1049 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 19. 3. 2002

Bericht

des Justizausschusses


über die Regierungsvorlage (962 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einführungs­gesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichts­gesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Grundbuchsgesetz, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haft­pflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2002)


Das Arbeitsprogramm der Bundesregierung für die XXI. Gesetzgebungsperiode legt als einen Schwerpunkt der Justizpolitik die Beschleunigung gerichtlicher Verfahren fest. Durch die in Aussicht genommenen Maßnahmen sollen der Grundsatz der Verfahrenskonzentration im Zivilprozess verstärkt, Prozessverschleppungen hintangehalten und so erhebliche Beschleunigungseffekte erzielt werden.

Im Sinne einer Vereinfachung, Beschleunigung und Effizienzsteigerung des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens soll die Streiteinlassung im Gerichtshofverfahren nunmehr schriftlich (durch Klagebeantwortung, Einspruch oder Einwendungen) erfolgen. In der vorbereitenden Tagsatzung ist der Prozessstoff umfassend zu präsentieren und zu erörtern. Neues Vorbringen der Parteien kann zurückgewiesen werden, wenn es grob schuldhaft verspätet vorgebracht wird. Diese Straffung des Prozessablaufes wird durch zahlreiche Einzelmaßnahmen in den unterschiedlichen Verfahrensabschnitten unterstützt und abgesichert (Abschaffung des Widerspruchs gegen Versäumungsurteile, Fristen für die Erstattung von Sachverständigengutachten, bei Zustellanständen Zustellung der Parteienladung an den Parteienvertreter, Eingliederung des Revisionsmodells des ASGG in die ZPO usw.). Der Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit soll die Institutionalisierung von Schiedsgerichten der Rechtsanwaltschaft und des Notariats dienen.

Durch die vorgeschlagenen Änderungen sind keine nennenswerten Mehrkosten für den Bundeshaushalt zu erwarten. Auf längere Sicht könnten die vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere wenn sich das Modell einer Schiedsgerichtsbarkeit der Kammern der Rechtsberufe bewährt, auch zu einer Entlastung der Gerichte führen.

Die vorgeschlagene Regelung trägt im Einklang mit dem geltenden Recht der bisherigen Umsetzung des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsrechts Rechnung. Darüber hinaus werden Vorschriften der Europäischen Union von diesem Gesetzentwurf nicht berührt.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 13. März 2002 in Verhandlung genommen.

In der sich an die Berichterstattung durch den Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer anschließenden Debatte ergriffen die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Heribert Donnerbauer und Mag. Johann Maier sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer das Wort.

Die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Michael Krüger und Dr. Johannes Jarolim brachten einen Abänderungsantrag betreffend Art. II Z 8, 9, 30, 38, 58, 65, 69 und 76, Art. III Z 8, Art. X und Art. XI des in der Regierungsvorlage enthaltenen Gesetzesvorschlages ein, der wie folgt begründet war:

„Zu Z 1 lit. d (Art. II Z 38 – § 244 ZPO):

Das bezirksgerichtliche Mahnverfahren, das mit der Zivilverfahrensnovelle 1983 eingeführt wurde, hat sich – vor allem auch die automationsunterstützte Führung der Verfahren – sehr bewährt. Es soll daher auch für Zahlungsklagen beim Gerichtshof geöffnet werden, soweit die Parallele zum bezirksgerichtlichen Verfahren auch noch bei höheren Streitwerten zu bejahen ist. Dies wird in erster Linie vom Ausmaß der Streithäufigkeit und der Einfachheit der Anspruchsdarstellung abhängen. In einem ersten Schritt soll daher eine betragliche Obergrenze vorgesehen werden. Die in der Regierungsvorlage enthaltene Obergrenze von 50 000 Euro scheint aber doch zu hoch und soll – auch angesichts der Gegebenheiten für die erleichterte elektronische Kostenberechnung – auf 30 000 Euro herabgesetzt werden, zumal in diesem Streitwertbereich bisher auch die Streitquote eine geringere war, wie eine höhere Zahl von Versäumungsurteilen zeigt.

Zu Z 1 lit. a bis h – ausgenommen lit. d – und Z 2 (Art. II Z 8, 9, 30, 58, 65, 69, 76 und Art. III Z 8 – §§ 65, 73, 225, 397a, 434, 442a, 522 ZPO und § 59 ASGG):

Die in der Regierungsvorlage enthaltene völlige Beseitigung des Widerspruchs gegen ein Versäumungsurteil scheint doch zu weitgehend. Von einer gänzlichen Abschaffung des Widerspruchs wird daher aus Rechtsschutzgründen abgesehen.

Die Neuregelung des Versäumungsurteils macht jedenfalls eine Anpassung des Widerspruchsrechts notwendig. Durch die Ausweitung des (echten) Versäumungsurteils bis zur mündlichen Streiteinlassung ergeben sich jedoch unterschiedliche Zeitpunkte im Verfahren, in denen noch ein (echtes) Versäumungsurteil ergehen kann. Nicht gegen jedes Versäumungsurteil kann daher ein Widerspruch möglich sein, weil es sonst – verweigert der Beklagte die mündliche Streiteinlassung – zu einem Verfahrensstillstand käme. Auch weil der bisherigen Ausübung des Widerspruchsrechts manchmal ein Verzögerungsaspekt innewohnt, soll – dem Beschleunigungsgedanken der Novelle folgend – nur dann ein Widerspruch zulässig sein, wenn die erste Verfahrenshandlung versäumt wird und dies zu einem Versäumungsurteil führt, nicht aber, wenn eine weitere Verfahrenshandlung versäumt wird. Im Gerichtshofverfahren soll daher gegen Versäumungsurteile, die wegen nicht rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung ergehen, im bezirksgerichtlichen Verfahren gegen solche, die wegen der Versäumung der ersten mündlichen Verhandlung ohne vorangegangene gesetzlich vorgesehene schriftliche Äußerung (Einspruch, Einwendungen) ergehen, ein Widerspruch zulässig sein. Hat die Partei daher bereits eine Klagebeantwortung, einen Einspruch oder Einwendungen erhoben und versäumt sie dann die erste mündliche Streitverhandlung (vorbereitende Tagsatzung), so soll gegen das dann ergehende Versäumungsurteil kein Widerspruch mehr möglich sein. Diese Regelung folgt Vorschlägen, die im Begutachtungsverfahren von Arbeitnehmer- und Konsumentenseite erstattet wurden.

Zu Z 3 und 4 (Art. X und XI – Justizverwaltungsmaßnahmen, In-Kraft-Treten, Übergangsbestimmungen):

Die zahlreichen Änderungen in den Verfahrensgesetzen lassen eine längere Vorbereitungszeit für alle betroffenen Verkehrskreise angezeigt erscheinen. Das allgemein mit 1. Jänner 2003 vorgesehene In-Kraft-Tretens-Datum soll ausreichend Zeit für Information und erforderlichenfalls Schulungen sowie die Umstellung von Formularen und Software geben, sodass sich die Vollziehung der neuen Vorschriften möglichst problemlos gestaltet.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzesvorschlag in der Fassung des erwähnten Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

Ebenfalls mit Stimmeneinhelligkeit traf der Ausschuss folgende Feststellungen zur ZPO-Novelle:

„In Ansehung der §§ 179, 182a, 208 Abs. 1 Z 2a, 258 ZPO geht der Justizausschuss davon aus, dass das Parteivorbringen bereits in der vorbereitenden Tagsatzung rechtlich erörtert werden muss. Ausgehend von der rechtlichen Erörterung hat das Gericht den Parteien jeweils auch Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen entsprechend zu ergänzen. Verletzt der Richter diese Pflicht und führt dies dazu, dass Rechtserhebliches nicht vorgebracht wurde, an das die Parteien mangels Erörterung der Rechtsansicht nicht dachten, so leidet das erstinstanzliche Verfahren an einem Mangel, der bei Wesentlichkeit gemäß § 496 Abs. 1 Z 2 ZPO zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung in die erste Instanz führt.

Durch die Einführung des Mahnverfahrens auch vor dem Gerichtshof könnte für wenig gerichtserfahrene Personen der Eindruck entstehen, es genüge wie im bezirksgerichtlichen Verfahren die bloße Mitteilung, gegen den Zahlungsbefehl Einspruch zu erheben, um diesen außer Kraft zu setzen. Dieses Missverständnis darf jedoch nicht zu einem Rechtsverlust, sondern lediglich zu einem Verbesserungsverfahren führen. Der Justizausschuss hält daher ausgehend von der Judikatur zur Klagebeantwortung bzw. zum Widerspruch fest, dass der Einspruch nach § 248 Abs. 1 ZPO gegen den Zahlungsbefehl im Gerichtshofverfahren zwar durch einen Anwalt zu erheben ist und den Inhalt der Klagebeantwortung haben muss, aber eine erkennbar die Bestreitung des Anspruchs enthaltende Eingabe der unvertretenen Partei nicht zur Zurückweisung, sondern zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens führt. Wie für die Klagebeantwortung gelten für den Einspruch die Verbesserungsvorschriften der §§ 84 f ZPO für Form- und Inhaltsmängel.“


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2002 03 13

                      Mag. Heribert Donnerbauer                                        Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau