877 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 16. 11. 2001

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (752 der Beilagen): Zweites Protokoll zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, Den Haag, 26. März 1999, samt interpretativer Erklärung der Republik Österreich


Das Zweite Protokoll hat gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden. Das Protokoll enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Die (Haager) Konvention (von 1954) zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten samt Protokoll ist für Österreich mit 25. Juni 1964 in Kraft getreten (BGBl. Nr. 58/1964). Da sich gerade in den Balkankriegen seit 1991 gezeigt hat, dass die Regelungen der Konvention einen nur unzureichenden Schutz für Kulturgüter vorsehen, wurden im Rahmen der UNESCO Überlegungen angestellt, den Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten zu verbessern. Insbesondere eine Angleichung an die Standards der Zusatzprotokolle von 1977 zu den Genfer Abkommen und an jüngere Übereinkommen wurde als wünschenswert erachtet.

Bei einer diplomatischen Staatenkonferenz, die vom 15. bis 26. März 1999 in Den Haag stattgefunden hat, wurde das Zweite Protokoll zu dieser Konvention ausgearbeitet. Ziel war die Weiterentwicklung des internationalen Kulturgutschutzregimes unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich des Völkerrechts. Österreich hat an dieser Konferenz aktiv teilgenommen und insbesondere eine der Arbeitsgruppen geleitet. Am 17. Mai 1999 lag das Zweite Protokoll anlässlich der 100-Jahr-Feiern der 1. Haager Friedenskonferenz im Friedenspalast von Den Haag zur Unterzeichnung auf und wurde dabei auch von Österreich unterzeichnet.

Das Zweite Protokoll zur Haager Konvention sieht folgende wesentliche Neuerungen vor:

–   Hinsichtlich der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit werden erstmals im Bereich des humanitären Völkerrechts detailliertere Bestimmungen formuliert. Auf diese Weise wird ein enger Zusammenhang mit dem internationalen Strafrecht hergestellt. So verpflichten sich die Vertrags­parteien in Anlehnung an den Verbrechenskatalog des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, gewisse Delikte (Zerstörung von Kulturgut unter verstärktem Schutz bzw. systematische Zerstörung von Kulturgut unter normalem Schutz) strafgerichtlich zu ahnden oder die Täter auszuliefern (Kapi­tel 4 Art. 15 bis 21).

–   Im Bereich der allgemeinen Schutzbestimmungen (Kapitel 2 Art. 5 bis 9) wurde die in der Konvention zu vage gehaltene Ausnahmeklausel der zwingenden militärischen Notwendigkeit (Art. 4 Abs. 2 der Konvention) wesentlich präzisiert (Art. 6). Neben inhaltlichen Kriterien (Vereinheitlichung mit dem Schutzstandard des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen, BGBl. Nr. 527/1982) werden auch prozedurale Bedingungen vorgesehen, die für einen Angriff auf geschütztes Kulturgut erfüllt sein müssen (Art. 7). Dadurch lässt sich bei bewaffneten Konflikten ein erhöhter Schutz von Kulturgut erwarten.

–   Das Zweite Protokoll etabliert in Kapitel 3 (Art. 10 bis 14) ein verstärktes Schutzsystem für besonders schützenswertes Kulturgut. Dies ist ein wesentlicher Fortschritt, da das ursprünglich in der Konvention von 1954 vorgesehene Sonderschutz-Regime auf Grund zu komplizierter Bestimmungen und eines zu engen Anwendungsbereichs nie wirksam geworden ist. Voraussetzung für den verstärkten Schutz ist die Eintragung in eine „Liste des Kulturguts unter verstärktem Schutz“, die von einem durch das Zweite Protokoll eingesetzten internationalen Ausschuss geführt wird.


–   Die Rolle der nichtstaatlichen Organisationen im internationalen Kulturgüterschutz wird weiterent­wickelt (Art. 27 Abs. 3).

Durch die Umsetzung des Zweiten Protokolls entstehen der Republik Österreich keine unmittelbaren Kosten; der Ausschuss wird vom UNESCO-Sekretariat in Paris betreut werden. Zur vollständigen inner­staatlichen Umsetzung ist es noch erforderlich, in absehbarer Zeit einzelne gesetzliche Bestimmungen zu schaffen (insbesondere eine Verordnungsermächtigung zur Festlegung des unter verstärktem Schutz stehenden Kulturguts sowie eine Strafbestimmung zur Umsetzung des Art. 15 Abs. 1 lit. b des Zweiten Protokolls), weshalb ein Beschluss des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist.

Im Hinblick auf das österreichische Strafrecht ist es ebenfalls erforderlich, eine interpretative Erklärung zu Art. 15 Abs. 1 lit. c und Art. 16 Abs. 1 lit. c des Zweiten Protokolls abzugeben:

–   Der in Art. 15 Abs. 1 lit. c enthaltene Terminus „sich aneignen“ stammt aus dem Zivilrecht und ist im Strafrecht nicht gebräuchlich; es soll daher eine interpretative Erklärung des Inhalts abgegeben werden, dass die Republik Österreich davon ausgeht, dass unter diesem Ausdruck das Delikt des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 3 StGB zu verstehen ist.

–   Bei Art. 16 Abs. 1 lit. c wurde durch ein Redaktionsversehen die ansonsten übliche Wendung „und nicht ausgeliefert wird“ nicht aufgenommen; es muss daher eine interpretative Erklärung des Inhalts abgegeben werden, dass die Republik Österreich im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 des Protokolls davon ausgeht, dass eine Verpflichtung zur Begründung von Gerichtsbarkeit hinsichtlich der in Art. 15 Abs. 1 lit. a bis c erwähnten Straftaten nur für den Fall besteht, dass der Verdächtige nicht ausgeliefert wird.

Das Zweite Protokoll zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten wurde bisher von 30 Staaten unterzeichnet (neben Österreich auch von den anderen EU-Mitgliedern Belgien, Finnland, Deutschland, Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Spanien und Schweden) und von drei Staaten, nämlich Belarus, Bulgarien und Katar, ratifiziert. Gemäß seinem Art. 43 Abs. 1 tritt es drei Monate nach Hinterlegung von 20 Ratifikations- oder Beitrittsurkunden in Kraft.

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 13. November 2001 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.  Der Abschluss des Staatsvertrages: Zweites Protokoll zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, Den Haag, 26. März 1999, samt interpretativer Erklärung der Republik Österreich (752 der Beilagen) wird genehmigt.

2.  Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

3.  Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG ist das Zweite Protokoll dadurch kundzumachen, dass es in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Wien, 2001 11 13

                             Wolfgang Großruck                                                              Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann