1058 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 19. 3. 2002

Bericht

des Verkehrsausschusses


über die Regierungsvorlage (960 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahn­gesetz 1957 geändert wird

In der Europäischen Union hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Betrieb von Hochgeschwindigkeitszügen eine hervorragende Kohärenz von Infrastruktur- und Fahrzeugkennwerten voraussetzt. Von dieser Kohärenz hängen das Leistungs-, Sicherheits- und Qualitätsniveau der angebotenen Verkehrsdienste sowie deren Kosten ab, und auf ihr beruht vor allem die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems.

Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die internen Regelungen der in ihnen ansässigen Eisenbahnunternehmen und die von ihnen angewandten technischen Spezifikationen weisen jedoch große Unterschiede auf. Diese einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und internen Regelungen sind Ausdruck der technischen Besonderheiten der Industrie des jeweiligen Mitgliedstaates. Sie schreiben ganz bestimmte Abmessungen, Vorkehrungen und besondere Merkmale vor. Folglich haben sich sehr enge Bindungen zwischen den Eisenbahnindustrien und den Eisenbahnunternehmen des jeweiligen Mitgliedstaates der Europäischen Union herausgebildet, die einer tatsächlichen Öffnung der Märkte abträglich sind.

Diese Fakten stehen einerseits einem flüssigen Verkehr vor allem von Hochgeschwindigkeitszügen im gesamten Gebiet der Europäischen Union entgegen, andererseits benötigen die Eisenbahnindustrien der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen offenen und wettbewerbsorientierten Markt in Europa, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt verbessern können.

Mit der Erlassung der Richtlinie 96/48/EG (des Rates vom 23. Juli 1996) über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems wurde ein erster Schritt in diese Richtung gesetzt, dem nun die Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität selbst folgen werden. Im Übrigen soll an diesem System mittels der Richtlinie ähnlicher Gestaltung – wenn auch mit schwierigeren Ausgangsvoraussetzungen für die technische Harmonisierung – für den so genannten konventionellen Verkehr weitergearbeitet werden.

Die vorliegende Richtlinie beinhaltet die Festlegung grundlegender Anforderungen, die dann näher durch Technische Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) für Teilsysteme und durch europäische Spezifikationen für Interoperabilitätskomponenten ausgestaltet werden; das gesamte transeuropäische Hochgeschwindigkeitsbahnsystem soll zukünftig entsprechend diesem Normenwerk errichtet und betrieben werden. Ob ein Teilsystem den es betreffenden TSI entspricht bzw. ob Interoperabilitätskomponenten den sie betreffenden europäischen Spezifikationen entsprechen, wird anhand eines vorgegebenen Verfahrens von so genannten benannten Stellen geprüft. Das Prüfergebnis ist in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuerkennen.

Mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben soll die Richtlinie 96/48/EG über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems vollständig in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.

Das Gesetzesvorhaben definiert das österreichische Hochgeschwindigkeitsbahnsystem als Teil des gesamten transeuropäischen Hochgeschwindigkeitssystems anhand technischer Parameter. Teilsysteme des österreichischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems haben – solange keine TSI vorliegen – grundlegenden Anforderungen zu entsprechen. Die in das österreichische Hochgeschwindigkeitsbahnsystem eingebauten Interoperabilitätskomponenten haben europäischen Spezifikationen zu entsprechen. Solange keine TSI und europäischen Spezifikationen existieren, ist die Übereinstimmung von Teilsystemen und Inter­operabilitätskomponenten mit den grundlegenden Anforderungen anhand nationaler Regelwerke zu überprüfen. Das In-Verkehr-Bringen von Interoperabilitätskomponenten, die den grundlegenden Anforderungen nicht entsprechen, wird verboten.


Mangels eines nennenswerten Umsetzungsspielraumes und wegen der Notwendigkeit, einzelne Tatbestandselemente durch umfangreiche Aufzählungen zu spezifizieren, wird in diesem Gesetzesvorhaben auf einige Anhänge dieser Richtlinie verwiesen (Gliederung des Hochgeschwindigkeitsbahnsystems in Teilsysteme; Maßnahmen zur Erfüllung der grundlegenden Anforderungen; Inhalt der EG-Erklärung und der EG-Prüferklärung; EG-Prüfverfahren).

Bezüglich zu erwartender finanzieller Auswirkungen ist festzuhalten, dass die Vollziehung überwiegend dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zufällt. In der Übergangsphase könnte aus der Bearbeitung eventueller Ausnahmeanträge im Einzelfall und aus Mitteilungspflichten eine gewisse Mehrarbeit entstehen. Was die den Bezirksverwaltungsbehörden zukommende, dem gewerblichen Bereich affine Überwachungsfunktion beim In-Verkehr-Bringen von Komponenten anlangt, ist diese als anlassbezogene Missbrauchsaufsicht einzustufen. Es ist davon auszugehen, dass die österreichischen Unternehmen und Planungs- und Errichtungsgesellschaften auf EG-geprüfte Komponenten achten werden und der Anreiz für Gewerbetreibende, Interoperabilitätskomponenten in Verkehr zu bringen, für die keine EG-Erklärung vorliegt, gering ist, sodass aus dieser Bestimmung keine finanziellen Auswirkungen a priori ableitbar erscheinen.

Was die mittelbaren weiteren Auswirkungen aus den TSI anlangt, ist im Sinne des auch in der Richtlinie selbst festgehaltenen ökonomischen Übergangs vorgesehen, dass die anhängigen und in fortgeschrittenem Planungsstadium befindlichen Vorhaben ausgeklammert und nach dem derzeitigen österreichischen Regelwerk finalisiert werden. Daraus ergibt sich, dass TSI in der Praxis künftig auf Vorhaben des österreichischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems anzuwenden und von Vornherein in die Planungen einzubeziehen sein werden. Ob bzw. in welche der für einen Hochgeschwindigkeitsverkehr relevanten Kategorien einzelne Vorhaben in Österreich fallen, ist Gegenstand einer österreichischen Beurteilung, die in den gerade in einer Aktualisierung befindlichen Leitlinien (samt Kartenteil) der Transeuropäischen Netze zum Ausdruck kommt.

Die verfassungsrechtlichen Kompetenzgrundlagen liegen im Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie) und im Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG (Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen).

Die Konformität mit dem EU/EWR-Recht ist gegeben. Mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben wird ausschließlich die Richtlinie 96/48/EG über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems in innerstaatliches Recht umgesetzt.

Der Verkehrsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 13. März 2002 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Josef Edler, Dr. Evelin Lichtenberger, Anton Wattaul, Peter Marizzi, Ing. Wilhelm Weinmeier, Helmut Dietachmayr, Mag. Karin Hakl, Günter Kiermaier und der Ausschussobmann Mag. Reinhard Firlinger sowie der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Mathias Reichhold.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (960 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2002 03 13

                                  Anton Wattaul                                                           Mag. Reinhard Firlinger

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann