758 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 25. 9. 2001

Bericht

des Rechnungshofausschusses


betreffend den Sonderbericht des Rechnungshofes über die Bankenaufsicht (III-92 der Beilagen)


Der gegenständliche Sonderbericht erfolgt auf Grund des Prüfungsverlangens des Nationalrates gemäß § 99 Abs. 2 GOG vom 27. November 1998 mit dem der Rechnungshof mit einer „Sonderprüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen, der Oesterreichischen Nationalbank und der Wertpapier­aufsicht hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht über die in Österreich tätigen Kreditinstitute insbesondere im Zusammenhang

–   mit dem Versagen der Organe der Bankenaufsicht im Rahmen der Kontrolle der Rieger Bank und der Diskont Bank, das zu einer Schädigung zahlreicher Kleinanleger geführt hat,

–   mit der Rolle der Bankenaufsicht bei den Karibikgeschäften der Bank für Arbeit und Wirtschaft AG sowie

–   mit der Missachtung der vom Rechnungshof bereits 1993 erhobenen Forderung, die Bankenaufsicht zu einem durchschlagskräftigen Kontrollorgan umzugestalten

beauftragt wurde.

In seiner Kurzfassung führt der Rechnungshof im gegenständlichen Sonderbericht aus, dass das System der Bankenaufsicht durch die Einbindung mehrerer Stellen und durch eine weitläufige Kompetenz­streuung gekennzeichnet war. Die Zusammenarbeit dieser Stellen wurde ua. dadurch erschwert, dass unterschiedliche Rechtsauffassungen sowohl hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeiten als auch hinsichtlich der Beurteilung von Sachverhalten und der zu treffenden Maßnahmen bestanden.

Es war festzustellen, dass ein großer Teil der vom Rechnungshof anläßlich der im Jahr 1993 durchge­führten Gebarungsüberprüfung der Banken-, Börse- und Kapitalmarktaufsicht im Bundesministerium für Finanzen abgegebenen Empfehlungen vom Bundesministerium für Finanzen umgesetzt wurde. Die Aufgaben der Bankenaufsicht haben sich jedoch wie auch die Arbeitsmenge seither wesentlich vermehrt. Der Personalzuwachs entsprach nicht der Aufgabenver­mehrung.

Die insbesondere im Fall der Rieger Bank AG überwiegend langwierigen Ermittlungs- und Rechtsmittel­verfahren resultierten aus einem Spannungsfeld zwischen den Zielen der rechtsstaatlichen Absicherung des aufsichtsbehördlichen Vorgehens und der zeitnahen Wahrung der Gläubigerinteressen.

Aus den – nachträglich sich zum Teil als unrichtig erwiesenen – Jahresabschlüssen der Rieger Bank AG waren keine hinreichend beweisbaren Verdachtsmomente für eine bevorstehende Gläubigergefährdung ableitbar. Das Bankenanalysesystem der Oesterreichischen Nationalbank, das auf den vom Bankprüfer zu prüfenden Meldungen basierte, zeigte im Fall der Rieger Bank AG keine risikorelevanten Abweichungen an.

Die mangelhafte Sorgfalt des Bankprüfers stellte im Fall der Rieger Bank AG die entscheidende Schwachstelle im gesamten aufsichtlichen Kontrollsystem dar. Nicht nur die Bankenaufsicht, sondern auch der Aufsichtsrat verließen sich auf die testierten Jahresabschlüsse des Bankprüfers.

Zu den von der Rieger Bank AG emittierten Anleihen vertrat die Bankenaufsicht – im Gegensatz zur Oesterreichischen Nationalbank – die Rechtsansicht, dass sie nicht der Konzessionspflicht unterlagen; diese Rechtsansicht erachtete der Rechnungshof nicht für denkunmöglich. Der Prospekt der Rieger Bank-Anleihe 1998 enthielt einen umfangreichen und deutlichen Risikohinweis, der allerdings ua. durch die falschen Angaben zu den Jahresabschlüssen, die namentliche Nennung des nicht mehr amtierenden Aufsichtsvorsitzenden und durch den Hinweis auf eine zu erwartende Schadenersatzleistung (396 Millio­nen Schilling) durch die Oesterreichische Nationalbank abgeschwächt wurde.

Auf Grund der derzeit bestehenden Organisation der Bankenaufsicht sowie der rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen kann nach Ansicht des Rechnungshofes auch künftig ein „Fall Rieger“ nicht ausgeschlossen werden.

Die Bundes-Wertpapieraufsicht war dem als Weisung zu qualifizierenden – vom BMF nicht mit Nachdruck verfolgten – Ersuchen der Bankenaufsicht nicht nachgekommen, die Diskont Bank AG hinsichtlich der Einhaltung der Wohlverhaltensbestimmungen im Zusammenhang mit der Begebung der Rieger Bank-Anleihe 1998 zu prüfen.

Im devisenrechtlichen Verfahren vereitelte die Rieger Bank AG durch Ausschöpfen aller rechtlichen Möglichkeiten die Ermittlungsbemühungen der Oesterreichischen Nationalbank. Die Möglichkeiten der effektiven Rechtsdurchsetzung erwiesen sich für die Oesterreichische Nationalbank als unzureichend.

Für die Aufsichtsfunktion hinsichtlich der Diskont Bank AG waren Bescheide der Bankenaufsicht, die sich als rechtswidrig herausstellten, abträglich.

Die quantitativ erheblichen „Karibik“-Geschäfte der Bank für Arbeit und Wirtschaft AG (BAWAG) hätten bei einem Eintreten des Risikos zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Vermögenslage der BAWAG führen können. Die Engagements wurden jedoch ohne Verluste rückgeführt; es hat keine Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtung der BAWAG bestanden.

Eine Inanspruchnahme der Republik Österreich aus der Amtshaftung für das Verhalten der Banken­aufsicht erfolgte bisher bei den Insolvenzen der Allgemeinen Wirtschaftsbank AG, Wien, und der ATS-Bank für Teilzahlungskredite GesmbH, Graz. Die Schadenersatzleistungen beliefen sich insgesamt auf rund 57,4 Millionen Schilling.

Im Amtshaftungsprozess der Rieger Bank AG (Streitwert 102 Millionen Schilling) stellte das Landes­gericht für Zivilrechtssachen Wien im Jänner 1994 mit Zwischenurteil fest, dass das Klagebegehren der Rieger Bank AG dem Grund nach zu Recht bestehe. Im Oktober 1995 bestätigte der OGH dieses Urteil. Gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, die Wiederaufnahmeklage zurückzuweisen, erhob die Republik Österreich im März 1999 Rekurs, dem das Oberlandesgericht Wien im Dezember 1999 Folge gab. Dagegen erhob der Masseverwalter Revisionsrekurs beim OGH, der diesem im Oktober 2000 keine Folge gab.

Die damalige EffectInvest Bank AG (spätere Diskont Bank AG) brachte im August 1996 eine Amts­haftungsklage (Streitwert 15 Millionen Schilling) ein. Im Mai 2000 zog sie ihre Klage unter Anspruchs­verzicht zurück.

Ein Anleihezeichner der Rieger Bank-Anleihe brachte im März 1999 eine Amtshaftungsklage (Streitwert 450 000 S) wegen nicht rechtzeig getroffener aufsichtsbehördlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit der Insolvenz der Rieger Bank AG ein. Mitte Februar 2001 war die Klage noch nicht entschieden.

Der Bankenaufsicht wurde in den Amtshaftungsverfahren vorgeworfen, bei der EffectInvest Bank AG grundlos bzw. zu früh und bei der Rieger Bank AG zu spät Aufsichtsmaßnahmen ergriffen zu haben.

Zur Stärkung der Wirksamkeit des bestehenden Systems der Bankenaufsicht hat der Rechnungshof mehrere Empfehlungen abgegeben. Vor- und Nachteile der in Diskussion stehenden Varianten einer Ausgliederung der Bankenaufsicht zeigte der Rechnungshof auf.

Zusammenfassend hob der Rechnungshof folgende Empfehlungen hervor:

        1.   Ungeachtet einer möglichen Ausgliederung wäre die Anzahl der in die Bankenaufsicht einge­bundenen Stellen zu verringern.

        2.   Die Durchsetzbarkeit aufsichtsbehördlicher Maßnahmen sollte verbessert werden.

        3.   Die Ausschlussbestimmungen für Eigentümer wären präziser zu fassen.

        4.   Bei den Anforderungsprofilen für Geschäftsleiter wären strengere Maßstäbe anzulegen.

        5.   Eine Information des Aufsichtsrates durch die Bankenaufsicht über bevorstehende und getroffene aufsichtsbehördliche Maßnahmen sollte erwogen werden.

        6.   Die Bankprüfer wären im Hinblick auf ihre wesentliche Mitwirkungsfunktion bei der Banken­aufsicht strengeren Anforderungen zu unterwerfen. Eine Rotation der Bankprüfer wäre wün­schenswert.

        7.   Der Bankenaufsicht sollten verstärkte Mitwirkungsrechte bei der Auswahl der Bankprüfer einge­räumt und die Anordnung eines Prüfertausches ermöglicht werden.

        8.   Die Kleinbankenaufsicht sollte durch Bestellung eines Staatskommissärs für neue Kreditinstitute intensiviert werden.


        9.   Zur Qualitätsverbesserung des Bankenanalysesystems wäre die Vergleichbarkeit der Kreditinsti­tute insbesondere in der Gruppe der Sonderbanken sicherzustellen.

      10.   Das von der Oesterreichischen Nationalbank für Zwecke der Bankenaufsicht aufbereitete Daten­material sollte dem Bundesministerium für Finanzen zeitnäher zur Verfügung stehen.

      11.   Prüfungen an Ort und Stelle auf der Grundlage eines Zufallsauswahlmodells sollten vermehrt durchgeführt werden.

      12.   Für die in der Bankenaufsicht tätigen Mitarbeiter des Bundesministeriums für Finanzen wäre eine Versicherung zur Ausschal­tung einer finanziellen bzw. existenziellen Gefährdung angebracht.

      13.   Die Schulung, insbesondere für neu bestellte Staatskommissäre, sollte weiter intensiviert werden; verstärktes Augenmerk wäre hiebei auf Finanzinnovationen zu legen.

Der Rechnungshofausschuss hat den gegenständlichen Sonderbericht, der dem Ausschuss am 10. Mai 2001 zugewiesen wurde in seinen Sitzungen am 1. Juni und 19. September 2001 unter Beiziehung von Auskunftspersonen aus dem zuständigen Ressortbereich gemäß § 40 Abs. 1 GOG behandelt.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Ing. Erwin Kaipel, Mag. Martina Pecher, Hans Müller, Mag. Kurt Gaßner, Mag. Reinhard Firlinger, Detlev Neudeck, Mag. Gilbert Trattner, sowie der Staatssekretär Dr. Alfred Finz und der Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler.

Mit Stimmenmehrheit wurde beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Sonderberichtes zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Rechnungshofausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Sonderbericht des Rechnungshofes über die Bankenaufsicht (III-92 der Beilagen) zu Kenntnis nehmen.

Wien, 2001 09 19

                                    Hans Müller                                                                Mag. Werner Kogler

                                     Hans Müller                                                                             Obmann