet sie tätig werden.

Kapitel VI

Einbeziehung der Zollverwaltung

Artikel 31

Befugnisse von Zollorganen der Republik Österreich

(1) Soweit Zollorgane der Republik Österreich sicherheitspolizeiliche oder kriminalpolizeiliche Auf­gaben im Zusammenhang mit der Vollziehung von Verboten und Beschränkungen des grenzüberschrei­ten­den Warenverkehrs (§ 3 in Verbindung mit § 29 Zollrechtsdurchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994) wahr­nehmen oder ihnen die Durchführung der durch Sicherheitsorgane zu versehenden Grenzkontrolle übertragen wurde, sind sie zur grenzüberschreitenden Nacheile nach Maßgabe der Bestimmungen des Artikels 11 befugt.

(2) Soweit Zollorganen der Republik Österreich die Durchführung der durch Sicherheitsorgane zu versehenden Grenzkontrolle übertragen wurde, können sie auch für den gemischten Streifendienst gemäß Artikel 16 eingesetzt werden.

Kapitel VII

Angelegenheiten der Rechtshilfe

Artikel 32

Zustellung von Schriftstücken

Soweit Rechtshilfe nach dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und den zwischen den Vertragsstaaten geltenden ergänzenden Vereinbarungen zu diesem Übereinkommen zulässig ist, kann jeder Vertragsstaat Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates aufhalten, gerichtliche und andere behördliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersenden. Ist der zustellenden Behörde nicht bekannt, ob der Empfänger der Sprache, in der das Schriftstück abgefaßt ist, kundig ist, ist eine Übersetzung des Schriftstückes oder zumindest der wesent­lichen Passagen in die Amtssprache des Zustellortes anzuschließen. Im unmittelbaren Postweg übermit­telte Schriftstücke, deren Zustellung nach dem Übereinkommen und nach diesem Vertrag unzulässig wäre, gelten in beiden beteiligten Staaten als dem Empfänger nicht zugekommen.

Kapitel VIII

Durchführungs- und Schlußbestimmungen

Artikel 33

Ausnahmeregelung

Ist ein Vertragsstaat der Ansicht, daß die Erfüllung eines Ersuchens oder die Durchführung einer Kooperationsmaßnahme geeignet ist, die eigene Sicherheit oder andere wesentliche Interessen zu gefährden, so teilt er dem anderen Vertragsstaat mit, daß er die Zusammenarbeit insoweit ganz oder teilweise verweigert oder von bestimmten Bedingungen abhängig macht.

Artikel 34

Zusammenkunft von Experten

Jeder Vertragsstaat kann die Zusammenkunft von Experten der Vertragsstaaten verlangen, um Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Vertrages einer Lösung zuzuführen und Vorschläge zur Fortentwicklung der Zusammenarbeit zu unterbreiten.

Artikel 35

Durchführung der Zusammenarbeit

Die verwaltungsmäßige Umsetzung dieses Vertrags und die daraus resultierende Durchführung der Zusammenarbeit in den Grenzgebieten obliegen den Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten.

Artikel 36

Änderungen von Behördenbezeichnungen und Gebietskörperschaften

Die Regierungen der Vertragsstaaten zeigen einander Änderungen in der Bezeichnung der in diesem Vertrag genannten Behörden und Gebietskörperschaften an.

Artikel 37

Kosten

Jeder Vertragsstaat trägt die seinen Behörden aus der Anwendung dieses Vertrages entstehenden Kosten selbst.

Artikel 38

Verkehrssprache

Der Verkehr zwischen den Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten nach diesem Vertrag wird in deutscher Sprache geführt. Die Sicherheitsbehörden der französisch- und italienischsprachigen Kantone der Schweizerischen Eidgenossenschaft können Ersuchen auch in französischer oder italienischer Sprache beantworten.

Artikel 39

Verhältnis zu anderen Regelungen

Vorbehaltlich Artikel 32 werden durch diesen Vertrag die Vorschriften über die Amts- und Rechts­hilfe und sonstige zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte der Vertragsstaaten nicht berührt, so namentlich

            – das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemein­schaft vom 9. Juni 1997 über die gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich sowie

            – der Vertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein vom 29. März 1923 über den Anschluß des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet.

Artikel 40

Vorbehalt des nationalen Rechts in Fiskal- und Zollsachen

(1) Dieser Vertrag ist auf Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen nicht anzuwenden.

(2) Informationen, die im Rahmen einer Zusammenarbeit gemäß diesem Vertrag erlangt worden sind, dürfen zur Festsetzung von Abgaben, Steuern und Zöllen sowie in Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen nicht verwendet werden, es sei denn, daß der ersuchte Staat diese Informationen für ein solches Verfahren zur Verfügung gestellt hat.

Artikel 41

Inkrafttreten und Kündigung

(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Republik Österreich (Depositar) hinterlegt, welche die Hinterlegung den Regierungen der anderen Vertragsstaaten notifiziert. Der Vertrag tritt am ersten Tag des zweiten Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in dem die letzte Ratifikationsurkunde beim Depositar hinterlegt wurde.

(2) Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von jedem Vertragsstaat durch eine an den Depositar gerichtete Notifikation jederzeit gekündigt werden. Die Kündigung wird den anderen Vertragsstaaten unverzüglich notifiziert. Der Vertrag tritt sechs Monate, nachdem die Kündigung beim Depositar eingetroffen ist, gegenüber der kündigenden Partei außer Kraft.


(3) Die Registrierung des Vertrages beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen wird von der österreichischen Seite wahrgenommen.

GESCHEHEN zu Bern am 27. April 1999 in drei Urschriften in deutscher Sprache.

Für die Republik Österreich:

Schlögl m. p.:

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft:

Koller m. p.

Für das Fürstentum Liechtenstein:

Ritter m. p.

Vorblatt

Zweck des Vertrags:

Verbesserung der Zusammenarbeit der Vertragspartner bei der Gefahrenabwehr und Verhinderung und Verfolgung von Straftaten durch Schaffung von Rechtsgrundlagen für den polizeilichen Informationsaus­tausch und durch Schaffung einer zeitgemäßen rechtlichen Basis für eine operationelle grenzüber­schreitende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten.

Ziel:

Verbesserung der Abstimmung der polizeilichen Strategien und einzelner Ermittlungsschritte bei grenz­überschreitender Bedeutung, Beschleunigung und Vereinfachung des Informationsaustausches durch Verkürzung und Institutionalisierung der Datenverkehrswege, Ausweitung der Fahndungsbereiche durch automationsunterstützte Übernahme von Fahndungsdaten der Vertragspartner, Ermöglichung grenzüber­schreitender Amtshandlungen zur Verfolgung eigener polizeilicher Interessen oder zur Unterstützung des Nachbarstaates.

Alternativen:

Andere Wege zur Erreichung des angestrebten Ziels stehen keine zur Verfügung.

EU-Konformität:

Der vorliegende Vertrag wurde vor Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam errichtet. Er steht in keinem Widerspruch zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandord Österreich:

Keine.

Kosten:

Keine Kostenauswirkungen.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Die internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich intensiviert. Beispiele sind der Abschluss des Schengener Durchführungsübereinkommens (BGBl. III Nr. 90/1997, im Folgenden SDÜ) oder Initiativen der Europäischen Union zur Intensivierung der Polizeikooperation, wie etwa die Schaffung eines Europäischen Polizeiamts, und in neuerster Zeit auch Bestrebungen im Bereich der Vereinten Nationen, in deren Gremien Verhandlungen zur Schaffung einer internationalen Konvention gegen transnationale organisierte Kriminalität geführt werden.

Dass eine staatenübergreifende polizeiliche Zusammenarbeit auch zwischen Nachbarstaaten, noch dazu, wenn sie auf Grund ihrer geographischen Lage sehr enge kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verbindungen aufweisen, intensiviert werden sollte, muss nicht weiter betont werden. Der vorliegende Vertrag will daher die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten verstärken.

Der Vertrag enthält Bestimmungen, die gesetzändernd und gesetzesergänzend sind. Er bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Er enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Er ist im innerstaatlichen Rechtsbereich unmittelbar anwendbar, weshalb die Erlassung von Gesetzen nach Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder nicht berührt werden.

Die Kompetenz der Bundes zur Gesetzgebung stützt hinsichtlich der sicherheitspolizeilichen Aspekte des Vertrages der Gefahrenabwehr, des vorbeugenden Rechtsgutschutzes, der Fahndung und der ersten allgemeinen Hilfeleistung auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit), hinsichtlich der Strafverfolgungsbereiche auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen). Die Haftungsbestimmungen des Vertrags unterfallen dem Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z 6 (Zivilrechtswesen). Die Regelungen über den fremdenpolizeilichen Informations­austausch sind Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG (Fremdenpolizei) zuzurechnen.

Der Vertrag sieht sowohl Ermächtigungen zur informationellen als auch zur operationellen Zusammen­arbeit durch Einschreiten von Organen der Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Nachbarstaaten für die oben genannten sicherheits- und kriminalpolizeilichen Zwecke vor. Zollbehörden sind vom Vertrag nur erfasst, soweit sie diese polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, für die Republik Österreich ist dies nur der Fall, soweit sie gemäß § 29 Zollrechtsdurchführungs-Gesetz an sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben mitzuwirken haben oder ihnen die Durchführung der durch Sicherheitsorgane zu versehenden Grenzkontrolle übertragen wurde.

Im Bereich der informationellen Kooperation können sowohl strategische als auch einzelfallbezogene Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, für Zwecke der Gefahrenabwehr und Verhinde­rung und Bekämpfung von Straftaten ausgetauscht werden. Einzelne Regelungen ermächtigen auch zur informationellen Kooperation für die erste allgemeine Hilfeleistung und zu fremdenpolizeilichen Zwe­cken. In Ausnahmefällen sieht der Vertrag sogar einen polizeilichen Informationsaustausch anstelle der Leistung von Rechtshilfe durch Justizbehörden vor.

Die Regelungen ergänzen die Bestimmungen über die internationale polizeiliche Amtshilfe gemäß § 2 Abs. 1 und dem 2. Hauptstück des Polizeikooperationsgesetzes – PolKG, BGBl. I Nr. 104/1997, und präzisieren sie zum Teil. Neben einem Informationsaustausch über Ersuchen der Vertragsstaaten und ohne ein solches sieht der Vertrag auch eine Ermächtigung zum Austausch von Fahndungsdaten im Rahmen eines automatisierten Verfahrens vor, wodurch eine Ausweitung der jeweiligen nationalen Fahndungen nach Straftätern oder Abgängigen auf die Hoheitsgebiete der Vertragspartner möglich wird.

Die Bestimmungen über die informationelle Kooperation werden – soweit geboten – durch Datenrechts­regelungen ergänzt, wobei im Vertrag für das Fürstentum Liechtenstein vorgesehen wurde, dass dort bis zum Inkrafttreten eigener Datenschutzbestimmungen das Bundesrecht des Schweizerischen Eidgenossen­schaft anzuwenden ist.

Die Befugnisse zur operationellen Kooperation ermöglichen und den Organen der Sicherheitsbehörden in bestimmten Einzelfällen auch auf dem Hoheitsgebiet der Nachbarstaaten einzuschreiten. Hierdurch wird jene völkerrechtliche Grundlage geschaffen, die § 16 Abs. 1 PolKG als Voraussetzung für diesen Kooperationsbereich festlegt. Die österreichischen Sicherheitsbehörden und ihre Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei Ausübung dieser Befugnisse auch die Regelungen des 3. Hauptstückes des PolKG zu beachten.

Neben den bereits aus Regelungen des Schengener Durchführungsübereinkommens bekannten Befug­nissen der grenzüberschreitenden Nacheile und Observation sowie der Möglichkeit des Austausches von Verbindungsbeamten sieht der Vertrag noch weitere neue Instrumente der Zusammenarbeit vor, und zwar die Befugnis zur Durchführung kontrollierter Lieferungen über das Gebiet der Nachbarstaaten, die Ermächtigung zur Bildung gemeinsamer Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen, zum Einsatz gemischter Streifdienste im grenznahen Raum und in besonderen Fällen auch die Möglichkeit, der Entsendung von Beamten zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse im Interesse des Nachbarstaates. Zudem sieht der Vertrag auch Maßnahmen zur wechselseitigen Unterstützung der Nachbarstaaten bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen vor.

Zur Restitution von Schäden, die bei der Ausübung grenzüberschreitender Befugnisse verursacht werden, gibt es im Vertrag besondere Haftungsbestimmungen. Bei grenzüberschreitenden Amtshandlungen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Republik Österreich sowie – subsidiär – bei Einschreiten von Organen der Vertragspartner auf österreichischem Hoheitsgebiet besteht auf Grund der Regelung des § 17 PolKG die Möglichkeit, bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern Rechsschutz zu begehren.

Aus Gründen der Praktikabilität wurde in den Vertrag auch eine Bestimmung aufgenommen, die nicht die polizeiliche Zusammenarbeit betrifft, sondern die Zustellung von Schriftstücken im Rechtshilfeverkehr erleichtern soll.

Besonderer Teil

Zu Kapitel 1 (Grundsatzbestimmungen):

In den Bestimmungen dieses Kapitels wird einerseits die über den Einzelfall hinausgehende Zusammen­arbeit festgelegt. Die auszutauschenden Informationen sind strategischer Natur. In Sinne der in der Präambel formulierten Ziele sollen einerseits ein verbesserter Informationsaustausch und andererseits eine intensivere Zusammenarbeit in allgemeinen Sicherheitsbelangen erreicht werden. Andererseits werden Grundsätze für die im Vertrag nachfolgend normierte Kooperation festgelegt (vgl. Art. 3). Die Regelungen beziehen sich sowohl auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung als auch auf die Verhütung und Bekämpfung von Straftaten.

Zu Artikel 1 (Gemeinsame Sicherheitsinteressen):

Die Vertragsstaaten verpflichten sich zur wechselseitigen Unterrichtung, welche Schwerpunkte jeder Ver­tragsstaat bei der Kriminalitätsbekämpfung gerade setzt oder zu setzen beabsichtigt und zur Mitteilung bedeutsamer polizeilicher Vorhaben, sofern sie Auswirkungen auf Belange der anderen Vertragsstaaten haben. Bei der Erarbeitung polizeilicher Strategien und Sicherheitskonzepte sowie bei der Durchführung gemeinsamer Maßnahmen ist auf die gemeinsamen Sicherheitsinteressen der Vertragsstaaten angemessen Bedacht zu nehmen. Jeder Vertragsstaat kann außerdem Verschläge unterbreiten, wenn er der Ansicht ist, dass andere Vertragsstaaten besondere Schritte zur Gewährleistung der gemeinsamen Sicherheit ergreifen sollten. Hierzu muss nicht der diplomatische Weg beschritten werden, auch ein direkter Austausch durch die nationalen Zentralstellen ist möglich.

Zu Artikel 2 (Gemeinsame Sicherheitsanalyse):

Die Austausch von Lagebildern erfolgt sowohl regelmäßig in periodischen Abständen als auch zu be­stimmten Anlässen. Die Kriterien sind für beide Fälle zwischen den nationalen Zentralstellen zu verein­baren. Weiters ist mindestens einmal jährlich gemeinsam die Sicherheitslage zu analysieren. Ziel dieser Maß­nahmen ist die Sicherung eines möglichst einheitlichen Informationsstandes der Vertragsstaaten über die polizeiliche Sicherheitslage.

Zu Artikel 3 (Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung):

Artikel 3 formuliert ein allgemeines Bekenntnis zur Zusammenarbeit in den Kernbereichen polizeilicher Tätigkeit. Soweit im Vertrag nicht Besonderes festgelegt ist, geschieht die Zusammenarbeit im Rahmen des nationalen Rechts der Vertragsstaaten. Hierfür stehen einerseits bereits bestehende Instrumentarien und Institutionen, wie zB Interpol, und andererseits die nach diesem Vertrag geregelten Mittel zur Verfügung. Die Sicherheitsinteressen der anderen Vertragsstaaten sind bei der Durchführung der Zusammenarbeit zu berücksichtigen.

Zu Kapitel II:

Kapitel II regelt die informationelle polizeiliche Zusammenarbeit, also die so genannte internationale polizeiliche Amtshilfe (vgl. § 2 Abs. 1 sowie das 2. Hauptstück des Polizeikooperationsgesetzes – PolKG, BGBl. I Nr. 104/1997), sowie in Art. 9 überdies die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten im Bereich der Aus- und Fortbildung. Der Vertrag sieht Amtshilfe sowohl auf Ersuchen der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates (Art. 4, 6 und 7, wobei die letztgenannte Bestimmung über den Bereich der informa­tionellen Kooperation hinausgeht, siehe die Erläuterungen unten) als auch ohne Ersuchen (Art. 8) sowie weiters im Rahmen eines automatisierten Verfahrens (Art. 5) vor. Ein Teilbereich der informa­tionellen Kooperation, jene auf dem Gebiet der Hilfeleistung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen, ist außerhalb dieses Kapitels in Art. 17 Abs. 1 lit. a geregelt (siehe die Erläuterungen zu dieser Bestimmungen).

Die Sicherheitsbehörden sind in Art. 4 Abs. 10 definiert. Es handelt es sich aus österreichischer Sicht um die in Art. 78a B-VG (sowie §§ 6 bis 9 SPG) angeführten Behörden.

Zu Artikel 4 (Zusammenarbeit über Ersuchen) und Art. 6 Abs. 2:

Amtshilfe über Ersuchen kann für folgende Aufgabengebiete erfolgen:

–   zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Abs. 1),

–   zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten (Abs. 1),

–   für fremdenrechtliche Zwecke (Abs. 5) sowie

–   im Falles eines Auftrages der Justizbehörden (Abs. 6).

Zur Erledigung von Ersuchen Schweizer und Liechtensteiner Sicherheitsbehörden stehen den öster­reichischen Sicherheitsbehörden die in § 5 PolKG vorgesehenen Ermächtigungen zur Aufgabenerfüllung (zB Verwenden der bei den Sicherheitsbehörden verarbeiteten Daten, Einholen von Auskünften, Befra­gung usw.) zur Verfügung.

Amtshilfe zur Gefahrenabwehr sowie zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten

Zur Bestimmung des Inhalts der Wendung „Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ ist – entsprechend der Anordnung in Art. 3, wonach die Zusammenarbeit im Rahmen des nationalen Rechts erfolgt, soweit im Vertrag nicht anders bestimmt ist – auf die Rechtsordnungen aller drei Vertragsstaaten zurückzugreifen. Dazu werden jedenfalls die Abwehr gegenwärtiger oder unmittelbar bevorstehender gerichtlich strafbarer Handlungen sowie Präventionsmaßnahmen (zB gegen Fußballhooligans) und Strafverfolgungsmaßnahmen zu zählen sein.

Abs. 4 nennt demonstrativ Datenverwendungen (vgl. § 4 Z 8 DSG 2000), die Gegenstand eines Informationsaustausches sein können. Unzulässig ist ein Informationsaustausch im Rahmen der polizei­lichen Amtshilfe, soweit ein Ersuchen oder dessen Erledigung nach nationalem Recht den Justizbehörden vorbehalten ist (in diesem Fall ist gemäß den Regelungen des ARHG der Rechtshilfeweg zu beschreiten). Wird ein Ersuchen an eine unzuständige Behörde gerichtet, hat diese eine Weiterleitungspflicht an die zuständige Behörde.

Es gibt folgende Übermittlungswege: Grundsätzlich erfolgt der Informationsaustausch über die nationa­len Zentralstellen, das ist für die Republik Österreich das Bundesministerium für Inneres. In vier Fällen darf jedoch ein direkter Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten erfolgen:

Direkte Amtshilfe ist zulässig, wenn sich der Informationsaustausch auf die Verhütung und Bekämpfung Straftaten bezieht, die schwerpunktmäßig im Grenzgebiet der Vertragsstaaten begangen und verfolgt werden (Art. 4 Abs. 2 lit. a). Das Grenzgebiet ist in Art. 4 Abs. 9 definiert. Es umfasst auf österreichischem Territorium das Gebiet der Bundesländer Vorarlberg und Tirol. Der Bereich, in dem der unmittelbare Informationsaustausch im so genannten „kleinen Grenzverkehr“ erfolgen darf, wird daher durch diesen Vertrag über den in den §§ 4 Abs. 1 zweiter Satz und 7 Abs. 2 PolKG bestimmten Bereich auf das gesamte Gebiet der Bundesländer ausgedehnt.

Als weiteren Fall sieht Art. 4 Abs. 2 lit. b bei Vorliegen von Gefahr im Verzug einen unmittelbaren Informa­tionsaustausch zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten vor. Dieser Umstand liegt vor, wenn das durch die Amtshilfe angestrebte Ziel bei Einhaltung des Übermittlungsweges über die Zentral­stellen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Der unmittelbare Informationsaustausch ist in diesem Fall nicht auf die im Vertrag definierten Grenzgebiete beschränkt (vgl. die inhaltsgleichen §§ 4 Abs. 2 und 7 Abs. 3 PolKG).

Direkte Amtshilfe zwischen den zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten kann überdies in bestimmten abgrenzbaren Fallgestaltungen erfolgen, wenn diese Vorgangsweise zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten zweckmäßig ist und eine Zustimmung der nationalen Zentralstellen vorliegt (Art. 4 Abs. 2 lit. c).

Den vierten Fall unmittelbaren Informationsaustausches regelt Abs. 3 bei Ersuchen um Hilfe zur Abwehr von unmittelbar drohenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Auch dies ist ein Fall von Gefahr im Verzug, bei dem Amtshilfe mit allen Sicherheitsbehörden des Bundesgebietes denkbar ist, sofern diese zur Erledigung des Ersuchens örtlich zuständig sind.

Amtshilfe für fremdenrechtliche Zwecke

Diese Ermächtigung zum Informationsaustausch erfasst Fälle der Übermittlung oder polizeilichen Überprüfung personenbezogener Daten von Fremden, die für die Beurteilung der Einreise- und Aufenthaltsberechtigung von Bedeutung sind. Der Informationsaustausch erfolgt zwischen den Sicherheitsbehörden. Die übermittelnden Daten können jedoch auch anderen Fremdenpolizei- und Einwanderungsbehörden zur Verfügung gestellt werden.

Amtshilfe im Auftrag der Justizbehörden

Gemäß Abs. 6 können die Sicherheitsbehörden einander Amtshilfeersuchen auch im Auftrag der zuständigen Justizbehörden stellen und gemäß Absatz 2 über die nationale Zentralstelle oder in den Fällen der lit. a bis c direkt beantworten. Hierbei handelt es sich justizielle Aufträge an die Sicherheitsbehörden zum Zweck der Bekämpfung (Verfolgung) von Straftaten, bei denen entweder ausdrücklich um Erledigung im Wege der internationalen polizeilichen Amtshilfe ersucht wird oder bei denen sich aus der Art des Auftrages ergibt, dass der Auftrag nur durch Beschreitung des internationalen polizeilichen Amtshilfeweges zu erledigen ist.

Zu Artikel 5 (Informationsübermittlung im automatisierten Verfahren):

Art. 5 ist im Wesentlichen den Regelungen der Art. 95 ff des Schengener Durchführungsübereinkommens nachgebildet und bildet die Grundlage für die wechselseitige Amtshilfe der Vertragsstaaten im Bereich der polizeilichen Fahndung. Die Zentralstellen der Vertragsstaaten übermitteln einander automations­unterstützt ihre polizeilichen Fahndungen und sind berechtigt, ihren Sicherheitsbehörden einen Zugriff auf die Daten zu gewähren. Bei den Daten, die nach Art. 5 übermittelt werden, handelt es sich um nationale Datenbestände und nicht etwa um Daten des Schengener Informationsverbunds. Die Anlehnung der Regelung an das Schengener System hat ausschließlich organisatorische und technische Gründe. Der Schweiz und Liechtenstein wird dadurch kein indirekter Zugriff auf das Schengener Informationssystem gewährt.

Zur Systematik des Artikels: Abs. 1 stellt die Ausschreibungsgründe (Fahndungsgründe) in über­sichtlicher Form dar. Jede Ausschreibung gilt als Ersuchen um Durchführung der begehrten Maßnahme. Ein Vertragsstaat hat keine Pflicht zur Durchführung einer durch die Ausschreibung begehrten Maßnahme, wenn er diese mit seinem nationalen Recht, internationalen Verpflichtungen oder wesent­lichen nationalen Interessen nicht für vereinbar hält (Abs. 4). Vor Ausschreibung im automatisierten Verfahren ist die Verhältnismäßigkeit zwischen Ausschreibungszweck, Bedeutung des Falles und Datenrechtseingriff zu prüfen (Abs. 2). Die übermittelbaren Datenarten sind in Art. 3 taxativ aufgezählt.

Die Abs. 5, 6, 7 und 8 präzisieren nochmals die Ausschreibungsgründe nach Abs. 1 und legen fest, welche Informationen auf Grund der Ausschreibung zu ermitteln und den zentralen Sicherheitsbehörden des ersuchenden Vertragsstaates zu übermitteln sind und welche sonstigen Maßnahmen zu treffen sind. Eine freiheitsbeschränkende Maßnahme (Ingewahrsamnahme) darf der Vertragsstaat, der den Aufenthalt des Betroffenen ermittelt hat, nur vornehmen, wenn dies nach seinem nationalen Recht vorgesehen ist. Bei volljährigen Abgängigen/Vermissten dient das Ersuchen nur der Feststellung des Aufenthaltes und eine Datenübermittlung von Daten des Aufgefundenen darf nur mit seiner Zustimmung erfolgen. Um Ausschreibung zur verdeckten Registrierung kann nur für einen der in Art. 3 genannten Zwecke und nur dann ersucht werden, wenn dies nach nationalem Recht des ersuchenden Staates zulässig ist. Dasselbe gilt für die Zulässigkeit der Ermittlung und Übermittlung der Daten des ersuchten Staates (vgl. auch Abs. 4 sowie § 5 PolKG)

Bei Ausschreibungen zur Festnahme zwecks Auslieferung wird jedes Ersuchen auf Grund der Regelung des Abs. 8 einem Ersuchen um Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft nach Art. 16 des Euro­päischen Auslieferungsübereinkommens, BGBl. Nr. 320/1969, gleichgestellt (vgl. Art. 64 SDÜ). Die Einleitung der Fahndung in den Vertragsstaaten bedeutet daher die Zusicherung, dass ein Haftbefehl vorliegt und die Absicht besteht, ein Auslieferungsersuchen zu stellen. Um die Verhängung der vor­läufigen Auslieferungshaft muss daher nicht mehr gesondert ersucht werden.

Das Verfahren zur innerstaatlichen Umsetzung des Fahndungsersuchens zur Festnahme in den Vertrags­staaten entspricht Art. 95 SDÜ. Ebenso wie im Schengener Informationssystem besteht die Möglichkeit, Fahndungsersuchen der Vertragsstaaten binnen 24 Stunden nach Einlangen zu kennzeichnen und daher auf ihren Vollzug zu verzichten. In diesem Fall müssen dem ausschreibenden Vertragsstaat die Gründe hierfür mitgeteilt werden. Wird einer Ausschreibung zur Verhaftung nicht entsprochen, so ist diese ohne weiteren Antrag als Ersuchen um Aufenthaltsermittlung zu behandeln.

Ausländische Ersuchen um Festnahme eines österreichischen Staatsbürgers werden auf Grund des Verbotes der Auslieferung eigener Staatsbürger (§ 12 ARHG) in Österreich stets – wie oben dargestellt – gekennzeichnet werden. Kein Vertragsstaat ist verpflichtet, einem Fahndungsersuchen um Festnahme eigener Staatsangehöriger zum Zwecke der Auslieferung zu entsprechen. Die sonstigen Möglichkeiten der Festnahme nach innerstaatlichem Recht bleiben dadurch unberührt.

In den Abs. 9 und 10 sind für den automatisierten Informationsaustausch besondere Datenrechtsvor­schriften vorgesehen, die von den in Kapitel IV festgelegten abweichen. Abs. 9 bestimmt (abweichend von Art. 19 Abs. 1), dass der Empfängerstaat die zulässige Speicherdauer von übermittelten Ausschreibungen nicht nach nationalem Recht sondern nach dem Recht des übermittelnden Vertragsstaates zu beurteilen hat. Bei der Übermittlung eines Ersuchens ist daher die zulässige Speicherdauer mitzuteilen; ebenso ist eine Löschung der Ausschreibung im ersuchenden Vertragsstaat mitzuteilen, weil dies eine Löschungs­verpflichtung im Empfangsstaat zur Folge hat. Abs. 10 sieht eine Zweckbindung übermittelter Daten ausschließlich auf den einer Ausschreibung zugrunde liegenden Zweck fest und ist daher enger als Art. 20, der eine Möglichkeit vorsieht, mit Zustimmung der übermittelnden Staates den Zweck der Datenver­wendung (§ 4 Z 8 DSG 2000) zu erweitern.

Abs. 11 bildet eine Rechtsgrundlage für die Einräumung eines wechselweisen On-line-Zugriffs der Ver­trags­staaten auf Sachenfahndungsdaten. Der Vorteil ist, dass die Daten nicht wie bei den Aus­schrei­bungen nach Abs. 1 übermittelt werden müssen. Hierdurch wird aus österreichischer Sicht die Möglichkeit der Auffindbarkeit gestohlener oder sonst entfremdeter Sachen auch für den Schweizer und liechten­steinischen Raum erhöht.

Zu Artikel 6 (Austausch von Fahrzeug- und Halterdaten):

Der Austausch von Fahrzeug und Halterdaten ist bereits nach Art. 4 Abs. 4 lit. a möglich. Art. 6 spezifiziert nochmals speziell den Kreis der Daten und regelt in Abs. 2 Besonderes für die Übermittlungswege. Die Bestimmung erfasst Ersuchen um Übermittlung von Daten über Kraftfahrzeuge, Schiffe sowie Halter oder Zulassungsbesitzer und Eigentümer, wenn die Feststellung oder Bestimmung einer Person als Halter von Fahrzeugen, der Fahrzeuge eines Halters oder der Fahrzeugdaten für Zwecke der Verhinderung oder Bekämpfung von Straftaten oder zur Gefahrenabwehr erforderlich ist.

Nach Abs. 2 können die anfragenden Sicherheitsbehörden das Ersuchen bei Kraftfahrzeugzulassungen direkt an die zentrale Registerbehörde oder bei Dringlichkeit oder bei Auskunft aus amtlichen Verzeich­nissen über Schiffe auch an jede Sicherheitsbehörde des ersuchten Staates richten. Wenn das Ersuchen nicht an die Registerbehörde gerichtet wird, wird in der Regel jene Sicherheitsbehörde befasst werden, von der die ersuchende Stelle erwartet, dass sie das Ersuchen schnell und erfolgreich erledigen wird. Die zentrale Kraftfahrzeugzulassungsevidenz wird in Österreich vom Bundesminister für Inneres geführt (vgl. § 47 Abs. 4 KFG).

Zu Artikel 7 (Amtshilfe in dringenden Fällen):

Art. 7 betrifft Ersuchen der Sicherheitsbehörden um Durchführung bestimmter kriminalpolizeilicher Hand­lungen. Die Regelung geht über den Bereich der informationellen Kooperation hinaus, weil sie nicht nur den Informationsaustausch betrifft. Der Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, dass es in bestimmten dringlichen Fällen zulässig sein soll, dass die Sicherheitsbehörden anstelle eines Rechtshilfeersuchens der Justizbehörden ein Amtshilfeersuchen stellen. Folgende Amtshandlungen kommen für Ersuchen in Frage: Spuren- und Beweissicherungen einschließlich der Durchführung körperlicher Untersuchungen, Per­sonen- und Hausdurchsuchungen und die vorläufige Festnahme.

Die Möglichkeit der Sicherheitsbehörden solche Ersuchen zu stellen, ist jedoch in zweierlei Hinsicht be­schränkt:

–   zum einen muss ein Fall von Gefahr im Verzug vorliegen, das heißt, dass ein Ersuchen auf dem Geschäftsweg der zuständiger Justizbehörden nicht rechtzeitig gestellt werden kann, ohne dass der Erfolg der Maßnahme gefährdet wäre,

–   zum anderen dürfen Ersuchen nur gestellt oder befolgt werden, soweit für die Amtshandlung nach nationalem Recht (vgl. Art. 3) nicht eine richterliche Genehmigung erforderlich ist. Das bedeutet aus der Sicht der österreichischen Sicherheitsbehörden, dass Ersuchen um die Durchführung einer Persons­durchsuchung sowie körperlicher Untersuchung nicht und Ersuchen um die Vornahme einer Haus­durch­suchung oder einer vorläufigen Festnahme nur unter den Voraussetzungen der §§ 141 und 177 Abs. 1 StPO gestellt oder befolgt werden dürfen. Bei Ersuchen um Spuren- und Beweissicherung bestehen – abgesehen vom Erfordernis des Vorliegens von Gefahr im Verzug – keine Einschrän­kungen.

Für die Informationsübermittlung ist grundsätzlich der Weg über die nationalen Zentralstellen zu beschreiten, in den Ausnahmefällen des Art. 4 Abs. 2 lit. a bis c ist auch ein direkter Amtshilfeverkehr möglich. Soll eine Auslieferung der festgenommenen Person oder eine Übermittlung sichergestellter Sachen erfolgen, bietet Art. 7 hierfür keine Grundlage. Dies kann nur im Rechtshilfeweg der Justiz­behörden erfolgen. Ersuchende und ersuchte Sicherheitsbehörde haben die zuständigen Justizbehörden in ihrem Land vom jeweiligen Vorgang zu unterrichten.

Zu Artikel 8 (Informationsübermittlung ohne Ersuchen):

Im Interesse einer verbesserten Gefahrenabwehr und Verbrechensbekämpfung sollen die Sicherheitsbe­hörden die Möglichkeit haben, einander auch ohne Ersuchen jene Informationen zu übermitteln, die zur Erfüllung der genannten Aufgaben bedeutsam sind. Hierdurch soll es den Sicher­heitsbehörden möglich sein, nicht bloß reaktiv, sondern auch aktiv grenzüberschreitend tätig zu werden. Vorbild für die Regelung ist Art. 46 SDÜ. Für Sachverhalte, bei denen nach nationalem Recht der Rechtshilfeweg der Justiz­behörden zu beschreiten ist, ist eine Zusammenarbeit nach dieser Bestimmung nicht zulässig.

Zu Artikel 9 (Aus- und Fortbildung):

Die Regelung stellt zum einen die bereits bestehende Zusammenarbeit der Vertragsstaaten bei der Aus- und Fortbildung auf eine rechtliche Basis und vertieft diese zum anderen. Die in den Z 1 bis 4 aufgezählten Formen der Zusammenarbeit sind kein abschließender Katalog, sodass es möglich ist, die Kooperation in diesem Bereich laufend an neue Bedürfnisse und geänderte Methoden anzupassen.

Zu Kapitel III (Besondere Formen der polizeilichen Zusammenarbeit):

Kapitel III regelt das Einschreiten österreichischer Organe auf Schweizer oder liechtensteinischen Ho­heits­gebiet und das Einschreiten von Organen der Vertragspartner im Bundesgebiet. Dieser Bereich wird operationelle polizeiliche Zusammenarbeit genannt. Die folgenden Regelungen beschreiben den Umfang und zum Teil auch die Modalitäten der Zusammenarbeit. Hierdurch wird jene völkerrechtliche Grundlage geschaffen, die § 16 Abs. 1 PolKG als Voraussetzung für diesen Bereich der Zusammenarbeit festlegt. Die österreichischen Sicherheitsbehörden und ihre Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei Ausübung der Befugnisse auch die Regelungen des 3. Hauptstückes des PolKG zu beachten.

Zu Artikel 10 (Grenzüberschreitende Observation):

Die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Observation, wie sie in Art. 40 SDÜ vorgesehen sind, sollen auch zwischen den Vertragsstaaten eingerichtet werden. Vorraussetzung für die Observation ist ein zuvor gestelltes Ersuchen und der Verdacht einer im Verhältnis zum ersuchten Vertragsstaat auslieferungs­fähigen strafbaren Handlung. Die grenzüberschreitende Observation ist aber anders als nach Art. 40 SDÜ nicht auf Verdächtige beschränkt, sondern auch etwa hinsichtlich Zeugen, Zufallspersonen oder Verwand­ten des Verdächtigen zulässig, wenn diese im Zusammenhang mit dem im ersuchenden Staat eingeleiteten Ermittlungsverfahren stehen. Die bisherige Praxis in der Anwendung von Art. 40 SDÜ hat nämlich gezeigt, dass insbesondere bei Erpressungs- oder Entführungsfällen eine grenzüber­schreitende Observa­tion auch anderer Personen als des Verdächtigen zur Aufklärung der strafbaren Handlungen erforderlich ist.

Abs. 2 sieht – so wie das SDÜ – auch eine Möglichkeit vor, in dringlichen Fällen die Observation ohne vorherige Zustimmung des anderen Vertragsstaates auf dessen Hoheitsgebiet fortzusetzen. Der Grenzübertritt ist den zuständigen Behörden unverzüglich noch während der Observation mitzuteilen. Die Observation muss abgebrochen werden, wenn nicht binnen zwölf Stunden eine Zustimmung vorliegt.

Auslieferungsfähige strafbare Handlungen, die Voraussetzung für die Zulässigkeit einer grenzüber­schreitenden Observation sind, liegen vor, wenn diese Handlungen in den in Betracht kommenden Vertragsstaaten mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßnahme der Sicherung und Besserung im Höchstmaß von mindestens einem Jahr oder mit strengerer Strafe bedroht sind und nach Auffassung des ersuchten Vertragsstaates nicht militärische, politische oder fiskalische strafbare Handlungen darstellen. Auch im Verhältnis zur Schweizerischen Eidgenossenschaft und zum Fürstentum Liechtenstein wird sich die Auslegung des Begriffes der „politischen strafbaren Handlung“ durch Österreich an der Gemeinsamen Maßnahme des Rates der Europäischen Union vom 15. Juli 1996 betreffend die Bekämpfung des Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ABl. Nr. L 185 vom 24. Juli 1996, S 5 bis 7, orientieren.

Art. 10 Abs. 4 dieses Vertrages regelt ausschließlich den Geschäftsweg und lässt die Frage unberührt, welche Behörden im ersuchenden Vertragsstaat ein Observationsersuchen zu stellen und welche Behörden im ersuchten Vertragsstaat die Bewilligung hiezu zu erteilen haben. Der Geschäftsweg findet im Wege des Bundesministeriums für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, der Schweizer Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone sowie der Landespolizei im Fürstentum Liechtenstein statt.

Die Bewilligung für eine grenzüberschreitende Observation nach Abs. 1 und 2 obliegt in Österreich nach § 55 Abs. 1 ARHG dem Gerichtshof I. Instanz, in dessen Sprengel die Grenze voraussichtlich überschritten werden wird oder in dessen Sprengel des Landung des einfliegenden Luftfahrzeuges stattfinden soll.

Österreichische Ersuchen um grenzüberschreitende Observationen werden, da Voraussetzung für deren Zulässigkeit der Verdacht einer auslieferungsfähigen strafbaren Handlung ist und daher eine Anzeigen­erstattung an die Strafverfolgungsbehörden zu erfolgen hat, regelmäßig als Rechtshilfeersuchen von den zuständigen österreichischen Gerichten ausgehen.

Nach Art. 10 Abs. 5 dieses Vertrages sind grenzüberschreitende Observationen auch zur Besorgung bestimmter sicherheitspolizeilicher Aufgaben möglich, nämlich zur Gefahrenabwehr bei auslieferungs­fähigen Straftaten, zur Abwehr krimineller Verbindungen (vgl. § 16 Abs. 2 SPG) oder zur Verhinderung einer von einer bestimmten Person geplanten auslieferungsfähigen Straftat noch in deren Vorbereitungs­stadium. Zuständige Behörde zur Erteilung der Zustimmung zur Observation ist in diesem Fall die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde, das ist jene Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Observation durchgeführt werden soll. Ist zu erwarten, dass die Observation über den Zuständigkeitsbereich einer Bezirks­verwaltungsbehörde hinausgeht, wird die Zustimmung vom Sicherheitsdirektor, wird auch der Zuständigkeitsbereich der Sicherheitsdirektion überschritten, vom Bundesminister für Inneres zu erteilen sein.

Die grenzüberschreitende Observation zur Gefahrenabwehr ist aber nur insoweit zulässig, als der Zweck nicht durch die Übernahme der Observation durch Organe des ersuchten Vertragsstaates oder die Bildung gemeinsamer Observationsgruppen nach Art. 13 erreicht werden kann. Überdies ist die grenzüber­schreitende Observation zur Gefahrenabwehr ausgeschlossen, wenn bereits ein Ermittlungsverfahren anhängig ist oder einzuleiten wäre. In diesen Fällen richten sich die Voraussetzungen für die Observation nach Art. 10 Abs. 1 des Übereinkommens.

Zu Artikel 11 (Grenzüberschreitende Nacheile):

Die grenzüberschreitende Nacheile nach Art. 11 des Vertrages  ist den Vorschriften des Art. 41 SDÜ nachgebildet. Voraussetzung ist die Betretung einer Person bei der Begehung oder Teilnahme an einer auch im anderen Vertragsstaat auslieferungsfähigen Straftat oder die Flucht aus der Untersuchungs- oder Strafhaft wegen solcher Taten. Dabei genügt es, wenn die gegenständliche Straftat auch nur versucht wurde. Die grenzüberschreitende Nacheile im Verhältnis zu den Vertragsstaaten ist weder zeitlich noch räumlich begrenzt. Sie kann auch außerhalb der zugelassenen Grenzübergänge stattfinden und ist, anders als nach Art. 41 Abs. 5 lit. b SDÜ, nicht ausdrücklich auf den Landweg beschränkt, sodass auch eine Nacheile etwa über den Bodensee zulässig ist.

Den nacheilenden Beamten kommt ein Festhalterecht nach Maßgabe des am Festnahmeort geltenden materiellen Rechts zu, und zwar nach den in Art. 11 Abs. 4 lit. b des Vertrages beschriebenen Festnahmemodalitäten. Die Verwendung von Handfesseln und eine Sicherheitsdurchsuchung der Person sowie die vorläufige Beschlagnahme der mitgeführten Gegenstände sind zulässig. Die übrigen Nacheilemodalitäten entsprechen den Regelungen des Art. 41 SDÜ.

Art. 11 Abs. 7 des Vertrags betrifft einen Sonderfall der grenzüberschreitenden Nacheile im Rahmen einge­leiteter grenznaher Fahndungsmaßnahmen. Ist eine besondere Fahndung wegen einer bestimmten auslieferungsfähigen Straftat, etwa eines grenznahen Banküberfalls, eingeleitet worden und versucht sich eine angehaltene Person im Rahmen dieser Fahndung der Grenzkontrolle (vgl. § 1 Abs. 1 Z 2 Grenzkon­troll­gesetz) oder innerhalb einer 30 km vor der Grenze deshalb angeordneten Polizeikontrolle zu entziehen, so berechtigen diese Umstände auch zur grenzüberschreitenden Nacheile. Damit wird der Nacheilefall der Begehung auf frischer Tat nach Art. 11 Abs. 1 auch auf die deshalb eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen ausgedehnt.

Zu Artikel 12 (Kontrollierte Lieferung):

Artikel 11 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vom 20. Dezember 1988, BGBI. III 1997/154, empfiehlt den Mitgliedstaaten die Maßnahme der kontrollierten Lieferung von Suchtstoffen und psychotropen Stoffen mit dem Ziel zuzulassen, Personen zu ermitteln, die an der Begehung strafbarer Handlungen beteiligt sind. Nach Art. 73 SDÜ sind die Vertragsstaaten auch verpflichtet, im Rahmen ihrer Verfassung die kontrollierte Lieferung von Betäubungsmitteln anzuwenden.

Art. 22 des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens der Europäischen Union über die gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen vom 13. Dezember 1997, ABl. Nr. C 24 vom 23. Jänner 1998, verpflichtet die Staaten im Rahmen von Ermittlungen über auslieferungsfähige strafbare Handlungen die kontrollierte Lieferung in ihrem Hoheitsgebiet zu ermöglichen. Der Anwendungsbereich geht dabei über die kontrollierte Lieferung von Suchtstoffen hinaus und umfasst auch andere Verbotswaren und in Fällen von Geldwäscherei auch Geld.

Art. 12 des vorliegenden Vertrages nimmt die in diesen völkerrechtlichen Übereinkommen entwickelten Grundsätze auf und ermöglicht auch zwischen den Vertragsstaaten dieses Übereinkommens die kon­trollier­te Lieferung. Dabei richtet sich die Zulässigkeit der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Gegenständen ausschließlich nach dem Recht des ersuchten Vertragsstaates. Eine Beschränkung auf besondere Gegenstände findet nicht statt. Daher kann eine kontrollierte Lieferung auch beim Handel mit Waffen, Sprengmittel, Falschgeld oder Diebsgut stattfinden, sofern nach Ansicht der ersuchenden Vertragspartei auf andere Weise die Ermittlung der Auftraggeber oder anderer Tatbeteiligter oder die Aufdeckung der Verteilungswege aussichtslos wäre oder erheblich erschwert würde.

Die kontrollierte Lieferung ist nur nach vorheriger Zustimmung des ersuchten Vertragsstaates möglich. Sie ist jedenfalls einzuschränken oder abzulehnen, wenn von der Ware ein unvertretbares Risiko für die beteiligten Personen oder die öffentliche Sicherheit ausgeht. Dies wird bei hoch giftigen oder radioaktiven Substanzen immer zu prüfen sein. Bei Durchführung einer genehmigten kontrollierten Lieferung bestehen keine zeitlichen und räumlichen Beschränkungen.

Art. 12 Abs. 2 sieht auch die Möglichkeit vor, die kontrollierte Lieferung unter Observation auf Verzicht auf ein Einschreiten durch ausländische Beamte durchzuführen. Das Handeln der Beamten des ersuchen­den Vertragsstaates richtet sich dabei ausschließlich nach dem Recht des ersuchenden Vertragsstaates. Der die kontrollierte Lieferung bewilligende Vertragsstaat hat jedoch immer die ständige Überwachung des Transportes sicherzustellen, sodass jederzeit auf die Gegenstände oder auf die Tatverdächtigen zugegriffen werden kann.

Eine kontrollierte Lieferung bedeutet in jedem Fall, dass der die kontrollierte Lieferung bewilligende Vertragsstaat dadurch auf die Ausübung seines Strafanspruches auf Grund des Territorialitätsprinzipes verzichtet. Aus diesem Grund ist bei einem Ersuchen um kontrollierte Lieferung immer jene Staatsanwaltschaft zu befassen, in deren Sprengel der Transport beginnen soll. Hiebei ist in Art. 12 Abs. 5 dieses Verttrages der unmittelbare Behördenverkehr vorgesehen. Einlangende Ersuchen können in Österreich auch im Wege des Bundesministeriums für Inneres an die zuständige Staatsanwaltschaft gerichtet werden.

Zu Artikel 13 (Gemeinsame Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen; grenzüber­schrei­tende Fahndungsaktionen):

Die zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten (die Möglichkeit der Einrichtung solcher Organi­sa­tionseinheiten ist daher nicht auf die in Art. 4 Abs. 10 festgelegten Sicherheitsbehörden beschränkt) können bei Bedarf selbständig die Entscheidung treffen, gemischt besetzte Analyse-, Kontroll-, Observations- oder Ermittlungsgruppen zu bilden. Das Bestehen des Bedarfes ist anhand der Regelung des Artikels 3 des Übereinkommens zu messen. Die gemischten Gruppen sind vorübergehende auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Einrichtungen, während die Entsendung von Verbindungsbeamten auf längere Zeit und ohne konkreten Anlass erfolgt.

Die entsandten Beamten haben nur beratende und unterstützende Funktion, etwa durch Weitergabe von Er­fahrungen des Entsendestaates oder durch Koordinierung eines allenfalls notwendigen Informations­austausches. Art. 13 Abs. 1 bietet jedoch – anders als Art. 16 – keine Ermächtigung zu hoheitlichem Einschreiten. Die Entsendung der Beamten richtet sich nach nationalen dienstrechtlichen Vorschriften.

Abs. 2 sieht ein gemeinsames Vorgehen der zuständigen Behörden bei grenzüberschreitenden Fahndungs­aktionen vor. Die Zusammenarbeit ist auf Fahndungsaktionen in den gemäß Art. 4 Abs. 9 beschriebenen Grenzgebieten beschränkt. Die Behörden werden dabei nur auf ihrem jeweiligem Hoheitsgebiet tätig. Eine ähnliche Regelung findet sich in Art. 4 Abs. 1 Z 1 des Regierungsübereinkommens zwischen Österreich und Deutschland vom 16. Dezember 1997.

Zu Artikel 14 (Entsendung von Verbindungsbeamten):

Die Art. 47 SDÜ nachgebildete Bestimmung bildet die Grundlage für die Entsendung von Verbindungs­beamten (zur Abgrenzung von gemischten Analyse-, Kontroll-, Observations-, und Ermittlungsgruppen siehe oben unter Art. 13). Die Entsendung bedarf der Zustimmung der Zentralstelle des Empfangsstaates. Die Verbindungsbeamten dürfen keine hoheitlichen Befugnisse wahrnehmen. Abs. 3 sieht überdies die Mög­lichkeit vor, dass Verbindungsbeamte in einem anderen Vertragsstaat oder Drittstaat die Interessen eines anderen Vertragsstaates mitwahrnehmen können. Dazu ist lediglich erforderlich, dass die be­troffenen Zentralstellen zuvor das Einvernehmen über diese Vorgangsweise herstellen.

Zu Artikel 15 (Entsendung von Beamten zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse):

Zur Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr oder der Bekämpfung von Straftaten können die Vertragsstaaten einander auch durch Entsendung von Beamten zur Ausübung von Hoheitsgewalt unterstützen. Dies ist jedoch nur als ultima ratio zulässig, also wenn der Erfolg einer erforderlichen polizeilichen Maßnahme ohne einen solchen Einsatz vereitelt oder ernsthaft gefährdet würde oder die Ermittlung aussichtslos oder wesentlich erschwert würde. Es handelt sich also um Ausnahmesituationen, in denen eine Unterstützung durch Entsendung von Beamten dringend notwendig ist.

Die Betrauung muss sich auf bestimmte konkrete Amtshandlungen oder einen eingrenzbaren Kreis von Maßnahmen, die im Rahmen eines Einsatzes gesetzt werden können, beziehen. Vor Entsendung muss zwischen den Sicherheitsbehörden der beteiligten Vertragsstaaten das Einvernehmen über Zweck und Um­fang der Betrauung hergestellt werden. Beispiele sind Großdemonstrationen, die von den Sicherheits­be­hörden eines Vertragsstaates nicht (mehr) bewältigt werden können oder Fälle der Bekämpfung von Straftaten, wenn für einzelne Ermittlungsschritte besondere Kenntnisse (etwa Sprachkenntnisse oder Spezialwissen über bestimmte Tätergruppen) erforderlich sind oder außergewöhnlich viele Bedienstete eingesetzt werden müssen.

Die entsandten Organe dürfen nur unter der Leitung der einsatzführenden Stelle des Empfangsstaates tätig werden und sind bei ihren Amtshandlungen an das Recht des Empfangsstaates gebunden. Das in § 15 Abs. 2 PolKG normierte Prinzip der doppelten Gesetzesbindung bei Amtshandlungen, die in Rechte Betroffener eingreifen, kommt bei Entsendungen nach Art. 15 daher nicht zur Anwendung. Der Gebrauch von Schusswaffen ist jedoch – im Gegensatz zum Gebrauch anderer Dienstwaffen – gesetzlich auf die Ausübung von Notwehr (Nothilfe) oder eine Anordnung der Einsatzleitung beschränkt, auch im Falle einer solchen Anordnung obliegt die Entscheidung darüber, ob der Schusswaffengebrauch im Einzelfall rechtlich zulässig ist, dem einschreitenden Beamten.

