Abweichende persönliche Stellungnahme
der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und
Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber
gemäß § 42 Abs. 5 GOG
zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft (993 der Beilagen) über das Bundesgesetz, mit dem die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit eingerichtet werden (Ernährungssicherheitsgesetz)
Nach
vorhergehenden zähen Verhandlungen um die Finanzierung wurde im Ausschuss für
Land- und Forstwirtschaft das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz
beschlossen. Anlässlich dieses Vorhabens werden die zuständigen Bundesanstalten
des Gesundheits- und Landwirtschaftsressorts in eine GmbH ausgegliedert. Mit
diesem Gesetz sollen ein Bundesamt zur Vollziehung der hoheitlichen Aufgaben
(erstinstanzliche Vollziehung der landwirtschaftlichen Betriebsmittelgesetze)
und eine Agentur (GmbH) zur Wahrnehmung der sonstigen Aufgaben auf dem Gebiet
der Ernährungssicherheit geschaffen werden. Eigentümervertreter der Agentur
sind der BMSG und der BMLFUW, die auch die fachliche Aufsicht und das
Weisungsrecht im jeweiligen Bereich haben. Es können bis zu drei
Geschäftsführer bestellt werden, wobei der Direktor des Bundesamtes
gleichzeitig auch einer der Geschäftsführer der Agentur sein wird. Der
Aufsichtsrat setzt sich zusammen aus je zwei Mitgliedern des BMSG und BMLFUW,
einem Mitglied aus dem BMF und zwei Mitgliedern der DienstnehmervertreterInnen.
Weiters soll es wissenschaftliche Beiräte geben, die ebenfalls von den beiden
zuständigen Ministern zu bestellen und einzuberufen sind. Laut ursprünglichem
Entwurf sollten die Länder miteingebunden werden bei einem
Weisungsdurchgriffsrecht des zuständigen Bundesministers auf dem Gebiet der
Lebensmittel- und Veterinärkontrolle. Die dazu nötige verfassungsmäßige
Mehrheit wäre im Bereich der Möglichkeiten gelegen, da von Seiten der SPÖ und
der Grünen Bereitschaft signalisiert wurde. Die Länder widersetzten sich diesem
Vorhaben, wodurch die Schnittstellenproblematik im Hinblick auf die mittelbare
Bundesverwaltung prolongiert wird. Die Regierungsparteien erwarten sich von
dieser Agentur die Realisierung von Synergieeffekten bei den Kosten und eine
signifikante Erhöhung der Effektivität bei Kontrollmaßnahmen.
Zur Beurteilung
dieses Projektes muss zunächst einmal auf die Chronologie
der Ereignisse, die zur Entstehung der Idee der Schaffung einer
österreichischen Ernährungsagentur beigetragen haben, zurückgeblendet werden:
– 1997: Pläne für
ein Bundeslabor;
– Februar 2000:
Regierungsverhandlungen über die Integrierung der Lebensmittel- und Veterinärkontrolle
in die Agenden des Landwirtschaftsressorts;
– Dezember 2000:
BSE-Krise der EU-Landwirtschaft, einige Wochen später bricht in Großbritannien
die Maul- und Klauenseuche aus. Mehrere Millionen Tiere werden abgeschlachtet,
vernichtet, auf Scheiterhaufen verbrannt oder in Gruben verscharrt;
– Jänner 2001:
Aufdeckung des Schweineskandals in Österreich, eines systematischen Netzwerkes
rund um den Handel und Einsatz von illegalen Tierarzneimitteln; Behinderung der
Ermittlungen durch Vorwarnungen von Agrarlandesräten, unkoordinierte,
verzögerte Ermittlungen, nicht fachgerechte Untersuchungen; Untätigkeit der
politisch Verantwortlichen und Hinweis, es handle sich nur „um einige schwarze
Schafe“;
– 2. Februar
2001: anlässlich der EU-weiten BSE-Krise und des Schweineskandals in Österreich
findet eine Parlamentarische Enquete zur Lebensmittelsicherheit in Österreich
und Europa statt. Die beiden betroffenen Bundesminister Molterer und Haupt
orten dringenden Handlungsbedarf und kündigen neben einem
Tierarzneimittelkontrollgesetz die Schaffung einer Agentur für
Ernährungssicherheit an;
– Dezember 2001:
anlässlich des ersten BSE-Falles in Österreich wurden gravierende Betrügereien
beim Export und Import von Fleisch sowie illegale Inanspruchnahmen von
Fördergeldern in Millionenhöhe aufgedeckt. Es handelt sich um seit längerem
gepflogene Praktiken: tschechisches Fleisch wird umetikettiert und tonnenweise
als heimisches Qualitätsfleisch verkauft, EU-Exportförderungen werden in Millionenhöhe
zu Unrecht bezogen. SchlachthoftierärztInnen, die auf Missstände auf den
österreichischen Schlachthöfen hinwiesen, wurden jahrelang ignoriert, oft
strafversetzt, entlassen, in ihrer Tätigkeit eingeschränkt oder in Pension
geschickt;
– Dezember 2001:
Kritik des Rechnungshofes an erfolgten Ausgliederungen, speziell an der Ausgliederung
des Umweltbundesamtes – es sind „… keine wesentlichen Vorteile der
Ausgliederung zu erkennen“.
Auf Grund der
Ereignisse wäre das Konzept einer effizienten Aufgabenwahrnehmung im Bereich
der Lebensmittelsicherheit bei der Sicherstellung von Unabhängigkeit,
Transparenz und Kontrolle zu erwarten gewesen. Aber anders als auf EU-Ebene, wo
anlässlich der BSE-Krise die Zuständigkeiten des Veterinärwesens, der
Tierernährung und des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in der
Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz gebündelt wurden,
bleibt laut diesem Gesetzentwurf in Österreich auch der Landwirtschaftsbereich
für die Kontrolle zuständig. Dies, obwohl die traditionellen Bindungen zu den
Produzenten im landwirtschaftlichen Bereich schon in der Vergangenheit zu
zahlreichen Versäumnissen und Kontrollmängeln geführt haben. Jahrelange
Kontrolldefizite und Strukturschwächen im Landwirtschaftsbereich werden so
nicht beseitigt, sondern fortgeschrieben.
Auch wären die in
die Agentur einzugliedernden Institute vorher von
einer unabhängigen Stelle wie vom Rechnungshof zu prüfen und zu evaluieren
gewesen.
Solch ein
Gutachten zur Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wurde zB
vom Bundesrechnungshof in Deutschland vorgelegt („Wedel-Gutachten“) und war
dort Grundlage für das Reorganisationskonzept. In Österreich hingegen wurde
Kritik des Rechnungshofes [1])
ignoriert.
Ebenso wurden die
Ergebnisse der mit dem Ausgliederungskonzept befassten Schweizer Firma ROI Seidel
Management Consulting AG vor der Öffentlichkeit und den Parlamentariern
geheimgehalten und unserer Fraktion trotz intensiver Urgenzen nicht
ausgehändigt. Damit wurde auch den parlamentarischen Gremien eine zentrale
Entscheidungsgrundlage vorenthalten. Aus diesem Abschlussbericht von ROI über
die Errichtung einer Agentur, die sich die Grüne Fraktion auf informellen Wegen
beschaffen musste, wird klar, dass
– die Agentur
erheblich mehr kosten wird als veranschlagt;
– der Einfluss der
Landwirtschaft steigen wird, obwohl ihre Bedeutung in der Neukonzeption
geringer ist, und
– die
Synergieeffekte in erster Linie durch Einsparung von 177 Personen
(Vertragsbedienstete, Laborkräfte) entstehen und erst ab dem vierten Jahr zum
Tragen kommen.
Sparprogramm Lebensmittelsicherheit
Laut
Regierungsvorlage ist für das Jahr 2002 eine Basiszuwendung von
33,1 Millionen Euro vorgesehen (die Agentur nimmt mit 1. Juni
2002 die Arbeit auf),
für die Jahre 2003
und 2004 je 56,7 Millionen Euro,
für das Jahr 2005:
56,0 Millionen Euro,
für das Jahr 2006:
55,2 Millionen Euro und
ab 2007:
54,6 Millionen Euro.
Ferner ist im Jahr
2002 eine Bareinlage von insgesamt 14,5 Millionen Euro, in die das
Stammkapital von 1 Million Euro einzurechnen ist, einzubringen. Nach
Maßgabe der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft kann bis Dezember
2004 eine weitere Bareinlage von 7,2 Millionen Euro geleistet werden.
Obwohl
Zusammenschlüsse in der Regel mit hohen Anfangsinvestitionen und einem
kurzfristigen Rückgang der Effizienz verbunden sind, entspricht die
Mittelausstattung der Jahre 2002, 2003 und 2004 nur den bisher zur Verfügung
gestellten Mitteln. Ab 2005 wird sogar der Sparstift angesetzt, obwohl durch
die Ausgliederung Mehrkosten in der Verwaltung entstehen werden. Insgesamt
bedeutet dies mittelfristig eine erhebliche Mittelkürzung bei erhöhten
Anforderungen.
Nach ROI betragen
die derzeitigen Gesamtausgaben:
Gesamtausgaben 1 121,1 Millionen
Schilling (81,5 Millionen Euro),
Einnahmen (privat 198,8, hoheitlich 75,4) 274,2 Millionen
Schilling (19,9 Millionen Euro),
Nettobedarf 846,9 Millionen Schilling (61,6 Millionen Euro).
Im Gegensatz dazu
benennt Finanzstaatssekretär Finz in der Anfragenbesprechung im Parlament am
31. Jänner den derzeitigen Nettobedarf mit nur 801 Millionen
Schilling (58,2 Millionen Euro).
Durch die Schaffung der Agentur entstehen aber folgende Mehrkosten:
– Die Agentur hat
dem Bund monatlich die Gehaltsaufwendungen für die Beamten zuzüglich 31,8% zur
Deckung des Pensionsaufwandes zu leisten, bisher musste der Bund in keine Pensionskasse
einzahlen;
– Aufwendungen für
Dienstleistungen, die bisher nicht im Budget der Anstalten waren, wie
Lohnverrechnung Vertragsbedienstete;
– Aufwendungen für
Haftpflichtversicherungen, die der Bund bisher nicht abschloss, eine
Gesellschaft aber abschließen muss, weiters Steuerberatungs- und
Rechtsberatungskosten;
– Aufwendungen für
die zusätzlichen Funktionen für Geschäftsführer, Aufsichtsrat, Geschäftsleitung
mit Sekretariat, Controlling, Kostenrechnung, Einkauf, Bestellwesen,
Personalbüro.
Daraus
ergibt sich ein höherer Nettoaufwand, den ROI mit 1 295 Millionen
Schilling (94,11 Millionen Euro) beziffert. Dem stehen
Minderzuwendungen des Bundes von 56,7 Millionen Euro derzeit und ab
2007 von 54,6 Millionen Euro gegenüber. Die Differenz von 40 Millionen Euro
kann nicht durch Synergien ausgeglichen werden.
Synergieeffekte
Das von der
Regierung vorausgesetzte Syngergiepotential ist nicht nachvollziehbar, da es
laut ROI-Bericht bei sofortiger Umsetzung des notwendigen
Investitionsprogrammes frühestens in drei Jahren zu 80% ausgeschöpft werden
könnte. Dies würde aber ein höheres Investitionsvolumen voraussetzen.
Verbindlichkeiten aus der Bauträgerfinanzierung
Eine besondere
Situation ergibt sich durch die Rückzahlung bestehender
Bauträgerfinanzierungen. Bisher wurde die Rückzahlung aus den Sachaufwendungen
der Anstaltenbudgets getätigt, mit der Begründung, das BFL sei völlig neu
ausgestattet und habe dadurch wesentlich geringeren Bedarf an Neuanschaffungen
an wissenschaftlichen Geräten usw. Durch Herausnahme und Herunterrechnen aus
dem Agenturbudget entsteht die Situation, dass im Jahre 2004, wo auch in den
neu ausgestatteten Bereichen der Agentur die Ausstattung über zehn Jahre alt
ist und eigentlich ersetzt werden müsste, kein Geld mehr für diese Sachaufwendungen
vorhanden ist.
Aufträge von Dritten
Das Konzept der
Agentur sieht vor, dass Leistungen gegenüber Dritten gegen kostendeckendes
Entgelt erbracht werden können. Dies gestaltete sich schon im Umweltbundesamt
schwierig. Zum einen müssen aus wettbewerbsrechtlichen Gründen getrennte
Verrechnungskreise geführt werden. Zum anderen ergibt sich in vielen Bereichen
eine Unvereinbarkeit mit der Kontrolltätigkeit.
Gefahr der Zerschlagung von funktionierenden Einheiten
Geplant ist eine
Zusammenführung der derzeit getrennten Einheiten an vier Standorten: Ost
(Wien), West (Innsbruck), Nord (Linz) und Süd (Graz). Für alle in die Agentur
zu integrierenden, derzeit gut funktionierenden Dienststellen (insbesondere für
den Lebensmittel-Untersuchungsbereich) besteht die Gefahr der Zerschlagung des
Verlustes an Know how und der beliebigen Aufteilung der Geräte und
Einrichtungen.
Die Kritik der Grünen am „Ernährungssicherheitsgesetz“:
– Fehlen einer
Schwachstellenanalyse der österreichischen Lebensmittelpolitik vor der Konzeption einer Agentur;
– das Kriterium der
Unabhängigkeit ist nicht gegeben: keine Trennung von Lebensmittelproduktion und
Kontrolle;
– durch die
geplanten Einsparungen fehlen Kapazitäten für Untersuchungen, und billige,
automatisierte Untersuchungsreihen werden teureren Vorsorgeuntersuchungen
vorgezogen werden [2]);
– die
Zusammenlegung völlig ungleicher Institutionen kann zum Ruin funktionierender
Strukturen führen;
– durch
Personalabbau und Einsparungen droht der Verlust des wissenschaftlich
ausgebildeten Personalstocks; eine fundierte Risikobewertung ist in diesem
finanziellen Rahmen nicht möglich;
– die
Koordinierungsdefizite mit den Ländern zur Sicherstellung des
Informationsflusses, der Transparenz und der Einheitlichkeit der
Kontrolltätigkeiten werden nicht behoben;
– die Agentur ist
durch die Ausgliederung der parlamentarischen Kontrolle entzogen;
– die
Informationspflicht wird im Gegensatz zum UBA-Gesetz nicht gesetzlich
verankert;
– Österreich wird
im „WHO-Ranking“ zurücksinken, da die Qualität der Kontrollsysteme ein
Beurteilungskriterium für den Entwicklungsstand der Lebensmittelsicherheit
eines Landes ist.
Folgende Chancen zu längst fälligen Reformen werden verpasst:
– Die Bündelung
aller Kontrollkompetenzen im Lebensmittel- und Veterinärbereich auf Bundesebene
im Gesundheitsressort;
– die Einrichtung
einer neukonzipierten Bundesbehörde für Lebensmittelsicherheit und
organisatorische Reform der unabhängigen, amtlichen Veterinär-,
landwirtschaftlichen Betriebsmittel- und Lebensmittelkontrolle bei personeller
und finanzieller Aufstockung;
– Erstellung eines
jährlichen Lebensmittelberichtes, der dem Parlament zuzuweisen ist;
– Sicherstellung
der Koordination und Harmonisierung zwischen Bund und Ländern bei Rechtssetzungs-,
Kontroll- und Überwachungsaufgaben [3]);
– Einrichtung und
Vernetzung von Datenbanken unter Einbindung aller Kontrolleinrichtungen
und –ebenen;
– Verbesserung der
Kommunikation mit EU-Einrichtungen;
– Trennung
zwischen den Bereichen Risikobewertung und Risikomanagement im Bereich der
Lebensmittelsicherheit [4]);
– Durchführung
regelmäßiger unabhängiger Kontrollen der landwirtschaftlichen Betriebsmittel
bei den Herstellern, im Handel und stichprobenweise auf den bäuerlichen
Betrieben;
– Erstellung von
Langzeitprogrammen (zB höhere Stichprobenanzahl in den Schlachthöfen durch
mehrere Jahre hindurch) und Kontrollplänen.
Die Defizite bleiben bestehen
Die
Landesveterinäre sind größtenteils den Agrarressorts der Länder unterstellt
bzw. die Agrar- und Veterinärangelegenheiten in einer Hand. Beispiele hierfür:
Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg.
In Kärnten ist auch noch der Lebensmittelbereich in der Hand des
Agrarlandesrates (dh. Landesrat Wurmitzer ist für Agrar-, Veterinär- und
Lebensmittelagenden zuständig!). Fleischuntersuchungstierärzte, die Missstände
aufzeigen, bleiben weiterhin ohne Rückendeckung.
Eine Reform der
Agrarpolitik ist nicht in Sicht. Trotz aller offensichtlichen Fehlentwicklungen
beteuert Bundesminister Molterer am 11. Jänner 2002 (APA0257): „Wir wollen
eine Weiterentwicklung und keine permanente Reformdiskussion“, … die
Halbzeitbewertung der Gemeinsamen Agrarpolitik dürfe nicht dazu missbraucht
werden, eine vollkommene Reform einzuleiten.
Ein Konzept für
den Tiergesundheitsdienst ist nicht in Sicht. Der Vorschlag von Univ.-Prof.
Leibetseder wurde von der Landwirtschaftsvertretung glattweg abgelehnt.
Stattdessen wurde seitens der Landeshauptleute ausgerechnet der für Agrar- und
Veterinärfragen gleichermaßen zuständige niederösterreichische Landesrat
federführend mit einem Konzept für den Tiergesundheitsdienst befasst. – Das ist
der Agrar- und Veterinärlandesrat jenes Bundeslandes, das am stärksten vom
Schlachthof-Betrugsskandal krisengeschüttelt wurde!
Zusammenfassend
ist festzustellen, dass trotz aller Agrar- und Lebensmittelskandale in
Österreich lediglich die von der EU zwingend vorgegebenen Maßnahmen wie
verpflichtende BSE-Tests für Rinder über 30 Monate, das Tiermehlverfütterungsverbot
und die Beseitigung von spezifiziertem Risikomaterial (SRM) aus der
Lebensmittelkette tatsächlich gesetzt wurden. Anlässlich eines Kontrollbesuches
des EU-Lebensmittel- und Veterinäramtes in Österreich wurden aber selbst hier
zahlreiche Mängel in der Umsetzung der diesbezüglichen EU-Richtlinien bei der
epidemiologischen Überwachung, dem Umgang mit dem spezifizierten Risikomaterial
und der Überwachung des Verfütterungsverbotes festgestellt. Auch wurde
kritisiert, dass es keine harmonisierte Regelung für die Überwachung von BSE
gibt und die Personalausstattung auf allen Ebenen der Veterinärdienste zu knapp
sei. [5])
Die Schaffung der
Ernährungsagentur in der geplanten Form ist nicht dazu geeignet, mehr
Sicherheit im Lebensmittelbereich zu schaffen, da Kontrollkompetenzen
staatliche Kernaufgaben sind und nicht ausgegliedert werden sollten, da die
Finanzierung unzureichend ist, da das Kompetenz-Wirr-Warr nicht aufgelöst wird
und gleichzeitig kein Reformwille besteht, die Agrarpolitik zu ökologisieren,
das Lebensmittelrecht strenger, transparenter und effizienter zu gestalten, das
Vorsorgeprinzip stärker zu verankern und die Hersteller zur Verantwortung zu
ziehen. Die Grüne Fraktion wird aus den genannten Gründen daher diesem
Gesetzesvorhaben nicht zustimmen.
[1]) Aus der Stellungnahme des österreichischen Rechnungshofes zum Entwurf Ernährungssicherheitsgesetz: „Dem RH erscheint die Umsetzung der vorgegebenen Ziele der Strukturreform und Effizienzsteigerung der Bundesverwaltung bzw. der Qualitätssicherung durch den vorliegenden Entwurf nicht erfüllt. Aus der Schaffung der Agentur lässt sich kein Vorteil gegenüber dem Iststand der Lebensmittelkontrolle erkennen. Mit der geplanten Agentur würde vielmehr eine zusätzliche Verwaltungsebene mit den damit verbundenen Nachteilen und Mehraufwendungen geschaffen werden, weil … die in dieser Bestimmung genannten Dienststellen des Bundes zwar in die Agentur eingegliedert, nicht aber von dieser ersetzt werden. In diesem Zusammenhang verweist der RH auf das Ergebnis der Gebarungsprüfung hinsichtlich der Lebensmittelkontrolle in Österreich … Der RH hatte darin ua. auch auf die im Jahr 1997 erfolgte Umgestaltung der für die Sachbereiche Gesundheit und Verbraucherschutz zuständigen Generaldirektion der Europäischen Kommission hingewiesen. Damals wurden die ursprünglich der Landwirtschaft zugeordneten Lebensmittel-, Veterinär- und Futtermittelangelegenheiten in die Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz (GD XIV) eingegliedert.“
[2]) Schon im EU-Inspektionsbericht Juni 2001 wird die Unterdotierung der Kontrolltätigkeit in Österreich kritisiert. Insbesondere wurde die Gewährleistung angemessener personeller, instrumenteller und finanzieller Ausstattung der mit Rückstandskontrollen befassten Laboratorien empfohlen.
[3]) Auch im EU-Inspektionsbericht zur Evaluierung der Rückstandskontrollen DG (SANCO) 3293/2001 6. 2. wurden die Koordinierungsdefizite angesprochen: „… konnte jedoch nicht geprüft werden, in welchem Umfang die einzelnen Bundesländer ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nach dem Rückstandskontrollplan nachgekommen waren, weil eine derartige Auswertung dem Inspektionsteam vom BMSG nicht zur Verfügung gestellt werden konnte. … Das BMSG ist unzureichend eingebunden in Maßnahmen, die nach Höchstmengenüberschreitungen oder dem Auffinden von Rückständen von verbotenen Stoffen von den Bundesländern ergriffen werden. Erhebliche Koordinierungsdefizite wurden bei der Handhabung des ,Schweinemastskandals‘ deutlich.“
[4]) Diese funktionelle Trennung wurde auch bei der Reorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes in Deutschland als essentiell erachtet, da die Bewertung von Risiken im Bereich der Lebensmittelsicherheit auf unabhängiger wissenschaftlicher Grundlage erfolgen und auch Handlungsoptionen aufzeigen soll. Das Risikomanagement im Bereich der Exekutive dagegen, das in den Händen von Ministerien, Bundes- und Landesbehörden liegt, ist gefordert, auch andere Fragestellungen (Verbrauchererwartungen, wirtschaftliche Überlegungen, politische Einschätzungen) zu berücksichtigen. Daher werden in Deutschland zwei neue Behörden auf Bundesebene vorgeschlagen: ein Bundesinstitut für Risikobewertung und Risikokommunikation und ein Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit der Aufgabe Risikomanagement.
[5]) Auszug aus dem Bericht über einen Kontrollbesuch des EU-Lebensmittel- und Veterinäramtes in Österreich vom 5. bis 9. Februar 2001 zur Bewertung der Maßnahmen, die zum Schutz vor der Bovinen spongiformen Enzephalopathie angewandt werden.