537 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 26. 4. 2001

Regierungsvorlage


Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)


Der Bund, vertreten durch die Bundesregierung, und das Land Oberösterreich, vertreten durch den Landeshauptmann, – im Folgenden Vertragsparteien genannt – kommen überein, gemäß Art. 15a B-VG die nachstehende Vereinbarung zu schließen:

Zielsetzung und Definition

Artikel 1

(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung dafür zu sorgen, dass die folgenden Patientenrechte sichergestellt sind.

(2) Träger von Patientenrechten im Sinne dieser Vereinbarung ist jede Person, die Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens in Anspruch nimmt oder ihrer auf Grund ihres Gesundheitszustandes bedarf.

(3) Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens werden durch freiberuflich tätige Angehörige der Gesundheitsberufe und Einrichtungen erbracht, die der Erhaltung und dem Schutz der Gesundheit, der Feststellung des Gesundheitszustandes, der Behandlung von Krankheiten, der Vornahme operativer Eingriffe, der Geburtshilfe sowie der Pflege und Betreuung von Kranken und Genesenden dienen.

Abschnitt 1

Grundsätzliches

Artikel 2

Die Persönlichkeitsrechte der Patienten und Patientinnen sind besonders zu schützen. Ihre Menschenwürde ist unter allen Umständen zu achten und zu wahren.

Artikel 3

Patienten und Patientinnen dürfen auf Grund des Verdachtes oder des Vorliegens einer Krankheit nicht diskriminiert werden.

Abschnitt 2

Recht auf Behandlung und Pflege

Artikel 4

(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, die zweckmäßigen und angemessenen Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens für alle Patienten und Patientinnen ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts, der Herkunft, des Vermögens, des Religionsbekenntnisses, der Art und Ursache der Erkrankung oder Ähnliches rechtzeitig sicherzustellen.

(2) Durch die zuständige Gesetzgebung kann unter Beachtung der Verpflichtungen der Republik Österreich angeordnet werden, dass die Behandlung nichtösterreichischer Staatsangehöriger nur dann zu erfolgen hat, wenn die Kosten der Behandlung von den Patienten und Patientinnen oder einem Dritten getragen werden; dies gilt nicht in den Fällen drohender Lebensgefahr, unmittelbar bevorstehender Entbindung oder schwerer gesundheitlicher Schädigung, die eine sofortige Behandlung gebieten.

Artikel 5

(1) Die Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (Art. 4 Abs. 1) sind durch Kranken­anstalten, ambulante Einrichtungen, Dienste der extramuralen medizinischen Betreuung einschließlich der Hauskrankenpflege sowie durch freiberuflich tätige Angehörige der Gesundheitsberufe und Apotheken sicherzustellen. Dies gilt insbesondere auch für die Betreuung psychisch Kranker.

(2) Die Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens sind auch auf den Gebieten der Gesundheitsförderung, der Vorsorge- und Arbeitsmedizin sowie der Rehabilitation und des Kurwesens sicherzustellen.

(3) Die Kontinuität der Behandlung und Pflege ist durch organisatorische Maßnahmen zu wahren.

Artikel 6

(1) Die medizinisch gebotene, nach den Umständen des Einzelfalles jeweils mögliche notärztliche Versorgung, Rettung und Transport sind sicherzustellen.

(2) Weiters ist die notwendige Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten sicherzustellen.

Artikel 7

(1) Diagnostik, Behandlung und Pflege haben entsprechend dem jeweiligen Stand der Wissen­schaften bzw. nach anerkannten Methoden zu erfolgen. Dabei ist auch der Gesichtspunkt der best­möglichen Schmerztherapie besonders zu beachten.

(2) Kann nach dem Anstaltszweck und dem Leistungsangebot einer Krankenanstalt eine dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Versorgung eines Patienten oder einer Patientin nicht gewährleistet werden, ist sicherzustellen, dass der Patient oder die Patientin mit seiner bzw. ihrer Zustimmung in eine geeignete andere Krankenanstalt überstellt wird.

(3) In Krankenanstalten hat die ärztliche Betreuung grundsätzlich auf fachärztlichem Niveau zu erfolgen.

Artikel 8

Die Vertragsparteien kommen überein, dass Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens einer Qualitätskontrolle unterzogen und dem Stand der Wissenschaft entsprechend Qualitätssicherungsmaß­nahmen gesetzt werden.

Abschnitt 3

Recht auf Achtung der Würde und Integrität

Artikel 9

(1) Die Privatsphäre der Patienten und Patientinnen ist zu wahren.

(2) Bei der Aufnahme oder Behandlung mehrerer Patienten oder Patientinnen in einem Raum ist durch angemessene bauliche oder organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Intim- und die Privatsphäre gewahrt werden.

(3) Insbesondere bei stationärer Aufnahme von Langzeitpatienten und -patientinnen ist dafür zu sorgen, dass eine vertraute Umgebung geschaffen werden kann.

Artikel 10

Die Organisations-, Behandlungs- und Pflegeabläufe in Kranken- und Kuranstalten sind soweit wie möglich dem allgemein üblichen Lebensrhythmus anzupassen.

Artikel 11

Die Vertragsparteien verpflichten sich, dass klinische Prüfungen von Arzneimitteln, von Medizin­produkten sowie die Anwendung neuer medizinischer Methoden erst nach eingehender ethischer Beurteilung vorgenommen werden dürfen.

Artikel 12

Die religiöse Betreuung stationär aufgenommener Patienten und Patientinnen ist auf deren Wunsch zu ermöglichen.

Artikel 13

(1) Gesundheitsbezogene Daten sowie sonstige Umstände, die aus Anlass der Erbringung von Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens bekannt werden und an denen Patienten und Patientinnen ein Geheimhaltungsinteresse haben, unterliegen dem Datenschutzgesetz.

(2) Ausnahmen sind nur in den im Datenschutzgesetz vorgesehenen Fällen zulässig.

(3) Auskunfts- und Richtigstellungsrechte sind auch für Daten vorzusehen, die nicht automations­unterstützt verarbeitet werden.

Artikel 14

(1) Es ist sicherzustellen, dass im Rahmen stationärer Versorgung Besuche empfangen werden können und sonstige Kontakte gepflogen werden können. Weiters ist der Wunsch eines Patienten oder einer Patientin zu respektieren, keinen Besuch oder bestimmte Personen nicht empfangen zu wollen.

(2) Es ist dafür zu sorgen, dass die Patienten und Patientinnen Vertrauenspersonen nennen können, die insbesondere im Fall einer nachhaltigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verständigen sind und denen in solchen Fällen auch außerhalb der Besuchszeit ein Kontakt mit den Patienten und Patientinnen zu ermöglichen ist.

Artikel 15

(1) In stationären Einrichtungen ist ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Auch dabei ist dem Gebot der bestmöglichen Schmerztherapie Rechnung zu tragen.

(2) Vertrauenspersonen der Patienten und Patientinnen ist Gelegenheit zum Kontakt mit Sterbenden zu geben. Andererseits sind Personen vom Kontakt auszuschließen, wenn der Sterbende dies wünscht.

Abschnitt 4

Recht auf Selbstbestimmung und Information

Artikel 16

(1) Patienten und Patientinnen haben das Recht, im Vorhinein über mögliche Diagnose- und Behandlungsarten sowie deren Risken und Folgen aufgeklärt zu werden. Sie haben das Recht auf Aufklärung über ihren Gesundheitszustand, weiters sind sie über ihre erforderliche Mitwirkung bei der Behandlung sowie eine therapieunterstützende Lebensführung aufzuklären.

(2) Die Art der Aufklärung hat der Persönlichkeitsstruktur und dem Bildungsstand der Patienten und Patientinnen angepasst und den Umständen des Falles entsprechend zu erfolgen.

(3) Ist eine Behandlung dringend geboten und würde nach den besonderen Umständen des Einzelfalles durch eine umfassende Aufklärung das Wohl des Patienten oder der Patientin gefährdet werden, so hat sich der Umfang der Aufklärung am Wohl des Patienten oder der Patientin zu orientieren.

(4) Auf die Aufklärung kann von den Patienten und Patientinnen verzichtet werden; sie dürfen zu einem Verzicht nicht beeinflusst werden.

(5) Patienten und Patientinnen sind im Vorhinein über die sie voraussichtlich treffenden Kosten zu informieren.

Artikel 17

(1) Patienten und Patientinnen dürfen nur mit ihrer Zustimmung behandelt werden.

(2) Ohne Zustimmung darf eine Behandlung nur vorgenommen werden, wenn eine Willensbildungs­fähigkeit der Patienten oder Patientinnen nicht gegeben ist und durch den Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit der Patienten oder der Patientinnen ernstlich gefährdet würde.

(3) Für Patienten und Patientinnen, die den Grund und die Bedeutung einer Behandlung nicht einsehen oder ihren Willen nach dieser Einsicht bestimmen können, ist sicherzustellen, dass eine Behand­lung nur mit Zustimmung eines nach Maßgabe der Gesetze zu bestimmenden Vertreters und erforder­lichenfalls mit Genehmigung des Gerichtes durchgeführt wird.

(4) Ohne Zustimmung des Vertreters und allenfalls erforderlicher Genehmigung des Gerichtes darf eine Behandlung nur bei Gefahr in Verzug vorgenommen werden, wenn der mit der Einholung der Zustimmung oder der Genehmigung verbundene Zeitaufwand für den Patienten oder die Patientin eine Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren gesundheitlichen Schädigung bedeuten würde.

(5) Maßnahmen, die mit einer Beschränkung der persönlichen Freiheit oder sonstigen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der Patienten und Patientinnen verbunden sind und ohne deren gültige Zustimmung vorgenommen werden, sind – sofern nicht der mit der Einholung der Zustimmung verbundene Aufschub mit Lebensgefahr oder mit der Gefahr einer schweren gesundheitlichen Schädigung für den Patienten oder die Patientin verbunden wäre – nur nach entsprechender Befassung des gesetzlichen Vertreters, erforderlichenfalls des Gerichtes, zulässig.

Artikel 18

Patienten und Patientinnen haben das Recht, im Vorhinein Willensäußerungen abzugeben, durch die sie für den Fall des Verlustes ihrer Handlungsfähigkeit das Unterbleiben einer Behandlung oder bestimmter Behandlungsmethoden wünschen, damit bei künftigen medizinischen Entscheidungen soweit wie möglich darauf Bedacht genommen werden kann.

Artikel 19

(1) Das Recht der Patienten und Patientinnen auf Einsichtnahme in die über sie geführte Dokumen­tation der diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen einschließlich allfälliger Beilagen, wie Röntgenbilder, ist sicherzustellen.

(2) Einschränkungen sind nur insoweit zulässig, als sie auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles zum Wohl des Patienten oder der Patientin unvermeidlich sind. Einem Vertreter des Patienten oder der Patientin kommt auch in einem solchen Fall ein uneingeschränktes Einsichtsrecht zu, sofern der Patient oder die Patientin dies nicht ausgeschlossen hat.

Artikel 20

(1) Niemand darf ohne seine ausdrückliche Zustimmung zu klinischen Prüfungen und zu Forschungs- und Unterrichtszwecken herangezogen werden. Die Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden.

(2) Die Verwendung personenbezogener Daten für medizinische Forschungszwecke bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen. Dabei ist besonders zu achten, dass die aus dem Grundrecht auf Datenschutz erfließenden Rechte des Betroffenen gewahrt werden.

Abschnitt 5

Recht auf Dokumentation

Artikel 21

(1) Die notwendige Dokumentation der diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen ist sicherzustellen. Weiters ist die Aufklärung der Patienten und Patientinnen und ihre Zustimmung zur Behandlung oder die Ablehnung einer Behandlung zu dokumentieren.

(2) Es ist sicherzustellen, dass in der Dokumentation auch Willensäußerungen der Patienten und Patientinnen festgehalten werden.

(3) Willensäußerungen nach Abs. 2 können insbesondere Widersprüche gegen die Entnahme von Organen gemäß § 62a Krankenanstaltengesetz oder Willensäußerungen gemäß Artikel 18 sein.

Artikel 22

Patienten und Patientinnen haben das Recht, auf ihren Wunsch gegen angemessenen Kostenersatz Abschriften aus der Dokumentation zur Verfügung gestellt zu bekommen. Artikel 19 Abs. 2 gilt sinngemäß.

Abschnitt 6

Besondere Bestimmungen für Kinder

Artikel 23

Die Aufklärung von Minderjährigen hat ihrem jeweiligen Entwicklungsstand entsprechend zu erfolgen.

Artikel 24

Eine Behandlung, die wegen Lebensgefahr oder Gefahr einer schweren gesundheitlichen Schädigung geboten ist, ist bei Gefahr im Verzug auch gegen den erklärten Willen des Erziehungsberechtigten durchzuführen, ansonsten ist die Genehmigung des Gerichtes einzuholen.

Artikel 25

(1) Unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten ist unmündigen Minderjährigen eine Begleitung durch eine Bezugsperson zu ermöglichen.

(2) Bei der stationären Aufnahme von unmündigen Minderjährigen bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres ist auf Wunsch die Mitaufnahme einer Begleitperson zu ermöglichen. Sofern dies aus räumlichen Gründen nicht möglich ist, ist Bezugspersonen ein umfassendes Besuchsrecht einzuräumen, das lediglich aus zwingenden medizinischen oder organisatorischen Gründen eingeschränkt werden darf.

(3) Bezugspersonen sollen auf ihren Wunsch soweit wie möglich an der Betreuung beteiligt werden.

Artikel 26

Einrichtungen, Abteilungen und Bereiche, die überwiegend der Behandlung von Minderjährigen dienen, sind altersgerecht auszustatten.

Artikel 27

(1) Soweit dies organisatorisch möglich ist, hat eine stationäre Aufnahme von unmündigen Minder­jährigen getrennt von erwachsenen Patienten zu erfolgen.

(2) Angehörige der Gesundheitsberufe, denen die Behandlung und Pflege von Minderjährigen obliegt, sollen durch ihre Ausbildung befähigt werden, auf die alters- und entwicklungsbedingten Bedürfnisse von Minderjährigen eingehen zu können.

Artikel 28

Die Träger von Krankenanstalten haben organisatorisch dafür vorzusorgen, dass schulpflichtigen Kindern bei einem längeren stationären Aufenthalt nach Maßgabe schulrechtlicher Bestimmungen Unterricht erteilt werden kann.

Abschnitt 7

Vertretung von Patienteninteressen

Artikel 29

(1) Zur Vertretung von Patienteninteressen sind unabhängige Patientenvertretungen einzurichten und mit den notwendigen Personal- und Sacherfordernissen auszustatten. Die unabhängigen Patientenvertre­tungen sind bei ihrer Tätigkeit weisungsfrei zu stellen und zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Es ist ihnen die Behandlung von Beschwerden von Patienten und Patientinnen und Angehörigen, die Auf­klärung von Mängeln und Missständen und die Erteilung von Auskünften zu übertragen. Patienten­vertretungen können Empfehlungen abgeben.

(2) Die unabhängigen Patientenvertretungen haben mit Patientenselbsthilfegruppen, die Patienten­interessen wahrnehmen, die Zusammenarbeit zu suchen.

(3) Patienten und Patientinnen haben das Recht auf Prüfung ihrer Beschwerden und auf Vertretung ihrer Interessen durch die unabhängigen Patientenvertretungen. Sie sind vom Ergebnis der Überprüfung zu informieren. Die Inanspruchnahme der Patientenvertretungen ist für die Patienten und Patientinnen mit keinen Kosten verbunden.

Artikel 30

(1) Es ist sicherzustellen, dass unabhängigen Patientenvertretungen Gelegenheit geboten wird, vor Entscheidungen in grundlegenden allgemeinen patientenrelevanten Fragen ihre Stellungnahme abzu­geben. Dies gilt insbesondere vor der Errichtung neuer stationärer und ambulanter Versorgungs­strukturen, für die öffentliche Mittel eingesetzt werden, für die Durchführung von Begutachtungs­verfahren zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen sowie für grundlegende Planungsvorhaben.

(2) Dachorganisationen von Patientenselbsthilfegruppen ist Gelegenheit zu geben, in Begutachtungs­verfahren zu patientenrelevanten Gesetzes- und Verordnungsentwürfen gehört zu werden.

Artikel 31

(1) Die Vertragsparteien haben sicherzustellen, dass Informationen über Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens für jedermann zur Verfügung stehen.

(2) Es ist sicherzustellen, dass freiberuflich tätige Angehörige der Gesundheitsberufe und Träger von Einrichtungen im Bereich des Gesundheitswesens über ihre Leistungen in sachlicher Weise informieren.

Abschnitt 8


Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen

Artikel 32

Im Zusammenhang mit der Haftung für Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens dürfen Abweichungen vom Schadenersatzrecht und von allgemeinen Beweislast- und Gewährleistungsregeln im Sinne der Bestimmungen des ABGB nur zugunsten der Patienten und Patientinnen getroffen werden.

Artikel 33

Vergleichsgespräche vor ärztlichen Schlichtungsstellen und vergleichbaren Einrichtungen hemmen den Ablauf der Verjährung bis zum Verstreichen einer angemessenen Klagsfrist nach Abbruch des Verfahrens oder nach einer sonstigen, zuungunsten des Patienten oder der Patientin erfolgenden Beendigung des Schlichtungsverfahrens.

Abschnitt 9

Schlussbestimmungen

Artikel 34

In-Kraft-Treten

(1) Diese Vereinbarung tritt mit dem Monatsersten nach Einlangen der Mitteilungen der Vertrags­parteien beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, dass die nach der Bundes­verfassung bzw. nach der Verfassung des Landes Oberösterreich erforderlichen Voraussetzungen für das In-Kraft-Treten erfüllt sind, in Kraft.

(2) Das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen hat die Vertragsparteien in Kenntnis zu setzen, wenn die Mitteilungen nach Abs. 1 eingelangt sind.

Artikel 35

Durchführung

Die Vertragsparteien verpflichten sich, die in ihre jeweiligen Kompetenzbereiche fallenden gesetzlichen Regelungen, die zur Durchführung dieser Vereinbarung erforderlich sind, zu erlassen.

Artikel 36

Abänderung

Eine Abänderung dieser Vereinbarung ist nur schriftlich im Einvernehmen der Vertragsparteien möglich.

Artikel 37

Hinterlegung

Diese Vereinbarung wird in einer Urschrift ausgefertigt. Die Urschrift wird beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen hinterlegt. Dieses hat dem Land Oberösterreich eine beglaubigte Abschrift der Vereinbarung zu übermitteln.

Für den Bund:

Der Staatssekretär für Gesundheit im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen:

Waneck

Für das Land Oberösterreich:

Der Landeshauptmann von Oberösterreich:

Pühringer

Vorblatt

Problem und Ziel:

Das Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien der Bundesregierung für die XVIII. GP. vom Dezember 1990 enthielt im Bereich des Gesundheitswesens ua. das Ziel, die Patientenrechte systematisch weiterzuentwickeln, wobei in diesem Zusammenhang auch die Kodifizierung der Patientenrechte Erwähnung fand.

Der Kompetenzlage entsprechend finden sich Patientenrechte sowohl in Bundes- als auch in Landesrechtsvorschriften. Ein Bundespatientenrechtegesetz könnte daher immer nur Teilbereiche lösen und müsste unvollständig sein. Der Charakter der Patientenrechte als Querschnittsmaterie führten zu der Überlegung, kein eigenes Patientenrechtegesetz auszuführen, sondern den Versuch zu unternehmen, auf der Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, in der sich Bund und Länder wechselseitig zur Sicherstellung der darin genannten Patientenrechte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten verpflichten, eine losgelöst von der Kompetenzlage vollständige und übersichtliche Zusammenfassung aller Patientenrechte zu geben („Patientencharta“).

Vorarbeiten für eine solche Vereinbarung wurden im damaligen Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz bereits Anfang der 90er Jahre geleistet. Es zeigte sich allerdings, dass die Bereitschaft aller Länder zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung nicht vorgelegen ist, sodass das Projekt damals nicht weiterverfolgt und zu einem Abschluss gebracht werden konnte.

Zwischenzeitig wurde mit dem Land Kärnten die genannte Vereinbarung jedoch bilateral abgeschlossen (BGBl. I Nr. 195/1999).

Das Regierungsübereinkommen der Bundesregierung für die XXI. GP sieht unter dem Thema Patienten­rechte vor, dass die Bemühungen des Bundes auf Abschluss der Art.-15a-B-VG-Verträge mit den Bundesländern über die Verwirklichung von Patientenchartas fortzusetzen sind.

Nachdem ein bilateraler Abschluss mit dem Bundesland Burgenland bereits in die Wege geleitet wurde, hat nunmehr hat auch das Land Oberösterreich den Wunsch nach einem bilateralen Abschluss geäußert, diesem Wunsch wäre im Sinne der Weiterentwicklung der Patientenrechte nachzukommen.

Inhalt:

Die Vereinbarung enthält Regelungen zu folgenden wesentlichen Bereichen von Patientenrechten:

–   Recht auf Behandlung und Pflege,

–   Recht auf Achtung der Würde und Integrität,

–   Recht auf Selbstbestimmung und Information,

–   Recht auf Dokumentation,

–   Besondere Bestimmungen für Kinder,

–   Vertretung von Patienteninteressen und

–   Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen.

Alternative:

Unterlassung des angebotenen bilateralen Abschlusses. Dies würde allerdings bedeuten, dass die Gelegen­heit zu einem Anstoß zur Stärkung und Fortentwicklung der Patientenrechte verabsäumt werden würde.

Kosten:

Für den Bund werden sich auf Grund der Vereinbarung keine Mehrkosten ergeben.

EU-Konformität:

Gegeben.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Das Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien der Bundesregierung für die XVIII. GP. vom Dezember 1990 enthielt im Bereich des Gesundheitswesens ua. das Ziel, die Patientenrechte systematisch weiterzuentwickeln, wobei in diesem Zusammenhang auch die Kodifizierung der Patientenrechte Erwähnung fand.

Schon die ersten Diskussionen dieses Zieles hatten allerdings gezeigt, dass die Ursachen der eigentlichen Probleme in der Praxis kaum in nicht bestehenden Patientenrechten liegen, sondern dass die in der Rechtsordnung längst vorhandenen und durch die Judikatur abgesicherten Patientenrechte im Alltag bisweilen nur sehr schwer durchgesetzt werden können. Ein Grund für diese Schwierigkeiten liegt schon darin, dass die Patientenrechte über eine Vielzahl von Gesetzen verstreut sind. Der Kompetenzlage entsprechend finden sich Patientenrechte dabei sowohl in Bundes- als auch in Landesrechtsvorschriften. Als Beispiele für die erstgenannte Gruppe seien das Ärztegesetz 1998, die Sozialversicherungsgesetze und das Strafgesetzbuch genannt, auf Landesebene sind Bestimmungen über Patientenrechte ua. im Rahmen des Kompetenztatbestandes der Heil- und Pflegeanstalten in den Landeskrankenanstaltengesetzen sowie im Rahmen der in den ausschließlichen Wirkungsbereich der Länder fallenden Materien des Gemeinde­sanitätsdienstes und des Rettungswesens enthalten. Das Phänomen kompetenzrechtlich mit verschiedenen Aufgaben und unterschiedlichen Zuständigkeiten verquickter Materien („Querschnittsmaterien“) bringt es mit sich, dass zur Regelung einer einzelnen Frage stets der Gesetzgeber zuständig ist, der zur Regelung des jeweils angesprochenen Problembereichs insgesamt kompetent ist. Dies führt zu der oben erwähnten Zersplitterung der Regelungen über Patientenrechte, finden sich diese doch im Zusammenhang mit Zivil-, Straf- und Sozialversicherungsrecht ebenso wie in Ländermaterien.

Ein Bundespatientenrechtegesetz könnte daher – würde nicht zuvor eine Verfassungsänderung eine umfassende Bundeskompetenz für Patientenrechte schaffen – immer nur Teilbereiche lösen, es müsste damit immer unvollständig sein.

Hinzu kommt, dass der weitaus größte Teil der Patientenrechte keinesfalls legislatives Neuland darstellt. Patientenrechte wie Recht auf Verschwiegenheit, Recht auf Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und Recht auf Spitalsbehandlung bei Anstaltsbedürftigkeit finden sich längst in der positiven Rechtsordnung, andere essentielle Patientenrechte sind auch ohne ausdrückliche Regelung seit langem in Literatur und Judikatur unbestritten (zB Recht auf Einsicht in die Kranken­geschichte, vgl. OGH 23. 5. 1984, 10 Ob 550/84). Der Mangel liegt somit nicht darin, dass diese Rechte nicht vorhanden wären, er liegt vielmehr in mangelnder Information und in Schwierigkeiten der Durch­setzung.

Der Charakter der Patientenrechte als Querschnittsmaterie, ihre Zersplitterung über zahlreiche Vorschriften im Rahmen der Rechtsordnung des Bundes und der Länder, das dadurch bedingte Informationsdefizit und nicht zuletzt aus diesem Grund verursachte Schwierigkeiten in der Durchsetzung führten zu der Überlegung, kein eigenes Patientenrechtegesetz auszuführen, sondern den Versuch zu unternehmen, auf der Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, in der sich Bund und Länder wechselseitig zur Sicherstellung der darin genannten Patientenrechte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten verpflichten, eine losgelöst von der Kompetenzlage vollständige und übersichtliche Zusammenfassung aller Patientenrechte zu geben („Patientencharta“). Dabei soll freilich auch die Möglichkeit genützt werden, im Rahmen einer solchen Vereinbarung auch eine Weiterentwicklung der Patientenrechte vorzunehmen und einzelne Lücken zu schließen.

Diese Lösung bietet den großen Vorteil, dass sowohl längst bestehende wie auch neu zu schaffende Patientenrechte in einem Stück Bundesgesetzblatt zusammmengefasst sind, womit trotz kompetenz­rechtlicher Zersplitterung eine übersichtliche und vollständige Information möglich ist.

Als Vorarbeiten für eine solche Vereinbarung über die Patientenrechte in Österreich wurde unter Beiziehung zahlreicher Experten im Rahmen einer Arbeitsgruppe im damaligen Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz der Text einer Patientencharta erarbeitet und dem allgemeinen Begutachtungsverfahren zugeführt.

Die anschließenden Beratungen mit Vertretern der Länder und die formelle Befassung der Länder zeigten allerdings, dass die Bereitschaft aller Länder zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung nicht vorgelegen ist, sodass das Projekt damals nicht weiterverfolgt und zu einem Abschluss gebracht werden konnte.

Zwischenzeitig hat das Land Kärnten die genannte Vereinbarung bilateral mit dem Bund abgeschlossen (BGBl. I Nr. 195/1999).

Das Regierungsübereinkommen der Bundesregierung für die XXI. GP sieht unter dem Thema Patienten­rechte vor, dass die Bemühungen des Bundes auf Abschluss der Art. 15a B-VG-Verträge mit den Bundesländern über die Verwirklichung von Patientenchartas fortzusetzen sind.

Nachdem ein bilateraler Abschluss mit dem Bundesland Burgenland bereits in die Wege geleitet wurde, hat nunmehr auch das Land Oberösterreich den Wunsch nach einem bilateralen Abschluss geäußert, diesem Wunsch wäre im Sinne der Weiterentwicklung der Patientenrechte und in Umsetzung des Regie­rungsübereinkommens nachzukommen.

Für den Bund werden sich durch den Abschluss der Vereinbarung keine Mehrkosten ergeben, da es sich im Wesentlichen um eine Kompilation der sich aus der geltenden Rechtslage ergebenden Patientenrechte handelt.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1:

Wie bereits im allgemeinen Teil der Erläuterungen dargelegt, sollen sich durch die vorliegende Verein­barung die Vertragsparteien verpflichten, die in der Charta angeführten Patientenrechte im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit sicherzustellen. Subjektive Rechte Einzelner können hingegen – dem Charakter einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG entsprechend – durch eine solche Vereinbarung nicht begründet werden.

Die Definition des Patientenbegriffs in Artikel 1 Abs. 2 ist eine umfassende. Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens beinhalten sowohl ärztliche und pflegerische Leistungen als auch die Leistungen aller anderen im Gesundheitsbereich tätigen Berufsgruppen. Es sollen kurative und Vorsorgemaßnahmen erfasst werden, unabhängig davon, ob diese Leistungen von Patienten in Anspruch genommen werden oder der Patient an einer Inanspruchnahme gehindert ist, ihrer jedoch auf Grund seines Gesundheits­zustands bedarf. Der Erhaltung und dem Schutz der Gesundheit dienen zB Kureinrichtungen. Nicht erfasst werden Leistungen, die durch Dienste im Bereich der Sozialversorgung erbracht werden (zB Essen auf Rädern, Heimhilfe) oder bloße Pflegeeinrichtungen. Diese Vereinbarung soll keine Überschneidungen mit der Vereinbarung über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige Personen, BGBl. Nr. 866/1993, aufweisen.

Zu Abschnitt 1:

An der Spitze der Patientenrechte soll sich mit maßgeblicher Bedeutung für die Auslegung im Zweifelsfall das Postulat finden, dass die Persönlichkeitsrechte der Patienten besonders zu schützen sind und die Menschenwürde unter allen Umständen zu achten und zu wahren ist. Zu den Persönlichkeits­rechten, deren Schutz im gegebenen Zusammenhang besonders relevant ist, zählen zB das Recht auf Ehre, Achtung der Privatsphäre, auf Freiheit und Schutz des Briefgeheimnisses. Im Hinblick auf die besondere Patientensituation – insbesondere im stationären Bereich – muss es Aufgabe aller im Gesundheitsbereich Tätigen sein, dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Patienten verstärktes Augenmerk zu widmen, dies insbesondere in jenen Fällen, in denen Patienten auf Grund der Umstände nicht in der Lage sind, ihre Rechte selbst wahrzunehmen.

Die „Menschenwürde“ ist durch § 16 ABGB und Artikel 3 EMRK geschützt. Die neuerliche Anführung im Zusammenhang mit Patientenrechten soll verdeutlichen, dass diesem Schutzinteresse im Konfliktfall mit gegenläufigen Interessen grundsätzlich Vorrang zukommt.

Ebenso bedeutsam ist es, dass kein Patient wegen einer Krankheit oder des Verdachts auf das Vorliegen einer Krankheit diskriminiert werden darf. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an AIDS bzw. schon an Infektionen mit dem HI-Virus, wo in der Diskussion über den Umgang mit dieser Krankheit bzw. diesem Zustand immer wieder Forderungen nach aus medizinischer Sicht nicht erforderlichen und gesundheitspolitisch auch nicht zweckmäßigen Sondermaßnahmen für diese Personengruppe erhoben werden. Das Diskriminierungsverbot zielt allerdings nicht allein auf AIDS ab, sondern auf alle Krankheiten (zB auch auf psychisch Kranke usw.). Gesetzliche Maßnahmen, wie sie etwa im Tuberkulosegesetz, Geschlechtskrankheitengesetz oder Epidemiegesetz vorgesehen sind, stellen keine Diskriminierung dar, weil sie medizinisch abgesichert zum Schutz der Volksgesundheit erforderlich und damit sachlich gerechtfertigt sind.

Zu Abschnitt 2:

Die Gleichbehandlung der Patienten erfordert es, dass der Zugang zu notwendigen Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts, der Herkunft, des Vermögens oder Ähnliches möglich ist. In manchen Bereichen sind die Wartezeiten für eine mögliche Inanspruchnahme dieser Dienste in Einzelfällen bereits an der Grenze der vertretbaren Dauer. Die Charta soll die Vertragsparteien daher verpflichten, dass Leistungen der Gesundheitsdienste in angemessener Zeit in Anspruch genommen werden können.

Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens sind auf allen in Betracht kommenden Gebieten flächendeckend (dh. für die Betroffenen in zumutbarer Entfernung) sicherzustellen. Ein wesentliches Element eines zweckentsprechenden Mitteleinsatzes ist eine Bedarfsplanung, um die flächendeckende Versorgung mit den Leistungen der Gesundheitsdienste entsprechend den sich ändernden Gegebenheiten (zB demographische Entwicklung, Entwicklung neuer medizinischer Methoden und Angebote, gesell­schaftliche Entwicklungstendenzen) zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang sei auf die im Rahmen der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Kranken­anstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 gesetzten Schritte im Zusammenhang mit einer koordinierten Bedarfsplanung verwiesen.

Durch entsprechende organisatorische Maßnahmen soll die Kontinuität der Behandlung und Pflege im Sinne der Betroffenen gewahrt werden.

Zu Artikel 6 Abs. 1 ist festzuhalten, dass sich der jeweilige Anspruch einerseits nach der medizinischen Notwendigkeit und andererseits nach den sonstigen Umständen im Einzelfall zu richten haben wird, zB wird die Rettung nach einem Bergunfall zunächst auch von den Witterungsumständen abhängen.

Die Versorgung mit Arzneimitteln ist durch eine bedarfsgerechte Einrichtung von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken sicherzustellen.

Entsprechend den Bestimmungen des Ärztegesetzes und des Krankenanstaltengesetzes, des Psychologen­gesetzes, des Psychotherapiegesetzes, des MTD-Gesetzes, des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, des MTF-SHD-Gesetzes, des Kardiotechnikergesetzes und des Hebammengesetzes ist davon auszugehen, dass die Leistungen dieser Berufgruppen entsprechend dem Stand der jeweiligen Wissenschaft bzw. nach anerkannten Methoden unter Beachtung des Fortschritts der fachlichen Erkenntnisse zu erbringen sind.

In diesem Zusammenhang werden alle medizinischen Leistungen, die zum Leistungsangebot einer Krankenanstalt gehören, dem Stand der medizinischen Wissenschaft zu entsprechen haben, was jedoch nicht bedeutet, dass eine Krankenanstalt alle dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Leistungen anzubieten hat oder die gesamte in Betracht kommende apparative Ausstattung aufweisen müsste. Die nach dem Krankenanstaltengesetz (KAG) vorgesehene Gliederung in die Versorgungsstufen und die nach dem Österreichischen Krankenanstalten- und Großgeräteplan vorgesehenen Planungen mit den jeweiligen Versorgungsaufgaben bleiben unberührt. Kann die Versorgung eines Patienten in einer Krankenanstalt nicht in einer dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Weise gewährleistet werden, weil die erforderlichen medizinischen Leistungen nicht zum Leistungsangebot der Krankenanstalt gehören, ist eine Transferierung des Patienten in eine andere Krankenanstalt zu veranlassen, die nach ihrem Leistungsangebot die notwendige Versorgung sicherstellt.

Grundsätzlich hat die ärztliche Betreuung in Krankenanstalten auf fachärztlichem Niveau zu erfolgen. Diese Forderung ist jedenfalls dort einzuhalten, wo Fachabteilungen eingerichtet sind (§ 7 Abs. 4 KAG). Die Bestimmungen des Krankenenstaltengesetzes über die Möglichkeit der Einrichtung einer Rufbereitschaft in bestimmten Fällen in Standard- und Schwerpunktkrankenanstalten bleiben unberührt. Eine andere Beurteilung wird in jenen Krankenanstalten Platz greifen können, die nicht in Fachabteilungen gegliedert sind. In diesen Bereichen kann zB das Ziel einer umfassenden Betreuung chronisch Kranker durch eine Betreuung auf allgemeinmedizinischem Niveau besser erreicht werden. In diesen Fällen wird sich die geeignetste ärztliche Betreuung je nach der Art der zu erbringenden Leistung nach den Bedürfnissen der Patienten auszurichten haben.

Zu Artikel 8:

Die WHO hat in ihrem Programm „Gesundheit 2000“ unter Ziel 31 die Empfehlung ausgesprochen, dass jeder Mitgliedstaat in seinem Gesundheitsversorgungssystem effektive Verfahren der Qualitätssicherung in der Patientenversorgung realisieren soll. Der Umsetzung dieser Empfehlung auf nationaler Ebene dient die vorliegende Verpflichtung. Für den Bereich der Krankenanstalten wurde in der unter BGBl. Nr. 801/1993 kundgemachten Novelle zum KAG die Verpflichtung zur Einführung von Qualitäts­sicherungsmaßnahmen in Krankenanstalten vorgesehen. Die internationale Diskussion über Qualitäts­sicherung im extramuralen Bereich ist zwar noch nicht so weit gediehen wie im Krankenanstaltenbereich, dennoch soll eine grundsätzliche Verpflichtung für die Initiierung von Qualitätssicherungsmaßnahmen für alle Bereiche der Gesundheitsversorgung im Sinne einer innovativen Fortentwicklung auf diesem Gebiet festgeschrieben werden.

Zu Abschnitt 3:

Im Zusammenhang mit dem bereits eingangs erwähnten Gebot der Achtung der Menschenwürde wird festgehalten, dass die Privatsphäre des Patienten zu wahren ist. Diesem Anliegen kommt besonders im stationären Versorgungsbereich Bedeutung zu (zB Mehrbettzimmer, Gangbetten). Diese Gebot findet sich schon in § 5a Z 7 KAG.

Zur Schaffung einer vertrauten Umgebung für Langzeitpatienten wird zB die Mitnahme von persönlichen Gegenständen, zB das Anbringen von Bildern oder sonstigen Erinnerungsstücken zu ermöglichen sein.

Ein Faktor, der im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts zusätzlich belastend wirkt, ist die grundlegende Umgestaltung des Lebensrhythmus, der sich oft auch aus der Organisation des Dienstes der Leistungs­erbringer in Krankenanstalten ergibt. Mit gutem Willen und Organisationsgeschick sollte es jedoch möglich sein, Organisations- und Behandlungsabläufe in Krankenanstalten besser den Bedürfnissen der Patienten und dem üblichen Lebensrhythmus anzupassen (vgl. auch § 5a Z 10 KAG).

Bereits die Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes forderte, dass die Planung und Durchführung jeder klinischen Prüfung einem besonderen berufenen unabhängigen Ausschuss zur Beratung und Stellungnahme vorgelegt werden sollte. Seit 1988 ist eine entsprechende Kommission im KAG verankert. Für klinische Prüfungen außerhalb von Krankenanstalten wurde eine dem internationalen Standard entsprechende Ethikkommission im Rahmen des Arzneimittelgesetzes und Medizinproduktegesetzes verankert, korrespondierend wurden die Regelungen des KAG über die Ethikkommission für klinische Prüfungen in Krankenanstalten durch die Novelle BGBl. Nr. 801/1993 dem internationalen Standard angepasst. Im Rahmen der zuvor erwähnten Novelle zum KAG wurde der Ethikkommission auch die Aufgabe übertragen, die Anwendung neuer medizinischer Methoden aus ethischer Sicht zu beurteilen. Vor dem Hintergrund des § 8 Abs. 2 KAG, wonach eine ärztliche Behandlung nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft erfolgen darf, muss es sich dabei um Methoden handeln, deren Anwendung nach vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen eine verbesserte medizinische Behandlung erwarten lässt.

Im Hinblick auf die besondere Sensibilität gesundheitsbezogener Daten kommt einer umfassenden Geheimhaltungspflicht in Bezug auf diese Daten entscheidende Bedeutung zu. Die einschlägigen gesetz­lichen Bestimmungen sehen bereits eine entsprechende Verschwiegenheitspflicht für die im Gesundheits­wesen beschäftigten Personen vor (vgl. zB § 54 Ärztegesetz 1998, § 14 Psychologengesetz, § 15 Psychotherapiegesetz, § 11 Abs. 2 MTD-Gesetz, § 6 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, § 60 MTF‑SHD-Gesetz, § 8 Kardiotechnikergesetz, § 20 Apothekenbetriebsordnung, §§ 9 und 62b KAG).

Strafrechtlich geschützt sind solche Geheimnisse, die den Gesundheitszustand einer Person betreffen und deren Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, berechtigte Interessen zu verletzen (§ 121 StGB).

Ausnahmen von der Geheimhaltung dürfen entsprechend dem Grundrecht auf Datenschutz nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen (zB Übermittlung von Daten an die Krankenversiche­rungsträger, soweit dies zur Wahrnehmung der diesen obliegenden Aufgaben erforderlich ist) oder aus den im Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen vorgesehen werden.

Ansonsten ist eine Weitergabe von Informationen nur mit Zustimmung des Patienten zulässig. Dies trifft auch im Fall der Auskunftserteilung an Angehörige des Patienten zu. Eine konkludente Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht kann nach den Umständen des Einzelfalles auch dann angenommen werden, wenn der Patient eine bestimmte Person als Person seines Vertrauens bezeichnet. Umgekehrt wird auch besonders zu respektieren sein, wenn ein Patient bestimmte Personen, selbst wenn es nächste Angehörige sind, von einer Weitergabe bestimmter Auskünfte ausdrücklich ausnimmt.

Im Hinblick auf die besondere Bedeutung gesundheitsbezogener Daten ist es für die Betroffenen besonders wichtig, Auskünfte zu erhalten, wer welche gesundheitsbezogenen Daten aufgezeichnet hat. Für automationsunterstützt verarbeitete Daten sieht bereits das Datenschutzgesetz Auskunfts-, Richtig­stellungs- und Löschungsrechte vor. Auskunfts- und Richtigstellungsrechte sollen auch für den Bereich nicht automationsunterstützt verarbeiteter Daten bestehen, es fällt in die Zuständigkeit der Länder, für den Bereich der strukturierten manuellen Daten entsprechende datenschutzrechtliche Regelungen zu erlassen.

Obwohl in den letzten Jahren in der Praxis vielfach die Besuchsmöglichkeiten in Spitälern wesentlich liberaler gehandhabt werden, soll im Artikel 14 das Recht auf Besuche verankert werden. Es wird davon ausgegangen, dass Beschränkungen dieses Rechtes außerhalb der Zeit der Nachtruhe nur aus zwingenden medizinischen Gründen vorgenommen werden.

Für die seelische Unterstützung der Patienten ist der Kontakt mit Personen ihres Vertrauens gerade dann erforderlich, wenn sich ihr Gesundheitszustand gravierend verschlechtert. Dem Begriff „Vertrauens­person“ wurde gegenüber dem Begriff „Angehöriger“ der Vorzug gegeben. Dadurch soll zum Ausdruck kommen, dass nicht jede Person, die im familienrechtlichen Sinn als Angehöriger zu verstehen ist, von der Regelung erfasst ist. Bereits im Zuge der Aufnahmemodalitäten kann dem Patienten Gelegenheit zur Nennung von Vertrauenspersonen gegeben werden. Im Falle einer nachhaltigen Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten wird der Besuchsmöglichkeit durch eine Vertrauensperson der Vorrang vor den Interessen des Anstaltsbetriebs zu geben sein (vgl. § 5a Z 4 KAG). Den berechtigten Interessen der Mitpatienten, wie zB ihrem Ruhebedürfnis, wird durch geeignete Maßnahmen des Anstaltsträgers Rechnung zu tragen sein.

In Österreich sterben zwei Drittel aller Menschen in Spitälern oder Alten- und Pflegeheimen. Die Umstände des Sterbens im Spital sind sowohl für die Sterbenden als auch für die Angehörigen in vielen Fällen besonders belastend. Es ist erforderlich, die Organisationsstruktur in Krankenanstalten so zu gestalten, dass ein Abschiednehmen in einem humanen, menschenwürdigen Umfeld möglich ist. Zu den Bedingungen für ein würdevolles Sterben ist auch der ungehinderte Kontakt mit Vertrauenspersonen zu zählen (vgl. § 5a Z 9 KAG).

Zu Abschnitt 4:

Jede ärztliche Behandlung (wobei der Begriff „Behandlung“ nach der Judikatur zu § 110 StGB auch Diagnosemaßnahmen erfasst) darf grundsätzlich nur nach rechtsgültiger Einwilligung des Patienten durchgeführt werden. Die Zustimmung kann nur dann wirksam erteilt werden, wenn der Patient über die Bedeutung des vorgesehenen ärztlichen Eingriffs und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde. Art und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht sind gesetzlich nicht näher umschrieben, in der Rechtsprechung wurden eine Reihe von Grundsätzen entwickelt, die als Maßstab an die ärztliche Aufklärung anzulegen sind.

Der Umfang der Aufklärung wird bestimmt durch die Art der Erkrankung und des Eingriffs, durch dessen Dringlichkeit sowie durch das Wissen des Patienten. Routinemäßige, nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft risikoarme Behandlungen erfordern ein geringeres Maß an Aufklärung, je weniger notwendig ein Eingriff ist, desto weiter muss die Aufklärung gehen. Die Aufklärung hat auch die in Betracht kommenden möglichen Diagnose- und Behandlungsarten und deren jeweilige Risiken aufzuzeigen. Ebenso ist es angezeigt, den Patienten darauf hinzuweisen, wie er durch sein eigenes Verhalten zu einem Behandlungserfolg beitragen kann bzw. wo seine Mitwirkung an der Behandlung unumgänglich ist.

Die Art der Aufklärung ist auf die geistigen Fähigkeiten des Patienten abzustellen, wobei von einem Arzt auch erwartet werden kann, die in Aussicht genommene Behandlung und deren Folgen in einfachen Worten darzulegen.

Die Verpflichtung des Arztes zur gewissenhaften Betreuung seiner Patienten gebietet, die Aufklärung so vorzunehmen, dass dadurch deren Wohl nicht gefährdet wird. Die Aufklärung hat daher entsprechend schonend gegeben zu werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf das in der Judikatur entwickelte sog. „therapeutische Privileg“ („therapeutischer Vorbehalt“) hinzuweisen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, dass der Tatbestand des § 110 StGB nur dann nicht erfüllt ist, wenn eine rechts­wirksame Einwilligung des Patienten vorliegt. Davon kann jedenfalls nur dann ausgegangen werden, wenn der Behandelnde seiner Aufklärungspflicht ausreichend nachgekommen ist. Der im Einzelfall auftretende Konflikt zwischen ärztlicher Fürsorgepflicht und freier Selbstbestimmung des Patienten ist in jedem Fall vom behandelnden Arzt zu beurteilen. Jedoch muss einem Patienten, der auf der Mitteilung der Diagnose oder der Risken einer Behandlung besteht, die Wahrheit gesagt werden. Bei der Aufklärung Erziehungsberechtigter oder gesetzlicher Vertreter Minderjähriger oder nicht voll Geschäftsfähiger kommt ein therapeutisches Privileg nicht in Betracht.

Die durch die Rechtsprechung zur Aufklärung des Patienten einschließlich therapeutisches Privileg entwickelten Grundsätze sollen durch die vorliegende Vereinbarung jedenfalls keine Änderung erfahren.

Aus Konsumentenschutzgründen und um das Kostenbewusstsein der Patienten zu fördern, sollen Patienten vor Inanspruchnahme der Leistungen der Gesundheitsdienste über die für sie daraus erwachsen­den Kosten informiert werden.

Wie auch sonst auf einzelne vertraglich zustehende Rechte verzichtet werden kann, kann der Patient auch auf das ihm aus dem Behandlungsvertrag entspringende Recht der Aufklärung verzichten. Auch ein konkludenter Verzicht ist möglich, ein solcher darf jedoch erst angenommen werden, wenn dies mit aller Deutlichkeit, etwa nach einem eingehenden Gespräch mit dem Patienten, feststeht. Der Patient darf nicht zu einem Verzicht auf Aufklärung beeinflusst werden.

Das grundsätzliche Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Patienten zu jedem ärztlichen Eingriff ergibt sich abgesehen von § 110 StGB unmittelbar aus dem Zivilrecht, da aus dieser Sicht die Vornahme einer ärztlichen Behandlung auf Grundlage eines zivilrechtlichen Behandlungsvertrages erfolgt, für dessen Zustandekommen es übereinstimmender Willenserklärungen des Arztes und des Patienten bedarf. Bei der Annahme einer konkludenten Zustimmung wird darauf zu achten sein, dass das Verhalten des Patienten bzw. seines Vertreters unmissverständlich und eindeutig als Zustimmung zu werten ist. Im Übrigen sollte schon aus Beweisgründen eine ausdrückliche, ja sogar schriftliche Zustimmung erfolgen, wenn ein besonders schwerwiegender, insbesondere auch irreversibler Eingriff vorzunehmen ist.

Eine Zustimmung zur Behandlung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Willensbildungsfähigkeit des Patienten nicht vorliegt (zB Bewusstlosigkeit) und die Behandlung so dringend notwendig ist, dass der mit der Einholung der Zustimmung verbundene Aufschub Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren gesundheitlichen Schädigung bedeuten würde.

Die rechtswirksame Zustimmung zur ärztlichen Behandlung setzt die notwendige Geschäfts- und Handlungsfähigkeit voraus. An Patienten, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung den Grund und die Bedeutung einer medizinischen Behandlung nicht einsehen oder ihren Willen nach dieser Einsicht bestimmen können, darf eine Behandlung nur mit Zustimmung des Vertreters, in dessen Aufgabenbereich die Erteilung der Zustimmung zu einer Heilbehandlung für den Vertretenen fällt, oder mit Genehmigung des Gerichtes erfolgen. In wichtigen Angelegenheiten der Personensorge hat der Sachwalter auch die Genehmigung des Gerichtes einzuholen.

Vielfach wird die Forderung nach Verankerung eines sog. „Patiententestaments“ erhoben, in dem der (künftige) Patient darum ersucht, im Fall einer unmittelbar zum Tode führenden Erkrankung für den Fall des Verlustes seiner Handlungsfähigkeit auf „bloß“ lebensverlängernde medizinische Maßnahmen zu verzichten. Die vorgeschlagene Bestimmung soll auf dem Boden der geltenden Rechtslage dazu beitragen, dass der Wille des Patienten Richtschnur für die weitere Behandlung sein soll. Äußerungen einer Person können nicht zeitlich unbeschränkt verbindlich sein, weil sie zu ihrer Wirksamkeit vom permanenten und verständigen Willen des Erklärenden getragen sein müssen. Sobald bei Verlust der Handlungsfähigkeit das Vorhandensein eines der Erklärung entsprechenden aktuellen Rechtswillens zu verneinen ist, verliert auch die Erklärung für den Zeitpunkt ab dem Eintritt der Handlungsunfähigkeit ihre Rechtswirksamkeit. Es soll jedoch sichergestellt werden, dass der Wunsch des Patienten über künftige Behandlungsmethoden dokumentiert wird, um ihn für den Fall der späteren Handlungsunfähigkeit so weit wie möglich berücksichtigen zu können, ohne dass damit eine tatsächliche Bindungswirkung verbunden wäre.

Das Recht des Patienten auf Einsicht in die Krankengeschichte besteht nach einhelliger Lehre und Judikatur als vertragliche Nebenpflicht aus dem ärztlichen Behandlungsvertrag. Das Einsichtsrecht schließt auch das Recht auf Kopien, Duplikate usw. gegen Kostenersatz ein.

Auch in diesem Zusammenhang sei nochmals auf das sog. „therapeutische Privileg“ verwiesen, das in seltenen Einzelfällen kurzfristig zu einer Einschränkung des Einsichtsrechts führen kann.

Es entspricht dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten und der geltenden Rechtslage, dass Personen zu klinischen Prüfungen von Arzneimitteln oder Medizinprodukten nur mit ihrer Zustimmung herangezogen werden dürfen. Zur Entwicklung von Arzneimitteln, aber auch für Forschung und Lehre sind die klinische Prüfung noch nicht zugelassener neuer Arzneimittel sowie die Erprobung von Substanzen, überdies auch Demonstrationen erforderlich. Der Schutz des individuellen Persönlichkeitsrechtes erfordert es aber, dass die Heranziehung für Forschungs- und Lehrzwecke nur mit Zustimmung des Betroffenen erfolgen darf.

Eine Datenerhebung zu Lehr- und Forschungszwecken ist nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig, ein Widerruf der Zustimmung jederzeit möglich. Auf die besondere patientenschutzrechtliche Problematik der Verwendung von Daten im Bereich der medizinischen Forschung sei hingewiesen.

Zu Abschnitt 5:

Die Pflicht des Arztes zur Führung einer Dokumentation ergab sich schon bisher als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag und ist auch im Ärztegesetz ausdrücklich und umfassend geregelt. Für Krankenanstalten ist die Dokumentationspflicht im KAG geregelt. Es entspricht neuen medizinischen Erkenntnissen, dass auch alle sonstigen therapeutischen Leistungen sowie wesentliche pflegerische Maßnahmen dokumentiert werden sollen. Die Dokumentation bietet sich auch an, zu Beweiszwecken die dem Patienten gegebene Aufklärung (vgl. auch die sich aus § 10 Abs. 1 Z 2 lit. a KAG ergebende Verpflichtung) und die erforderliche Zustimmung zur Behandlung aufzuzeichnen. Schließlich ist es aus verfahrensökonomischen Gründen zweckmäßig, in der Dokumentation auch Willensäußerungen des Patienten (zB Widersprüche gegen Organentnahmen nach § 62a des KAG oder Willenserklärungen über künftige Behandlungen) aufzuzeichnen.

Auf Verlangen des Patienten sind gegen Kostenersatz auch Abschriften aus der Dokumentation zur Verfügung zu stellen.

Zu Abschnitt 6:

Der Begriff „Kinder“ wird in der österreichischen Rechtsordnung in verschiedener Bedeutung verwendet. Trotz seiner Ungenauigkeit wird dieser Begriff in der Überschrift zu Abschnitt 6 angeführt, weil er einerseits bei rechtsunkundigen Lesern, die durch die Charta auch Information erhalten sollen, die entsprechenden Vorstellungen hervorruft, und weil er andererseits auch in einschlägigen internationalen Dokumenten Verwendung findet. In den einzelnen Bestimmungen dieses Abschnittes erfordert die erforderliche Differenzierung den Rückgriff auf die in der österreichischen Rechtsordnung vorgegebene Einteilung der Altersstufen.

Für Kinder bedeutet ein Spitalsaufenthalt eine besondere Belastung, aber auch ein Arztbesuch kann bei Kindern große Ängste und Verunsicherung bewirken. Kinder bedürfen daher des besonderen Schutzes. Die Charta sieht aus diesem Grund vor, über die allgemeinen Patientenrechte hinaus folgende Sonder­regelungen zu treffen:

Neben der Aufklärung des Erziehungsberechtigten (erforderlichenfalls des gesetzlichen Vertreters) ist auch den Minderjährigen eine ihrem Alter und ihrem geistigen Entwicklungsstand angemessene Auf­klärung zu geben. Mündige Minderjährige sind grundsätzlich aufzuklären (vgl. zB Aicher in Rummel RZ 17 zu § 16 ABGB).

Eine Behandlung Minderjähriger bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres bedarf jedenfalls der Zustimmung des Erziehungsberechtigten (erforderlichenfalls des gesetzlichen Vertreters). Bei mündigen Minderjährigen wird es bei der Frage der rechtswirksamen Einwilligung durch den Minderjährigen auf Art, Schwere und Dringlichkeit einer Behandlung und die Urteilsfähigkeit des Minderjährigen im Einzelfall ankommen. Bei schwer wiegenden Eingriffen ist jedenfalls auch die Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern erforderlich (vgl. OGH 19. 12. 1984, 3 Ob 526/84).

