Vorblatt

Problem:

Die steuerlichen Beziehungen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Marokko werden gegenwärtig noch durch kein Abkommen vor dem Eintritt internationaler Doppelbesteuerungen geschützt. Der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen macht jedoch den Abschluss eines solchen Abkommens erforderlich.

Ziel:

Durch das Abkommen soll die auf Grund der Überschneidung der nationalen Steuerrechte Österreichs und Marokkos bewirkte Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen in einer den Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens und der internationalen Steuervertragspraxis entsprechenden Weise beseitigt werden.

Inhalt:

Das Doppelbesteuerungsabkommen orientiert sich inhaltlich an Grundsätzen, die vom Fiskalausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeitet wurden und mittlerweile internationale Anerkennung gefunden haben.

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Die Attraktivität Österreichs als Zielland für Investitionen wird erhöht, weil das Abkommen durch die verbindliche Regelung über die Aufteilung der Besteuerungsrechte und über die Methode der Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung jene Rechtssicherheit gewährleistet, die ein wesentliches Entscheidungskriterium für ein unternehmerisches Engagement darstellt.

Finanzielle Auswirkungen:

Negative finanzielle Auswirkungen des Abkommens auf den Bundeshaushalt sowie auf andere Gebietskörperschaften sind nicht zu erwarten. Das Abkommen hat keine Auswirkungen auf die Planstellen des Bundes.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechtes der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das vorliegende Abkommen ist ein gesetzändernder Staatsvertrag und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Artikel 50 Abs. 1 B-VG. Überdies ist gemäß Art. 50 Abs.1 zweiter Satz
B-VG die Zustimmung des Bundesrates erforderlich, da Angelegenheiten geregelt werden, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen. Es hat nicht politischen Charakter und enthält weder verfassungsändernde noch verfassungsergänzende Bestimmungen. Alle seine Bestimmungen sind zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich ausreichend determiniert, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist.

Die steuerlichen Beziehungen zwischen Marokko und Österreich werden gegenwärtig noch durch kein Abkommen vor dem Eintritt internationaler Doppelbesteuerungen geschützt. Durch die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Marokko ist jedoch mittlerweile der Abschluss eines derartigen Abkommens erforderlich geworden.

Am 8. November 1999 sind daher in Wien Verhandlungen mit Marokko aufgenommen worden, die zur Ausarbeitung eines vorläufigen Entwurfes für ein Doppelbesteuerungsabkommen geführt haben. Die in diesem Entwurf noch offenen Fragen konnten auf schriftlichem Wege mit Notenwechsel vom 25. bzw. 29. Jänner 2002 geklärt werden und führten zur Ausarbeitung des nunmehr vorliegenden Entwurfes.

Das Abkommen folgt im größtmöglichen Umfang, dh. soweit dies mit den wesentlichen außensteuerrechtlichen Positionen der beiden Staaten vereinbar ist, dem Konzept des OECD-Musterabkommens (OECD-MA).

Das Abkommen wird für Steuern vom Einkommen Geltung haben. Die Betriebstättendefinition folgt im Wesentlichen dem OECD-MA. Eine Abweichung besteht insofern, als für Versicherungsunternehmen eine Betriebstätte im anderen Staat durch Einhebung von Prämien oder durch die Versicherung dort belegener Risken begründet wird. Die betriebstättenbegründende Baustellenfrist beträgt – abweichend vom OECD-MA – sechs Monate. Die Besteuerung gewerblicher Gewinne folgt der OECD-konformen Betriebstättenregel. Das Quellenbesteuerungsrecht für Dividenden ist im Schachtelverhältnis (ab 25%iger Beteiligung) auf 5% eingeschränkt. Für Portfoliodividenden beträgt das Quellenbesteuerungsrecht 10%. Das Quellenbesteuerungsrecht für Zinsen beträgt 10%, jedoch konnte für Zinsen im öffentlichen Bereich und für Zinsen im Zusammenhang mit Exportförderungskrediten eine Quellensteuerfreiheit erreicht werden. Für Lizenzgebühren ist ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates von 10% vorgesehen.

Als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wendet Österreich grundsätzlich die Befreiungsmethode an, während Marokko generell die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der österreichischen Steuer vermeidet.

Mit dem In-Kraft-Treten des Staatsvertrages werden im Wesentlichen keine finanziellen und keine personellen Wirkungen verbunden sein.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1:

Das Abkommen ist ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit auf natürliche und juristische Personen anzuwenden, die in einem der beiden Staaten gemäß Art. 4 an­sässig sind.

Zu Artikel 2:

In sachlicher Hinsicht gilt das Abkommen für alle in beiden Vertragsstaaten in Geltung stehenden oder künftig erhobenen Steuern vom Einkommen, wobei es grundsätzlich unerheblich ist, ob der Abgabe Personalsteuercharakter oder Realsteuercharakter zukommt.

Zu Artikel 3:

Dieser Artikel enthält die in Doppelbesteuerungsabkommen üblichen OECD-konformen Begriffsumschreibungen.

Zu Artikel 4:

Diese Bestimmungen enthalten die OECD-Grundsätze für die Umschreibung des Be­griffes der Ansässigkeit (Abs. 1) sowie die Lösung von Ansässigkeitskonflikten bei na­türlichen Personen (Abs. 2) und bei juristischen Personen (Abs. 3).

Zu Artikel 5:

Dieser Artikel beinhaltet in OECD-konformer Fassung die Definition des Begriffes der „Betriebstätte“. Abweichend vom OECD-Musterabkommen begründet eine Bauausführung bereits bei Überschreiten von sechs Monaten eine Betriebstätte. Für Versicherungsunternehmen begründet die Prämieneinhebung sowie die Versicherung von Risken im anderen Staat eine Betriebstätte. Absatz 7 sieht ausdrücklich vor, dass die Bestimmungen über den unabhängigen Vertreter nicht angewendet werden, wenn dieser Vertreter seine Tätigkeit ausschließlich oder fast ausschließlich für ein einziges Unternehmen ausübt.

Zu Artikel 6:

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen werden in Übereinstimmung mit den OECD-Grundsätzen in dem Staat besteuert, in dem sich das betreffende Vermögen befindet.

Die Zuteilungsregel für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen gilt auch für Einkünfte aus der Nutzung von Gesellschaftsanteilen, wenn mit diesen Anteilen unmittelbare Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen verbunden sind.

Zu Artikel 7:

Für die Aufteilung der Besteuerungsrechte an gewerblichen Gewinnen gilt die allge­mein anerkannte OECD-Regel, derzufolge gewerbliche Gewinne, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats aus dem anderen Vertragsstaat bezieht, dort nur insoweit besteu­ert werden dürfen, als sie einer in diesem Staat gelegenen Betriebstätte zurechenbar sind. Hiefür sind der Betriebstätte jene Gewinne zuzurechnen, die sie unabhängig von dem Unternehmen, dessen Betriebstätte sie ist, hätte erzielen können.

Zu Artikel 8:

Dieser Artikel sieht unter Übernahme der OECD-Regelung vor, dass Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nur in dem Staat besteuert werden dürfen in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.

Zu Artikel 9:

Dieser Artikel befasst sich mit verbundenen Unternehmen (Mutter- und Tochterge­sellschaften sowie Gesellschaften unter gemeinsamer Kontrolle). Er sieht in OECD-konformer Weise vor, dass in diesen Fällen die Steuerbehörden eines Vertragsstaats Gewinnberichtigungen vornehmen dürfen, wenn wegen der besonderen Beziehungen zwischen den Unternehmen nicht die tatsächlichen steuerlichen Gewinne ausgewiesen werden.

Zu Artikel 10:

Das Besteuerungsrecht für Dividenden wird in Übereinstimmung mit den OECD-Grundsätzen dem Vertragsstaat zugeteilt, in dem der Dividendenempfänger ansässig ist (Wohnsitzstaat). Daneben soll auch der Quellenstaat der Dividenden ein begrenztes Besteuerungsrecht erhalten. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats in Bezug auf Schachteldividenden ab einer Beteiligung von 25% wird auf 5% herabgesetzt und entspricht insoweit dem OECD-MA. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird durch Abs. 2 lit. b bei Portfoliodividenden auf 10% beschränkt und ist somit günstiger als das OECD-MA. Die in Abs. 3 vorgesehene Definition des Begriffes „Dividenden“ ist OECD-konform. Auch der in Abs. 4 enthaltene Betriebstättenvorbehalt für die Anwendung der er­mäßigten Quellensteuersätze findet sich im OECD-Musterabkommen. Abs. 5 schließt die so genannte „exterritoriale Dividendenbesteuerung“ aus.

Zu Artikel 11:

Das Besteuerungsrecht für Zinsen wird OECD-konform dem Wohnsitzstaat des Zin­senempfängers zugewiesen. In OECD-konformer Weise wird dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht eingeräumt, das mit 10% des Bruttobetrags der Zinsen begrenzt ist. Absatz 3 sieht Ausnahmen von der Quellenbesteuerung vor. Keiner Quellensteuer unterliegen demnach Zinsenzahlungen an die Vertragsstaaten und an die Notenbanken, sowie Zinsen im Zusammenhang mit Exportförderungskrediten.

Zu Artikel 12:

Das Besteuerungsrecht an Li­zenzgebühren wird grundsätzlich dem Wohnsitzstaat des Lizenzgebührenempfängers überlassen. Daneben ist jedoch auch ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates in Höhe von 10% des Bruttobetrags der Lizenzgebühren vorgesehen.

Die Definition der Lizenzgebühren umfasst auch Mietentgelte für bewegliche Ausrüstungen.

Zu Artikel 13:

Dieser Artikel enthält in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem OECD-Musterabkommen die üb­lichen Regelungen für die Besteuerung der Gewinne aus Vermögensveräußerungen. Darüber hinausgehend sind Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an grundstücksverwaltenden Gesellschaften im Lagestaat zu besteuern.

Zu Artikel 14:

Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus dem anderen Vertragsstaat bezieht, dürfen dort nur insoweit besteuert werden, als sie einer in diesem Staat gelegenen festen Einrichtung zuzurechnen sind; die Zutei­lungsregel folgt damit den OECD-Grundsätzen.

Zu den Artikeln 15, 18 und 19:

In diesen Artikeln ist die Aufteilung der Besteuerungsrechte an Einkünften aus nicht­selbstständiger Arbeit geregelt. Nach Artikel 15 werden private Aktivbezüge, das sind Aktivbezüge, die nicht unter Artikel 19 fallen, im Allgemeinen in jenem Staat besteuert, in dem die betreffende Tätigkeit ausgeübt wird. Artikel 15 Abs. 2 enthält hiebei die OECD-konforme Ausnahmebestimmung für kurzfristige Auslandstätigkeit.

Das Besteuerungsrecht für private Ruhebezüge (das sind solche die nicht unter Artikel 19 fallen) ist in Anwendung der OECD-Grundsätze dem Wohnsitzstaat zugewiesen. Für Ruhebezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung gilt der Grundsatz der Besteuerung im Kassenstaat (Art. 18 Abs. 2).

Aktiv- und Ruhebezüge, die aus öffentlichen Kassen an im öffentlichen Dienst stehende Bedienstete gezahlt werden, dürfen gemäß den in Art. 19 übernommenen OECD-Grundsätzen im Allgemeinen nur in jenem Staat besteuert werden, in dem sich die auszahlende öffentliche Kasse befindet. Diese Regelung steht unter Ortskräftevorbehalt (Abs. 1 lit. b) und unter dem Vorbehalt erwerbswirtschaftlicher Betätigungen der öffentlichen Hand (Abs. 3).

Zu Artikel 16:

Das Besteuerungsrecht für Aufsichtsratsbezüge wird entsprechend dem OECD-Muster­abkommen dem Vertragsstaat zugeteilt, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, die die Aufsichtsratsbezüge ausbezahlt.

Zu Artikel 17:

Für die Besteuerung der Künstler und Sportler werden die OECD-Grundsätze über­nommen. Danach steht jenem Staat das Besteuerungsrecht zu, in dem der Künstler oder Sportler persönlich auftritt (Abs. 1). Dieses Quellenbesteuerungsrecht geht auch dadurch nicht verloren, dass die Einkünfte nicht unmittelbar dem Künstler oder Sportler sondern einem zwischengeschalteten Rechtsträger zufließen (Abs. 2).

Das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats entfällt jedoch, wenn die Künstler oder Sportler im Rahmen eines Kultur- bzw. Sportaustauschprogramms tätig werden (Abs. 3).

Zu Artikel 20:

Durch diese Bestimmung werden auf OECD-Basis die den Auslandsstudenten aus dem Ausland zufließenden Zuwendungen steuerfrei gestellt.

Zu Artikel 21:

Dieser Artikel enthält eine Ausnahmebestimmung für Professoren und Forscher von der Besteuerung im Tätigkeitsstaat. Diese Ausnahme setzt voraus, dass die Tätigkeit im Interesse dieses Staates erfolgt, der Aufenthalt in diesem Staat zwei Jahre nicht übersteigt und die dafür geleisteten Zahlungen von Quellen außerhalb dieses Staates stammen.

Zu Artikel 22:

Durch diese Bestimmung wird entsprechend dem OECD-Musterabkommen dem Wohnsitzstaat des Einkommensempfängers das Besteuerungsrecht an allen Einkom­mensteilen zugewiesen, für die im Abkommen keine besondere Zuteilungsregel vorge­sehen ist.

Zu Artikel 23:

In diesem Artikel werden die Methoden festgelegt, nach denen die Doppelbesteuerung vermieden wird: Österreich wendet hiebei auf OECD-Grundlage die Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt an. Nur im Falle von Quellenbesteuerungsrechten für Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und Veräußerungsgewinnen von Anteilen an grundstücksverwaltenden Gesellschaften wird die Doppelbesteuerung nach der Anrech­nungsmethode vermieden.

Marokko wendet generell die Anrechnungsmethode an.

Zu Artikel 24:

Dieser Artikel enthält die OECD-konformen Regelungen über das Verbot von Diskriminierungen.

Zu Artikel 25:

Die Vorschriften dieses Artikels enthalten die international üblichen Grundsätze über das in Streit- oder Zweifelsfällen durchzuführende Verständigungsverfahren.

Zu Artikel 26:

Durch diese Bestimmung verpflichten sich die beiden Vertragsstaaten auf OECD-Grundlage zum Informationsaustausch. Dabei werden Auskünfte ausgetauscht, die für die richtige Durchführung des Ab­kommens erforderlich sind, sowie auch solche, die die Durchführung des innerstaatlichen Rechts betreffen („großer“ Informationsaustausch).

Zu Artikel 27:

Dieser Artikel regelt in klarstellender Weise das Verhältnis des Doppelbesteuerungsabkommens zu den völkerrechtlich privilegierten Personen.

Zu Artikel 28 und 29:

Diese Bestimmungen betreffen den zeitlichen Anwendungsbereich des Doppelbesteuerungsabkommens.