Zu Artikel 16 (Gemischter Streifendienst an der Grenze):

Gemeinsame Streifendienste können nicht nur zur Gefahrenabwehr und Bekämpfung von Straftaten, sondern auch zur Grenzüberwachung erfolgen. Die Regelung dient daher auch der verbesserten Umsetzung der Verpflichtung der Republik Österreich nach Art. 6 SDÜ über die Überwachung der Außengrenzen. Die Durchführung gemischter Streifen ist von den Sicherheitsbehörden der Vertrags­staaten (Art. 4 Abs. 10) zu vereinbaren.

Abs. 2 und 3 ermöglichen in beschränkten Umfang, dass auch Beamte des anderen Vertragsstaates auf fremdem Hoheitsgebiet hoheitliche Befugnisse ausüben. Grundsätzlich sind die Befugnisse auf die Feststellung der Identität und die Anhaltung von Menschen, die sich einer Kontrolle zu entziehen suchen, beschränkt. Ausnahmsweise können gemäß Abs. 3 auch weitere Befugnisse in Form von Zwangsmaßnahmen ausgeübt werden, etwa wenn ein Beamter auf dem Hoheitsgebiet seines Vertragsstaates eine Festnahme durchführen will, der Betroffene diese jedoch infolge körperlicher Überlegenheit zu vereiteln sucht; in diesem Fall darf ihn das Organ des anderen Vertragsstaates entsprechend unterstützen. Bei hoheitlichem Einschreiten nach Abs. 2 oder 3 auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates, ist das Recht dieses Staates anzuwenden. Das in § 15 Abs. 2 PolKG normierte Prinzip der doppelten Gesetzesbindung bei Amtshandlungen, die in Rechte Betroffener eingreifen kommt daher bei gemischten Streifen nicht zur Anwendung.

Zu Artikel 17 (Hilfeleistung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen):

Die Unterstützung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen ist auf drei Arten möglich:

–   durch Informationsaustausch,

–   durch Vornahme erforderlicher polizeilicher Maßnahmen auf dem eigenem Hoheitsgebiet und deren Koordination sowie

–   durch Bereitstellung von Spezialisten, Beratern und Material (in diesem Punkt jedoch nur über Ersuchen der zuständigen Sicherheitsbehörden).

Die Hilfeleistung erfolgt im Rahmen des nationales Rechts. Bei Unterstützung durch Bereitstellung von Personal oder Material (lit. c) können in dringlichen Fällen die Grenzen jederzeit und an jeder geeigneten Stelle überschritten werden. Bei Einsatzfahrten sind die Fahrzeuge der Sicherheitsbehörden hinsichtlich der Befreiung von Verkehrsverboten und -beschränkungen den Einsatzfahrzeugen des Vertragsstaates, in dem Hilfe geleistet werden soll, gleichgestellt.

Österreich hat mit dem Fürstentum Liechtenstein ein Katastrophenschutzabkommen (BGBl. Nr. 758/
1995) geschlossen. Mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft wurde am 22. März 2000 ein solches Abkommen unterzeichnet. Diese bleiben von Art. 17 unberührt.

Zu Artikel 18 (Einsatz von Luft- und Wasserfahrzeugen):

Die Bestimmung ermöglicht, dass bei grenzüberschreitenden Einsätzen nach diesem Vertrag auch Luft- und Wasserfahrzeuge einsetzt werden dürfen, etwa bei einer grenzüberschreitenden Observation, Nacheile, einer kontrollierten Lieferung oder bei der Hilfeleistung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen. Es gelten hierbei die luft- und wasserverkehrsrechtlichen Bestimmungen des Einsatzstaates. Abweichungen von den Vorschriften für den Luftverkehr sind nur im Rahmen des Abs. 2 möglich. Vor dem Einsatz von Luftfahrzeugen besteht gemäß Abs. 3 eine besondere Informationspflicht gegenüber der zuständigen Flugsicherungsstelle.

Zu Kapitel V (Datenschutz):

Die Bestimmungen dieses Kapitels entsprechen im Wesentlichen den Regelungen des Polizeiko­operations­gesetzes und des DSG 2000. Soweit einzelne Sonderregelungen bestehen, werden diese im Folgenden entsprechend dargestellt.

Zu Artikel 19 (Grundsatz):

Für jene Vorgänge, die nach österreichischem Datenrecht als „Verwenden von Daten“ bezeichnet werden, verwendet der Vertrag den Begriff „Bearbeitung“. Inhaltliche Begriffsdifferenzen bestehen jedoch nicht.

Für personenbezogene Daten, die nach dem Vertrag übermittelt werden, gelten grundsätzlich die Daten­rechtsbestimmungen des Empfängerstaates. Eine Einschränkung diese Prinzips ergibt sich aus der Angabe von Verwendungszwecken und Bedingungen, die ein Vertragsstaat im Zuge einer Datenübermittlung gestellt hat.

Da der Datenverkehr österreichischer mit Schweizer und liechtensteinischen Sicherheitsbehörden durch diesen im Gesetzesrang stehenden Vertrag besonders geregelt wird, bedarf der personenbezogene Infor­mationsaustausch keiner Zustimmung durch die Datenschutzkommission (vgl. § 12 Abs. 3 Z 3 DSG 2000). Auch die in § 2 der Datenangemessenheits-Verordnung, BGBl. II Nr. 521/2000, vorgesehene Regelung ist im Anwendungsbereich des Übereinkommens obsolet.

Da das Fürstentum Liechtenstein noch keine umfassende Regelung über die Zulässigkeit der Bearbeitung personenbezogener Daten durch Sicherheitsbehörden hat, wird in Abs. 4 festgelegt, dass es – bis zur Erlassung eigener Datenrechtsvorschriften – die nach diesem Vertrag übermittelten Daten nach Schweizer Datenrecht behandeln wird.

Zu Artikel 20 (Zweckbindung):

Abs. 1 der Regelung sieht eine § 9 Abs. 1 PolKG entsprechende Verwendungsbeschränkung für über­mittelte Daten vor. Abs. 2 trifft hiervon eine abweichende Regelung, indem zur Erfüllung sicherheits­polizeilicher Aufgaben übermittelte Daten auch für strafprozessuale Zwecke und umgekehrt verwendet werden dürfen, jedoch nur, zur Abwehr schwerer Gefahren und zur Verfolgung schwerer Straftaten.

Zu Artikel 21 (Pflicht zur Richtigstellung und Vernichtung):

Die Pflicht zur Richtigstellung und Vernichtung entspricht vergleichbaren nationalen Regelungen (vgl. § 10 Abs. 2 PolKG, 63 SPG und § 27 DSG 2000).

Zu Artikel 22 (Verständigung):

Der Vertrag erlegt den Behörden des Empfängerstaates im Sinne von § 8 Abs. 3 Z 3 PolKG die Pflicht zur Auskunft über die Verwendung übermittelter personenbezogener Daten auf. Hinsichtlich der Verständigungspflichten nach Abs. 2 und 3 wird auf § 10 Abs. 1 PolKG verwiesen.

Zu Artikel 23 (Protokollierung):

Die Protokollierung von Datenübermittlungen ist eine wesentliche Voraussetzung zur Sicherung vor unrechtmäßiger Datenverwendung und der Kontrolle der Zulässigkeit von Übermittlungen. Abs. 1 legt einen Mindestinhalt für eine Protokollierung von Datenübermittlungen fest. Die dreijährige Mindest­aufbewahrungsdauer für Protokolldaten entspricht dem in § 14 Abs. 5 DSG 2000 normierten Standard. Die in Abs. 3 vorgesehene Verwendungsbeschränkung für Protokolldaten ist hingegen strikter als die Rege­lung nach § 14 Abs. 4 DSG 2000.

Zu Artikel 24 (Verfahren bei Auskunftserteilung):

Das Auskunftsrecht über die Verwendung der nach diesem Vertrag ausgetauschten personenbezogenen Daten richtet sich nach nationalem Recht. Um auch Geheimhaltungsinteressen des Vertragsstaates, der die personenbezogenen Daten übermittelt hat (zB Gefahr der Vereitelung laufender Ermittlungen), im Rahmen einer Entscheidung über eine Auskunftserteilung berücksichtigen zu können, ist der über­mittelnden Stelle Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. auch § 12 PolKG).

Zu Artikel 25 (Datenbearbeitung auf fremdem Hoheitsgebiet):

Sofern personenbezogene Daten durch grenzüberschreitendes Einscheiten ermittelt wurden, ist die Daten­verwendung von den zuständigen Behörden jenes Vertragsstaates, für dessen Zwecke sie beschafft worden sind, zu kontrollieren. Das ist, wenn österreichische Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf fremden Hoheitsgebiet eingeschritten sind, die Datenschutzkommission (vgl. § 30 DSG 2000). Hierbei sind auch Auflagen und Bedingungen der Genehmigungsbehörde des Vertragsstaates (zB § 50 Abs. 1 ARHG), auf dessen Territorium die Datenverwendung erfolgt ist, zu berücksichtigen.

Abs. 2 verbietet einen direkten Zugriff von Beamten, die auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertrags­staates tätig sind (etwa im Zuge eines gemischten Streifendienstes gemäß Art. 16), auf dessen nationale EDV-Datenbanken. Sofern ein Informationsbedarf besteht, ist dieser von den nationalen Sicherheits­behörden wahrzunehmen.

Zu Kapitel VI (Rechtsverhältnisse bei Amtshandlungen in einem anderen Vertragsstaat):

Dieses Kapitel normiert für den gesamten Anwendungsbereich des Vertrages Regelungen über die Rechtsverhältnisse bei grenzüberschreitenden Amtshandlungen.

Zu Artikel 26 (Einreise, Ausreise und Aufenthalt):

Diese Bestimmung sieht gewisse Erleichtungen für die Ein- und Ausreise und den Aufenthalt für grenz­überschreitendes Tätigwerden von Beamten der Vertragsstaaten vor.

Zu Artikel 27 (Uniformen und Dienstwaffen):

Abs. 1 erlaubt generell bei grenzüberschreitendem Tätigwerden nach diesem Vertrag das Tragen von Uni­formen und Mitführen von Dienstwaffen oder anderen Mitteln zur Zwangsausübung. Die Vertragsstaaten haben jedoch die Möglichkeit, diese Ermächtigung durch Mitteilung an den anderen Vertragsstaat einzuschränken oder Bedingungen zu unterwerfen.

Zu Artikel 28 (Dienstverhältnisse):

Diese Bestimmung stellt klar, dass bei grenzüberschreitendem Einschreiten die dienst- und disziplinar­rechtlichen Kompetenzen beim jeweiligen Heimatstaat verbleiben, was vor allem für die Regelung nach den Art. 15 und 16 von Bedeutung ist.

Zu Artikel 29 (Haftung):

Werden Dritte bei grenzüberschreitenden Einsätzen von Organen eines der Vertragsparteien geschädigt, so haftet gemäß Abs. 1 jener Staat, auf dessen Hoheitsgebiet der Schaden eingetreten ist. Die Frage des Bestehens und Umfanges des Anspruchs richtet sich nach dem nationalen Recht des schaden­ersatzpflichtigen Staates, das in gleicher Weise anzuwenden ist, als ob dessen eigene Beamte den Schaden zugefügt hätten. Für den geschädigten Dritten ist es somit unerheblich, ob der Schaden durch Beamte des eigenen oder des fremden Staates verursacht wurde.

Der erste Satz von Abs. 2 regelt den Regressanspruch des Schadenersatz leistenden Staates gegenüber dem anderen Vertragsstaat. Ein Regress ist einerseits ausgeschlossen, wenn der Einsatz auf Ersuchen des Schadenersatz leistenden Staates stattgefunden hat, und andererseits, wenn die Beamten den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben.

Der zweite Satz von Abs. 2 regelt Fälle, in denen der Staat selbst bei grenzüberschreitenden Amtshand­lungen der Organe des anderen Vertragsstaates geschädigt wurde. Die Vertragsstaaten verzichten auf Grund dieser Bestimmung grundsätzlich auf sämtliche Entschädigungsansprüche, es sei denn, die Beamten haben vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt.

Zu Artikel 30 (Rechtsstellung der Beamten im Bereich des Strafrechts):

Die Regelung unterstellt grenzüberschreitend tätige Beamte in aktiver und passiver Hinsicht den straf­rechtlichen Bestimmungen jenes Vertragsstaates, auf dessen Territorium sie einschreiten. Die Regelung entspricht Art. 42 SDÜ.

Zu Artikel 31 (Befugnisse von Zollorganen der Republik Österreich):

Österreichische Zollorgane können gemäß § 29 Zollrechts-Durchführungsgesetz unaufschiebbare Amts­hand­lungen auch in sicherheits- und kriminalpolizeilichen Angelegenheiten durchführen. In Bereich dieser Aufgaben ist es daher sinnvoll, sie zur grenzüberschreitenden Nacheile zu ermächtigen. Dasselbe gilt, wenn Zollorganen gemäß § 9 Abs. 3 Grenzkontrollgesetz die Wahrnehmung der Grenzkontrolle übertragen wird. In diesem Fall können Zollorgane auch zu gemischten Streifen gemäß Art. 16 heran­gezogen werden.

Zu Artikel 32 (Zustellung von Schriftstücken):

Nach Art. 52 Abs. 1 SDÜ können an Personen, die sich im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, gerichtliche Urkunden unmittelbar durch die Post zugestellt werden. Art. 32 dieses Überein­kommens übernimmt diesen Gedanken und lässt die Zustellung gerichtlicher und behördlicher Schrift­stücke unmittelbar im Postwege zu. Dadurch werden Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969, sowie der im Verhältnis zur Schweiz zur Anwendung gelangende Zusatzvertrag vom 13. Juni 1972, BGBl. Nr. 716/1974, und der im Verhältnis zu Liechtenstein zur Anwendung gelangender Zusatzvertrag vom 4. Juni 1982, BGBl. Nr. 352/1983, materiell abgeändert.

Voraussetzung für die Zustellung im Postwege ist, dass die Rechtshilfeleistung nach den genannten Übereinkommen und Zusatzverträgen zulässig ist. Liegt eine solche Zulässigkeit nicht vor, so gelten auch die dem Empfänger tatsächlich zugekommenen Schriftstücke in beiden beteiligten Vertragsstaaten als nicht zugekommen.

Auf den Anschluss von Übersetzungen wird verzichtet, wenn der zuzustellenden Behörde bekannt ist, dass der Empfänger des Schriftstückes jener Sprache kundig ist, in der das Schriftstück abgefasst ist. Hat die zuzustellende Behörde keine Kenntnis von der Sprache des Empfängers, so ist den zuzustellenden Schriftstücken oder den wesentlichen Passagen eine Übersetzung in die Amtssprache des Zustellortes anzuschließen. Fallweise wird daher auf kantonale Besonderheiten bei der Postzustellung in der Schweiz Rücksicht zu nehmen sein.

Zu Kapitel VIII:

Kapitel VIII enthält die für internationale Verträge typischen Schlussbestimmungen wie Vorbehalte oder eine Ordre-Public-Regelung sowie besondere auf die Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden abgestellte Regelungen.

Zu Artikel 33 (Ausnahmebestimmung):

Art. 33 enthält eine Ordre-public-Klausel zugunsten der eigenen Sicherheit oder anderer wesentlicher Interessen des Vertragsstaates.

Zu Artikel 34 (Zusammenkunft von Experten):

Die Zusammenkunft von Fachleuten dient einerseits der Konfliktlösung oder Konfliktminimierung in Fragen der Anwendung des Vertrages und bietet andererseits die Möglichkeit, Vorschläge zur Fort­entwicklung der Zusammenarbeit zu entwicklen. Ein entsprechendes Ersuchen wird an die jeweiligen Zentralstellen der anderen Vertragsstaaten zu richten sein.

Zu Artikel 37 (Verkehrssprache):

Diese Bestimmung nimmt auf die besonderen Bedürfnisse der Schweizerischen Eidgenossenschaft Rücksicht. Da der Vertrag überwiegend im deutschsprachigen Raum Anwendung finden wird, wurde grundsätzlich Deutsch als Verkehrssprache festgelegt. Die Schweizer Behörden können daher keine Übersetzung von auf Deutsch eingehenden Ersuchen der Vertragsstaaten verlangen. Die Behörden der französisch- und italienischsprachigen Kantone der Schweiz können jedoch Ersuchen auch in französischer oder italienischer Sprache beantworten.


Zu Artikel 40 (Vorbehalt des nationalen Rechts in Fiskal- und Zollsachen):


Der Ausschluss der Zusammenarbeit in Fiskal- und Zollsachen ergibt sich zwar schon aus der Be­schränkung der Aufgaben in den einzelnen Bestimmungen. Abs. 1 verdeutlicht diesen Umstand nochmals. Ebenso ergibt sich die in Abs. 2 festgelegte Zweckbindung der polizeilichen Information bereits aus verschiedenen anderen Vertragsnormen (zB Art. 5 Abs. 10, Art. 20). Soweit Zollorgane sowohl in sicherheits- und kriminalpolizeilichen Angelegenheiten als auch in Zoll- oder Fiskalsachen tätig werden, verdeutlichen die Regelungen nochmals die Notwendigkeit einer strengen Trennung der verschiedenen Aufgaben.

Zu Artikel 41 (Inkrafttreten und Kündigung):

Der Vertrag bedarf gemäß Abs. 1 der Ratifikation, wobei Österreich als Depositar fungiert. Der auf unbe­stimmte Zeit abgeschlossene Vertrag kann unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist gekün­digt werden. Die Registrierung des Vertrages beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen wird eben­falls von Österreich wahrgenommen werden.