Unmündige Minderjährige sollen bei allen medizinischen Behandlungen, soweit das nach der Art der Behandlung möglich ist, das Recht haben, eine Person ihres Vertrauens bei sich zu haben. Bei stationären Aufenthalten ist die Mitaufnahme einer Vertrauensperson die beste Möglichkeit, die psychische Belastung eines Kindes bei einem Spitalsaufenthalt so gering wie möglich zu halten. Das plötzliche Allein­gelassenwerden in einer Notsituation kann bei einem Kind gravierende seelische Beeinträchtigungen hinterlassen. Bei der stationären Behandlung von unmündigen Minderjährigen bis zum zehnten Lebensjahr ist daher die Möglichkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson vorzusehen. Wenn dies aus räumlichen Gründen nicht möglich ist, ist ein umfassendes Besuchsrecht einzuräumen. Bezugspersonen sollen nicht nur anwesend sein dürfen, sondern auch aktiv an der Betreuung beteiligt werden. Durch die Anwesenheit und Mitwirkung einer vertrauten Person wird der Genesungsprozess bei Minderjährigen, bei dem psychische Momente eine wichtige Rolle spielen, positiv beeinflusst.

Einrichtungen, die überwiegend der Behandlung von Kindern dienen, vor allem im stationären Bereich, sollen altersgerecht ausgestattet sein und ausreichend Möglichkeit zu einer altersgerechten Betätigung bieten. Soweit dies möglich ist, sollen Kinder nicht auf Erwachsenenstationen aufgenommen werden.

Das betreuende Personal soll durch seine Ausbildung befähigt sein, auf die körperlichen, seelischen und entwicklungsbedingten Bedürfnisse von Kindern einzugehen.

§ 25 des Schulorganisationsgesetzes bzw. die entsprechenden Landesschulorganisationsgesetze sehen die Möglichkeit vor, für Krankenanstalten und ähnliche Einrichtungen Klassen oder einen kursmäßigen Unterricht nach dem Lehrplan der Volksschule, der Hauptschule, des Polytechnischen Lehrganges oder einer Sonderschule einzurichten. Unter der Voraussetzung einer entsprechenden Anzahl solcher Klassen und Kurse können auch „Heilstättenschulen“ eingerichtet werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass in Österreich in vielen Spitälern einzelne Lehrer dem Unterricht in Krankenanstalten zugeteilt bzw. vereinzelt auch Heilstättenschulen eingerichtet sind. Der Unterricht erfolgt teilweise in eigenen Klassen­zimmern, teilweise auf den Stationen in Gruppen oder als bedside-teaching. Die Organisation ist Sache der Schulverwaltung.

Sofern dies nach den genannten gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen ist, ist von Seiten der Träger der Krankenanstalten die Erteilung des Unterrichts durch entsprechende organisatorische Maßnahmen zu ermöglichen.

Zu Abschnitt 7:

Eine weitere Aufgabe der Patientencharta soll es sein, auch die Stellung unabhängiger Patienten­vertretungen und von Patientenselbsthilfegruppen abzusichern. Die Vertragsparteien verpflichten sich daher, unabhängige Patientenvertretungen einzurichten, die vor allem zur Behandlung von Beschwerden von Patienten oder deren Angehörigen und zur Aufklärung von Missständen berufen sind und Auskünfte erteilen sollen. In diesem Zusammenhang sei auf die im KAG seit der Novelle BGBl. Nr. 801/1993 enthaltene Verpflichtung hingewiesen, in jedem Bundesland solche Einrichtungen einzurichten.

Unabhängige Patientenvertretungen sind weisungsfrei zu stellen und der Verschwiegenheit zu unter­werfen. Auf den durch die Einrichtung unabhängiger Patientenvertretungen entstehenden Informations­fluss an die Patientenvertretungen ist bei der gesetzlichen Regelung zu achten.

Die Erfahrungen mit den bisher in Österreich eingerichteten Patientenanwaltschaften haben gezeigt, dass für derartige Institutionen ein großer Bedarf besteht und ihnen als außergerichtliches Konfliktlösungs­instrument ein weites Betätigungsfeld offen steht. Die unabhängigen Patientenvertretungen haben mit den Patientenselbsthilfegruppen, die sich in ihrem Bereich ebenfalls der Patienteninteressen annehmen, die Zusammenarbeit zu suchen.

Unabhängigen Patientenvertretungen soll auf Grund von den zur Verfügung stehenden Erfahrungen auch die Möglichkeit geboten werden, zu Projekten, in denen allgemeine patientenrelevante Fragen berührt werden, eine Stellungnahme abzugeben. Dies wird auch durch eine Einbeziehung in das allgemeine Begutachtungsverfahren zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen sowie in der Beiziehung bei grund­legenden Planungsvorhaben zu erfolgen haben.

In das Begutachtungsverfahren zu patientenrelevanten Gesetzen und Verordnungen sollen auch Patienten­selbsthilfegruppen einbezogen werden, aus Gründen der Praktikabilität kommen dafür länderweise oder bundesweit organisierte Dachorganisationen in Betracht.

Patienten sollen die Möglichkeit haben, sich über alle Einrichtungen des Gesundheitswesens zu informieren, damit sie im Sinne des mündigen Patienten ihre Entscheidungen treffen können. Dabei ist auf Art. 20 Abs. 4 B-VG und auf das Datenschutzgesetz Bedacht zu nehmen.

Der Bereich der medizinischen Leistungserbringung ist zu sensibel, um Werbung in jeder Form zuzulassen. Andererseits ist ein absolutes Werbeverbot nicht verfassungskonform, daher sind sachliche Informationen auch im Interesse der Patienten zulässig (vgl. zB die Novelle zum KAG, BGBl. Nr. 801/1993, oder § 53 Ärztegesetz 1998).

Zu Abschnitt 8:

Aus Patientensicht ist zu fordern, dass im Rahmen des Zivilrechtes im Zusammenhang mit der Haftung für Behandlungsfehler Abweichungen vom Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht und von allgemeinen Beweislastregeln im Sinne der Bestimmungen des ABGB nur zugunsten der Patienten getroffen werden dürfen.

Die Bestimmung des Artikel 33 reflektiert die herrschende Rechtsprechung zur Frage, wie Vergleichs­verhandlungen die für Schadenersatzansprüche geltende Verjährung (siehe insbesondere § 1489 ABGB) beeinflussen. Die Rechtsprechung nimmt hier eine sog. „Ablaufhemmung“ an, die Verjährungsfrist läuft demnach ungeachtet der Vergleichsgespräche zunächst weiter; wenn die Verhandlungen allerdings bis an das Ende der Verjährungsfrist oder darüber hinaus andauern, wird der Ablauf der Frist hinausgeschoben. Verjährung tritt dann nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen unverzüglich (also in angemessener Frist) die Klage eingebracht wird. Nach dieser Rechtsprechung würde nämlich die Erhebung der Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben verstoßen, weil der Kläger ja durch die Vergleichsverhandlungen veranlasst wurde, seine Forderung noch nicht geltend zu machen (zum Gesamten vgl. etwa OGH vom 6. 4. 1989, ZVR 1990/51, SZ 48/33 und 62/150 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Allerdings löst ein bloßes Anspruchs- oder Beschwerdeschreiben des Patienten an die Schlichtungsstelle einer Ärztekammer die Hemmungswirkung (noch) nicht aus; die Hemmung tritt erst bei Aufnahme konkreter Vergleichsgespräche ein, in denen über die beiderseitigen Vorstellungen verhandelt wird. Sofern nach der Lage der Dinge im konkreten Fall das Ende der Verjährungsfrist heransteht, wird die Ärztekammer den einschreitenden Patienten darauf hinzuweisen haben (siehe etwa OGH vom 27. 3. 1995, JBl. 1995, 588).


Zu Abschnitt 9:

Enthält die Schlussbestimmungen.